Language of document : ECLI:EU:C:2024:145

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

22. Februar 2024(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Richtlinie 2010/75/EU – Integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung – Art. 10 – Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a – Betrieb von Schlachthäusern mit einer Produktionskapazität von mehr als 50 t Schlachtkörpern pro Tag – Begriffe ‚Schlachtkörper‘ und ‚Produktionskapazität pro Tag‘ – Schlachthaus ohne Genehmigung – Berücksichtigung der tatsächlichen Produktion“

In der Rechtssache C‑311/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Højesteret (Oberstes Gericht, Dänemark) mit Entscheidung vom 4. Mai 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Mai 2022, in dem Verfahren

Anklagemyndigheden

gegen

PO,

Moesgaard Meat 2012 A/S

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richter F. Biltgen, N. Wahl und J. Passer (Berichterstatter) sowie der Richterin M. L. Arastey Sahún,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. März 2023,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von PO und der Moesgaard Meat 2012 A/S, vertreten durch K. Cronwald Jensen und M. Honoré, Advokater,

–        der dänischen Regierung, vertreten durch M. Jespersen, J. F. Kronborg und C. Maertens als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Valero und C. Vang als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 29. Juni 2023

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (ABl. 2010, L 334, S. 17).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Anklagemyndigheden (Staatsanwaltschaft, Dänemark) auf der einen sowie der Moesgaard Meat 2012 A/S (im Folgenden: Moesgaard Meat) und PO, dem Geschäftsführer dieses Unternehmens, auf der anderen Seite über die strafrechtliche Verfolgung von Moesgaard Meat und PO wegen des Betriebs eines Schlachthauses ohne umweltrechtliche Genehmigung vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2016.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 2010/75

3        Der zweite Erwägungsgrund der Richtlinie 2010/75 lautet:

„Um in Einklang mit dem Verursacher- und Vorsorgeprinzip die Umweltverschmutzung durch Industrietätigkeiten zu vermeiden, zu vermindern und so weit wie möglich zu beseitigen, muss ein allgemeiner Rahmen für die Kontrolle der wichtigsten Industrietätigkeiten aufgestellt werden, der vorzugsweise Eingriffe an der Quelle vorsieht, eine umsichtige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen gewährleistet und, sofern erforderlich, der Wirtschaftslage und den lokalen Besonderheiten des Ortes, an dem die Industrietätigkeit erfolgt, Rechnung trägt.“

4        Art. 1 („Gegenstand“) der Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie regelt die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung infolge industrieller Tätigkeiten.

Sie sieht auch Vorschriften zur Vermeidung und, sofern dies nicht möglich ist, zur Verminderung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden und zur Abfallvermeidung vor, um ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt zu erreichen.“

5        Art. 2 („Geltungsbereich“) Abs. 1 der Richtlinie lautet:

„Diese Richtlinie gilt für die in den Kapiteln II bis VI genannten industriellen Tätigkeiten, die eine Umweltverschmutzung verursachen.“

6        In Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

3.      ‚Anlage‘ eine ortsfeste technische Einheit, in der eine oder mehrere der in Anhang I oder Anhang VII Teil 1 genannten Tätigkeiten sowie andere unmittelbar damit verbundene Tätigkeiten am selben Standort durchgeführt werden, die mit den in den genannten Anhängen aufgeführten Tätigkeiten in einem technischen Zusammenhang stehen und die Auswirkungen auf die Emissionen und die Umweltverschmutzung haben können;

…“

7        Art. 4 („Genehmigungspflicht“) Abs. 1 der Richtlinie 2010/75 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass keine Anlage, Feuerungsanlage, Abfallverbrennungsanlage oder Abfallmitverbrennungsanlage ohne eine Genehmigung betrieben wird.

…“

8        Art. 10 („Geltungsbereich“) der Richtlinie, der zu deren Kapitel II („Vorschriften für die in Anhang I aufgeführten Tätigkeiten“) gehört, lautet:

„Dieses Kapitel gilt für die Tätigkeiten, die in Anhang I aufgelistet sind und bei denen gegebenenfalls die in dem genannten Anhang festgelegten Kapazitätsschwellen erreicht werden.“

9        Anhang I („Kategorien von Tätigkeiten nach Artikel 10“) der Richtlinie sieht vor:

„Die im Folgenden genannten Schwellenwerte beziehen sich allgemein auf Produktionskapazitäten oder Leistungen. Werden mehrere unter derselben Tätigkeitsbeschreibung mit einem Schwellenwert aufgeführte Tätigkeiten in ein und derselben Anlage durchgeführt, so addieren sich die Kapazitäten dieser Tätigkeiten. …

6.      Sonstige Tätigkeiten

6.4.      a)      Betrieb von Schlachthäusern mit einer Produktionskapazität von mehr als 50 t Schlachtkörper[n] pro Tag.

…“

10      Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der Richtlinie 2010/75 ist ähnlich formuliert wie Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der zuvor geltenden Richtlinien – nämlich der Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (ABl. 1996, L 257, S. 26) sowie der Richtlinie 2008/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (ABl. 2008, L 24, S. 8) –, an deren Stelle die Richtlinie 2010/75 getreten ist.

 Weitere einschlägige Unionsrechtsakte

–       Verordnung Nr. 3220/84

11      Die am 1. Januar 1985 in Kraft getretene Verordnung (EWG) Nr. 3220/84 des Rates vom 13. November 1984 zur Bestimmung des gemeinschaftlichen Handelsklassenschemas für Schweineschlachtkörper (ABl. 1984, L 301, S. 1) wurde in Bezug auf die gemeinschaftlichen Handelsklassenschemata für Schlachtkörper mit Wirkung vom 1. Januar 2009 durch die Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (ABl. 2007, L 299, S. 1) aufgehoben. Die Verordnung Nr. 3220/84 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 3513/93 des Rates vom 14. Dezember 1993 (ABl. 1993, L 320, S. 5) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 3220/84) sah in ihrem Art. 1 vor:

„(1)      Mit dieser Verordnung wird das gemeinschaftliche Handelsklassenschema für Schlachtkörper von Schweinen – mit Ausnahme der Schlachtkörper von Schweinen, die zur Zucht benutzt wurden – festgelegt.

(2)      Das Handelsklassenschema nach Absatz 1 wird in allen Schlachthöfen zur Einstufung aller Schlachtkörper verwandt, um insbesondere für die Erzeuger auf der Grundlage des Gewichts und der Zusammensetzung der von ihnen an den Schlachthof gelieferten Schweine eine angemessene Vergütung zu ermöglichen.

…“

12      Art. 2 dieser Verordnung bestimmte:

„(1)      Im Sinne dieser Verordnung ist ein Schweineschlachtkörper der ganze oder längs der Mittellinie geteilte Körper eines geschlachteten Schweines, ausgeblutet und ausgeweidet, ohne Zunge, Borsten, Klauen, Geschlechtsorgane, Flomen, Nieren und Zwerchfell.

Die Mitgliedstaaten können ermächtigt werden, für die in ihrem Gebiet geschlachteten Schweine eine andere Angebotsform des Schweineschlachtkörpers zuzulassen, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:

–        wenn der Handel in ihrem Gebiet üblicherweise von der in Unterabsatz 1 festgelegten Standardangebotsform abweicht,

–        wenn technische Erfordernisse dies rechtfertigen,

–        wenn Schweineschlachtkörper in einheitlicher Weise enthäutet werden.

(2)      Im Sinne dieser Verordnung bezieht sich das Gewicht auf den abgekühlten Schlachtkörper in der in Absatz 1 Unterabsatz 1 beschriebenen Angebotsform.

Der Schlachtkörper wird möglichst bald nach der Schlachtung, spätestens aber 45 Minuten nach dem Stechen des Schweins gewogen. Das Gewicht des abgekühlten Schlachtkörpers wird mit Hilfe eines Umrechnungskoeffizienten aus diesem Ergebnis ermittelt.

Wenn die Frist von 45 Minuten in einem Schlachthof in der Regel nicht eingehalten werden kann, wird der vorgenannte Umrechnungskoeffizient entsprechend angepasst.

…“

–       Verordnung Nr. 1234/2007

13      Die am 23. November 2007 in Kraft getretene Verordnung Nr. 1234/2007 wurde in Bezug auf den Schweinefleischsektor mit Wirkung vom 1. Januar 2014 durch die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 671, berichtigt in ABl. 2016, L 130, S. 18) aufgehoben. Wie sich aus ihrem Art. 1 Abs. 1 Buchst. q ergab, wurde mit der Verordnung Nr. 1234/2007 eine gemeinsame Marktorganisation für die Erzeugnisse der in Anhang I der Verordnung aufgeführten Sektoren errichtet, zu denen auch der Schweinefleischsektor gehörte.

14      Art. 8 („Referenzpreise“) Abs. 1 der Verordnung sah vor:

„Für Erzeugnisse, die unter die Interventionsmaßnahmen gemäß Artikel 6 Absatz 1 fallen, werden die folgenden Referenzpreise festgesetzt:

f)      für den Schweinefleischsektor 1 509,39 EUR/Tonne für Schweineschlachtkörper der nach dem gemeinschaftlichen Handelsklassenschema für Schweineschlachtkörper gemäß Artikel 42 Absatz 1 Buchstabe b nach Gewicht und Muskelfleischanteil wie folgt definierten Standardqualität:

i)      Schlachtkörper mit einem Gewicht von 60 kg bis weniger als 120 kg: Klasse E gemäß Anhang V Teil B Abschnitt II,

ii)      Schlachtkörper mit einem Gewicht von 120 kg bis 180 kg: Klasse R gemäß Anhang V Teil B Abschnitt II.“

15      Anhang V der Verordnung bestimmte:

„…

B.      Gemeinschaftliches Handelsklassenschema für Schweineschlachtkörper

I.      Begriffsbestimmung

Der Ausdruck ‚Schlachtkörper‘ bezeichnet den ganzen oder längs der Mittellinie geteilten Körper eines geschlachteten Schweines, ausgeblutet und ausgeweidet.

III.      Aufmachung

Die Schlachtkörper werden ohne Zunge, Borsten, Klauen, Geschlechtsorgane, Flomen, Nieren und Zwerchfell aufgemacht.

Die Mitgliedstaaten können ermächtigt werden, für die in ihrem Gebiet geschlachteten Schweine eine andere Aufmachungsform des Schweineschlachtkörpers zuzulassen, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:

1.      wenn der Handel in ihrem Gebiet üblicherweise von der in Absatz 1 festgelegten Standardaufmachung abweicht;

2.      wenn technische Erfordernisse dies rechtfertigen;

3.      wenn Schweineschlachtkörper in einheitlicher Weise enthäutet werden.

…“

–       Verordnung Nr. 1308/2013

16      Die Verordnung Nr. 1308/2013 enthält einen Art. 7 Abs. 1 Buchst. f, einen Art. 20 Buchst. t und einen Anhang IV, die ähnlich formuliert sind wie die in den Rn. 14 und 15 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Bestimmungen von Art. 8 Abs. 1 Buchst. f und Anhang V der Verordnung Nr. 1234/2007.

17      Wie sich aus Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1308/2013 ergibt, gilt ein Handelsklassenschema der Union für Schlachtkörper gemäß Anhang IV Abschnitt B dieser Verordnung im Schweinefleischsektor für Schlachtkörper von Schweinen, die nicht für die Zucht verwendet worden sind.

 Dänisches Recht

 Umweltschutzgesetz

18      § 33 Abs. 1 des Miljøbeskyttelseslov (Umweltschutzgesetz) vom 22. Dezember 2006 in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Umweltschutzgesetz) sieht vor:

„Betriebe, Anlagen oder Einrichtungen, die in der in § 35 genannten Liste aufgeführt sind (gelistete Betriebe), dürfen vor Erteilung einer entsprechenden Genehmigung nicht errichtet oder in Betrieb genommen werden. Ein gelisteter Betrieb darf hinsichtlich seiner Errichtung oder seines Betriebs – insbesondere in Bezug auf die Erzeugung von Abfällen – auch nicht in einer Weise erweitert oder geändert werden, dass die Umweltverschmutzung zunimmt, bevor die Erweiterung oder Änderung genehmigt wurde.“

19      § 35 Abs. 1 dieses Gesetzes bestimmt:

„Der Minister für Umwelt und Ernährung erstellt eine Liste der besonders umweltverschmutzenden Betriebe, Anlagen und Einrichtungen, die der Genehmigungspflicht nach § 33 unterliegen.“

20      § 110 des Gesetzes bestimmt:

„1.      Sofern nicht andere Rechtsvorschriften eine höhere Strafe vorsehen, wird eine Geldstrafe gegen jede Person verhängt, die

6)      einen Betrieb ohne die in § 33 vorgesehene Genehmigung errichtet, in Betrieb nimmt oder betreibt,

2.      Die Strafe kann auf eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren erhöht werden, wenn der Verstoß vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen wurde und wenn durch den Verstoß

1)      ein Umweltschaden oder die Gefahr eines Umweltschadens verursacht wurde, oder

2)      ein wirtschaftlicher Vorteil, auch in Form von ersparten Aufwendungen, von der betreffende Person selbst oder anderen erlangt oder beabsichtigt wurde.

4.      Unternehmen oder andere juristische Personen können nach den Bestimmungen in Kapitel 5 des Strafgesetzbuchs strafrechtlich verfolgt werden.“

 Ministerialverordnung Nr. 1454 über die Genehmigung gelisteter Betriebe

21      § 3 der Bekendtgørelse nr. 1454 om godkendelse af listevirksomhed (Ministerialverordnung Nr. 1454 über die Genehmigung gelisteter Betriebe) vom 20. Dezember 2012 sah vor:

„1.      Ein gelisteter Betrieb darf vor Erteilung der entsprechenden Genehmigung nach § 33 Abs. 1 des Umweltschutzgesetzes nicht errichtet oder in Betrieb genommen werden.

2.      Ein gelisteter Betrieb darf hinsichtlich seiner Errichtung oder seines Betriebs – insbesondere in Bezug auf die Erzeugung von Abfällen – nicht in einer Weise erweitert oder geändert werden, die eine größere Umweltverschmutzung mit sich bringt, bevor die Erweiterung oder Änderung gemäß § 33 Abs. 1 des Umweltschutzgesetzes genehmigt wurde.

5.      Legt Anhang 1 oder 2 einen Mindestschwellenwert für die Genehmigungspflicht fest, so darf der Betrieb keine Erweiterung oder Änderung vornehmen, die zu einer Überschreitung dieses Schwellenwerts führen würde, solange der Betrieb nicht insgesamt genehmigt wurde.“

22      Anhang 1 dieser Ministerialverordnung enthielt eine Liste der genehmigungspflichtigen Tätigkeiten, darunter:

„…

6.4.

a)      Betrieb von Schlachthäusern mit einer Produktionskapazität von mehr als 50 t Schlachtkörpern oder geschlachtetem Geflügel pro Tag. …

…“

23      Die Ministerialverordnung wurde im Laufe des Jahres 2014 und in den Folgejahren durch neue Fassungen ersetzt, ohne dass der wesentliche Inhalt der in den Rn. 21 und 22 des vorliegenden Urteils angeführten Bestimmungen geändert worden wäre.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

24      Moesgaard Meat betrieb von 2014 bis 2016 einen Schweineschlachtbetrieb, ohne über eine Genehmigung nach dem Umweltschutzgesetz zu verfügen.

25      Mit Anklageschrift vom 19. Juli 2017 wurden Moesgaard Meat und ihr Geschäftsführer PO wegen Verstoßes gegen dieses Gesetz in Verbindung mit der Ministerialverordnung über die Genehmigung gelisteter Betriebe (in der maßgeblichen Fassung) angeklagt. Zur Begründung hieß es, dass Moesgaard Meat während des in der vorstehenden Randnummer genannten Zeitraums ohne die erforderliche umweltrechtliche Genehmigung einen Schlachthofbetrieb mit einer Produktion von Schweineschlachtkörpern von mehr als 50 t pro Tag betrieben habe, was die Gefahr von Umweltschäden verursacht habe.

26      Laut dieser Anklageschrift bewegte sich die durchschnittliche tägliche Schlachtkörperproduktion von Moesgaard Meat in jedem Monat im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2016 zwischen 53 488 kg Schlachtkörpern im Januar 2014 und 92 334 kg Schlachtkörpern im September 2016, wobei die gesamte Überproduktion für diesen Zeitraum auf 17,3 Mio. kg geschätzt wurde.

27      Die Berechnung dieser durchschnittlichen täglichen Produktion beruhte auf den Produktionszahlen, die Moesgaard Meat der zuständigen Behörde gemäß der Bekendtgørelse om produktionsafgift ved slagtning og eksport af svin (Ministerialverordnung über die Produktionsabgabe bei der Schlachtung und der Ausfuhr von Schweinen) gemeldet hatte, wonach die Formulare mit der Angabe des „Schlachtgewichts“ auszufüllen waren. Außerdem wurden bei dieser Berechnung nur die „Schlachttage“ berücksichtigt, unter Ausschluss der Tage, an denen sich die Tätigkeit des Schlachthauses auf die Annahme der Tiere, ihre Verbringung in den Stall und ihre Vorbereitung für die Schlachtung oder auf die Beendigung der Behandlung der geschlachteten Tiere -insbesondere durch Abtrennung von Kopf und Hals des Tieres bei dessen Abkühlen und durch Vorbereitung für die Abholung – beschränkte.

28      Mit Urteil vom 3. Juli 2018 befand das Ret i Holstebro (Gericht Holstebro, Dänemark) Moesgaard Meat und PO der zur Last gelegten Taten für schuldig.

29      Diese legten gegen das Urteil Berufung beim Vestre Landsret (Landgericht für Westdänemark) ein, das mit Urteil vom 4. Juli 2019 das Urteil der Vorinstanz bestätigte.

30      Das Højesteret (Oberstes Gericht, Dänemark), bei dem PO und Moesgaard Meat ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil eingelegt haben, hinterfragt die von der Staatsanwaltschaft und den Vorinstanzen zugrunde gelegte Auslegung der Begriffe „Produktion … von … Schlachtkörper[n]“, „pro Tag“ und „[K]apazität“, die in Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der Richtlinie 2010/75 enthalten sind und in den anwendbaren dänischen Rechtsvorschriften übernommen wurden. Das Højesteret (Oberstes Gericht) stellt insoweit fest, die Angeklagten machten geltend, dass es sich bei einem „Schlachtkörper“ entgegen der Auffassung der Vorinstanzen um einen ausgebluteten Körper ohne Kopf und in gekühltem Zustand handele, und dass bei der Berechnung der Kapazität von Moesgaard Meat auch die am Wochenende stattfindende Zurichtung der Tiere zu berücksichtigen sei. Im Übrigen könne nach dem Vorbringen der Angeklagten die „[K]apazität“ einer Anlage niedriger sein als ihre tatsächliche Produktion, wenn z. B. die tatsächliche Produktion erreicht worden sei, indem physische, technische oder rechtliche Beschränkungen der Produktion missachtet worden seien. Dies sei bei der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Situation der Fall, in der die von der Staatsanwaltschaft berücksichtigte tatsächliche Produktion durch die Verwendung illegal aufgestellter Kühlcontainer erreicht worden sei.

31      Unter diesen Umständen hat das Højesteret (Oberstes Gericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der Richtlinie 2010/75 dahin auszulegen, dass die „Produktion … von … Schlachtkörper[n]“ den Schlachtungsvorgang erfasst, der vom Verbringen des Tieres aus dem Stall, seiner Betäubung und Tötung bis zum Vorliegen großer Standardangebotsformen stattfindet, so dass das Gewicht des Schlachttiers zu berechnen ist, bevor Hals und Kopf abgetrennt und die Organe und Eingeweide entfernt werden, oder erfasst die „Produktion … von … Schlachtkörper[n]“ die Produktion von Schweineschlachtkörpern, nachdem die Organe und Eingeweide entfernt und Hals und Kopf abgetrennt worden sind und nach dem Ausbluten und Abkühlen, so dass das Gewicht des Schlachttiers erst ab diesem Zeitpunkt zu berechnen ist?

2.      Ist Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der Richtlinie 2010/75 dahin auszulegen, dass im Rahmen der Berechnung der Anzahl von Produktionstagen, die der Kapazität „pro Tag“ zugrunde gelegt werden, nur die Tage zu berücksichtigen sind, an denen die Betäubung, Tötung und Zerlegung des Schlachtschweins vorgenommen werden, oder sind bei der Berechnung auch die Tage zu berücksichtigen, an denen an den Schlachtschweinen schlachtungsbezogene Verrichtungen vorgenommen werden, insbesondere die Bereitstellung des Tieres für die Schlachtung, das Abkühlen des geschlachteten Tieres sowie das Abtrennen des Tierkopfs und ‑halses?

3.      Ist Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der Richtlinie 2010/75 dahin auszulegen, dass die „[K]apazität“ des Schlachthauses als die maximale Produktion pro Tag innerhalb von 24 Stunden unter Beachtung der physischen, technischen oder rechtlichen Beschränkungen, die der Schlachtbetrieb auch tatsächlich beachtet, jedoch nicht niedriger als seine tatsächlich erreichte Produktion, zu berechnen ist, oder kann die „[K]apazität“ niedriger sein als die tatsächlich erreichte Produktion, z. B. wenn die tatsächlich erreichte Produktion unter Missachtung der physischen, technischen oder rechtlichen Beschränkungen der Produktion, die bei der Berechnung der „[K]apazität“ vorausgesetzt werden, erfolgt ist?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

32      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der Richtlinie 2010/75 dahin auszulegen ist, dass bei der Berechnung der Produktionskapazität, über die ein Schlachthaus in Bezug auf Schweineschlachtkörper verfügt, das Gewicht der Tiere unmittelbar nach der Schlachtung oder ihr Gewicht nach dem Ausbluten, der Entfernung der Organe und Eingeweide, dem Abtrennen von Kopf und Hals sowie dem Abkühlen zu berücksichtigen ist.

33      Aus der Gesamtbetrachtung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Nr. 3, Art. 4 Abs. 1, Art. 10 und Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der Richtlinie 2010/75 ergibt sich, dass jede Anlage, in der eine Tätigkeit des „Betrieb[s] von Schlachthäusern mit einer Produktionskapazität von mehr als 50 t Schlachtkörper[n] pro Tag“ ausgeübt wird, in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fällt und einer Genehmigungspflicht nach dieser unterliegt.

34      Nach ständiger Rechtsprechung folgt aus den Erfordernissen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitssatzes, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen. Zudem sind Bedeutung und Tragweite von Begriffen, die das Unionsrecht nicht definiert, entsprechend ihrem üblichen Sinn und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie verwendet werden, und der Ziele der Regelung, zu der sie gehören, zu bestimmen (Urteil vom 13. Oktober 2022, Gemeinde Bodman-Ludwigshafen, C‑256/21, EU:C:2022:786, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Hierzu ist festzustellen, dass der in Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der Richtlinie 2010/75 verwendete Begriff „Schlachtkörper“ in dieser Richtlinie nicht definiert wird und dass die Richtlinie für die Ermittlung des Sinnes und der Tragweite dieses Begriffs nicht ausdrücklich auf das nationale Recht verweist.

36      Was den Zusammenhang betrifft, in den sich diese Bestimmung einfügt, ist jedoch hervorzuheben, dass der Begriff „Schlachtkörper“ in anderen Rechtsakten der Union definiert wird, die für die von einem Schlachthaus ausgeübte Tätigkeit der Produktion von Schweineschlachtkörpern relevant sind, darunter insbesondere die Verordnung Nr. 1308/2013, mit der eine gemeinsame Marktorganisation u. a. für die Erzeugnisse des Schweinefleischsektors errichtet wird. Diese Verordnung enthält in ihrem Anhang IV Teil B Vorschriften über das Handelsklassenschema der Union für Schlachtkörper im Schweinefleischsektor zum Zweck der Aufzeichnung von Preisen und der Anwendung der Interventionsregelungen in diesem Sektor.

37      Nach diesem Anhang IV bezeichnet der Begriff „Schlachtkörper“ bei Schweinen den ganzen oder längs der Mittellinie geteilten Körper eines geschlachteten Schweins, ausgeblutet und ausgeweidet. Ebenso ergibt sich aus den in Anhang IV enthaltenen Vorschriften über die Aufmachung der Schlachtkörper, dass bei Schweinen die Zunge, die Borsten, die Klauenschuhe, die Geschlechtsorgane, das Flomen, die Nieren und das Zwerchfell entfernt werden müssen.

38      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie 96/61, mit der erstmals die sich nunmehr aus der Richtlinie 2010/75 ergebende Genehmigungspflicht für den Betrieb von Schlachthäusern eingeführt wurde, wie auch zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinien 2008/1 und 2010/75 im Wesentlichen identische Definitionen und Vorschriften zur Standardaufmachung in Kraft waren, die für Schweineschlachtkörper im Bereich der gemeinsamen Marktorganisation galten.

39      Wie im Übrigen aus Rn. 10 des vorliegenden Urteils hervorgeht, war Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der Richtlinien 96/61 und 2008/1 ähnlich formuliert wie Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der Richtlinie 2010/75.

40      Die in Rn. 38 des vorliegenden Urteils genannten Definitionen und Vorschriften zur Standardaufmachung waren zunächst in Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3220/84 und dann in Anhang V der Verordnung Nr. 1234/2007 enthalten.

41      Aus der Verordnung Nr. 1308/2013 und den in der vorstehenden Randnummer genannten Verordnungen, insbesondere aus Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 1308/2013 und Art. 8 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 1234/2007 sowie Art. 2 Abs. 2 der Verordnung Nr. 3220/84, ergibt sich, dass das Gewicht der darin definierten Schlachtkörper seit der Verordnung Nr. 3220/84 bei der Anwendung dieser Regelung ein Referenzkriterium für die Berechnung der Referenzpreise darstellt.

42      Außerdem ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2 der Verordnung Nr. 3220/84, die in Kraft war, als die erste Richtlinie erlassen wurde, mit der die Genehmigungspflicht für den Betrieb von Schlachthäusern mit einer Produktionskapazität von mehr als 50 t Schlachtkörpern pro Tag eingeführt wurde – nämlich die Richtlinie 96/61 –, dass sich beim Wiegen von Schweineschlachtkörpern nach der Schlachtung das Gewicht auf den Schlachtkörper in der von dieser Verordnung vorgesehenen Standardangebotsform bezog, auch wenn die Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen ermächtigt werden konnten, eine andere Angebotsform zuzulassen.

43      Unter diesen Umständen und angesichts des Maßes an Klarheit und Genauigkeit, mit dem der sich aus diesen Rechtsakten ergebende Begriff „Schlachtkörper“ definiert wird, ist davon auszugehen, dass sich der Unionsgesetzgeber beim Erlass der Richtlinie 2010/75 und ihrer Vorgängerrichtlinien gerade auf diesen Begriff „Schlachtkörper“ beziehen wollte, auch wenn es in den Rechtsvorschriften der Union im Bereich der öffentlichen Gesundheit andere Definitionen dieses Begriffs gibt.

44      Daraus folgt, dass bei der Berechnung der Produktionskapazität von Schweineschlachtkörpern eines Schlachthauses im Sinne von Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der Richtlinie 2010/75 nicht das Gewicht der Tiere unmittelbar nach der Schlachtung zu berücksichtigen ist, sondern ihr Gewicht nach dem Ausbluten und Ausweiden und nach der Entfernung der Zunge, der Borsten, der Klauenschuhe, der Geschlechtsorgane, des Flomens, der Nieren und des Zwerchfells.

45      Diese Auslegung wird auch durch den Umstand gestützt, dass der Begriff „Schlachtkörper“ in Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der Richtlinie 2010/75 im Zusammenhang mit dem Wort „Produktion“ verwendet wird („Produktion … von … Schlachtkörper[n]“), was im Einklang mit dem ersten Satz des einleitenden Textes dieses Anhangs I steht, wonach „[d]ie [in diesem Anhang] genannten Schwellenwerte … sich allgemein auf Produktionskapazitäten oder Leistungen [beziehen]“. Der Begriff „Produktion“ passt nämlich, wenn er sich auf Tierkörper bezieht, grundsätzlich eher zu einem Vorgang, an dessen Ende das von dem Tier stammende Fleischerzeugnis einer ersten Behandlung oder Aufmachung im Hinblick auf seine künftige Vermarktung unterzogen wird, als zu einer isolierten Handlung wie der Schlachtung, die lediglich darin besteht, das Tier zu töten.

46      Die Auslegung von Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der Richtlinie 2010/75 im Licht der in der Verordnung Nr. 1308/2013 enthaltenen Definition der Schweineschlachtkörper und der dortigen Vorschriften über die Standardaufmachung solcher Schlachtkörper wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass in einigen Sprachfassungen dieser Richtlinie nicht wörtlich auf den in dieser Verordnung definierten Begriff Bezug genommen wird.

47      Zum einen ähneln die in der bulgarischen („трупно месо“), der ungarischen („vágott súly“) und der schwedischen („slaktvikt“) Sprachfassung der Richtlinie verwendeten Begriffe, nämlich „Fleisch des Schlachtkörpers“ (Bulgarisch) und „Schlachtkörpergewicht“ (Ungarisch und Schwedisch), begrifflich sehr stark den in den entsprechenden drei Sprachfassungen der Verordnung Nr. 1308/2013 verwendeten Begriffen („кланичен труп“, „hasított test“ und „slaktkropp“), nämlich „Schlachttierkörper“ und „Schlachtkörper“.

48      Zum anderen steht der Umstand, dass die in der niederländischen („geslachte dieren“), der tschechischen („kapacita porážky“), der slowakischen („kapacita zabitia“) und der slowenischen („zmogljivostjo zakola“) Sprachfassung der Richtlinie 2010/75 verwendeten Ausdrücke, nämlich „geschlachtete Tiere“ (Niederländisch) und „Schlachtkapazität“ (Tschechisch, Slowakisch und Slowenisch), nicht den Begriff „Schlachtkörper“ beinhalten, einer Auslegung, die die Definition dieses Begriffs in der genannten Verordnung berücksichtigt, nicht entgegen.

49      Die Tatsache, dass die Verordnung Nr. 1308/2013 andere Ziele verfolgt als die Richtlinie 2010/75, reicht für sich genommen nicht aus, um eine unterschiedliche Auslegung ein und desselben Begriffs, der in zwei Regelungen über denselben Sektor verwendet wird, zu rechtfertigen.

50      Zwar besteht das mit der Richtlinie 2010/75 gemäß ihrem Art. 1 verfolgte Ziel darin, die Umweltverschmutzung infolge industrieller Tätigkeiten in integrierter Weise zu vermeiden und zu vermindern. Allerdings gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Unionsgesetzgeber im vorliegenden Fall die Grenzen seines weiten Ermessens überschritten hätte – das ihm eingeräumt ist, wenn sein Handeln politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen beinhaltet und wenn er komplexe Beurteilungen und Bewertungen vornehmen muss –, als er sich für die Zwecke der Berechnung der Produktionskapazität von Schlachthäusern im Sinne von Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der Richtlinie 2010/75 auf das Gewicht der Schlachtkörper, wie sie in den aufeinanderfolgenden Verordnungen Nrn. 3220/84, 1234/2007 und 1308/2013 definiert sind, bezog.

51      Schließlich geht, wie die Generalanwältin in den Nrn. 66 und 67 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, aus dem von der Europäischen Kommission nach Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 96/61 erstellten Referenzdokument über die besten verfügbaren Techniken für Schlachthäuser hervor, dass der betreffende Wirtschaftssektor und insbesondere seine Akteure, denen die Verpflichtung zum Besitz der erforderlichen vorherigen Genehmigung unter Androhung etwaiger Sanktionen obliegt, seit dem Inkrafttreten dieser Richtlinie davon ausgegangen sind, dass unter Schlachtkörpern die verarbeiteten Tierkörper nach der Entfernung erheblicher Anteile zu verstehen sind.

52      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der Richtlinie 2010/75 dahin auszulegen ist, dass bei der Berechnung der Produktionskapazität, über die ein Schlachthaus in Bezug auf Schweineschlachtkörper verfügt, das Gewicht der geschlachteten, ausgebluteten und ausgeweideten Schweine ohne Zunge, Borsten, Klauenschuhe, Geschlechtsorgane, Flomen, Nieren und Zwerchfell zu berücksichtigen ist.

 Zur zweiten und zur dritten Frage

53      Mit seiner zweiten und seiner dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der Richtlinie 2010/75 dahin auszulegen ist, dass, wenn die tägliche Produktionskapazität von Schlachtkörpern eines in Betrieb befindlichen Schlachthauses, das nicht über die nach Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie erforderliche Genehmigung verfügt, auf der Grundlage der tatsächlichen monatlichen Produktionsmenge des Schlachthauses berechnet wird,

–        diese Berechnung neben den Tagen, an denen die Tiere geschlachtet werden, auch die Tage umfassen muss, an denen andere Schritte der Schlachtkörperproduktion durchgeführt werden, und

–        physische, technische und rechtliche Beschränkungen zu beachten sind, die die Produktionskapazität des Schlachthauses begrenzen können, so dass seine Produktionskapazität niedriger sein kann als seine tatsächliche Produktion, insbesondere wenn diese unter Missachtung dieser Beschränkungen erreicht worden ist.

54      Im üblichen Sinne bezieht sich die „Produktionskapazität“ eines Schlachthauses auf die Schlachtkörpermenge, die das Schlachthaus produzieren kann.

55      Die Bewertung der Kapazität eines Schlachthauses, um festzustellen, ob dieses genehmigungspflichtig ist, ist daher grundsätzlich ex ante im Hinblick auf die Kapazität der Betriebsanlagen, über die es verfügt, vorzunehmen. Wie die Generalanwältin in den Nrn. 28 und 29 ihrer Schlussanträge unter Bezugnahme auf den Leitfaden der Kommission vom 1. April 2007 für die Auslegung und Bestimmung der Kapazität gemäß der Richtlinie 96/61 (Guidance on Interpretation and Determination of Capacity under the IPPC Directive) ausgeführt hat, der zwar nicht verbindlich ist, aber zur Klärung der Systematik dieser Richtlinie und damit auch der Richtlinie 2010/75 beitragen kann (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Dezember 2021, Apollo Tyres [Hungary], C‑575/20, EU:C:2021:1024, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung), sind in diesem Zusammenhang die relevanten physischen, technischen und rechtlichen Beschränkungen sowie die Kapazität des Teils der Anlage oder des Produktionsschritts zu berücksichtigen, der die Gesamtkapazität des betreffenden Schlachthauses am stärksten beschränkt. Würden diese Beschränkungen nicht berücksichtigt, entspräche die so bestimmte Kapazität der Anlage nämlich nicht dem, was unter Beachtung der für die in Rede stehende Tätigkeit geltenden Rechtsvorschriften praktisch erreichbar ist.

56      Zeigen jedoch die Produktionsdaten eines Schlachthauses, das nicht über eine solche Genehmigung verfügt, dass dieses Schlachthaus Schlachtkörpermengen produziert, die über die in Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der Richtlinie 2010/75 genannten Mengen hinausgehen, muss allein dieser Umstand zu der Annahme führen, dass das Schlachthaus mindestens über eine diesen Mengen entsprechende Produktionskapazität verfügt und die in Rede stehende Produktion somit unter Verstoß gegen das Genehmigungserfordernis nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie erfolgt ist.

57      In diesem Zusammenhang kann der von PO und Moesgaard Meat in ihren schriftlichen Erklärungen vorgebrachten Argumentation nicht gefolgt werden, wonach das von Moesgaard Meat tatsächlich erreichte Produktionsniveau von Schlachtkörpern bei der Berechnung der Produktionskapazität des betreffenden Schlachthauses nicht berücksichtigt werden könne, wenn das tatsächliche Produktionsniveau unter Missachtung der Beschränkungen erreicht worden sei, die sich aus den für die in Rede stehende Tätigkeit geltenden Rechtsvorschriften ergäben – im vorliegenden Fall durch illegal aufgestellte Kühlcontainer.

58      Wie sich nämlich aus Art. 1 der Richtlinie 2010/75 bei einer Betrachtung im Licht deren zweiten Erwägungsgrundes ergibt, zielt diese Richtlinie darauf ab, die Umweltverschmutzung durch die wichtigsten Industrietätigkeiten zu vermeiden, zu vermindern und so weit wie möglich zu beseitigen. Da die tatsächliche Produktion die Quelle der Umweltverschmutzung ist, die mit der Richtlinie vermieden, vermindert und beseitigt werden soll, ist daher ein Schlachthaus, dessen tatsächliche Schlachtkörperproduktion über dem in Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der Richtlinie vorgesehenen Schwellenwert liegt, jedenfalls als Anlage, in der solche Industrietätigkeiten ausgeübt werden, und folglich als nach dieser Richtlinie genehmigungspflichtig anzusehen, unabhängig davon, ob dieses Produktionsniveau auf rechtmäßige oder rechtswidrige Weise erreicht worden ist.

59      Im Übrigen ist die Produktion von Mengen, die die in Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der Richtlinie 2010/75 genannten Mengen während eines bestimmten Zeitraums überschreiten, grundsätzlich – bei unveränderter Betriebsausstattung des betreffenden Schlachthauses und sofern sich die für die in Rede stehende Tätigkeit geltenden physischen, technischen und rechtlichen Beschränkungen nicht geändert haben – als Hinweis auf das Vorliegen mindestens einer solchen Kapazität auch im Hinblick auf andere Zeiträume des Betriebs dieses Schlachthauses anzusehen, während derer gegebenenfalls, z. B. aufgrund eines Rückgangs der aktuellen Nachfrage, die Produktionskapazität des Schlachthauses nicht voll ausgenutzt wurde und die von diesem Schlachthaus produzierten Mengen daher unter den in Nr. 6.4 Buchst. a genannten Mengen lagen.

60      Sofern die Daten über die tatsächliche tägliche Schlachtkörperproduktion des betreffenden Schlachthauses fehlen und die tägliche Produktionskapazität von Schlachtkörpern nicht ordnungsgemäß ex ante bewertet wurde, um die Notwendigkeit der nach der Richtlinie 2010/75 erforderlichen Genehmigung gemäß den Ausführungen in Rn. 55 des vorliegenden Urteils festzustellen, sondern aus den Daten der durchschnittlichen täglichen Produktion abgeleitet wird, die auf der Grundlage der tatsächlichen monatlichen Produktionsmengen dieses Schlachthauses berechnet wurden, so bedeutet dies zwangsläufig, dass bei der Berechnung der durchschnittlichen täglichen Produktion nicht nur die „Schlachttage“, sondern auch die Tage zu berücksichtigen sind, an denen andere Schritte der Schlachtkörperproduktion, nämlich die in Rn. 44 des vorliegenden Urteils genannten sowie die ihnen vorangegangenen, durchgeführt werden.

61      Im vorliegenden Fall würde dies erfordern, die Samstage und Sonntage zu berücksichtigen, an denen die Tätigkeit des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Schlachthauses laut den Angaben von PO und Moesgaard Meat, die von diesen zu belegen und vom vorlegenden Gericht zu prüfen sind, in der Annahme der Tiere, ihrer Verbringung in den Stall und ihrer Vorbereitung für die Schlachtung sowie in der Beendigung der in Rn. 52 des vorliegenden Urteils genannten Arbeiten nach der Schlachtung bestand.

62      Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der Richtlinie 2010/75 dahin auszulegen ist, dass, wenn die tägliche Produktionskapazität von Schlachtkörpern eines in Betrieb befindlichen Schlachthauses, das nicht über eine Genehmigung nach Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie verfügt, auf der Grundlage der tatsächlichen monatlichen Produktionsmenge des Schlachthauses berechnet wird, diese Berechnung neben den Tagen, an denen die Tiere geschlachtet werden, auch die Tage umfassen muss, an denen andere Schritte der Schlachtkörperproduktion durchgeführt werden. Dagegen sind in diesem Zusammenhang etwaige physische, technische oder rechtliche Beschränkungen, die die Produktionskapazität des Schlachthauses begrenzen könnten, nicht zu berücksichtigen.

 Kosten

63      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1.      Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung)

ist dahin auszulegen, dass

bei der Berechnung der Produktionskapazität, über die ein Schlachthaus in Bezug auf Schweineschlachtkörper verfügt, das Gewicht der geschlachteten, ausgebluteten und ausgeweideten Schweine ohne Zunge, Borsten, Klauenschuhe, Geschlechtsorgane, Flomen, Nieren und Zwerchfell zu berücksichtigen ist.

2.      Anhang I Nr. 6.4 Buchst. a der Richtlinie 2010/75

ist dahin auszulegen, dass,

wenn die tägliche Produktionskapazität von Schlachtkörpern eines in Betrieb befindlichen Schlachthauses, das nicht über die nach Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie erforderliche Genehmigung verfügt, auf der Grundlage der tatsächlichen monatlichen Produktionsmenge des Schlachthauses berechnet wird, diese Berechnung neben den Tagen, an denen die Tiere geschlachtet werden, auch die Tage umfassen muss, an denen andere Schritte der Schlachtkörperproduktion durchgeführt werden. Dagegen sind in diesem Zusammenhang etwaige physische, technische oder rechtliche Beschränkungen, die die Produktionskapazität des Schlachthauses begrenzen könnten, nicht zu berücksichtigen.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Dänisch.