Language of document : ECLI:EU:T:2014:547

Rechtssache T‑286/09

(auszugsweise Veröffentlichung)

Intel Corp.

gegen

Europäische Kommission

„Wettbewerb – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Markt für Mikroprozessoren – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 82 EG und Art. 54 EWR-Abkommen festgestellt wird – Treuerabatte – ‚Reine‘ Beschränkungen – Qualifizierung als missbräuchliche Praxis – As-Efficient-Competitor-Test – Internationale Zuständigkeit der Kommission – Prüfungspflicht der Kommission – Grenzen – Verteidigungsrechte – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Gesamtstrategie – Geldbußen – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen von 2006“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Siebte erweiterte Kammer) vom 12. Juni 2014

1.      Gerichtliches Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Der Klageschrift als Anlage beigefügte Schriftstücke – Umfang eines Schriftstücks – Vorlage von Auszügen eines Schriftstücks – Erfordernis der Hinterlegung des vollständigen Schriftstücks bei der Kanzlei – Tragweite – Nichtbeachtung – Heilbarkeit

(Satzung des Gerichtshofs, Art. 21; Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 43 § 5)

2.      Grundrechte – Unschuldsvermutung – Verfahren in Wettbewerbssachen – Anwendbarkeit

(Art. 6 Abs. 2 EU; Art. 82 EG; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47 und Art. 48 Abs. 1)

3.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Art des Nachweises – Indizienbündel – Anwendbarkeit auf Verfahren wegen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung

(Art. 81 EG und 82 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates)

4.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Art des Nachweises – Indizienbündel – Bei jedem einzelnen Indiz erforderlicher Grad der Beweiskraft – Beweispflichten der Unternehmen, die das Vorliegen der Zuwiderhandlung bestreiten

(Art. 81 EG und 82 EG; Verordnung des Rates Nr. 1/2003, Art. 2)

5.      Beherrschende Stellung – Gewährung von Rabatten durch ein Unternehmen in beherrschender Stellung – Drei Kategorien von Rabatten – Mengenrabatt – Ausschließlichkeits- oder Treuerabatt – Rabatt mit potenzieller Kundenbindungswirkung – Missbräuchlicher Charakter – Beurteilungskriterien

(Art. 82 EG)

6.      Beherrschende Stellung – Missbrauch – Ausschließlichkeits- oder Treuerabatte – Wesensbedingte Missbräuchlichkeit eines solchen Rabattsystems – Eignung zur Beschränkung des Wettbewerbs und Verdrängungswirkung – Rolle als nicht zu übergehender Geschäftspartner – Beurteilung – Verpflichtung zur Prüfung der Umstände des Einzelfalls – Fehlen – Unerhebliche Umstände

(Art. 82 EG)

7.      Beherrschende Stellung – Missbrauch – Ausschließlichkeits- oder Treuerabatte – Wesensbedingte Missbräuchlichkeit eines solchen Rabattsystems – Eignung zur Beschränkung des Wettbewerbs und Verdrängungswirkung – As-Efficient-Competitor-Test

(Art. 82 EG)

8.      Beherrschende Stellung – Missbrauch – Reine Beschränkungen – Leistung von Zahlungen als Gegenleistung für Beschränkungen des Vertriebs eines Produkts eines Wettbewerbers – Missbräuchlichkeit aufgrund des verfolgten Zwecks – Eignung zur Beschränkung des Wettbewerbs

(Art. 82 EG)

9.      Wettbewerb – Unionsvorschriften – Räumlicher Geltungsbereich – Zuständigkeit der Kommission – Zulässigkeit im Hinblick auf das Völkerrecht – Durchführung oder qualifizierte Auswirkungen der missbräuchlichen Verhaltensweisen im EWR – Alternative Möglichkeiten – Kriterium der unmittelbaren, wesentlichen und vorhersehbaren Wirkung – Beurteilung – Berücksichtigung der Durchführung dieser Verhaltensweisen durch den Abnehmer des Unternehmens in beherrschender Stellung – Zulässigkeit

(Art. 82 EG)

10.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Mitteilung der Beschwerdepunkte – Zur schriftlichen Stellungnahme gesetzte Frist – Verspätete Beantragung einer Anhörung – Präklusion – Verpflichtung zur Gewährung einer Anhörung – Fehlen

(Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 27 Abs. 1 und 2 und Art. 33 Abs. 1 Buchst. c; Verordnung Nr. 773/2004 der Kommission, Art. 10 Abs. 2 und Art. 12)

11.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Wahrung der Verteidigungsrechte – Akteneinsicht – Gegenstand – Der Verteidigung dienliche Unterlagen – Beurteilung allein durch die Kommission – Unzulässigkeit – Verpflichtung, Einsicht in die gesamte Akte zu gewähren – Tragweite bei internen oder vertraulichen Dokumenten

(Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 27 Abs. 2; Verordnung Nr. 773/2004 der Kommission, Art. 15 Abs. 2)

12.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Sorgfalts- und Unparteilichkeitspflicht – Verpflichtung der Kommission, sich auf Antrag eines von einer Untersuchung betroffenen Unternehmens bestimmte Dokumente zu beschaffen – Voraussetzungen

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 41 Abs. 1; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates; Verordnung Nr. 773/2004 der Kommission)

13.    Beherrschende Stellung – Missbrauch – Ausschließlichkeits- oder Treuerabatte – Fehlen einer förmlichen Ausschließlichkeitsbedingung – Art des Nachweises – Interne Annahmen eines Abnehmers – Zulässigkeit – Voraussetzung

(Art. 82 EG, Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 2)

14.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Befugnisse der Kommission – Befugnis zur Entgegennahme von Erklärungen – Erklärungen, die sich auf den Gegenstand einer Untersuchung beziehen – Unterscheidung zwischen förmlichen Befragungen und informellen Gesprächen – Folgen – Verpflichtung zum Festhalten von Erklärungen, die bei Zusammenkünften oder telefonisch abgegeben werden – Voraussetzungen

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 41; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 19 Abs. 1; Verordnung Nr. 773/2004, Art. 3 Abs. 1 und 3)

15.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Art des Nachweises – Erklärung eines Drittunternehmens, das Abnehmerin eines Unternehmens in beherrschender Stellung ist – Beweiswert

(Art. 81 EG und 82 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 2)

16.    Wettbewerb – Geldbußen – Mehrere Zuwiderhandlungen – Verhängung einer einzigen Geldstrafe – Zulässigkeit – Verpflichtung der Kommission, im Einzelnen darzulegen, wie sie die verschiedenen missbräuchlichen Elemente berücksichtigt hat – Fehlen

(Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission)

17.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Rechtlicher Rahmen – Art. 23 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1/2003 – Ermessen, über das die Kommission nach diesem Artikel verfügt – Einführung neuer Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen durch die Kommission – Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Strafen und den Grundsatz der Rechtssicherheit – Fehlen

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 49 Abs. 1; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission)

18.    Wettbewerb – Unionsvorschriften – Zuwiderhandlungen – Vorsätzliche oder fahrlässige Begehung – Begriff – Unternehmen in beherrschender Stellung, das missbräuchliche Verhaltensweisen durchführt, die in der Gewährung von Ausschließlichkeitsrabatten und reinen Beschränkungen bestehen – Einbeziehung

(Art. 82 EG, Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2)

19.    Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz – Gerichtliche Nachprüfung der von der Kommission in Wettbewerbssachen erlassenen Entscheidungen – Rechtmäßigkeitskontrolle und unbeschränkte Nachprüfung sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht – Verstoß – Fehlen

(Art. 261 AEUV und 263 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47 und Art. 52 Abs. 3; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 31)

20.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Grundsatz der Gleichbehandlung – Entscheidungspraxis der Kommission – Unverbindlichkeit

(Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3)

21.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Keine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien – Ermessensspielraum der Kommission – Berücksichtigung der konkreten Auswirkungen einer Zuwiderhandlung auf den Markt – Tragweite

(Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 22)

1.      Nach Art. 43 § 5 der Verfahrensordnung des Gerichts ist, wenn von einer Urkunde mit Rücksicht auf deren Umfang nur Auszüge vorgelegt werden, die Urkunde oder eine vollständige Abschrift hiervon bei der Kanzlei zu hinterlegen.

Hingegen verlangt die genannte Bestimmung nicht, dass alle anderen Schriftstücke, auf die in dem einem Schriftsatz als Anlage beigefügten Schriftstück verwiesen wird, ebenfalls bei der Kanzlei hinterlegt werden.

Selbst wenn sie dahin auszulegen wäre, dass die Parteien verpflichtet wären, bei der Kanzlei eine vollständige Version eines jeden Schriftstücks zu hinterlegen, von dem sie als Anlage zu einem Schriftsatz Auszüge vorlegen, könnte ein Verstoß gegen eine solche Verpflichtung geheilt werden.

(vgl. Rn. 53, 55, 57)

2.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 62, 63)

3.      Zwar muss die Kommission in einem Verfahren betreffend Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln genaue und übereinstimmende Beweise beibringen, die die feste Überzeugung begründen, dass die Zuwiderhandlung begangen wurde. Jedoch muss nicht jeder der von der Kommission vorgelegten Beweise diesen Kriterien notwendig hinsichtlich jedes Merkmals der Zuwiderhandlung genügen. Nach der Rechtsprechung zu Art. 81 EG reicht es aus, dass das von dem Organ angeführte Indizienbündel bei seiner Gesamtwürdigung dieser Anforderung genügt. Dieser Grundsatz gilt auch in Rechtssachen, in denen es um die Anwendung von Art. 82 EG geht.

(vgl. Rn. 64)

4.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 65-67, 542, 1525, 1528, 1529, 1547)

5.      In Wettbewerbssachen liegt eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG vor, wenn ein Unternehmen, das auf einem Markt eine beherrschende Stellung einnimmt, Abnehmer – sei es auch auf deren Wunsch – durch die Verpflichtung oder Zusage, ihren gesamten Bedarf oder einen beträchtlichen Teil davon ausschließlich von ihm zu beziehen, an sich bindet, ohne dass es darauf ankäme, ob die fragliche Verpflichtung ohne Weiteres oder gegen eine Rabattgewährung eingegangen worden ist. Das Gleiche gilt, wenn ein solches Unternehmen, ohne die Abnehmer durch eine förmliche Verpflichtung zu binden, kraft Vereinbarung mit ihnen oder aber einseitig ein System von Treuerabatten anwendet, also Nachlässe, die daran gebunden sind, dass der Abnehmer, unabhängig im Übrigen von dem – größeren oder geringeren – Umfang seiner Käufe, seinen Gesamtbedarf oder einen wesentlichen Teil hiervon bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung deckt.

Was die Einstufung der Gewährung von Rabatten durch ein Unternehmen in beherrschender Stellung als Missbrauch angeht, lassen sich drei Kategorien von Rabatten unterscheiden.

Erstens wird bei Mengenrabattsystemen, die ausschließlich an den Umfang der bei einem Unternehmen in beherrschender Stellung getätigten Käufe anknüpfen, im Allgemeinen davon ausgegangen, dass sie keine nach Art. 82 EG verbotene Abschottungswirkung haben. Wenn die Erhöhung der Liefermenge zu einer Kostensenkung für den Lieferanten führt, darf dieser die Senkung nämlich durch einen günstigeren Preis an seinen Abnehmer weitergeben. Bei den Mengenrabatten wird also angenommen, dass sie den Zugewinn an Effizienz und Größenvorteile widerspiegeln, die vom Unternehmen in beherrschender Stellung erzielt werden.

Zweitens gibt es Rabatte, die unter der Bedingung gewährt werden, dass der Abnehmer seinen Bedarf vollständig oder zu einem beträchtlichen Teil bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung deckt. Es handelt sich um „Treuerabatte im Sinne der Hoffmann-La-Roche-Rechtsprechung“, d. h. um „Ausschließlichkeitsrabatte“. Unter diese Kategorie fallen nicht nur Rabatte, die an die Bedingung des Alleinbezugs geknüpft sind, sondern auch diejenigen, die an die Bedingung geknüpft sind, dass der Abnehmer ein beträchtlicher Teil seines Bedarfs bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung deckt. Solche Ausschließlichkeitsrabatte sind, wenn sie von einem Unternehmen in beherrschender Stellung gewährt werden, mit dem Ziel eines unverfälschten Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt unvereinbar: Von Ausnahmefällen abgesehen beruhen sie nicht auf einer wirtschaftlichen Leistung, die den finanziellen Vorteil rechtfertigt, sondern zielen darauf ab, dem Abnehmer die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen unmöglich zu machen oder zu erschweren und anderen Herstellern den Zugang zum Markt zu verwehren.

Drittens gibt es noch Rabattsysteme, bei denen ein finanzieller Anreiz zwar nicht unmittelbar an die Bedingung eines ausschließlichen oder nahezu ausschließlichen Bezugs bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung geknüpft ist, der Mechanismus der Gewährung des Rabatts aber auch Kundenbindungswirkung hat. Zu dieser Kategorie von Rabatten zählen insbesondere Rabattregelungen, die von der Erreichung individueller Umsatzziele abhängen, die keine Ausschließlichkeitsrabatte darstellen, da sie keine Verpflichtung enthalten, den Bedarf ausschließlich oder zu einem bestimmten Teil beim Unternehmen in beherrschender Stellung zu decken. Bei der Prüfung, ob die Gewährung eines solchen Rabatts die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung darstellt, sind sämtliche Umstände, insbesondere die Kriterien und Modalitäten der Rabattgewährung, zu berücksichtigen. Weiterhin muss untersucht werden, ob der Rabatt darauf abzielt, dem Abnehmer durch die Gewährung eines Vorteils, der nicht auf einer ihn rechtfertigenden wirtschaftlichen Leistung beruht, die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen unmöglich zu machen oder zu erschweren, den Konkurrenten den Zugang zum Markt zu verwehren oder die beherrschende Stellung durch einen verfälschten Wettbewerb zu stärken.

(vgl. Rn. 72-78)

6.      In Wettbewerbssachen setzt die Einstufung eines Ausschließlichkeitsrabatts als missbräuchlich nicht voraus, dass im Einzelfall geprüft wird, ob eine potenzielle Verdrängungswirkung vorliegt.

Nach der Rechtsprechung sind nur bei Rabatten mit potenzieller Kundenbindungswirkung sämtliche Umstände des Einzelfalls zu prüfen, nicht aber bei Ausschließlichkeitsrabatten. Das hängt damit zusammen, dass Ausschließlichkeitsrabatte, wenn sie von einem Unternehmen in beherrschender Stellung gewährt werden, bereits ihrer Art nach geeignet sind, den Wettbewerb zu beschränken.

Die Fähigkeit, Abnehmer an das Unternehmen in beherrschender Stellung zu binden, ist Ausschließlichkeitsrabatten nämlich immanent. Dass ein Unternehmen in beherrschender Stellung als Gegenleistung dafür, dass der Abnehmer seinen Bedarf ganz oder zu einem beträchtlichen Teil bei ihm deckt, einen Rabatt gewährt, impliziert, dass das Unternehmen in beherrschender Stellung einen finanziellen Vorteil gewährt, mit dem der Bezug bei Wettbewerbern verhindert werden soll. Es ist daher nicht erforderlich, die Umstände des Einzelfalls zu prüfen, um festzustellen, dass ein solcher Rabatt dazu dient, die Abnehmer an einem Bezug bei Wettbewerbern zu hindern. Eine Verdrängungswirkung erfolgt nicht nur, wenn den Wettbewerbern der Zugang zum Markt unmöglich gemacht wird, sondern auch, wenn er erschwert wird. Ein finanzieller Anreiz, der von einem Unternehmen in beherrschender Stellung gewährt wird, um einen Abnehmer davon abzuhalten, den Teil seines Bedarfs, der von der Ausschließlichkeitsbedingung erfasst wird, bei seinen Wettbewerbern zu decken, ist bereits seiner Art nach geeignet, diesen den Zugang zum Markt zu erschweren. Das Bestehen eines solchen Anreizes hängt nicht davon ab, ob der Rabatt bei einem Verstoß gegen die Ausschließlichkeitsbedingung, von der er abhängig gemacht worden ist, tatsächlich herabgesetzt oder gestrichen wird. Insofern genügt es nämlich, das das Unternehmen in beherrschender Stellung gegenüber dem Abnehmer den Eindruck erweckt, dass dies der Fall sein würde. Entscheidend sind die Umstände, mit denen der Abnehmer nach dem, was ihm von dem Unternehmen in beherrschender Stellung signalisiert wurde, zum Zeitpunkt der Aufgabe seiner Bestellung rechnen muss, und nicht die tatsächliche Reaktion dieses Unternehmens auf die Entscheidung des Abnehmers, den Lieferanten zu wechseln.

Außerdem gibt es bei einer starken beherrschenden Stellung für einen großen Teil der Nachfrage kein entsprechendes Substitut für das Produkt des Unternehmens, das die beherrschende Stellung innehat. Der Lieferant in beherrschender Stellung ist daher weitgehend ein nicht zu übergehender Geschäftspartner. Wegen der Stellung eines nicht zu übergehenden Geschäftspartners müssen die Abnehmer in jedem Fall einen Teil ihres Bedarfs bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung decken (nicht bestreitbarer Teil). Der Wettbewerber eines Unternehmens in beherrschender Stellung kann also nicht um die gesamte Nachfrage eines Abnehmers konkurrieren, sondern nur um den Teil, der den nicht bestreitbaren Teil übersteigt (bestreitbarer Teil). Der bestreitbare Teil ist also der Teil der Nachfrage des Abnehmers, der in einem Referenzzeitraum realistischerweise auf einen Wettbewerber des Unternehmens in beherrschender Stellung übertragen werden kann. Die Gewährung von Ausschließlichkeitsrabatten durch ein Unternehmen in beherrschender Stellung erschwert dem Wettbewerber die Lieferung seiner eigenen Produkte an die Abnehmer des Unternehmens in beherrschender Stellung. Kauft ein Abnehmer eines Unternehmens in beherrschender Stellung nämlich bei einem Wettbewerber ein und beachtet somit nicht die Bedingung der völligen oder nahezu völligen Ausschließlichkeit, läuft er Gefahr, die Rabatte nicht nur für die Einheiten zu verlieren, die er auf diesen Wettbewerber übertragen hat, sondern insgesamt.

Der Wettbewerber eines Unternehmens in beherrschender Stellung muss also, wenn er ein attraktives Angebot machen will, nicht nur attraktive Konditionen für die Einheiten anbieten, die er dem Abnehmer selbst liefern kann, sondern darüber hinaus einen Ausgleich für den Verlust des Ausschließlichkeitsrabatts. Will er ein attraktives Angebot machen, muss der Wettbewerber also den Rabatt, den das Unternehmen in beherrschender Stellung für die gesamte oder nahezu gesamte Nachfrage des Abnehmers – einschließlich des nicht bestreitbaren Teils – gewährt, allein auf den bestreitbaren Teil aufteilen. Die Gewährung eines Ausschließlichkeitsrabatts durch einen nicht zu übergehenden Geschäftspartner erschwert also strukturell die Möglichkeit für einen Wettbewerber, ein Angebot zu einem attraktiven Preis zu machen und somit Zugang zum Markt zu erhalten. Sie ermöglicht es dem Unternehmen in beherrschender Stellung, seine wirtschaftliche Macht in Bezug auf den nicht bestreitbaren Teil der Nachfrage des Abnehmers als Hebel einzusetzen, um sich auch den bestreitbaren Teil zu sichern und den Marktzugang eines Wettbewerbers somit zu erschweren.

Bei einem solchen Marketinginstrument ist weder eine Analyse der konkreten Auswirkungen der Rabatte auf den Wettbewerb noch der Nachweis eines Kausalzusammenhangs zwischen den zur Last gelegten Verhaltensweisen und konkreten Auswirkungen auf den Markt erforderlich.

Dass der von den von einem Unternehmen in beherrschender Stellung gewährten Ausschließlichkeitsrabatten betroffene Teil des Marktes möglicherweise gering war, vermag nichts an deren Rechtswidrigkeit zu ändern, da im Rahmen von Art. 82 EG weder ein spürbarer Einfluss noch eine De-minimis-Schwelle berücksichtigt werden. Außerdem sollten die im abgeschotteten Teil des Marktes befindlichen Abnehmer von jedem auf dem Markt möglichen Grad an Wettbewerb profitieren können, und die Wettbewerber sollten auf dem gesamten Markt, und nicht nur auf einem Teil davon, in Leistungswettbewerb treten können. Ein Unternehmen in beherrschender Stellung kann die Gewährung von Ausschließlichkeitsrabatten an bestimmte Abnehmer also nicht damit rechtfertigen, dass es den Wettbewerbern unbenommen bleibt, die übrigen Abnehmer zu beliefern. Ebenso kann ein Unternehmen in beherrschender Stellung die Gewährung von Rabatten unter der Bedingung, dass ein Abnehmer seinen Bedarf in einem bestimmten Segment eines Marktes nahezu ausschließlich bei ihm deckt, nicht damit rechtfertigen, dass dieser Abnehmer seinen Bedarf in den übrigen Segmenten nach wie vor bei Wettbewerbern decken kann.

(vgl. Rn. 80, 84-86, 88, 91-93, 103, 104, 116, 117, 132, 527)

7.      Ausgangspunkt der in der angefochtenen Entscheidung durchgeführten wirtschaftlichen Analyse der Frage, ob die Rabatte einen ebenso effizienten Wettbewerber wie das Unternehmen in beherrschender Stellung vom Markt hätten verdrängen können („As-Efficient-Competitor-Test“ oder „AEC‑Test“), ist die Annahme, dass ein ebenso effizienter Wettbewerber, der den bestreitbaren Teil der Nachfrage, der bislang von einem Unternehmen in beherrschender Stellung befriedigt wird, das ein nicht zu übergehender Geschäftspartner ist, abwerben will, dem Abnehmer einen Ausgleich für den Ausschließlichkeitsrabatt anbieten muss, den dieser verliert, wenn er weniger bezieht, als in der Bedingung des ausschließlichen oder nahezu ausschließlichen Bezugs festgelegt. Mit dem AEC‑Test soll ermittelt werden, ob ein ebenso effizienter Wettbewerber wie das Unternehmen in beherrschender Stellung, der dieselben Kosten hat wie dieses Unternehmen, dann immer noch seine Kosten decken kann.

Selbst wenn der Nachweis der potenziellen wettbewerbswidrigen Auswirkungen der Ausschließlichkeitsrabatte eine Prüfung der Umstände des Einzelfalls erforderte, müsste er nicht mittels eines AEC‑Tests erbracht werden. Mit einem solchen Test kann nur überprüft werden, ob der Zugang zum Markt unmöglich gemacht worden ist, nicht aber ausgeschlossen werden, dass er erschwert worden ist. Ein negatives Ergebnis impliziert zwar, dass es für einen ebenso effizienten Wettbewerber unmöglich ist, sich den bestreitbaren Teil der Nachfrage eines Abnehmers zu sichern. Um dem Abnehmer einen Ausgleich für den Verlust des Ausschließlichkeitsrabatts anzubieten, müsste der Wettbewerber seine Produkte zu einem Preis verkaufen, der nicht einmal seine Kosten deckt. Ein positives Ergebnis bedeutet aber nur, dass ein ebenso effizienter Wettbewerber seine Kosten decken kann. Daraus lässt sich aber nicht auf das Fehlen einer Verdrängungswirkung schließen. Der Mechanismus der Ausschließlichkeitsrabatte ist nämlich dennoch geeignet, den Wettbewerbern des Unternehmens in beherrschender Stellung den Zugang zum Markt zu erschweren, auch wenn ein solcher Zugang wirtschaftlich nicht unmöglich ist.

(vgl. Rn. 141, 146, 150)

8.      In Wettbewerbssachen sind sog. „reine Beschränkungen“, die darin bestehen, dass den Abnehmern eines Unternehmens in beherrschender Stellung unter Bedingungen Zahlungen gewährt werden, damit sie das Auf-den-Markt-Bringen eines Produkts eines Wettbewerbers auf die eine oder andere Weise verschieben, aufgeben oder beschränken, geeignet, diesem Wettbewerber den Zugang zum Markt zu erschweren und die Wettbewerbsstruktur zu beeinträchtigen. Die Durchführung einer jeden dieser Verhaltensweisen stellt eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG dar.

Eine Verdrängungswirkung erfolgt nicht nur, wenn den Wettbewerbern der Zugang zum Markt unmöglich gemacht wird, sondern auch, wenn er erschwert wird. Im Rahmen der Anwendung von Art. 82 EG kann der Nachweis des Zwecks und der wettbewerbswidrigen Auswirkungen gegebenenfalls ineinander übergehen. Ist erwiesen, dass ein Unternehmen in beherrschender Stellung mit seinem Verhalten eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt, so wird dieses Verhalten auch geeignet sein, eine solche Wirkung zu entfalten. Ein Unternehmen in beherrschender Stellung verfolgt ein wettbewerbswidriges Ziel, wenn es gezielt den Vertrieb von mit einem Produkt eines bestimmten Wettbewerbers ausgerüsteten Produkten verhindert, da das einzige Interesse, das es daran haben kann, dies zu tun, ist, diesem Wettbewerber zu schaden.

Ein Unternehmen in beherrschender Stellung trägt eine besondere Verantwortung dafür, dass es nicht durch ein dem Leistungswettbewerb fremdes Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt beeinträchtigt. Die Gewährung von Zahlungen an Abnehmer als Gegenleistung für auferlegte Beschränkungen des Vertriebs von mit einem Produkt eines bestimmten Wettbewerbers ausgerüsteten Produkten gehört aber eindeutig nicht zum Leistungswettbewerb.

Die Einstufung einer reinen Beschränkung als Missbrauch setzt lediglich die Eignung zur Beschränkung des Wettbewerbs voraus, so dass weder konkrete Auswirkungen auf den Markt noch ein Kausalzusammenhang nachzuweisen sind.

(vgl. Rn. 198, 201-207, 212)

9.      In Wettbewerbssachen genügt es, um die Zuständigkeit der Kommission völkerrechtlich zu rechtfertigen, entweder die qualifizierten (unmittelbaren, wesentlichen und vorhersehbaren) Auswirkungen der missbräuchlichen Verhaltensweisen oder ihre Durchführung im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) nachzuweisen. Es handelt sich also um alternative Möglichkeiten, und nicht um kumulative Voraussetzungen.

Die Kommission muss zur Rechtfertigung ihrer völkerrechtlichen Zuständigkeit nicht das Vorliegen konkreter Auswirkungen nachweisen. Bei einer Bedrohung der Struktur des wirksamen Wettbewerbs im Binnenmarkt kann die Kommission nicht zu einer passiven Rolle gezwungen werden. Sie kann daher auch einschreiten, wenn sich die Bedrohung noch nicht realisiert hat.

Bei der Prüfung der Wesentlichkeit der Auswirkungen der missbräuchlichen Verhaltensweisen sind die verschiedenen Verhaltensweisen, die Bestandteil einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung sind, nicht isoliert zu betrachten. Es genügt, dass die einheitliche Zuwiderhandlung insgesamt betrachtet wesentliche Auswirkungen haben kann. Es kann den Unternehmen nämlich nicht erlaubt werden, dass sie sich dadurch der Anwendung der Wettbewerbsregeln entziehen, dass sie mehrere Verhaltensweisen kombinieren, mit denen dasselbe Ziel verfolgt wird, die aber für sich genommen jeweils keine wesentlichen Auswirkungen in der Union hervorrufen können, wohl aber zusammen.

Bei der Prüfung des Vorliegens wesentlicher Auswirkungen im EWR sind auch Veränderungen der Struktur des Marktes zu berücksichtigen. Insofern kann sich nicht nur die Ausschaltung eines Wettbewerbers auf die Struktur des Wettbewerbs im Binnenmarkt auswirken. Ein Verhalten, durch das der einzige bedeutende Wettbewerber des Unternehmens in beherrschender Stellung weltweit geschwächt werden kann, kann auch solche Auswirkungen haben. Die potenziellen Auswirkungen des Verhaltens des Unternehmens in beherrschender Stellung, das darin besteht, seinem Wettbewerber weltweit den Zugang zu den wichtigsten Absatzkanälen zu versperren, sind daher wegen der potenziellen Auswirkungen auf die Struktur eines wirksamen Wettbewerbs im Binnenmarkt als wesentlich anzusehen.

Die Durchführung der in Rede stehenden Verhaltensweisen in der Union genügt für die völkerrechtliche Rechtfertigung der Zuständigkeit der Kommission. In einem Fall, in dem die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung in der Schaffung eines finanziellen Anreizes für einen Abnehmer des Unternehmens in beherrschender Stellung besteht, das Auf-den-Markt-Bringen eines bestimmten, mit einem Produkt eines Wettbewerbers dieses Unternehmens ausgerüsteten Produkts weltweit zu verschieben, und diese Bedingung, an die die von dem Unternehmen in beherrschender Stellung geleisteten Zahlungen geknüpft waren, von seinem Abnehmer weltweit und somit auch im EWR durchgeführt werden sollte, wäre es künstlich, lediglich die Durchführung der in Rede stehenden Verhaltensweisen durch das Unternehmen in beherrschender Stellung selbst zu berücksichtigen. Vielmehr ist auch die Durchführung der in Rede stehenden Verhaltensweisen durch den Abnehmer des Unternehmens in beherrschender Stellung zu berücksichtigen. Insofern ist die Tatsache, dass es der Abnehmer des Unternehmens in beherrschender Stellung unterlässt, in einem bestimmten Zeitraum ein bestimmtes Produkt im EWR zu verkaufen, als Durchführung der reinen Beschränkung anzusehen.

(vgl. Rn. 236, 243, 244, 251, 252, 268, 270, 273-275, 301, 305-307)

10.    In Verwaltungsverfahren in Wettbewerbssachen ist der Anspruch auf Anhörung eines Unternehmens, an das die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet hat, gemäß Art. 12 der Verordnung Nr. 773/2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel 81 und 82 [EG] durch die Kommission präkludiert, wenn die Anhörung nicht innerhalb der zur schriftlichen Stellungnahme gesetzten Frist beantragt wird.

(vgl. Rn. 323-326)

11.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 350-357, 623)

12.    In Wettbewerbssachen ist es Sache der Kommission, zu entscheiden, wie sie bei den Ermittlungen vorgehen will und welche Dokumente sie zusammentragen muss, um ein hinreichend vollständiges Bild der Sache zu haben. Ihr ist daher nicht die Verpflichtung aufzuerlegen, sich so viele Dokumente wie möglich zu beschaffen, um sicherzugehen, dass sie alles möglicherweise entlastende Beweismaterial erlangt.

Bei einem Antrag auf Beschaffung bestimmter Dokumente verfügt die Kommission bei der Entscheidung über die Frage, ob sie sich die betreffenden Dokumente zu beschaffen hat, über ein Ermessen. Die Verfahrensbeteiligten haben kein unbedingtes Recht darauf, dass sich die Kommission bestimmte Dokumente beschafft, da es deren Sache, und nicht Sache der betroffenen Unternehmen, ist, über die Vorgehensweise bei den Ermittlungen zu entscheiden.

Die Kommission kann unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet sein, sich auf Antrag eines von einer Untersuchung betroffenen Unternehmens bestimmte Dokumente zu beschaffen. Eine solche Verpflichtung der Kommission ist jedoch auf Fälle zu beschränken, in denen besondere Umstände vorliegen.

Dabei ist ein Ausgleich zu finden zwischen der Verpflichtung der Kommission, einen Fall sorgfältig und unparteiisch zu untersuchen, und dem Vorrecht der Kommission, über die Vorgehensweise bei den Ermittlungen zu entscheiden und ihre Mittel so zu verwenden, dass die Beachtung des Wettbewerbsrechts wirksam gewährleistet wird.

Für eine Verpflichtung der Kommission, sich auf Antrag eines Unternehmens bestimmte Dokumente zu beschaffen, müssen neben der Voraussetzung eines entsprechenden Antrags im Verwaltungsverfahren zumindest die folgenden vier kumulativen Voraussetzungen erfüllt sein.

Erstens setzt eine solche Verpflichtung voraus, dass es für das betroffene Unternehmen tatsächlich unmöglich ist, sich die betreffenden Dokumente selbst zu beschaffen oder sie gegenüber der Kommission offenzulegen. Demnach obliegt dem betroffenen Unternehmen der Nachweis, dass es alles getan hat, um sich die betreffenden Dokumente zu beschaffen und/oder die Zustimmung zur Verwendung im Rahmen der Ermittlungen der Kommission zu erlangen.

Zweitens obliegt es dem betroffenen Unternehmen, die Dokumente, die die Kommission beschaffen soll, so genau wie möglich zu bezeichnen, was seine Kooperation voraussetzt.

Drittens setzt die Verpflichtung der Kommission, sich auf Antrag eines von einer Untersuchung betroffenen Unternehmens bestimmte Dokumente zu beschaffen, voraus, dass die betreffenden Dokumente für die Verteidigung des betroffenen Unternehmens wahrscheinlich eine beträchtliche Bedeutung haben. Bei der Entscheidung der Frage, ob die Bedeutung des angeblich entlastenden Materials die Beschaffung der Dokumente rechtfertigt, verfügt die Kommission über ein Ermessen. Sie kann einen Antrag z. B. mit der Begründung zurückweisen, dass das möglicherweise entlastende Material Fragen betrifft, die für die Feststellungen, die für den Nachweis der Zuwiderhandlung erforderlich sind, nicht zentral sind.

Viertens kann die Kommission einen Antrag insbesondere ablehnen, wenn der Umfang der betreffenden Dokumente im Hinblick auf die Bedeutung, die die Dokumente im Rahmen der Ermittlungen haben können, unverhältnismäßig ist. Die Kommission kann insofern gegebenenfalls berücksichtigen, dass die Beschaffung und die Analyse der betreffenden Dokumente die Untersuchung des Falls wesentlich verzögern können. Sie kann eine Abwägung vornehmen zwischen dem Umfang der beantragten Dokumente und der durch die Beschaffung und Untersuchung der Dokumente bedingten möglichen Verzögerung der Ermittlungen einerseits und dem Grad der potenziellen Erheblichkeit für die Verteidigung des Unternehmens andererseits.

(vgl. Rn. 360-362, 371, 373-378, 380, 382)

13.    In Wettbewerbssachen verstößt die Kommission nicht gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, wenn sie bei einem System von Ausschließlichkeitsrabatten mangels einer förmlichen Ausschließlichkeitsbedingung zum Nachweis eines Verhaltens des Unternehmens in beherrschender Stellung selbst interne Annahmen eines Abnehmers dieses Unternehmens berücksichtigt, sofern diese Annahmen nicht abwegig sind.

(vgl. Rn. 521-523, 525)

14.    In Verwaltungsverfahren in Wettbewerbssachen kann die Kommission nach Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 alle natürlichen und juristischen Personen befragen, die der Befragung zum Zweck der Einholung von Information, die sich auf den Gegenstand einer Untersuchung bezieht, zustimmen. Art. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel 81 und 82 [EG] durch die Kommission enthält bestimmte Formvorschriften für solche Befragungen.

Jedoch fallen nicht alle Gespräche über den Gegenstand einer von der Kommission durchgeführten Untersuchung in den Anwendungsbereich der genannten Bestimmungen. Förmliche Befragungen gemäß den genannten Bestimmungen sind von informellen Gesprächen zu unterscheiden.

Die Kommission verfügt bei der Entscheidung, ob sie ein Gespräch den Formvorschriften von Art. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 unterwirft, über ein Ermessen. Die genannten Bestimmungen gelten also nicht für jedes Gespräch, das sich auf den Gegenstand der Untersuchung bezieht, sondern nur für die Fälle, in denen die Kommission sowohl belastende als auch entlastende Informationen erlangen will, auf die sie sich in ihrer Entscheidung, mit der eine bestimmte Untersuchung abgeschlossen wird, stützen kann.

Zwar hat die Kommission, wenn sie in ihrer Entscheidung belastendes Material verwenden will, das ihr bei einem informellen Gespräch mitgeteilt worden ist, dieses Material den Unternehmen, an die die Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet ist, zugänglich zu machen, indem sie hierzu gegebenenfalls einen schriftlichen Vermerk für ihre Akte anfertigt.

Die Kommission kann Informationen, die sie bei einem informellen Gespräch erlangt hat, insbesondere um sichereres Beweismaterial zu erlangen, aber verwenden, ohne sie dem betroffenen Unternehmen zugänglich zu machen.

Je nach den besonderen Umständen des Einzelfalls kann sie nach dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung aber verpflichtet sein, Erklärungen festzuhalten, die ihr gegenüber bei Zusammenkünften oder telefonisch abgegeben werden. Das Bestehen einer Verpflichtung der Kommission, Informationen festzuhalten, die sie bei Zusammenkünften oder telefonisch erhält, sowie Art und Umfang einer solchen Verpflichtung hängen jedoch vom Inhalt der Informationen ab. Die Kommission hat in der Akte, die die betroffenen Unternehmen einsehen können, die wesentlichen Aspekte in Bezug auf den Gegenstand einer Untersuchung angemessen zu dokumentieren. Dies gilt für alles Material, das eine gewisse Bedeutung hat und einen objektiven Bezug zu dem Gegenstand einer Untersuchung aufweist, unabhängig davon, ob es be- oder entlastend ist.

(vgl. Rn. 613-617, 619, 620)

15.    In Wettbewerbssachen ist nicht die allgemeine Regel aufzustellen, dass die Erklärung eines Drittunternehmens, ein Unternehmen in beherrschender Stellung habe sich in einer bestimmten Weise verhalten, nie allein für den Nachweis der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 82 EG darstellenden Tatsachen genügen könnte. Die Aufstellung einer allgemeinen Regel stellt eine Ausnahme vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung dar. Bei einem Unternehmen, das erklärt, an einem gegen Art. 81 EG verstoßenden Kartell teilgenommen zu haben, ist eine solche Regel gerechtfertigt, weil ein Unternehmen, das von einer Untersuchung betroffen ist oder das mit der Kommission Kontakt aufnimmt, um einen Erlass von Geldbußen oder eine Ermäßigung der Geldbuße zu erhalten, dazu neigen kann, seine eigene Beteiligung an einer Zuwiderhandlung herunterzuspielen und die Beteiligung der anderen Unternehmen hervorzuheben.

Die Situation ist anders bei Erklärungen eines Drittunternehmens, das im Wesentlichen Zeuge ist. In Fällen, in denen nicht ersichtlich ist, dass das Drittunternehmen irgendein Interesse daran hätte, das Unternehmen in beherrschender Stellung zu Unrecht zu beschuldigen, kann die Erklärung eines Drittunternehmens grundsätzlich bereits für den Nachweis des Vorliegens einer Zuwiderhandlung genügen.

(vgl. Rn. 722-725)

16.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 1564-1591)

17.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 1598)

18.    Bei Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln ist die Voraussetzung der vorsätzlichen oder fahrlässigen Begehung erfüllt, so dass diese gemäß Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 mit einer Geldbuße geahndet werden können, wenn sich das betroffene Unternehmen über die Wettbewerbswidrigkeit seines Verhaltens nicht im Unklaren sein kann, gleichviel, ob ihm dabei bewusst ist, dass es gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrags verstößt.

Einem Unternehmen ist die Wettbewerbswidrigkeit seines Verhaltens bekannt, wenn ihm die Tatsachen, die es rechtfertigen, sowohl eine marktbeherrschende Stellung anzunehmen als auch einen Missbrauch dieser Stellung zu sehen, bekannt sind.

Da die Unionsgerichte mehrmals die Durchführung von Verhaltensweisen durch ein Unternehmen in beherrschender Stellung verurteilt haben, die in der Schaffung an Ausschließlichkeitsbedingungen geknüpfter finanzieller Anreize bestanden, und die Einstufung sog. „reiner Beschränkungen“ als missbräuchliche Verhaltensweisen nicht neu ist, kann sich ein Unternehmen in beherrschender Stellung, das solche Verhaltensweisen durchgeführt hat, über die Wettbewerbswidrigkeit seines Verhaltens nicht im Unklaren sein.

Wenn nachgewiesen ist, dass ein Unternehmen in beherrschender Stellung eine wettbewerbswidrige Gesamtstrategie durchgeführt und sich bemüht hat, die Wettbewerbswidrigkeit seines Verhaltens, was seine Beziehungen zu bestimmten Unternehmen angeht, zu verschleiern, lässt dies den Schluss zu, dass die Zuwiderhandlung zumindest fahrlässig begangen wurde.

(vgl. Rn. 1601-1603)

19.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 1609-1612, 1643)

20.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 1614, 1615, 1619)

21.    Nach Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 ist bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen. Dabei sind die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und der Festsetzung der Geldbuße grundsätzlich kein obligatorischer Gesichtspunkt, sondern nur ein relevanter Gesichtspunkt unter anderen. Außerdem können Gesichtspunkte, die den Gegenstand eines Verhaltens betreffen, bei der Bemessung der Geldbuße größere Bedeutung haben als solche, die dessen Wirkungen betreffen.

Bei der Festsetzung des zu berücksichtigenden Anteils am Umsatz nach der Schwere der Zuwiderhandlung gemäß Ziff. 22 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 muss die Kommission das Fehlen konkreter Auswirkungen nicht mildernd berücksichtigen, wenn der Anteil am Umsatz durch andere Umstände gerechtfertigt ist, die für die Bestimmung der Schwere maßgeblich sein können.

Hält die Kommission es hingegen für angebracht, die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung erhöhend zu berücksichtigen, muss sie konkrete, glaubhafte und ausreichende Indizien vorlegen, die ihr erlauben, die tatsächlichen Auswirkungen, die die Zuwiderhandlung auf den Wettbewerb auf dem genannten Markt haben konnte, zu beurteilen.

(vgl. Rn. 1622, 1624, 1625)