Language of document : ECLI:EU:T:2013:258

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

17. Mai 2013(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Europäischer Markt für Marineschläuche – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen festgestellt wird – Festsetzung der Preise, Aufteilung des Markts und Austausch geschäftlich sensibler Informationen – Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung – Geldbußen – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen von 2006 – Berechtigtes Vertrauen – Obergrenze von 10 % – Mildernde Umstände – Zusammenarbeit“

In der Rechtssache T‑146/09

Parker ITR Srl mit Sitz in Veniano (Italien),

Parker-Hannifin Corp. mit Sitz in Mayfield Heights, Ohio (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte B. Amory, F. Marchini Càmia und F. Amato,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch N. Khan, V. Bottka und S. Noë, dann durch V. Bottka, S. Noë und R. Sauer als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung K(2009) 428 endg. der Kommission vom 28. Januar 2009 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/39406 – Marineschläuche), soweit sie die Klägerinnen betrifft, und, hilfsweise, wegen Nichtigerklärung oder erheblicher Herabsetzung der mit dieser Entscheidung gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi sowie der Richter M. Prek und S. Frimodt Nielsen (Berichterstatter),

Kanzler: J. Weychert, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2012

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

 Sektor der Marineschläuche für Öl und Gas

1        Marineschläuche werden verwendet, um süßes oder raffiniertes Rohöl und sonstige Mineralölerzeugnisse aus Offshoreanlagen (z. B. Offshorebojen, die im Allgemeinen im offenen Meer verankert sind und Öltankern als Ankerplätze dienen, oder FPSO[Floating Production, Storage and Offloading]-Systeme, bei denen es sich um schwimmende Tanksysteme handelt, in denen das Öl oder Gas einer in der Nähe befindlichen Plattform bis zur Entladung auf einen Tanker aufgenommen, verarbeitet und gelagert wird) auf Tanker zu laden und dann auf Off- oder Onshoreeinrichtungen (z. B. Bojen) zu entladen.

2        Die Marineschläuche werden offshore, d. h. im Meer oder in geringer Entfernung vom Meer, verwendet, während Onshore- oder Industrieschläuche an Land eingesetzt werden.

3        Marineschlauchanlagen bestehen je nach den spezifischen Bedürfnissen der Kunden aus einer bestimmten Zahl von Standardschläuchen, Sonderschläuchen mit Anschlussarmaturen an beiden Enden und Zubehör wie Ventilen, Kupplungen oder Schwimmkörpern. Im vorliegenden Fall umfasst der Begriff „Marineschläuche“ auch dieses Zubehör.

4        Marineschläuche werden von Mineralölunternehmen, Bojenherstellern, Hafenterminals, der Mineralölindustrie und Regierungen verwendet und entweder für neue Anwendungen oder als Ersatzprodukte für bereits bestehende Anwendungen gekauft.

5        Bei Neubeschaffungen ziehen Ölterminals oder sonstige Endanwender gewöhnlich eine Ingenieurgesellschaft (auch als OEM [Original Equipment Manufacturer] bezeichnet) hinzu, um neue Einrichtungen zum Umladen von Öl (z. B. SBM[Single Buoy Moorings]- oder FPSO-Systeme) zu konstruieren oder zu installieren. Der OEM bezieht für solche Vorhaben Gesamtkonfigurationen von einem Marineschlauchhersteller.

6        Bei einmal installierten Konfigurationen brauchen in Zyklen von einem bis sieben Jahren nur noch einzelne Komponenten ausgetauscht zu werden. Der Bezug von Marineschläuchen zu Ersatzzwecken (auch als Ersatzgeschäft bezeichnet) erfolgt häufig unmittelbar durch die Endanwender. Verschiedentlich lagern Endanwender die Beschaffung aber auch zentral auf Tochtergesellschaften oder externe Gesellschaften aus. Auf dem Weltmarkt werden mit Ersatzprodukten für Marineschläuche größere Umsätze erzielt als mit Neukonfigurationen.

7        Die Nachfrage nach Marineschläuchen hängt zu einem großen Teil von der Entwicklung des Ölsektors und insbesondere vom Umfang der Ölförderung an Standorten ab, die in größerer Entfernung vom Verbrauchsort liegen. Sie hat im Laufe der Zeit zugenommen. Sie verhält sich zyklisch und hängt in gewissem Umfang von der Entwicklung der Ölpreise ab. Eine signifikante Nachfrage entwickelte sich seit Ende der 60er Jahre; ein Anstieg war Anfang der 70er Jahre zu verzeichnen, insbesondere in den Öl erzeugenden Regionen des Persischen Golfs, der Nordsee und Nordafrikas. In den 80er Jahren war infolge der im Aufbau befindlichen nationalen Mineralölunternehmen in Südamerika ein Nachfrageanstieg zu verzeichnen. Ende der 90er Jahre verlagerte sich die Nachfrage nach Westafrika.

8        Marineschläuche werden von Unternehmen, die als Hersteller von Reifen und sonstigen Kautschukerzeugnissen bekannt sind, oder einem ihrer Spin-offs hergestellt. Sie werden nach den Bedürfnissen der Kunden auf Bestellung gefertigt. Da die Nachfrage nach Marineschläuchen geografisch weit gestreut ist, haben die meisten Hersteller von Marineschläuchen in beträchtlichem Umfang Handelsvertreter beauftragt, die jeweils auf bestimmten Märkten allgemeine Vermarktungsdienste erbringen und die betreffenden Produkte im Rahmen von veröffentlichten Ausschreibungen anbieten.

9        Marineschläuche werden weltweit vermarktet, und die großen Hersteller sind international tätig. Die für Marineschläuche geltenden Rechtsvorschriften sind in den einzelnen Ländern nicht grundlegend verschieden; die technischen Anforderungen unterscheiden sich zwar je nach Umgebungs- und Einsatzbedingungen, doch wird dies nicht als Hindernis für den weltweiten Absatz von Marineschläuchen betrachtet.

10      In dem in der angefochtenen Entscheidung maßgeblichen Zeitraum verkauften die Teilnehmer des Kartells in Japan, im Vereinigten Königreich, in Italien und in Frankreich hergestellte Marineschläuche an Endverbraucher und OEM in verschiedenen Ländern der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR). Die Marineschlauchsysteme werden zwar meist außerhalb von Europa eingesetzt; einige der weltgrößten OEM sind jedoch in verschiedenen Ländern der Union und des EWR ansässig.

 Präsentation der Klägerinnen

11      Eine der beiden Klägerinnen, die Parker-Hannifin Corp., stellt Antriebs- und Steuerungssysteme und ‑technologien her und bietet für ein breites Spektrum gewerblicher, mobiler und industrieller Anwendungen und Märkte sowie für den Luft- und Raumfahrtsektor Lösungen im Bereich Feinmechanik an.

12      Parker-Hannifin umfasst acht Geschäftsbereiche: Luft- und Raumfahrt, Hydraulik, Filtration, Klimatechnik und Prozesssteuerung, Verbindungstechnik (Flüssigkeiten), Dichtungstechnik, Instrumentation und Automationstechnik/Pneumatik. Innerhalb des Geschäftsbereichs Verbindungstechnik (Flüssigkeiten) werden vier Regionen unterschieden (Nordamerika, Südamerika, EU und Asien). In der Union bestehen im Geschäftsbereich Verbindungstechnik (Flüssigkeiten) vier Bezirke und ein Betrieb. Die Produkte dieses Betriebs werden auf dem weltweiten Marineöl- und ‑gasmarkt verkauft.

13      Parker-Hannifin ist die Muttergesellschaft der Parker-Hannifin International Corp.; diese ist die Muttergesellschaft der Parker Italy Holding LLC. Die Parker Italy Holding LLC ihrerseits ist die Muttergesellschaft der Parker Italy Holding Srl, die wiederum die Muttergesellschaft der anderen Klägerin, der Parker ITR Srl, ist.

14      Im Geschäftsjahr 2006 erzielte Parker-Hannifin mit sämtlichen Produkten weltweit einen konsolidierten Umsatz von 7 410 Mio. Euro.

15      Parker ITR produziert und vertreibt Industrie- und Hydraulikschläuche, Marineschläuche für Öl und Gas sowie Bauteile; 2006 erzielte sie einen Umsatz von [vertraulich](1) Euro. Sie hat ihren Sitz in Veniano (Italien).

16      Der Geschäftsbereich Marineschläuche für Öl und Gas von Parker ITR war 1966 von der Pirelli Treg SpA, einer Gesellschaft des Pirelli-Konzerns, gegründet worden.

17      Im Dezember 1990 wurde der Geschäftsbereich Marineschläuche von Pirelli Treg von der ITR SpA übernommen; diese Gesellschaft war durch die Fusion von Pirelli Treg und Itala, einer anderen Tochtergesellschaft des Pirelli-Konzerns, entstanden. 1993 wurde ITR von der Saiag SpA erworben.

18      Nach Aufnahme von Verhandlungen mit Parker-Hannifin über die Veräußerung u. a. ihres Geschäftsbereichs Marineschläuche gründete ITR am 27. Juni 2001 eine Tochtergesellschaft, die ITR Rubber Srl.

19      Hierzu ist erstens zu bemerken, dass die Parker-Hannifin Holding, eine im Parker-Konzern zum Zweck des Kaufs des Geschäftsbereichs Kautschukschläuche von ITR neu gegründete Tochtergesellschaft, und ITR am 5. Dezember 2001 einen Vertrag schlossen, nach dem die Parker-Hannifin Holding 100 % der Aktien von ITR Rubber erwerben sollte.

20      Zweitens heißt es in der Präambel dieses Vertrags unter Buchst. e, dass die Übertragung des Geschäftsbereichs Kautschukschläuche von ITR auf ITR Rubber auf Verlangen der Parker-Hannifin-Holding erfolgen sollte.

21      Drittens heißt es in Art. 3.1.3 des Vertrags: „Die Verpflichtung der [Parker-Hannifin Holding] hängt ab … von der Durchführung der Übertragung durch [ITR].“ ITR „hält die [Parker-Hannifin Holding] ständig über den Fortgang des Verfahrens der Übertragung auf dem Laufenden und … stimmt sich hinsichtlich aller wichtigen Änderungen der Übertragung …, die sich als erforderlich erweisen oder für sinnvoll gehalten werden, mit der [Parker-Hannifin Holding] ab“.

22      Viertens ist in Art. 7.1.2 des Vertrags bestimmt, dass ITR Rubber, die „zum Zweck der Übertragung und … vor [ihrem] Zeitpunkt“ gegründet wurde, „den Geschäftsbetrieb nicht aufgenommen, keine Abschlüsse eingereicht und außer den Tätigkeiten, die für die vollständige Durchführung der Übertragung erforderlich waren, keine Tätigkeit ausgeübt [hat]; seit der Übertragung hat sie den normalen Geschäftsbetrieb fortgeführt und keine andere Tätigkeit ausgeübt“.

23      Am 19. Dezember 2001 übertrug ITR ihren Geschäftsbereich Kautschukschläuche, einschließlich des Geschäftsbereichs Marineschläuche, auf ITR Rubber.

24      Die Übertragung wurde am 1. Januar 2002 wirksam.

25      Am 31. Januar 2002 wurde ITR Rubber von der Parker-Hannifin Holding erworben und einige Monate später in Parker ITR umbenannt.

26      Die Parker-Hannifin Holding und dann die Parker Italy Holding Srl halten 100 % der Anteile an Parker ITR.

 Verwaltungsverfahren

27      Nachdem das Justizministerium der Vereinigten Staaten und die Wettbewerbsbehörden Japans und des Vereinigten Königreichs wegen vergleichbarer Sachverhalte Ermittlungsverfahren eingeleitet hatten, stellte [vertraulich] am 20. Dezember 2006 bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften unter Berufung auf das Kronzeugenprogramm gemäß der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2006, C 298, S. 17) (im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) einen Antrag auf Geldbußenerlass, in dem sie das Bestehen eines Kartells auf dem Markt für Marineschläuche anzeigte.

28      Die Kommission leitete daraufhin eine Untersuchung wegen Verstoßes gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen ein und nahm am 2. Mai 2007 bei Parker ITR, anderen betroffenen Herstellern sowie [vertraulich] und Herrn W. eine Reihe von Nachprüfungen vor.

29      Manuli Rubber Industries, Parker ITR und Bridgestone stellten bei der Kommission am 4. Mai, 17. Juli und 7. Dezember 2007 Anträge auf Geldbußenerlass.

30      Am 28. April 2008 nahm die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an, die sie den verschiedenen betroffenen Unternehmen zwischen dem 29. April und dem 1. Mai 2008 zustellte.

31      Alle diese Unternehmen äußerten sich innerhalb der gesetzten Fristen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte und beantragten, mit Ausnahme von [vertraulich]/DOM, der ContiTech AG und der Continental AG, im Rahmen einer Anhörung gehört zu werden, die am 23. Juli 2008 stattfand.

 Angefochtene Entscheidung

32      Am 28. Januar 2009 erließ die Kommission die Entscheidung K(2009) 428 endg. in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/39406 – Marineschläuche) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung). Aus der angefochtenen Entscheidung geht im Wesentlichen Folgendes hervor:

–        Sie ist an elf Unternehmen gerichtet, u. a. an die Klägerinnen.

–        Die Gesellschaften, an die sie gerichtet ist, waren an einer einheitlichen komplexen Zuwiderhandlung beteiligt, die nach bisweilen verschiedenen Modalitäten die Zuteilung ausgeschriebener Aufträge, die Festsetzung von Preisen, die Festsetzung von Quoten, die Festsetzung von Lieferbedingungen, die Aufteilung von Märkten und den Austausch vertraulicher Informationen über Preise, Liefermengen und Ausschreibungen umfasste.

–        Das Kartell begann spätestens am 1. April 1986 (wobei es wahrscheinlich bis Anfang der 70er Jahre zurückreicht) und endete am 2. Mai 2007.

–        Vom 13. Mai 1997 bis zum 11. Juni 1999 war die Aktivität des Kartells eingeschränkt; es kam zu Meinungsverschiedenheiten zwischen seinen Mitgliedern. Nach Ansicht der Kommission führte dies jedoch nicht zu einer echten Unterbrechung der Zuwiderhandlung, da die Organisationsstruktur des Kartells ab Juni 1999 mit denselben Modalitäten und denselben Mitgliedern (abgesehen von Manuli, die dem Kartell im folgenden Jahr wieder vollständig beitrat) vollständig wiederhergestellt worden sei. Daher sei davon auszugehen, dass die Hersteller eine einheitliche und dauernde Zuwiderhandlung begangen hätten, die vom 1. April 1986 bis zum 2. Mai 2007 gedauert habe, oder, wenn trotz allem davon ausgegangen werden sollte, dass es eine Unterbrechung gegeben habe, eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung. Der Zeitraum vom 13. Mai 1997 bis zum 11. Juni 1999 wurde bei der Berechnung der Geldbuße wegen der begrenzten Zahl der Beweise für die Zuwiderhandlung in diesem Zeitraum aber nicht berücksichtigt.

–        Die Verantwortlichkeit der Klägerinnen wurde für folgende Zeiträume festgestellt:

–        Parker ITR: 1. April 1986 bis 2. Mai 2007;

–        Parker-Hannifin: 31. Januar 2002 bis 2. Mai 2007.

–        Nach den Kriterien in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien) wurden die Grundbeträge der gegen die einzelnen Unternehmen zu verhängenden Geldbußen wie folgt festgesetzt:

–        Die Kommission ging von dem durchschnittlichen weltweiten Jahresumsatz des jeweiligen Unternehmens in dem Zeitraum 2004–2006 aus, mit Ausnahme von Yokohama Rubber, bei der sie auf den Zeitraum 2003–2005 abstellte; sie zog dabei die Umsätze heran, die im EWR niedergelassenen Käufern in Rechnung gestellt worden waren.

–        Sie ermittelte die relevanten Umsätze jedes Unternehmens, indem sie dessen Weltmarktanteil gemäß Ziff. 18 der Leitlinien auf die aggregierten Umsätze innerhalb des EWR anwandte.

–        Sie setzte unter Berücksichtigung der Schwere der Zuwiderhandlung 25 % dieses Werts (statt der Obergrenze von 30 % gemäß den Leitlinien) fest.

–        Sie multiplizierte den so ermittelten Wert mit der Zahl der Jahre, die jedes Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war.

–        Gemäß Ziff. 25 der Leitlinien fügte sie zu Abschreckungszwecken schließlich einen weiteren Betrag von 25 % der relevanten Umsätze hinzu.

–        Sie stellte sodann bei Parker ITR und einem weiteren Unternehmen erschwerende Umstände fest und verneinte bei allen anderen Mitgliedern des Kartells mildernde Umstände.

–        Schließlich setzte sie die Geldbuße von zwei Unternehmen gemäß der Mitteilung über die Zusammenarbeit herab, wies die Herabsetzungsanträge von Parker ITR und einem weiteren Unternehmen aber zurück.

33      Auf der Grundlage eines Weltmarktanteils von [vertraulich] % stellte die Kommission bei Parker ITR einen Umsatz von [vertraulich] Euro fest sowie eine Dauer der Beteiligung am Kartell von 19 Jahren und fünf Tagen, was einen Multiplikator von 19 ergab, und von fünf Jahren, drei Monaten und drei Tagen bei Parker-Hannifin, was einen Multiplikator von 5,5 ergab. In Anwendung der verschiedenen in der vorstehenden Randnummer genannten Kriterien setzte die Kommission den Grundbetrag der Geldbuße für Parker ITR auf 19 700 000 Euro und für Parker-Hannifin auf 6 400 000 Euro fest.

34      Wegen der bei Parker ITR und Parker-Hannifin festgestellten erschwerenden Umstände wurde die Geldbuße bei Parker ITR schließlich auf einen Betrag von 25 610 000 Euro erhöht, für den Parker-Hannifin in Höhe von 8 320 000 Euro gesamtschuldnerisch haftet.

 Verfahren und Anträge der Parteien

35      Mit Klageschrift, die am 9. April 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben.

36      Da ein Mitglied der Ersten Kammer an der Teilnahme gehindert war, hat der Präsident des Gerichts gemäß Art. 32 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichts einen anderen Richter bestimmt, durch den die Kammer ergänzt worden ist.

37      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Erste Kammer) beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen, und es hat die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 64 der Verfahrensordnung aufgefordert, bestimmte Unterlagen vorzulegen, und ihnen schriftlich Fragen gestellt. Die Parteien sind dieser Aufforderung nachgekommen.

38      Mit Schreiben vom 12. März 2012 haben die Klägerinnen den Erlass einer auf die Vorlage neuer Unterlagen gerichteten verfahrensleitenden Maßnahme beantragt.

39      Die Parteien haben in der Sitzung vom 27. April 2012 mündlich verhandelt und die mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet.

40      Die Klägerinnen haben ihren Antrag auf Erlass einer prozessleitenden Maßnahme bei dieser Gelegenheit zurückgenommen.

41      Die Klägerinnen beantragen,

–        die angefochtene Entscheidung insoweit für nichtig zu erklären, als mit ihr festgestellt wird, dass Parker ITR vom 1. April 1986 bis zum 9. Juni 2006 und Parker-Hannifin vom 31. Januar 2002 bis zum 9. Juni 2006 verantwortlich seien;

–        die gegen die Klägerinnen verhängte Geldbuße erheblich herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

42      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung

43      Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf neun Klagegründe.

44      Mit dem ersten Klagegrund machen sie geltend, die Kommission habe dadurch, dass sie Parker ITR für die Zeit vor dem 1. Januar 2002 fälschlich die Verantwortung für die Zuwiderhandlung auferlegt habe, gegen den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit verstoßen, einen Verfahrensmissbrauch begangen, gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen und die Begründungspflicht verletzt.

45      Mit dem zweiten Klagegrund rügen die Klägerinnen, ihnen sei zu Unrecht die Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung im Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Verhalten von Herrn P. zugerechnet worden, der im Unternehmen den Geschäftsbereich Marineschläuche geleitet habe.

46      Mit dem dritten Klagegrund machen die Klägerinnen geltend, Parker-Hannifin sei zu Unrecht gesamtschuldnerisch mit Parker ITR für die Zuwiderhandlung haftbar gemacht worden.

47      Mit dem vierten Klagegrund wird geltend gemacht, die Verhängung einer Geldbuße gegen Parker ITR für die Zeit vor dem 11. Juni 1999 verstoße gegen Art. 25 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) und das Diskriminierungsverbot; außerdem entbehre sie der Begründung.

48      Im Rahmen des fünften Klagegrundes machen die Klägerinnen geltend, die Geldbuße sei zu Unrecht wegen der Rolle als Anführerin, die Parker ITR gespielt haben solle, erhöht worden.

49      Mit dem sechsten Klagegrund wird im Zusammenhang mit der Erhöhung der Geldbuße von Parker-Hannifin wegen der Parker ITR zur Last gelegten Anführerrolle ein Verstoß gegen den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit und die Begründungspflicht gerügt.

50      Mit dem siebten Klagegrund machen die Klägerinnen geltend, durch die Anwendung einer falschen Methode bei der Berechnung des Umsatzes zur Festlegung der Geldbuße sei gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen worden.

51      Mit dem achten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003, den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit und die Begründungspflicht bei der Berechnung der Schwelle von 10 % des Umsatzes gerügt.

52      Mit dem neunten Klagegrund wird schließlich gerügt, die Kommission habe dadurch gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und die Begründungspflicht verstoßen, dass sie es abgelehnt habe, die Geldbuße wegen Zusammenarbeit herabzusetzen.

53      Der erste, der vierte, der fünfte, der sechste, der zweite, der dritte, der siebte, der achte und der neunte Klagegrund sind nacheinander zu prüfen.

 Zum ersten Klagegrund, mit dem gerügt wird, Parker ITR sei fälschlich die Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung für die Zeit vor dem 1. Januar 2002 zugerechnet worden

 Angefochtene Entscheidung

54      Wie im Wesentlichen aus den Randnrn. 327 bis 329 und 366 bis 373 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, hat die Kommission die Auffassung vertreten, dass Parker ITR, vormals ITR Rubber, nach der innerhalb des Saiag-Konzerns erfolgten internen Umstrukturierung, der Übertragung des Geschäftsbereichs Kautschukschläuche von ITR auf ITR Rubber und schließlich der Übertragung dieser Tochtergesellschaft auf Parker-Hannifin nach dem Grundsatz der wirtschaftlichen Kontinuität für die gesamte ab 1986 begangene Zuwiderhandlung haftbar zu machen sei und dass das Vorbringen von Parker-Hannifin im Verwaltungsverfahren zum Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit zurückzuweisen sei.

55      Dass die Kommission sich in einer anderen Rechtssache, die ebenfalls die interne Umstrukturierung eines Konzerns betroffen habe, möglicherweise nicht in gleicher Weise auf die Rechtsprechung gestützt habe, sei unerheblich und ändere nichts daran, dass sie im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung einer Reihe anderer Gesichtspunkte zu einem anderen Ergebnis gelangen könne.

 Vorbringen der Parteien

56      Der erste Klagegrund gliedert sich in drei Teile.

57      Zur Stützung des ersten Teils ihres Klagegrundes machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, Parker ITR könne nicht für die Zeit vor dem 1. Januar 2002 haftbar gemacht werden, da nach der Rechtsprechung die juristische Person, die das Unternehmen geleitet habe, als die Zuwiderhandlung begangen worden sei, für diese einstehen müsse, auch wenn zu dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung ergehe, mit der die Zuwiderhandlung festgestellt werde, eine andere Person für den Betrieb des Unternehmens verantwortlich sei. Parker ITR sei aber erst am 31. Januar 2002 Eigentümerin der Aktiva geworden, die zur Zuwiderhandlung beigetragen hätten.

58      Die Kommission habe die Übertragung der Aktiva von ITR auf ITR Rubber zu Unrecht als eine Art interne Umstrukturierung des Unternehmens angesehen, die die Anwendung der Theorie der wirtschaftlichen Nachfolge und damit eine Ausnahme vom Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit rechtfertige.

59      Die jüngere Rechtsprechung bestätige, dass die Theorie der wirtschaftlichen Nachfolge bei einer konzerninternen Übertragung von Aktiva nur dann Anwendung finden könne, wenn die strukturellen Verbindungen zwischen der Einheit, die die Aktiva übertrage, und derjenigen, die die Aktiva erhalte, zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung, mit der die Kommission die Zuwiderhandlung feststelle, noch bestünden.

60      ITR Rubber habe aber zwischen dem Tag ihrer Gründung, dem 27. Juni 2001, und dem 1. Januar 2002 keinerlei wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet. Es handele sich bei ihr um ein Vehikel, das allein für die Durchführung der Übertragung des Geschäftsbereichs Kautschuk auf Parker-Hannifin gegründet worden sei. Dieses Ziel gehe eindeutig aus Art. 7.1.2 des Vertrags zwischen ITR und Parker-Hannifin hervor.

61      Mit dem zweiten Teil des ersten Klagegrundes wird ein Verfahrensmissbrauch gerügt.

62      Die Klägerinnen machen im Wesentlichen geltend, die Kommission habe Parker ITR nur deshalb für die Zeit vor dem 1. Januar 2002 haftbar gemacht, um Art. 25 der Verordnung Nr. 1/2003 zu umgehen, der Verjährungsfristen enthalte, deren Anwendung eine Ahndung von ITR und Pirelli verhindert hätte; dies stelle daher einen Verfahrensmissbrauch dar.

63      Mit dem dritten Teil des ersten Klagegrundes wird ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und die Begründungspflicht gerügt.

64      Zur Stützung ihrer Argumentation machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, in der Mitteilung der Beschwerdepunkte habe die Kommission die Theorie der wirtschaftlichen Kontinuität in gleicher Weise auf sie und auf die Dunlop Oil & Marine Ltd angewandt, die sich in einer sehr ähnlichen Situation befunden habe. In der angefochtenen Entscheidung habe die Kommission die Theorie der wirtschaftlichen Kontinuität dann aber nur in Bezug auf Dunlop Oil & Marine Ltd aufgegeben, nicht aber bei ihnen, und zwar ohne jegliche Erläuterung, obwohl der Käufer in beiden Fällen die Aktiva des Verkäufers erworben habe, und zwar die Tätigkeiten im Zusammenhang mit Marineschläuchen.

65      Indem sie sie für die Zeit vor dem 1. Januar 2002 haftbar gemacht habe, sei die Kommission erstens von ihrer früheren Praxis abgewichen, ohne insoweit eine logische Erklärung zu liefern, zweitens sei sie nicht auf ihr Vorbringen in der Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte eingegangen, und drittens habe sie die unterschiedliche Behandlung von ihnen und von Dunlop Oil & Marine Ltd nicht erläutert.

66      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

67      Sie macht als Erstes im Wesentlichen geltend, dass der Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit im vorliegenden Fall keine Anwendung finde, da eine wirtschaftliche Nachfolge innerhalb desselben Konzerns vorliege (Randnrn. 370 bis 373 der angefochtenen Entscheidung). Die Rechtsprechung unterscheide zwischen den Auswirkungen einer Übertragung von Aktiva und denen einer Übertragung rechtlicher Einheiten: Würden nur die in die Zuwiderhandlung einbezogenen Aktiva übertragen, folge die Haftung diesen Aktiva nur ausnahmsweise in dem Fall, dass die juristische Person, die sie gehalten habe, rechtlich nicht mehr existiere oder jegliche wirtschaftliche Tätigkeit eingestellt habe. Werde hingegen eine für die Zuwiderhandlung verantwortliche rechtliche Einheit verkauft, bleibe diese Einheit für ihre früheren Zuwiderhandlungen verantwortlich (Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Cascades/Kommission, C‑279/98 P, Slg. 2000, I‑9693).

68      Aus der Rechtsprechung (Urteil des Gerichtshofs vom 11. Dezember 2007, ETI u. a., C‑280/06, Slg. 2007, I‑10893) ergebe sich ferner, dass für die wirtschaftliche Nachfolge die Umstände zum Zeitpunkt der Übertragung der Aktiva maßgeblich seien und dass ein späterer Verkauf einer Tochtergesellschaft an ein neues Unternehmen nichts an der wirtschaftlichen Nachfolge ändere. Die Auswirkungen eines solchen späteren Verkaufs der Tochtergesellschaft auf die Haftung unterfielen der Rechtsprechung über die Auflösung des Unternehmens. Die Zerschlagung eines für eine Zuwiderhandlung verantwortlichen Unternehmens habe nicht das Verschwinden der Haftung der verschiedenen rechtlichen Einheiten, die zuvor die wirtschaftliche Einheit gebildet hätten, zur Folge. Vielmehr könnten diese rechtlichen Einheiten nach wie vor gesamtschuldnerisch haftbar gemacht werden, auch wenn einige von ihnen zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung, mit der die Zuwiderhandlung festgestellt werde, zu einem neuen Konzern gehörten.

69      Im vorliegenden Fall komme es hinsichtlich des Kriteriums der wirtschaftlichen Kontinuität nur auf die Übertragung der Aktiva von ITR auf ITR Rubber an, zwischen denen, als sie beide zum Saiag-Konzern gehört hätten, jedenfalls nachweislich strukturelle und wirtschaftliche Verbindungen bestanden hätten; die volle Verantwortlichkeit von ITR sei nämlich auf ihre Tochtergesellschaft ITR Rubber übergegangen, und zwar auch für die Zeit vor deren Gründung.

70      Diese Verantwortlichkeit habe dann der juristischen Person ITR Rubber angehaftet, und als diese, nach ihrer Übertragung an Parker-Hannifin, Parker ITR geworden sei, sei sie in Anwendung der Rechtsprechung, nach der eine rechtliche Einheit für die Zuwiderhandlung, die von einem Unternehmen begangen worden sei, zu dem sie gehört habe, haftbar gemacht werden könne, für die früheren Zuwiderhandlungen der ehemaligen Muttergesellschaft ITR Rubber verantwortlich geblieben.

71      Bei dem Verkauf von ITR Rubber an Parker-Hannifin könne keine Rede von einem Verkauf von Aktiva an ein nicht verbundenes Unternehmen sein, denn er habe sich nicht nur auf die Aktiva, sondern auch auf eine bestehende rechtliche Einheit bezogen, die ihre Verantwortlichkeit mitgenommen habe.

72      Der Verkauf der streitigen Aktiva innerhalb des Saiag-Konzerns von ITR an ITR Rubber und deren späterer Verkauf an einen neuen Konzern, nämlich den Parker-Hannifin-Konzern, seien daher als getrennte Ereignisse anzusehen, wobei der Verkauf von ITR Rubber nichts an der vorausgegangenen wirtschaftlichen Nachfolge ändere.

73      Außerdem sei für die Beurteilung des Sachverhalts und der Frage, ob eine Übertragung von Aktiva innerhalb eines Konzerns oder zwischen unabhängigen Unternehmen erfolgt sei, der Zeitpunkt der eigentlichen Übertragung maßgeblich. Auf den Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung, mit der die Zuwiderhandlung festgestellt werde, komme es nur bei der Frage an, ob eine Gesellschaft, die für die Zuwiderhandlung verantwortlich sei, inzwischen aufgelöst worden sei.

74      Bei der Feststellung der wirtschaftlichen Nachfolge sei unerheblich, wie lange strukturelle Verbindungen danach fortbestünden; daher könne die verkaufte Tochtergesellschaft für die Zeit der Zuwiderhandlung bis zu ihrem Verkauf nach wie vor gesamtschuldnerisch mit den verbliebenen Einheiten ihrer früheren wirtschaftlichen Einheit haftbar gemacht werden.

75      Im Übrigen teilt die Kommission nicht die von den Klägerinnen vorgenommene Analyse des Urteils des Gerichts vom 30. September 2009, Hoechst/Kommission (T‑161/05, Slg. 2009, II‑3555); ihrer Auffassung nach ist der Sachverhalt nicht mit dem der vorliegenden Rechtssache vergleichbar.

76      ITR Rubber sei von ihrer Muttergesellschaft, ITR, und der Dachgesellschaft des Saiag-Konzerns gegründet und bis zu ihrem Verkauf an Parker-Hannifin zu 100 % gehalten worden. Die Tatsache, dass ITR Rubber sechs Monate lang (vom 27. Juni 2001 bis zum 1. Januar 2002) nur eine schwache wirtschaftliche Aktivität gezeigt habe, bestätige die Feststellung, dass diese Tochtergesellschaft die ihr von ihrer Muttergesellschaft zugedachte wirtschaftliche Rolle gespielt habe und nicht autonom habe agieren können; was sich möglicherweise in der Zeit vom 1. Januar 2002, an dem die Übertragung der Aktiva von ITR auf ITR Rubber wirksam geworden sei, bis zum 31. Januar 2002, an dem alle Anteile an ITR Rubber von Parker-Hannifin erworben worden seien, abgespielt habe, ändere daran nichts.

77      Das für ITR geltende vertragliche Verbot, Einfluss auf ITR Rubber auszuüben, habe ab der Übertragung der Aktiva am 1. Januar 2002 gegolten; die Vereinbarung, mit der der Verkauf gebilligt worden sei, habe also nichts daran ändern können, dass zum Zeitpunkt der Übertragung eine wirtschaftliche Einheit bestanden habe.

78      Die Kommission macht schließlich geltend, konzerninterne Übertragungen erfolgten in der Regel zwischen mehreren rechtlichen Einheiten, die von einer einzigen Muttergesellschaft kontrolliert würden, und in einem solchen Fall werde im Allgemeinen Letztere haftbar gemacht, wenn sie einen bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaften ausgeübt habe. Bei einer wirtschaftlichen Nachfolge innerhalb eines Konzerns könne sie die Tochtergesellschaft, die die wirtschaftliche Nachfolgerin sei, also auch dann verfolgen, wenn diese nicht mehr von der ehemaligen Muttergesellschaft kontrolliert werde. Diese Möglichkeit sei nützlich für die Anwendung des Wettbewerbsrechts, wenn die ehemalige Muttergesellschaft nicht mehr existiere oder aus anderen Gründen nicht mehr verfolgt werden könne, z. B. weil die Zuwiderhandlung wie im vorliegenden Fall bei ITR und Saiag verjährt sei.

79      Als Zweites macht die Kommission geltend, dass ihr nach der Rechtsprechung bei der Wahl des Adressaten ihrer Entscheidung ein Ermessen zustehe, sowohl im Fall der wirtschaftlichen Kontinuität als auch allgemeiner bei Muttergesellschaften und ihren Tochtergesellschaften; sie sei daher befugt gewesen, sich dafür zu entscheiden, die angefochtene Entscheidung allein an den wirtschaftlichen Nachfolger – Parker ITR – und nicht an die immer noch existierende Vorgängerin – ITR und/oder Saiag – zu richten.

80      Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes führt die Kommission aus, sie habe keinen Verfahrensmissbrauch begangen. Auch wenn die angefochtene Entscheidung u. a. deshalb an Parker ITR gerichtet worden sei, weil jeglichen Sanktionen gegen ITR oder Saiag die Verjährung entgegengestanden hätte, sei dieses Vorgehen gerechtfertigt, weil dieselben Aktiva, ja dasselbe Unternehmen, die Zuwiderhandlung fortgeführt hätten.

81      Zum dritten Teil des ersten Klagegrundes macht die Kommission im Wesentlichen geltend, die Mitteilung der Beschwerdepunkte habe, was die Dunlop Oil & Marine Ltd angehe, auf unzutreffenden Tatsachen beruht. Die Dunlop Oil & Marine Ltd sei nämlich von der Unipoly Ltd, dem neuen Eigentümer der von der Zuwiderhandlung betroffenen Aktiva, gegründet worden und nicht vom Verkäufer dieser Aktiva, [vertraulich]; dies unterscheide die Situation dieses Unternehmens von der der Klägerinnen, bei denen in Wirklichkeit eine rechtliche Einheit verkauft worden sei und nicht nur Aktiva.

82      Zur Rüge der Verletzung der Begründungspflicht vertritt die Kommission im Wesentlichen die Auffassung, dass es sich um eine bloße Umformulierung der anderen zur Stützung des vorliegenden Klagegrundes vorgebrachten Rügen handele.

 Würdigung durch das Gericht

83      Das Wettbewerbsrecht der Union betrifft die Tätigkeit von Unternehmen (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑123, Randnr. 59).

84      Im Kontext des Wettbewerbsrechts ist unter dem Begriff „Unternehmen“ eine wirtschaftliche Einheit – d. h. eine einheitliche Organisation persönlicher, materieller und immaterieller Mittel, mit der dauerhaft ein bestimmter wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird – zu verstehen, selbst wenn diese wirtschaftliche Einheit rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen gebildet wird (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 12. Juli 1984, Hydrotherm, 170/83, Slg. 1984, 2999, Randnr. 11, und des Gerichts vom 11. Dezember 2003, Minoan Lines/Kommission, T‑66/99, Slg. 2003, II‑5515, Randnr. 122, und vom 15. September 2005, DaimlerChrysler/Kommission, T‑325/01, Slg. 2005, II‑3319, Randnr. 85).

85      Im Übrigen kann nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit ein strafbares Verhalten nur dem Täter selbst zugerechnet werden. Außerdem kann nach dem Grundsatz, dass nur bestraft wird, wem die Tat zuzurechnen ist, eine Strafe niemand anderem als dem Schuldigen auferlegt werden. Diese Grundsätze, die aus dem Strafrecht stammende grundlegende Garantien darstellen, lassen es somit nicht zu, dass die Haftung einer natürlichen oder juristischen Person ausgelöst wird, die nicht Täter einer Zuwiderhandlung gewesen ist (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Cosmas in der Rechtssache Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Slg. 1999, I‑4125, I‑4130, Nr. 74, von Generalanwalt Colomer, Rechtssache Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 83 angeführt, Slg. 2004, I‑133, Nrn. 63 und 64, und von Generalanwalt Bot in den Rechtssachen ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Kommission/ArcelorMittal Luxembourg u. a., C‑201/09 P und C‑216/09 P, Urteil des Gerichtshofs vom 29. März 2011, Slg. 2011, I‑2239, Nr. 181, und ThyssenKrupp Nirosta/Kommission, C‑352/09 P, Slg. 2011, I‑2359, Nr. 162).

86      Die genannten Grundsätze gelten nach ständiger Rechtsprechung für das Wettbewerbsrecht der Union. Der Gerichtshof hat nämlich ausgeführt, dass die Verantwortlichkeit für die Begehung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln angesichts von deren Art sowie der Art und des Schweregrads der derentwegen verhängten Sanktionen von persönlicher Natur ist (Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 85 angeführt, Randnr. 78, und vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, C‑97/08 P, Slg. 2009, I‑8237, Randnr. 77).

87      Daher muss die natürliche oder juristische Person, die das fragliche Unternehmen leitete, als die Zuwiderhandlung begangen wurde, für diese einstehen, auch wenn sie zu dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung ergeht, mit der die Zuwiderhandlung festgestellt wird, nicht mehr für den Betrieb des Unternehmens verantwortlich ist (vgl. Urteil ThyssenKrupp Nirosta/Kommission, oben in Randnr. 85 angeführt, Randnr. 143 und die dort angeführte Rechtsprechung).

88      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs haftet der natürlichen oder juristischen Person, die das fragliche Unternehmen leitete, als die Zuwiderhandlung begangen wurde, die Verantwortung für das rechtswidrige Verhalten des Unternehmens – oder der Einheiten, aus denen es besteht – an, selbst wenn die materiellen und personellen Faktoren, die an der Begehung der Zuwiderhandlung beteiligt waren, nach dem Zeitraum der Zuwiderhandlung von Dritten übernommen wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, SCA Holding/Kommission, C‑297/98 P, Slg. 2000, I‑10101, Randnrn. 25 und 27).

89      Einer natürlichen oder juristischen Person können, obwohl sie nicht Urheberin der Zuwiderhandlung ist, dennoch dafür Sanktionen auferlegt werden, wenn die natürliche oder juristische Person, die die Zuwiderhandlung begangen hat, rechtlich oder wirtschaftlich nicht mehr besteht (vgl. in diesem Sinne Urteile ETI u. a., oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 40, und ThyssenKrupp Nirosta/Kommission, oben in Randnr. 85 angeführt, Randnr. 144), um zu verhindern, dass ein Unternehmen Sanktionen einfach dadurch entgehen könnte, dass durch Umstrukturierungen, Übertragungen oder sonstige Änderungen rechtlicher oder organisatorischer Art seine Identität geändert worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil ETI u. a., oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es handelt sich um das Kriterium der wirtschaftlichen Kontinuität.

90      Nach ständiger Rechtsprechung wird nämlich durch die Änderung der Rechtsform und des Namens eines Unternehmens kein neues Unternehmen geschaffen, das von der Haftung für die wettbewerbswidrigen Handlungen des alten Unternehmens befreit wäre, sofern die beiden Unternehmen wirtschaftlich gesehen identisch sind (Urteile des Gerichtshofs vom 28. März 1984, Compagnie royale asturienne des mines und Rheinzink/Kommission, 29/83 und 30/83, Slg. 1984, 1679, Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 83 angeführt, Randnrn. 356 bis 359, und ETI u. a., oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 42).

91      Dass eine juristische Person als rechtliche Einheit zu existieren aufhört, schließt aber hinsichtlich des Wettbewerbsrechts der Union nicht aus, dass es für einen Teil ihrer Tätigkeiten eine Nachfolge durch eine andere Gesellschaft geben kann, die damit für die Handlungen der erstgenannten Person haftbar wird (Urteile Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 83 angeführt, Randnrn. 356 bis 359, und ETI u. a., oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 48; Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Jungbunzlauer/Kommission, T‑43/02, Slg. 2006, II‑3435, Randnr. 132).

92      Eine solche Auferlegung der Sanktion ist nämlich dann zulässig, wenn diese juristischen Personen der Kontrolle derselben Person unterstanden und sie somit in Anbetracht der zwischen ihnen auf wirtschaftlicher und organisatorischer Ebene bestehenden engen Bindungen im Wesentlichen dieselben geschäftlichen Leitlinien anwandten (Urteile Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 83 angeführt, Randnrn. 356 bis 359, und ETI u. a., oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 49).

93      Hingegen hat der Gerichtshof im Fall zweier bestehender und funktionsfähiger Unternehmen, von denen eines lediglich einen bestimmten Teil seiner Tätigkeiten auf das andere übertragen hatte, ohne dass zwischen ihnen eine strukturelle Verbindung bestand, entschieden, dass wirtschaftliche Kontinuität nur dann vorliegen kann, wenn die für die Bewirtschaftung des Unternehmens verantwortliche juristische Person nach der Begehung der Zuwiderhandlung aufgehört hat, rechtlich zu existieren (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 85 angeführt, Randnr. 145, und Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 83 angeführt, Randnr. 359).

94      Bei Vorliegen der in der Rechtsprechung genau definierten besonderen Umstände lässt sich mit dem Kriterium der wirtschaftlichen Kontinuität also die Wirksamkeit des Grundsatzes der persönlichen Verantwortlichkeit desjenigen, der die Zuwiderhandlung begangen hat, gewährleisten und einer juristischen Person eine Sanktion auferlegen, die zwar nicht diejenige ist, die die Zuwiderhandlung begangen hat, aber zu Letzterer strukturelle Verbindungen aufweist.

95      In Anwendung des Kriteriums der wirtschaftlichen Kontinuität ist die Kommission also befugt, einer juristischen Person eine Sanktion aufzuerlegen, die nicht diejenige ist, die die Zuwiderhandlung begangen hat – unabhängig von rechtlichen Konstruktionen, mit denen die Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht, die von einer oder mehreren juristischen Personen begangen worden sind, aus denen ein Unternehmen besteht, innerhalb dieses Unternehmens künstlich verhindert werden soll.

96      Mit dem Begriff der wirtschaftlichen Kontinuität soll jedoch nicht ermöglicht werden, ein anderes Unternehmen als dasjenige, das – gegebenenfalls über die juristischen Personen, aus denen es besteht – die Zuwiderhandlung begangen hat, für diese haftbar zu machen (vgl. in diesem Sinne Urteil ThyssenKrupp Nirosta/Kommission, oben in Randnr. 85 angeführt, Randnr. 145), es sei denn, dass zwischen diesen beiden Unternehmen selbst auf wirtschaftlicher und organisatorischer Ebene strukturelle Bindungen bestehen (vgl. in diesem Sinne Urteile Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 83 angeführt, Randnr. 359, und ETI u. a., oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 49) oder die juristische Person, die die Zuwiderhandlung begangen hat, zu missbräuchlichen, d. h. nicht marktgerechten, Bedingungen auf einen Dritten übertragen wurde, in der Absicht, den kartellrechtlichen Sanktionen zu entgehen (Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in der Rechtssache ETI u. a., oben in Randnr. 68 angeführt, Slg. 2007, I‑10896, Nrn. 82 und 83).

97      Hingegen kann ein Unternehmen, das die juristische Person, die die Zuwiderhandlung begangen hat, zu Marktbedingungen auf einen Dritten übertragen hat, mit dem es keine strukturelle Verbindung aufweist, nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit für die Zeit der Zuwiderhandlung vor der Übertragung, vorbehaltlich der Regeln über die Verjährung, nach wie vor haftbar gemacht werden, selbst wenn es nicht mehr in dem geschäftlichen Sektor tätig ist, auf den sich die Zuwiderhandlung bezog.

98      Mit anderen Worten ist es nicht Aufgabe des Kriteriums der wirtschaftlichen Kontinuität, in Fällen, in denen Rechtsvorschriften wie die über die Verjährung der Verfolgung eines Unternehmens wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht entgegenstehen oder das Unternehmen, das die juristische Person, die die Zuwiderhandlung begangen hat, an einen unabhängigen Dritten übertragen hat, nicht mehr existiert, die Ermittlung und rückwirkende Inanspruchnahme eines anderen Unternehmens zu ermöglichen, das für Taten haften soll, die von dem erstgenannten Unternehmen begangen worden sein sollen, es sei denn, zwischen diesen beiden Unternehmen bestehen in wirtschaftlicher oder organisatorischer Hinsicht strukturelle Bindungen (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Colomer in der Rechtssache Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 83 angeführt, Nr. 72) oder die Übertragung der juristischen Person, die die Zuwiderhandlung begangen hat, erfolgte zu missbräuchlichen Bedingungen (siehe oben, Randnr. 96).

99      Dabei spielt es keine Rolle, ob auf diesen Dritten Aktiva oder eine juristische Person übertragen werden; das entsprechende Vorbringen der Kommission ist zurückzuweisen.

100    Es ist nämlich entschieden worden, dass der Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit nicht durch den der wirtschaftlichen Kontinuität in Frage gestellt wird; in dem betreffenden Fall hatte ein Unternehmen einen Teil seines Geschäfts, das am Kartell beteiligt war, mittels der Übertragung einer hierzu gegründeten Tochtergesellschaft an einen unabhängigen Dritten veräußert, und zwischen dem ursprünglichen und dem neuen Betreiber bestand keine strukturelle Verbindung, was es rechtfertigte, das übertragende Unternehmen für die Zeit der Zuwiderhandlung vor der Übertragung und das Unternehmen, an das übertragen wurde, für die nachfolgende Zeit der Zuwiderhandlung mit einer Sanktion zu belegen (vgl. in diesem Sinne Urteil Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 75 angeführt, Randnrn. 28 und 61).

101    Daraus folgt ferner, dass die übertragene juristische Person nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit ab dem Zeitpunkt ihrer Gründung für den Zeitraum der Zuwiderhandlung, während dem sie selbst an der Zuwiderhandlung teilgenommen hat, mit einer Sanktion belegt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 75 angeführt, Randnrn. 28, 61, 66 und 67), da sie ab diesem Zeitpunkt persönlich für die Zuwiderhandlung haftbar gemacht werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 24. September 2009, Erste Group Bank u. a./Kommission, C‑125/07 P, C‑133/07 P, C‑135/07 P und C‑137/07 P, Slg. 2009, I‑8681, Randnrn. 81 und 82).

102    Außerdem ist das Unterbleiben der Feststellung des Vorliegens einer von dem übertragenden Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung und gegebenenfalls ihrer Ahndung geeignet, die Wirksamkeit der Sanktion bei einem späteren Wiederholungsfall zu schmälern.

103    Im vorliegenden Fall sind zunächst folgende Tatsachen in Erinnerung zu rufen.

104    Zum einen war der Geschäftsbereich Marineschläuche für Öl und Gas, der heute Parker ITR gehört, 1966 von Pirelli Treg eingerichtet worden; deren Tätigkeiten wurden im Dezember 1990 von ITR übernommen, die ihrerseits 1993 von Saiag erworben wurde.

105    Zum anderen gründete Saiag am 27. Juni 2001, nachdem sie Verhandlungen mit Parker-Hannifin über einen etwaigen Verkauf ihres Geschäftsbereichs Marineschläuche aufgenommen hatte, eine Tochtergesellschaft, ITR Rubber, auf die sie am 19. Dezember 2001 ihren Geschäftsbereich Kautschukschläuche, einschließlich des Geschäftsbereichs Marineschläuche, übertrug.

106    Die Übertragung des Geschäftsbereichs Kautschukschläuche auf ITR Rubber wurde am 1. Januar 2002 wirksam, und am 31. Januar 2002 wurde die Tochtergesellschaft ITR Rubber – einige Monate später umbenannt in Parker ITR – von Parker-Hannifin erworben.

107    Im Übrigen geht aus Randnr. 370 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass ITR von Dezember 1990 bis zum 27. Juni 2001, dem Tag der Gründung von ITR Rubber durch Saiag, am Kartell beteiligt war und somit die durch die angefochtene Entscheidung geahndete Zuwiderhandlung begangen hat.

108    Außerdem ist unstreitig, dass ITR das Kautschukschlauchgeschäft von Saiag, insbesondere das Marineschlauchgeschäft, bis zur Übertragung ihrer Aktiva auf ITR Rubber am 19. Dezember 2001 fortführte; diese Übertragung wurde am 1. Januar 2002 wirksam.

109    Unstreitig ist auch, dass die Zuwiderhandlung vom 27. Juni bis zum 31. Dezember 2001 fortgeführt wurde.

110    Folglich ist die Zuwiderhandlung zwischen dem 27. Juni 2001 und dem 31. Dezember 2001 auch von ITR begangen worden.

111    Nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit hätten also Saiag und ITR für die – zumindest – von Dezember 1990 bis zum 31. Dezember 2001 begangene Zuwiderhandlung mit einer Sanktion belegt werden müssen.

112    Ferner ist aber unstreitig, dass die Kommission ITR und Saiag nicht mit einer Sanktion belegt hat, weil sie – wie sie im Lauf des Verfahrens näher erläutert hat – davon ausging, dass die Zuwiderhandlung in Bezug auf diese Gesellschaften verjährt war.

113    Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung außerdem erläutert, dass sie sich daher, um die von Dezember 1990 bis Dezember 2001 von ITR und zuvor von April 1986 bis Dezember 1990 von Pirelli Treg begangene Zuwiderhandlung zu ahnden, dafür entschieden habe, Parker ITR, vormals ITR Rubber, die Verantwortung für die gesamte Zuwiderhandlung in dieser Zeit zuzurechnen. Sie vertritt nämlich die Auffassung, dass es möglich sei, in einem solchen Fall auf das Kriterium der wirtschaftlichen Kontinuität zurückzugreifen, um die Wirksamkeit der Sanktionen im Wettbewerbsrecht zu gewährleisten.

114    Folglich ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des Kriteriums der wirtschaftlichen Kontinuität im vorliegenden Fall erfüllt waren, wie die Kommission geltend macht.

115    Insofern ist festzustellen, dass ITR Rubber vom 27. Juni 2001 bis zum 31. Januar 2002 eine 100%ige Tochtergesellschaft von ITR war und die Übertragung des Geschäftsbereichs Kautschukschläuche an ITR Rubber erst ab dem 1. Januar 2002 wirksam wurde; in der Akte der Kommission sind keine Beweise dafür enthalten, dass ITR Rubber vorher irgendeine Tätigkeit ausgeübt hätte, insbesondere in Bezug auf Marineschläuche. Da ITR mit Vertrag vom 5. Dezember 2001, der durch die Übertragung sämtlicher Anteile an die Erwerberin am 31. Januar 2002 durchgeführt wurde, sämtliche Anteile an ITR Rubber an Parker-Hannifin verkaufte, ist unstreitig, dass die von ITR vorgenommene Umwandlung des Geschäftsbereichs Kautschukschläuche in eine Tochtergesellschaft ganz klar mit dem Ziel erfolgte, die Anteile Letzterer an ein drittes Unternehmen zu verkaufen (vgl. in diesem Sinne Urteil Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 75 angeführt, Randnr. 60).

116    Unter diesen Umständen musste die juristische Person, die das fragliche Unternehmen leitete, als die Zuwiderhandlung begangen wurde, d. h. ITR und ihre Muttergesellschaft Saiag, für diese einstehen, auch wenn zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung, mit der die Zuwiderhandlung festgestellt wurde, ein anderes Unternehmen, im vorliegenden Fall Parker-Hannifin, für die Marineschlauchaktivitäten verantwortlich war. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen ein am Kartell beteiligtes Unternehmen (Saiag und ihre Tochtergesellschaft ITR) einen Teil seiner Aktivitäten auf einen unabhängigen Dritten überträgt und zwischen dem übertragenden Unternehmen (Saiag oder ITR) und dem Unternehmen, auf das übertragen wird (Parker-Hannifin), keine strukturelle Verbindung besteht, kann der Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit nicht durch den Grundsatz der wirtschaftlichen Kontinuität in Frage gestellt werden.

117    Außerdem räumt die Kommission ein, dass keine Indizien dafür vorliegen, dass der Verkauf zu rechtsmissbräuchlichen Bedingungen erfolgt wäre, um es Saiag und ITR zu ermöglichen, sich ihrer Verantwortung zu entziehen; sie hat dies in der angefochtenen Entscheidung auch nicht behauptet.

118    Die Kommission hatte also festzustellen, dass Saiag und ITR für die Zuwiderhandlung bis zum 1. Januar 2002 verantwortlich waren, und dann gegebenenfalls festzustellen, dass diese Zuwiderhandlung verjährt war, wie es ihr eine ständige Rechtsprechung erlaubt (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 6. Oktober 2005, Sumitomo Chemical und Sumika Fine Chemicals/Kommission, T‑22/02 und T‑23/02, Slg. 2005, II‑4065, Randnrn. 60 und 61, und vom 12. Oktober 2007, Pergan Hilfsstoffe für industrielle Prozesse/Kommission, T‑474/04, Slg. 2007, II‑4225, Randnr. 72).

119    Unter diesen Umständen konnte die Kommission dagegen die Verantwortlichkeit von ITR Rubber für die Zeit vor dem 1. Januar 2002, an dem die in das Kartell einbezogenen Aktiva auf sie übertragen wurden, nicht bejahen.

120    Das ist im Übrigen die Lösung, die die Kommission selbst in der Rechtssache, in der das Urteil Hoechst/Kommission (oben in Randnr. 75 angeführt) ergangen ist, in Anwendung des Grundsatzes der persönlichen Verantwortlichkeit gewählt hat und die vom Gericht gebilligt wurde.

121    Da die Auffassung der Kommission, dass das Kriterium der wirtschaftlichen Kontinuität nur bei der Übertragung der Aktiva von ITR auf ITR Rubber (und nicht bei der Übertragung von der Tochtergesellschaft ITR Rubber auf Parker-Hannifin) erfüllt sei, auf einer unzutreffenden Prämisse beruht, kann die Verantwortlichkeit in Anwendung dieses Kriteriums auch nicht von Saiag und ITR auf ITR Rubber übergegangen sein. Folglich greift die Argumentation der Kommission nicht durch, dass die Verantwortlichkeit nach dem Kriterium der wirtschaftlichen Kontinuität der im Hinblick auf ihren Erwerb durch Parker-Hannifin gegründeten Tochtergesellschaft anhafte und daher bei dieser Gelegenheit auf Parker-Hannifin übergegangen sei.

122    Zurückzuweisen ist auch die Argumentation der Kommission, sie verfüge sowohl im Fall der wirtschaftlichen Kontinuität als auch allgemeiner bei Mutter- und Tochtergesellschaften hinsichtlich der Auswahl des Verantwortlichen der Zuwiderhandlung über ein Ermessen, so dass sie ITR Rubber für alle früheren Zuwiderhandlungen von ITR und Saiag eine Sanktion auferlegen könne.

123    Erstens geht zwar aus der Rechtsprechung hervor, dass es unter bestimmten Umständen möglich ist, einer Muttergesellschaft aufgrund der Kontrolle, die sie über ihre Tochtergesellschaft ausübt, das rechtswidrige Verhalten Letzterer zuzurechnen (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, KNP BT/Kommission, T‑309/94, Slg. 1998, II‑1007, Randnrn. 41, 42, 45, 47 und 48, bestätigt durch Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, KNP BT/Kommission, C‑248/98 P, Slg. 2000, I‑9641, Randnr. 73).

124    Diese Rechtsprechung kann hier aber keine Anwendung finden, da die Kommission einer Tochtergesellschaft (ITR Rubber) die Verantwortlichkeit ihrer Muttergesellschaft (Saiag) für das rechtswidrige Verhalten einer anderen Tochtergesellschaft (ITR) zurechnen möchte.

125    Zweitens hat die Kommission nach der Rechtsprechung die Wahl, die Sanktion entweder der an der Zuwiderhandlung beteiligten Tochtergesellschaft oder der Muttergesellschaft aufzuerlegen, die sie im fraglichen Zeitraum kontrollierte (Urteil Erste Group Bank u. a./Kommission, oben in Randnr. 101 angeführt, Randnrn. 81 bis 84, und Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, T‑259/02 bis T‑264/02 und T‑271/02, Slg. 2006, II‑5169, Randnr. 331), oder beiden als Gesamtschuldner (Urteile des Gerichts vom 15. Juni 2005, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑71/03, T‑74/03, T‑87/03 und T‑91/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 52 bis 82, und vom 24. März 2011, IBP und International Building Products France/Kommission, T‑384/06, Slg. 2011, II‑1177, Randnr. 13).

126    Nach dieser Rechtsprechung kann die Tochtergesellschaft aber nur insofern statt der Muttergesellschaft mit einer Sanktion belegt werden, als sie selbst an der Zuwiderhandlung beteiligt war, also nur für die Dauer ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung; sie kann daher insbesondere nicht rückwirkend für eine vor ihrer Gründung von ihrer Muttergesellschaft begangene Zuwiderhandlung haftbar gemacht werden.

127    Eine rückwirkende Zurechnung der Verantwortlichkeit für eine Zuwiderhandlung an eine andere juristische Person als die, die sie begangen hat, ist nämlich nur im Rahmen der Anwendung des Kriteriums der wirtschaftlichen Kontinuität möglich, die im vorliegenden Fall aber ausgeschlossen ist (siehe oben, Randnrn. 114 bis 119).

128    Da die Übertragung der in das Kartell einbezogenen Aktiva von ITR auf ITR Rubber am 1. Januar 2002 wirksam wurde und die Kommission nicht den Nachweis erbracht hat, dass ITR Rubber vor dem 1. Januar 2002 an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen wäre, ist festzustellen, dass ITR Rubber die Zuwiderhandlung persönlich vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Januar 2002 begangen hat, an dem Parker-Hannifin sämtliche Anteile an ITR Rubber erwarb.

129    Unbeschadet der Prüfung des zweiten und des dritten Klagegrundes folgt daraus ferner, dass die gesamtschuldnerische Haftung von Parker-Hannifin nicht für die Zeit vor dem 31. Januar 2002 eintreten kann, an dem sie sämtliche Anteile an ITR Rubber (später Parker ITR) erwarb. Die angefochtene Entscheidung ist, soweit mit ihr zu Recht festgestellt wird, dass Parker-Hannifin ab dem 31. Januar 2002 gesamtschuldnerisch haftet, zu bestätigen.

130    Ohne dass der zweite und der dritte Teil des ersten Klagegrundes geprüft zu werden brauchen, ist somit dem ersten Teil dieses Klagegrundes insoweit stattzugeben, als die Verantwortlichkeit von Parker ITR nicht für die Zeit der Zuwiderhandlung vor dem 1. Januar 2002 angenommen werden kann.

 Zum vierten Klagegrund, mit dem gerügt wird, dass die Verhängung einer Geldbuße gegen Parker ITR für die Zeit vor dem 11. Juni 1999 unzulässig sei

 Angefochtene Entscheidung

131    In den Randnrn. 148 bis 187 und 289 bis 307 der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission eine Reihe von Tatsachen an, die ihrer Auffassung nach dafür sprechen, drei Phasen des Kartells zu unterscheiden: eine erste Phase der „vollen“ Aktivität von 1986 bis Mai 1997, eine Phase der begrenzten Aktivität von Mai 1997 bis Juni 1999 bzw. Juni 2000 – je nach Mitglied des Kartells – und schließlich wieder eine Phase der „vollen“ Aktivität von Juni 1999 bzw. Juni 2000 – je nach Mitglied des Kartells – bis Mai 2007. Sie vertritt im Wesentlichen die Auffassung, dass die Zuwiderhandlung, da erwiesen sei, dass zwischen bestimmten Teilnehmern des Kartells Kontakte u. a. zur Wiederbelebung des Kartells stattgefunden hätten, als dauernd oder zumindest fortgesetzt einzustufen sei; für die Zeit der begrenzten Aktivität des Kartells sei jedoch keine Geldbuße zu verhängen.

 Vorbringen der Parteien

132    Mit ihrem vierten Klagegrund machen die Klägerinnen geltend, die Verhängung einer Geldbuße gegen Parker ITR für die Zeit vor dem 11. Juni 1999 verstoße zum einen gegen Art. 25 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003, da die Zuwiderhandlung nicht als dauernd oder fortgesetzt eingestuft werden könne, und zum anderen gegen das Diskriminierungsverbot. Die Kommission habe außerdem gegen ihre Begründungspflicht verstoßen.

133    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

134    Der vierte Klagegrund, mit dem die Feststellung begehrt wird, dass in Bezug auf den Zeitraum der Zuwiderhandlung vor dem 11. Juni 1999 Verjährung eingetreten ist, ist gegenüber dem ersten Klagegrund logisch subsidiär, was bedeutet, dass er nur geprüft werden müsste, wenn der erste Klagegrund zurückgewiesen würde.

135    Da dem ersten Klagegrund stattgegeben worden ist, braucht der vierte Klagegrund mithin nicht geprüft zu werden.

 Zum fünften Klagegrund, mit dem gerügt wird, dass die Geldbuße wegen der Rolle als Anführerin, die Parker ITR gespielt haben solle, zu Unrecht erhöht worden sei

 Angefochtene Entscheidung

136    Aus den Randnrn. 457 bis 463 der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass die Kommission aufgrund der Beteiligung von Herrn P. am Kartell, der eine Anführerrolle gespielt haben solle, was durch verschiedene Beweismittel untermauert werde, die Grundbeträge der Geldbußen wegen erschwerender Umstände um 30 % erhöht und das Vorbringen von Parker ITR und Parker-Hannifin zur Zurechnung der Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung an Herrn P. zurückgewiesen hat.

 Vorbringen der Parteien

137    Zur Stützung ihres fünften Klagegrundes tragen die Klägerinnen vor, die Geldbuße sei zu Unrecht wegen der Rolle als Anführerin, die Parker ITR in der Zeit vom 11. Juni 1999 bis zum 30. September 2001 gespielt haben solle, erhöht worden.

138    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

139    Da dem ersten Klagegrund stattgegeben wird, kann nicht festgestellt werden, dass Parker ITR vom 11. Juni 1999 bis zum 30. September 2001 die Rolle einer Anführerin des Kartells gespielt hätte.

140    Folglich ist dem fünften Klagegrund stattzugeben, da mit ihm gerügt wird, dass die verhängte Geldbuße wegen eines den Klägerinnen nicht zurechenbaren Verhaltens zu Unrecht erhöht worden sei.

 Zum sechsten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit und gegen die Begründungspflicht in Bezug auf die Erhöhung der gegen Parker-Hannifin verhängten Geldbuße wegen der Parker ITR zur Last gelegten Rolle als Anführerin gerügt wird

 Vorbringen der Parteien

141    Mit dem sechsten Klagegrund rügen die Klägerinnen einen Verstoß gegen den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit und gegen die Begründungspflicht in Bezug auf die Erhöhung der gegen Parker-Hannifin verhängten Geldbuße wegen der Parker ITR zur Last gelegten Rolle als Anführerin.

142    Die Klägerinnen machen insoweit geltend, die Kommission habe die Verantwortlichkeit von Parker-Hannifin für die Zeit vor dem 31. Januar 2002 nicht festgestellt, sondern die Rolle als Anführerin berücksichtigt, die ITR von Juni 1999 bis September 2001 gespielt haben solle, um sowohl die Geldbuße von Parker ITR als auch den Teil der Geldbuße zu erhöhen, für den Parker-Hannifin gesamtschuldnerisch hafte. Die Kommission mache Parker-Hannifin aber für Vorgänge haftbar, die sich abgespielt hätten, bevor sie Parker ITR am 31. Januar 2002 erworben habe, was gegen den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit verstoße.

143    Außerdem machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, die Begründung der angefochtenen Entscheidung sei widersprüchlich und unzulänglich.

144    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

145    Da dem ersten Klagegrund stattgegeben wird, kann für die Zeit der Zuwiderhandlung vom 11. Juni 1999 bis zum 30. September 2001, die Parker ITR nicht zugerechnet werden kann, Parker-Hannifin nicht für die Rolle ihrer Tochtergesellschaft Parker ITR als Anführerin gesamtschuldnerisch haftbar gemacht werden.

146    Folglich ist dem sechsten Klagegrund stattzugeben.

 Zum zweiten Klagegrund, mit dem gerügt wird, dass den Klägerinnen die Verantwortung für die Zuwiderhandlung im Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Verhalten von Herrn P., dem Direktor des Geschäftsbereichs „Oil & Gas“, zu Unrecht zugerechnet worden sei

 Angefochtene Entscheidung

147    Aus den Randnrn. 374 bis 381 der angefochtenen Entscheidung geht im Wesentlichen hervor, dass die Kommission das Vorbringen der Klägerinnen zurückgewiesen hat, dass die persönliche Verantwortlichkeit von Herrn P., dem Leiter des Geschäftsbereichs „Oil & Gas“ von ITR Rubber, sowohl vor dem Erwerb dieser Gesellschaft durch Parker-Hannifin als auch danach zu berücksichtigen sei, der ohne Wissen seines Arbeitgebers zu seinem persönlichen Vorteil und dem der Gesellschaften, mit denen er verbunden gewesen sei, einen umfangreichen Mechanismus für die Teilnahme am Kartell geschaffen habe, und dass diese Handlungen zum Nachteil des Unternehmens und in Widerspruch zu dessen interner Politik erfolgt seien und ihm erheblichen Schaden zugefügt und keinen Vorteil gebracht hätten.

 Vorbringen der Parteien

148    Die Klägerinnen bestreiten im Wesentlichen, dass ihnen das Verhalten von Herrn P., dem Leiter des Geschäftsbereichs „Oil & Gas“ von ITR Rubber (jetzt Parker ITR), zugerechnet werden könne. Erstens sei Herr P. heimlich vorgegangen; er habe einen betrügerischen Plan erstellt, der darauf angelegt gewesen sei, es ihm und verschiedenen Gesellschaften, die er kontrolliert habe oder mit denen er verbunden gewesen sei, zu ermöglichen, von den rechtswidrigen Gewinnen aus dem Kartell zu profitieren. Zweitens habe er sich mit allen Mitteln gegen Eingriffe von Parker-Hannifin in die Geschäfte des Geschäftsbereichs Marineschläuche gewehrt, die er völlig autonom geführt habe. Schließlich seien sie drittens die Ersten gewesen, die durch die Machenschaften von Herrn P. geschädigt worden seien, der ausschließlich in seinem persönlichen Interesse und dem seiner Gesellschaften und unter Verstoß gegen die Unternehmensethik von Parker-Hannifin gehandelt habe. Nach dem Vorbild der amerikanischen Rechtsprechung sei daher das Unternehmen nicht für das Verhalten seines Beschäftigten haftbar zu machen, wenn dessen rechtswidrige Aktivitäten mit der Absicht durchgeführt worden seien, davon andere Personen als seinen Arbeitgeber profitieren zu lassen.

149    Außerdem hätten sie, als Herr P. Beschäftigter des Unternehmens gewesen sei, keine Vereinbarung mit den Mitgliedern des Kartells geschlossen; sie hätten das Kartell auch nicht gegenüber der Kommission verheimlicht, als sie einen entsprechenden Verdacht gehabt hätten, der aber nicht hinreichend gewesen sei, um Maßnahmen insbesondere im Hinblick auf die Stellung eines Antrags auf Anwendung der Kronzeugenregelung zu stellen.

150    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

151    Um einem Unternehmen eine Zuwiderhandlung gegen Art. 85 EG zurechnen zu können, bedarf es nach ständiger Rechtsprechung keiner Handlung und nicht einmal einer Kenntnis der Inhaber oder Geschäftsführer des betreffenden Unternehmens von der Zuwiderhandlung, sondern es genügt die Handlung einer Person, die berechtigt ist, für das Unternehmen tätig zu werden (vgl., hinsichtlich des EG-Vertrags, Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 97, und Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, Brugg Rohrsysteme/Kommission, T‑15/99, Slg. 2002, II‑1613, Randnr. 58).

152    Herr P. war von 1981 bis 2006 ohne Unterbrechung nacheinander für Pirelli Treg, Saiag (ITR) und Parker ITR tätig. Außerdem schloss Parker ITR mit ihm nach seiner behaupteten Kündigung am 9. Juni 2006 zur Gewährleistung der Kontinuität des Geschäftsbereichs Marineschläuche einen Beratervertrag.

153    Auf die Beteiligung von Herrn P. am Kartell und auf seine Rolle als Anführer – beides wird im Übrigen von der Klägerin nicht formal bestritten – wird ausführlich in den Randnrn. 94, 122 (Tabelle 9), 144, 145, 151, 154, 155, 156, 158, 163, 172, 177, 185, 189 (Tabelle 10), 190, 196, 241, 302, 349, 379, 383, 384, 386, 459 und 461 der angefochtenen Entscheidung eingegangen.

154    Außerdem haben die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass Herr P. befugt war, für das Unternehmen zu handeln, wie die Kommission in Randnr. 383 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat. Aus dieser Randnummer geht nämlich hervor, dass von den Klägerinnen „eine entsprechende Handlungsbevollmächtigung …, gemäß der dieser zur Unterzeichnung vielfältiger geschäftlicher Vereinbarungen befugt war“, vorgelegt worden ist, was zeigt, dass Herr P. bei seinen Tätigkeiten deshalb über einen großen Handlungsspielraum verfügte, weil dieser ihm von den Klägerinnen ausdrücklich eingeräumt worden war.

155    Die Haftung der Klägerinnen steht somit fest, ohne dass geklärt werden müsste, ob Herr P. ohne ihr Wissen handelte.

156    Auch das Vorbringen der Klägerinnen, sie selbst hätten keine Vereinbarungen mit den anderen Mitgliedern des Kartells geschlossen, da diese rechtlich von Herrn P. eingegangen worden seien, geht daher ins Leere.

157    Dasselbe gilt für die Behauptung, Herr P. habe gegen die internen Regeln der Unternehmensethik des Parker-Konzerns verstoßen und mit der Absicht gehandelt, diesen Konzern zu betrügen. Dies wird nämlich durch nichts gestützt; und dagegen spricht zudem, dass der Parker-Konzern nie eine Anzeige erstattet hat noch sonst wie gegen seinen ehemaligen Beschäftigten vorgegangen ist.

158    Was schließlich die Schäden angeht, die Parker-Hannifin entstanden sein sollen, weist die Kommission zu Recht darauf hin, dass das Unternehmen entgegen seinen Behauptungen aufgrund seiner Teilnahme an dem Kartell insbesondere wegen der Festlegung der Preise und der Aufteilung der Märkte zwischen den verschiedenen Mitgliedern des Kartells Gewinne erzielte, die es ohne eine solche Abstimmung nicht hätte erzielen können.

159    Der zweite Klagegrund ist folglich zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund, mit dem gerügt wird, dass Parker-Hannifin zu Unrecht zusammen mit Parker ITR gesamtschuldnerisch haftbar gemacht worden sei

 Angefochtene Entscheidung

160    Aus den Randnrn. 382 bis 389 der angefochtenen Entscheidung geht im Wesentlichen hervor, dass die Kommission glaubte vermuten zu können, dass Parker-Hannifin auf Parker ITR einen bestimmenden Einfluss ausgeübt habe, da die Muttergesellschaft 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft gehalten habe und im Übrigen Indizien dafür vorgelegen hätten, dass Parker-Hannifin die Kontrolle über Parker ITR ausgeübt habe, insbesondere durch eine Herrn P. erteilte Handlungsbevollmächtigung, die ihn zur Unterzeichnung vielfältiger geschäftlicher Vereinbarungen ermächtigt habe.

161    Die Kommission hat auch die Argumente zurückgewiesen, die die Klägerinnen in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgebracht hatten.

162    Die Kommission hat nämlich erstens das Vorbringen zurückgewiesen, dass der Beweis genügt hätte, dass Parker-Hannifin allein auf die Tätigkeit der Marineschläuche von Parker ITR keinen bestimmenden Einfluss ausgeübt habe, unabhängig von der Situation der anderen Geschäftsbereiche dieser Tochtergesellschaft; aus der Rechtsprechung ergebe sich, dass auf das Gesamtverhalten der Tochtergesellschaft abzustellen sei.

163    Zweitens hat die Kommission die Auffassung vertreten, dass aus den von den Klägerinnen zum Beweis der Autonomie von Parker ITR angeführten Schriftstücken nicht hervorgehe, dass die Tochtergesellschaft völlig unabhängig von ihrer Muttergesellschaft agiert habe; sie ließen allenfalls Meinungsverschiedenheiten und Probleme der Zusammenarbeit erkennen. Jedoch sei es nicht erforderlich, in die laufende Geschäftsführung einer Tochtergesellschaft einzugreifen, um einen bestimmenden Einfluss auf deren Geschäftspolitik auszuüben.

164    Drittens hat die Kommission die Argumentation der Klägerinnen zurückgewiesen, das Kartell sei der Muttergesellschaft verheimlicht worden; sie hat insbesondere die Auffassung vertreten, dass sie nach der Rechtsprechung nicht nachzuweisen brauche, dass die Leitung eines Unternehmens von einer Zuwiderhandlung gewusst habe, solange der Einzelne, der zu dieser Zuwiderhandlung beigetragen habe, ermächtigt worden sei, für das Unternehmen zu handeln.

165    Die Kommission kam zu dem Ergebnis, dass neben der Verantwortlichkeit von Parker ITR für die ab 1986 begangene Zuwiderhandlung Parker-Hannifin und Parker ITR für das Verhalten Letzterer vom 31. Januar 2002 bis zum 2. Mai 2007 gesamtschuldnerisch hafteten.

 Vorbringen der Parteien

166    Die Klägerinnen machen erstens im Wesentlichen geltend, Parker-Hannifin habe, als Herr P. den Geschäftsbereich „Oil & Gas“ von Parker ITR geleitet habe, überhaupt keinen und somit erst recht keinen bestimmenden Einfluss auf diesen Geschäftsbereich ausgeübt. Herr P. habe sich nämlich systematisch geweigert, die Anweisungen und die Geschäftspolitik von Parker-Hannifin zu beachten; ihm sei es gelungen, die Versuche von Parker-Hannifin, in die Leitung des Geschäftsbereichs Marineschläuche einzugreifen, abzuwehren, und er habe sich bewusst über die Unternehmensethik des Parker-Konzerns hinweggesetzt. Der von Herrn P. geleitete Geschäftsbereich „Oil & Gas“ habe sich folglich autonom auf dem Markt verhalten. Die Klägerinnen meinen, auf diese Weise die Vermutung eines bestimmenden Einflusses widerlegt zu haben.

167    Außerdem sei in der Akte der Kommission, abgesehen von einigen angeblichen Indizien, kein Beweis dafür enthalten, dass Parker-Hannifin in der Zeit vom 31. Januar 2002 bis zum 9. Juni 2006 einen bestimmenden Einfluss auf Parker ITR ausgeübt hätte.

168    Zweitens machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, sie müssten die Vermutung eines bestimmenden Einflusses nur hinsichtlich der von dem Kartell betroffenen Produkte widerlegen, d. h. derer des Geschäftsbereichs „Oil & Gas“ von Parker ITR. Ihnen den Beweis aufzuerlegen, dass Parker-Hannifin auf sämtliche von Parker ITR ausgeübten Tätigkeiten keinen bestimmenden Einfluss ausgeübt habe, sei daher offensichtlich unverhältnismäßig und stehe in Widerspruch zu der der Vermutung zugrunde liegenden Logik. Eine Muttergesellschaft könne sich nämlich durchaus dafür entscheiden, auf bestimmte Geschäftsbereiche ihrer Tochtergesellschaften einen bestimmenden Einfluss auszuüben und ihnen in anderen völlig freie Hand zu lassen. Daher sei im vorliegenden Fall nach dem Akteninhalt erwiesen, dass Parker-Hannifin und Parker ITR, was den Bereich der Marineschläuche für Öl und Gas angehe, kein einheitliches Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG darstellten.

169    Drittens bestreiten die Klägerinnen, dass es für die Ausübung eines bestimmenden Einflusses, wie die Kommission behaupte, nicht erforderlich sei, in die laufende Geschäftsführung einer Tochtergesellschaft einzugreifen.

170    Viertens machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, dass es nicht ihnen obliege, zu widerlegen, dass Parker-Hannifin Ziele und unternehmenspolitische Verhaltensweisen vorgegeben habe, die sich auf den Geschäftserfolg und die Kohärenz der Gruppe ausgewirkt hätten, und gegen Verhaltensweisen vorgegangen sei, die diesen Zielen und Verhaltensweisen zuwidergelaufen seien, wie die Kommission in Randnr. 386 der angefochtenen Entscheidung ausführe.

171    Fünftens schließlich wenden sich die Klägerinnen im Wesentlichen gegen die Tragweite, die die Kommission bestimmten in den Randnrn. 383 bis 386 der angefochtenen Entscheidung zum Beleg der Tatsache angeführten Beweismitteln beimisst, dass Parker-Hannifin ihre Tochtergesellschaft kontrollieren wollte, und gegen deren Auslegung durch die Kommission.

172    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

173    Nach ständiger Rechtsprechung kann das Verhalten einer Tochtergesellschaft ihrer Muttergesellschaft namentlich dann zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht eigenständig bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen, die zwischen den beiden Rechtssubjekten bestehen (vgl. Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, Randnr. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

174    Dies liegt darin begründet, dass in einem solchen Fall die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft Teil ein und derselben wirtschaftlichen Einheit sind und damit ein Unternehmen im Sinne der Rechtsprechung bilden. Weil eine Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft ein Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bilden, kann die Kommission demnach eine Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an die Muttergesellschaft richten, ohne dass deren persönliche Beteiligung an der Zuwiderhandlung nachgewiesen werden muss (vgl. Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, Randnr. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

175    In dem speziellen Fall, dass eine Muttergesellschaft 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft hält, die gegen die Wettbewerbsregeln der Union verstoßen hat, kann zum einen diese Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten dieser Tochtergesellschaft ausüben und besteht zum anderen eine widerlegliche Vermutung, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübt (vgl. Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, Randnr. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

176    Unter diesen Umständen genügt es, dass die Kommission nachweist, dass die Muttergesellschaft das gesamte Kapital der Tochtergesellschaft hält, um zu vermuten, dass die Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik dieses Tochterunternehmens ausübt. Die Kommission kann in der Folge dem Mutterunternehmen als Gesamtschuldner die Haftung für die Zahlung der gegen dessen Tochterunternehmen verhängten Geldbuße zuweisen, sofern die vom Mutterunternehmen, dem es obliegt, diese Vermutung zu widerlegen, vorgelegten Beweise nicht für den Nachweis ausreichen, dass sein Tochterunternehmen auf dem Markt eigenständig auftritt (vgl. Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, Randnr. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

177    Im Übrigen bildet das Marktverhalten der Tochtergesellschaft nicht den einzigen Anknüpfungspunkt, der eine Zurechnung der Verantwortlichkeit an die Muttergesellschaft erlaubt, sondern ist nur ein Indiz für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit (Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, Randnr. 73).

178    Bei der Prüfung der Frage, ob eine Tochtergesellschaft ihr Marktverhalten autonom bestimmt, sind also auch sämtliche im Zusammenhang mit ihren wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Verbindungen zur Muttergesellschaft relevanten Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die von Fall zu Fall variieren und daher nicht abschließend aufgezählt werden können (Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, Randnr. 74).

179    Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass Parker-Hannifin über ihre verschiedenen Tochtergesellschaften 100 % des Kapitals von ITR Rubber (jetzt Parker ITR) hielt. Bei ihr wird also vermutet, dass sie als Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübte.

180    Unter diesen Umständen sind die Beweismittel zu analysieren, die die Klägerinnen vorgebracht haben, um die genannte Vermutung zu widerlegen.

181    Im Rahmen dieser Analyse ist zunächst in Erinnerung zu rufen, dass aus dem Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission (oben in Randnr. 86 angeführt) hervorgeht, dass die Autonomie für die gesamte Tochtergesellschaft nachzuweisen ist und nicht nur für eine auf dem Markt, der Gegenstand des Kartells ist, tätige geschäftliche Einheit; beim Nachweis eines autonomen Verhaltens der Tochtergesellschaft geht es nämlich letztlich um den Nachweis, dass die Muttergesellschaft und die Tochtergesellschaft keine wirtschaftliche Einheit bilden, was es rechtfertigen kann, dass die Muttergesellschaft nicht für die von ihrer Tochtergesellschaft begangene Zuwiderhandlung einstehen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, Randnrn. 55, 56 und 59).

182    Das dahin gehende Vorbringen der Klägerinnen ist daher zurückzuweisen.

183    Im Übrigen machen die Klägerinnen geltend, dass von den betroffenen Parteien nicht verlangt werde, einen unmittelbaren und unwiderleglichen Beweis für das eigenständige Marktverhalten der Tochtergesellschaft zu erbringen, sondern lediglich, Beweismittel vorzulegen, die geeignet seien, diese Eigenständigkeit erkennen zu lassen.

184    Da nach der vorstehend in Erinnerung gerufenen Rechtsprechung (siehe oben, Randnr. 176) die vorgelegten „Beweise … für den Nachweis ausreichen [müssen], dass [das] Tochterunternehmen auf dem Markt eigenständig auftritt“, ist es nicht erforderlich, dass die Klägerinnen einen unmittelbaren und unwiderleglichen Beweis für das eigenständige Marktverhalten der Tochtergesellschaft erbringen; vielmehr obliegt es ihnen, ein Bündel aussagekräftiger und übereinstimmender Beweise beizubringen, aus denen hervorgeht, dass sich die Tochtergesellschaft, obwohl ihr Kapital zu 100 % von der Muttergesellschaft gehalten wurde, tatsächlich autonom verhielt.

185    Zur Stützung ihrer These, die Muttergesellschaft habe überhaupt keinen und erst recht keinen bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft ausgeübt, machen die Klägerinnen ferner geltend, dass Herr P. sich systematisch geweigert habe, die Weisungen und die Geschäftspolitik von Parker-Hannifin zu beachten, dass es ihm gelungen sei, die Versuche von Parker-Hannifin, in die Leitung des Geschäftsbereichs Marineschläuche einzugreifen, abzuwehren, was die Kommission in der angefochtenen Entscheidung anerkenne (Randnr. 384 der angefochtenen Entscheidung), und dass er auf diese Weise außerdem vorsätzlich gegen den Kodex der Unternehmensethik des Parker-Konzerns verstoßen habe, nach dem es den Beschäftigten verboten sei, sich an kollusiven Aktivitäten zu beteiligen.

186    Die Klägerinnen vertreten die Auffassung, sie hätten damit den Nachweis erbracht, dass Parker-Hannifin nicht in die laufende Geschäftsführung des Geschäftsbereichs „Oil & Gas“ von Parker ITR eingegriffen habe.

187    Allerdings behaupten die Klägerinnen zugleich, dass Parker-Hannifin keinen bestimmenden Einfluss auf Parker ITR ausgeübt, aber ohne Unterlass versucht habe, in die Geschäftsführung dieses Unternehmens einzugreifen, was ihr nur wegen der Machenschaften von Herrn P. nicht gelungen sei.

188    Die Klägerinnen haben aber nicht dargetan, aus welchen Gründen Parker-Hannifin mehrere Jahre in legitimer Weise daran gehindert gewesen sein soll, einen bestimmenden Einfluss auf Parker ITR auszuüben, wie sie behaupten.

189    Wie bereits ausgeführt, ist Parker-Hannifin die Muttergesellschaft eines Weltkonzerns, der Anfang 2002 einen für ihn neuen Geschäftsbereich erwarb, den Geschäftsbereich Kautschukschläuche von ITR Rubber (jetzt Parker ITR).

190    Nach dem Vorbringen der Klägerinnen hielt Herr P. den Parker-Konzern von den Tätigkeiten von Parker ITR fern, so dass die Dachgesellschaft dieses Konzerns mehr als vier Jahre lang, bis zu seinem Ausscheiden im Jahr 2006, überhaupt nicht gewusst habe, was in diesem Geschäftsbereich passiere.

191    Abgesehen davon, dass diese Angaben wenig glaubwürdig sind, ist festzustellen, dass Parker-Hannifin rechtlich und wirtschaftlich durch nichts daran gehindert war, ihre Kontrolle über Parker ITR auszuüben.

192    Außerdem war Parker-Hannifin durch nichts daran gehindert, Herrn P., bei dem es sich ja nur um einen ihrer Beschäftigten handelte, abzuberufen oder ihm zu kündigen, wenn die Klägerinnen, wie sie heute behaupten, der Ansicht waren, dass er die Kontrolle von Parker-Hannifin über Parker ITR verhinderte.

193    Außerdem hat die Muttergesellschaft den Nachweis zu erbringen, dass die Tochtergesellschaft objektiv autonom war, wobei die wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Verbindungen zwischen den beiden Gesellschaften zu berücksichtigen sind. Auf die entsprechenden Absichten der Tochtergesellschaft kommt es, auch wenn sie erwiesen sind, nicht an. Sonst würde der Passivität und Nachlässigkeit einer Muttergesellschaft beim Management ihrer Tochtergesellschaften, die sich an Zuwiderhandlungen beteiligen, ein Freibrief ausgestellt.

194    Die Klägerinnen haben also nichts vorgebracht, das geeignet wäre, die Vermutung des bestimmenden Einflusses der Muttergesellschaft auf ihre Tochtergesellschaft oder die von der Kommission herangezogenen ergänzenden Beweismittel zu widerlegen.

195    Der dritte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Zum siebten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes durch Anwendung einer falschen Methode bei der Ermittlung des Umsatzes zur Festsetzung der Geldbuße gerügt wird

 Angefochtene Entscheidung

196    Aus den Randnrn. 422 bis 428 der angefochtenen Entscheidung geht im Wesentlichen hervor, dass die Kommission bei der Bestimmung des relevanten Umsatzes, um der Volatilität der Jahresumsätze Rechnung zu tragen, auf den durchschnittlichen Umsatz in den letzten drei Jahren vor dem Ende der Zuwiderhandlung abgestellt und die Auffassung vertreten hat, dass der EWR-Markt sämtliche Umsätze umfasse, die Abnehmern innerhalb des EWR in Rechnung gestellt worden seien; dies sei unter den besonderen Bedingungen des relevanten Markts nämlich das zuverlässigste Kriterium für die Entscheidung darüber, wo die Zuwiderhandlung den Wettbewerb beeinträchtigt habe, und nicht der Ort der Endanwendung, der außerhalb des EWR liegen könne.

197    Dies werde im Übrigen dadurch bestätigt, dass die meisten Unternehmen in ihren Antworten auf die Auskunftsverlangen eine räumliche Zuordnung der Kunden oder Umsätze ausgehend von den Standorten der Rechnungsempfänger und nicht vom Lieferort bzw. dem Ort der Endanwendung der Produkte vorgenommen hätten.

198    Eine solche Beurteilung stehe nicht in Widerspruch zu den Leitlinien; darin seien keine Kriterien dafür angegeben, wann Verkäufe als Verkäufe im EWR gälten.

 Vorbringen der Parteien

199    Die Klägerinnen machen im Wesentlichen geltend, die Kommission habe dadurch gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen, dass sie bei der Berechnung des aggregierten Umsatzes im EWR nicht nur die Umsätze mit Marineschläuchen berücksichtigt habe, die innerhalb des EWR geliefert worden seien, sondern auch die Umsätze mit Produkten, die im EWR niedergelassenen Gesellschaften in Rechnung gestellt worden seien, und zwar, um die Geldbuße künstlich in die Höhe zu treiben.

200    Nur die Umsätze mit Produkten, die innerhalb des EWR geliefert worden seien, spiegelten die Auswirkungen eines potenziell rechtswidrigen Verhaltens auf den Wettbewerb im EWR wider. Die Umsätze mit Produkten, die außerhalb des EWR geliefert worden seien, könnten nämlich nicht im Sinne von Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen „den Handel zwischen Mitgliedstaaten“ oder „zwischen den Vertragsparteien … beeinträchtigen“, denn der Handel im EWR sei nur dann beeinträchtigt, wenn die vom Kartell betroffenen Produkte innerhalb des EWR geliefert würden, unabhängig vom Ort der Niederlassung der rechtlichen Einheit, der sie in Rechnung gestellt würden.

201    Die Klägerinnen berufen sich insoweit ferner auf Nr. 197 der Konsolidierten Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 2008, C 95, S. 1, im Folgenden: Mitteilung zu Zusammenschlüssen), wonach „die Lieferung im Allgemeinen die charakteristische Handlung für den Verkauf von Waren ist“, was ihre Analyse von Nr. 18 der Leitlinien von 2006 bestätige.

202    Außerdem stehe Randnr. 55 der angefochtenen Entscheidung – in der die Kommission feststelle, dass „[m]it Ersatzprodukten [d. h. mit Verkäufen an Endanwender] … auf dem Weltmarkt für Marineschläuche größere Umsätze erzielt werden als mit Neukonfigurationen [d. h. mit Verkäufen an OEM-Hersteller]“ – in Widerspruch zu Randnr. 427 der angefochtenen Entscheidung, wo es heiße, dass „Marineschläuche in beträchtlichem Umfang von OEM-Herstellern … bezogen [werden]“.

203    Im Übrigen könne die Kommission nicht die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem Kriterium der Rechnungsstellung um ein übliches, von den Unternehmen selbst verwendetes Kriterium handele, nur weil mehrere betroffene Unternehmen bei der internen räumlichen Aufteilung ihres Umsatzes auf den Ort der Rechnungsstellung und nicht auf den Ort der Lieferung abgestellt hätten; Parker-Hannifin habe sie darauf hingewiesen, dass die so berechneten Umsätze nicht die Umsätze im EWR für die Zwecke des vorliegenden Falls wiedergeben könnten.

204    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

205    Ziff. 13 der Leitlinien lautet:

„Zur Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße verwendet die Kommission den Wert der von dem betreffenden Unternehmen im relevanten räumlichen Markt innerhalb des EWR verkauften Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen. Im Regelfall ist der Umsatz im letzten vollständigen Geschäftsjahr zugrunde zu legen, in dem das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war …“

206    Ziff. 18 der Leitlinien lautet:

„Soweit sich eine Zuwiderhandlung in einem Gebiet auswirkt, das über das Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraums (‚EWR‘) hinausreicht (beispielsweise weltweite Kartelle), gibt der innerhalb des EWR erzielte Umsatz das Gewicht der einzelnen Unternehmen bei der Zuwiderhandlung möglicherweise nicht angemessen wieder. Das ist insbesondere der Fall, wenn eine Aufteilung der Märkte weltweit vereinbart wurde.

Um in solchen Fällen sowohl den aggregierten Umsatz im EWR als auch das jeweilige Gewicht der einzelnen Unternehmen bei der Zuwiderhandlung wiederzugeben, kann die Kommission den Gesamtwert des Umsatzes mit den betreffenden Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in Zusammenhang stehen, im gesamten (über den EWR hinausreichenden) relevanten räumlichen Markt schätzen, den Anteil der einzelnen beteiligten Unternehmen am Umsatz auf diesem Markt ermitteln und diesen Anteil auf den aggregierten Umsatz derselben Unternehmen innerhalb des EWR anwenden. Das Ergebnis wird als Umsatz bei der Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße verwendet.“

207    Die Klägerinnen bestreiten nicht, dass es sich bei dem Markt für Marineschläuche um einen Weltmarkt handelt.

208    Daher ist der Inhalt der im vorliegenden Fall einschlägigen Ziff. 18 der Leitlinien zu prüfen.

209    In Ziff. 18 der Leitlinien ist – ebenso wie in deren Ziff. 13 – weder von „gelieferten Umsätzen“ noch von „in Rechnung gestellten Umsätzen“ die Rede, sondern lediglich von „Umsätzen“ innerhalb des EWR.

210    Folglich schreiben die Leitlinien weder vor, die im EWR gelieferten Umsätze zu berücksichtigen, noch stehen sie dem entgegen, dass die Kommission bei der Ermittlung der von jedem Unternehmen innerhalb des EWR erzielten Umsätze die im EWR in Rechnung gestellten Umsätze heranzieht.

211    Um die im EWR in Rechnung gestellten Umsätze heranziehen zu können, müsste dieses Kriterium jedoch die Realität des Marktes widerspiegeln, d. h., es muss am geeignetsten sein, um die Auswirkungen des Kartells auf den Wettbewerb im EWR zu erfassen.

212    Von den Klägerinnen wird nicht bestritten, dass zwar die meisten Marineschlauchsysteme außerhalb Europas eingesetzt werden, wohl aber einige der weltgrößten OEM in verschiedenen Ländern der Union oder des EWR ansässig sind (vgl. Randnr. 59 der angefochtenen Entscheidung). Folglich werden die Auswirkungen des Marineschlauchkartells auf den Wettbewerb im EWR korrekt widergespiegelt, wenn auf die im EWR in Rechnung gestellten Umsätze abgestellt wird, und das Vorbringen der Klägerinnen, dass sich die Auswirkungen des Kartells im EWR nur anhand der im EWR gelieferten Umsätze beurteilen ließen, ist zurückzuweisen.

213    Hingegen ist unerheblich, dass die Kommission es in ihrer Mitteilung über die Zusammenschlüsse bei der Bestimmung des zu berücksichtigenden Umsatzes vorgezogen hat, auf den Ort der Lieferung abzustellen; die Beurteilung der Auswirkungen eines Zusammenschlusses auf den Markt ist nämlich nicht mit der Bestimmung des Betrags der gegen ein Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG zu verhängenden Geldbuße vergleichbar, mag auch das Marktvolumen in der Mitteilung über die Zusammenschlüsse und in den Leitlinien auf die gleiche Weise bestimmt werden.

214    Dass die Kommission sich in einem bestimmten Bereich des Wettbewerbsrechts selbst beschränkt, zwingt sie im Übrigen nicht dazu, sich in einem anderen Bereich auf dieselbe Weise zu beschränken, noch führt dies ipso facto zu einer entsprechenden Beschränkung in diesem Bereich.

215    Die Feststellung in der angefochtenen Entscheidung, dass mit dem Verkauf von Ersatzprodukten an Endanwender – von denen die meisten außerhalb des EWR ansässig sind – auf dem Weltmarkt für Marineschläuche größere Umsätze erzielt würden als mit Neukonfigurationen (Randnr. 55 der angefochtenen Entscheidung), steht im Übrigen nicht in Widerspruch zu der Feststellung der Kommission, dass im vorliegenden Fall der Ort, an dem die Einheit niedergelassen sei, der die Lieferungen in Rechnung gestellt worden seien, das angemessenste Kriterium für die Beurteilung sei, ob die Umsätze innerhalb des EWR erfolgt seien (Randnr. 427 der angefochtenen Entscheidung); das bedeutet nämlich, dass von der Kommission nur die Umsätze berücksichtigt wurden, die im EWR niedergelassenen Kunden in Rechnung gestellt wurden – unabhängig vom Ort der Niederlassung der Endanwender.

216    Folglich ist zu prüfen, ob die Kommission nach den vorstehenden Erwägungen die Angaben der Unternehmen zu ihren Umsätzen, d. h. die Angaben zu den in Rechnung gestellten Umsätzen, in einer für sie unerwarteten und ihr berechtigtes Vertrauen verletzenden Weise verwertet hat.

217    Nach ständiger Rechtsprechung kann sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes jeder berufen, der sich in einer Situation befindet, in der die Gemeinschaftsverwaltung bei ihm durch bestimmte Zusicherungen begründete Erwartungen geweckt hat (Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 2004, Di Lenardo und Dilexport, C‑37/02 und C‑38/02, Slg. 2004, I‑6911, Randnr. 70, und Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1998, Embassy Limousines & Services/Parlament, T‑203/96, Slg. 1998, II‑4239, Randnr. 74). Präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte aus zuständigen und zuverlässigen Quellen stellen unabhängig von der Form ihrer Mitteilung solche Zusicherungen dar (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 25. Mai 2000, Kögler/Gerichtshof, C‑82/98 P, Slg. 2000, I‑3855, Randnr. 33). Dagegen kann niemand eine Verletzung dieses Grundsatzes geltend machen, dem die Verwaltung keine bestimmten Zusicherungen gegeben hat (Urteile des Gerichtshofs vom 24. November 2005, Deutschland/Kommission, C‑506/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 58, und vom 22. Juni 2006, Belgien und Forum 187/Kommission, C‑182/03 und C‑217/03, Slg. 2006, I‑5479, Randnr. 147). Überdies können nur solche Zusicherungen ein berechtigtes Vertrauen entstehen lassen, die den anwendbaren Rechtsnormen entsprechen (Urteile des Gerichts vom 30. Juni 2005, Branco/Kommission, T‑347/03, Slg. 2005, II‑2555, Randnr. 102, vom 23. Februar 2006, Cementbouw Handel & Industrie/Kommission, T‑282/02, Slg. 2006, II‑319, Randnr. 77, und vom 19. November 2009, Denka International/Kommission, T‑334/07, Slg. 2009, II‑4205, Randnr. 132).

218    Im vorliegenden Fall hat die Kommission den Klägerinnen keine Zusicherung im Sinne dieser Rechtsprechung gegeben, dass die von ihnen von sich aus und dann auf Anforderung der Kommission gemachten Angaben zu den im EWR in Rechnung gestellten Umsätzen bei der Berechnung der gegen sie verhängten Geldbuße nicht berücksichtigt würden.

219    Die Klägerinnen können daher nicht geltend machen, dass bei der Berücksichtigung der Angaben, die sie der Kommission von sich aus zu den im EWR in Rechnung gestellten Umsätzen gemacht haben, im Rahmen der Berechnung der gegen sie festgesetzten Geldbuße gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen worden wäre.

220    Folglich ist der siebte Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum achten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003, den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit und die Begründungspflicht bei der Berechnung der Obergrenze von 10 % des Umsatzes gerügt wird

 Vorbringen der Parteien

221    Die Klägerinnen machen erstens geltend, die Kommission hätte bei der Berechnung der Obergrenze von 10 % der gegen Parker ITR festgesetzten Geldbuße auf den Umsatz von Parker ITR abstellen müssen und nicht auf den konsolidierten Umsatz von Parker-Hannifin; sie habe daher gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verstoßen. Hätten zwei rechtliche Einheiten zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung zum selben Unternehmen gehört, zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung der Kommission aber nicht mehr, sei die Obergrenze von 10 % nach der Rechtsprechung nämlich auf der Grundlage ihrer jeweiligen getrennten Umsätze zu berechnen. Dieser Ansatz hätte im vorliegenden Fall analog angewandt werden müssen, da Saiag und ITR, die während des größten Teils des Zeitraums der Zuwiderhandlung Eigentümer der in die Zuwiderhandlung einbezogenen Aktiva gewesen seien, ein vom Unternehmen Parker-Hannifin unabhängiges Unternehmen dargestellt hätten.

222    Jede andere Auslegung verstieße gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und führte zu unverhältnismäßigen Ergebnissen.

223    Zweitens verstoße die angefochtene Entscheidung damit auch gegen den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit; die Aktiva von Parker ITR im Zusammenhang mit den Marineschläuchen hätten nämlich vom 1. April 1986 bis zum 31. Januar 2002 verschiedenen Unternehmen gehört.

224    Drittens sei die Kommission nicht auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren zur Auslegung von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 eingegangen. In der angefochtenen Entscheidung werde lediglich ausgeführt, dass die für die Geldbußen herangezogenen angepassten Grundbeträge die Obergrenze von 10 % nicht überschritten; daraus erhelle nicht, warum sich die Kommission letztlich dafür entschieden habe, die Obergrenze von 10 % bei dem Teil der Geldbuße, für den Parker ITR allein hafte, auf der Grundlage des Umsatzes von Parker-Hannifin zu berechnen.

225    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

226    Wie bereits ausgeführt, ist zum einen dem ersten Klagegrund stattzugeben, so dass die Parker ITR zur Last zu legende Zuwiderhandlung vom 1. Januar 2002 bis zum 2. Mai 2007 dauerte, und zum anderen ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen, weshalb das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass Parker ITR mit Ausnahme der Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Januar 2002 während der gesamten Zeit der Zuwiderhandlung eine 100%ige Tochtergesellschaft von Parker-Hannifin war, auf die Letztere einen bestimmenden Einfluss ausübte.

227    Im Übrigen kann das mit der Einführung der Obergrenze von 10 % verfolgte Ziel nach ständiger Rechtsprechung nur dann erreicht werden, wenn diese Grenze in einem ersten Schritt auf jeden einzelnen Adressaten der Entscheidung, mit der die Geldbuße verhängt wird, getrennt angewandt wird. Erst wenn sich in einem zweiten Schritt herausstellt, dass mehrere Adressaten das „Unternehmen“ im Sinne der für die geahndete Zuwiderhandlung verantwortlichen wirtschaftlichen Einheit darstellen, und dies auch noch zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung gilt, kann die Obergrenze anhand des Gesamtumsatzes dieses Unternehmens, d. h. aller seiner Bestandteile, berechnet werden (Urteil Tokai Carbon u. a./Kommission, oben in Randnr. 125 angeführt, Randnr. 390).

228    Da dem ersten Klagegrund stattgegeben wird, geht der achte Klagegrund, soweit er sich auf die Zeit der Zuwiderhandlung vor dem 1. Januar 2002 bezieht, während der die Zuwiderhandlung von ITR begangen wurde, ins Leere. Soweit er sich auf die Zeit der Zuwiderhandlung nach dem 1. Januar 2002 bezieht, ist er unbegründet, da Parker ITR und Parker-Hannifin während dieses gesamten Zeitraums mit Ausnahme eines Monats eine wirtschaftliche Einheit bildeten, die für die geahndete Zuwiderhandlung verantwortlich war. Die Obergrenze der Geldbuße konnte also auf der Grundlage des Gesamtumsatzes dieses Unternehmens berechnet werden, d. h. aller seiner Bestandteile.

229    Da dem ersten Klagegrund stattgegeben wird, ist es im Übrigen nicht erforderlich, die anderen Rügen zu prüfen, mit denen ein Verstoß gegen die Grundsätze der persönlichen Verantwortlichkeit und der Verhältnismäßigkeit und ein Begründungsmangel geltend gemacht werden; sie beziehen sich nämlich auf die Auswirkungen der Berücksichtigung der Zeit vor dem 1. Januar 2002 in der angefochtenen Entscheidung.

230    Der achte Klagegrund ist also zurückzuweisen.

 Zum neunten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und die Begründungspflicht wegen der Weigerung der Kommission, die Geldbuße wegen Zusammenarbeit herabzusetzen, gerügt wird

 Angefochtene Entscheidung

231    Aus den Randnrn. 489 bis 493 der angefochtenen Entscheidung geht im Wesentlichen hervor, dass Parker ITR der Kommission im Rahmen der Kronzeugenregelung Dokumente vorlegte, die ihres Erachtens nur einen geringen Mehrwert hinsichtlich des Zeitraums von 1986 bis 2007 aufwiesen, auch wenn sie Beweise für das Bestehen des Kartells von 1972 bis Anfang der 80er Jahre enthielten. Für diesen Zeitraum sei jedoch Verjährung eingetreten. Daher sei den Klägerinnen keine Ermäßigung der Geldbuße zu gewähren.

 Vorbringen der Parteien

232    Die Klägerinnen machen geltend, sie hätten in ihrem Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung erhebliche Beweise für Tatsachen zusammengetragen und vorgelegt, [vertraulich], von denen die Kommission zuvor nichts gewusst habe und die in unmittelbarem Zusammenhang mit [vertraulich] der Zuwiderhandlung stünden. Die Kommission habe die Auffassung vertreten, dass diese Beweise, die sich auf die Zeit vom [vertraulich] bezogen hätten, wegen [vertraulich] keinen Mehrwert aufwiesen. Eine solche Analyse stehe aber in Widerspruch zu [vertraulich]. Außerdem habe die Kommission in keiner Weise dargelegt, warum [vertraulich].

233    Wäre die Kommission zu der Auffassung gelangt, dass die von den Klägerinnen beigebrachten Beweise einen erheblichen Mehrwert aufwiesen, hätte Parker ITR auf der Grundlage dieser Beweise für [vertraulich] des Kartells nicht haftbar gemacht werden können; diese teilweise Immunität wäre gemäß Randnr. 26 Abs. 3 der Mitteilung über Zusammenarbeit zu der im Rahmen der Kronzeugenregelung gewährten Ermäßigung hinzugekommen.

234    Schließlich bestreiten die Klägerinnen, dass sie das Kartell, nachdem sie davon Kenntnis erlangt hätten, verheimlicht hätten.

235    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

236    Randnr. 26 der Mitteilung über Zusammenarbeit lautet:

„Die Kommission wird in ihrer am Ende des Verwaltungsverfahrens erlassenen endgültigen Entscheidung darüber befinden, in welchem Umfang die Geldbuße, die andernfalls verhängt worden wäre, ermäßigt wird.

–        Für das erste Unternehmen, das Beweismittel mit erheblichem Mehrwert vorlegt, wird eine Ermäßigung zwischen 30 % und 50 %,

–        für das zweite Unternehmen, das Beweismittel mit erheblichem Mehrwert vorlegt, eine Ermäßigung zwischen 20 % und 30 % und

–        für jedes weitere Unternehmen, das Beweismittel mit erheblichem Mehrwert vorlegt, eine Ermäßigung bis zu 20 % gewährt.

Um den Umfang der Ermäßigung der Geldbuße innerhalb dieser Bandbreiten zu bestimmen, wird die Kommission den Zeitpunkt berücksichtigen, zu dem die Beweismittel, die die Voraussetzungen unter [Randnummer 24] erfüllen, vorgelegt wurden, sowie den Umfang des mit den Beweismitteln verbundenen Mehrwerts.

Übermittelt das Unternehmen, das den Antrag auf Ermäßigung der Geldbuße stellt, als erstes zwingende Beweise im Sinne der [Randnummer 25], die die Kommission zur Feststellung zusätzlicher, die Schwere oder Dauer der Zuwiderhandlung erhöhender Tatsachen heranzieht, wird die Kommission diese zusätzlichen Tatsachen bei der Festsetzung der Geldbuße für das Unternehmen, das diese Beweise vorlegte, nicht berücksichtigen.“

237    Randnr. 36 der Mitteilung über Zusammenarbeit lautet:

„Die Kommission wird nicht entscheiden, ob ein bedingter Erlass der Geldbuße gewährt wird oder nicht bzw. ob sonst einem Antrag stattgegeben wird oder nicht, wenn sich herausstellt, dass der Antrag sich auf Zuwiderhandlungen bezieht, für die die in Artikel 25 Absatz 1 Buchstabe b) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates festgelegte Verfolgungsverjährungsfrist von fünf Jahren verstrichen ist, da solche Anträge gegenstandslos wären.“

238    Im vorliegenden Fall betreffen die Beweise, von denen die Klägerinnen meinen, dass sie ihnen eine Ermäßigung der Geldbuße gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit hätten verschaffen müssen, die Zeit vom [vertraulich].

239    Selbst wenn diese Beweismittel erheblich wären, beträfen sie einen Zeitraum [vertraulich].

240    Wie die Kommission zu Recht geltend macht, hätte dieser Zeitraum der Zuwiderhandlung, selbst wenn er durch diese Beweismittel hinreichend bewiesen wäre, als verjährt angesehen werden müssen.

241    Die Kommission weist in Randnr. 491 der angefochtenen Entscheidung außerdem darauf hin, dass die für den Zeitraum [vertraulich] beigebrachten Beweise nicht stichhaltig genug seien, um eine Zuwiderhandlung nachweisen zu können.

242    Die Kommission stellt daher fest, dass sie über keine ausreichenden Beweise für eine kollusive Aktivität und damit eine Zuwiderhandlung während der Zeit vom [vertraulich] verfüge; sie musste daraus folgern, dass der Zeitraum, auf den sich die von den Klägerinnen vorgebrachten Beweise bezogen, [vertraulich], und hat wegen des Fehlens jedes Mehrwerts dieser Beweise eine Ermäßigung der Geldbuße der Klägerinnen zu Recht abgelehnt.

243    Im Übrigen ist festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung hierzu in den Randnrn. 489 bis 493 eine ausführliche Begründung enthält.

244    Der neunte Klagegrund ist daher in vollem Umfang zurückzuweisen.

245    Nach alledem ist Art. 1 der angefochtenen Entscheidung insoweit für nichtig zu erklären, als darin festgestellt wird, dass sich Parker ITR in der Zeit vor dem 1. Januar 2002 an der Zuwiderhandlung beteiligt habe. Folglich ist auch Art. 2 der angefochtenen Entscheidung insoweit für nichtig zu erklären, als er die Klägerinnen betrifft.

 Zu den Abänderungsanträgen, zur Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung durch das Gericht und zur Bestimmung des Endbetrags der Geldbuße

246    Gemäß Art. 261 AEUV können aufgrund des AEU-Vertrags vom Europäischen Parlament und vom Rat der Europäischen Union gemeinsam erlassene Verordnungen hinsichtlich der darin vorgesehenen Zwangsmaßnahmen dem Gerichtshof eine Zuständigkeit übertragen, welche die Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung und zur Änderung oder Verhängung solcher Maßnahmen umfasst. Eine solche Zuständigkeit ist dem Unionsrichter durch Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 verliehen worden. Danach ist er befugt, über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Zwangsmaßnahme hinaus die Beurteilung der Kommission durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen und demgemäß die verhängte Geldbuße oder das verhängte Zwangsgeld aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen. Folglich kann der Unionsrichter seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ausüben, wenn ihm die Frage nach der Höhe der Geldbuße zur Beurteilung vorgelegt worden ist, und diese Befugnis kann sowohl zur Herabsetzung als auch zur Erhöhung dieses Betrags ausgeübt werden (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 8. Februar 2007, Groupe Danone/Kommission, C‑3/06 P, Slg. 2007, I‑1331, Randnrn. 60 bis 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

247    Im Übrigen ist nach Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen.

248    Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen die Dauer der Zuwiderhandlungen sowie sämtliche Faktoren zu berücksichtigen, die für die Beurteilung ihrer Schwere eine Rolle spielen können, wie das Verhalten jedes Unternehmens, die Rolle, die jedes Unternehmen bei der Abstimmung der Verhaltensweisen gespielt hat, der Gewinn, den die Unternehmen aus diesen Verhaltensweisen ziehen konnten, ihre Größe und der Wert der betroffenen Waren sowie die Gefahr, die derartige Zuwiderhandlungen für die Europäische Gemeinschaft bedeuten (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission, C‑386/10 P, Slg. 2011, I‑13085, Randnr. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

249    Ferner sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs objektive Gesichtspunkte wie Inhalt und Dauer der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, deren Zahl und Intensität, der Umfang des betroffenen Markts und die Schädigung der öffentlichen Wirtschaftsordnung einzubeziehen. Bei der Analyse sind auch die relative Bedeutung und der Marktanteil der verantwortlichen Unternehmen sowie ein etwaiger Wiederholungsfall zu berücksichtigen (Urteil Chalkor/Kommission, oben in Randnr. 248 angeführt, Randnr. 57).

250    Die Festsetzung einer Geldbuße durch das Gericht im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ist dem Wesen nach kein streng mathematischer Vorgang. Im Übrigen ist das Gericht nicht an die Berechnungen der Kommission gebunden, sondern hat unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine eigene Beurteilung vorzunehmen (Urteil des Gerichts vom 11. März 1999, Aristrain/Kommission, T‑156/94, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 43).

251    Im vorliegenden Fall hält es das Gericht in Anbetracht seiner Beurteilung im Rahmen des ersten Teils des ersten Klagegrundes und des fünften und sechsten Klagegrundes sowie der dabei festgestellten Fehler (siehe oben, Randnrn. 130, 140 und 146) für angebracht, von seiner ihm durch Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 eingeräumten Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung Gebrauch zu machen und die Beurteilung der Kommission durch seine eigene zu ersetzen, was den Betrag der gegen die Klägerinnen zu verhängenden Geldbuße angeht.

252    Im vorliegenden Fall liegt ein Kartell von einiger Schwere vor, denn die Zuwiderhandlungen, an denen sich die Klägerinnen in vollem Umfang beteiligten, waren durch die Zuteilung ausgeschriebener Aufträge, die Festsetzung von Preisen, die Festsetzung von Quoten, die Festsetzung von Lieferbedingungen, die Aufteilung räumlicher Märkte und den Austausch sensibler Informationen über Preise, Liefermengen und Ausschreibungen gekennzeichnet. Außerdem handelt es sich um ein weltweites Kartell.

253    Da dem ersten Klagegrund stattgegeben wird, ist die Dauer der Zuwiderhandlung bei Parker ITR jedoch auf fünfeinhalb Jahre statt 19 Jahre herabzusetzen; diese Gesellschaft kann nämlich nicht für die Zuwiderhandlungen haftbar gemacht werden, die von 1986 bis Dezember 2001 von ITR und Saiag und ihren Vorgängerinnen begangen wurden.

254    Folglich sind die Klägerinnen auch nicht für die Rolle als Anführerin verantwortlich, die ITR von 1999 bis 2001 gespielt hat.

255    Aufgrund der vorstehenden Erwägungen, insbesondere in Anbetracht der kumulativen Wirkung der vorstehend festgestellten Rechtsverstöße, ist das Gericht der Ansicht, dass sämtliche Umstände des vorliegenden Falles angemessen berücksichtigt sind, wenn der Endbetrag der gegen Parker ITR verhängten Geldbuße auf 6 400 000 Euro festgesetzt wird. Mit einer Geldbuße in dieser Größenordnung kann nämlich das rechtswidrige Verhalten der Klägerin in einer Weise, die verhältnismäßig zur Schwere ist und eine ausreichend abschreckende Wirkung erzielt, wirksam geahndet werden.

256    Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass Parker-Hannifin am 31. Januar 2002 sämtliche Anteile an ITR Rubber erwarb und dass der Betrag der Geldbuße, für den die Muttergesellschaft gesamtschuldnerisch haftet, auf der Grundlage des Zeitraums von diesem Tag bis zum 2. Mai 2007 zu ermitteln ist.

257    Nach alledem ist erstens Art. 1 Buchst. i der angefochtenen Entscheidung insoweit für nichtig zu erklären, als er sich auf die Parker ITR vorgeworfene Zuwiderhandlung im Zeitraum vor Januar 2002 bezieht, zweitens der Betrag der gegen diese Gesellschaft verhängten Geldbuße auf 6 400 000 Euro festzusetzen, für den Parker-Hannifin in Höhe von bis zu 6 300 000 Euro gesamtschuldnerisch haftet, da die gesamtschuldnerische Haftung von Parker-Hannifin für den Zeitraum vom 1. bis zum 31. Januar 2002 nicht angeordnet werden kann, und schließlich drittens, die Klage im Übrigen abzuweisen.

 Kosten

258    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach § 3 Abs. 1 dieses Artikels kann das Gericht die Kosten teilen, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

259    Im vorliegenden Fall wird den Klägerinnen, wie von ihnen beantragt, eine erhebliche Herabsenkung der Geldbuße gewährt. Die Kommission hat daher ihre eigenen Kosten und die der Klägerinnen zu tragen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Art. 1 Buchst. i der Entscheidung K(2009) 428 endg. der Kommission vom 28. Januar 2009 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/39406 – Marineschläuche) wird insoweit für nichtig erklärt, als die Kommission darin festgestellt hat, dass sich die Parker ITR Srl vor dem 1. Januar 2002 an der Zuwiderhandlung beteiligt habe.

2.      Art. 2 Buchst. e der Entscheidung K(2009) 428 endg. wird für nichtig erklärt.

3.      Der Betrag der gegen Parker ITR verhängten Geldbuße wird auf 6 400 000 Euro festgesetzt, wofür die Parker-Hannifin Corp. gesamtschuldnerisch bis zu einem Betrag von 6 300 000 Euro haftet.

4.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5.      Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten von Parker ITR und Parker-Hannifin.

Azizi

Prek

Frimodt Nielsen

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. Mai 2013.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Sachverhalt

Sektor der Marineschläuche für Öl und Gas

Präsentation der Klägerinnen

Verwaltungsverfahren

Angefochtene Entscheidung

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung

Zum ersten Klagegrund, mit dem gerügt wird, Parker ITR sei fälschlich die Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung für die Zeit vor dem 1. Januar 2002 zugerechnet worden

Angefochtene Entscheidung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum vierten Klagegrund, mit dem gerügt wird, dass die Verhängung einer Geldbuße gegen Parker ITR für die Zeit vor dem 11. Juni 1999 unzulässig sei

Angefochtene Entscheidung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum fünften Klagegrund, mit dem gerügt wird, dass die Geldbuße wegen der Rolle als Anführerin, die Parker ITR gespielt haben solle, zu Unrecht erhöht worden sei

Angefochtene Entscheidung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum sechsten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit und gegen die Begründungspflicht in Bezug auf die Erhöhung der gegen Parker-Hannifin verhängten Geldbuße wegen der Parker ITR zur Last gelegten Rolle als Anführerin gerügt wird

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum zweiten Klagegrund, mit dem gerügt wird, dass den Klägerinnen die Verantwortung für die Zuwiderhandlung im Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Verhalten von Herrn P., dem Direktor des Geschäftsbereichs „Oil & Gas“, zu Unrecht zugerechnet worden sei

Angefochtene Entscheidung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum dritten Klagegrund, mit dem gerügt wird, dass Parker-Hannifin zu Unrecht zusammen mit Parker ITR gesamtschuldnerisch haftbar gemacht worden sei

Angefochtene Entscheidung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum siebten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes durch Anwendung einer falschen Methode bei der Ermittlung des Umsatzes zur Festsetzung der Geldbuße gerügt wird

Angefochtene Entscheidung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum achten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003, den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit und die Begründungspflicht bei der Berechnung der Obergrenze von 10 % des Umsatzes gerügt wird

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum neunten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und die Begründungspflicht wegen der Weigerung der Kommission, die Geldbuße wegen Zusammenarbeit herabzusetzen, gerügt wird

Angefochtene Entscheidung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zu den Abänderungsanträgen, zur Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung durch das Gericht und zur Bestimmung des Endbetrags der Geldbuße

Kosten


* Verfahrenssprache: Englisch.


1 Vertrauliche Angabe nicht wiedergegeben.