Language of document : ECLI:EU:T:2014:199

Rechtssache T‑623/11

Pico Food GmbH

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt
(Marken, Muster und Modelle) (HABM)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren - Gemeinschaftsmarkenanmeldung MILANÓWEK CREAM FUDGE – Ältere nationale Bildmarken mit der Darstellung einer Kuh, Original Sahne Muh-Muhs HANDGESCHNITTEN HANDGEWICKELT und SAHNE TOFFEE LUXURY CREAM FUDGE – Relatives Eintragungshindernis – Keine Verwechslungsgefahr – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Art. 76 Abs. 1 der Verordnung [EG] Nr. 207/2009“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 9. April 2014

1.      Gemeinschaftsmarke – Verfahrensvorschriften – Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen – Widerspruchsverfahren – Auf das Vorbringen beschränkte Prüfung –Berücksichtigung offenkundiger Tatsachen – Prüfung einer Rechtsfrage von Amts wegen – Voraussetzung

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 76 Abs. 1)

2.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke – Gefahr der Verwechslung mit der älteren Marke – Beurteilungskriterien

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b)

3.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke – Ähnlichkeit der betreffenden Marken – Beurteilungskriterien – Zusammengesetzte Marke

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b)

4.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke – Gefahr der Verwechslung mit der älteren Marke – Vergleich zwischen den betreffenden Zeichen – Ältere Marke, die nicht in einer speziellen Farbe eingetragen worden ist

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b)

5.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke – Gefahr der Verwechslung mit der älteren Marke – Bildmarke mit der Darstellung einer Kuh und den Wortbestandteilen MILANÓWEK CREAM FUDGE – Bildmarken mit der Darstellung einer Kuh und den Wortbestandteilen Original Sahne Muh-Muhs HANDGESCHNITTEN HANDGEWICKELT und SAHNE TOFFEE LUXURY CREAM FUDGE

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b)

6.      Gemeinschaftsmarke – Entscheidungen des Amtes – Grundsatz der Gleichbehandlung – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Vorherige Entscheidungspraxis des Amtes – Gebot rechtmäßigen Handelns – Erforderlichkeit einer strengen und umfassenden Prüfung jedes konkreten Falles

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates)

1.      Nach Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 über die Gemeinschaftsmarke darf die Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) ihre Entscheidung über eine Beschwerde, mit der eine ein Widerspruchsverfahren abschließende Entscheidung angefochten wurde, nur auf die von dem betroffenen Verfahrensbeteiligten geltend gemachten relativen Eintragungshindernisse und die von den Verfahrensbeteiligten hierzu vorgetragenen Tatsachen und beigebrachten Beweise stützen. Dies schließt jedoch insbesondere nicht aus, dass die Beschwerdekammer neben den von den Beteiligten des Widerspruchsverfahrens ausdrücklich vorgetragenen Tatsachen offenkundige Tatsachen berücksichtigen kann oder dass sie eine Rechtsfrage prüft, obgleich sie von den Verfahrensbeteiligten nicht aufgeworfen wurde, wenn eine fehlerfreie Anwendung der einschlägigen Verordnungsbestimmungen dies erfordert.

(vgl. Rn. 19)

2.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 28-31)

3.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 36)

4.      Bei der Beurteilung des Vorliegens einer Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 über die Gemeinschaftsmarke sind die Zeichen in der Form zu vergleichen, in der sie eingetragen oder angemeldet wurden.

Wenn eine Gemeinschaftsmarke nicht in einer speziellen Farbe eingetragen ist, kann der Inhaber der Marke sie in einer Farbe oder Farbkombination benutzen und dafür gegebenenfalls den Schutz nach den einschlägigen Vorschriften erhalten, insbesondere wenn diese Farbe oder Farbkombination für einen erheblichen Teil des Publikums diejenige Farbe oder Farbkombination geworden ist, die von ihm mit dieser älteren Marke aufgrund deren Benutzung durch ihren Inhaber in dieser Farbe oder Farbkombination gedanklich in Verbindung gebracht wird. Das kann jedoch nicht bedeuten, dass die Eintragung einer Marke, mit der keine spezielle Farbe beansprucht wird, alle Farbkombinationen umfasst, die in der grafischen Darstellung enthalten sind.

(vgl. Rn. 38, 39)

5.      Aus der Sicht des deutschen Durchschnittsverbrauchers besteht zwischen dem als Gemeinschaftsmarke für „mit Schokolade überzogene und glasierte Früchte, mit Schokolade überzogene Rosinen, mit Schokolade überzogene und glasierte Haselnüsse, mit Schokolade überzogene und glasierte Erdnüsse, Fruchtgelees, Bonbons, feine Backwaren und Konditorwaren, insbesondere Bonbons, Karamellbonbons, Pralinen, Schokolade, Schokoladewaren, mit Schokolade glasierte Konditorwaren, Schokoriegel, Waffeln, feine Backwaren, mit Schokolade glasierte feine Backwaren“ der Klasse 30 des Abkommens von Nizza angemeldeten Bildzeichen mit der Darstellung einer Kuh und den Wortbestandteilen MILANÓWEK CREAM FUDGE und den früher in Deutschland für „Schokoriegel, Schokoladenprodukte; Zuckerwaren, Bonbons, Sahnebonbons, insbesondere hergestellt unter Verwendung von Milch, Sahne und/oder Butter“ in derselben Klasse eingetragenen Bildmarken mit der Darstellung einer Kuh und den Wortbestandteilen Original Sahne Muh-Muhs HANDGESCHNITTEN HANDGEWICKELT und SAHNE TOFFEE LUXURY CREAM FUDGE sowie anderen, den zuletzt genannten Marken ähnelnde Marken, keine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 über die Gemeinschaftsmarke, da die einander gegenüberstehenden Zeichen, selbst wenn sie insbesondere aufgrund der eine Kuh darstellenden Bildbestandteile eine gewisse Ähnlichkeit haben, erhebliche Unterschiede aufwiesen. Die Darstellung einer Kuh stellt nämlich eine Anspielung auf die betroffenen Waren dar. Dieser Bestandteil verfügt daher nur über geringe Kennzeichnungskraft.

Außerdem erlaubt selbst unter der Annahme, dass den älteren Marken durch Benutzung im relevanten Gebiet erhöhte Kennzeichnungskraft zukommt, dieser mögliche Umstand im vorliegenden Fall nicht die Feststellung einer Verwechslungsgefahr, und zwar trotz der Identität der betroffenen Waren. Insoweit besteht ein Unterschied zwischen der im Rahmen des Zeichenvergleichs gewonnenen Auffassung, dass einer der Bestandteile einer komplexen Marke über geringe Kennzeichnungskraft verfügt, und der im Rahmen der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr gewonnenen Auffassung, dass einer älteren Marke durch Benutzung erhöhte Kennzeichnungskraft zukommt oder nicht.

(vgl. Rn. 44, 46, 50-52)

6.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 45)