Language of document : ECLI:EU:T:2012:8

URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

17. Januar 2012(*)

„Gemeinschaftsmarke – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke Atrium – Absolutes Eintragungshindernis – Beschreibender Charakter – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑513/10

Hamberger Industriewerke GmbH mit Sitz in Stephanskirchen (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt T. Schmidpeter,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), zunächst vertreten durch S. Schäffner und R. Manea, dann durch G. Schneider als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 26. August 2010 (Sache R 291/2010‑4) über die Anmeldung der Wortmarke Atrium als Gemeinschaftsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová, der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin) und des Richters M. van der Woude,

Kanzler: C. Heeren,

aufgrund der am 1. November 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 20. Januar 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund der am 28. März 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Erwiderung,

aufgrund der am 6. Juni 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Gegenerwiderung,

auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2011

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 23. Februar 2009 meldete die Klägerin, die Hamberger Industriewerke GmbH, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der zur Eintragung angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen Atrium.

3        Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 19 und 27 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 19: „Baumaterialien (nicht aus Metall) nämlich Schnittholz, Wand- und Deckenverkleidungen, teilweise bearbeitetes Holz, Holzwaren für Bauzwecke, Paletten, Balken, Profilbretter, Parkettstäbe, Thermoholz, Furniere, Böden, Parkettböden, naturgeölte, wachsveredelte und thermobehandelte Fußböden, Böden (nicht aus Metall), Bodenbeläge aus Holz, Kork, Kunststoff oder deren Ersatzstoffen, Sportböden, Laminatböden“;

–        Klasse 27: „Bodenbeläge, nämlich Oberböden aus Holz, Kork, Kunststoff oder deren Ersatzstoffen“.

4        Mit Entscheidung vom 22. Dezember 2009 wies der Prüfer die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c und Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 zurück.

5        Am 22. Februar 2010 legte die Klägerin Beschwerde gegen diese Entscheidung ein.

6        Mit Entscheidung vom 26. August 2010 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück. Zum einen stellte sie fest, dass die Wortmarke Atrium im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 beschreibend sei. Hierzu führte sie aus, dass das Wort „Atrium“ den Mittel- und Hauptraum des altitalienischen Wohnhauses bezeichne und heute für einen unter freiem Himmel liegenden oder verglasten Innenhof oder einen Garten innerhalb von Umfassungsmauern stehe. Der Begriff „Atrium“ informiere daher die angesprochenen Verkehrskreise darüber, dass die in der Anmeldung beanspruchten Waren, nämlich Baumaterialien und Bodenbeläge, für die Errichtung und Ausstattung eines Atriums geeignet seien. Zum anderen fehle der beantragten Marke als beschreibender Angabe zwangsläufig die Unterscheidungskraft.

 Anträge der Parteien

7        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten des Verfahrens einschließlich der im Laufe des Beschwerdeverfahrens angefallenen Kosten aufzuerlegen.

8        Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

9        Zur Begründung ihrer Klage beruft sich die Klägerin auf zwei Klagegründe, mit denen ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c und ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 gerügt werden.

10      Im Rahmen des ersten Klagegrundes macht sie geltend, die Beschwerdekammer habe gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 verstoßen, da der Begriff „Atrium“ für die in der Anmeldung beanspruchten Waren nicht beschreibend sei. Das HABM hält das Vorbringen der Klägerin für nicht stichhaltig.

11      Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 sind von der Eintragung Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können. Solche beschreibenden Zeichen werden als ungeeignet angesehen, die Hauptfunktion von Marken als Herkunftshinweis zu erfüllen (Urteil des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2003, HABM/Wrigley, C‑191/01 P, Slg. 2003, I‑12447, Randnrn. 29 und 30).

12      Demnach fallen unter Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 solche Zeichen und Angaben, die im normalen Sprachgebrauch nach dem Verständnis des Verbrauchers die für die Anmeldemarke beanspruchten Waren oder Dienstleistungen entweder unmittelbar oder durch Hinweis auf eines ihrer wesentlichen Merkmale bezeichnen können (Urteil des Gerichtshofs vom 20. September 2001, Procter & Gamble/HABM, C‑383/99 P, Slg. 2001, I‑6251, Randnr. 39, und Urteil des Gerichts vom 22. Juni 2005, Metso Paper Automation/HABM [PAPERLAB], T‑19/04, Slg. 2005, II‑2383, Randnr. 24).

13      Folglich fällt ein Zeichen nur dann unter das in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 aufgestellte Verbot, wenn es zu den fraglichen Waren oder Dienstleistungen einen hinreichend direkten und konkreten Bezug aufweist, der es den angesprochenen Verkehrskreisen ermöglicht, unmittelbar und ohne weitere Überlegung eine Beschreibung dieser Waren und Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale zu erkennen (Urteil PAPERLAB, oben in Randnr. 12 angeführt, Randnr. 25).

14      Daher ist der beschreibende Charakter einer Marke im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet worden ist, und nach der Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise, die aus den Verbrauchern dieser Waren oder Dienstleistungen bestehen, zu beurteilen (Urteile des Gerichts vom 14. Juni 2007, Europig/HABM [EUROPIG], T‑207/06, Slg. 2007, II‑1961, Randnr. 30).

15      Was in der vorliegenden Rechtssache die angesprochenen Verkehrskreise angeht, stellte die Beschwerdekammer, ohne dass die Klägerin dem widersprochen hätte, zu Recht fest, dass die in der Anmeldung beanspruchten Waren, nämlich Baumaterialien und Bodenbeläge, sowohl an den gewerblichen als auch an den privaten Verbraucher gerichtet seien. Darüber hinaus führte die Beschwerdekammer, ohne dass die Klägerin dem widersprochen hätte, gleichfalls zutreffend aus, dass der Begriff „Atrium“ sowohl im Englischen als auch im Deutschen gebräuchlich sei.

16      Daher ist anhand der Wahrnehmung des sowohl gewerblichen als auch privaten deutschsprachigen und englischsprachigen Verbrauchers zu prüfen, ob – wie die Beschwerdekammer angenommen hat – die angemeldete Marke als Beschreibung der in der Anmeldung beanspruchten Waren anzusehen ist.

17      Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass zwischen den Parteien, wie aus den Schriftsätzen der Klägerin und aus Randnr. 9 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, unstreitig ist, dass der Begriff „Atrium“ insbesondere auf den zentralen Raum eines Hauses in der römischen Architektur sowie auf einen unter freiem Himmel liegenden oder mit einem Glasdach ausgestatteten Innenhof verweist.

18      Ferner ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer zu Recht angenommen hat, dass Baumaterialien und Bodenbeläge für die Errichtung oder Ausstattung sowohl des zentralen Raums eines Hauses als auch eines Innenhofs Verwendung finden können. Es ist insbesondere klarzustellen, dass Innenhöfe – entgegen dem Vorbringen der Klägerin vor der Beschwerdekammer – im Allgemeinen zumindest mit einem Bodenbelag versehen sind.

19      Schließlich trifft zwar zu, dass – wie die Klägerin ausgeführt hat – der Begriff „Atrium“ einen bestimmten Bereich eines Gebäudes und nicht die zu seiner Errichtung oder Ausstattung verwendeten Baumaterialien beschreibt, doch ist der oben in den Randnrn. 11 bis 13 angeführten Rechtsprechung zu entnehmen, dass als beschreibend ein Zeichen anzusehen ist, das nicht nur die Ware, für die die Marke angemeldet wird, sondern auch eines der Merkmale dieser Ware beschreibt, wobei der Verwendungszweck einer Ware als eines ihrer Merkmale anzusehen ist.

20      Da der Begriff „Atrium“ zur Beschreibung des Verwendungszwecks der in der Anmeldung beanspruchten Waren dienen kann, ist im Ergebnis daher festzustellen, dass zwischen der Marke Atrium und diesen Waren ein hinreichend unmittelbarer und konkreter Bezug besteht, der es den angesprochenen Verkehrskreisen ermöglicht, unmittelbar und ohne weitere Überlegung die Beschreibung eines der Merkmale dieser Waren zu erkennen. Die Beschwerdekammer hat somit zu Recht festgestellt, dass die Marke gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 beschreibenden Charakter hat.

21      Das Vorbringen der Klägerin steht diesem Ergebnis nicht entgegen.

22      Diese macht erstens im Kern geltend, dass der Begriff „Atrium“ weitere Bedeutungen habe und dass in diesen anderen Bedeutungen der Begriff „Atrium“ für die in der Anmeldung beanspruchten Waren nicht beschreibend sei. Der Rechtsprechung ist jedoch zu entnehmen, dass es nach dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 ausreicht, dass das Zeichen zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen die beanspruchten Waren bezeichnen kann (Urteil HABM/Wrigley, oben in Randnr. 11 angeführt, Randnr. 32).

23      Die Klägerin ist zweitens der Ansicht, dass es nicht mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 im Einklang stehe, auf einer rein hypothetischen Grundlage, gestützt auf den möglichen Verwendungszweck der in der Anmeldung beanspruchten Waren, davon auszugehen, dass der Begriff „Atrium“ für diese Waren beschreibend sei. Dieses Vorbringen kann keinen Erfolg haben, da nach der Rechtsprechung die Zurückweisung einer Anmeldung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 durch das HABM nicht voraussetzt, dass die Zeichen und Angaben, aus denen die in dieser Bestimmung genannte Marke besteht, zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits tatsächlich für die in der Anmeldung aufgeführten Waren oder Dienstleistungen oder für ihre Merkmale beschreibend verwendet werden. Es genügt, wie sich schon aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt, dass die Zeichen oder Angaben zu diesem Zweck verwendet werden können (Urteil HABM/Wrigley, oben in Randnr. 11 angeführt, Randnr. 32).

24      Die Klägerin trägt drittens vor, dass, legte man die Argumentation der Beschwerdekammer zugrunde, davon auszugehen wäre, dass der Begriff „Atrium“ für die Baumaterialien der Wände, Decken und Böden nicht beschreibend wäre, dagegen aber durch ihn sämtliche vom Atrium umfassten bzw. darin angeordneten Hilfsmittel/Ausstattungen beschrieben würden, was auch bedeutete, dass ein solcher beschreibender Charakter für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen gegeben wäre. Insoweit genügt die Feststellung, dass die Frage, ob der Begriff „Atrium“ in Bezug auf andere Waren als die von der in Rede stehenden Anmeldung erfassten beschreibenden Charakter hat oder nicht, im vorliegenden Fall keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung haben kann.

25      Aus dem Vorangehenden folgt, dass der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen ist.

26      Da sich aus Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 ergibt, dass ein Zeichen bereits dann von der Eintragung als Gemeinschaftsmarke ausgeschlossen ist, wenn eines der dort genannten Eintragungshindernisse vorliegt (Urteil des Gerichtshofs vom 19. September 2002, DKV/HABM, C‑104/00 P, Slg. 2002, I‑7561, Randnr. 29, Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008, Lancôme/HABM – CMS Hasche Sigle [COLOR EDITION], T‑160/07, Slg. 2008, II‑1733, Randnr. 51), ist der zweite von der Klägerin vorgebrachte Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der genannten Verordnung nicht mehr zu prüfen.

27      Die Klage ist folglich insgesamt abzuweisen.

 Kosten

28      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Hamberger Industriewerke GmbH trägt die Kosten.

Pelikánová

Jürimäe

Van der Woude

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. Januar 2012.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.