Language of document : ECLI:EU:C:2024:149

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

22. Februar 2024(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Richtlinie 1999/70/EG – EGB‑UNICE‑CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge – Befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor – Unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigte Vertragsbedienstete – Paragrafen 2 und 3 – Anwendungsbereich – Ausdruck „befristet beschäftigter Arbeitnehmer“ – Paragraf 5 – Maßnahmen zur Vermeidung und Ahndung von Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse – Gleichwertige gesetzliche Maßnahmen“

In den verbundenen Rechtssachen C‑59/22, C‑110/22 und C‑159/22

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Superior de Justicia de Madrid (Obergericht Madrid, Spanien) mit Entscheidungen vom 22. Dezember 2021, vom 21. Dezember 2021 und vom 3. Februar 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Januar, am 17. Februar und am 3. März 2022, in den Verfahren

MP

gegen

Consejería de Presidencia, Justicia e Interior de la Comunidad de Madrid (C‑59/22)

und

IP

gegen

Universidad Nacional de Educación a Distancia (UNED) (C‑110/22)

und

IK

gegen

Agencia Madrileña de Atención Social de la Comunidad de Madrid (C‑159/22)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Richters P. G. Xuereb in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten, des Richters A. Kumin (Berichterstatter) und der Richterin I. Ziemele,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Consejería de Presidencia, Justicia e Interior de la Comunidad de Madrid und der Agencia Madrileña de Atención Social de la Comunidad de Madrid, vertreten durch A. Caro Sánchez als Bevollmächtigten,

–        der spanischen Regierung, vertreten durch M. J. Ruiz Sánchez als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch I. Galindo Martín, D. Recchia und N. Ruiz García als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Paragrafen 2, 3 und 5 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (im Folgenden: Rahmenvereinbarung), die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB‑UNICE‑CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 43) enthalten ist.

2        Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten in der Rechtssache C‑59/22 zwischen MP und der Consejería de Presidencia, Justicia e Interior de la Comunidad de Madrid (Regionalministerium für die Präsidentschaft, Justiz und Inneres der Autonomen Gemeinschaft Madrid, Spanien), in der Rechtssache C‑110/22 zwischen IP und der Universidad Nacional de Educación a Distancia (UNED) (Nationale Fernuniversität, Spanien) und in der Rechtssache C‑159/22 zwischen IK und der Agencia Madrileña de Atención Social de la Comunidad de Madrid (Madrider Sozialfürsorgeagentur der Autonomen Gemeinschaft Madrid, Spanien) über die Einstufung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Betroffenen und der jeweiligen öffentlichen Verwaltung.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 1999/70

3        Der 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/70 lautet:

„Bezüglich der in der Rahmenvereinbarung verwendeten, jedoch nicht genau definierten Begriffe überlässt es diese Richtlinie – wie andere im Sozialbereich erlassene Richtlinien, in denen ähnliche Begriffe vorkommen – den Mitgliedstaaten, diese Begriffe entsprechend ihrem nationalen Recht und/oder ihrer nationalen Praxis zu definieren, vorausgesetzt, diese Definitionen entsprechen inhaltlich der Rahmenvereinbarung.“

4        In Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie heißt es:

„Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie … nachzukommen, [und haben dabei] alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um jederzeit gewährleisten zu können, dass die durch die Richtlinie vorgeschriebenen Ergebnisse erzielt werden. …“

 Rahmenvereinbarung

5        Paragraf 2 („Anwendungsbereich“) der Rahmenvereinbarung sieht vor:

„1.      Diese Vereinbarung gilt für befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag oder ‑verhältnis gemäß der gesetzlich, tarifvertraglich oder nach den Gepflogenheiten in jedem Mitgliedstaat geltenden Definition.

2.      Die Mitgliedstaaten, nach Anhörung der Sozialpartner, und/oder die Sozialpartner können vorsehen, dass diese Vereinbarung nicht gilt für:

a)      Berufsausbildungsverhältnisse und Auszubildendensysteme/Lehrlingsausbildungssysteme;

b)      Arbeitsverträge und ‑verhältnisse, die im Rahmen eines besonderen öffentlichen oder von der öffentlichen Hand unterstützten beruflichen Ausbildungs‑, Eingliederungs- oder Umschulungsprogramms abgeschlossen wurden.“

6        Paragraf 3 („Definitionen“) der Rahmenvereinbarung bestimmt:

„Im Sinne dieser Vereinbarung ist:

1.      ‚befristet beschäftigter Arbeitnehmer‘ eine Person mit einem direkt zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrag oder ‑verhältnis, dessen Ende durch objektive Bedingungen wie das Erreichen eines bestimmten Datums, die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe oder das Eintreten eines bestimmten Ereignisses bestimmt wird.

…“

7        Paragraf 5 („Maßnahmen zur Vermeidung von Missbrauch“) der Rahmenvereinbarung lautet:

„1.      Um Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse zu vermeiden, ergreifen die Mitgliedstaaten nach der gesetzlich oder tarifvertraglich vorgeschriebenen oder in dem Mitgliedstaat üblichen Anhörung der Sozialpartner und/oder die Sozialpartner, wenn keine gleichwertigen gesetzlichen Maßnahmen zur Missbrauchsverhinderung bestehen, unter Berücksichtigung der Anforderungen bestimmter Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen:

a)      sachliche Gründe, die die Verlängerung solcher Verträge oder Verhältnisse rechtfertigen;

b)      die insgesamt maximal zulässige Dauer aufeinanderfolgender Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse;

c)      die zulässige Zahl der Verlängerungen solcher Verträge oder Verhältnisse.

2.      Die Mitgliedstaaten, nach Anhörung der Sozialpartner, und/oder die Sozialpartner legen gegebenenfalls fest, unter welchen Bedingungen befristete Arbeitsverträge oder Beschäftigungsverhältnisse:

a)      als ‚aufeinanderfolgend‘ zu betrachten sind;

b)      als unbefristete Verträge oder Verhältnisse zu gelten haben.“

 Spanisches Recht

 Verfassung

8        Art. 23 Abs. 2 der Constitución española (spanische Verfassung) (im Folgenden: Verfassung) bestimmt, dass die Bürger „vorbehaltlich gesetzlich festgelegten Anforderungen zu gleichen Bedingungen das Recht auf Zugang zu öffentlichen Ämtern und Stellen [haben]“.

9        Art. 103 Abs. 3 der Verfassung bestimmt unter anderem, dass durch Gesetz das Statut der Beamten festgelegt und der Zugang zum öffentlichen Dienst nach den Grundsätzen der Leistung und der Befähigung reglementiert wird.

 Rechtsvorschriften über befristete Arbeitsverträge

–       Arbeitnehmerstatut

10      Art. 15 Abs. 3 des Real Decreto Legislativo 2/2015, por el que se aprueba el texto refundido de la Ley del Estatuto de los Trabajadores (Königliches gesetzesvertretendes Dekret 2/2015 zur Billigung der Neufassung des Gesetzes über das Arbeitnehmerstatut) vom 23. Oktober 2015 (BOE Nr. 255 vom 24. Oktober 2015, S. 100224) in seiner auf die Sachverhalte der Ausgangsrechtsstreitigkeiten anwendbaren Fassung (im Folgenden: Arbeitnehmerstatut) legt fest, dass „rechtsmissbräuchlich geschlossene befristete Verträge … als unbefristet [gelten]“.

11      Art. 15 Abs. 5 des Arbeitnehmerstatuts bestimmt:

„Unbeschadet des Abs. 1 Buchst. a sowie der Abs. 2 und 3 dieses Artikels erlangen Arbeitnehmer, die bei demselben Unternehmen oder derselben Unternehmensgruppe innerhalb von 30 Monaten, sei es mit oder ohne Unterbrechung, für eine Dauer von mehr als 24 Monaten auf ein und derselben Arbeitsstelle oder verschiedenen Arbeitsstellen auf der Grundlage von mindestens zwei befristeten Arbeitsverträgen unmittelbar oder durch Zurverfügungstellung durch Zeitarbeitsfirmen – mit denselben oder abweichenden Vertragsbedingungen betreffend die Befristung – beschäftigt waren, den Status von Dauerbeschäftigten. …“

12      Die 15. Zusatzbestimmung des Arbeitnehmerstatuts, die die „Anwendung zeitlicher Beschränkungen bei Verträgen, die eine bestimmte Aufgabe oder eine bestimmte Dienstleistung betreffen, und bei aufeinanderfolgenden Verträgen in der öffentlichen Verwaltung“ betrifft, stellt klar, dass ein Verstoß gegen diese Beschränkungen in „der öffentlichen Verwaltung und … mit ihr verbundenen oder ihr untergeordneten öffentlichen Einrichtungen“, nicht „die Anwendung der Verfassungsgrundsätze der Gleichheit, der Leistung und der Befähigung beim Zugang zu einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst“ verhindern darf und „der Verpflichtung, die betreffenden Stellen nach den üblichen Verfahren gemäß den in der geltenden Regelung vorgesehenen Bestimmungen zu besetzen, nicht entgegensteht“, so dass „[d]er Arbeitnehmer … seine bisherige Stelle so lange [behält], bis sie nach den vorstehend genannten Verfahren neu besetzt wird. In diesem Moment endet das Arbeitsverhältnis, es sei denn, der betroffene Arbeitnehmer wird im öffentlichen Dienst eingestellt, nachdem er mit Erfolg an dem entsprechenden Auswahlverfahren teilgenommen hat“.

–       EBEP

13      Die Ley del Estatuto Básico del Empleado Público (Gesetz über das Grundstatut der öffentlichen Bediensteten), gebilligt durch das Real Decreto Legislativo 5/2015 (Königliches gesetzesvertretendes Dekret 5/2015) vom 30. Oktober 2015 (BOE Nr. 261 vom 31. Oktober 2015, S. 103105) in ihrer auf die Sachverhalte der Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: EBEP), wurde unter anderem durch das Real Decreto-ley 14/2021, de medidas urgentes para la reducción de la temporalidad en el empleo público (Real Decreto-ley 14/2021 über dringliche Maßnahmen zur Verringerung der Befristung im öffentlichen Dienst) vom 6. Juli 2021 (BOE Nr. 161 vom 7. Juli 2021, S. 80375) in der für die Sachverhalte der Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: Real Decreto-ley 14/2021) geändert.

14      Art. 8 EBEP sieht vor:

„1.      Öffentlicher Bediensteter ist, wer in der öffentlichen Verwaltung eine entgeltliche Tätigkeit im Dienst der allgemeinen Interessen ausübt.

2.      Die öffentlichen Bediensteten werden eingeteilt in:

a)      Laufbahnbeamte;

b)      Interimsbeamte,

c)      Vertragsbedienstete, unabhängig davon, ob sie fest, unbefristet oder befristet eingestellt sind;

d)      Hilfspersonal.“

15      In Art. 11 Abs. 1 und 3 EBEP heißt es:

„1.      Vertragsbediensteter ist, wer aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrags unabhängig von den Einstellungsmodalitäten, die im Arbeitsrecht vorgesehen sind, von der öffentlichen Verwaltung vergütete Dienstleistungen erbringt. Je nach seiner Dauer kann der Vertrag dauerhaft, unbefristet oder befristet sein.

3.      Die Verfahren zur Auswahl des beschäftigten Personals sind öffentlich und unterliegen in jedem Fall den Grundsätzen der Gleichheit, der Leistung und der Befähigung. Für Zeitbedienstete gilt auch das Schnelligkeitsgebot, um ausdrücklich gerechtfertigten Gründen der Notwendigkeit und Dringlichkeit zu entsprechen.“

16      Art. 55 Abs. 1 EBEP lautet:

„Alle Bürger haben nach den Verfassungsgrundsätzen der Gleichheit, der Leistung und der Befähigung sowie den Bestimmungen des vorliegenden Statuts und den sonstigen in der Rechtsordnung geltenden Vorschriften Recht auf Zugang zu einer Stelle im öffentlichen Dienst“.

17      Art. 70 („Öffentliche Stellenausschreibung“) EBEP sieht vor:

„1.      Der durch Einstellung neuer Mitarbeiter zu deckende Personalbedarf, der mit einer Budgetzuweisung verbunden ist, ist Gegenstand einer Ausschreibung einer öffentlichen Stelle oder eines anderen ähnlichen Instruments zur Steuerung der Deckung des Personalbedarfs, was die Verpflichtung mit sich bringt, die entsprechenden Auswahlverfahren für die vorgesehenen Stellen – bis zu zehn Prozent zusätzlich – zu organisieren und die maximale Frist für die Veröffentlichung der Ausschreibungen festzusetzen. In jedem Fall muss die Durchführung der Ausschreibung einer öffentlichen Stelle oder des ähnlichen Instruments innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren erfolgen, der nicht verlängert werden kann.

2.      Die Ausschreibung einer öffentlichen Stelle oder das ähnliche Instrument, die bzw. das jährlich von den Leitungsorganen der öffentlichen Verwaltung genehmigt wird, wird im jeweiligen Amtsblatt veröffentlicht.

…“

18      Mit Art. 1 Abs. 3 des Real Decreto-ley 14/2021 wurde dem EBEP die 17. Zusatzbestimmung hinzugefügt. Diese 17. Zusatzbestimmung sieht zunächst insbesondere die Verpflichtung der öffentlichen Verwaltung vor, darauf zu achten, jede Art von Regelwidrigkeit in befristeten Arbeitsverträgen und bei der Ernennung von Interimsbeamten zu vermeiden. Sodann heißt es in dieser 17. Zusatzbestimmung insbesondere, dass die „Regelverstöße“ in diesem Bereich „die entsprechende Haftung nach den in der jeweiligen öffentlichen Verwaltung geltenden Vorschriften auslösen“. Schließlich begründet die 17. Zusatzbestimmung auch den Anspruch der Arbeitnehmer, unbeschadet etwaiger nach den arbeitsrechtlichen Vorschriften vorgesehener Entschädigungen einen Ausgleich für die regelwidrige befristete Beschäftigung zu erhalten, der in der Zahlung der Differenz zwischen dem Höchstbetrag, der sich aus der Anwendung der Regel von 20 Tagesentgelten pro Beschäftigungsjahr, höchstens jedoch einem Jahresgehalt, ergibt, und der auszuzahlenden Kündigungsentschädigung besteht. Dieser Ausgleich wird zum Zeitpunkt der Kündigung des Vertrags fällig und beschränkt sich auf den Vertrag, hinsichtlich dessen gegen die Vorschriften verstoßen wurde.

–       Gesetze über den Staatshaushalt für die Jahre 2017 und 2018

19      Die 43. Zusatzbestimmung der Ley 6/2018 de Presupuestos Generales del Estado para el año 2018 (Gesetz 6/2018 über den allgemeinen Staatshaushalt für das Jahr 2018) vom 3. Juli 2018 (BOE Nr. 161 vom 4. Juli 2018, S. 66621) in ihrer auf die Sachverhalte der Ausgangsrechtsstreitigkeiten anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz über den Staatshaushalt für das Jahr 2018), die die 34. Zusatzbestimmung der Ley 3/2017 de Presupuestos Generales del Estado para el año 2017 (Gesetz 3/2017 über den allgemeinen Staatshaushalt für das Jahr 2017) vom 27. Juni 2017 (BOE Nr. 153 vom 28. Juni 2017, S. 53787) (im Folgenden: Gesetz über den Staatshaushalt für das Jahr 2017) ersetzt hat, sieht u. a. vor, dass der Status eines unbefristet, aber nicht dauerhaft beschäftigten Arbeitnehmers nur aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung zuerkannt werden kann. In dieser 43. Zusatzbestimmung heißt es, dass „Regelverstöße“, die bei der vorübergehenden Einstellung durch „die für Personalfragen zuständigen Organe in der jeweiligen öffentlichen Verwaltung und in den Einrichtungen, aus denen sich ihr Bedienstetenapparat zusammensetzt“, begangen wurden, die Haftung der „für Personalfragen zuständigen Organe nach den in der jeweiligen öffentlichen Verwaltung geltenden Vorschriften“ auslösen.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

 Rechtssache C59/22

20      MP arbeitet seit dem 22. Oktober 1994 jeden Sommer in der Abteilung für Waldbrandprävention der Comunidad de Madrid (Autonome Gemeinschaft Madrid, Spanien). Mit Urteil vom 27. Dezember 2007 hatte das vorlegende Gericht, das Tribunal Superior de Justicia de Madrid (Obergericht Madrid, Spanien), festgestellt, dass MP von Beginn an in einem „unbefristeten Arbeitsverhältnis in zyklisch-vertikaler Teilzeit“ beschäftigt war.

21      Am 13. November 2020 beantragte MP beim Regionalministerium für die Präsidentschaft, Justiz und Inneres der Autonomen Gemeinschaft Madrid zum einen die Umdeutung ihres Arbeitsvertrags in einen dauerhaften Arbeitsvertrag und zum anderen die Gewährung einer Entschädigung, die der im spanischen Recht für missbräuchliche Kündigung vorgesehenen Entschädigung entspricht. Die zuständige Behörde gab diesem Antrag nicht statt.

22      MP erhob daraufhin Klage beim Juzgado de lo Social n° 18 de Madrid (Arbeits- und Sozialgericht Nr. 18 Madrid, Spanien). Zur Stützung dieser Klage stellte sie dieselben Anträge wie zur Stützung des in der vorstehenden Randnummer genannten Antrags. Mit Urteil vom 10. Juni 2021 wies dieses Gericht die Klage ab. MP legte gegen dieses Urteil Rechtsmittel beim vorlegenden Gericht ein. Zur Stützung ihres Rechtsmittels macht sie geltend, die Abweisung der Klage beruhe auf einem Verstoß zum einen gegen spanisches Recht und zum anderen gegen die Rahmenvereinbarung in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs. Nach Ansicht von MP ist die angemessene Ahndung eines missbräuchlichen Rückgriffs der Verwaltung auf Verträge, die gegen jede Vorschrift verstoßen, die Anerkennung der Dauerhaftigkeit ihres Arbeitsverhältnisses und die Zahlung einer Entschädigung.

23      Das Tribunal Superior de Justicia de Madrid (Obergericht Madrid) hat Zweifel, erstens, ob die Rahmenvereinbarung und insbesondere ihr Paragraf 5 auf eine Arbeitnehmerin wie MP anwendbar sind, die seit Beginn ihres Arbeitsverhältnisses durch einen unbefristeten, nicht dauerhaften Vertrag an die öffentliche Verwaltung gebunden ist, zweitens, ob das spanische Recht hinsichtlich dieses Vertragstyps mit diesem Paragrafen vereinbar ist, und drittens, welche Konsequenzen aus einer etwaigen Unvereinbarkeit dieses Rechts mit Paragraf 5 zu ziehen sind. Daher hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist nach Paragraf 2 der Rahmenvereinbarung im Anhang der Richtlinie 1999/70 ein „unbefristet, aber nicht dauerhaft beschäftigter“ Arbeitnehmer („trabajador indefinido no fijo“), wie er in der vorliegenden Entscheidung beschrieben wird, als „befristet beschäftigter Arbeitnehmer“ anzusehen und fällt er somit in den Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarung, insbesondere von Paragraf 5?

2.      Falls die erste Frage bejaht wird: Ist bei der Anwendung von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung davon auszugehen, dass im Fall des Abschlusses eines unbefristeten, aber nicht dauerhaften Vertrags („contrato indefinido no fijo“) zwischen einem Arbeitnehmer und einer Verwaltung aufeinanderfolgend befristete Arbeitsverträge abgeschlossen bzw. verlängert wurden, wenn der Vertrag keine feste Laufzeit hat, sondern bei Ausschreibung und Besetzung der freien Stelle beendet wird, und vom Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zum ersten Halbjahr 2021 keine Ausschreibung erfolgt ist?

3.      Ist Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen, dass er einer Auslegung von Art. 15 Abs. 5 des Estatuto de los Trabajadores (Arbeitnehmerstatut) (mit dem die Richtlinie umgesetzt wird und der zu diesem Zweck festlegt, dass die Gesamtdauer der aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträge während eines Bezugszeitraums von 30 Monaten maximal 24 Monate betragen darf) entgegensteht, wonach die Zeiten, in denen der Arbeitnehmer unbefristet, aber nicht dauerhaft beschäftigt war („trabajador indefinido no fijo“), bei der Berechnung nicht berücksichtigt werden, da für solche Verträge, d. h. für ihre Dauer, die Anzahl oder den Grund ihrer Verlängerungen oder die Aufeinanderfolge mit anderen Verträgen, keine Beschränkung zur Anwendung kommt?

4.      Steht Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung einer nationalen Vorschrift entgegen, die keine Begrenzung (in Bezug auf Anzahl, Dauer oder Gründe) der ausdrücklichen oder stillschweigenden Verlängerungen eines bestimmten befristeten Vertrags, wie z. B. eines unbefristeten, aber nicht dauerhaften Vertrags („contrato indefinido no fijo“) im öffentlichen Sektor, sondern einzig und allein eine Begrenzung für die Gesamtdauer, über die sich ein solcher Vertrag zusammen mit anderen befristeten Verträgen erstreckt, festlegt?

5.      Liegt im Hinblick darauf, dass keine spanische Vorschrift existiert, die eine ausdrückliche oder stillschweigende Verlängerung von Verträgen der unbefristet, aber nicht dauerhaft beschäftigten Arbeitnehmer („trabajadores indefinidos no fijos“) begrenzt, ein Verstoß gegen Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung vor, wenn ein Arbeitnehmer des öffentlichen Sektors wie im vorliegenden Fall einen unbefristeten, aber nicht dauerhaften Vertrag hat, dessen Dauer nie angegeben oder festgelegt und der bis 2021 verlängert wurde, ohne dass ein Auswahlverfahren zur Besetzung der Stelle und zur Beendigung der Befristung stattgefunden hat?

6.      Kann davon ausgegangen werden, dass eine nationale Regelung hinreichend abschreckende Maßnahmen zur Ahndung von gegen Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung verstoßenden Abschlüssen oder Verlängerungen aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge vorsieht, die die vom Gerichtshof in den Urteilen vom 7. März 2018, Santoro (C‑494/16, EU:C:2018:166), und vom 8. Mai 2019, Rossato und Conservatorio di Musica F.A. Bonporti (C‑494/17, EU:C:2019:387), festgelegten Voraussetzungen zum Ersatz des dem Arbeitnehmer entstandenen Schadens durch Wiederherstellung der früheren Lage erfüllen, wenn sie nur eine pauschale und objektive Abfindung (in Höhe von 20 Tagesentgelten pro Beschäftigungsjahr, höchstens jedoch einem Jahresgehalt) festlegt, jedoch keine zusätzliche Entschädigung, um den entstandenen Schaden vollständig zu ersetzen, wenn er diesen Betrag übersteigt?

7.      Kann davon ausgegangen werden, dass eine nationale Regelung hinreichend abschreckende Maßnahmen zur Ahndung von gegen Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung verstoßenden Abschlüssen oder Verlängerungen aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge vorsieht, die die vom Gerichtshof in den Urteilen vom 7. März 2018, Santoro (C‑494/16, EU:C:2018:166), und vom 8. Mai 2019, Rossato und Conservatorio di Musica F.A. Bonporti (C‑494/17, EU:C:2019:387), festgelegten Voraussetzungen zum Ersatz des dem Arbeitnehmer entstandenen Schadens erfüllen, wenn sie nur eine bei Beendigung des Vertrags aufgrund der Besetzung der freien Stelle zu zahlende Entschädigung, jedoch keine während der Laufzeit des Vertrags als Alternative zur Umwandlung in einen unbefristeten Vertrag zu zahlende Entschädigung festlegt? Ist in einem Rechtsstreit, in dem nur die dauerhafte Beschäftigung des Arbeitnehmers strittig ist, der Vertrag aber nicht gekündigt wurde, als Alternative zur dauerhaften Beschäftigung eine Entschädigung für den durch die Befristung des Vertrags entstandenen Schaden zuzuerkennen?

8.      Kann davon ausgegangen werden, dass nationale Vorschriften, die ab dem Jahr 2017 eingeführt wurden (34. Zusatzbestimmung des Gesetzes über den allgemeinen Staatshaushalt für das Jahr 2017, 43. Zusatzbestimmung des Gesetzes über den allgemeinen Staatshaushalt für das Jahr 2018 und das Real Decreto-ley 14/2021) und für den Fall von „Regelverstößen“ Haftungsansprüche festlegen, ohne die Haftung abgesehen von einem allgemeinen Verweis auf nicht spezifizierte Vorschriften näher zu konkretisieren und ohne dass bei Tausenden von Urteilen, in denen Arbeitnehmer wegen Verstoßes gegen die Vorschriften über befristete Arbeitsverträge als unbefristet, aber nicht dauerhaft beschäftigte Arbeitnehmer („trabajadores indefinidos no fijos“) eingestuft wurden, ein konkreter Fall der Durchsetzung der Haftung belegt ist, hinreichend abschreckende Maßnahmen zur Ahndung von gegen Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung verstoßenden Abschlüssen oder Verlängerungen aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge gegenüber der öffentlichen Verwaltung und öffentlichen Einrichtungen vorsehen, die die Verhinderung und Ahndung einer missbräuchlichen Verwendung befristeter Verträge durch den Arbeitgeber auch bei anderen oder zukünftigen Arbeitnehmern bezwecken und die die vom Gerichtshof in den Urteilen vom 7. März 2018, Santoro (C‑494/16, EU:C:2018:166), und vom 8. Mai 2019, Rossato und Conservatorio di Musica F.A. Bonporti (C‑494/17, EU:C:2019:387), festgelegten Voraussetzungen erfüllen?

9.      Können die Vorschriften, sofern sie als hinreichend abschreckend anzusehen sind, obwohl sie erstmals im Jahr 2017 erlassen wurden, angewandt werden, um eine Umwandlung von Verträgen in unbefristete Verträge zu verhindern, wenn die Voraussetzungen für eine solche Umwandlung wegen Verstoßes gegen Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung bereits zuvor vorlagen, oder würde dies im Gegenteil zu einer rückwirkenden Anwendung dieser Vorschriften und dem Entzug eines bereits erworbenen Rechts führen?

10.      Ist, falls die Maßnahmen in den spanischen Rechtsvorschriften nicht als hinreichend abschreckend anzusehen sind, als Folge des Verstoßes gegen Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung durch einen öffentlichen Arbeitgeber der Vertrag in einen unbefristeten, aber nicht dauerhaften Vertrag („contrato indefinido no fijo“) umzuwandeln, oder ist der Arbeitnehmer als in vollem Umfang dauerhaft beschäftigt anzusehen?

11.      Ist ein Vertrag in Anwendung der Rahmenvereinbarung und der sie auslegenden Rechtsprechung des Gerichtshofs auch dann in einen dauerhaften Vertrag umzuwandeln, wenn Art. 23 Abs. 2 und Art. 103 Abs. 3 der Verfassung dahin ausgelegt werden, dass der Zugang zu allen öffentlichen Stellen, einschließlich der Stellen von Vertragsbediensteten, erst nach dem erfolgreichen Durchlaufen eines wettbewerbsorientierten Auswahlverfahrens erfolgen darf, bei dem die Grundsätze der Gleichheit, Leistung, Befähigung und Öffentlichkeit zur Anwendung kommen, und die Umwandlung daher als Verstoß gegen Art. 23 Abs. 2 und Art. 103 Abs. 3 der Verfassung anzusehen ist?

12.      Ist der Arbeitsvertrag eines bestimmten Arbeitnehmers deshalb nicht in einen dauerhaften Vertrag umzuwandeln, weil die gesetzlichen Vorschriften ein Auswahlverfahren mit öffentlicher Ausschreibung der vom Arbeitnehmer besetzten Stelle vorsehen, für das die „Einhaltung der Grundsätze des freien Wettbewerbs, der Gleichheit, der Leistung, der Befähigung und der Öffentlichkeit“ sicherzustellen ist, so dass der Arbeitnehmer, mit dem aufeinanderfolgende befristete Verträge abgeschlossen bzw. verlängert wurden, eventuell seine Stelle nicht behalten kann, weil sie an eine andere Person vergeben wird, und sein Vertrag in diesem Fall mit einer Entschädigung in Höhe von zwanzig Tagesentgelten pro Beschäftigungsjahr, höchstens jedoch einem Jahresgehalt, beendet wird?

13.      Hat der Arbeitnehmer, auch wenn er nicht entlassen wurde, aufgrund des Verstoßes gegen Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung durch Abschluss oder Verlängerung aufeinanderfolgender Verträge Anspruch auf eine Entschädigung, die dem genannten Betrag entspricht oder darüber liegt und, sofern sie nicht gesetzlich festgelegt ist, von den Gerichten zu bestimmen ist?

14.      Hat der Umstand, dass es sich um ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis in zyklisch-vertikaler Teilzeit („laboral indefinida discontinua“) handelt und dies, wie im Rechtsmittel der Arbeitnehmerin angegeben, jede Saison erneut zum Abschluss von weiteren befristeten Arbeitsverträgen geführt hat, Auswirkungen auf die vorstehenden Fragen und, wenn ja, in welcher Weise?

 Rechtssache C110/22

24      IP arbeitet seit dem 11. Februar 1994 auf der Grundlage aufeinanderfolgender befristeter Verträge als „Videoproduktionsleiter“.

25      Mit Urteil vom 29. September 2001 erkannte ihn der Juzgado de lo Social n° 15 de Madrid (Arbeits- und Sozialgericht Nr. 15 Madrid, Spanien) als „unbefristet, aber nicht dauerhaft beschäftigten Arbeitnehmer“ an. Die vom Kläger des Ausgangsverfahrens in dieser Eigenschaft besetzte Stelle war, obwohl die UNED der Ansicht war, dass es sich um eine freie Stelle handele, zu dem Zeitpunkt, als er sich an den Juzgado de lo Social n° 42 de Madrid (Arbeits- und Sozialgericht Nr. 42 Madrid, Spanien) wandte, noch nicht ausgeschrieben worden. Vor letzterem Gericht beantragte er die gerichtliche Anerkennung seines Rechts auf Besetzung seines Arbeitsplatzes als Dauerbeschäftigter und hilfsweise, dass ihm diese Stelle im Wege eines Auswahlverfahrens aufgrund eines Befähigungsnachweises zugewiesen werde. Nachdem diese Klagen mit Urteil vom 1. Juni 2021 abgewiesen worden waren, legte der Kläger des Ausgangsverfahrens gegen dieses Urteil beim Tribunal Superior de Justicia de Madrid (Obergericht Madrid), dem vorlegenden Gericht, Rechtsmittel ein.

26      Zur Begründung seines Rechtsmittels macht IP einen Verstoß gegen Bestimmungen zum einen des spanischen Rechts und zum anderen der Rahmenvereinbarung in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof geltend. Die einzige mögliche Folge eines solchen Verstoßes sei nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Anerkennung der Eigenschaft als Dauerbeschäftigter.

27      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die Richtlinie 1999/70 in zeitlicher Hinsicht noch nicht auf vor 2001 geschlossene befristete Verträge anwendbar gewesen sei und der Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits daher nur Umstände betreffe, die nach dem Urteil vom 29. September 2001 eingetreten seien.

28      Außerdem könne, anders als die UNED im Rahmen des Ausgangsverfahrens vortrage, die „Lehre vom acte clair“ nicht angewandt werden. Da der Gerichtshof keine hinreichenden Erläuterungen zum Begriff „unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigter Arbeitnehmer“ erhalten habe, könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Gerichtshof im Urteil vom 3. Juni 2021, Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario (C‑726/19, EU:C:2021:439), entschieden habe, dass die Anerkennung als unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigter Arbeitnehmer ausreiche, um den Schaden zu ersetzen, der dem betreffenden Arbeitnehmer entstanden sei.

29      Unter diesen Umständen hat das Tribunal Superior de Justicia de Madrid (Obergericht Madrid) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist nach Paragraf 2 der Rahmenvereinbarung ein „unbefristet, aber nicht dauerhaft beschäftigter“ Arbeitnehmer („trabajador indefinido no fijo“), wie er in der vorliegenden Entscheidung beschrieben wird, als „befristet beschäftigter Arbeitnehmer“ anzusehen und fällt er somit in den Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarung, insbesondere von Paragraf 5?

2.      Falls die erste Frage bejaht wird: Ist bei der Anwendung von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung davon auszugehen, dass im Fall des Abschlusses eines unbefristeten, aber nicht dauerhaften Vertrags („contrato indefinido no fijo“) zwischen einem Arbeitnehmer und einer Verwaltung aufeinanderfolgend befristete Arbeitsverträge abgeschlossen bzw. verlängert wurden, wenn der Vertrag keine konkrete Laufzeit hat, sondern bei einer zukünftigen Ausschreibung und Besetzung der freien Stelle beendet wird und von 2002 bis zum ersten Halbjahr 2021 keine Ausschreibung erfolgt ist?

3.      Ist Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen, dass er einer Auslegung von Art. 15 Abs. 5 des Estatuto de los Trabajadores (Arbeitnehmerstatut) (mit dem die Richtlinie 1999/70 umgesetzt wird und der zu diesem Zweck festlegt, dass die Gesamtdauer der aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträge während eines Bezugszeitraums von 30 Monaten maximal 24 Monate betragen darf) entgegensteht, wonach die Zeiten, in denen der Arbeitnehmer unbefristet, aber nicht dauerhaft beschäftigt war („trabajador indefinido no fijo“), bei der Berechnung nicht berücksichtigt werden, da für solche Verträge, d. h. für ihre Dauer, die Anzahl oder den Grund ihrer Verlängerungen oder die Aufeinanderfolge mit anderen Verträgen, keine Beschränkung zur Anwendung kommt?

4.      Steht Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung einer nationalen Vorschrift entgegen, die keine Begrenzung (in Bezug auf Anzahl, Dauer oder Gründe) der ausdrücklichen oder stillschweigenden Verlängerungen eines bestimmten befristeten Vertrags, wie z. B. eines unbefristeten, aber nicht dauerhaften Vertrags („contrato indefinido no fijo“) im öffentlichen Sektor, sondern einzig und allein eine Begrenzung für die Gesamtdauer, über die sich ein solcher Vertrag zusammen mit anderen befristeten Verträgen erstreckt, festlegt?

5.      Liegt im Hinblick darauf, dass keine spanische Vorschrift existiert, die eine ausdrückliche oder stillschweigende Verlängerung von Verträgen der unbefristet, aber nicht dauerhaft beschäftigten Arbeitnehmer („trabajadores indefinidos no fijos“) begrenzt, ein Verstoß gegen Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung vor, wenn ein Arbeitnehmer des öffentlichen Sektors wie im vorliegenden Fall einen unbefristeten, aber nicht dauerhaften Vertrag hat, dessen Dauer nie angegeben oder festgelegt und der bis 2021 verlängert wurde, ohne dass ein Auswahlverfahren zur Besetzung der Stelle und zur Beendigung der Befristung stattgefunden hat?

6.      Kann davon ausgegangen werden, dass eine nationale Regelung hinreichend abschreckende Maßnahmen zur Ahndung von gegen Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung verstoßenden Abschlüssen oder Verlängerungen aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge vorsieht, die die vom Gerichtshof in den Urteilen vom 7. März 2018, Santoro (C‑494/16, EU:C:2018:166), und vom 8. Mai 2019, Rossato und Conservatorio di Musica F.A. Bonporti (C‑494/17, EU:C:2019:387), festgelegten Voraussetzungen zum Ersatz des dem Arbeitnehmer entstandenen Schadens durch Wiederherstellung der früheren Lage erfüllen, wenn sie nur eine pauschale und objektive Abfindung (in Höhe von 20 Tagesentgelten pro Beschäftigungsjahr, höchstens jedoch einem Jahresgehalt) festlegt, jedoch keine zusätzliche Entschädigung, um den entstandenen Schaden vollständig zu ersetzen, wenn er diesen Betrag übersteigt?

7.      Kann davon ausgegangen werden, dass eine nationale Regelung hinreichend abschreckende Maßnahmen zur Ahndung von gegen Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung verstoßenden Abschlüssen oder Verlängerungen aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge vorsieht, die die vom Gerichtshof in den Urteilen vom 7. März 2018, Santoro (C‑494/16, EU:C:2018:166), und vom 8. Mai 2019, Rossato und Conservatorio di Musica F.A. Bonporti (C‑494/17, EU:C:2019:387), festgelegten Voraussetzungen zum Ersatz des dem Arbeitnehmer entstandenen Schadens erfüllen, wenn sie nur eine bei Beendigung des Vertrags aufgrund der Besetzung der freien Stelle zu zahlende Entschädigung, jedoch keine während der Laufzeit des Vertrags als Alternative zur Umwandlung in einen unbefristeten Vertrag zu zahlende Entschädigung festlegt? Ist in einem Rechtsstreit, in dem nur die dauerhafte Beschäftigung des Arbeitnehmers strittig ist, der Vertrag aber nicht gekündigt wurde, als Alternative zur dauerhaften Beschäftigung eine Entschädigung für den durch die Befristung des Vertrags entstandenen Schaden zuzuerkennen?

8.      Kann davon ausgegangen werden, dass nationale Vorschriften, die ab dem Jahr 2017 eingeführt wurden (34. Zusatzbestimmung des Gesetzes über den allgemeinen Staatshaushalt für das Jahr 2017, 43. Zusatzbestimmung des Gesetzes über den allgemeinen Staatshaushalt für das Jahr 2018 und das Real Decreto-ley 14/2021) und für den Fall von „Regelverstößen“ Haftungsansprüche festlegen, ohne die Haftung abgesehen von einem allgemeinen Verweis auf nicht spezifizierte Vorschriften näher zu konkretisieren und ohne dass bei Tausenden von Urteilen, in denen Arbeitnehmer wegen Verstoßes gegen die Vorschriften über befristete Arbeitsverträge als unbefristet, aber nicht dauerhaft beschäftigte Arbeitnehmer („trabajadores indefinidos no fijos“) eingestuft wurden, ein konkreter Fall der Durchsetzung der Haftung belegt ist, hinreichend abschreckende Maßnahmen zur Ahndung von gegen Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung verstoßenden Abschlüssen oder Verlängerungen aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge gegenüber der öffentlichen Verwaltung und öffentlichen Einrichtungen vorsehen, die die Verhinderung und Ahndung einer missbräuchlichen Verwendung befristeter Verträge durch den Arbeitgeber auch bei anderen oder zukünftigen Arbeitnehmern bezwecken und die die vom Gerichtshof in den Urteilen vom 7. März 2018, Santoro (C‑494/16, EU:C:2018:166), und vom 8. Mai 2019, Rossato und Conservatorio di Musica F.A. Bonporti (C‑494/17, EU:C:2019:387), festgelegten Voraussetzungen erfüllen?

9.      Können die Vorschriften, sofern sie als hinreichend abschreckend anzusehen sind, obwohl sie erstmals im Jahr 2017 erlassen wurden, angewandt werden, um eine Umwandlung von Verträgen in unbefristete Verträge zu verhindern, wenn die Voraussetzungen für eine solche Umwandlung wegen Verstoßes gegen Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung bereits zuvor vorlagen, oder würde dies im Gegenteil zu einer rückwirkenden Anwendung dieser Vorschriften und dem Entzug eines bereits erworbenen Rechts führen?

10.      Ist, falls die Maßnahmen in den spanischen Rechtsvorschriften nicht als hinreichend abschreckend anzusehen sind, als Folge des Verstoßes gegen Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung durch einen öffentlichen Arbeitgeber der Vertrag in einen unbefristeten, aber nicht dauerhaften Vertrag („contrato indefinido no fijo“) umzuwandeln, oder ist der Arbeitnehmer als in vollem Umfang und ohne Einschränkungen dauerhaft beschäftigt anzusehen?

11.      Ist ein Vertrag in Anwendung der Rahmenvereinbarung und der sie auslegenden Rechtsprechung des Gerichtshofs auch dann nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts in einen dauerhaften Vertrag umzuwandeln, wenn Art. 23 Abs. 2 und Art. 103 Abs. 3 der Verfassung dahin ausgelegt werden, dass der Zugang zu allen öffentlichen Stellen, einschließlich der Stellen von Vertragsbediensteten, erst nach dem erfolgreichen Durchlaufen eines wettbewerbsorientierten Auswahlverfahrens erfolgen darf, bei dem die Grundsätze der Gleichheit, der Leistung, der Befähigung und der Öffentlichkeit zur Anwendung kommen, und die Umwandlung daher als Verstoß gegen Art. 23 Abs. 2 und Art. 103 Abs. 3 der Verfassung anzusehen ist? Ist auf die verfassungsrechtlichen Vorschriften, da eine andere Auslegung als die vom Tribunal Constitucional (Verfassungsgerichtshof, Spanien) vertretene möglich ist, der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung anzuwenden mit der Folge, dass zwingend derjenigen Auslegung zu folgen ist, die diese Vorschriften mit dem Unionsrecht in Einklang bringt, d. h. im vorliegenden Fall der Auslegung, dass Art. 23 Abs. 2 und Art. 103 Abs. 3 der Verfassung nicht zur Anwendung der Grundsätze der Gleichheit, Leistung und Befähigung bei der Einstellung von Vertragsbediensteten verpflichten?

12.      Ist es zulässig, einen Vertrag in Anwendung der Rahmenvereinbarung und der sie auslegenden Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht in einen dauerhaften Vertrag umzuwandeln, wenn vor der gerichtlichen Entscheidung über die Umwandlung eine Rechtsvorschrift erlassen wurde, die zwecks Konsolidierung von befristeten Stellen ein Auswahlverfahren mit öffentlicher Ausschreibung der vom Arbeitnehmer besetzten Stelle vorschreibt, das in den nächsten Jahren durchzuführen ist und für das die „Einhaltung der Grundsätze des freien Wettbewerbs, der Gleichheit, der Leistung, der Befähigung und der Öffentlichkeit“ sicherzustellen ist, so dass der Arbeitnehmer, mit dem aufeinanderfolgende befristete Verträge abgeschlossen bzw. verlängert wurden, eventuell seine Stelle nicht behalten kann, weil sie an eine andere Person vergeben wird, und sein Vertrag in diesem Fall mit einer Entschädigung in Höhe von 20 Tagesentgelten pro Beschäftigungsjahr, höchstens jedoch einem Jahresgehalt beendet wird?

 Rechtssache C159/22

30      IK arbeitet seit dem 21. Dezember 1998 für die Agencia Madrileña de Atención Social de la Comunidad de Madrid (Madrider Agentur für Sozialhilfe der Autonomen Gemeinschaft Madrid), und zwar auf der Grundlage aufeinanderfolgender befristeter Verträge, wobei die Verträge zwischen den Jahren 1999 und 2010 unterbrochen wurden.

31      Am 14. Oktober 2020 reichte IK beim Juzgado de lo Social n° 21 de Madrid (Arbeits- und Sozialgericht Nr. 21 Madrid, Spanien) Klage auf Feststellung ein, dass der mit ihrem Arbeitgeber geschlossene Arbeitsvertrag unbefristet sei, und, hilfsweise, dass es sich dabei um einen unbefristeten, nicht dauerhaften Vertrag handelte. Mit Urteil vom 19. April 2021 wies dieses Gericht diese Klage ab.

32      IK legte gegen dieses Urteil beim vorlegenden Gericht, dem Tribunal Superior de Justicia de Madrid (Obergericht Madrid, Spanien), Rechtsmittel ein. Zur Stützung ihres Rechtsmittels macht sie einen Verstoß sowohl gegen spanisches Recht als auch gegen Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof geltend. Außerdem führt IK aus, dass die einzige Lösung, die den vom Unionsrichter aufgestellten Anforderungen entspreche, darin bestehe, festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis unbefristet und, hilfsweise, ein unbefristetes, nicht dauerhaftes Arbeitsverhältnis sei.

33      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass sich der Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits ausschließlich auf den jüngsten Arbeitsvertrag beziehe, nämlich den von den Parteien des Ausgangsverfahrens am 1. August 2016 geschlossenen Interimsvertrag für eine freie Stelle, der zumindest bis zum Erlass des angefochtenen Urteils, d. h. bis zum 19. April 2021, verlängert worden sei. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass nach spanischem Recht, insbesondere dem Urteil des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) vom 28. Juni 2021, das zur Umsetzung von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung in seiner Auslegung im Urteil vom 3. Juni 2021, Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario (C‑726/19, EU:C:2021:439), ergangen sei, im vorliegenden Fall ein Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Verträge seitens der betreffenden Verwaltung festzustellen sei, der gegen diesen Paragraf 5 verstoße. Die Verwaltung habe es nämlich unterlassen, eine Ausschreibung für die freie Stelle zu veröffentlichen, und somit den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrag stillschweigend, Jahr für Jahr, verlängert. Es sei jedoch noch zu prüfen, ob ein solcher Verstoß zur Folge haben müsse, dass der Arbeitnehmerin des Ausgangsverfahrens der Status einer unbefristet eingestellten Arbeitnehmerin zuerkannt werde.

34      Außerdem ist nach Ansicht des vorlegenden Gerichts aus demselben Grund, der in Rn. 28 des vorliegenden Urteils genannt wurde, die Anwendung der „Lehre vom acte clair“ im vorliegenden Fall nicht geboten.

35      Unter diesen Umständen hat das Tribunal Superior de Justicia de Madrid (Obergericht Madrid) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Kann davon ausgegangen werden, dass eine nationale Regelung hinreichend abschreckende Maßnahmen zur Ahndung von gegen Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung verstoßenden Abschlüssen oder Verlängerungen aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge vorsieht, die die vom Gerichtshof in den Urteilen vom 7. März 2018, Santoro (C‑494/16, EU:C:2018:166), und vom 8. Mai 2019, Rossato und Conservatorio di Musica F.A. Bonporti (C‑494/17, EU:C:2019:387), festgelegten Voraussetzungen zum Ersatz des dem Arbeitnehmer entstandenen Schadens durch Wiederherstellung der früheren Lage erfüllen, wenn sie nur eine pauschale und objektive Abfindung (in Höhe von 20 Tagesentgelten pro Beschäftigungsjahr, höchstens jedoch einem Jahresgehalt) festlegt, jedoch keine zusätzliche Entschädigung, um den entstandenen Schaden vollständig zu ersetzen, wenn er diesen Betrag übersteigt?

2.      Kann davon ausgegangen werden, dass eine nationale Regelung hinreichend abschreckende Maßnahmen zur Ahndung von gegen Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung verstoßenden Abschlüssen oder Verlängerungen aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge vorsieht, die die vom Gerichtshof in den Urteilen vom 7. März 2018, Santoro (C‑494/16, EU:C:2018:166), und vom 8. Mai 2019, Rossato und Conservatorio di Musica F.A. Bonporti (C‑494/17, EU:C:2019:387), festgelegten Voraussetzungen zum Ersatz des dem Arbeitnehmer entstandenen Schadens erfüllen, wenn sie nur eine bei Beendigung des Vertrags aufgrund der Besetzung der freien Stelle zu zahlende Entschädigung, jedoch keine während der Laufzeit des Vertrags als Alternative zur Umwandlung in einen unbefristeten Vertrag zu zahlende Entschädigung festlegt? Ist in einem Rechtsstreit, in dem nur die dauerhafte Beschäftigung des Arbeitnehmers strittig ist, der Vertrag aber nicht gekündigt wurde, als Alternative zur dauerhaften Beschäftigung eine Entschädigung für den durch die Befristung des Vertrags entstandenen Schaden zuzuerkennen?

3.      Kann davon ausgegangen werden, dass nationale Vorschriften, die ab dem Jahr 2017 eingeführt wurden (34. Zusatzbestimmung des Gesetzes über den allgemeinen Staatshaushalt für das Jahr 2017, 43. Zusatzbestimmung des Gesetzes 6/2018 über den allgemeinen Staatshaushalt für das Jahr 2018 und das Real Decreto-ley 14/2021) und für den Fall von „Regelverstößen“ Haftungsansprüche festlegen, ohne die Haftung abgesehen von einem allgemeinen Verweis auf nicht spezifizierte Vorschriften näher zu konkretisieren und ohne dass bei Tausenden von Urteilen, in denen Arbeitnehmer wegen Verstoßes gegen die Vorschriften über befristete Arbeitsverträge als unbefristet, aber nicht dauerhaft beschäftigte Arbeitnehmer („trabajadores indefinidos no fijos“) eingestuft wurden, ein konkreter Fall der Durchsetzung der Haftung belegt ist, hinreichend abschreckende Maßnahmen zur Ahndung von gegen Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung verstoßenden Abschlüssen oder Verlängerungen aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge gegenüber der öffentlichen Verwaltung und öffentlichen Einrichtungen vorsehen, die die Verhinderung und Ahndung einer missbräuchlichen Verwendung befristeter Verträge durch den Arbeitgeber auch bei anderen oder zukünftigen Arbeitnehmern bezwecken und die die vom Gerichtshof in den Urteilen vom 7. März 2018, Santoro (C‑494/16, EU:C:2018:166), und vom 8. Mai 2019, Rossato und Conservatorio di Musica F.A. Bonporti (C‑494/17, EU:C:2019:387), festgelegten Voraussetzungen erfüllen?

4.      Ist, falls die Maßnahmen in den spanischen Rechtsvorschriften nicht als hinreichend abschreckend anzusehen sind, als Folge des Verstoßes gegen Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung durch einen öffentlichen Arbeitgeber der Vertrag in einen unbefristeten, aber nicht dauerhaften Vertrag („contrato indefinido no fijo“) umzuwandeln, oder ist der Arbeitnehmer als in vollem Umfang und ohne Einschränkungen dauerhaft beschäftigt anzusehen?

5.      Ist ein Vertrag in Anwendung der Rahmenvereinbarung und der sie auslegenden Rechtsprechung des Gerichtshofs auch dann nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts in einen dauerhaften Vertrag umzuwandeln, wenn Art. 23 Abs. 2 und Art. 103 Abs. 3 der Verfassung dahin ausgelegt werden, dass der Zugang zu allen öffentlichen Stellen, einschließlich der Stellen von Vertragsbediensteten, erst nach dem erfolgreichen Durchlaufen eines wettbewerbsorientierten Auswahlverfahrens erfolgen darf, bei dem die Grundsätze der Gleichheit, der Leistung, der Befähigung und der Öffentlichkeit zur Anwendung kommen, und die Umwandlung daher als Verstoß gegen Art. 23 Abs. 2 und Art. 103 Abs. 3 der Verfassung anzusehen ist? Ist auf die verfassungsrechtlichen Vorschriften, da eine andere Auslegung als die vom Tribunal Constitucional (Verfassungsgerichtshof) vertretene möglich ist, der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung anzuwenden mit der Folge, dass zwingend derjenigen Auslegung zu folgen ist, die diese Vorschriften mit dem Unionsrecht in Einklang bringt, d. h. im vorliegenden Fall der Auslegung, dass Art. 23 Abs. 2 und Art. 103 Abs. 3 der Verfassung nicht zur Anwendung der Grundsätze der Gleichheit, Leistung und Befähigung bei der Einstellung von Vertragsbediensteten verpflichten?

6.      Ist es zulässig, einen Vertrag in Anwendung der Rahmenvereinbarung und der sie auslegenden Rechtsprechung des Gerichtshofs deshalb nicht in einen dauerhaften Vertrag umzuwandeln, wenn vor der gerichtlichen Entscheidung über die Umwandlung eine Rechtsvorschrift erlassen wurde, die zwecks Konsolidierung oder Stabilisierung von befristeten Stellen ein Auswahlverfahren mit öffentlicher Ausschreibung der vom Arbeitnehmer besetzten Stelle vorschreibt, das in den nächsten Jahren durchzuführen ist und für das die „Einhaltung der Grundsätze des freien Wettbewerbs, der Gleichheit, der Leistung, der Befähigung und der Öffentlichkeit“ sicherzustellen ist, so dass der Arbeitnehmer, mit dem aufeinanderfolgende befristete Verträge abgeschlossen bzw. verlängert wurden, eventuell seine Stelle nicht behalten kann, weil sie an eine andere Person vergeben wird, und sein Vertrag in diesem Fall mit einer Entschädigung in Höhe von 20 Tagesentgelten pro Beschäftigungsjahr, höchstens jedoch einem Jahresgehalt, beendet wird?

 Verfahren vor dem Gerichtshof

36      Mit Entscheidung vom 27. April 2022 sind die Rechtssachen C‑59/22, C‑110/22 und C‑159/22 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

 Zuständigkeit des Gerichtshofs und Zulässigkeit der Vorabentscheidungsersuchen

37      Die Beklagten der Ausgangsverfahren in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑159/22 sowie die spanische Regierung sind der Ansicht, dass der Gerichtshof für die Beantwortung der Vorabentscheidungsersuchen nicht zuständig sei und dass Letztere jedenfalls für unzulässig zu erklären seien.

38      Als erstes ist der Gerichtshof nach Ansicht dieser Beklagten und der spanischen Regierung nicht für die Entscheidung über die Vorabentscheidungsersuchen zuständig, da diese eine Auslegung des nationalen Rechts erforderten.

39      Außerdem liefen diese Ersuchen darauf hinaus, vom Gerichtshof zu verlangen, dass er ein allgemeines Gutachten zu dem Konzept des „unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigten Arbeitnehmers“ abgebe, das dem spanischen Recht eigen sei, und zwar unter Zugrundelegung von Gesichtspunkten, zu denen er sich bereits mehrfach geäußert habe.

40      Genauer gesagt zielten diese Ersuchen darauf ab, zwei gefestigte Rechtsprechungslinien des Gerichtshofs in Frage zu stellen, nämlich erstens jene, wonach die Umwandlung eines Arbeitsvertrags in einen „unbefristeten, nicht dauerhaften Arbeitsvertrag“ eine angemessene Ahndung des Missbrauchs durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge darstelle, und zweitens jene, wonach die Mitgliedstaaten nach der Rahmenvereinbarung nicht verpflichtet seien, ein befristetes Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umzuwandeln, wenn es innerstaatliche Vorschriften gebe, die es ermöglichten, den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu ahnden und davon abzuhalten.

41      Als Zweites machen die Beklagten in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑159/22 geltend, dass das vorlegende Gericht den Gegenstand der Rechtsstreitigkeiten in den Ausgangsverfahren dadurch erweitere, dass es im Rahmen der Vorabentscheidungsersuchen auch Fragen zur Gewährung einer Entschädigung zugunsten der betreffenden Arbeitnehmerin stelle. Im Rahmen dieser Rechtsstreitigkeiten hätten die Klägerinnen der Ausgangsverfahren aber nur die Anerkennung ihres Arbeitsverhältnisses als unbefristet beantragt. Diese Ersuchen seien daher für unzulässig zu erklären, soweit sie die Fragen der Gewährung einer solchen Entschädigung beträfen, da sie ein Problem hypothetischer Natur aufwürfen.

42      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das in Art. 267 AEUV errichtete System der Zusammenarbeit auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht. Im Rahmen eines gemäß diesem Artikel eingeleiteten Verfahrens ist die Auslegung der nationalen Vorschriften Sache der Gerichte der Mitgliedstaaten und nicht des Gerichtshofs, und es kommt diesem nicht zu, sich zur Vereinbarkeit von Vorschriften des innerstaatlichen Rechts mit den Bestimmungen des Unionsrechts zu äußern. Der Gerichtshof ist jedoch befugt, dem nationalen Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die es diesem ermöglichen, über die Frage der Vereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht zu entscheiden (Urteil vom 25. Oktober 2018, Sciotto, C‑331/17, EU:C:2018:859, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Wichtig ist ebenfalls, daran zu erinnern, dass im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein das mit dem Rechtsstreit befasste nationale Gericht, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen hat. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 3. Juni 2021, Ministero dell’Istruzione, dell’Università e della Ricerca – MIUR u. a. [Hochschulforscher], C‑326/19, EU:C:2021:438, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Folglich spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht. Der Gerichtshof darf die Entscheidung über ein Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann verweigern, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. Urteil vom 3. Juni 2021, Ministero dell’Istruzione, dell’Università e della Ricerca – MIUR u. a. [Hochschulforscher], C‑326/19, EU:C:2021:438, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass aus den Angaben des vorlegenden Gerichts klar hervorgeht, dass die Kläger der Ausgangsverfahren in den verbundenen Rechtssachen C‑59/22, C‑110/22 und C‑159/22 mehrere aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge geschlossen haben und dass in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑110/22 das Arbeitsverhältnis bereits durch ein Urteil vom 27. Dezember 2007 bzw. durch ein Urteil vom 29. September 2001 in ein „unbefristetes, nicht dauerhaftes Arbeitsverhältnis“ umgedeutet worden war. Allerdings bestehen nach Ansicht des vorlegenden Gerichts Zweifel insbesondere daran, ob ein solches Verhältnis nach den Paragrafen 2 und 3 der Rahmenvereinbarung in den Anwendungsbereich dieser Rahmenvereinbarung fällt.

46      Außerdem geht aus den Vorabentscheidungsersuchen eindeutig hervor, dass das vorlegende Gericht der Auffassung ist, dass die Umdeutung eines missbräuchlichen Arbeitsverhältnisses in ein „unbefristetes, nicht dauerhaftes Arbeitsverhältnis“ keine Maßnahme darstelle, mit der dieses missbräuchliche Arbeitsverhältnis angemessen geahndet werde, so dass es im Rahmen der Ausgangsrechtsstreitigkeiten die nationalen Maßnahmen zu bestimmen haben wird, die es im Einklang mit den Anforderungen der Richtlinie 1999/70 ermöglichen, Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverhältnisse zu ahnden.

47      Unter diesen Umständen ist nicht offensichtlich, dass die vom vorlegenden Gericht erbetene Auslegung des Unionsrechts, d. h. die Auslegung der Paragrafen 2, 3 und 5 der Rahmenvereinbarung, in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand der Ausgangsrechtsstreitigkeiten stünde oder dass die Fragen nach der Gewährung einer Entschädigung, die im spanischen Recht als Maßnahme vorgesehen ist, mit der die missbräuchliche Verwendung der betreffenden befristeten Arbeitsverhältnisse gemäß den Anforderungen der Richtlinie 1999/70 geahndet wird, ein Problem hypothetischer Natur aufwürfen.

48      Im Übrigen gehört die angebliche Infragestellung der beiden gefestigten Rechtsprechungslinien des Gerichtshofs durch die Vorabentscheidungsersuchen zur inhaltlichen Prüfung dieser Ersuchen und wirkt sich daher weder auf die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Beantwortung dieser Ersuchen noch auf deren Zulässigkeit aus.

49      Allerdings möchte das vorlegende Gericht mit der 13. Frage in der Rechtssache C‑59/22 im Wesentlichen wissen, ob die Gewährung einer zusätzlichen Entschädigung zu derjenigen, die Gegenstand der jeweiligen Fragen 6 und 7 in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑110/22 sowie der Fragen 1 und 2 in der Rechtssache C‑159/22 sei und die von den nationalen Gerichten festgesetzt werde, eine angemessene Maßnahme im Sinne von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung darstellen könnte, um Missbrauch durch wiederholt verlängerte befristete, nicht dauerhafte Arbeitsverträge zu ahnden.

50      Da die Vorlageentscheidung im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens als Grundlage des Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Gerichtshof dient, ist es unerlässlich, dass das nationale Gericht darin den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen des Ausgangsverfahrens darlegt und ein Mindestmaß an Erläuterungen zu den Gründen für die Wahl der Vorschriften des Unionsrechts, um deren Auslegung es ersucht, und zu dem Zusammenhang gibt, den es zwischen diesen Vorschriften und der auf den bei ihm anhängigen Rechtsstreit anzuwendenden nationalen Regelung herstellt (Urteil vom 5. Mai 2022, Universiteit Antwerpen u. a., C‑265/20, EU:C:2022:361, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51      Diese kumulativen Anforderungen an den Inhalt eines Vorabentscheidungsersuchens werden ausdrücklich in Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs aufgeführt, von dem das vorlegende Gericht im Rahmen der in Art. 267 AEUV vorgesehenen Zusammenarbeit Kenntnis haben soll und den es sorgfältig zu beachten hat. Diese Anforderungen finden sich u. a. in den Empfehlungen des Gerichtshofs der Europäischen Union an die nationalen Gerichte bezüglich der Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen (ABl. 2019, C 380, S. 1) (Urteil vom 5. Mai 2022, Universiteit Antwerpen u. a., C‑265/20, EU:C:2022:361, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52      Außerdem ist hervorzuheben, dass die Angaben in den Vorlageentscheidungen nicht nur dem Gerichtshof sachdienliche Antworten ermöglichen, sondern auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit geben sollen, gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union Erklärungen abzugeben. Der Gerichtshof hat darüber zu wachen, dass diese Möglichkeit gewahrt wird, wobei zu berücksichtigen ist, dass den Beteiligten aufgrund der genannten Vorschrift nur die Vorlageentscheidungen – zusammen mit einer Übersetzung in die Amtssprache des jeweiligen Mitgliedstaats – zugestellt werden, nicht aber etwaige dem Gerichtshof vom vorlegenden Gericht übermittelte nationale Verfahrensakten (Urteil vom 5. Mai 2022, Universiteit Antwerpen u. a., C‑265/20, EU:C:2022:361, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53      Es ist jedoch festzustellen, dass das Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C‑59/22 keine Erläuterung zu der Entschädigung enthält, auf die sich die 13. Frage bezieht, und insbesondere nicht den Inhalt der einschlägigen Bestimmungen oder Rechtsprechung zu dieser Entschädigung im spanischen Recht angibt.

54      Daher ist die 13. Frage in der Rechtssache C‑59/22 für unzulässig zu erklären.

55      Was die 14. Frage in der Rechtssache C‑59/22 betrifft, mit der das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen möchte, ob der Umstand, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens in dieser Rechtssache als unbefristet beschäftigte Arbeitnehmerin in „zyklisch-vertikaler“ Teilzeit eingestellt wurde, für die Beantwortung der Vorlagefragen von Bedeutung ist, gibt das vorlegende Gericht, obwohl sich aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte ergibt, dass nach spanischem Recht die Verträge, die sich auf den Status des „unbefristet in zyklisch-vertikaler Teilzeit beschäftigten Vertragspersonals“ beziehen, zur Kategorie der unbefristeten, nicht dauerhaften Verträge gehören, den Inhalt der einschlägigen Bestimmungen oder Rechtsprechung zu diesem Status im spanischen Recht nicht an. Außerdem erläutert das vorlegende Gericht nicht, warum es der Ansicht ist, dass sich dieser Status auf die Auslegung der Paragrafen 2, 3 und 5 der Rahmenvereinbarung auswirken könnte.

56      Daher ist in Anbetracht der in den Rn. 50 bis 52 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung die 14. Frage in der Rechtssache C‑59/22 für unzulässig zu erklären.

57      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zum einen, dass der Gerichtshof für die Entscheidung über die Vorabentscheidungsersuchen zuständig ist, und zum anderen, dass die Vorabentscheidungsersuchen mit Ausnahme der Fragen 13 und 14 in der Rechtssache C‑59/22 zulässig sind.

 Zu den Vorlagefragen

 Zu der jeweils ersten Frage in den Rechtssachen C59/22 und C110/22

58      Mit der jeweils ersten Frage in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑110/22 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Paragrafen 2 und 3 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen sind, dass ein unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigter Arbeitnehmer als befristet beschäftigter Arbeitnehmer im Sinne dieser Rahmenvereinbarung und damit als in deren Anwendungsbereich fallend anzusehen ist.

59      Insoweit geht erstens nach gefestigter Rechtsprechung aus dem Wortlaut des Paragrafs 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung hervor, dass deren Anwendungsbereich weit gefasst ist, da sie allgemein „befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag oder ‑verhältnis gemäß der gesetzlich, tarifvertraglich oder nach den Gepflogenheiten in jedem Mitgliedstaat geltenden Definition“ erfasst. Zudem fallen nach der Definition des Begriffs „befristet beschäftigter Arbeitnehmer“ gemäß Paragraf 3 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung darunter alle Arbeitnehmer, ohne Unterscheidung danach, ob sie an einen öffentlichen oder an einen privaten Arbeitgeber gebunden sind, und unabhängig davon, wie ihr Vertrag nach dem innerstaatlichen Recht zu qualifizieren ist (Urteil vom 3. Juni 2021, Servicio Aragonés de Salud, C‑942/19, EU:C:2021:440, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60      Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass Paragraf 3 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung, wie aus seiner Überschrift und seinem Wortlaut eindeutig hervorgeht, lediglich den Ausdruck „befristet beschäftigter Arbeitnehmer“ definiert und in diesem Rahmen das charakteristische Element eines befristeten Vertrags benennt, nämlich den Umstand, dass das Ende eines solchen Vertrags „durch objektive Bedingungen wie das Erreichen eines bestimmten Datums, die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe oder das Eintreten eines bestimmten Ereignisses“ bestimmt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Juli 2014, Fiamingo u. a., C‑362/13, C‑363/13 und C‑407/13, EU:C:2014:2044, Rn. 46).

61      Die Rahmenvereinbarung ist mithin auf alle Arbeitnehmer anwendbar, die entgeltliche Arbeitsleistungen im Rahmen eines mit ihrem Arbeitgeber bestehenden befristeten Beschäftigungsverhältnisses erbringen, vorausgesetzt, zwischen ihnen besteht ein Arbeitsvertrag oder ‑verhältnis nach nationalem Recht, und vorbehaltlich allein des den Mitgliedstaaten in Paragraf 2 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung eingeräumten Ermessens hinsichtlich deren Anwendung auf bestimmte Kategorien von Arbeitsverträgen oder ‑verhältnissen sowie des Ausschlusses von Leiharbeitnehmern nach dem vierten Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung (Urteil vom 3. Juni 2021, Servicio Aragonés de Salud, C‑942/19, EU:C:2021:440, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Im vorliegenden Fall geht aus den Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass der Ausdruck „unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigter Arbeitnehmer“ (sogenannter „trabajador indefinido no fijo“) im öffentlichen Sektor eine Rechtsprechungsfigur darstellt und vom Begriff des „Dauerbeschäftigten“ (sogenannter „trabajador fijo“) zu unterscheiden ist.

63      Insoweit führt das vorlegende Gericht aus, während die Beendigung des Vertrags eines Dauerbeschäftigten den im Arbeitnehmerstatut festgelegten Beendigungsgründen und den darin aufgestellten allgemeinen Bedingungen unterliege, unterliege die Beendigung des Vertrags eines unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigten Arbeitnehmers nach der Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) hingegen einem spezifischen Beendigungsgrund. Daher sei die betreffende Verwaltung im Fall der Umdeutung des betreffenden Arbeitsverhältnisses in einen unbefristeten, nicht dauerhaften Vertrag verpflichtet, das Verfahren zur Besetzung der Stelle, auf der der Arbeitnehmer unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigt werde, unter Anwendung der Verfassungsgrundsätze der Öffentlichkeit, der Gleichheit, der Leistung und der Befähigung einzuhalten. Sobald diese Stelle besetzt sei, werde der Vertrag des unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigten Arbeitnehmers gekündigt, es sei denn, dieser Arbeitnehmer habe selbst an diesem Verfahren teilgenommen und ihm sei diese Stelle zugewiesen worden.

64      Wie das vorlegende Gericht erläutert, ist nach Ansicht des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) ein unbefristeter, nicht dauerhafter Vertrag, dessen Dauer begrenzt sei durch das Eintreten eines bestimmten Ereignisses, nämlich der endgültigen Zuweisung der Stelle, auf der der betreffende Arbeitnehmer beschäftigt werde, an die Person, die das von der Verwaltung zur Besetzung dieser Stelle zu organisierende Auswahlverfahren erfolgreich absolviert habe, für die Zwecke der Anwendung der Richtlinie 1999/70 als befristeter Vertrag anzusehen.

65      Daher sind Arbeitnehmer wie die Kläger der Ausgangsverfahren in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑110/22 in Anbetracht der Natur des unbefristeten, nicht dauerhaften Vertrags, wie er dem vorlegenden Gericht zufolge im spanischen Recht definiert ist, als „befristet beschäftigte Arbeitnehmer“ im Sinne von Paragraf 3 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung anzusehen und fallen damit in deren Anwendungsbereich.

66      Nach alledem ist auf die jeweils erste Frage in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑110/22 zu antworten, dass die Paragrafen 2 und 3 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen sind, dass ein unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigter Arbeitnehmer als befristet beschäftigter Arbeitnehmer im Sinne dieser Rahmenvereinbarung und damit als in deren Anwendungsbereich fallend anzusehen ist.

 Zu der jeweils zweiten Frage in den Rechtssachen C59/22 und C110/22

67      Mit der jeweils zweiten Frage in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑110/22 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der Ausdruck „aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse“ in Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einen Fall erfasst, in dem ein Arbeitnehmer an die betreffende Verwaltung durch einen einzigen unbefristeten, nicht dauerhaften Vertrag gebunden ist, wenn dieser Vertrag keine feste Laufzeit hat, aber im Fall der Zuweisung der betreffenden Stelle infolge einer Ausschreibung aufgelöst wird und diese Ausschreibung nicht innerhalb der von dieser Verwaltung gesetzten Frist erfolgt ist.

68      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung zur Umsetzung eines ihrer Ziele dient, das darin besteht, den wiederholten Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse, in dem eine potenzielle Quelle des Missbrauchs zulasten der Arbeitnehmer gesehen wird, einzugrenzen, indem eine Reihe von Mindestschutzbestimmungen vorgesehen wird, die die Prekarisierung der Lage der Beschäftigten verhindern sollen (Urteil vom 3. Juni 2021, Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario, C‑726/19, EU:C:2021:439, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69      Daher verpflichtet Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Vermeidung des Missbrauchs aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse dazu, effektiv und mit verbindlicher Wirkung mindestens eine der dort aufgeführten Maßnahmen zu ergreifen, sofern ihr innerstaatliches Recht keine gleichwertigen gesetzlichen Maßnahmen enthält (Urteil vom 3. Juni 2021, Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario, C‑726/19, EU:C:2021:439, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

70      Daher ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung sowie aus der ständigen Rechtsprechung, dass diese Bestimmung nur bei aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen oder ‑verhältnissen zur Anwendung kommt, so dass der allererste und einzige befristete Arbeitsvertrag nicht in ihren Anwendungsbereich fällt (Urteil vom 3. Juni 2021, Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario, C‑726/19, EU:C:2021:439, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71      Zudem bleibt es nach gefestigter Rechtsprechung nach Paragraf 5 Nr. 2 Buchst. a der Rahmenvereinbarung grundsätzlich den Mitgliedstaaten und/oder den Sozialpartnern überlassen, festzulegen, unter welchen Bedingungen befristete Arbeitsverträge oder Beschäftigungsverhältnisse als „aufeinanderfolgend“ zu betrachten sind (Urteil vom 3. Juni 2021, Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario, C‑726/19, EU:C:2021:439, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Zwar lässt sich dieser Verweis auf die nationalen Stellen für die Zwecke der Definition der konkreten Anwendungsmodalitäten des Begriffs „aufeinanderfolgend“ im Sinne der Rahmenvereinbarung durch das Bestreben erklären, die unterschiedlichen nationalen Regelungen in diesem Bereich zu erhalten, doch ist der den Mitgliedstaaten damit belassene Spielraum nicht unbegrenzt, da er auf keinen Fall so weit reichen kann, dass das Ziel oder die praktische Wirksamkeit der Rahmenvereinbarung in Frage gestellt wird. Insbesondere dürfen die nationalen Stellen diesen Spielraum nicht so nutzen, dass eine Situation entsteht, die zu Missbräuchen Anlass geben und damit diesem Ziel zuwiderlaufen kann (Urteil vom 3. Juni 2021, Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario, C‑726/19, EU:C:2021:439, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73      Die Mitgliedstaaten müssen nämlich das unionsrechtlich vorgegebene Ergebnis erreichen, wie es sich nicht nur aus Art. 288 Abs. 3 AEUV, sondern auch aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 1999/70 im Lichte ihres 17. Erwägungsgrundes ergibt (Urteil vom 3. Juni 2021, Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario, C‑726/19, EU:C:2021:439, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

74      Die in Rn. 72 des vorliegenden Urteils genannten Grenzen des den Mitgliedstaaten belassenen Spielraums sind insbesondere dann angebracht, wenn es sich um einen Schlüsselbegriff wie den des Aufeinanderfolgens von Arbeitsverhältnissen handelt, der schon für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der nationalen Vorschriften zur Durchführung der Rahmenvereinbarung entscheidend ist (Urteil vom 3. Juni 2021, Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario, C‑726/19, EU:C:2021:439, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75      Im vorliegenden Fall geht aus den Vorabentscheidungsersuchen in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑110/22 hervor, dass erstens die Erklärung eines Arbeitnehmers zum „unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigten Arbeitnehmer“, auch wenn sie als Sanktion gegen den betreffenden Arbeitgeber wegen Missbrauchs durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge angesehen werden könne, bewirke, dass eine solche Eigenschaft an die Stelle der möglicherweise zuvor von diesem Arbeitnehmer geschlossenen befristeten Verträge trete, so dass das betreffende Arbeitsverhältnis mit dieser Erklärung von Anfang an zu einem unbefristeten, nicht dauerhaften Arbeitsverhältnis werde. Somit würden die zuvor geschlossenen befristeten Verträge ihre Gültigkeit verlieren, und dieser Arbeitnehmer wäre von vornherein an einen einzigen unbefristeten, nicht dauerhaften Vertrag gebunden.

76      Zweitens stellt das vorlegende Gericht im Rahmen dieser Rechtssachen klar, dass der unbefristete, nicht dauerhafte Vertrag keine feste Laufzeit beinhalte, sondern dessen Ende von der Besetzung der fraglichen Stelle abhänge, und dass die betreffende Verwaltung verpflichtet sei, das öffentliche Verfahren zur Besetzung dieser Stelle einzuleiten.

77      Drittens weist das vorlegende Gericht im Rahmen der Rechtssache C‑59/22 darauf hin, dass seit Beginn des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden unbefristeten, nicht dauerhaften Arbeitsverhältnisses, d. h. seit 27 Jahren, keine Auswahlprüfung durchgeführt worden sei. Ebenso geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C‑110/22 hervor, dass die Ausschreibung verschoben worden und zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage im Ausgangsverfahren in dieser Rechtssache noch immer nicht erfolgt gewesen sei, so dass der Kläger des Ausgangsverfahrens auf der Grundlage eines unbefristeten, nicht dauerhaften Vertrags seit 20 Jahren an die betreffende Verwaltung gebunden ist.

78      Wenn man aber zu dem Ergebnis käme, dass nur deswegen keine aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverhältnisse im Sinne von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung vorlägen, weil ein Arbeitnehmer an den ersten und einzigen unbefristeten, nicht dauerhaften Arbeitsvertrag gebunden sei, obwohl, wie den Vorabentscheidungsersuchen zu entnehmen ist, zum einen letzterer Vertrag, der auch befristeter Natur ist, als Sanktion an die Stelle der aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträge tritt und zum anderen dieser unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigte Arbeitnehmer dauerhaft auf der fraglichen Stelle blieb, weil der betreffende Arbeitgeber seiner gesetzlichen Verpflichtung, fristgerecht ein Auswahlverfahren zur endgültigen Besetzung dieser Stelle durchzuführen, nicht nachkam, so dass sein Arbeitsverhältnis daher mehrere Jahre lang implizit verlängert wurde, bestünde die Gefahr, das Ziel, den Zweck und die praktische Wirksamkeit der Rahmenvereinbarung zu beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Juni 2021, Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario, C‑726/19, EU:C:2021:439, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79      Bei einer derart restriktiven Definition des Begriffs „aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse“ könnten Arbeitnehmer nämlich über Jahre hinweg in unsicheren Verhältnissen beschäftigt werden (Urteil vom 3. Juni 2021, Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario, C‑726/19, EU:C:2021:439, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

80      Darüber hinaus bestünde die Gefahr, dass diese restriktive Auslegung nicht nur dazu führt, dass de facto eine große Zahl befristeter Arbeitsverhältnisse von dem mit der Richtlinie 1999/70 und der Rahmenvereinbarung angestrebten Arbeitnehmerschutz ausgeschlossen würde, so dass das mit ihnen verfolgte Ziel weitgehend ausgehöhlt würde, sondern auch dazu, dass es den Arbeitgebern ermöglicht würde, solche Arbeitsverhältnisse in missbräuchlicher Weise zur Deckung eines ständigen und dauerhaften Arbeitskräftebedarfs zu nutzen (Urteil vom 3. Juni 2021, Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario, C‑726/19, EU:C:2021:439, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

81      Da im vorliegenden Fall die betreffende Verwaltung nicht fristgerecht ein Auswahlverfahren zur endgültigen Besetzung der Stelle durchgeführt hat, auf der ein Arbeitnehmer unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigt war, können automatische Verlängerungen dieses befristeten Vertrags mit (ausdrücklichen) Verlängerungen und folglich mit dem Abschluss einzelner befristeter Verträge gleichgesetzt werden. Daher sind die Sachverhalte, um die es in den Ausgangsverfahren in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑110/22 geht, nicht durch den Abschluss eines einzigen Vertrags gekennzeichnet, sondern durch den Abschluss von Verträgen, die tatsächlich als „aufeinanderfolgend“ im Sinne von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung eingestuft werden können, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts sein wird.

82      Nach alledem ist auf die jeweils zweite Frage in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑110/22 zu antworten, dass Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass der Ausdruck „aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse“ in dieser Bestimmung einen Fall erfasst, in dem wegen des Versäumnisses der betreffenden Verwaltung, fristgerecht ein Auswahlverfahren zur endgültigen Besetzung einer Stelle durchzuführen, auf der ein Arbeitnehmer unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigt wird, der befristete Vertrag zwischen diesem Arbeitnehmer und dieser Verwaltung automatisch verlängert wurde.

 Zu den jeweiligen Fragen 3 bis 5 in den Rechtssachen C59/22 und C110/22

83      Zu den jeweiligen Fragen 3 bis 5 in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑110/22 stellt das vorlegende Gericht klar, dass es, da es sich bei dem Begriff „unbefristeter, nicht dauerhafter Vertrag“ um eine Rechtsprechungsfigur handele, für diesen Vertragstyp keine spanischen Vorschriften gebe. Folglich habe der spanische Gesetzgeber keine der in Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a bis c der Rahmenvereinbarung vorgesehenen Maßnahmen ergriffen, um Missbrauch durch wiederholt verlängerte unbefristete, nicht dauerhafte Verträge zu vermeiden.

84      Es sei jedoch nicht ausgeschlossen, dass Art. 15 Abs. 5 des Arbeitnehmerstatuts, der das Aufeinanderfolgen befristeter Verträge beschränke, in Anwendung des Grundsatzes der unionsrechtskonformen Auslegung auch für unbefristete, nicht dauerhafte Verträge gelte.

85      Das vorlegende Gericht weist jedoch darauf hin, dass selbst in diesem Fall Zweifel an der Vereinbarkeit der spanischen Vorschriften mit Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung bestünden, da dieser Art. 15 Abs. 5 keine Begrenzung der Dauer oder der ausdrücklichen oder stillschweigenden Verlängerung unbefristeter, nicht dauerhafter Verträge vorsehe, sondern bloß eine zeitliche Beschränkung der Aneinanderreihung eines einzigen unbefristeten, nicht dauerhaften Vertrags an andere befristete Verträge festlege.

86      In diesem Zusammenhang möchte das vorlegende Gericht mit den jeweiligen Fragen 3 bis 5 in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑110/22 im Wesentlichen wissen, ob Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die weder eine der in Nr. 1 Buchst. a bis c dieses Paragrafen genannten Maßnahmen noch eine „gleichwertige gesetzliche Maßnahme“ im Sinne dieses Paragrafen vorsieht, um den Missbrauch durch unbefristete, nicht dauerhafte Verträge zu verhindern.

87      Wie bereits in den Rn. 68 und 69 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, verpflichtet Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung, der zur Umsetzung eines ihrer Ziele dient, das darin besteht, den wiederholten Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse einzugrenzen, in Nr. 1 die Mitgliedstaaten dazu, effektiv und mit verbindlicher Wirkung mindestens eine der dort aufgeführten Maßnahmen zu ergreifen, sofern ihr innerstaatliches Recht keine gleichwertigen gesetzlichen Maßnahmen enthält. Die hierfür in diesem Paragraf Nr. 1 Buchst. a bis c aufgeführten drei Maßnahmen betreffen sachliche Gründe, die die Verlängerung solcher Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse rechtfertigen, die maximal zulässige Gesamtdauer aufeinanderfolgender Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse und die zulässige Zahl ihrer Verlängerungen (Urteil vom 3. Juni 2021, Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario, C‑726/19, EU:C:2021:439, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

88      Die Mitgliedstaaten verfügen insoweit über ein Ermessen, da sie die Wahl haben, auf eine oder mehrere der in Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a bis c der Rahmenvereinbarung genannten Maßnahmen oder auf bestehende gleichwertige gesetzliche Maßnahmen zurückzugreifen, und zwar unter Berücksichtigung der Anforderungen bestimmter Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien (Urteil vom 3. Juni 2021, Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario, C‑726/19, EU:C:2021:439, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

89      Damit gibt Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung den Mitgliedstaaten ein allgemeines Ziel – Verhinderung solcher Missbräuche – vor, lässt ihnen jedoch zugleich die Wahl der Mittel zu seiner Erreichung, solange sie nicht das Ziel oder die praktische Wirksamkeit der Rahmenvereinbarung in Frage stellen (Urteil vom 3. Juni 2021, Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario, C‑726/19, EU:C:2021:439, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

90      Zudem ist darauf hinzuweisen, dass es nicht Sache des Gerichtshofs ist, sich zur Auslegung der Bestimmungen des nationalen Rechts zu äußern; diese Aufgabe kommt allein den zuständigen nationalen Gerichten zu, die festzustellen haben, ob die von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung aufgestellten Anforderungen durch die Bestimmungen der anwendbaren nationalen Regelung gewahrt werden (vgl. Urteil vom 3. Juni 2021, Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario, C‑726/19, EU:C:2021:439, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

91      Somit obliegt es dem vorlegenden Gericht zu beurteilen, inwieweit die einschlägigen Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts unter Berücksichtigung ihrer Anwendungsvoraussetzungen und ihrer tatsächlichen Anwendung eine angemessene Maßnahme darstellen, um den missbräuchlichen Einsatz aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse zu verhindern (Urteil vom 3. Juni 2021, Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario, C‑726/19, EU:C:2021:439, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

92      Der Gerichtshof kann jedoch, wenn er im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens entscheidet, gegebenenfalls Klarstellungen vornehmen, um den nationalen Gerichten eine Richtschnur für ihre Auslegung zu geben (Urteil vom 3. Juni 2021, Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario, C‑726/19, EU:C:2021:439, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

93      Aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte geht hervor, dass sowohl die Beklagte des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑59/22 als auch die spanische Regierung geltend machen, dass, wie das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) angenommen habe, der Ausdruck „unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigter Arbeitnehmer“ den Merkmalen der drei in Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung genannten Maßnahmen entspreche. So entspreche erstens die Anwendung des entsprechenden Vertragstyps einem sachlichen Grund, nämlich den Zugang zur Beschäftigung im öffentlichen Sektor unter den Bedingungen der Gleichheit, der Leistung, der Befähigung und der Öffentlichkeit zu gewährleisten und gleichzeitig der Verwendung regelwidriger Verträge in diesem Bereich bis zur Besetzung der zu besetzenden Stelle abzuhelfen, zweitens habe dieser Vertragstyp eine maximal zulässige Dauer, die von der Veröffentlichung einer Ausschreibung zur Besetzung der Stelle abhänge, wobei diese Ausschreibung vom Arbeitnehmer selbst in Gang gesetzt werden könne und nach spanischem Recht innerhalb einer maximal zulässigen Frist erfolgen müsse, und drittens sei jegliches Aufeinanderfolgen ausgeschlossen, da es keine Verlängerung dieses Vertragstyps gebe.

94      In diesem Zusammenhang ist es, da das spanische Recht nach den Angaben des vorlegenden Gerichts, wie in den Rn. 83 bis 85 des vorliegenden Urteils ausgeführt, für die Kategorie der unbefristeten, nicht dauerhaften Verträge keine Maßnahme zur Vermeidung eines Missbrauchs dieser Verträge im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a bis c der Rahmenvereinbarung vorsieht und Art. 15 Abs. 5 des Arbeitnehmerstatuts selbst in einer Auslegung, die den Anforderungen dieser Richtlinie entspricht, auch keine solche Maßnahme darstellen könnte, erforderlich, das Vorbringen der Beklagten des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑59/22 und jenes der spanischen Regierung, wie in Rn. 93 des vorliegenden Urteils dargelegt, zu erläutern, um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben.

95      Was in erster Linie die von der Beklagten des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑59/22 und der spanischen Regierung angeführten sachlichen Gründe betrifft, nämlich den Zugang zur Beschäftigung im öffentlichen Sektor unter den Bedingungen der Gleichheit, der Leistung, der Befähigung und der Öffentlichkeit zu gewährleisten und gleichzeitig der Verwendung regelwidriger Verträge in diesem Bereich bis zur Besetzung der zu besetzenden Stelle abzuhelfen, ist festzustellen, wie sich bereits aus dem Wortlaut von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung ergibt, dass die letztgenannte Bestimmung sachliche Gründe betrifft, die die „Verlängerung“ der befristeten Verträge rechtfertigen, und nicht sachliche Gründe, die als solche die Anwendung eines Vertragstyps wie jenes des unbefristeten, nicht dauerhaften Vertrags rechtfertigen.

96      Was in zweiter Linie die Durchführung von Auswahlverfahren zur endgültigen Besetzung der Stellen, die vorübergehend befristet beschäftigte Arbeitnehmer innehaben, innerhalb der erforderlichen Fristen betrifft, ist festzustellen, dass eine solche Maßnahme geeignet ist, eine Perpetuierung der unsicheren Stellung dieser Arbeitnehmer zu vermeiden, indem sie sicherstellt, dass die von ihnen ausgefüllten Stellen rasch endgültig besetzt werden (Urteil vom 19. März 2020, Sánchez Ruiz u. a., C‑103/18 und C‑429/18, EU:C:2020:219, Rn. 94).

97      Somit ist die fristgerechte Durchführung solcher Verfahren grundsätzlich geeignet, in Fällen wie denen der Ausgangsverfahren Missbräuche durch den Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverhältnisse bis zur endgültigen Besetzung dieser Stellen zu verhindern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. März 2020, Sánchez Ruiz u. a., C‑103/18 und C‑429/18, EU:C:2020:219, Rn. 95).

98      Aus den Vorlageentscheidungen ergibt sich allerdings, dass diese Fristen hier nicht eingehalten wurden und dass solche Verfahren selten sind, obwohl die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung genaue Fristen für ihre Durchführung durch die betreffende Verwaltung vorsieht.

99      Unter diesen Umständen erscheint eine nationale Regelung, die die Durchführung von Auswahlverfahren zur endgültigen Besetzung von vorübergehend mit befristet beschäftigten Arbeitnehmern besetzten Stellen sowie genaue Fristen hierfür vorsieht, aber nicht sicherzustellen vermag, dass solche Verfahren tatsächlich durchgeführt werden, nicht geeignet, um zu verhindern, dass der betreffende Arbeitgeber missbräuchlich auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverhältnisse zurückgreift (Urteil vom 19. März 2020, Sánchez Ruiz u. a., C‑103/18 und C‑429/18, EU:C:2020:219, Rn. 97).

100    Folglich dürfte eine solche Regelung, vorbehaltlich der Überprüfungen durch das vorlegende Gericht, keine hinreichend wirksame und abschreckende Maßnahme darstellen, um die volle Wirksamkeit der zur Durchführung der Rahmenvereinbarung erlassenen Normen sicherzustellen, und kann daher nicht als „gleichwertige gesetzliche Maßnahme“ im Sinne von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung eingestuft werden.

101    Nach alledem ist auf die Fragen 3 bis 5 in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑110/22 zu antworten, dass Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a bis c der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die weder eine der in Nr. 1 Buchst. a bis c dieses Paragrafen genannten Maßnahmen noch eine „gleichwertige gesetzliche Maßnahme“ im Sinne dieses Paragrafen vorsieht, um Missbrauch durch unbefristete, nicht dauerhafte Verträge zu verhindern.

 Zu den jeweiligen Fragen 6 und 7 in den Rechtssachen C59/22 und C110/22 sowie zu den Fragen 1 und 2 in der Rechtssache C159/22

102    Mit den jeweiligen Fragen 6 und 7 in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑110/22 sowie mit den Fragen 1 und 2 in der Rechtssache C‑159/22 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die vorsieht, dass jedem Arbeitnehmer, dessen Arbeitgeber Missbrauch durch wiederholt verlängerte unbefristete, nicht dauerhafte Verträge begangen hat, eine pauschale Entschädigung in Höhe von 20 Tagesentgelten pro Beschäftigungsjahr, höchstens jedoch einem Jahresgehalt, zu zahlen ist.

103    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung keine spezifischen Sanktionen für den Fall vorsieht, dass Missbräuche festgestellt worden sind. In einem solchen Fall obliegt es den nationalen Stellen, geeignete Maßnahmen zu erlassen, die nicht nur verhältnismäßig, sondern auch hinreichend wirksam und abschreckend sein müssen, um die volle Wirksamkeit der zur Durchführung der Rahmenvereinbarung erlassenen Normen sicherzustellen (Urteil vom 13. Januar 2022, MIUR und Ufficio Scolastico Regionale per la Campania, C‑282/19, EU:C:2022:3 Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).

104    Zudem hat der Gerichtshof klargestellt, dass, wenn es zu einem missbräuchlichen Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse gekommen ist, die Möglichkeit bestehen muss, eine Maßnahme anzuwenden, die effektive und äquivalente Garantien für den Schutz der Arbeitnehmer bietet, um diesen Missbrauch angemessen zu ahnden und die Folgen des Verstoßes gegen das Unionsrecht zu beseitigen. Denn nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 1999/70 haben die Mitgliedstaaten „alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um jederzeit gewährleisten zu können, dass die durch [diese] Richtlinie vorgeschriebenen Ergebnisse erzielt werden“ (Urteil vom 13. Januar 2022, MIUR und Ufficio Scolastico Regionale per la Campania, C‑282/19, EU:C:2022:3, Rn. 84 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

105    Im vorliegenden Fall geht aus den Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass die pauschale Entschädigung nach spanischem Recht unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigten Arbeitnehmern bei der Kündigung ihrer Verträge aufgrund der Besetzung ihrer Stelle zusteht, was voraussetzen würde, dass sie entweder am Auswahlverfahren teilgenommen und es nicht erfolgreich abgeschlossen haben oder dass sie an diesem Verfahren nicht teilgenommen haben.

106    Der Gerichtshof hat aber entschieden, dass mit der Zahlung einer Entschädigung bei Vertragsende das mit Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung verfolgte Ziel, das darin besteht, Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Verträge zu verhindern, nicht erreicht werden kann. Eine solche Zahlung scheint nämlich losgelöst von jeglichen Erwägungen zur Legitimität oder Missbräuchlichkeit befristeter Verträge (Urteil vom 3. Juni 2021, Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario, C‑726/19, EU:C:2021:439, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).

107    Eine solche Maßnahme ist daher offensichtlich nicht geeignet, einen Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse angemessen zu ahnden und die Folgen eines Verstoßes gegen Unionsrecht zu beseitigen. Folglich scheint sie alleine nicht wirksam und abschreckend genug zu sein, um im Sinne der oben in Rn. 103 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung die volle Wirksamkeit der zur Durchführung der Rahmenvereinbarung erlassenen Normen sicherzustellen (vgl. Urteil vom 3. Juni 2021, Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario, C‑726/19, EU:C:2021:439, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).

108    Nach alledem ist auf die Fragen 6 und 7 in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑110/22 sowie auf die Fragen 1 und 2 in der Rechtssache C‑159/22 zu antworten, dass Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die vorsieht, dass jedem Arbeitnehmer, dessen Arbeitgeber Missbrauch durch wiederholt verlängerte unbefristete, nicht dauerhafte Verträge begangen hat, eine pauschale Entschädigung in Höhe von 20 Tagesentgelten pro Beschäftigungsjahr, höchstens jedoch einem Jahresgehalt, zu zahlen ist, wenn die Zahlung dieser Entschädigung zum Vertragsende losgelöst von jeglichen Erwägungen zur Legitimität oder Missbräuchlichkeit dieser Verträge ist.

 Zu den jeweiligen Fragen 8 und 9 in den Rechtssachen C59/22 und C110/22 sowie zur dritten Frage in der Rechtssache C159/22

109    Mit der jeweils achten Frage in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑110/22 sowie der dritten Frage in der Rechtssache C‑159/22 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er nationalen Bestimmungen entgegensteht, wonach „Regelverstöße“ „nach den in der jeweiligen öffentlichen Verwaltung geltenden Vorschriften“ die Haftung der öffentlichen Verwaltungen auslösen.

110    Für den Fall, dass diese Fragen verneint werden, möchte das vorlegende Gericht mit der jeweils neunten Frage in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑110/22 im Wesentlichen wissen, ob diese ab dem Jahr 2017 erlassenen nationalen Bestimmungen auf vor ihrem jeweiligen Inkrafttreten begangene Missbräuche anzuwenden sind.

111    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es gemäß den Anforderungen, die sich aus der in Rn. 103 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergeben, Sache des vorlegenden Gerichts ist, zu prüfen, ob diese nationalen Bestimmungen wirksam und abschreckend sind, um die volle Wirksamkeit der zur Durchführung der Rahmenvereinbarung erlassenen Normen sicherzustellen. Das vorlegende Gericht wird insbesondere zu prüfen haben, ob diese nationalen Bestimmungen wirksame Maßnahmen nicht nur zur Verhinderung von Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge, sondern auch zur angemessenen Ahndung dieses Missbrauchs und zur Beseitigung der Folgen des Verstoßes gegen das Unionsrecht darstellen.

112    Aus den Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass das vorlegende Gericht selbst Zweifel an der Vereinbarkeit der betreffenden nationalen Bestimmungen, nämlich der 43. Zusatzbestimmung des Gesetzes über den Staatshaushalt für das Jahr 2018 und der mit dem Real Decreto-ley 14/2021 eingeführten 17. Zusatzbestimmung des EBEP, mit Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung zu haben scheint. So sei erstens der Ausdruck „Regelverstöße“ nicht definiert und bleibe daher zu vage, um die Anwendung von Sanktionen oder die Zurechnung der Haftung im Einklang mit dem Legalitäts- und Bestimmtheitsgebot zu ermöglichen. Zweitens erläuterten diese nationalen Bestimmungen nicht, welche Haftung ausgelöst werden könne, und verwiesen lediglich auf die „in der jeweiligen öffentlichen Verwaltung geltenden Vorschriften“, die nicht genau bestimmt werden könnten. Drittens sei dem vorlegenden Gericht keine öffentliche Verwaltung bekannt, deren Haftung ausgelöst worden sei, weil sie aufeinanderfolgende befristete Verträge gefördert oder abgeschlossen habe.

113    Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass der Wortlaut der 43. Zusatzbestimmung des Gesetzes über den Staatshaushalt für das Jahr 2018 und jener der 17. Zusatzbestimmung zum EBEP in Anbetracht des in den Vorabentscheidungsersuchen angeführten nationalen rechtlichen Rahmens offenbar einen derartigen Grad an Mehrdeutigkeit und Abstraktion aufweisen, dass sie nicht mit der italienischen Haftungsregelung für Verwaltungen vergleichbar sind, auf die der Gerichtshof im Urteil vom 7. März 2018, Santoro (C‑494/16, EU:C:2018:166), Bezug nimmt. Diese war in Verbindung mit anderen wirksamen und abschreckenden Maßnahmen – vorbehaltlich der Überprüfungen, die dem vorlegenden Gericht in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, oblagen – als geeignet angesehen worden, die Vereinbarkeit der italienischen Regelung mit Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung zu begründen.

114    Nach alledem ist auf die jeweils achte Frage in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑110/22 sowie auf die dritte Frage in der Rechtssache C‑159/22 zu antworten, dass Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er nationalen Bestimmungen entgegensteht, wonach „Regelverstöße“ „nach den in der jeweiligen öffentlichen Verwaltung geltenden Vorschriften“ die Haftung der öffentlichen Verwaltungen auslösen, wenn diese nationalen Bestimmungen nicht wirksam und abschreckend sind, um die volle Wirksamkeit der zur Durchführung dieses Paragrafen erlassenen Normen sicherzustellen.

115    Angesichts der Antwort auf die jeweils achte Frage in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑110/22 ist über die jeweils neunte Frage in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑110/22 nicht zu entscheiden.

 Zur jeweils zwölften Frage in den Rechtssachen C59/22 und C110/22 sowie zur sechsten Frage in der Rechtssache C159/22

116    Mit der jeweils zwölften Frage in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑110/22 sowie der sechsten Frage in der Rechtssache C‑159/22 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Durchführung von Verfahren zur Konsolidierung von Zeitstellen im Wege von Ausschreibungen zur Besetzung von Stellen vorsieht, auf denen Arbeitnehmer befristet beschäftigt werden, wozu auch Arbeitnehmer gehören, die unbefristet, aber nicht dauerhaft beschäftigt werden.

117    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof klargestellt hat, dass, obwohl die Durchführung von Auswahlverfahren den Arbeitnehmern, die missbräuchlich im Rahmen aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverhältnisse beschäftigt waren, die Möglichkeit bietet, eine stabile Beschäftigung anzustreben, da sie grundsätzlich an diesen Verfahren teilnehmen können, ein solcher Umstand die Mitgliedstaaten nicht von der Verpflichtung entbinden kann, eine geeignete Maßnahme für eine angemessene Ahndung des missbräuchlichen Rückgriffs auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge und ‑verhältnisse vorzusehen. Solche Verfahren, deren Ausgang zudem ungewiss ist, stehen nämlich auch Bewerbern offen, die nicht von einem derartigen Missbrauch betroffen waren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. März 2020, Sánchez Ruiz u. a., C‑103/18 und C‑429/18, EU:C:2020:219, Rn. 100).

118    Da die Durchführung solcher Verfahren von allen Erwägungen zur Missbräuchlichkeit befristeter Verträge losgelöst ist, erscheint sie somit nicht geeignet, einen Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverhältnisse angemessen zu ahnden und die Folgen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht zu beseitigen. Sie dürfte es somit nicht ermöglichen, das mit Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. März 2020, Sánchez Ruiz u. a., C‑103/18 und C‑429/18, EU:C:2020:219, Rn. 101).

119    Im vorliegenden Fall geht aus den Vorabentscheidungsersuchen erstens hervor, dass der spanische Gesetzgeber mit den Verfahren zur Konsolidierung versucht, den Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge in den nationalen öffentlichen Verwaltungen zu verringern, ohne jedoch im Rahmen dieser Verfahren auf die Einhaltung der Grundsätze der Gleichheit, des freien Wettbewerbs, der Öffentlichkeit, der Leistung und der Befähigung zu verzichten. Zweitens können unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigte Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren, wenn sie die betreffenden Prüfungen nicht bestehen. Drittens haben diese Arbeitnehmer im Fall der Kündigung des unbefristeten, nicht dauerhaften Vertrags Anspruch auf eine pauschale Entschädigung in Höhe von 20 Tagesentgelten pro Beschäftigungsjahr, höchstens jedoch einem Jahresgehalt.

120    Im Einklang mit den Erwägungen, die sich aus der in den Rn. 117 und 118 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergeben und die unter Berücksichtigung des Inhalts der dem Gerichtshof vorliegenden Akte hier anwendbar sind, erscheint die im spanischen Recht vorgesehene Organisation der Verfahren zur Konsolidierung – vorbehaltlich der dem vorlegenden Gericht obliegenden Prüfung – nicht geeignet, den missbräuchlichen Rückgriff auf aufeinanderfolgende unbefristete, nicht dauerhafte Arbeitsverhältnisse angemessen zu ahnden und damit die Folgen des Verstoßes gegen das Unionsrecht zu beseitigen.

121    Nach alledem ist auf die jeweils zwölfte Frage in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑110/22 sowie auf die sechste Frage in der Rechtssache C‑159/22 zu antworten, dass Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Durchführung von Verfahren zur Konsolidierung von Zeitstellen im Wege von Ausschreibungen zur Besetzung von Stellen vorsieht, auf denen Arbeitnehmer befristet beschäftigt werden, wozu auch Arbeitnehmer gehören, die unbefristet, aber nicht dauerhaft beschäftigt werden, wenn die Durchführung dieser Verfahren von allen Erwägungen zur Missbräuchlichkeit dieser befristeten Verträge losgelöst ist.

 Zu den jeweiligen Fragen 10 und 11 in den Rechtssachen C59/22 und C110/22 sowie zu den Fragen 4 und 5 in der Rechtssache C159/22

122    Aus den Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass die Kammer für sozial- und arbeitsrechtliche Angelegenheiten des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof), während nach Ansicht des Tribunal Constitucional (Verfassungsgerichtshof) die in Art. 23 Abs. 2 und Art. 103 Abs. 3 der Verfassung genannten Verfassungsgrundsätze, nach denen der Zugang zur Beschäftigung im öffentlichen Dienst den Grundsätzen der Gleichheit, der Leistung und der Befähigung entspricht, auf vertraglich geregelte Beschäftigungsverhältnisse keine Anwendung finden, ihrerseits diese Grundsätze auf solche Beschäftigungsverhältnisse anwendet, was es nach Ansicht des Tribunal Supremo unmöglich macht, Arbeitnehmer, die nicht auf der Grundlage eines die genannten Grundsätze wahrenden Auswahlverfahrens eingestellt worden seien, als „unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer“ einzustufen, und daher die Einführung des Begriffs „unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigter Arbeitnehmer“ erforderlich gemacht habe. Daraus folgt nach Ansicht des vorlegenden Gerichts, dass die Umwandlung aufeinanderfolgender befristeter Verträge und insbesondere wiederholt verlängerter unbefristeter, nicht dauerhafter Verträge in unbefristete Verträge als Verstoß gegen die oben genannten Verfassungsbestimmungen in ihrer Auslegung durch das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) angesehen werden könnte.

123    In diesem Zusammenhang möchte das vorlegende Gericht mit den jeweiligen Fragen 10 und 11 in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑110/22 sowie mit den Fragen 4 und 5 in der Rechtssache C‑159/22 im Wesentlichen wissen, ob Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass mangels geeigneter Maßnahmen im nationalen Recht, um in Anwendung dieses Paragrafen 5 Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Verträge, einschließlich wiederholt verlängerter unbefristeter, nicht dauerhafter Verträge, zu verhindern und gegebenenfalls zu ahnden, diese befristeten Verträge in unbefristete Verträge umgewandelt werden müssten, und zwar selbst dann, wenn eine solche Umwandlung gegen Art. 23 Abs. 2 und Art. 103 Abs. 3 der Verfassung in ihrer Auslegung durch das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) verstößt.

124    Insoweit leitet sich aus ständiger Rechtsprechung ab, dass Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung weder eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten enthält, die Umwandlung befristeter Arbeitsverträge in unbefristete Verträge vorzusehen, noch, wie in Rn. 103 des vorliegenden Urteils erwähnt, spezifische Sanktionen für den Fall nennt, dass Missbräuche festgestellt worden wären (Urteil vom 7. April 2022, Ministero della Giustizia u. a. [Status der italienischen Friedensrichter], C‑236/20, EU:C:2022:263, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

125    Überdies ist darauf hinzuweisen, dass sich aus Paragraf 5 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung ergibt, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen der Maßnahmen zur Vermeidung des missbräuchlichen Rückgriffs auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge befristete Arbeitsverhältnisse in unbefristete Arbeitsverhältnisse umwandeln können, wobei die durch Letztere gewährleistete Beschäftigungsstabilität einen wichtigen Aspekt des Arbeitnehmerschutzes darstellt (Urteil vom 8. Mai 2019, Rossato und Conservatorio di Musica F.A. Bonporti, C‑494/17, EU:C:2019:387, Rn. 39).

126    Somit ist es Sache der nationalen Stellen, angemessene, wirksame und abschreckende Maßnahmen zu ergreifen, um die volle Wirksamkeit der zur Durchführung der Rahmenvereinbarung erlassenen Normen sicherzustellen, die insoweit die Umwandlung befristeter Verträge in unbefristete Verträge vorsehen können. Wenn es jedoch zu einem missbräuchlichen Einsatz aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverhältnisse gekommen ist, muss die Möglichkeit bestehen, eine Maßnahme anzuwenden, um diesen Missbrauch angemessen zu ahnden und die Folgen des Verstoßes zu beseitigen (Urteil vom 7. April 2022, Ministero della Giustizia u. a. [Status der italienischen Friedensrichter], C‑236/20, EU:C:2022:263, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

127    Eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende spanische Regelung in der Auslegung durch das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof), die im öffentlichen Sektor die Umwandlung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge, wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden unbefristeten, nicht dauerhaften Verträge, in einen unbefristeten Vertrag untersagt, kann nur dann als mit der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vereinbar angesehen werden, wenn das innerstaatliche Recht des betreffenden Mitgliedstaats in diesem Sektor eine andere wirksame Maßnahme enthält, um den missbräuchlichen Einsatz aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge zu verhindern und gegebenenfalls zu ahnden (vgl. in diesem Sinn Urteil vom 7. April 2022, Ministero della Giustizia u. a. [Status der italienischen Friedensrichter], C‑236/20, EU:C:2022:263, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

128    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass Rechtsvorschriften, die zwingend vorsehen, dass befristete Arbeitsverträge, wie etwa die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden unbefristeten, nicht dauerhaften Verträge, im Fall der missbräuchlichen Verwendung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt werden, eine Maßnahme darstellen können, die einen solchen missbräuchlichen Rückgriff wirksam ahndet und daher als mit Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung konform anzusehen ist (Urteil vom 8. Mai 2019, Rossato und Conservatorio di Musica F.A. Bonporti, C‑494/17, EU:C:2019:387, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

129    Gleichwohl ist, was die Unvereinbarkeit einer solchen Umwandlung mit den Verfassungsgrundsätzen der Gleichheit, der Leistung und der Befähigung in ihrer Auslegung durch das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) betrifft, auf die das vorlegende Gericht Bezug nimmt, darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof für Recht erkannt hat, dass sich Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung inhaltlich nicht als unbedingt und hinreichend genau darstellt, damit sich ein Einzelner vor einem nationalen Gericht darauf berufen kann. Nach dieser Vorschrift steht es nämlich im Ermessen der Mitgliedstaaten, ob sie zur Vermeidung von Missbrauch durch befristete Arbeitsverträge auf eine oder mehrere der dort genannten Maßnahmen oder aber auf gleichwertige bestehende gesetzliche Maßnahmen zurückgreifen, und zwar unter Berücksichtigung der Anforderungen bestimmter Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien. Außerdem ist es nicht möglich, den Mindestschutz, der in jedem Fall nach Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung gewährt werden müsste, hinreichend zu bestimmen (Urteil vom 11. Februar 2021, M.V. u. a. [Aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor], C‑760/18, EU:C:2021:113, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

130    Aus der ständigen Rechtsprechung geht jedoch hervor, dass die nationalen Gerichte bei der Anwendung des innerstaatlichen Rechts dieses so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zweckes der betreffenden Richtlinie auslegen müssen, um das in ihr festgelegte Ergebnis zu erreichen und so Art. 288 Abs. 3 AEUV nachzukommen. Diese Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung betrifft das gesamte nationale Recht, unabhängig davon, ob es vor oder nach dieser Richtlinie erlassen wurde (Urteil vom 11. Februar 2021, M.V. u. a. [Aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor], C‑760/18, EU:C:2021:113, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

131    Das Gebot einer unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts ist dem AEU-Vertrag immanent, da den nationalen Gerichten dadurch ermöglicht wird, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten, wenn sie über die bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten entscheiden (Urteil vom 11. Februar 2021, M.V. u. a. [Aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor], C‑760/18, EU:C:2021:113, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).

132    Zwar findet die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, insbesondere im Grundsatz der Rechtssicherheit und im Rückwirkungsverbot, ihre Schranken und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (Urteil vom 11. Februar 2021, M.V. u. a. [Aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor], C‑760/18, EU:C:2021:113, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

133    Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung verlangt jedoch, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung der danach anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der betreffenden Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel übereinstimmt (Urteil vom 11. Februar 2021, M.V. u. a. [Aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor], C‑760/18, EU:C:2021:113, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

134    Im vorliegenden Fall wird es somit dem vorlegenden Gericht zukommen, die einschlägigen Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts im Rahmen des Möglichen und, wenn ein Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge stattgefunden hat, so auszulegen und anzuwenden, dass eine angemessene Ahndung dieses Missbrauchs und die Beseitigung der Folgen des Unionsrechtsverstoßes möglich ist. In diesem Rahmen wird es dem vorlegenden Gericht obliegen, zu beurteilen, ob die einschlägigen Verfassungsbestimmungen gegebenenfalls konform mit Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung ausgelegt werden können, um die volle Wirksamkeit der Richtlinie 1999/70 zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel übereinstimmt (vgl. entsprechend Urteil vom 11. Februar 2021, M.V. u. a. [Aufeinanderfolgende befristete Verträge im öffentlichen Sektor], C‑760/18, EU:C:2021:113, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).

135    Zudem hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass das Erfordernis einer unionsrechtskonformen Auslegung den nationalen Gerichten die Verpflichtung auferlegt, eine gefestigte Rechtsprechung gegebenenfalls abzuändern, wenn sie auf einer Auslegung des innerstaatlichen Rechts beruht, die mit den Zielen einer Richtlinie nicht vereinbar ist. Folglich darf ein nationales Gericht u. a. nicht davon ausgehen, dass es eine nationale Vorschrift nicht im Einklang mit dem Unionsrecht auslegen könne, nur weil sie in ständiger Rechtsprechung in einem nicht mit dem Unionsrecht vereinbaren Sinne ausgelegt worden ist (Urteil vom 3. Juni 2021, Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario, C‑726/19, EU:C:2021:439, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).

136    Aus alledem ergibt sich zum einen, dass, falls das vorlegende Gericht davon ausgehen sollte, dass die innerstaatliche Rechtsordnung im öffentlichen Sektor keine wirksame Maßnahme enthält, um den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Verträge, einschließlich wiederholt verlängerter unbefristeter, nicht dauerhafter Verträge, zu verhindern und gegebenenfalls zu ahnden, die Umwandlung dieser Verträge in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis eine solche Maßnahme darstellen kann.

137    Zum anderen müsste das vorlegende Gericht, wenn es in einem solchen Fall zudem der Auffassung sein sollte, dass die gefestigte Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) im Gegensatz zur Rechtsprechung des Tribunal Constitucional (Verfassungsgerichtshof) einer solchen Umwandlung entgegensteht, diese Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) demnach ändern, wenn sie auf einer Auslegung der Verfassungsbestimmungen beruht, die mit den Zielen der Richtlinie 1999/70 und insbesondere mit Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung unvereinbar ist.

138    Nach alledem ist auf die jeweiligen Fragen 10 und 11 in den Rechtssachen C‑59/22 und C‑110/22 sowie auf die Fragen 4 und 5 in der Rechtssache C‑159/22 zu antworten, dass Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass mangels geeigneter Maßnahmen im nationalen Recht, um in Anwendung dieses Paragrafen 5 Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Verträge, einschließlich wiederholt verlängerter unbefristeter, nicht dauerhafter Verträge, zu verhindern und gegebenenfalls zu ahnden, die Umwandlung dieser befristeten Verträge in unbefristete Verträge eine solche Maßnahme darstellen kann. Gegebenenfalls hat das nationale Gericht die gefestigte nationale Rechtsprechung zu ändern, wenn sie auf einer Auslegung der nationalen Bestimmungen, einschließlich von Verfassungsbestimmungen, beruht, die mit den Zielen der Richtlinie 1999/70 und insbesondere mit diesem Paragraf 5 unvereinbar ist.

 Kosten

139    Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

1.      Die Paragrafen 2 und 3 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGBUNICECEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge enthalten ist,

sind dahin auszulegen, dass

ein unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigter Arbeitnehmer als befristet beschäftigter Arbeitnehmer im Sinne dieser Rahmenvereinbarung und damit als in deren Anwendungsbereich fallend anzusehen ist.

2.      Paragraf 5 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, die im Anhang der Richtlinie 1999/70 enthalten ist,

ist dahin auszulegen, dass

der Ausdruck „aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder verhältnisse“ in dieser Bestimmung einen Fall erfasst, in dem wegen des Versäumnisses der betreffenden Verwaltung, fristgerecht ein Auswahlverfahren zur endgültigen Besetzung einer Stelle durchzuführen, auf der ein Arbeitnehmer unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigt wird, der befristete Vertrag zwischen diesem Arbeitnehmer und dieser Verwaltung automatisch verlängert wurde.

3.      Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a bis c der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, die im Anhang der Richtlinie 1999/70 enthalten ist,

ist dahin auszulegen, dass

er einer nationalen Regelung entgegensteht, die weder eine der in dieser Bestimmung genannten Maßnahmen noch eine „gleichwertige gesetzliche Maßnahme“ in deren Sinne vorsieht, um Missbrauch durch unbefristete, nicht dauerhafte Verträge zu verhindern.

4.      Paragraf 5 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, die im Anhang der Richtlinie 1999/70 enthalten ist,

ist dahin auszulegen, dass

er einer nationalen Regelung entgegensteht, die vorsieht, dass jedem Arbeitnehmer, dessen Arbeitgeber Missbrauch durch wiederholt verlängerte unbefristete, nicht dauerhafte Verträge begangen hat, eine pauschale Entschädigung in Höhe von 20 Tagesentgelten pro Beschäftigungsjahr, höchstens jedoch einem Jahresgehalt, zu zahlen ist, wenn die Zahlung dieser Entschädigung zum Vertragsende losgelöst von jeglichen Erwägungen zur Legitimität oder Missbräuchlichkeit dieser Verträge ist.

5.      Paragraf 5 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, die im Anhang der Richtlinie 1999/70 enthalten ist,

ist dahin auszulegen, dass

er nationalen Bestimmungen entgegensteht, wonach „Regelverstöße“ „nach den in der jeweiligen öffentlichen Verwaltung geltenden Vorschriften“ die Haftung der öffentlichen Verwaltungen auslösen, wenn diese nationalen Bestimmungen nicht wirksam und abschreckend sind, um die volle Wirksamkeit der zur Durchführung dieses Paragrafen erlassenen Normen sicherzustellen.

6.      Paragraf 5 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, die im Anhang der Richtlinie 1999/70 enthalten ist,

ist dahin auszulegen, dass

er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Durchführung von Verfahren zur Konsolidierung von Zeitstellen im Wege von Ausschreibungen zur Besetzung von Stellen vorsieht, auf denen Arbeitnehmer befristet beschäftigt werden, wozu auch Arbeitnehmer gehören, die unbefristet, aber nicht dauerhaft beschäftigt werden, wenn die Durchführung dieser Verfahren von allen Erwägungen zur Missbräuchlichkeit dieser befristeten Verträge losgelöst ist.

7.      Paragraf 5 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, die im Anhang der Richtlinie 1999/70 enthalten ist,

ist dahin auszulegen, dass

mangels geeigneter Maßnahmen im nationalen Recht, um in Anwendung dieses Paragrafen 5 Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Verträge, einschließlich wiederholt verlängerter unbefristeter, nicht dauerhafter Verträge, zu verhindern und gegebenenfalls zu ahnden, die Umwandlung dieser befristeten Verträge in unbefristete Verträge eine solche Maßnahme darstellen kann. Gegebenenfalls hat das nationale Gericht die gefestigte nationale Rechtsprechung zu ändern, wenn sie auf einer Auslegung der nationalen Bestimmungen, einschließlich von Verfassungsbestimmungen, beruht, die mit den Zielen der Richtlinie 1999/70 und insbesondere mit diesem Paragraf 5 unvereinbar ist.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Spanisch.