Language of document : ECLI:EU:T:2008:443

URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

15. Oktober 2008(*)

„Gemeinschaftsmarke – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke PORT LOUIS – Absolutes Eintragungshindernis – Beschreibender Charakter – Bezeichnung der geografischen Herkunft der beanspruchten Waren – Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 40/94“

In der Rechtssache T‑230/06

Rewe-Zentral AG mit Sitz in Köln (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Kinkeldey und A. Bognár,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle), vertreten durch G. Schneider als Bevollmächtigten,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 21. Juni 2006 (Sache R 25/2006‑1) über eine Anmeldung des Wortzeichens PORT LOUIS als Gemeinschaftsmarke

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood sowie der Richter E. Moavero Milanesi und L. Truchot (Berichterstatter),

Kanzler: C. Kristensen, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 29. August 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 21. November 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

auf die mündliche Verhandlung vom 7. Mai 2008

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 13. Februar 2004 meldete die Gesellschaft Base-Wear Fashion gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen PORT LOUIS. Die Eintragung wurde für folgende Waren und Dienstleistungen in den Klassen 18, 24 und 25 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung beantragt:

–        Klasse 18: „Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Sattlerwaren, Pferdgeschirre und Peitschen; Pferdedecken“;

–        Klasse 24: „Heimtextilien; Bett- und Tischdecken; Bettwäsche; Badewäsche, ausgenommen Bekleidungsstücke; Haushaltswäsche; Duschvorhänge aus textilem Material; Gardinen aus Textilien oder aus Kunststoff; Rollos aus textilem Material; Tagesdecken; Wachstischtücher“;

–        Klasse 25: „Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“.

3        Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken vom 27. Dezember 2004 veröffentlicht.

4        Mit Schreiben vom 11. März 2005 machten Dritte im Sinne von Art. 41 der Verordnung Nr. 40/94 gegenüber dem HABM geltend, dass die Eintragung des Zeichens Port Louis sich dahin auswirken würde, dass Wettbewerbern der Gesellschaft Base-Wear Fashion die Benutzung einer geografischen Herkunftsangabe verboten würde.

5        Die Klägerin, die Rewe-Zentral AG, nahm als die Rechtsnachfolgerin der Gesellschaft Base-Wear Fashion, nachdem ihr vom HABM diese Bemerkungen und die Zweifel des Prüfers an der Eintragbarkeit des in Rede stehenden Zeichens mitgeteilt worden waren, mit Schriftsatz vom 29. September 2005 hierzu Stellung und erhielt ihren Antrag auf Eintragung aufrecht.

6        Dieser Antrag wurde mit Entscheidung vom 28. Oktober 2005 zurückgewiesen, nachdem der Prüfer auf die genannten Bemerkungen Dritter hin nach Veröffentlichung der Markenanmeldung eine erneute Prüfung hinsichtlich der absoluten Eintragungshindernisse vorgenommen hatte.

7        Die von der Klägerin gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde wurde mit Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 21. Juni 2006 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) zurückgewiesen.

8        Die Beschwerdekammer war der Auffassung, das streitige Zeichen bestehe ausschließlich aus Angaben zur geografischen Herkunft der gekennzeichneten Waren im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 und habe folglich keine Unterscheidungskraft gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung.

 Anträge der Parteien

9        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

10      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Entscheidungsgründe

11      Die Klägerin trägt vor, die Beschwerdekammer habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör missachtet und Art. 7 Abs. 1 Buchst. c sowie Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 fehlerhaft angewandt.

12      Die Klagegründe, mit denen die fehlerhafte Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 geltend gemacht wird, sind zuerst zu prüfen.

 Zur fehlerhaften Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94

 Vorbringen der Parteien

13      Die Klägerin vertritt die Auffassung, das Zeichen PORT LOUIS bestehe nicht ausschließlich aus Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der in Rede stehenden Waren dienen könnten.

14      Die Beschwerdekammer habe nicht nachgewiesen, dass die Gewährleistung der gegenwärtigen oder zukünftigen Verfügbarkeit einer geografischen Herkunftsangabe für diese Waren gemäß den von der Rechtsprechung (Urteile des Gerichtshofs vom 4. Mai 1999, Windsurfing Chiemsee, C‑108/97 und C‑109/97, Slg. 1999, I‑2779, des Gerichts vom 15. Oktober 2003, Nordmilch/HABM [OLDENBURGER], T‑295/01, Slg. 2003, II‑4365, und vom 25. Oktober 2005, Peek & Cloppenburg/HABM [Cloppenburg], T‑379/03, Slg. 2005, II‑4633) aufgestellten Voraussetzungen notwendig sei.

15      Erstens erstrecke sich die Bekanntheit der Insel Mauritius bei den von der Beschwerdekammer als maßgebliche Verkehrskreise betrachteten französischen und englischen Verbrauchern nicht notwendigerweise auf ihre Hauptstadt Port Louis, zumal diese im Gegensatz zu Chiemsee, Cloppenburg und Oldenburg, den in den drei angeführten Rechtssachen in Rede stehenden Ortsbezeichnungen, außerhalb der Gemeinschaft liege.

16      Zwar habe es die Beliebtheit der Insel Mauritius einer großen Zahl europäischer Touristen ermöglicht, diese Insel zu entdecken, doch ergebe sich hieraus weder, dass ihnen die Stadt Port Louis bekannt sei, noch, dass sie im Mittelpunkt ihrer Urlaubswünsche stehe oder die Hauptattraktion der Insel sei.

17      Das HABM macht geltend, dass es für die Zurückweisung des angemeldeten Zeichens ausreiche, wenn die Stadt Port Louis nur in einem Teil der Gemeinschaft den maßgeblichen Verkehrskreisen bekannt sei. Angesichts der gemeinsamen Kolonialvergangenheit der Insel Mauritius mit Frankreich und dem Vereinigten Königreich, der großen Zahl französischer Touristen, die die Insel besuchten, und ihrer engen wirtschaftlichen Verbindungen mit dem Vereinigten Königreich sei die Beschwerdekammer in freier Beweiswürdigung zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die relevanten Verkehrskreise Frankreichs und des Vereinigten Königreichs den Namen Port Louis mit der Hauptstadt der Insel in Verbindung bringen könnten und dass Port Louis zumindest bei diesen Verkehrskreisen bekannt sei.

18      Der Umstand, dass Port Louis außerhalb der Gemeinschaft liege, sei belanglos, und es gebe keinen Erfahrungssatz, wonach den maßgeblichen Verkehrskreisen Orte innerhalb des Gemeinschaftsgebiets besser bekannt wären als Orte, die außerhalb dieses Gebiets lägen.

19      Zweitens ist die Klägerin der Ansicht, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die maßgeblichen Verkehrskreise das angemeldete Zeichen als Bezeichnung eines bedeutenden Standorts der Textilindustrie wahrnähmen, noch geringer sei als die, dass ihnen die Existenz der Stadt Port Louis bekannt sei.

20      Da es sich bei den in Rede stehenden Waren um Konsumgüter des täglichen Bedarfs handele, die über Verkaufsstellen des Einzelhandels vertrieben würden, sei es sehr unwahrscheinlich, dass die maßgeblichen Verkehrskreise mit der Textilindustrie der Insel hinreichend vertraut seien, um zu wissen, dass diese nicht allgemein auf deren Gebiet, sondern im Besonderen in der Hauptstadt ansässig sei.

21      Das HABM habe weder nachgewiesen, dass Port Louis ein Herstellungsort für die fraglichen Waren sei, noch habe es bewiesen, dass den maßgeblichen Verkehrskreisen diese Stadt als Herstellungsort von „überregionaler“ Bedeutung bekannt sei oder dass sie sie mit der betreffenden Warenkategorie in Verbindung brächten.

22      Zudem führe die Bekanntheit, die die Insel Mauritius bei den maßgeblichen Verkehrskreisen als touristisches Ziel oder möglicherweise aufgrund ihrer Geschichte genieße, nicht zwangsläufig dazu, dass diese Verkehrskreise über wirtschaftliche Zusammenhänge des Landes informiert wären.

23      Das HABM habe also nicht ausreichend nachgewiesen, dass die angesprochenen Verkehrskreise einen relevanten Zusammenhang zwischen der Textilindustrie der Insel Mauritius und Port Louis, wenn ein solcher Zusammenhang bestehen sollte, ohne weiteres erkennen könnten. Damit könne nicht davon ausgegangen werden, dass Port Louis für die in Rede stehenden Waren bereits bekannt sei.

24      Selbst bei einem Ausbau des Tourismus und der Textilindustrie ließen die vom HABM herangezogenen Dokumente nicht die Aussage zu, dass die maßgeblichen Verkehrskreise Port Louis künftig als bedeutenden Textilindustriestandort kennen würden.

25      Unterstelle man als erwiesen, dass Port Louis den maßgeblichen Verkehrskreisen bekannt sei, folge hieraus somit nicht notwendigerweise, dass für diese Verkehrskreise eine Verbindung zur Textilindustrie bestehe oder dass das streitige Zeichen gegenwärtig oder zukünftig im Verkehr zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der betreffenden Waren dienen könne.

26      Nach Ansicht des HABM ist bei der Prüfung der Frage, ob die Bekanntheit von Port Louis in Bezug auf die in Rede stehenden Waren bestehe, sowohl die gegenwärtige Bekanntheit dieses Ortes als auch dessen zukünftiges Entwicklungspotential zu berücksichtigen. Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 verlange nicht nur die Berücksichtigung der aktuellen Wahrnehmung des Verbrauchers, sondern im Hinblick auf ein eventuelles Freihaltebedürfnis auch die der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt.

27      Die Beschwerdekammer habe daher zu Recht die aktuelle wirtschaftliche Lage analysiert und im Wege einer Prognose zukünftige Entwicklungstendenzen der Textilindustrie abgesteckt. Die Bedeutung dieser Industrie für die Wirtschaft der Insel, das Bemühen um Ansiedlung von Unternehmen und die Dynamik der Region ließen den Schluss zu, dass jedenfalls in der Zukunft Port Louis dort angesiedelten Textilunternehmen als geografische Herkunftsangabe dienen könne.

 Würdigung durch das Gericht

28      Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 sind Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der von der Anmeldung umfassten Waren dienen können, von der Eintragung ausgeschlossen.

29      Diese Bestimmung verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, die Verfügbarkeit von Angaben oder Zeichen, die für Merkmale der in Rede stehenden Warengruppen beschreibend sind, zu erhalten. Sie verhindert daher, dass diese Zeichen oder Angaben aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem einzigen Unternehmen vorbehalten werden (vgl. entsprechend, in Bezug auf Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken [ABl. 1989, L 40, S. 1], Urteil Windsurfing Chiemsee, Randnr. 25; Urteile OLDENBURGER, Randnr. 29, und Cloppenburg, Randnr. 32).

30      Namentlich an der Freihaltung von Zeichen oder Angaben, die zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der Arten von Waren, für die die Eintragung der Marke beantragt wird, dienen können, vor allem von geografischen Bezeichnungen, besteht ein Allgemeininteresse, das insbesondere darauf beruht, dass diese Zeichen oder Angaben nicht nur die Qualität und andere Eigenschaften der betroffenen Warengruppen anzeigen, sondern auch die Vorlieben der Verbraucher in anderer Weise, etwa dadurch beeinflussen können, dass diese eine Verbindung zwischen den Waren und einem Ort herstellen, mit dem sie positiv besetzte Vorstellungen verbinden (Urteile OLDENBURGER, Randnr. 30, und Cloppenburg, Randnr. 33; vgl. auch, entsprechend, Urteil Windsurfing Chiemsee, Randnr. 26).

31      Damit sind von der Eintragung als Gemeinschaftsmarke zum einen Bezeichnungen ausgeschlossen, die bestimmte geografische Orte bezeichnen, die für die betroffene Art von Waren bereits berühmt oder bekannt sind und die daher von den beteiligten Verkehrskreisen mit dieser Art von Waren in Verbindung gebracht werden, und zum anderen geografische Bezeichnungen, die von Unternehmen in Zukunft verwendet werden können und für diese ebenfalls als geografische Herkunftsangaben für die betreffende Art von Waren freigehalten werden müssen (Urteile Windsurfing Chiemsee, Randnrn. 29 und 30, OLDENBURGER, Randnr. 31, und Cloppenburg, Randnr. 34).

32      Dagegen steht Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 grundsätzlich nicht der Eintragung von geografischen Bezeichnungen als Gemeinschaftsmarke entgegen, die den beteiligten Verkehrskreisen nicht oder zumindest nicht als Bezeichnung eines geografischen Ortes bekannt sind, und auch nicht der Eintragung von Bezeichnungen, bei denen es wegen der Eigenschaften des bezeichneten Ortes wenig wahrscheinlich ist, dass die beteiligten Verkehrskreise annehmen könnten, dass die betreffende Art von Waren von diesem Ort stammt oder dort konzipiert wird (Urteile Windsurfing Chiemsee, Randnr. 33, OLDENBURGER, Randnr. 33, und Cloppenburg, Randnr. 36).

33      Folglich lässt sich der die geografische Herkunft der in Rede stehenden Waren beschreibende Charakter eines angemeldeten Zeichens nur in Bezug auf die betroffenen Waren und nur in Bezug darauf beurteilen, was die maßgeblichen Verkehrskreise darunter verstehen (Urteile OLDENBURGER, Randnr. 34, und Cloppenburg, Randnr. 37).

34      Im Rahmen dieser Beurteilung ist es Sache des HABM, nachzuweisen, dass die geografische Bezeichnung diesen Verkehrskreisen als Bezeichnung eines Ortes bekannt ist und dass diese Bezeichnung von den Verkehrskreisen aktuell mit der beanspruchten Art von Waren in Verbindung gebracht wird oder vernünftigerweise zu erwarten ist, dass mit einer solchen Bezeichnung nach Auffassung dieser Kreise die geografische Herkunft dieser Art von Waren bezeichnet werden kann (Urteil Cloppenburg, Randnr. 38).

35      Bei dieser Prüfung ist insbesondere von Belang, inwieweit den beteiligten Verkehrskreisen die betreffende geografische Bezeichnung bekannt ist und welche Eigenschaften der bezeichnete Ort und die betreffende Art von Waren haben (Urteil Cloppenburg, Randnr. 38).

36      Da die Parteien ihr Vorbringen zu der von den maßgeblichen Verkehrskreisen herzustellenden Verbindung zwischen Port Louis und den in Rede stehenden Waren auf Textilwaren beschränkt haben, ist die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nur hinsichtlich der von der Anmeldemarke umfassten Heimtextilwaren der Klassen 24 und 25 zu prüfen.

–       Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen

37      Da es sich bei Heimtextwaren um gängige Konsumartikel des täglichen Gebrauchs handelt, setzen sich die maßgeblichen Verkehrskreise aus den durchschnittlich informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern dieser Waren zusammen (Urteil des Gerichtshofs vom 12. Februar 2004, Koninklijke KPN Nederland, C‑363/99, Slg. 2004, I‑1619, Randnr. 34).


38      Die Beurteilung der Beschwerdekammer, dass die Durchschnittsverbraucher Frankreichs und des Vereinigten Königreichs als Staatsangehörige von zwei ehemaligen Kolonialmächten, die in der Vergangenheit die Insel Mauritius beherrschten, sowie der beiden Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die heute die wichtigsten Exportmärkte der Insel darstellen, als die maßgeblichen Verkehrskreise angesehen werden könnten, hat die Klägerin nicht angegriffen.

39      Das maßgebliche Publikum besteht daher aus den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern in Frankreich und dem Vereinigten Königreich (Urteil des Gerichts vom 8. September 2005, CeWe Color/HABM [DigiFilm et DigiFilmMaker], T‑178/03 und T‑179/03, Slg. 2005, II‑3105, Randnr. 28).

–       Zum Bekanntheitsgrad von Port Louis bei den maßgeblichen Verkehrskreisen

40      Die Stadt Port Louis kann nicht als den maßgeblichen Verkehrskreisen als bestimmter geografischer Ort hinreichend bekannt angesehen werden, da die angefochtene Entscheidung keine präzisen Angaben enthält, die eine solche Bekanntheit belegen könnten.

41      Weder die gegenwärtige Bedeutung der Wirtschaftsbeziehungen, die die Insel Mauritius mit dem Vereinigten Königreich und Frankreich unterhält, noch die der Insel und diesen beiden Mitgliedstaaten gemeinsame Geschichte sind für sich genommen geeignet, eine hinreichende Bekanntheit von Port Louis beim maßgeblichen Publikum nachzuweisen.

42      Die Feststellung der Beschwerdekammer, dass die Insel Mauritius zu einem überwiegenden Anteil in das Vereinigte Königreich und nach Frankreich exportiert, ist allein nicht ausreichend, um eine solche hinreichende Bekanntheit und folglich überhaupt die Bekanntheit der Insel bei den maßgeblichen Verkehrskreisen plausibel zu machen.

43      Ebenso wenig kann aus der kolonialen Vergangenheit der Insel Mauritius eine Bekanntheit ihrer Hauptstadt bei den Durchschnittsverbrauchern in Frankreich und dem Vereinigten Königreich abgeleitet werden, da diese über die Geschichte und Geografie der überseeischen Besitzungen ihrer Länder nicht notwendig im Bilde sind.

44      Unter diesen Voraussetzungen lässt die Feststellung der Beschwerdekammer, Port Louis stelle das wirtschaftliche Zentrum der Insel dar, nicht den Schluss zu, dass die maßgeblichen Verkehrskreise Port Louis als einen bestimmten geografischen Ort kennen.

45      Die Beschwerdekammer hat somit in Randnr. 40 der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht festgestellt, dass die Stadt Port Louis den Durchschnittsverbrauchern in Frankreich und dem Vereinigten Königreich als bestimmter geografischer Ort hinreichend bekannt sei.

46      Es ist ferner, wenn eine hinreichende Bekanntheit der Stadt Port Louis bei den maßgeblichen Verkehrskreisen als ein bestimmter geografischer Ort unterstellt wird, zu prüfen, ob dieser Ort bei diesen Verkehrskreisen für die betroffene Warenart berühmt oder bekannt ist oder ob die Wahrscheinlichkeit besteht, dass die angesprochenen Kreise in Zukunft annehmen könnten, dass diese Warengruppe von diesem Ort stammt.

–       Zur Bekanntheit von Port Louis als Standort der Textilproduktion bei den maßgeblichen Verkehrskreisen

47      Die Beschwerdekammer hat sich darauf beschränkt, die Umstände der Ansiedlung von Produktionsstätten für Heimtextilwaren in Port Louis zu beschreiben, ohne Gründe anzuführen, die geeignet wären, eine Kenntnis der maßgeblichen Verkehrskreise von der bestehenden Verbindung zwischen der Stadt Port Louis und den Heimtextilien nachzuweisen.

48      Erstens folgt aus der Ballung der wirtschaftlichen Aktivitäten der Insel Mauritius in Port Louis nicht notwendig, dass die Stadt bei den maßgeblichen Verkehrskreisen für die Herstellung oder die Konzeption der fraglichen Waren berühmt oder bekannt ist.

49      Ebenso wenig kann, zweitens, mit der Bedeutung der Exporte der Insel in die Märkte Frankreich und Vereinigtes Königreich nachgewiesen werden, dass Port Louis bei den maßgeblichen Verkehrskreisen für Heimtextilien berühmt oder bekannt ist, da insbesondere jegliche Angabe zu dem Anteil fehlt, den diese Waren am Gesamtvolumen des Handels zwischen den drei Staaten haben.

50      Im Übrigen geht aus der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Herstellung und der Export dieser Waren ebenso wie insbesondere die Zuckerindustrie als die wichtigste Exportbranche, der Tourismus und die von der Beschwerdekammer angeführten Finanzdienstleistungen nur eine der Einkunftsquellen der Insel darstellen.

51      Zudem scheint die in der angefochtenen Entscheidung erwähnte Einrichtung einer Freihandelszone in Port Louis die Entwicklung der Textilindustrie nicht stärker gefördert zu haben als die der anderen Wirtschaftszweige.

52      Vielmehr lässt sich der Randnr. 38 der angefochtenen Entscheidung entnehmen, dass Textilunternehmen nur einen Teil der zahlreichen Betriebe ausmachen, die sich seit der Einrichtung der Freihandelszone in Port Louis angesiedelt haben.

53      Schließlich ergibt sich aus den Akten nicht, dass die Insel unter den Ländern, die die für das maßgebliche Publikum bestimmten Textilien herstellen, einen besonderen Platz einnimmt, durch den sie sich diesen Kreisen als Sitz einer Industrie für Heimtextilwaren aufdrängen könnte.

54      Unter diesen Umständen ist nicht nachgewiesen, dass die Stadt Port Louis gegenwärtig einen bei den maßgeblichen Verkehrskreisen für Heimtextilwaren berühmten oder bekannten Ort darstellt.

–       Zur Möglichkeit einer zukünftigen Benutzung von Port Louis durch die Unternehmen als geografische Herkunftsangabe für Heimtextilien

55      In der angefochtenen Entscheidung wird nicht dargetan, dass vernünftigerweise für die Zukunft zu erwarten wäre, dass die maßgeblichen Verkehrskreise eine Verbindung zwischen dem angemeldeten Zeichen und der betreffenden Warengruppe herstellen könnten (Urteil Windsurfing Chiemsee, Randnr. 31).

56      Aus der von der Beschwerdekammer getroffenen Feststellung einer Zunahme des Tourismus auf Mauritius kann nicht auf ein Wachstum der Produktion von Heimtextilien in Port Louis geschlossen werden, das geeignet wäre, die Bekanntheit dieser Stadt als Ort der Konzeption oder der Herstellung von Heimtextilwaren bei den maßgeblichen Verkehrskreisen zu vergrößern.

57      Insbesondere enthält die Behauptung der Beschwerdekammer, wonach die aus Frankreich stammenden Touristen 40 % des europäischen Touristenaufkommens auf der Insel Mauritius ausmachten, keine genaue Information über die Zahl der Besucher ihrer Hauptstadt.

58      Der von der Beschwerdekammer angeführte Umstand, dass Port Louis die einzige größere bedeutende Stadt auf der Insel sei, ändert an dieser Feststellung nichts, da sich das Wachstum der Stadt aus der Entwicklung der Gesamtheit der in ihr angesiedelten Industrien zu ergeben scheint.

59      Darüber hinaus hat die Beschwerdekammer in Randnr. 44 der angefochtenen Entscheidung lediglich ausgeführt, es sei nicht auszuschließen, dass die Textilindustrie der Insel Mauritius wieder zunehmen werde.

60      Abgesehen von ihrem hypothetischen Charakter belegt diese Erwägung nicht, warum das aktuelle Wirtschaftswachstum notwendigerweise zunehmen sollte und die maßgeblichen Verkehrskreise in Zukunft veranlassen könnte, die Heimtextilindustrie mit Port Louis zu verknüpfen.

61      Im Übrigen stützte die Beschwerdekammer, soweit sie in Randnr. 43 der angefochtenen Entscheidung feststellte, es sei „den angesprochenen Verkehrskreisen bekannt, dass im afrikanischen und asiatischen Raum die meisten Textilien … hergestellt werden, und somit auch, dass auf Mauritius günstig produziert wird und werden kann“, ihre Prognose in Bezug auf die günstige Entwicklung der Textilproduktion der Insel Mauritius auf den Anteil der Kontinente Afrika und Asien an der gegenwärtigen Produktion.


62      Ein derartiger geografischer Bezug ist aber wegen seiner Allgemeinheit nicht geeignet, es plausibel zu machen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise in Zukunft eine Verbindung zwischen Port Louis und Heimtextilwaren herstellen werden. Dass diesen Kreisen die Existenz einer Textilproduktion in Afrika und Asien bekannt ist, bedeutet nicht, dass sie deren Lokalisierung auf Mauritius oder an einem bestimmten Ort dieses Landes kennen.

63      Im Übrigen räumt die Beschwerdekammer selbst ein, dass das Schicksal der Textilindustrie der Insel den Risiken des internationalen Handels unterworfen ist, indem sie in Randnr. 44 der angefochtenen Entscheidung den Verlust einiger Marktanteile der Insel an asiatische Länder erwähnt.

64      Schließlich folgt auch aus dem ohne genauere Angaben erfolgten Hinweis der Beschwerdekammer auf die Produktion von Designerware u. a. der Marken Ralph Lauren, Cardin und Yves Saint-Laurent nicht, dass die maßgeblichen Verkehrskreise in der Zukunft Port Louis mit dem Sitz einer Textilindustrie in Verbindung bringen könnten.

65      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Beschwerdekammer nicht nachgewiesen hat, dass die maßgeblichen Verkehrskreise in der Zukunft erwarten könnten, dass Heimtextilien aus Port Louis stammen oder dort konzipiert werden.

66      Daher hat es die Beschwerdekammer, selbst wenn man annimmt, dass Port Louis den maßgeblichen Verkehrskreisen als bestimmter geografischer Ort hinreichend bekannt ist, zu Unrecht als wahrscheinlich angesehen, dass diese Verkehrskreise gegenwärtig oder in der Zukunft in der Lage sein könnten, eine Verbindung zwischen Port Louis und der Produktion von Heimtextilien herzustellen.

67      Damit ist dem Klagegrund des Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 stattzugeben.

 Zum Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94

 Vorbringen der Parteien

68      Die Klägerin trägt vor, dass die Messlatte in Bezug auf die nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 erforderliche Unterscheidungskraft insbesondere dann niedrig anzusetzen sei, wenn kein aktuelles Freihaltebedürfnis bestehe. Die Anmeldemarke, die im Übrigen keinen beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Waren aufweise, besitze daher Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift.



69      Das HABM ist der Auffassung, dass das Vorliegen eines beschreibenden Charakters auch zum Fehlen von Unterscheidungskraft führe. Da die Klägerin keine Ausführungen zu Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 mache, sei eine genauere Prüfung dieser Vorschrift nicht erforderlich.

 Würdigung durch das Gericht

70      Die Beschwerdekammer hat das Fehlen der Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 daraus abgeleitet, dass PORT LOUIS in Bezug auf die geografische Herkunft der fraglichen Waren beschreibend sei.

71      Wie jedoch bereits festgestellt wurde, ist der beschreibende Charakter des angemeldeten Zeichens nicht dargetan, da seine Herleitung auf einer fehlerhaften Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 beruht.

72      Eine fehlende Unterscheidungskraft kann damit nicht als belegt angesehen werden.

73      Damit ist auch dem zweiten Klagegrund stattzugeben.

74      Aus der Gesamtheit der vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist, ohne dass es erforderlich wäre, die Rechtmäßigkeit der Versagung der Eintragung des angemeldeten Zeichens im Hinblick auf die fraglichen Waren, die nach Auffassung der Beschwerdekammer in einem Ergänzungsverhältnis zu Heimtextilwaren stehen, oder den Klagegrund der Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör zu prüfen.

 Kosten

75      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

76      Da das HABM unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.







Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 21. Juni 2006 (Sache R 25/2006‑1) wird aufgehoben.

2.      Das HABM trägt die Kosten.



Forwood

Moavero Milanesi

Truchot

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. Oktober 2008.

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      N. J. Forwood


* Verfahrenssprache: Deutsch.