Language of document : ECLI:EU:C:2023:883

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE KOKOTT

vom 16. November 2023(1)

Rechtssache C654/22

FOD Volksgezondheid, Veiligheid van de voedselketen & Leefmilieu

gegen

Triferto Belgium NV

(Vorabentscheidungsersuchen der Rechtbank van eerste aanleg Oost-Vlaanderen Afdeling Gent [Gericht Erster Instanz Ostflandern, Abteilung Gent, Zivilkammer, Belgien])

„Vorabentscheidungsersuchen – Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 – Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe – REACH – Anwendungsbereich – Ausnahme für Stoffe, die der Zollüberwachung unterliegen – Registrierungspflicht – Importeur – Einfuhr – Registrierungspflichtige Person“






I.      Einleitung

1.        Harnstoff begegnet vielen Verbrauchern in Form eines Betriebsmittels für Dieselkraftfahrzeuge, dem sogenannten AdBlue.(2) Diese Verwendung mindert die Freisetzung von Stickoxiden. Es gibt allerdings auch noch viele weitere Verwendungen dieses Stoffs, etwa in der Landwirtschaft oder in der Pharmazie und der Kosmetikindustrie („Urea“). Daher werden mehr als 10 Mio. Tonnen jährlich in der Union hergestellt oder eingeführt.

2.        Besondere Gefahren sind nicht bekannt.(3) Gleichwohl müssen Importeure diesen Stoff bei der Einfuhr nach der REACH-Verordnung(4) bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) registrieren. Im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren ist daher zu klären, ob ein Unternehmen, das Harnstoff in einem Drittland bestellt, als Importeur anzusehen ist und daher dieser Verpflichtung unterliegt oder ob andere Personen als dieser Besteller sie übernehmen können, indem sie die Einfuhr organisieren.

II.    Rechtlicher Rahmen

3.        Das Ziel und die wesentlichen Grundsätze der REACH-Verordnung ergeben sich aus Art. 1:

„(1)      Zweck dieser Verordnung ist es, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherzustellen, einschließlich der Förderung alternativer Beurteilungsmethoden für von Stoffen ausgehende Gefahren, sowie den freien Verkehr von Stoffen im Binnenmarkt zu gewährleisten und gleichzeitig Wettbewerbsfähigkeit und Innovation zu verbessern.

(2)      …

(3)      Diese Verordnung beruht auf dem Grundsatz, dass Hersteller, Importeure und nachgeschaltete Anwender sicherstellen müssen, dass sie Stoffe herstellen, in Verkehr bringen und verwenden, die die menschliche Gesundheit oder die Umwelt nicht nachteilig beeinflussen. Ihren Bestimmungen liegt das Vorsorgeprinzip zugrunde.“

4.        Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der REACH-Verordnung gilt sie nicht für „Stoffe als solche, in Gemischen oder in Erzeugnissen, die der zollamtlichen Überwachung unterliegen, sofern sie weder behandelt noch verarbeitet werden, und die sich in vorübergehender Verwahrung oder in Freizonen oder in Freilagern zur Wiederausfuhr oder im Transitverkehr befinden“.

5.        Der zehnte Erwägungsgrund der REACH-Verordnung erläutert diese Ausnahme wie folgt:

„Stoffe unter zollamtlicher Überwachung, die sich in vorübergehender Verwahrung, in Freizonen oder in Freilagern zur Wiederausfuhr oder im Transitverkehr befinden, werden nicht im Sinne dieser Verordnung verwendet und sollten somit von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen werden. …“

6.        Art. 3 Nrn. 10 bis 13 der REACH-Verordnung definieren verschiedene Begriffe:

„10.      Einfuhr: physisches Verbringen in das Zollgebiet der Gemeinschaft;

11.      Importeur: natürliche oder juristische Person mit Sitz in der Gemeinschaft, die für die Einfuhr verantwortlich ist;

12.      Inverkehrbringen: entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe an Dritte oder Bereitstellung für Dritte. Die Einfuhr gilt als Inverkehrbringen;

13.      nachgeschalteter Anwender: natürliche oder juristische Person mit Sitz in der Gemeinschaft, die im Rahmen ihrer industriellen oder gewerblichen Tätigkeit einen Stoff als solchen oder in einem Gemisch verwendet, mit Ausnahme des Herstellers oder Importeurs. Händler oder Verbraucher sind keine nachgeschalteten Anwender. Ein aufgrund des Art. 2 Abs. 7 Buchst. c ausgenommener Reimporteur gilt als nachgeschalteter Anwender“.

7.        Art. 5 der REACH-Verordnung regelt die Folgen einer fehlenden Registrierung:

„Vorbehaltlich der Art. 6, 7, 21 und 23 dürfen Stoffe als solche, in Gemischen oder in Erzeugnissen nur dann in der Gemeinschaft hergestellt oder in Verkehr gebracht werden, wenn sie nach den einschlägigen Bestimmungen dieses Titels, soweit vorgeschrieben, registriert wurden.“

8.        Art. 6 Abs. 1 der REACH-Verordnung legt eine Registrierungspflicht fest:

„Soweit in dieser Verordnung nicht anderweitig bestimmt, reicht ein Hersteller oder Importeur, der einen Stoff als solchen oder in einem oder mehreren Gemisch(en) in einer Menge von mindestens 1 Tonne pro Jahr herstellt oder einführt, bei der Agentur ein Registrierungsdossier ein.“

9.        Die Funktion dieser Registrierungspflicht ergibt sich aus den Erwägungsgründen 16, 17 und 19 der REACH-Verordnung:

„(16)      In dieser Verordnung werden die jeweiligen Pflichten und Auflagen für Hersteller, Importeure und nachgeschaltete Anwender von Stoffen als solchen, in Gemischen und in Erzeugnissen festgelegt. Diese Verordnung beruht auf dem Grundsatz, dass die Industrie Stoffe mit einer solchen Verantwortung und Sorgfalt herstellen, einführen, verwenden oder in den Verkehr bringen sollte, wie erforderlich ist, um sicherzustellen, dass die menschliche Gesundheit und die Umwelt unter vernünftigerweise vorhersehbaren Verwendungsbedingungen nicht geschädigt werden.

(17)      Alle vorliegenden relevanten Informationen über Stoffe als solche, in Gemischen oder in Erzeugnissen sollten gesammelt werden, damit ein Beitrag zur Ermittlung gefährlicher Eigenschaften geleistet wird, und Empfehlungen über Risikomanagementmaßnahmen sollten systematisch entlang der gesamten Lieferkette weitergeleitet werden, wie es vernünftigerweise notwendig ist, um schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt zu vermeiden. …

(19)      Daher sollten die Registrierungsbestimmungen für Hersteller und Importeure die Verpflichtung vorsehen, Daten über die von ihnen hergestellten oder eingeführten Stoffe zu gewinnen, diese Daten zur Beurteilung der stoffspezifischen Risiken zu nutzen und geeignete Risikomanagementmaßnahmen zu entwickeln und zu empfehlen. Damit diese Verpflichtungen auch eingehalten werden sowie aus Gründen der Transparenz sollten sie im Rahmen der Registrierung bei der Agentur ein Dossier mit all diesen Informationen einreichen müssen. Registrierte Stoffe sollten frei im Binnenmarkt verkehren können.“

10.      Art. 7 der REACH-Verordnung regelt die Registrierung und Anmeldung von Stoffen in Erzeugnissen, Art. 8 die Bestellung von Alleinvertretern durch nicht in der Union ansässige Hersteller. Wenn ein solcher Vertreter bestellt wurde, gelten die Importeure der Produkte des Herstellers als nachgeschaltete Verwender, die nicht zur Registrierung verpflichtet sind.

III. Sachverhalt und Vorabentscheidungsersuchen

11.      Aus dem Vorabentscheidungsersuchen sowie weiteren Informationen, die das vorlegende Gericht auf Anfrage des Gerichtshofs übermittelt hat, ergibt sich der folgende Sachverhalt.

12.      Die Transvostok Group Limited (wohl mit Sitz in Zypern) hat am 3. Juli 2019 im Hafen von Kavkaz an der russischen Schwarzmeerküste auf Rechnung von Dreymoor Fertilizers Overseas PTE LTD (mit Sitz in Singapur) und von Belor-Eurofert GmbH (mit Sitz in Bamberg, Deutschland) insgesamt 7 873,167 Tonnen Harnstoff auf das Schiff MV „HC SVEA KIM“ verladen. Ursprünglich hatte ein Unternehmen in Mary, Turkmenistan, den Harnstoff hergestellt.

13.      Die NV Triferto Belgium (mit Sitz in Gent, Belgien) (im Folgenden: Triferto) bestellte am 7. Juli 2019 bei Dreymoor insgesamt 4 000 Tonnen Harnstoff CFR Ghent (Incoterms 2010). Incoterms steht für „International Commercial Terms“ (Internationale Handelsklauseln). Eine dieser Klauseln ist CFR, was für „cost and freight“ (Kosten und Fracht) steht. Es bedeutet, dass der Verkäufer die Frachtkosten, aber nicht das Risiko des Verlusts der Waren beim Transport trägt. Lieferort ist nach dieser Vereinbarung Gent.

14.      Belor führte am 9. August 2019 im Auftrag von Dreymoor die Ladung Harnstoff in ein Zolllager in Gent in die Europäische Union ein. Dort beauftragte Belor weitere Unternehmen mit verschiedenen Aufgaben im Zusammenhang mit der Anlandung und Lagerung der Ladung. Belor hatte den Harnstoff zuvor als Importeur im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der REACH-Verordnung bei der ECHA registriert. Sie reichte auch die Zollanmeldung für diesen Stoff ein.

15.      Triferto hat nach dem ersten Kauf und Abruf am 21. August 2019 weitere 700 Tonnen und am 26. August 2019 nochmals 1 176,173 Tonnen aus dieser Lieferung unter der Klausel CIF Ghent (Incoterms 2010) gekauft und abgerufen. CIF steht für „cost, insurance and freight“ und bedeutet, dass der Verkäufer nicht nur die Transportkosten trägt, sondern die Waren auch noch versichert.

16.      Bei einer Kontrolle am 11. Februar 2020 erfuhr der Federale Overheidsdienst Volksgezondheid, Veiligheid van de voedselketen en Leefmilieu (Föderaler Öffentlicher Dienst Volksgesundheit, Sicherheit der Nahrungsmittelkette und Umwelt, im Folgenden: FOD Volksgezondheid), dass Triferto 2019 die genannten Mengen Harnstoff von Dreymoor erworben hatte.

17.      Es gibt einen Vertrag zwischen Dreymoor und Belor, in dem Belor bestätigt, dass sie „in Übereinstimmung mit den REACH-Richtlinien“ für die physische Einfuhr von Harnstoff 46 % in die Europäische Union mit dem Schiff MV „HC SVEA KIM“ verantwortlich sei.

18.      Der FOD Volksgezondheid ist jedoch der Ansicht, dass nicht Belor, sondern Triferto als Importeur im Sinne von Art. 6 in Verbindung mit Art. 3 der REACH-Verordnung anzusehen sei. Sie hätte mithin den Harnstoff registrieren müssen, was sie nicht getan habe. Der FOD Volksgezondheid verhängte daher eine Geldbuße von 32 856,00 Euro gegen Triferto.

19.      Der FOD Volksgezondheid und Triferto haben gemeinsam die Rechtbank van eerste aanleg Oost-Vlaanderen Afdeling Gent (Gericht Erster Instanz Ostflandern, Abteilung Gent, Zivilkammer, Belgien) angerufen, um die Rechtmäßigkeit der Geldbuße überprüfen zu lassen.

20.      Die Rechtbank legt daher dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vor:

1)      Sind Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 3 Nrn. 10 und 11 der REACH-Verordnung dahin auszulegen, dass die Person, die den Stoff bei einem außerhalb der Europäischen Union ansässigen Hersteller bestellt bzw. kauft, eine Registrierungspflicht trifft, auch wenn alle Formalitäten im Hinblick auf das physische Verbringen in das Zollgebiet der Union tatsächlich von einem Dritten erledigt werden, der auch ausdrücklich bestätigt, dass er dafür verantwortlich ist?

Ist es für die Beantwortung dieser Frage von Bedeutung, ob die Menge, die bestellt bzw. gekauft wird, nur ein Teil (jedoch mehr als eine Tonne) einer größeren Ladung des gleichen Stoffes desselben außerhalb der Europäischen Union ansässigen Herstellers ist, der von diesem Dritten in das Zollgebiet der Union verbracht wird, um dort in einem Zolllager gelagert zu werden?

2)      Ist Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der REACH-Verordnung dahin auszulegen, dass auch Stoffe, die (durch Überführung in das Verfahren J – Code 71 00 in Feld 37 des Einheitspapiers) in einem Zolllager gelagert werden, nicht in den Anwendungsbereich der REACH-Verordnung fallen, bis sie in einer späteren Phase entfernt und in ein anderes Zollverfahren (z. B. Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr) übergeführt werden?

Wenn ja: Sind Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 3 Nrn. 10 und 11 der REACH-Verordnung dahin auszulegen, dass die Registrierungspflicht in diesem Fall die Person trifft, die den Stoff außerhalb der Union unmittelbar gekauft hat und ihn abruft (ohne dass sie diesen Stoff davor physisch in das Zollgebiet der Union verbracht hat), auch wenn der Stoff bereits von dem Drittunternehmen registriert worden ist, das ihn zu einem früheren Zeitpunkt physisch in das Zollgebiet der Union verbracht hat?

21.      Triferto, das Königreich Belgien sowie die Europäische Kommission haben sich schriftlich geäußert und an der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2023 teilgenommen.

IV.    Rechtliche Würdigung

22.      Mit der ersten Frage sowie dem zweiten Teil der zweiten Frage möchte die Rechtbank erfahren, wer im Sinne von Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Nr. 10 der REACH-Verordnung als Importeur einer Stoffmenge anzusehen ist, der diese bei der ECHA registrieren muss. Für die Klärung dieser Frage ist es sinnvoll, zunächst den ersten Teil der zweiten Frage zu untersuchen, der darauf abzielt, festzustellen, zu welchem Zeitpunkt die streitgegenständliche Stoffmenge in die Union eingeführt wurde.

A.      Zeitpunkt der Einfuhr

23.      Mit dem ersten Teil der zweiten Frage will das vorlegende Gericht erfahren, ob Stoffe, die (durch Überführung in das Verfahren J – Code 71 00 in Feld 37 des Einheitspapiers) in einem Zolllager gelagert werden, nicht in den Anwendungsbereich der REACH-Verordnung fallen, bis sie in einer späteren Phase entfernt und in ein anderes Zollverfahren (z. B. Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr) übergeführt werden.

24.      Es mag überraschend erscheinen, dass diese Frage sich auf Zollregelungen bezieht, doch dies beruht auf Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der REACH-Verordnung, der die Anwendung der Verordnung auf Stoffe ausschließt, die bestimmten Zollregelungen unterliegen.

25.      Wenn diese Ausnahme hier anwendbar war, wäre der Harnstoff zwar zunächst physisch in das Zollgebiet der Union verbracht, aber so lange noch nicht im Sinne von Art. 3 Nr. 10 der REACH-Verordnung eingeführt worden, wie die Anwendung der Verordnung und damit auch dieser Definition durch Art. 2 Abs. 1 Buchst. b ausgeschlossen war.

26.      Praktisch soll diese Frage also klären, ob die streitgegenständliche Stoffmenge erst bei der Übergabe an Triferto eingeführt wurde oder bereits zu dem Zeitpunkt, als Belor sie erstmals in das Zollgebiet der Union verbrachte und in einem Zolllager lagerte.

27.      Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der REACH-Verordnung sieht vor, dass die Verordnung nicht für Stoffe gilt, „die der zollamtlichen Überwachung unterliegen, sofern sie weder behandelt noch verarbeitet werden, und die sich in vorübergehender Verwahrung oder in Freizonen oder in Freilagern zur Wiederausfuhr oder im Transitverkehr befinden“.

28.      Diese Ausnahme von der REACH-Verordnung erfasst Stoffe, die der zollamtlichen Überwachung unterliegen. Das ist im Ausgangsfall anzunehmen, da der Harnstoff nach der Vorlagefrage durch Überführung in das Verfahren J – Code 71 00 in Feld 37 des Einheitspapiers in einem Zolllager gelagert wurde.

29.      Allerdings greift die Ausnahme nur, wenn darüber hinaus erstens die negative Voraussetzung erfüllt ist, dass der fragliche Stoff weder behandelt noch verarbeitet wird, und er zweitens einer von drei besonderen Zollregelungen unterliegt.

30.      Das Vorabentscheidungsersuchen enthält keine Anhaltspunkte für eine Behandlung oder Verarbeitung, bevor der Harnstoff Triferto übergeben wurde. Somit ist davon auszugehen, dass die negative Voraussetzung im Ausgangsfall erfüllt war.

31.      Entgegen der Auffassung Belgiens war allerdings die zweite Voraussetzung nicht gegeben, nämlich die Anwendung einer der drei besonderen Zollregelungen.

32.      Nach der Vorlagefrage wurde der Harnstoff durch Überführung in das Verfahren J – Code 71 00 in Feld 37 des Einheitspapiers in einem Zolllager gelagert. Code 71 00 in Feld 37 des Einheitspapiers bringt dies ebenfalls zum Ausdruck. Er besagt nämlich, dass die Ware in das Zolllagerverfahren eingebracht wurde (71) und zuvor keinem Zollverfahren unterlag (00).(5)

33.      Die Lagerung in einem Zolllager ist in Titel VII Kapitel 3 Abschnitt 2 des Zollkodex(6) geregelt (Art. 240 bis 242). Dabei handelt es sich um ein besonderes Zollverfahren. Es ist aber keine der drei in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der REACH-Verordnung genannten besonderen Zollregelungen.

34.      Die vorübergehende Verwahrung von Waren nach Art. 5 Nrn. 11 und 17 sowie den Art. 144 bis 152 des Zollkodex ist die erste besondere Zollregelung, die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der REACH-Verordnung genannt wird. Dabei handelt es sich um eine Alternative zur Einbringung in ein Zollverfahren, also auch zur Lagerung in einem Zolllager.

35.      Die zweite in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der REACH-Verordnung angeführte Zollregung ist die Lagerung in einer Freizone zur Wiederausfuhr. Sie liegt zwar sehr nah bei der Lagerung in einem Zolllager, doch sie ist in einem anderen Abschnitt von Titel VII Kapitel 3 des Zollkodex geregelt, nämlich in Abschnitt 3 (Art. 243 bis 249, siehe auch Art. 5 Nr. 14, aber nicht Art. 270). Beide Formen der Lagerung sind besondere Zollverfahren. Sie schließen einander daher aus.

36.      Die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und im zehnten Erwägungsgrund der REACH-Verordnung ebenfalls erwähnte Lagerung in einem Freilager unterlag in dem bei Verabschiedung der REACH-Verordnung geltenden alten Zollkodex(7) noch den gleichen Regelungen wie die Lagerung in einer Freizone, doch das Freilager ist heute nicht mehr vorgesehen. Ein Freilager ist insbesondere nicht einem Zolllager gleichzustellen, das ebenfalls schon im alten Zollkodex vorgesehen war und dort anderen Regelungen unterlag als ein Freilager.

37.      In der deutschen Fassung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der REACH-Verordnung wird die dritte besondere Zollregelung als „Transitverkehr“ bezeichnet. Dieser Begriff ist jedoch nicht im Zollkodex enthalten. In der englischen und der französischen Fassung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der REACH-Verordnung wird dagegen der Begriff „transit“ verwendet, der in den entsprechenden Sprachfassungen des Zollkodex vorgesehen ist. Dieser Begriff wird in der deutschen Fassung des Zollkodex als „Versand“ bezeichnet. Die Verwendung des Begriffs „Transitverkehr“ in der deutschen Fassung beruht daher meiner Ansicht nach auf einem Übersetzungsfehler.

38.      Der Versand umfasst als Alternative zur Lagerung weitere besondere Zollverfahren, die in Titel VII Kapitel 2 des Zollkodex geregelt sind und daher ebenfalls die Lagerung in einem Zolllager ausschließen.

39.      Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Stoffe, die in einem Zolllager gelagert werden, nicht in den Anwendungsbereich von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der REACH-Verordnung fallen, weil sie keiner der dort genannten besonderen Zollregelungen unterliegen. Auf solche Stoffe ist die Verordnung somit anwendbar. Sie werden folglich im Sinne der Definition von Art. 3 Nr. 10 bereits mit dem physischen Verbringen in das Zollgebiet der Union eingeführt und bedürfen bereits vor diesem Zeitpunkt einer Registrierung bei der ECHA.

40.      Dieses Ergebnis entspricht dem Ziel der Ausnahme des Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der REACH-Verordnung. Die REACH-Verordnung zielt nämlich nicht darauf, die Ausfuhr von Stoffen zu regeln, sondern nur darauf, den freien Warenverkehr und ein hohes Schutzniveau im Binnenmarkt zu gewährleisten.(8) In diesem Rahmen sollen Hersteller, Importeure und nachgeschaltete Anwender von Stoffen diese nach dem 16. Erwägungsgrund mit einer solchen Verantwortung und Sorgfalt herstellen, einführen, verwenden oder in den Verkehr bringen, wie erforderlich ist, um sicherzustellen, dass die menschliche Gesundheit und die Umwelt unter vernünftigerweise vorhersehbaren Verwendungsbedingungen nicht geschädigt werden.

41.      Daher soll Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der REACH-Verordnung Waren von den Anforderungen der REACH-Verordnung befreien, wenn – wie bei den genannten drei Zollregelungen – anzunehmen ist, dass sie sich nur vorübergehend ohne weitere Behandlung oder Verarbeitung in der Union befinden. Wie im zehnten Erwägungsgrund niedergelegt ist, werden solche Stoffe nicht im Sinne der REACH-Verordnung verwendet. In diesem Fall ist es unwahrscheinlich, dass sich die mit den jeweiligen Stoffen verbundenen Risiken in der Union verwirklichen. Sehr gefährliche Stoffe können allerdings besonderen Regelungen unterliegen.(9)

42.      Wenn der Stoff dagegen in der Union behandelt oder verarbeitet wird, muss die REACH-Verordnung Anwendung finden, um das angestrebte Schutzniveau innerhalb der Union zu gewährleisten. Denn in diesem Fall müssen die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, damit die mit dem Stoff verbundenen Risiken sich nicht bei der Behandlung oder Verarbeitung verwirklichen. Ob der Stoff oder die damit hergestellten Produkte Zollregelungen unterliegen, die auf eine spätere Ausfuhr abzielen, ist für den Umgang mit diesem Risiko dagegen ohne Belang.

43.      Somit ist auf den ersten Teil der zweiten Frage zu antworten, dass die Ausnahme des Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der REACH-Verordnung nur anwendbar ist, wenn die betreffenden Stoffe einer der dort genannten besonderen Zollregelungen unterliegen, nämlich der vorübergehenden Verwahrung (Art. 5 Nrn. 11 und 17 sowie Art. 144 bis 152 des Zollkodex), der Lagerung in Freizonen zur Wiederausfuhr (Art. 5 Nr. 14 sowie Art. 243 bis 249, aber nicht Art. 270 des Zollkodex) oder dem Versand (Art. 226 bis 236 des Zollkodex) und dort weder behandelt noch verarbeitet werden.

B.      Bestimmung des Importeurs

44.      Nunmehr ist zu untersuchen, ob die Person, die eine bestimmte Menge eines Stoffs bei einem außerhalb der Europäischen Union ansässigen Hersteller bestellt bzw. kauft, als ihr Importeur im Sinne von Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Nr. 10 der REACH-Verordnung anzusehen ist, der diesen Stoff bei der ECHA registrieren muss.

45.      Die Einfuhr eines Stoffs gilt gemäß Art. 3 Nr. 12 der REACH-Verordnung als Inverkehrbringen. Da ein Stoff nach Art. 5 nur in Verkehr gebracht werden darf, wenn er registriert wurde, darf er daher erst nach der Registrierung eingeführt werden. Art. 21 Abs. 1 sieht sogar vor, dass die Einfuhr nur zulässig ist, wenn die ECHA nicht innerhalb von drei Wochen nach der Registrierung Mängel des Registrierungsdossiers beanstandet.

46.      Wer aber ist zur Registrierung verpflichtet? Gemäß Art. 6 Abs. 1 der REACH-Verordnung reicht der Importeur, der einen Stoff in einer Menge von mindestens einer Tonne pro Jahr einführt, bei der ECHA ein Registrierungsdossier ein. Art. 3 Nr. 11 definiert einen Importeur als die natürliche oder juristische Person mit Sitz in der Union, die für die Einfuhr verantwortlich ist. Die Einfuhr wiederum ist nach Art. 3 Nr. 10 das physische Verbringen in das Zollgebiet der Union.

47.      Bei der Einfuhr von Stoffen hängt die Verpflichtung zur Registrierung somit davon ab, wer für das physische Verbringen in das Zollgebiet der Union verantwortlich ist.

48.      Nach dem allgemeinen Wortsinn könnte man sich eine Vielzahl von Verantwortlichen vorstellen. Wenn die Ausnahme des Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der REACH-Verordnung nicht anwendbar ist, tragen die Besatzung, insbesondere der Kapitän, des Schiffes MV „HC SVEA KIM“ sowie das Transportunternehmen unmittelbare Verantwortung für das physische Verbringen. Dem Vorabentscheidungsersuchen ist jedoch zu entnehmen, dass das Unternehmen Belor den Stoff in die Europäische Union einführte, also vermutlich den Transporteur beauftragte und beaufsichtigte. Auch dieses Unternehmen kann somit für die Einfuhr verantwortlich sein. Belor handelt aber im Auftrag von Dreymoor, die deshalb ihrerseits verantwortlich sein könnte. Da dieser Auftrag zumindest teilweise darauf beruht, dass Triferto bereits einen großen Teil der Lieferung gekauft und bestellt hatte, könnte sie ebenfalls verantwortlich sein.

49.      Art. 3 Nr. 11 und Art. 6 der REACH-Verordnung zielen aber – anders als z. B. das Strafrecht – nicht darauf ab, alle Verantwortlichen zu identifizieren und sie gemäß ihrem Tatbeitrag zu sanktionieren. Vielmehr soll nach dem 17. Erwägungsgrund sichergestellt werden, dass alle vorliegenden relevanten Informationen über Stoffe gesammelt werden, damit ein Beitrag zur Ermittlung gefährlicher Eigenschaften geleistet wird. Um den Aufwand für die Bereitstellung dieser Informationen angemessen zwischen den Nutzern des Stoffs aufzuteilen, muss jede Stoffmenge registriert werden, die in der Union hergestellt oder eingeführt wird. Daher ist es notwendig, aber auch ausreichend, dass eine einzige Person die betreffende Stoffmenge registriert.

50.      Die REACH-Verordnung und insbesondere Art. 3 Nr. 11 sind für die Identifizierung dieser Person allerdings von begrenztem Nutzen, da der Begriff „verantwortlich“, wie in Nr. 48 dargelegt, sehr weit ist. Zwar wird der Kreis der Verantwortlichen dadurch eingeschränkt, dass nur in der Union ansässige Personen als Importeure in Frage kommen, was insbesondere Dreymoor sowie vielleicht auch den Kapitän und die Besatzung des Schiffs ausschließt. Im vorliegenden Fall verbleiben allerdings zumindest Triferto und Belor als mögliche Verantwortliche.

51.      Die ECHA schlägt in ihren Hinweisen zur Registrierungspflicht vor, anhand der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, wer Importeur ist. Sie bestimmt auf dieser Grundlage beispielhaft, wer in bestimmten Situationen verantwortlich sein soll. In vielen Fällen sei der endgültige Empfänger der Ware, also derjenige, der den eingeführten Stoff bestellt und gekauft hat, als Importeur anzusehen, unter bestimmten Umständen allerdings auch die Person, die die Einfuhr organisiert.(10) Die Kommission und Belgien berufen sich in ihrem Vorbringen auf diese Hinweise.

52.      Die ECHA ist allerdings nicht befugt, Art. 3 Nr. 11 der REACH-Verordnung im Wege einer verbindlichen Auslegung zu konkretisieren, was sie in ihren Hinweisen auch ausdrücklich betont.(11) Daher sind diese Hinweise nicht verbindlich; sie können aber nützliche Anhaltspunkte für die Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, wie des für die Einfuhr Verantwortlichen, geben. So erscheint es überzeugend, dass häufig der endgültige Empfänger der Lieferung die Hauptverantwortung tragen sollte, weil er ein Interesse daran hat, dass die Lieferung in die Union verbracht wird. Ohne seine Initiative würde es in der Regel nicht zur Einfuhr des Stoffes kommen. Zwar hat der Verkäufer meist ebenfalls ein solches Interesse, doch kommt er nach Art. 3 Nr. 11 der REACH-Verordnung nicht als Verantwortlicher in Betracht, wenn er – wie vorliegend – nicht in der Union ansässig ist.

53.      Das Interesse des Käufers an der Einfuhr schließt es allerdings nicht aus, dass eine andere Person – im vorliegenden Fall Belor – anstelle des Empfängers der Ware die Verantwortung übernimmt, damit Importeur im Sinne von Art. 3 Nr. 11 der REACH-Verordnung wird und in die Registrierungspflicht eintritt.

54.      Dafür kann eine bloße Erklärung oder auch ein Vertrag in der Regel nicht ausreichen, da andernfalls eine Umgehung der Verpflichtungen des Importeurs nach der REACH-Verordnung zu befürchten wäre. Insbesondere muss verhindert werden, dass der tatsächliche Importeur des Stoffs seine importierte Menge auf verschiedene „Scheinimporteure“ verteilt, die jeweils unterhalb der Schwelle der Registrierungspflicht oder einer Schwelle für umfangreichere Angaben bleiben. Denn nach Art. 6 Abs. 1 sind nur Importeure zur Registrierung verpflichtet, die mehr als eine Tonne pro Jahr einführen und gemäß Art. 12 nehmen die Registrierungspflichten bei größeren Jahresmengen je Importeur (10, 100 oder 1 000 Tonnen) zu.

55.      Die Registrierung ist im Übrigen keine bloße Formalität, sondern mit erheblichem Aufwand verbunden. So muss der Registrant nach Art. 10 und verschiedenen Anhängen der REACH-Verordnung ein umfangreiches Dossier über den Stoff und einen Stoffsicherheitsbericht einreichen. Außerdem unterliegt er nach der Registrierung gemäß Art. 22 weiteren Informationspflichten.

56.      Eine wirksame Übernahme der Verantwortung und der Registrierungspflicht setzt daher zumindest das berechtigte Vertrauen der an der Einfuhr beteiligten Akteure voraus, dass die Person, die die Verantwortung übernimmt, über die nötigen Kenntnisse und Ressourcen verfügt, um den genannten Verpflichtungen nachzukommen. Diese Akteure, insbesondere der Besteller des Stoffs, dürfen darauf nicht blind vertrauen, sondern müssen die notwendige Sorgfalt bei der Auswahl walten lassen und sich zumindest vor der Einfuhr nachweisen lassen, dass der Registrant die Stoffmenge tatsächlich bei der ECHA registriert hat.

57.      Wenn die Person, die die Verantwortung für den Import übernimmt, jedoch – wie im vorliegenden Fall – tatsächlich die Verpflichtungen des Importeurs erfüllt hat, d. h., insbesondere die Lieferung bei der ECHA registriert hat, sowie auch im Übrigen maßgeblich die physische Verbringung der Lieferung in die Union organisiert hat und keine Hinweise für eine Umgehung oder Verletzung von Verpflichtungen nach der REACH-Verordnung vorliegen, dann erscheint es sinnvoll, die Übernahme der Verantwortung zu akzeptieren. Entgegen der Auffassung Belgiens ist es hingegen nicht entscheidend, ob diese Übernahme auf einem Vertrag mit dem Käufer der Ware beruht oder auf anderen Umständen – hier der Vereinbarung zwischen Dreymoor und Belor.

58.      Art. 8 der REACH-Verordnung sieht die Möglichkeit einer Vereinbarung mit einem Akteur ohne Sitz in der Union für einen besonderen Fall sogar ausdrücklich vor, nämlich wenn der Hersteller eines Stoffs mit Sitz außerhalb der Union in gegenseitigem Einverständnis eine Person mit Sitz in der Union bestellt, die als sein alleiniger Vertreter die Verpflichtungen für Importeure erfüllt. Importeure sollen damit von der Registrierungspflicht befreit werden, denn sie gelten in diesem Fall als nachgelagerte Verwender.

59.      Wie auch die Kommission in der mündlichen Verhandlung feststellte, stehen diese Regelungen über den Alleinvertreter einer Übernahme der Registrierungspflicht in anderen Fällen nicht entgegen. Es trifft zwar zu, dass die Verordnung keine mit Art. 8 der REACH-Verordnung vergleichbare Regelung darüber enthält, dass die an der Einfuhr beteiligten Akteure vereinbaren können, wer die Registrierungspflicht erfüllt. Da die Verordnung jedoch nicht eindeutig festlegt, welcher Person diese Pflicht auferlegt wird, gleichzeitig aber von einer einzigen Registrierung importierter Stoffmengen ausgeht, muss es möglich sein, sich darüber zu einigen, wer diese Verpflichtung übernimmt.

60.      Diese Auslegung von Art. 3 Nr. 11 und Art. 6 der REACH-Verordnung hat im Übrigen den Vorteil, dass sie auch den Fall erfasst, wenn ein außerhalb der Union ansässiges Handelsunternehmen wie Dreymoor eine von einem anderen Hersteller erzeugte Stoffmenge in die Union einführt, ohne bereits über Abnehmer in der Union zu verfügen. In diesem Fall könnte nämlich niemand die Lieferung registrieren, so dass die Einfuhr rechtlich unzulässig wäre. Ein solches Handelsunternehmen wäre nicht Hersteller des Stoffs und könnte daher keinen Alleinvertreter nach Art. 8 bestellen. Genauso wenig könnte es die Lieferung selbst registrieren, wenn es keinen Sitz in der Union hat. Und wenn die Abnehmer noch nicht feststehen, können auch diese nicht die Verantwortung für die Einfuhr tragen. Um derartige Einfuhren zu ermöglichen, muss es daher möglich sein, dass ein in der Union ansässiger Akteur die Verantwortung für die Einfuhr übernimmt.

61.      Im Ausgangsfall wäre eine solche Lösung zumindest für die Mengen notwendig, die Triferto erst nach der Einfuhr gekauft hat, möglicherweise auch für den Anteil der Ladung, nämlich 2 000 Tonnen, über dessen Verbleib der Gerichtshof nicht informiert wurde. Denn nach der Antwort auf den ersten Teil der zweiten Frage waren zumindest die später an Triferto verkauften Mengen bereits eingeführt worden, bevor der Abnehmer feststand.

62.      Auf die erste Frage und den zweiten Teil der zweiten Frage ist somit zu antworten, dass der Käufer von mehr als einer Tonne eines in die Union eingeführten Stoffs nach Art. 3 Nrn. 10 und 11 und Art. 6 der REACH-Verordnung nicht verpflichtet ist, diesen Stoff selbst zu registrieren, wenn eine andere in der Union ansässige Person die Verantwortung für die Einfuhr des Stoffs übernommen und die Registrierung vorgenommen hat und wenn keine Anhaltspunkte für eine Umgehung von Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Registrierung des Stoffs vorliegen.

V.      Ergebnis

63.      Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, das Vorabentscheidungsersuchen wie folgt zu beantworten:

1)      Die Ausnahme des Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe ist nur anwendbar, wenn die betreffenden Stoffe einer der dort genannten besonderen Zollregelungen unterliegen, nämlich der vorübergehenden Verwahrung (Art. 5 Nrn. 11 und 17 sowie Art. 144 bis 152 der Verordnung [EU] Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union), der Lagerung in Freizonen zur Wiederausfuhr (Art. 5 Nr. 14 sowie Art. 243 bis 249, aber nicht Art. 270 des Zollkodex) oder dem Versand (Art. 226 bis 236 des Zollkodex) und dort weder behandelt noch verarbeitet werden.

2)      Der Käufer von mehr als einer Tonne eines in die Union eingeführten Stoffs ist nach Art. 3 Nrn. 10 und 11 und Art. 6 der Verordnung Nr. 1907/2006 nicht verpflichtet, diesen Stoff selbst zu registrieren, wenn eine andere in der Union ansässige Person die Verantwortung für die Einfuhr des Stoffs übernommen und die Registrierung vorgenommen hat und wenn keine Anhaltspunkte für eine Umgehung von Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Registrierung des Stoffs vorliegen.


1      Originalsprache: Deutsch.


2      Diese Bezeichnung ist durch die Marken 003945938, 008526717 und W01042880 des Verbands der deutschen Automobilindustrie geschützt.


3      ECHA, Substance Infocard Urea, https://www.echa.europa.eu/de/substance-information/-/substanceinfo/100.000.286.


4      Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. 2006, L 396, S. 1); maßgeblich ist die Fassung der Verordnung (EU) 2019/957 der Kommission vom 11. Juni 2019 (ABl. 2019, L 154, S. 37).


5      Vgl. Delegierte Verordnung (EU) 2016/341 der Kommission vom 17. Dezember 2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Übergangsbestimmungen für bestimmte Vorschriften des Zollkodex der Union, für den Fall, dass die entsprechenden elektronischen Systeme noch nicht betriebsbereit sind, und zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 (ABl. 2016, L 69, S. 1), insbesondere Anlage D1.


6      Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. 2013, L 269, S. 1) in der Fassung der Verordnung (EU) 2019/632 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 (ABl. 2019, L 111, S. 54).


7      Art. 166 bis 181 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992, L 302, S. 1) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 648/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2005 (ABl. 2005, L 117, S. 13).


8      Vgl. Urteil vom 27. April 2017, Pinckernelle (C‑535/15, EU:C:2017:315, insbesondere Rn. 43).


9      Siehe etwa die Verordnung (EU) Nr. 649/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Aus- und Einfuhr gefährlicher Chemikalien (ABl. 2012, L 201, S. 60).


10      Europäische Chemikalienagentur, Leitlinien zur Registrierung, August 2021, Version 4.0, S. 21.


11      A. a. O., S. 2. Vgl. Urteil vom 13. Juli 2023, Kommission/CK Telecoms UK Investments (C‑376/20 P, EU:C:2023:561, Rn. 123).