Language of document : ECLI:EU:T:2012:501

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

27. September 2012(*)

„Fünftes Rahmenprogramm im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration – Verträge über die Projekte ‚Formation of a New Design House for MST‘ und ‚Assessment of a New Anodic Bonder‘ – Wiedereinziehung eines Teils des geleisteten Zuschusses – Vollstreckbare Entscheidung – Entscheidung, die während des Verfahrens die angefochtene Entscheidung ändert – Rechtsgrundlage der Klage – Natur der Klagegründe – Vertrauensschutz – Begründungspflicht – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung“

In der Rechtssache T‑387/09

Applied Microengineering Ltd mit Sitz in Didcot (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte P. Walravens und J. De Wachter, dann Rechtsanwälte P. Walravens und J. Blockx,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch S. Petrova als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt R. Van der Hout,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung C(2009) 5797 der Kommission vom 16. Juli 2009 betreffend die Wiedereinziehung eines Betrags von 258 560,61 Euro zuzüglich Zinsen, den die Klägerin im Rahmen der Projekte IST‑1999‑11823 FOND MST (Formation of a New Design House for MST) und IST‑2000‑28229 ANAB (Assessment of a New Anodic Bonder) schuldet,

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen sowie der Richter N. Wahl und S. Soldevila Fragoso (Berichterstatter),

Kanzler: T. Weichert, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juni 2012

folgendes

Urteil

 Rechtlicher Rahmen

1        Gemäß Art. 256 Abs. 1 EG sind „[d]ie Entscheidungen des Rates oder der Kommission, die eine Zahlung auferlegen, … vollstreckbare Titel; dies gilt nicht gegenüber Staaten“.

2        Art. 72 Abs. 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 248, S. 1) bestimmt, dass „[das] Organ … die Feststellung einer Forderung gegenüber anderen Schuldnern als Staaten durch eine Entscheidung formalisieren [kann], die ein vollstreckbarer Titel gemäß Artikel 256 [EG] ist“.

 Sachverhalt

3        Die Europäische Gemeinschaft, vertreten durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, schloss mit der Applied Microengineering Ltd (im Folgenden: Klägerin) im Rahmen des Fünften Rahmenprogramms der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration (1998-2002) zwei Verträge über Zuschüsse.

4        Ein erster Vertrag mit dem Aktenzeichen IST‑1999‑11823 und der Überschrift „Formation of a New Design House for MST“ (im Folgenden: Vertrag FOND MST) wurde zwischen der Gemeinschaft, vertreten durch die Kommission, und der Klägerin als einzigem Hauptvertragspartner am 21. Dezember 1999 für eine Dauer von 24 Monaten ab dem 1. Januar 2000 geschlossen. Für diesen Vertrag galten die allgemeinen Bedingungen der Version „ein Auftragnehmer“ des Mustervertrags für spezifische flankierende Maßnahmen zur Einführung von Technologien.

5        Ein zweiter Vertrag mit dem Aktenzeichen IST‑2000‑28229 und der Überschrift „Assessment of a New Anodic Bonder“ (im Folgenden: Vertrag ANAB) wurde zwischen der Gemeinschaft, vertreten durch die Kommission, und vier Unternehmen, darunter die Klägerin, am 14. November 2001 für eine Dauer von zunächst 15 Monaten ab dem 1. Dezember 2001 geschlossen. Dieser Vertrag wurde fünfmal geändert, um Änderungen in den Angaben betreffend verschiedene Vertragspartner zu berücksichtigen, um die Laufzeit auf insgesamt 25 Monate zu verlängern und um mit Wirkung vom 1. August 2003 den Koordinator des Projekts auszuwechseln, womit die Klägerin an die Stelle eines anderen Unternehmens trat. Für diesen Vertrag galten die allgemeinen Bedingungen der Version „mehrere Auftragnehmer“ des Mustervertrags für spezifische flankierende Maßnahmen zur Einführung von Technologien.

6        Im Verhandlungsverfahren für beide Verträge füllte die Klägerin jeweils ein Formular zur Vertragsvorbereitung (Contract Preparation Form, im Folgenden: Formular) aus, in dem Angaben zum Inhalt des Projekts sowie eine vorläufige Übersicht über die Kosten und deren Verteilung auf die einzelnen Jahre verlangt werden. Sie verwies dabei auf Finanzierungs- und Rechnungslegungsregeln, die sie der Kommission bereits im Rahmen eines früheren Vertrags übermittelt hatte, für den nach dem Vierten Rahmenprogramm im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration (1994–1998) ein Zuschuss gewährt worden war und bei dem sie ihren Stundensätzen „Durchschnittsvergütungen“ und nicht die tatsächlichen Vergütungen zugrunde gelegt hatte. Die Klägerin übermittelte der Kommission das Formular für den Vertrag FOND MST am 10. November 1999 und das Formular für den Vertrag ANAB im März 2001.

7        Laut Art. 3 Abs. 1 des Vertrags FOND MST bzw. des Vertrags ANAB werden die zuschussfähigen Projektkosten auf 450 000 bzw. 918 808 Euro veranschlagt. Gemäß dem jeweiligen Art. 3 Abs. 2 bezuschusst die Gemeinschaft diese Kosten bis zu einem Höchstbetrag von 450 000 bzw. 560 000 Euro. Gemäß dem jeweiligen Art. 3 Abs. 3 werden diese Zuschüsse entsprechend den im Art. 3 des jeweiligen Anhangs II dieser Verträge festgelegten Modalitäten gezahlt, und zwar im Fall des Vertrags FOND MST auf das Bankkonto der Klägerin und im Fall des Vertrags ANAB auf das Bankkonto des Koordinators, der sie an die Hauptvertragspartner auszahlen muss.

8        Gemäß Art. 3 Abs. 3 des jeweiligen Anhangs II dieser Verträge sind von der Kommission geleistete Zahlungen bis zur Abnahme des letzten Liefergegenstands als bloße Vorschüsse anzusehen.

9        Gemäß Art. 3 Abs. 4 haben die Vertragspartner der Kommission, sofern die genannten Zahlungen den von ihr tatsächlich geschuldeten Betrag übersteigen, den Differenzbetrag an sie binnen einer von ihr per Einschreiben mit Rückschein gesetzten Frist zurückzuzahlen. Erfolgt die Rückzahlung nicht binnen dieser Frist, ist der geschuldete Betrag zu dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) für ihre Hauptrefinanzierungsgeschäfte zugrunde gelegten und am ersten Kalendertag des Monats, in dem die von der Kommission gesetzte Frist abläuft, geltenden Zinssatz zuzüglich 1,5 Prozentpunkte zu verzinsen, sofern die Zinsen nicht nach einer anderen Vertragsbestimmung anfallen. Die Verzinsung läuft von dem Tag nach der von der Kommission gesetzten Frist bis zum Tag des Zahlungseingangs.

10      Weiter bestimmt der genannte Art. 3 Abs. 4, dass, sofern die Kommission beschließt, eine ihr gegen einen Vertragspartner zustehende Forderung einzuziehen, die Einziehungsanordnung einen vollstreckbaren Titel im Sinne des Art. 256 EG darstellt.

11      Für die Verträge FOND MST und ANAB gilt nach ihrem jeweiligen Art. 5 Abs. 1 belgisches Recht. Art. 5 Abs. 2 enthält jeweils eine Schiedsklausel im Sinne von Art. 238 EG, nach der für jede Streitigkeit zwischen der Gemeinschaft einerseits und den anderen Vertragspartnern andererseits über die Gültigkeit, die Anwendung oder die Auslegung dieser Verträge ausschließlich das Gericht oder in der Rechtsmittelinstanz der Gerichtshof zuständig ist.

12      Gemäß Art. 17 Abs. 1 des jeweiligen Anhangs II der beiden Verträge kann „die Kommission oder eine von ihr bevollmächtigte Person … jederzeit während des Vertrags und bis zum Ablauf von fünf Jahren nach jeder Zahlung des Gemeinschaftsbeitrags, wie sie in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 des vorliegenden Anhangs festgelegt ist, mit einer Finanzprüfung beginnen“.

13      Auf der Grundlage dieser Bestimmungen beauftragte die Kommission ein Wirtschaftsprüfungsbüro mit einer Finanzprüfung der Kostenaufstellungen der Klägerin, die darüber am 16. August 2005 unterrichtet wurde. Diese Prüfung fand vom 13. bis 17. Februar 2006 statt, und das Wirtschaftsprüfungsbüro übermittelte der Klägerin am 22. September 2006 auf dem Postweg und per E‑Mail einen Vorbericht. Da die Papierfassung dieses Dokuments nicht bei der Klägerin eingegangen war, übermittelte das Wirtschaftsprüfungsbüro das Dokument am 6. November 2006 erneut per E‑Mail und setzte der Klägerin gemäß Art. 17 Abs. 3 des jeweiligen Anhangs II der beiden Verträge eine Frist von einem Monat zur Stellungnahme. In diesem Bericht war eine Reihe von Anpassungserfordernissen angeführt, die sich auf Personalkosten, die Heranziehung eines Unterauftragnehmers, Reisekosten und bestimmte andere Kosten bezogen.

14      Der Finanzdirektor der Klägerin, der für den Kontakt mit dem Wirtschaftsprüfungsbüro zuständig war, beantragte für die Stellungnahme zu dem Bericht eine Fristverlängerung um eine Woche, die ihm am 13. Dezember 2006 gewährt wurde, gab aber letztlich trotz zweier Erinnerungen am 10. und am 17. Januar 2007 und einer weiteren auf Antrag vom 17. Januar 2007 gewährten Fristverlängerung keine Stellungnahme ab. Das Wirtschaftsprüfungsbüro unterzeichnete daher seinen Bericht am 20. April 2007. Mit Einschreiben vom 21. Mai 2007 unterrichtete die Kommission die Klägerin, dass die Finanzprüfung ohne ihre Stellungnahme abgeschlossen worden sei und dass sie das Ergebnis dieses Berichts bestätige. In dem von der Kommission genehmigten endgültigen Abschlussbericht wurde somit befunden, dass die von ihr ursprünglich genehmigten Kosten in Höhe von 135 262,94 Euro im Fall des Vertrags FOND MST und 123 297,67 Euro im Fall des Vertrags ANAB anzupassen seien.

15      Gemäß Art. 17 Abs. 4 des jeweiligen Anhangs II dieser beiden Verträge kann die Kommission auf der Grundlage des Ergebnisses der Finanzprüfung alle geeigneten Maßnahmen ergreifen, die sie für notwendig erachtet, einschließlich der Ausstellung einer Anordnung zur Einziehung aller oder eines Teils der von ihr geleisteten Zahlungen.

16      Am 6. September 2007 übermittelte die Kommission der Klägerin dementsprechend zwei Schreiben, in denen sie sie vorab darüber unterrichtete, dass infolge des Ergebnisses der Finanzprüfung die von der Kommission vorschussweise an sie gezahlte Beteiligung an den nicht zuschussfähigen Kosten wieder eingezogen werde. Weiter teilte sie ihr mit, dass ihre Dienststellen verpflichtet seien, den Finanzbeitrag der Gemeinschaft in Höhe von 135 262,94 Euro im Fall des Vertrags FOND MST und 123 297,67 Euro im Fall des Vertrags ANAB wieder einzuziehen. Belastungsanzeigen würden demnächst ergehen.

17      Mit Schreiben vom 22. Oktober 2007 richtete die Kommission an die Klägerin zwei Belastungsanzeigen über die Zahlung der Beträge von 135 262,94 Euro und 123 297,67 Euro bis zum 26. November 2007.

18      Mit E‑Mail vom 29. Oktober 2007 teilte der Finanzdirektor der Klägerin der Kommission mit, dass er den Prüfbericht nicht an seine Vorgesetzten weitergegeben habe, die über den Gang des Verfahrens nicht informiert seien, und dass er von seinem Posten zurückgetreten sei.

19      Am 9. November 2007 übersandte die Klägerin der Kommission eine Stellungnahme zu den in dem Prüfbericht untersuchten Punkten, in der sie u. a. auf die Probleme, die sich im Rahmen des Vertrags ANAB nach der Auswechselung des Koordinators ergeben hätten, die positive Bewertung der technischen Abschlussberichte und die Frage der zuschussfähigen Kosten angesichts der tatsächlichen Stundensätze und der Abweichungen zwischen den Abrechnungen über die Arbeitsstunden hinwies. Die Kommission übermittelte dieses Schreiben an das Wirtschaftsprüfungsbüro, das der Klägerin am 28. Januar 2008 antwortete. In ihrer Antwort vom 3. Juni 2008 auf dieses Schreiben nahm die Klägerin gegenüber der Kommission ergänzend Stellung und erkundigte sich nach dem Verfahren zur Anfechtung der beiden Belastungsanzeigen.

20      Am 22. August 2008 teilte die Kommission der Klägerin mit, dass in ihren Stellungnahmen zu dem Prüfbericht keine neuen Umstände angeführt seien, die eine Wiederaufnahme des Prüfverfahrens rechtfertigten.

21      Am 8. September 2008 beanstandete die Klägerin erneut das Ergebnis der Kommission, die ihr mit zwei Schreiben vom 24. Oktober 2010 die Berechnung der Verzugszinsen mitteilte.

22      Am 11. Februar 2009 focht die Klägerin die beiden Belastungsanzeigen an, und am 16. Juli 2009 erließ die Kommission die Entscheidung C(2009) 5797 betreffend die Rückzahlung eines Betrags von 258 560,61 Euro zuzüglich Zinsen, den die Klägerin im Rahmen der Projekte IST‑1999‑11823 FOND MST (Formation of a New Design House for MST) und IST‑2000‑28229 ANAB (Assessment of a New Anodic Bonder) schuldet; darin fordert die Kommission die Beträge von 135 262,94 Euro und 123 297,67 Euro zuzüglich Verzugszinsen auf der Grundlage von Art. 256 EG zurück (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

23      Aufgrund eines sachlichen Irrtums in der Belastungsanzeige betreffend den Vertrag ANAB stellte die Kommission zugunsten der Klägerin eine Gutschriftanzeige über einen Betrag von 57 227,32 Euro aus.

24      Am 25. März 2010 erließ die Kommission die Entscheidung C(2010) 2125 zur Korrektur der angefochtenen Entscheidung, mit der Art. 1 der angefochtenen Entscheidung durch einen neuen Artikel ersetzt wird, in dem die Höhe des von der Klägerin für den Vertrag ANAB zurückzuzahlenden Betrags abgeändert und auf 66 070,35 Euro statt 123 297,67 Euro festgesetzt wird.

 Verfahren und Anträge der Parteien

25      Mit Klageschrift, die am 26. September 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende, auf Art. 230 EG gestützte Klage erhoben.

26      Das Gericht (Sechste Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

27      Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 2012 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

28      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

29      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Entscheidungsgründe

30      Die Klägerin stützt ihre Klage auf sieben Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften. Mit dem zweiten macht sie geltend, dass die Forderung der Kommission verjährt sei. Drittens seien der Kommission hinsichtlich der Regeln betreffend zuschussfähige Kosten offensichtliche Beurteilungsfehler unterlaufen. Viertens seien soziale Grundrechte verletzt worden. Fünftens liege ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes vor. Sechstens sei die Begründung unzureichend. Mit ihrem siebten Klagegrund schließlich rügt die Klägerin einen Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung.

 Zu der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit

31      In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben, die sie darauf stützt, dass die Klägerin ihr Rechtsschutzinteresse verloren habe, da am 25. März 2010 eine Entscheidung zur Abänderung von Art. 1 der angefochtenen Entscheidung erlassen worden sei und die Klägerin keine Anpassung ihrer Anträge und Klagegründe beantragt habe.

32      Die Klägerin hält ihre Klage für weiterhin zulässig, da mit der Entscheidung vom 25. März 2010 nur eine offenbare Unrichtigkeit, die der Kommission bei der Festsetzung der Höhe der Forderung unterlaufen sei, habe berichtigt werden sollen und nicht die Änderung der anderen Aspekte der angefochtenen Entscheidung, darunter die Begründetheit der gegen sie erhobenen Forderung, die sie weiter bestreite, bezweckt worden sei.

33      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission zur Korrektur eines von der Klägerin in der Klageschrift beanstandeten Rechenfehlers während des vorliegenden Verfahrens eine Entscheidung erlassen hat, mit der Art. 1 der angefochtenen Entscheidung durch einen neuen Artikel ersetzt werden sollte, in dem die Höhe des von der Klägerin an sie für den Vertrag ANAB zurückzuzahlenden Betrags geändert und auf 66 070,35 Euro statt 123 297,67 Euro festgesetzt wurde. Dagegen wurden die anderen Bestandteile der angefochtenen Entscheidung durch die genannte Entscheidung nicht geändert.

34      Somit ist davon auszugehen, dass durch den Erlass der abändernden Entscheidung nur das Vorbringen, mit dem die Klägerin in der Klageschrift die fehlerhafte Berechnung der in Bezug auf den Vertrag ANAB einzuziehenden Beträge gerügt hat, gegenstandslos geworden ist und die Klägerin hinsichtlich aller anderen in der Klageschrift geltend gemachten Klagegründe und Argumente weiterhin ein Rechtsschutzinteresse hat.

 Zur Rechtsgrundlage der Klage

35      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin bestätigt, dass sie ihre Klage auf der Grundlage von Art. 230 EG erhoben habe. Die Kommission hält dagegen den zweiten und den vierten Klagegrund im Rahmen einer Nichtigkeitsklage für unzulässig.

36      Nach ständiger Rechtsprechung gehören Handlungen der Organe, die sich untrennbar in einen rein vertraglichen Rahmen einfügen, aufgrund ihrer Natur nicht zu den in Art. 249 EG genannten Rechtsakten (Beschlüsse des Gerichts vom 9. Januar 2001, Innova/Kommission, T‑149/00, Slg. 2001, II‑1, Randnr. 28, vom 10. Mai 2004, Musée Grévin/Kommission, T‑314/03, Slg. 2004, II‑1421, Randnr. 64, und Urteil des Gerichts vom 10. Juni 2009, ArchiMEDES/Kommission, T‑396/05 und T‑397/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 54).

37      Würde der Unionsrichter seine Zuständigkeit für solche Handlungen bejahen, würde er nämlich in Fällen, in denen der Vertrag keine Schiedsklausel enthält, seine Zuständigkeit möglicherweise über die ihm abschließend durch Art. 240 EG zur Entscheidung zugewiesenen Rechtsstreitigkeiten hinaus ausdehnen, da diese Bestimmung gerade den einzelstaatlichen Gerichten die allgemeine Zuständigkeit für die Entscheidung von Streitsachen überträgt, bei denen die Union Partei ist (Urteil des Gerichtshofs vom 11. Juli 1985, Maag/Kommission, 43/84, Slg. 1985, 2581, Randnr. 26; vgl. in diesem Sinne auch Beschluss des Gerichts vom 3. Oktober 1997, Mutual Aid Administration Services/Kommission, T‑186/96, Slg. 1997, II‑1633, Randnrn. 45 bis 52).

38      Im Unterschied zu den oben in Randnr. 36 genannten Handlungen gehören die vollstreckbaren Entscheidungen, von denen in Art. 256 EG die Rede ist, sofern nicht im EG-Vertrag anders bestimmt, zu den Entscheidungen im Sinne des Art. 249 EG, deren Begründetheit auf der Grundlage von Art. 230 EG nur vor dem für die Nichtigerklärung zuständigen Richter in Frage gestellt werden kann (Beschluss des Gerichts vom 13. September 2011, CEVA/Kommission, T‑224/09, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 59).

39      Dies gilt insbesondere, wenn eine vollstreckbare Entscheidung erlassen wird, um eine Forderung aus einem von einem Organ geschlossenen Vertrag einzuziehen. Selbst wenn in einem derartigen Vertrag, wie vorliegend der Fall, der Erlass solcher Entscheidungen ausdrücklich gestattet wäre, bliebe für ihre Rechtsnatur weiterhin nicht der Vertrag oder das nationale Recht, dem er unterliegt, sondern der EG-Vertrag, insbesondere dessen Art. 256, maßgeblich. Dieser sieht aber für vollstreckbare Entscheidungen, die zwecks Einziehung einer vertraglichen Forderung erlassen werden, keine abweichende rechtliche Regelung vor.

40      Der mit einer Nichtigkeitsklage nach Art. 230 EG befasste Unionsrichter hat die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Handlung auf der Grundlage des EG-Vertrags und jeder bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm, mithin des Unionsrechts, zu würdigen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember 1970, Internationale Handelsgesellschaft, 11/70, Slg. 1970, 1125, Randnr. 3). Dagegen kann ein Kläger im Rahmen einer nach Art. 238 EG erhobenen Klage dem Organ, das sein Vertragspartner ist, nur die Verletzung vertraglicher Bestimmungen oder die Verletzung des auf den Vertrag anwendbaren Rechts vorwerfen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 18. Dezember 1986, Kommission/Zoubek, 426/85, Slg. 1986, 4057, Randnr. 4, und Beschluss des Gerichts vom 8. Februar 2010, Alisei/Kommission, T‑481/08, Slg. 2010, II‑117, Randnrn. 94 bis 96).

41      Somit sind im vorliegenden Fall die in der Klageschrift vorgetragenen Klagegründe, die darauf abzielen, dass das Gericht auf der Grundlage der vertraglichen Bestimmungen oder des anwendbaren nationalen Rechts über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung entscheidet, die ein Vollstreckungstitel im Sinne von Art. 256 EG ist, als unzulässig zurückzuweisen.

42      Die einzelnen Klagegründe sind im Licht dieser Grundsätze zu prüfen.

 Zum ersten Klagegrund: Verletzung wesentlicher Formvorschriften

43      Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe wesentliche Formvorschriften verletzt, und zwar zum einen dadurch, dass sie mehrere an sie gerichtete Schreiben an eine falsche Adresse gesandt habe, und zum anderen, indem sie sich nach ihrer Stellungnahme geweigert habe, das Prüfverfahren wiederaufzunehmen. Die Kommission ist der Auffassung, keine wesentlichen Formvorschriften verletzt zu haben, und wirft der Klägerin, die ihr nur eine einzige Adressänderung mitgeteilt habe, Nachlässigkeit vor.

44      Dieser Klagegrund ist im Rahmen einer nach Art. 230 EG erhobenen Klage als unzulässig zurückzuweisen, da er lediglich auf wesentliche Formvorschriften, die in den vertraglichen Bestimmungen vorgesehen sind, und nicht auf eine Unionsrechtsnorm gestützt ist.

 Zum zweiten Klagegrund: Verjährung der Forderung der Kommission

45      Gemäß Art. 17 Abs. 1 des jeweiligen Anhangs II des Vertrags FOND MST und des Vertrags ANAB kann „die Kommission oder eine von ihr bevollmächtigte Person … jederzeit während des Vertrags und bis zum Ablauf von fünf Jahren nach jeder Zahlung des Gemeinschaftsbeitrags, wie sie in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 des vorliegenden Anhangs festgelegt ist, mit einer Finanzprüfung beginnen“. In Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Anhänge sind die Zahlungsmodalitäten des Gemeinschaftsbeitrags beschrieben, wobei unterschieden wird zwischen erstens dem „Vorschuss“, der innerhalb von höchstens 60 Tagen nach Unterzeichnung des Vertrags zu leisten ist, zweitens den „regelmäßigen Zahlungen“, die jeweils innerhalb von höchstens 60 Tagen nach dem Tag zu leisten sind, an dem die Kommission periodische Berichte, entsprechende Kostenaufstellungen oder andere Liefergegenstände im Rahmen des Projekts genehmigt hat, und drittens der „Schlusszahlung“, die innerhalb von höchstens 60 Tagen nach dem Tag zu leisten ist, an dem die Kommission den letzten Liefergegenstand im Rahmen des Projekts genehmigt hat.

46      Die Parteien streiten über die Auslegung dieses Art. 17 Abs. 1 des jeweiligen Anhangs II der beiden Verträge: Die Klägerin hält die Forderung der Kommission hinsichtlich der Zahlungen für verjährt, die mehr als fünf Jahre vor dem 27. September 2005, dem Tag des Beginns des Prüfverfahrens, betreffend Vorschüsse geleistet wurden, während nach Ansicht der Kommission die Verjährungsfrist erst ab der ersten Zahlung für tatsächlich angefallene Kosten beginnen konnte.

47      Da dieser Klagegrund die Auslegung von vertraglichen Bestimmungen betrifft, ist er im Rahmen einer nach Art. 230 EG erhobenen Klage als unzulässig zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: offensichtliche Beurteilungsfehler hinsichtlich der Regeln betreffend zuschussfähige Kosten

 Zum Verweis auf falsche Bestimmungen im Prüfbericht

48      Die Klägerin hat in der Erwiderung vorgetragen, sie habe anhand der Klagebeantwortung feststellen können, dass der Prüfer für den Vertrag ANAB eine falsche Nummerierung der Artikel verwendet habe, was die Nichtigkeit des gesamten Prüfverfahrens zur Folge habe.

49      Zwar ist es im Rahmen einer nach Art. 230 EG erhobenen Klage ein zulässiger Klagegrund, dass eine falsche Rechtsgrundlage gewählt worden sei, doch rügt die Klägerin im vorliegenden Fall, dass sich der Prüfer in seinem Bericht auf falsche Vertragsbestimmungen bezogen habe, und stellt nicht die Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung, nämlich Art. 256 EG sowie die Verordnung Nr. 1605/2002, in Frage. Diese Rüge ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

 Zu den offensichtlichen Beurteilungsfehlern betreffend die zuschussfähigen Kosten

50      Im Übrigen wirft die Klägerin der Kommission vor, offensichtliche Beurteilungsfehler hinsichtlich der für die zuschussfähigen Kosten anzuwendenden Regeln begangen zu haben, indem sie der vom Prüfer vorgenommenen Auslegung der vertraglichen Bestimmungen gefolgt sei.

51      Da dieses Vorbringen die Auslegung der vertraglichen Bestimmungen betrifft, ist es im Rahmen einer nach Art. 230 EG erhobenen Klage als unzulässig zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund: Verletzung sozialer Grundrechte

52      Die Klägerin trägt vor, die angefochtene Entscheidung habe zur Folge gehabt, dass ihre Beschäftigten weit unter Mindestlohn vergütet worden seien, was eine Missachtung des Rechts auf angemessene Vergütung und damit eine Verletzung der sozialen Grundrechte darstelle.

53      Jedoch lässt keine Bestimmung des Unionsrechts die Annahme zu, dass die Kommission für die Verwendung der im Rahmen des Fünften Rahmenprogramms im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration gewährten Mittel verantwortlich ist. Zudem wird mit der angefochtenen Entscheidung lediglich die Rückzahlung von Personalkosten gefordert, die nach Auffassung der Kommission nach den vertraglichen Bestimmungen nicht zuschussfähig sind, und nicht eine rückwirkende Festlegung des Stundenlohns der Beschäftigten der Klägerin bezweckt.

54      Im Übrigen ist das Vorbringen der Klägerin, nach belgischem Recht seien Verträge im Licht des gemeinsamen Parteiwillens auszulegen und es könnten, um ihren Sinn zu verstehen, insbesondere Umstände aus dem Vorfeld des Vertrags herangezogen werden, im Rahmen einer nach Art. 230 EG erhobenen Klage als unzulässig zurückzuweisen.

55      Der vierte Klagegrund ist somit insgesamt zurückzuweisen.

 Zum fünften Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes

56      Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen, weil sie sich fünf Jahre lang nicht dazu geäußert habe, dass ihre Methode der Berechnung der Personalkosten nicht akzeptabel sei, obwohl sie ihr schon im Vorfeld des Vertrags bekannt gewesen sei.

57      Nach ständiger Rechtsprechung kann sich jeder auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen, bei dem ein Unionsorgan begründete Erwartungen geweckt hat (Urteil des Gerichtshofs vom 11. März 1987, Van den Bergh en Jurgens und Van Dijk Food Products [Lopik]/Kommission, 265/85, Slg. 1987, I‑1155, Randnr. 44).

58      Das Recht auf Vertrauensschutz ist jedoch an drei kumulative Voraussetzungen gebunden. Erstens muss die Unionsverwaltung dem Betroffenen präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen von zuständiger und zuverlässiger Seite gegeben haben. Zweitens müssen diese Zusicherungen geeignet sein, begründete Erwartungen beim Adressaten zu wecken. Drittens müssen die gegebenen Zusicherungen den geltenden Vorschriften entsprechen (vgl. Urteile des Gerichts vom 30. Juni 2005, Branco/Kommission, T‑347/03, Slg. 2005, II‑2555, Randnr. 102 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 23. Februar 2006, Cementbouw Handel & Industrie/Kommission, T‑282/02, Slg. 2006, II‑319, Randnr. 77, und vom 30. Juni 2009, CPEM/Kommission, T‑444/07, Slg. 2009, II‑2121, Randnr. 126).

59      Was die erste Voraussetzung angeht, stellen nach ständiger Rechtsprechung präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte von zuständiger und zuverlässiger Seite unabhängig von der Form ihrer Mitteilung solche Zusicherungen dar (Urteil des Gerichts vom 19. März 2003, Innova Privat-Akademie/Kommission, T‑273/01, Slg. 2003, II‑1093, Randnr. 26). Dagegen kann niemand eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes geltend machen, dem die Verwaltung keine bestimmten Zusicherungen gegeben hat (Urteil des Gerichts vom 18. Januar 2000, Mehibas Dordtselaan/Kommission, T‑290/97, Slg. 2000, II‑15, Randnr. 59).

60      Im vorliegenden Fall geht aus den Akten nicht hervor, dass die Kommission der Klägerin eine präzise Zusicherung gegeben hätte, dass sie ihre Methode der Berechnung der Personalkosten akzeptiert.

61      Der schlichte Umstand, dass die Klägerin die Kommission in den vor der Unterzeichnung der Verträge übermittelten Formularen über Finanzierungs- und Rechnungslegungsregeln, die sie im Rahmen früherer Verträge angewandt habe, informiert hatte und dass sie ihr in der Korrespondenz der Monate Februar und März 2001 Informationen übermittelt hatte, in denen die Zugrundelegung von Ziellöhnen erwähnt worden sei, kann nämlich per definitionem nicht der Erteilung von präzisen, nicht an Bedingungen geknüpften und übereinstimmenden Auskünften durch die Kommission, dass sie diese Methode akzeptiere, gleichgestellt werden.

62      Da die Klägerin keine konkrete Zusicherung oder Zusage genannt hat, die bei ihr ein berechtigtes Vertrauen darauf hätte begründen können, dass die Kommission ihre Methode der Berechnung der Personalkosten akzeptieren würde, ist der fünfte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen, ohne dass die anderen oben in Randnr. 58 genannten Voraussetzungen geprüft zu werden brauchen.

 Zum sechsten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

63      Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe die angefochtene Entscheidung nicht hinreichend begründet.

64      Nach ständiger Rechtsprechung hängt der Umfang der Begründungspflicht von der Art des in Rede stehenden Rechtsakts und dem Kontext ab, in dem er erlassen wurde. Die Begründung muss die Überlegungen des Organs, das den Akt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass zum einen der Unionsrichter die ihm obliegende Rechtmäßigkeitskontrolle wahrnehmen kann und es zum anderen den Betroffenen möglich ist, die Gründe für die getroffene Maßnahme zu erkennen, damit sie ihre Rechte verteidigen und prüfen können, ob die Entscheidung in der Sache begründet ist.

65      In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Aspekte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 253 EG genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteil des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 63, und Urteil des Gerichts vom 30. November 2011, Sniace/Kommission, T‑238/09, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 37).

66      Insbesondere braucht die Kommission nicht auf alle Argumente einzugehen, die die Betroffenen vor ihr geltend gemacht haben. Es reicht aus, wenn sie die Tatsachen und rechtlichen Erwägungen anführt, denen in der Systematik der Entscheidung eine wesentliche Bedeutung zukommt (Urteil des Gerichtshofs vom 1. Juli 2008, Chronopost und La Poste/UFEX u. a., C‑341/06 P und C‑342/06 P, Slg. 2008, I‑4777, Randnr. 96, und Urteil des Gerichts vom 3. März 2010, Freistaat Sachsen u. a./Kommission, T‑102/07 und T‑120/07, Slg. 2010, II‑585, Randnr. 180).

67      Schließlich hängt, wenn der Betroffene am Entstehungsprozess der angefochtenen Entscheidung eng beteiligt war und daher weiß, weshalb die Verwaltung sie erließ, der Umfang der Begründungspflicht von dem durch diese Beteiligung geschaffenen Kontext ab (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 14. Januar 1981, Deutschland/Kommission, 819/79, Slg. 1981, 21, Randnrn. 19 bis 21, und vom 14. November 1989, Italien/Kommission, 14/88, Slg. 1989, 3677, Randnr. 11). In einem solchen Fall stellt die einschlägige Rechtsprechung wesentlich geringere Anforderungen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 11. Dezember 1980, Acciaierie e Ferriere Lucchini/Kommission, 1252/79, Slg. 1980, 3753, Randnr. 14, und vom 28. Oktober 1981, Krupp Stahl/Kommission, 275/80 und 24/81, Slg. 1981, 2489, Randnrn. 10 bis 13).

68      Im Licht dieser Grundsätze ist der Klagegrund, dass die angefochtene Entscheidung nicht hinreichend begründet sei, zu prüfen.

69      Als Erstes wirft die Klägerin der Kommission vor, dass sie in der angefochtenen Entscheidung auf den Prüfbericht bloß Bezug genommen habe, ohne ihn ihr beizufügen und ohne den Sachverhalt selbst geprüft zu haben.

70      Zunächst ist hervorzuheben, dass der Prüfbericht der Klägerin übersandt worden war und sie Gelegenheit hatte, dazu in einer Antwort Stellung zu nehmen.

71      Wie im Übrigen aus der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, wies die Kommission darauf hin, dass dem Prüfbericht zufolge bestimmte von der Klägerin vorgelegte Kostenaufstellungen zu hoch veranschlagt worden waren, führte aus, dass es sich um Personalkosten, Kosten für die Beiziehung eines Dritten und Reisekosten handele, und nannte für jeden Vertrag jeweils die fraglichen Beträge. Sodann erwähnte die Kommission die Stellungnahme, die die Klägerin nach Ablauf der vorgesehenen vertraglichen Fristen abgegeben hatte, und wies darauf hin, dass sie, weil diese Stellungnahme keine weiteren Informationen enthalten habe, die eine Wiederaufnahme des Prüfverfahrens gerechtfertigt hätten, beschlossen habe, das Verfahren der Wiedereinziehung der fraglichen Beträge einzuleiten.

72      Daher hat die Kommission durch die Bezugnahme auf den Prüfbericht in der angefochtenen Entscheidung die Gründe für ihren Beschluss, die fraglichen Beträge wiedereinzuziehen, hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, so dass die Klägerin ihre Rechte vor dem Unionsrichter wahrnehmen und dieser seine Kontrolle über die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung ausüben konnte, ohne dass es nötig gewesen wäre, ihr diesen Prüfbericht beizufügen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 17. Januar 1995, Publishers Association/Kommission, C‑360/92 P, Slg. 1995, I‑23, Randnr. 39; Urteile des Gerichts vom 12. Januar 1995, Branco/Kommission, T‑85/94, Slg. 1995, II‑45, Randnr. 32, und vom 24. Januar 1995, BEMIM/Kommission, T‑114/92, Slg. 1995, II‑147, Randnr. 41).

73      Als Zweites beanstandet die Klägerin, die Kommission habe die in ihrer Stellungnahme zu dem Prüfbericht erhobenen Einwände nicht berücksichtigt. Es ist jedoch festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung insoweit hinreichend begründet ist, da die Kommission die Schreiben der Klägerin vom 9. November 2007 und 3. Juni 2008 erwähnt und ausgeführt hat, dass sie nach deren Prüfung zu dem Ergebnis gelangt sei, dass darin nichts vorgetragen werde, was die Wiederaufnahme des Prüfverfahrens rechtfertigen könne, insbesondere in Bezug auf die Personalkosten (Gehaltseinbußen, Berechnung der Stundensätze, Mitteilung der Sätze vor Beginn der Projekte).

74      Der sechste Klagegrund ist somit insgesamt zurückzuweisen.

 Zum siebten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung

75      Die Klägerin wirft der Kommission vor, gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung und ihre Sorgfaltspflicht verstoßen zu haben, indem sie eine Untersuchung der nach Abschluss des Prüfverfahrens beigebrachten Beweise verweigert und ihre Schreiben an eine falsche Adresse gesandt habe.

76      Zu den Garantien, die das Unionsrecht in Verwaltungsverfahren gewährt, gehört u. a. der in Art. 41 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364, S. 1) niedergelegte Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, aus dem die Verpflichtung des zuständigen Organs folgt, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Atlantic Container Line u. a./Kommission, T‑191/98, T‑212/98 bis T‑214/98, Slg. 2003, II‑3275, Randnr. 404).

77      Somit ist zu prüfen, ob sich aus den Rügen der Klägerin ergibt, dass die Kommission gegen diesen Grundsatz verstoßen hat.

 Zu der falschen Adressierung von Schreiben

78      Was die Adressierung der von der Kommission an die Klägerin gerichteten Schreiben angeht, ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin der Kommission nur eine Adressänderung vom 7. Januar 2002 im Wege eines Seriengeschäftsbriefs vom 25. Februar 2002 mitgeteilt hat. Die Klägerin räumt jedoch ein, dass es zwei weitere Änderungen ihrer Adresse gab, nämlich am 17. Mai 2006 und am 27. November 2007.

79      Erstens geht aus den Akten hervor, dass die Kommission das Schreiben, mit dem sie die Klägerin über den Beginn des Prüfverfahrens informierte, am 16. August 2005 per Einschreiben an ihre alte, bis zum 7. Januar 2002 gültige Adresse gesandt hatte, aber die Bestätigung über den Empfang dieses Schreibens dennoch am 27. September 2005 erhalten hat. Im Übrigen hat die Klägerin eingeräumt, dieses Dokument per Einschreiben erhalten zu haben, und es ihrer Klageschrift als Anlage beigefügt.

80      Zweitens geht aus den Akten hervor, dass das Schreiben vom 21. Mai 2007, mit dem die Klägerin über den Abschluss des Prüfverfahrens unterrichtet wurde, per Einschreiben mit Empfangsbestätigung an die Adresse gesandt worden war, die die Klägerin der Kommission am 25. Februar 2002 mitgeteilt hatte. Diese Vorgehensweise kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, da die Klägerin ihr die am 17. Mai 2006 erfolgte Änderung ihrer Adresse nicht mitgeteilt hatte. Denn zum einen befreit der schlichte Umstand, dass der Vertrag abgelaufen war, die Klägerin nicht von der Pflicht, der Kommission die Änderung ihrer Adresse mitzuteilen, da ein Prüfverfahren im Gang war. Zum anderen genügt die bloße Angabe ihrer Adresse in der Signatur ihrer E‑Mails an den Prüfer im Jahr 2006 nicht für die Annahme, dass die Adressänderung der Kommission ordnungsgemäß mitgeteilt wurde, auch wenn diese E‑Mail-Korrespondenz der Kommission vom Prüfer übermittelt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 5. Juni 1980, Belfiore/Kommission, 108/79, Slg. 1980, 1769, Randnr. 6).

81      Drittens wirft die Klägerin der Kommission vor, mehrere weitere an sie gerichtete Schriftstücke falsch adressiert zu haben, nämlich die Schreiben zur Information über die Wiedereinziehung vom 6. September 2007, die Belastungsanzeigen vom 22. Oktober 2007 und ein Schreiben vom 9. Januar 2008. Ebenso habe der Prüfer den Entwurf seines Prüfberichts im Namen der Kommission am 22. September 2006 an eine falsche Adresse gesandt.

82      Aus den Akten geht jedoch hervor, dass der Prüfer seinen Vorbericht am 22. September 2006 an die von der Klägerin am 25. Februar 2002 angegebene Adresse gesandt hatte, diese Sendung allerdings an ihn zurückgegangen war. Außerdem hatte der Prüfer diesen Bericht der Klägerin zweimal per E‑Mail übermittelt: am 22. September und am 6. November 2006, dem Tag, zu welchem die Klägerin den Erhalt einräumt. Auch die Schreiben vom 6. September 2007 und die Belastungsanzeigen vom 22. Oktober 2007 waren von der Kommission per Einschreiben mit Empfangsbestätigung an die von der Klägerin im Jahr 2002 angegebene Adresse gesandt worden. Schließlich hat die Klägerin zu einem Schreiben vom 9. Januar 2008, das an eine falsche Adresse gesandt worden sein soll, keine näheren Angaben gemacht; ein solches Schreiben findet sich nicht in den Akten.

83      Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass die Kommission bei der Versendung ihrer Schreiben an die Klägerin nicht nachlässig gehandelt hat.

 Zur Weigerung der Kommission, die nach Abschluss des Prüfverfahrens beigebrachten Beweise zu untersuchen

84      Die Klägerin trägt vor, die Kommission hätte ihre am 9. November 2007 und 3. Juni 2008 abgegebenen Stellungnahmen zum Prüfbericht berücksichtigen und folglich das Prüfverfahren wiederaufnehmen müssen.

85      Aus den Akten geht hervor, dass die Klägerin den Prüfbericht am 6. November 2006 erhielt und für ihre Stellungnahme über eine Frist von einem Monat verfügte. Der für den Kontakt mit dem Wirtschaftsprüferbüro zuständige Finanzdirektor der Klägerin beantragte für die Stellungnahme zu dem Bericht eine Fristverlängerung um eine Woche, die ihm am 13. Dezember 2006 gewährt wurde, gab aber letztlich trotz zweier Erinnerungen am 10. und am 17. Januar 2007 und einer weiteren auf Antrag vom 17. Januar 2007 gewährten Fristverlängerung keine Stellungnahme ab. Die Klägerin nahm somit innerhalb der gesetzten Fristen nicht zu dem Prüfbericht Stellung.

86      Die Kommission war dennoch bereit, die von der Klägerin am 9. November 2007 und 3. Juni 2008 gelieferten Informationen zu prüfen. Am 22. August 2008 unterrichtete sie die Klägerin, dass diesen Informationen kein neuer Umstand zu entnehmen sei, der eine Wiedereröffnung des Verfahrens rechtfertige. In diesem Schreiben vom 22. August 2008 prüfte sie das Vorbringen der Klägerin und stellte fest, dass dieses keine weiteren Informationen enthalte, die eine Wiederaufnahme des Prüfverfahrens rechtfertigten, da es sich auf die Frage ihres Kenntnisstands betreffend die überhöhte Angabe der Personalkosten und die Gründe für eine solche überhöhte Angabe beziehe, aber nichts enthalte, woraus sich ergebe, dass die Klägerin keine solche überhöhte Angabe vorgenommen habe, die nach den vertraglichen Bestimmungen untersagt sei.

87      Somit hat die Kommission die Beweise, die ihr nach Abschluss des Prüfverfahrens unterbreitet worden waren, berücksichtigt, und das Vorbringen, sie habe sich geweigert, diese Beweise zu untersuchen, entspricht nicht den Tatsachen.

88      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Kommission alle relevanten Gesichtspunkte des vorliegenden Falles sorgfältig und unparteiisch untersucht und somit nicht gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen hat.

89      Daher ist der siebte Klagegrund zurückzuweisen und damit die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

90      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

91      Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Applied Microengineering Ltd trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Europäischen Kommission.

Kanninen

Wahl

Soldevila Fragoso

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 27. September 2012.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.