Language of document : ECLI:EU:T:2014:944

URTEIL DES GERICHTS (Neunte Kammer)

12. November 2014(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftsbildmarke LOVOL – Ältere Gemeinschaftswortmarke, ältere Gemeinschaftsbildmarke und ältere nationale Bildmarken VOLVO – Relatives Eintragungshindernis – Unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der älteren Marke – Art. 8 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑524/11

Volvo Trademark Holding AB mit Sitz in Göteborg (Schweden), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Treis,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch P. Geroulakos als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Verfahrensbeteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin im Verfahren vor dem Gericht:

Hebei Aulion Heavy Industries Co., Ltd. mit Sitz in Zhangjiakou (China), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Alejos Cutuli,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 19. Juli 2011 (Sache R 1870/2010‑1) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Volvo Trademark Holding AB und der Hebei Aulion Heavy Industries Co., Ltd.

erlässt

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten G. Berardis sowie der Richter O. Czúcz (Berichterstatter) und A. Popescu,

Kanzler: J. Weychert, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 30. September 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 31. Januar 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des HABM,

aufgrund der am 20. Januar 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund der am 29. Mai 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Erwiderung,

aufgrund der am 10. August 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen Gegenerwiderung der Streithelferin,

aufgrund des Beschlusses vom 27. März 2014, die Rechtssachen T‑524/11 und T‑525/11 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren zu verbinden,

auf die mündliche Verhandlung vom 2. April 2014

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 20. April 2006 meldete die Streithelferin, die Hebei Aulion Heavy Industries Co., Ltd., gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Dabei handelt es sich um folgendes Bildzeichen:

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3        Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 7 und 12 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 7: „Erntemaschinen; landwirtschaftliche Maschinen, Straßenwalzen; Bagger; Ladegeräte; Bulldozer; Betonmischmaschinen; Kräne; Getreidedreschmaschinen; Reisumpflanzmaschinen“;

–        Klasse 12: „Automobile; Transportfahrzeuge für die Landwirtschaft; Motorräder; Kranwagen; Kleinstwagen; Fahrräder; Elektrofahrzeuge; Motoren für Landfahrzeuge; Gabelstapler; Betonmischtransporter; Traktoren“.

4        Die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 39/2006 vom 25. September 2006 veröffentlicht.

5        Am 21. Dezember 2006 erhob die Klägerin, die Volvo Trademark Holding AB, gemäß Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009) Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die in Rn. 3 des vorliegenden Urteils aufgeführten Waren.

6        Der Widerspruch wurde insbesondere auf folgende ältere Marken gestützt:

–        die Gemeinschaftswortmarke VOLVO, die am 20. Juni 2005 unter der Nr. 2 361 087 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 1 bis 9, 11, 12, 14, 16 bis 18, 20 bis 22, 24 bis 28 und 33 bis 42 eingetragen wurde;

–        die am 30. August 2001 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 1 bis 4, 6, 7, 9, 11, 12, 14, 16, 18, 25, 28, 35 bis 39 und 41 angemeldete Gemeinschaftsbildmarke

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–        die im Vereinigten Königreich unter der Nr. 747 361 für Waren der Klasse 12 eingetragene nationale Bildmarke

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–        die im Vereinigten Königreich unter der Nr. 1 408 143 für Waren der Klasse 7 eingetragene nationale Bildmarke

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7        Als Widerspruchsgründe wurden die Eintragungshindernisse gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009) geltend gemacht.

8        Mit Entscheidung vom 3. September 2010 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch in vollem Umfang zurück und begründete dies damit, dass sich die einander gegenüberstehenden Marken nicht in dem nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 erforderlichen Maß ähnelten.

9        Am 27. September 2010 legte die Klägerin beim HABM gemäß den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein.

10      Mit Entscheidung vom 19. Juli 2011 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) bestätigte die Erste Beschwerdekammer die Entscheidung der Widerspruchsabteilung und wies die Beschwerde der Klägerin zurück. Sie war der Ansicht, dass die maßgeblichen Verkehrskreise insbesondere wegen des Preises der betreffenden Waren und deren hochtechnischer Natur besonders aufmerksam seien. Außerdem seien die einander gegenüberstehenden Zeichen unähnlich. Daher bestehe keine Gefahr einer Verwechslung der Zeichen im Sinne des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009. Bei Art. 8 Abs. 5 dieser Verordnung könnten zwar geringere Anforderungen an den Grad der Ähnlichkeit gestellt werden, doch sei, da die Zeichen unähnlich seien, die Voraussetzung der Ähnlichkeit nicht erfüllt.

 Anträge der Parteien

11      Die Klägerin beantragt in der Klageschrift,

–        die Klage für zulässig zu erklären;

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        die Anmeldung der Marke LOVOL zurückzuweisen;

–        der Streithelferin die ihr im vorliegenden Verfahren und im Verfahren vor dem HABM entstandenen Kosten aufzuerlegen.

12      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihren dritten Klageantrag zurückgenommen.

13      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

14      Die Streithelferin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung zu bestätigen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

15      Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 geltend.

16      Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 bestimmt:

„Auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke im Sinne des Absatzes 2 ist die angemeldete Marke … dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie mit der älteren Marke identisch ist oder dieser ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen eingetragen werden soll, die nicht denen ähnlich sind, für die die ältere Marke eingetragen ist, wenn es sich im Falle einer älteren Gemeinschaftsmarke um eine in der [Europäischen Union] bekannte Marke und im Falle einer älteren nationalen Marke um eine in dem betreffenden Mitgliedstaat bekannte Marke handelt und die Benutzung der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde.“

17      Treten die in Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 genannten Beeinträchtigungen auf, sind sie die Folge eines bestimmten Grades der Ähnlichkeit zwischen der älteren und der jüngeren Marke, aufgrund dessen die beteiligten Verkehrskreise einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Marken sehen, d. h. die beiden gedanklich miteinander verknüpfen, ohne sie jedoch zu verwechseln (Urteil vom 12. März 2009, Antartica/HABM, C‑320/07 P, EU:C:2009:146, Rn. 43; Urteil vom 14. Dezember 2012, Bimbo/HABM – Grupo Bimbo [GRUPO BIMBO], T‑357/11, EU:T:2012:696, Rn. 29; vgl. entsprechend auch Urteil vom 27. November 2008, Intel Corporation, C‑252/07, Slg, EU:C:2008:655, Rn. 30).

18      Die Anwendung von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 hängt von drei Voraussetzungen ab, nämlich erstens der Identität oder Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken, zweitens der Bekanntheit der älteren Marke, auf die der Widerspruch gestützt wird, und drittens der Gefahr, dass die Benutzung der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt. Diese drei Voraussetzungen sind kumulativ, und eine Anwendung der Bestimmung scheidet aus, wenn nur eine von ihnen nicht vorliegt (Urteil vom 27. September 2011, El Jirari Bouzekri/HABM – Nike International [NC NICKOL], T‑207/09, EU:T:2011:537, Rn. 29; vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 25. Mai 2005, Spa Monopole/HABM – Spa-Finders Travel Arrangements [SPA-FINDERS], T‑67/04, Slg, EU:T:2005:179, Rn. 30, und vom 27. November 2007, Gateway/HABM – Fujitsu Siemens Computers [ACTIVY Media Gateway], T‑434/05, EU:T:2007:359, Rn. 57).

19      Im vorliegenden Fall war die Beschwerdekammer der Ansicht, dass das maßgebliche Gebiet die gesamte Union sei und dass die maßgeblichen Verkehrskreise sowohl aus der breiten Öffentlichkeit als auch aus einem für Maschinen und gewerblich genutzte Fahrzeuge interessierten Fachpublikum bestünden. Aufgrund der Art der Waren und ihres Preises seien die Verkehrskreise bei der Auswahl der Waren besonders aufmerksam. Die Klägerin hat diese Feststellungen nicht in Frage gestellt.

20      Die Klägerin bestreitet jedoch die Feststellung der Beschwerdekammer, dass die Anmeldung der Marke LOVOL nicht auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 zurückgewiesen werden könne, da die einander gegenüberstehenden Zeichen unähnlich seien und damit eine der kumulativen Voraussetzungen für die Anwendung dieser Vorschrift nicht erfüllt sei.

 Zur Ähnlichkeit der Zeichen

21      Nach der Rechtsprechung sind die bei der Prüfung der Ähnlichkeit der fraglichen Zeichen zu berücksichtigenden Kriterien im Fall der Zurückweisung der Anmeldung einer Marke wegen Verwechslungsgefahr gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 dieselben wie im Fall der Zurückweisung wegen einer Beeinträchtigung der Wertschätzung einer älteren Marke gemäß Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 (Urteil NC NICKOL, oben in Rn. 18 angeführt, EU:T:2011:537, Rn. 31). In diesen beiden Fällen, in denen eine Zurückweisung der Markenanmeldung zulässig ist, erfordert die Voraussetzung einer Ähnlichkeit der Zeichen insbesondere Gemeinsamkeiten in Bild, Klang oder Bedeutung, so dass sie aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise hinsichtlich eines oder mehrerer relevanter Aspekte zumindest teilweise übereinstimmen (Urteile ACTIVY Media Gateway, oben in Rn. 18 angeführt, EU:T:2007:359, Rn. 35, und NC NICKOL, oben in Rn. 18 angeführt, EU:T:2011:537, Rn. 31; vgl. entsprechend auch Urteil vom 23. Oktober 2003, Adidas-Salomon und Adidas Benelux, C‑408/01, Slg, EU:C:2003:582, Rn. 28 und 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betreffenden Marken in Bild, Klang und Bedeutung ist auf den von ihnen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (Urteile vom 11. November 1997, SABEL, C‑251/95, Slg, EU:C:1997:528, Rn. 23, vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T‑162/01, Slg, EU:T:2003:199, Rn. 39, und vom 24. November 2005, Simonds Farsons Cisk/HABM – Spa Monopole [KINJI by SPA], T‑3/04, Slg, EU:T:2005:418, Rn. 38).

23      Daher ist gemäß der in Rn. 17 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung zu prüfen, ob die einander gegenüberstehenden Marken einen solchen Grad an Ähnlichkeit aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise einen Zusammenhang zwischen diesen Marken sehen, d. h. die beiden gedanklich miteinander verknüpfen, ohne sie jedoch zu verwechseln.

–       Zum visuellen Aspekt des Vergleichs

24      In der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer zunächst die angemeldete Marke mit der Wortmarke VOLVO und dem Wortbestandteil der älteren Bildmarken verglichen. Sie hat ausgeführt, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen vier von fünf Buchstaben gemeinsam hätten, allerdings in unterschiedlicher Reihenfolge. Außerdem unterschieden sich die Zeichen in ihren Anfangsbuchstaben („v“ und „l“) und in ihrer ersten Silbe („vol“ und „lo“). Zudem sei es unwahrscheinlich, dass der Durchschnittsverbraucher die Marken in ihre jeweiligen Silben trennen würde, um ein Anagramm zu bilden, und so „lovol“ mit „volvo“ verknüpfen würde. Die grafischen Bestandteile der angemeldeten Marke seien banal und stellten kein Unterscheidungsmerkmal dar, das die bildliche Wahrnehmung der Zeichen durch den Verbraucher beherrsche oder beeinflusse. Überdies erscheine der Wortbestandteil der älteren Marken in weißen Buchstaben auf schwarzem Hintergrund, während die streitige Marke in schwarzen Buchstaben wiedergegeben werde. Die Beschwerdekammer gelangte daher zu dem Ergebnis, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen bildlich unähnlich seien.

25      Die Klägerin beschränkt ihr Vorbringen auf den Vergleich des Wortbestandteils der Marke LOVOL mit der Wortmarke VOLVO. Sie macht geltend, dass die beiden Zeichen aus jeweils fünf Buchstaben bestünden und aus ähnlichen Kombinationen der Buchstaben „v“, „o“ und „l“ zusammengesetzt seien. Da die Großbuchstaben „V“ und „L“ beide einen Winkel bildeten, sei ihre geometrische Struktur ähnlich. Die Marken wiesen dieselbe Vokalfolge („o“ und „o“) und eine ähnliche Konsonantenfolge („v“, „l“ und „v“ bzw. „l“, „v“ und „l“) auf. Schließlich seien die beiden Marken durch die Silben „vol“ und „vo“ bzw. ihre Umkehrung geprägt.

26      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass der Anfang der Zeichen der einander gegenüberstehenden Marken unterschiedlich ist. Die angemeldete Marke beginnt mit einem „l“, während der erste Buchstabe der Marke VOLVO ein „v“ ist. Nach der Rechtsprechung legt der Verbraucher üblicherweise dem ersten Teil von Wörtern ein größeres Gewicht bei (vgl. entsprechend Urteil vom 17. März 2004, El Corte Inglés/HABM – González Cabello [MUNDICOR], T‑183/02 und T‑184/02, Slg, EU:T:2004:79, Rn. 81).

27      Zweitens ist zum Vorbringen der Klägerin, die erste Silbe der Marke LOVOL sei eine Umkehrung von „vol“, festzustellen, dass sie keine Sprache der Union anführt, deren Regeln die Trennung der Marke LOVOL in die Silben „lov“ und „ol“ verlangten. Vielmehr ist das Wort „lovol“ nach den Regeln der englischen, der deutschen, der französischen, der italienischen, der spanischen, der polnischen, der niederländischen und der ungarischen Sprache in die Silben „lo“ und „vol“ zu trennen. Doch selbst wenn die erste Silbe in einer Sprache der Union „lov“ lautete, hat die Klägerin ihre Behauptung, der Durchschnittsverbraucher neige dazu, ein kurzes bedeutungsloses Wort zu trennen und seine erste Silbe umgekehrt zu lesen, nicht belegt.

28      Die Klägerin kann insoweit auch nicht auf die Urteile vom 11. Juni 2009, Hedgefund Intelligence/HABM – Hedge Invest (InvestHedge) (T‑67/08, EU:T:2009:198), und vom 25. Juni 2010, MIP Metro/HABM – CBT Comunicación Multimedia (Metromeet) (T‑407/08, Slg, EU:T:2010:256), berufen.

29      Im Urteil InvestHedge hat das Gericht die Ähnlichkeit der Bildmarken InvestHedge und HEDGE INVEST geprüft, die beide die Wortbestandteile „invest“ und „hedge“ enthalten. Es hat festgestellt, dass die Zeichen aus den gleichen, klar erkennbaren Bestandteilen zusammengesetzt seien, die bei der älteren Marke durch eine Leerstelle getrennt seien und sich bei der angemeldeten Marke wegen der Verwendung der Großbuchstaben „I“ und „H“ deutlich voneinander abhöben. Aufgrund dieser Anordnung ließen sie sich unmittelbar in zwei getrennte Bestandteile aufspalten, nämlich „invest“ und „hedge“, die identisch seien. In diesem Zusammenhang hat das Gericht festgestellt, dass die bloße Umkehrung der Bestandteile einer Marke nicht den Schluss zulasse, dass keine visuelle Ähnlichkeit bestehe (Urteil InvestHedge, oben in Rn. 28 angeführt, EU:T:2009:198, Rn. 35).

30      Im Urteil Metromeet hat das Gericht die visuelle Ähnlichkeit der Marken meeting metro und Metromeet geprüft. Es hat festgestellt, dass die Anmeldemarke aus zwei Bestandteilen, nämlich „Metro“ und „meet“, zusammengesetzt sei, die sich in umgekehrter Reihenfolge auch in der älteren Wortmarke fänden, wobei das Wort „meeting“ von den angesprochenen Verkehrskreisen leicht als Gerundium des Wortes „meet“ erkennbar sei. Es hat daran erinnert, dass die bloße Umkehrung der Bestandteile einer Marke nicht den Schluss zulasse, dass keine visuelle Ähnlichkeit bestehe (Urteil Metromeet, oben in Rn. 28 angeführt, EU:T:2010:256, Rn. 37 und 38).

31      Anders als in den Rechtssachen, in denen die Urteile InvestHedge (oben in Rn. 28 angeführt, EU:T:2009:198) und Metromeet (oben in Rn. 28 angeführt, EU:T:2010:256) ergangen sind, setzen sich im vorliegenden Fall die Zeichen VOLVO und LOVOL jedoch nicht aus Wörtern zusammen, die eine bestimmte und für die maßgeblichen Verkehrskreise verständliche Bedeutung haben. Auch bietet die Anordnung der Buchstaben in der angemeldeten Marke LOVOL keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Durchschnittsverbraucher die Marke in zwei Silben trennen und diese getrennt betrachten würde. Und selbst wenn der Durchschnittsverbraucher eine solche Trennung vornähme, gibt es kein Anzeichen dafür, dass er entgegen der normalen Art und Weise, Buchstaben des lateinischen Alphabets zu lesen, die ersten drei Buchstaben „l“, „o“ und „v“ verkehrt herum als „vol“ lesen würde.

32      Daraus folgt, dass das auf die Urteile InvestHedge (oben in Rn. 28 angeführt, EU:T:2009:198) und Metromeet (oben in Rn. 28 angeführt, EU:T:2010:256) gestützte Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen ist, weil sich die Sachverhalte der Rechtssachen, in denen diese Urteile ergangen sind, deutlich vom Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache unterscheiden.

33      Drittens ist darauf hinzuweisen, dass der Durchschnittsverbraucher selbst bei oberflächlichem Lesen der beiden Zeichen keinen Zusammenhang sehen wird, da sowohl der erste als auch der letzte Buchstabe der einander gegenüberstehenden Zeichen unterschiedlich sind und zudem die angemeldete Marke zwei „l“, die Marke VOLVO aber zwei „v“ enthält.

34      Viertens enthalten die einander gegenüberstehenden Zeichen zwar beide die Buchstabenkombination „vol“. Jedoch befinden sich diese drei Buchstaben bei der älteren Wortmarke am Anfang, während sie bei der angemeldeten Marke an das Ende gestellt sind.

35      Fünftens kann sich die Klägerin nicht auf die vorgebliche Ähnlichkeit der Großbuchstaben „L“ und „V“ berufen. Es ist nämlich davon auszugehen, dass der Durchschnittsverbraucher instinktiv die Buchstaben des lateinischen Alphabets unterscheidet, so dass er im vorliegenden Fall die Unterschiede zwischen diesen Buchstaben erkennen wird, und zwar auch deshalb, weil die einander gegenüberstehenden Zeichen recht kurz sind.

36      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass sich die älteren Bildmarken auch durch ihre Bildbestandteile von der angemeldeten Marke unterscheiden und dass sich die Klägerin in ihrem Vorbringen zum visuellen Vergleich jedenfalls nicht auf diese Unterschiede zwischen den Marken stützt.

37      Angesichts dieser Erwägungen reicht die bloße Tatsache, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen die Buchstaben „v“, „l“ und „o“ enthalten und die Buchstabenkombination „vol“ einschließen, nicht aus, um zu bewirken, dass die maßgeblichen Verkehrskreise auf der Grundlage der visuellen Wahrnehmung einen Zusammenhang zwischen diesen Zeichen sehen. Somit liegt keine visuelle Ähnlichkeit vor, die bei der Anwendung von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 berücksichtigt werden könnte.

38      Daher ist die Feststellung der Beschwerdekammer zu bestätigen, wonach die in Rede stehenden Zeichen in visueller Hinsicht unähnlich sind.

–       Zum klanglichen Aspekt des Vergleichs

39      Zum klanglichen Vergleich der Zeichen hat die Beschwerdekammer ausgeführt, dass dem bloßen Umstand, dass die einander gegenüberstehenden Marken dieselbe Silbenzahl aufwiesen, keine besondere Bedeutung zukomme. In Anbetracht des unterschiedlichen „vokalischen Klangs“ der beiden Silben der einander gegenüberstehenden Marken seien diese vielmehr klanglich unähnlich.

40      Die Klägerin trägt vor, dass die Marken VOLVO und LOVOL klanglich ähnlich seien. Die Aussprache der einander gegenüberstehenden Marken sei durch die Silben „vol“, „vo“ und „lov“ geprägt, die frappierende Ähnlichkeiten aufwiesen. Beide Zeichen hätten die Wiederholung des Vokals „o“ gemein, der die Aussprache des Zeichens beherrsche, sowie die weichen Konsonanten „l“ und „v“, die klangschwach ausgesprochen würden.

41      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht geltend machen kann, dass die beiden Marken nur aus den Silben „vol“, „vo“ und „lov“ zusammengesetzt seien, da die angemeldete Marke nicht LOVVOL, sondern LOVOL lautet. Außerdem sei daran erinnert, dass die Klägerin keine Sprache der Union angibt, in der das Wort LOVOL in die Silben „lov“ und „ol“ getrennt wird. Nach den Regeln der Grammatik der in Rn. 27 des vorliegenden Urteils angeführten Sprachen wird die angemeldete Marke vielmehr aus den Silben lo und vol gebildet.

42      Darüber hinaus sei nochmals darauf hingewiesen, dass nach der in Rn. 26 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung der Verbraucher üblicherweise dem ersten Teil der Wörter mehr Gewicht beilegt. Die ersten Laute der einander gegenüberstehenden Zeichen sind jedoch unterschiedlich.

43      Zwar sind die Vokale der beiden Zeichen identisch und werden in mehreren Sprachen der Union gleich ausgesprochen. Die Buchstaben „l“ und „v“ werden jedoch im Gegensatz zum Vorbringen der Klägerin deutlich unterschiedlich ausgesprochen, da der Laut „l“ ein alveolarer Konsonant, das „v“ aber ein labiodentaler Konsonant ist.

44      Überdies enthält der Wortbestandteil „volvo“ die Konsonanten „l“ und „v“ nebeneinander, wodurch die Aussprache ein wenig hakt, während sich beim Wort „lovol“ die Vokale und Konsonanten abwechseln, so dass es flüssiger ausgesprochen wird. Die einander gegenüberstehenden Zeichen haben daher einen unterschiedlichen Sprechrhythmus.

45      Demnach ist festzustellen, dass die bloße Tatsache, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen die Buchstaben „v“, „l“ und „o“ enthalten und die Buchstabenkombination „vol“ einschließen, nicht ausreicht, um zu bewirken, dass die maßgeblichen Verkehrskreise auf der Grundlage der klanglichen Wahrnehmung einen Zusammenhang zwischen diesen Zeichen sehen. Somit liegt keine klangliche Ähnlichkeit vor, die bei der Anwendung von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 berücksichtigt werden könnte.

46      Daher ist der Schlussfolgerung der Beschwerdekammer zuzustimmen, wonach die einander gegenüberstehenden Zeichen im Hinblick auf die Anwendung von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 klanglich unähnlich sind.

–       Zum begrifflichen Aspekt des Vergleichs

47      Die Klägerin teilt die Auffassung der Beschwerdekammer, dass ein begrifflicher Vergleich unmöglich sei, da die in Rede stehenden Zeichen in keiner Sprache der Union Bedeutung hätten.

48      Sie macht jedoch geltend, dass der Verbraucher, der mit der „erfundenen Marke“ LOVOL konfrontiert werde, durch diese neue Automarke neugierig gemacht werde, zumal die Zahl der Fahrzeughersteller relativ beschränkt sei. Daher werde er sich fragen, ob diese neue Automarke in irgendeinem Zusammenhang mit einer sehr alten und höchst angesehenen Automarke stehe, und sie dann mit der Marke VOLVO in Verbindung bringen.

49      Insoweit ist festzustellen, dass sich die Klägerin auf keinen in der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz stützt.

50      Sie hat ferner keine Beweismittel dafür vorgelegt, dass der Verbraucher, der beim Kauf der fraglichen Waren besonders aufmerksam ist, eine neue Marke instinktiv mit einer bestehenden Marke in Verbindung bringt, wenn er mit einer „erfundenen Marke“ konfrontiert wird, die keinerlei Bedeutung hat.

51      Die Klägerin macht jedoch geltend, dass der Verbraucher einen Zusammenhang zwischen den Zeichen LOVOL und VOLVO herstellen könne, da es im menschlichen Gehirn ein „visuelles Wörterbuch“ gebe, das sich beim Lesenlernen entwickele. Sie beruft sich hierfür auf einen wissenschaftlichen Artikel mit dem Titel „Skilled Readers Rely on Their Brain’s ‚Visual Dictionary‘ to Recognize Words“ (Erfahrene Leser stützen sich auf das „visuelle Wörterbuch“ ihres Gehirns, um Wörter zu erkennen), der am 14. November 2011 veröffentlicht wurde.

52      Das HABM macht geltend, dass dieser wissenschaftliche Artikel, der der Erwiderung beigefügt ist, vom Gericht wegen seiner verspäteten Einreichung nicht berücksichtigt werden könne.

53      Das Gericht hält es nicht für angebracht, die Zulässigkeit des Beweisangebots in Form des fraglichen Artikels zu prüfen, da er die These der Klägerin jedenfalls nicht stützt. Die Autoren betonen nämlich, dass, selbst wenn bei zwei Wörtern mehrere Buchstaben übereinstimmen, die übrigen unterschiedlichen Buchstaben dazu führen, dass beim Lesen dieser Wörter unterschiedliche Neuronen im menschlichen Gehirn aktiviert werden. In der Wahrnehmung eines erfahrenen Lesers ist z. B. der Abstand zwischen den englischen Wörtern „hair“ und „hare“ derselbe wie der zwischen den Wörtern „hair“ und „soup“, obwohl „hair“ und „hare“ gleich ausgesprochen werden.

54      Daher ist festzustellen, dass ein begrifflicher Vergleich im vorliegenden Fall nicht möglich ist. Auch hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die begriffliche Wahrnehmung der Zeichen bewirken kann, dass ein Zusammenhang zwischen den Zeichen im Sinne der in Rn. 17 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung hergestellt wird. Dieses Vorbringen ist somit zurückzuweisen.

55      Nach alledem ist insbesondere in Anbetracht der Ausführungen in den Rn. 37 und 45 des vorliegenden Urteils festzustellen, dass die beteiligten Verkehrskreise nicht schon deshalb einen Zusammenhang zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen sehen oder eine Verbindung zwischen ihnen herstellen, weil sie die Buchstaben „v“, „l“ und „o“ enthalten und die Buchstabenkombination „vol“ einschließen. Dass diese Buchstaben übereinstimmen, kann daher für die Zwecke der Anwendung von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 nicht als Ähnlichkeit eingestuft werden.

56      Demnach ist die angefochtene Entscheidung insoweit zu bestätigen, als die Beschwerdekammer im Zusammenhang mit der Anwendung von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 zu dem Schluss gelangt ist, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen unähnlich sind.

 Zur Anwendbarkeit von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009

57      Nach der in Rn. 18 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 schon dann unanwendbar, wenn eine der drei kumulativen Voraussetzungen nicht erfüllt ist.

58      Im vorliegenden Fall sind die einander gegenüberstehenden Zeichen unähnlich. Daraus folgt, dass die Beschwerdekammer zu Recht den Schluss gezogen hat, dass die Eintragung der angemeldeten Marke nicht auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 verweigert werden kann.

59      Nach alledem ist der einzige Klagegrund der Klägerin zurückzuweisen und damit die vorliegende Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

60      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen des HABM und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Volvo Trademark Holding AB trägt die Kosten.

Berardis

Czúcz

Popescu

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. November 2014.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.