Language of document : ECLI:EU:C:2023:894

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ATHANASIOS RANTOS

vom 16. November 2023(1)

Rechtssache C671/22

T GmbH

gegen

Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau

(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofs [Österreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Maßnahmen der Union im Bereich der Wasserpolitik – Richtlinie 2000/60/EG – Art. 4 Abs. 1 Buchst. a – Umweltziele bei Oberflächengewässern – Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Genehmigung für ein Vorhaben zu versagen, das eine Verschlechterung des Zustands eines Wasserkörpers verursachen kann – Anhang V Rn. 1.2.2 – Einstufung des ökologischen Zustands der biologischen Qualitätskomponente ‚Fischfauna‘“






 Einleitung

1.        Das Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofs (Österreich) ergeht im Rahmen einer Revision der T GmbH (im Folgenden: Revisionswerberin) gegen die Abweisung ihres Antrags auf Erteilung einer Bewilligung für den Bau einer Bootshütte in einem See im Bundesland Kärnten (Österreich) mit der Begründung, dass der Gewässerzustand dieses Sees die unionsrechtlichen Voraussetzungen aufgrund von falscher Fischbewirtschaftung nicht zu erfüllen scheine.

2.        Im vorliegenden Fall wird zu klären sein, ob bei der Bestimmung des ökologischen Zustands eines Sees gemäß den Kriterien in Anhang V Tabelle 1.2.2 der Richtlinie 2000/60/EG(2) ausschließlich die „anthropogenen Einflüsse auf die physikalisch-chemischen oder hydromorphologischen Qualitätskomponenten“ unter Ausschluss anderer anthropogener Einflüsse zu berücksichtigen sind.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3.        Art. 1 („Ziel“) der Richtlinie 2000/60 bestimmt:

„Ziel dieser Richtlinie ist die Schaffung eines Ordnungsrahmens für den Schutz der Binnenoberflächengewässer, der Übergangsgewässer, der Küstengewässer und des Grundwassers zwecks

a)      Vermeidung einer weiteren Verschlechterung sowie Schutz und Verbesserung des Zustands der aquatischen Ökosysteme und der direkt von ihnen abhängenden Landökosysteme und Feuchtgebiete im Hinblick auf deren Wasserhaushalt;

…“

4.        Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) dieser Richtlinie sieht vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1.      ‚Oberflächengewässer‘: die Binnengewässer mit Ausnahme des Grundwassers sowie die Übergangsgewässer und Küstengewässer, wobei im Hinblick auf den chemischen Zustand ausnahmsweise auch die Hoheitsgewässer eingeschlossen sind;

10.      ‚Oberflächenwasserkörper‘: ein einheitlicher und bedeutender Abschnitt eines Oberflächengewässers, z. B. ein See, ein Speicherbecken, ein Strom, Fluss oder Kanal, ein Teil eines Stroms, Flusses oder Kanals, ein Übergangsgewässer oder ein Küstengewässerstreifen;

17.      ‚Zustand des Oberflächengewässers‘: die allgemeine Bezeichnung für den Zustand eines Oberflächenwasserkörpers auf der Grundlage des jeweils schlechteren Wertes für den ökologischen und den chemischen Zustand;

18.      ‚guter Zustand des Oberflächengewässers‘: der Zustand eines Oberflächenwasserkörpers, der sich in einem zumindest,guten‘ ökologischen und chemischen Zustand befindet;

21.      ‚ökologischer Zustand‘: die Qualität von Struktur und Funktionsfähigkeit aquatischer, in Verbindung mit Oberflächengewässern stehender Ökosysteme gemäß der Einstufung nach Anhang V;

22.      ‚guter ökologischer Zustand‘: der Zustand eines entsprechenden Oberflächenwasserkörpers gemäß der Einstufung nach Anhang V;

…“

5.        Art. 4 („Umweltziele“) dieser Richtlinie bestimmt:

„1.      In Bezug auf die Umsetzung der in den Bewirtschaftungsplänen für die Einzugsgebiete festgelegten Maßnahmenprogramme gilt Folgendes:

a)      bei Oberflächengewässern:

i)      die Mitgliedstaaten führen, vorbehaltlich der Anwendung der Absätze 6 und 7 und unbeschadet des Absatzes 8, die notwendigen Maßnahmen durch, um eine Verschlechterung des Zustands aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern;

ii)      die Mitgliedstaaten schützen, verbessern und sanieren alle Oberflächenwasserkörper, vorbehaltlich der Anwendung der Ziffer iii betreffend künstliche und erheblich veränderte Wasserkörper, mit dem Ziel, spätestens 15 Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie gemäß den Bestimmungen des Anhangs V, vorbehaltlich etwaiger Verlängerungen gemäß Absatz 4 sowie der Anwendung der Absätze 5, 6 und 7 und unbeschadet des Absatzes 8 einen guten Zustand der Oberflächengewässer zu erreichen;

…“

6.        In Anhang V Rn. 1.2 („Normative Begriffsbestimmungen zur Einstufung des ökologischen Zustands“) dieser Richtlinie heißt es:

„Tabelle 1.2.      Allgemeine Begriffsbestimmungen für den Zustand von Flüssen, Seen, Übergangsgewässern und Küstengewässern

Im Folgenden wird eine allgemeine Bestimmung der ökologischen Qualität gegeben. Zur Einstufung sind als Werte für die Qualitätskomponenten des ökologischen Zustands bei der jeweiligen Kategorie von Oberflächengewässern die Werte der nachstehenden Tabellen 1.2.1 bis 1.2.4 anzuwenden.

Komponente

Sehr guter Zustand

Guter Zustand

Mäßiger Zustand

Allgemein

Es sind bei dem jeweiligen Oberflächengewässertyp keine oder nur sehr geringfügige anthropogene Änderungen der Werte für die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten gegenüber den Werten zu verzeichnen, die normalerweise bei Abwesenheit störender Einflüsse mit diesem Typ einhergehen.

Die Werte für die biologischen Qualitätskomponenten des Oberflächengewässers entsprechen denen, die normalerweise bei Abwesenheit störender Einflüsse mit dem betreffenden Typ einhergehen, und zeigen keine oder nur sehr geringfügige Abweichungen an.

Die typspezifischen Bedingungen und Gemeinschaften sind damit gegeben.

Die Werte für die biologischen Qualitätskomponenten des Oberflächengewässertyps zeigen geringe anthropogene Abweichungen an, weichen aber nur in geringem Maße von den Werten ab, die normalerweise bei Abwesenheit störender Einflüsse mit dem betreffenden Oberflächengewässertyp einhergehen.

Die Werte für die biologischen Qualitätskomponenten des Oberflächengewässertyps weichen mäßig von den Werten ab, die normalerweise bei Abwesenheit störender Einflüsse mit dem betreffenden Oberflächengewässertyp einhergehen. Die Werte geben Hinweise auf mäßige anthropogene Abweichungen und weisen signifikant stärkere Störungen auf, als dies unter den Bedingungen des guten Zustands der Fall ist.


Gewässer, deren Zustand schlechter als mäßig ist, werden als unbefriedigend oder schlecht eingestuft.

Gewässer, bei denen die Werte für die biologischen Qualitätskomponenten des betreffenden Oberflächengewässertyps stärkere Veränderungen aufweisen und die Biozönosen erheblich von denen abweichen, die normalerweise bei Abwesenheit störender Einflüsse mit dem betreffenden Oberflächengewässertyp einhergehen, werden als unbefriedigend eingestuft.

Gewässer, bei denen die Werte für die biologischen Qualitätskomponenten des betreffenden Oberflächengewässertyps erhebliche Veränderungen aufweisen und große Teile der Biozönosen, die normalerweise bei Abwesenheit störender Einflüsse mit dem betreffenden Oberflächengewässertyp einhergehen, fehlen, werden als schlecht eingestuft.“

7.        Auf diese in Anhang V Rn. 1.2 der Richtlinie 2000/60 enthaltene allgemeine Begriffsbestimmung folgen spezielle Begriffsbestimmungen für den „ökologischen Zustand von Flüssen“ (Rn. 1.2.1), „Seen“ (Rn. 1.2.2), „Übergangsgewässern“ (Rn. 1.2.3) und „Küstengewässern“ (1.2.4)(3). In jeder dieser vier Kategorien stützt sich die Beurteilung des ökologischen Zustands auf drei Komponenten, nämlich die biologischen Qualitätskomponenten, die hydromorphologischen Qualitätskomponenten und die physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten, wobei jede dieser Qualitätskomponenten eine lange Liste von Parametern umfasst.

8.        Speziell für Seen sieht Anhang V Tabelle 1.2.2 („Begriffsbestimmungen für den sehr guten, guten und mäßigen ökologischen Zustand von Seen“) dieser Richtlinie vor:

Biologische Qualitätskomponenten

Komponente

Sehr guter Zustand

Guter Zustand

Mäßiger Zustand

Fischfauna

Zusammensetzung und Abundanz der Arten entsprechen vollständig oder nahezu vollständig den Bedingungen bei Abwesenheit störender Einflüsse.

Alle typspezifischen störungsempfindlichen Arten sind vorhanden.

Die Altersstrukturen der Fischgemeinschaften zeigen kaum Anzeichen anthropogener Störungen und deuten nicht auf Störungen bei der Fortpflanzung oder Entwicklung irgendeiner besonderen Art hin.

Aufgrund anthropogener Einflüsse auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten weichen die Arten in Zusammensetzung und Abundanz geringfügig von den typspezifischen Gemeinschaften ab.

Die Altersstrukturen der Fischgemeinschaften zeigen Anzeichen für Störungen aufgrund anthropogener Einflüsse auf die physikalisch-chemischen oder hydromorphologischen Qualitätskomponenten und deuten in wenigen Fällen auf Störungen bei der Fortpflanzung oder Entwicklung einer bestimmten Art hin, so dass einige Altersstufen fehlen können.

Aufgrund anthropogener Einflüsse auf die physikalisch-chemischen oder hydromorphologischen Qualitätskomponenten weichen die Fischarten in Zusammensetzung und Abundanz mäßig von den typspezifischen Gemeinschaften ab.

Aufgrund anthropogener Einflüsse auf die physikalisch-chemischen oder hydromorpholo gischen Qualitätskomponenten zeigt die Altersstruktur der Fischgemeinschaften größere Anzeichen von Störungen, so dass ein mäßiger Teil der typspezifischen Arten fehlt oder sehr selten ist.


Hydromorphologische Qualitätskomponenten

Komponente

Sehr guter Zustand

Guter Zustand

Mäßiger Zustand


Physikalisch-chemische Qualitätskomponenten

Komponente

Sehr guter Zustand

Guter Zustand

Mäßiger Zustand


…“

 Österreichisches Recht

9.        § 30a Abs. 1 des Wasserrechtsgesetzes 1959 vom 16. Oktober 1959(4) in der Fassung vom 22. November 2018(5) bestimmt im Wesentlichen, dass Oberflächengewässer zu schützen, zu verbessern und zu sanieren sind, um eine Verschlechterung ihres Zustands zu verhindern. Der Zielzustand in einem Oberflächengewässer ist dann erreicht, wenn sich der Oberflächenwasserkörper zumindest in einem guten ökologischen und einem guten chemischen Zustand befindet.

10.      § 104a Abs. 1 Z 1 Buchst. b WRG sieht im Wesentlichen vor, dass Vorhaben, bei denen durch Änderungen der hydromorphologischen Eigenschaften eines Oberflächenwasserkörpers oder durch Änderungen des Wasserspiegels von Grundwasserkörpern mit einer Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasser- oder Grundwasserkörpers zu rechnen ist, jedenfalls Vorhaben sind, bei denen Auswirkungen auf öffentliche Rücksichten zu erwarten sind.

11.      § 105 Abs. 1 bestimmt im Wesentlichen, dass ein Antrag auf Bewilligung eines Vorhabens insbesondere dann im öffentlichen Interesse abgewiesen werden kann, wenn eine wesentliche Beeinträchtigung des ökologischen Zustands der Gewässer zu besorgen ist oder wenn sich eine wesentliche Beeinträchtigung der aus anderen unionsrechtlichen Vorschriften resultierenden Zielsetzungen ergibt.

 Ausgangsverfahren, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

12.      Am 7. November 2013 stellte die Revisionswerberin bei der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau (Österreich) einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung für die Errichtung einer Bootshütte (im Folgenden: Vorhaben) im Weißensee, einem natürlich entstandenen stehenden Gewässer mit einer Fläche von 6,53 km² im Bundesland Kärnten (Österreich) (im Folgenden: See).

13.      Nachdem dieser Antrag mit Bescheid vom 25. Mai 2016 abgewiesen worden war, erhob die Revisionswerberin Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Kärnten (Österreich), das den abweisenden Bescheid mit Erkenntnis vom 21. Februar 2020 bestätigte. Nach Ansicht dieses Gerichts war die Qualität der Fischfauna und folglich der Gesamtzustand des Sees aufgrund einer falschen Fischbewirtschaftung „unbefriedigend“(6). Daher sei das Vorhaben zu untersagen in Anbetracht der Verpflichtungen des betreffenden Mitgliedstaats nach der Richtlinie 2000/60, Maßnahmen zu setzen, um einen „guten Zustand“ des Oberflächengewässers zu erreichen und jegliche Maßnahmen, die einer Verbesserung der Qualität dieses Gewässers entgegenstünden oder nicht darauf gerichtet seien, eine Verbesserung mitzutragen, zu verbieten(7).

14.      Der von der Revisionswerberin angerufene Verwaltungsgerichtshof, das vorlegende Gericht, vertritt die Auffassung, dass es die Richtlinie 2000/60 nicht gebiete, „neutralen“ Vorhaben – d. h. Vorhaben, die zwar zur Erreichung eines guten Zustands eines Oberflächengewässers nichts beitragen, aber auch zu keiner Verschlechterung des Zustands der Wasserkörper führen – die Genehmigung zu versagen; eine Genehmigung sei vielmehr nur einem Vorhaben zu versagen, das sich nicht nur geringfügig auf den Zustand der betroffenen Wasserkörper auswirke.

15.      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist daher zu beurteilen, ob das Vorhaben die Maßnahmen, die zur Erreichung eines guten Zustands des Oberflächengewässers vorgesehen oder erforderlich sind, nicht nur geringfügig beeinträchtigt(8), was die Frage aufwirft, ob der ökologische Zustand des Sees schlechter als „gut“ einzustufen ist, was eine Verbesserungspflicht nach der Richtlinie 2000/60 auslösen würde. Insoweit hegt das vorlegende Gericht Zweifel, ob sich eine Störung der Fischfauna, die nur auf fischereiwirtschaftliche Maßnahmen und nicht auf anthropogene Einflüsse auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten zurückzuführen ist, auf die Einstufung des Zustands der biologischen Qualitätskomponente „Fischfauna“ in Anhang V Rn. 1.2.2 der Richtlinie 2000/60 als zum einen „sehr gut“ und zum anderen „gut“ oder „mäßig“ auswirkt.

16.      In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Anhang V Rn. 1.2.2 (Begriffsbestimmungen für den sehr guten, guten und mäßigen ökologischen Zustand von Seen) der Richtlinie 2000/60 dahin gehend auszulegen, dass unter „störenden Einflüssen“ in der Tabelle „Biologische Qualitätskomponenten“, Zeile „Fischfauna“, Spalte „Sehr guter Zustand“ ausschließlich anthropogene Einflüsse auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten zu verstehen sind?

Im Fall der Verneinung der ersten Frage:

2.      Ist die genannte Bestimmung dahin gehend auszulegen, dass eine Abweichung der biologischen Qualitätskomponente „Fischfauna“ vom sehr guten Zustand, die auf andere störende Einflüsse als anthropogene Einflüsse auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten zurückzuführen ist, dazu führt, dass die biologische Qualitätskomponente „Fischfauna“ auch nicht in einen „guten Zustand“ oder einen „mäßigen Zustand“ einzustufen ist?

17.      Die Revisionswerberin, die österreichische und die irische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht.

 Würdigung

18.      Mit seinen beiden Vorlagefragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob für die Zwecke der Begriffsbestimmung für den ökologischen Zustand eines Sees (wie „sehr gut“, „gut“ und „mäßig“) in Bezug auf die in Anhang V Tabelle 1.2.2 der Richtlinie 2000/60 enthaltene biologische Qualitätskomponente „Fischfauna“ (im Folgenden: Begriffsbestimmung für die ökologischen Zustände der Fischfauna) ausschließlich „anthropogene Einflüsse auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten“ unter Ausschluss anderer anthropogener Einflüsse, wie etwa solcher, die durch Maßnahmen der Fischbewirtschaftung verursacht werden, zu berücksichtigen sind(9).

19.      Die Zweifel dieses Gerichts beruhen darauf, dass diese Tabelle bei der Begriffsbestimmung für den „sehr guten“ ökologischen Zustand der Fischfauna u. a. auf die Abwesenheit anthropogener Störungen ohne weitere Präzisierung Bezug nimmt, während diese Tabelle bei der Begriffsbestimmung für den „guten“ und den „mäßigen“ ökologischen Zustand der Fischfauna u. a, auf das mehr oder weniger starke Vorhandensein von Anzeichen von Störungen aufgrund anthropogener Einflüsse auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten Bezug nimmt.

20.      Im Folgenden werde ich nach einigen Vorbemerkungen zur Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen die Tragweite der in Rede stehenden Vorschriften prüfen und dabei im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sowohl ihren Wortlaut als auch ihren Kontext und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehören, verfolgt werden, sowie im vorliegenden Fall die Entstehungsgeschichte dieser Regelung berücksichtigen(10).

 Vorbemerkungen

21.      Es besteht kein Zweifel daran, dass es sich bei Auswirkungen von Maßnahmen der Fischbewirtschaftung, wie dem Besatz eines Sees mit Fremdfischarten, um „anthropogene Einflüsse“, d. h. Einflüsse, die durch menschliche Tätigkeiten verursacht werden, handelt(11).

22.      Das vorlegende Gericht ist jedoch der Ansicht, dass die fraglichen Maßnahmen der Fischbewirtschaftung zwar Maßnahmen seien, die anthropogene Einflüsse hätten, jedoch keine Maßnahmen darstellten, die solche Einflüsse auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten hätten(12). Dieser Ansatz wird von der Revisionswerberin sowie der österreichischen und der irischen Regierung geteilt(13), während die Maßnahmen der Fischbewirtschaftung nach Ansicht der Kommission anthropogene Einflüsse auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten haben könnten(14).

23.      Ich teile die Auffassung der Kommission. Meiner Ansicht nach ergibt sich aus der Etymologie des Begriffs „hydromorphologisch“ selbst, dass dieser alle Maßnahmen einschließt, die den Zustand von Gewässern beeinflussen sollen, einschließlich der Maßnahmen der Fischbewirtschaftung(15). Insbesondere bin ich der Ansicht, dass eine Störung der Fischfauna per definitionem Störungen der physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Komponenten eines Gewässers zur Folge hat(16).

24.      Sollte der Gerichtshof dieser Auslegung folgen, wären die Vorlagefragen jedoch unerheblich, da die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Maßnahmen der Fischbewirtschaftung jedenfalls Maßnahmen mit anthropogenen Einflüssen auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten wären und bei der Bestimmung des ökologischen Zustands der Fischfauna des Sees berücksichtigt werden müssten.

25.      Abgesehen davon ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs im Rahmen des Verfahrens nach Art. 267 AEUV, das auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen eines nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festlegt(17) und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat(18).

26.      Im Folgenden werde ich daher eine Antwort auf die Fragen des vorlegenden Gerichts vorschlagen, mit denen es im Wesentlichen wissen will, ob anthropogene Einflüsse auf andere als die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten für die Zwecke der Einstufung des ökologischen Zustands eines Sees im Hinblick auf die biologische Qualitätskomponente „Fischfauna“ nach der Begriffsbestimmung für den ökologischen Zustand der Fischfauna auch relevant sind.

 Zur wörtlichen Auslegung der einschlägigen Vorschriften

27.      Die Begriffsbestimmung für den ökologischen Zustand der Fischfauna umfasst drei Kategorien („sehr gut“, „gut“ und „mäßig“), deren Kriterien kompliziert und sogar uneinheitlich formuliert sind.

28.      Zum einen müssen für die Einstufung des ökologischen Zustands der Fischfauna als „sehr gut“ die folgenden drei Voraussetzungen erfüllt sein:

–        erstens, dass die Zusammensetzung und Abundanz der Arten vollständig oder nahezu vollständig den „Bedingungen bei Abwesenheit störender Einflüsse“ entsprechen;

–        zweitens, dass alle typspezifischen störungsempfindlichen Arten vorhanden sind(19);

–        drittens, dass die Altersstrukturen der Fischgemeinschaften kaum Anzeichen „anthropogener Störungen“ (ganz allgemein) zeigen und nicht auf Störungen bei der Fortpflanzung oder Entwicklung irgendeiner besonderen Art hindeuten(20).

29.      Zum anderen verweist die Einstufung des ökologischen Zustands der Fischfauna als „gut“ und „mäßig“ auf zwei Voraussetzungen, die sich mit der ersten und dritten Voraussetzung des „sehr guten Zustands“ decken, aber völlig unterschiedlich definiert sind:

–        Die erste sieht vor, dass die Arten aufgrund anthropogener Einflüsse auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten in Zusammensetzung und Abundanz geringfügig („guter Zustand“) oder mäßig („mäßiger Zustand“) von den typspezifischen Gemeinschaften abweichen.

–        Nach der zweiten zeigen die Altersstrukturen der Fischgemeinschaften entweder Anzeichen für Störungen aufgrund anthropogener Einflüsse auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten und deuten in wenigen Fällen auf Störungen bei der Fortpflanzung oder Entwicklung einer bestimmten Art hin, so dass einige Altersstufen fehlen können („guter Zustand“), oder zeigen größere Anzeichen anthropogener Störungen, so dass ein mäßiger Teil der typspezifischen Arten fehlt oder sehr selten ist („mäßiger Zustand“)(21).

30.      Nach dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften wären die beiden Vorlagefragen daher dahin zu beantworten, dass sich zum einen die Einstufung des ökologischen Zustands der Fischfauna als „sehr gut“ nicht nur auf Störungen bezieht, die auf „anthropogene Einflüsse auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten“ zurückzuführen sind, und dass zum anderen die Einstufung des ökologischen Zustands der Fischfauna als „gut“ oder „mäßig“ nur auf Störungen verweist, die auf „anthropogene Einflüsse auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten“ zurückzuführen sind(22).

31.      Die komplexe, ungenaue und widersprüchliche Formulierung der geprüften Begriffsbestimmungen macht die Anwendung dieser Vorschriften jedoch außerordentlich schwierig und erfordert eine Behebung dieser Mängel mit Hilfe einer systematischen und teleologischen Auslegung unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte dieser Vorschriften.

 Zur systematischen Auslegung der einschlägigen Vorschriften

32.      Die Begriffsbestimmung für den ökologischen Zustand der Fischfauna ist in Anhang V Rn. 1.2 („Normative Begriffsbestimmungen zur Einstufung des ökologischen Zustands“) der Richtlinie 2000/60 enthalten.

33.      Tabelle 1.2 („Allgemeine Begriffsbestimmungen für den Zustand von Flüssen, Seen, Übergangsgewässern und Küstengewässern“) (im Folgenden: allgemeine Begriffsbestimmung für die ökologische Qualität) dieses Anhangs enthält insbesondere eine allgemeine Begriffsbestimmung für die ökologische Qualität von Flüssen, Seen, Übergangsgewässern und Küstengewässern, worauf spezielle Begriffsbestimmungen für den ökologischen Zustand von Flüssen (Rn. 1.2.1), Seen (1.2.2), Übergangsgewässern (Rn. 1.2.3) und Küstengewässern (Rn. 1.2.4) folgen(23). In jeder dieser Kategorien von Oberflächengewässern müssen sich die Mitgliedstaaten bei der Beurteilung des ökologischen Zustands auf drei Kategorien von Qualitätskomponenten stützen, und zwar auf die biologischen Qualitätskomponenten, die physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten und die hydromorphologischen Qualitätskomponenten, wobei jede dieser Qualitätskomponenten spezielle Parameter erfasst(24).

34.      Daher wird der ökologische Zustand dieser drei Qualitätskomponenten grundsätzlich unabhängig voneinander bestimmt, wobei die Fischfauna im Zusammenhang mit der biologischen Qualitätskomponente und nicht im Zusammenhang mit den hydromorphologischen und physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten analysiert wird. Die Begriffsbestimmung für den ökologischen Zustand der Fischfauna fügt sich zwar in den Rahmen der biologischen Qualitätskomponenten ein, verweist aber in den Kategorien „guter Zustand“ und „mäßiger Zustand“ (nicht jedoch in der Kategorie „sehr guter Zustand“) selbst auf physikalisch-chemische und hydromorphologische Qualitätskomponenten(25).

35.      In diesem Zusammenhang halte ich es für angebracht, die Begriffsbestimmung für den ökologischen Zustand der Fischfauna im Licht der allgemeinen Begriffsbestimmung für die ökologische Qualität von Oberflächengewässern auszulegen.

36.      Insoweit heißt es in der allgemeinen Begriffsbestimmung für die ökologische Qualität von Oberflächengewässern, was zum einen die Kategorie „sehr guter Zustand“ betrifft, dass „[d]ie Werte für die biologischen Qualitätskomponenten des Oberflächengewässers [denen entsprechen], die normalerweise bei Abwesenheit störender Einflüsse mit dem betreffenden Typ einhergehen, und … keine oder nur sehr geringfügige Abweichungen [anzeigen]“ und dass „[d]ie typspezifischen Bedingungen und Gemeinschaften … damit gegeben [sind]“(26). Was daher die biologischen Qualitätskomponenten betrifft, so enthält diese Begriffsbestimmung keinen Verweis auf anthropogene Änderungen der Werte für die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten.

37.      Was zum anderen die Kategorien „guter Zustand“ und „mäßiger Zustand“ betrifft, verlangt diese Begriffsbestimmung jeweils, dass „[d]ie Werte für die biologischen Qualitätskomponenten des Oberflächengewässertyps … geringe anthropogene Abweichungen [anzeigen], … aber nur in geringem Maße von den Werten [abweichen], die normalerweise bei Abwesenheit störender Einflüsse mit dem betreffenden Oberflächengewässertyp einhergehen“ (Kategorie „guter Zustand“), bzw. dass diese Werte „mäßig von den Werten [abweichen], die normalerweise bei Abwesenheit störender Einflüsse mit dem betreffenden Oberflächengewässertyp einhergehen“ und „Hinweise auf mäßige anthropogene Abweichungen [geben] und … signifikant stärkere Störungen [aufweisen], als dies unter den Bedingungen des guten Zustands der Fall ist“ (Kategorie „mäßiger Zustand“).

38.      Demnach wird in der allgemeinen Begriffsbestimmung für die ökologische Qualität von Oberflächengewässern nicht auf Störungen Bezug genommen, die mit speziellen Ursachen wie den anthropogenen Änderungen der Werte der physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten in Zusammenhang stehen(27).

39.      Unter diesen Umständen scheint mir, was erstens die Kategorie „sehr guter Zustand“ betrifft, dass die Ausdrücke, die sowohl in der allgemeinen Begriffsbestimmung für die ökologische Qualität als auch in der Begriffsbestimmung für die ökologischen Zustände der Fischfauna verwendet werden, es nicht erlauben, die Beurteilung auf Störungen oder Abweichungen physikalisch-chemischer und hydromorphologischer Natur zu beschränken(28).

40.      Was zweitens die Kategorien „guter Zustand“ und „mäßiger Zustand“ betrifft, stelle ich vorab fest, dass die allgemeine Begriffsbestimmung für die ökologische Qualität und die Begriffsbestimmung für den ökologischen Zustand der Fischfauna meiner Meinung nach unterschiedslos und rein zufällig entweder davon sprechen, dass „anthropogene Einflüsse“ oder „anthropogene Abweichungen“ oder (ganz allgemein) „Störungen“ oder „Abweichungen“ (die grundsätzlich nicht mit menschlichen Tätigkeiten zusammenhängen) vorhanden sind. Angesichts der Schwierigkeit, diese ungenauen und inkohärenten Formulierungen auszulegen, scheint mir zunächst, dass der Umstand, dass alle diese Hinweise (explizit oder implizit) auf einen menschlichen Eingriff verweisen(29), der Tatsache geschuldet ist, dass die fraglichen Störungen normalerweise durch eine menschliche Tätigkeit verursacht werden, und nicht auf die Absicht des Unionsgesetzgebers zurückzuführen ist, diese Beurteilung auf menschliche Eingriffe zu beschränken. Sodann bin ich der Ansicht, dass die Bezugnahmen auf anthropogene Einflüsse auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten in nicht erschöpfender Weise verwendet werden, um alle menschlichen Eingriffe einzuschließen, da es normalerweise diese Einflüsse (physikalisch-chemischer und hydromorphologischer Natur) sind, die die Änderungen der biologischen Qualitätskomponenten und damit der Fischfauna verursachen(30). Da schließlich der „gute“ und der „mäßige“ Zustand auf der Grundlage derselben Indikatoren wie der „sehr gute“ Zustand definiert werden (nach der festgestellten Abweichung), wäre es meines Erachtens widersprüchlich, bei der Beurteilung des letztgenannten Zustands jede Störung zu berücksichtigen und manche dieser Störungen nicht zu berücksichtigen, wenn der Unterschied zwischen diesem Zustand und dem „guten“ und dem „mäßigen“ Zustand gemessen werden muss.

41.      Diese Überlegungen veranlassen mich dazu, die Vorlagefragen dahin gehend zu beantworten, dass für die Zwecke der Begriffsbestimmung für die ökologischen Zustände der Fischfauna jede anthropogene Störung oder Änderung berücksichtigt werden muss.

 Zur Entstehungsgeschichte der einschlägigen Bestimmungen

42.      Was die Entstehungsgeschichte der einschlägigen Bestimmungen betrifft, so stelle ich fest, dass die Fassung der Richtlinie 2000/60 und insbesondere ihres Anhangs V viele Diskussionen ausgelöst hat.

43.      Die ersten Richtlinienvorschläge der Kommission(31) stützten die Begriffsbestimmungen für ökologische Zustände auf beschreibende Faktoren, ohne spezielle Einflüsse zu verlangen(32). Die Bezugnahmen auf „anthropogene Einflüsse“ und insbesondere auf „anthropogene Einflüsse auf physikalisch-chemische und hydromorphologische Qualitätskomponenten“ wurden im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens eingeführt(33). Da jedoch der Grund für diese Änderungen nicht erläutert wird, können meines Erachtens aus diesem Umstand keine besonderen Schlussfolgerungen gezogen werden(34).

44.      Daher ergibt sich meines Erachtens aus einer Untersuchung der Entstehungsgeschichte der einschlägigen Bestimmungen kein sachdienlicher Anhaltspunkt für die Beantwortung der Fragen des vorlegenden Gerichts.

 Zur teleologischen Auslegung der einschlägigen Vorschriften

45.      Die Richtlinie 2000/60 ist eine Rahmenrichtlinie, die auf der Grundlage von Art. 175 Abs. 1 EG (jetzt Art. 192 Abs. 1 AEUV) erlassen wurde. Sie legt allgemeine Grundsätze und einen Handlungsrahmen für den Gewässerschutz fest und soll die grundlegenden Prinzipien und Strukturen für den Schutz und den nachhaltigen Gebrauch von Wasser in der Europäischen Union koordinieren, integrieren und langfristig weiterentwickeln. Die allgemeinen Grundsätze und der Handlungsrahmen, die sie aufstellt, sind später von den Mitgliedstaaten durch den Erlass konkreter Maßnahmen innerhalb der in der Richtlinie vorgesehenen Fristen weiterzuentwickeln. Die Richtlinie zielt jedoch nicht auf eine vollständige Harmonisierung der wasserrechtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten ab(35).

46.      Gemäß Art. 1 Buchst. a dieser Richtlinie ist ihr Ziel die Schaffung eines Ordnungsrahmens für den Schutz der Binnenoberflächengewässer, der Übergangsgewässer, der Küstengewässer und des Grundwassers zwecks Vermeidung einer weiteren Verschlechterung sowie Schutz und Verbesserung des Zustands der aquatischen Ökosysteme und der direkt von ihnen abhängenden Landökosysteme und Feuchtgebiete im Hinblick auf deren Wasserhaushalt(36).

47.      Die von den Mitgliedstaaten in Bezug auf Oberflächengewässer zu erreichenden Umweltziele sind in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie aufgeführt, einer Vorschrift, die, wie der Gerichtshof klargestellt hat, zwei gesonderte, wenn auch eng miteinander verbundene Ziele vorschreibt. Zum einen führen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i dieser Richtlinie die notwendigen Maßnahmen durch, um eine Verschlechterung des Zustands aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern (Pflicht zur Verhinderung der Verschlechterung). Zum anderen schützen, verbessern und sanieren die Mitgliedstaaten gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. ii und iii der Richtlinie 2000/60 alle Oberflächengewässer mit dem Ziel, spätestens Ende des Jahres 2015 einen guten Zustand zu erreichen (Verbesserungspflicht)(37). Sowohl die Verbesserungspflicht als auch die Pflicht zur Verhinderung der Verschlechterung des Zustands der Wasserkörper dienen zur Erreichung der vom Unionsgesetzgeber angestrebten qualitativen Ziele, nämlich der Erhaltung oder Wiederherstellung eines guten Zustands, eines guten ökologischen Potenzials und eines guten chemischen Zustands der Oberflächengewässer(38).

48.      In diesem Zusammenhang beschränkt sich Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/60 nicht auf die programmatische Formulierung bloßer Ziele der Bewirtschaftungsplanung, sondern entfaltet – sobald der ökologische Zustand des betreffenden Wasserkörpers festgestellt ist – in jedem Abschnitt des nach dieser Richtlinie vorgeschriebenen Verfahrens verbindliche Wirkungen. Diese Bestimmung enthält somit nicht allein grundsätzliche Verpflichtungen, sondern betrifft auch konkrete Vorhaben(39).

49.      Die zuständigen nationalen Behörden sind nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/60 verpflichtet, im Lauf des Projektgenehmigungsverfahrens, und somit vor dem Erlass einer Entscheidung, zu prüfen, ob das Vorhaben negative Auswirkungen auf die Gewässer haben kann, die den Pflichten zuwiderlaufen würden, die Verschlechterung des Zustands der Oberflächen- und Grundwasserkörper zu verhindern und diesen Zustand zu verbessern(40).

50.      Unter diesen Umständen scheint es mir, wie die Kommission geltend macht, zumindest schwierig zu sein, den vollständigen Schutz (Erhaltung und Verbesserung) des Zustands der aquatischen Ökosysteme zu gewährleisten, wenn bei der Bewertung des Zustands der Fischfauna von Seen anthropogene Störungen (in der Zusammensetzung und Abundanz der Fischarten oder anderen Arten), die nicht durch eine Veränderung der physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten verursacht werden, außer Acht gelassen werden müssten(41).

51.      Wie die österreichische Regierung geltend macht, scheint zudem eine enge Auslegung, wonach die auf den ökologischen Zustand der Fischfauna angewandte Begriffsbestimmung für den „sehr guten“ Zustand bestimmte anthropogene Änderungen nicht berücksichtigen dürfte, der Komponente „Fischfauna“ selbst ihre Aussagekraft zu nehmen(42). Im Licht der Ziele der Richtlinie 2000/60 wäre es schwer vorstellbar, dass bestimmte Verschlechterungen der Fischfauna (wie gegebenenfalls Verschlechterungen der Fischbestände) keinen Einfluss auf die Einstufung der Qualität der Fischfauna nach den einschlägigen Bestimmungen des Anhangs V dieser Richtlinie haben.

52.      Daher scheint mir eine teleologische Auslegung der einschlägigen Vorschriften zu bestätigen, dass bei der Begriffsbestimmung für den ökologischen Zustand der Fischfauna alle Störungen der Zusammensetzung und Abundanz der Fischarten sowie der Altersstrukturen dieser Gemeinschaften berücksichtigt werden müssen.

 Abschließende Erwägungen

53.      Ich bekräftige meinen Standpunkt, dass Maßnahmen der Fischbewirtschaftung als Maßnahmen mit anthropogenen Einflüssen auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten eingestuft werden sollten. Diese Auslegung würde den Vorlagefragen die Relevanz nehmen, da diese Maßnahmen der Fischbewirtschaftung in jedem Fall unter die Begriffsbestimmung für die „anthropogenen Einflüsse auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten“ fallen würden und bei der Begriffsbestimmung für alle ökologischen Zustände der Fischfauna berücksichtigt werden müssten.

54.      Nach dieser Klarstellung – die Sachverhaltsermittlung bleibt wohlgemerkt dem vorlegenden Gericht überlassen – habe ich mich mit der allgemeineren Frage befasst, ob bei der Begriffsbestimmung des ökologischen Zustands der Fischfauna alle Maßnahmen mit anthropogenen Einflüssen berücksichtigt werden müssen, wobei die Bezugnahme auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten nicht dahin ausgelegt werden darf, dass sie die Relevanz aller anderen Maßnahme mit anthropogenen Einflüssen einschränkt.

55.      In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich vor, auf die Fragen des vorlegenden Gerichts zu antworten, dass die Begriffsbestimmung für den „sehr guten“, „guten“ und „mäßigen“ ökologischen Zustand der Fischfauna dahin auszulegen ist, dass unter einer „anthropogenen Störung“ jede Störung zu verstehen ist, der eine menschliche Tätigkeit zugrunde liegt, einschließlich jeder Änderung, die die Zusammensetzung und Abundanz der Fischarten beeinträchtigen kann.

 Ergebnis

56.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Verwaltungsgerichtshofs (Österreich) wie folgt zu beantworten:

Die Begriffsbestimmung für den „sehr guten“, „guten“ und „mäßigen“ ökologischen Zustand der biologischen Qualitätskomponente „Fischfauna“ in Anhang V Tabelle 1.2.2 der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik

ist dahin auszulegen, dass

unter einer „anthropogenen Störung“ jede Störung zu verstehen ist, der eine menschliche Tätigkeit zugrunde liegt, einschließlich jeder Änderung, die die Zusammensetzung und Abundanz der Fischarten beeinträchtigen kann.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl. 2000, L 327, S. 1).


3      Eine besondere Kategorie (Rn. 1.2.5) betrifft schließlich „erheblich veränderte oder künstliche Wasserkörper“.


4      BGBl. 215/1959.


5      BGBl. I 73/2018, im Folgenden: WRG.


6      Genauer gesagt sei der Zustand der biologischen Qualitätskomponente „Fischfauna“ des Sees als „unbefriedigend“ einzustufen, weil die Zusammensetzung und Abundanz der Fischarten des Sees von den typspezifischen Eigenschaften abwichen. Von den acht ursprünglichen Fischarten seien aufgrund einer falschen Fischbewirtschaftung nur mehr sechs vorhanden, jedoch neun Fremdfischarten hinzugekommen.


7      Zwar führe die Errichtung der Bootshütte zu keiner Veränderung des allgemeinen Zustands des Sees, sie bewirke jedoch auch keine Verbesserung des Zustands des Oberflächengewässers, da dieser Bau in Ufernähe Laichplätze für Fische verdränge.


8      Die Beurteilung dieser Maßnahmen ist nach den Angaben des vorlegenden Gerichts Sache des Landesverwaltungsgerichts Kärnten.


9      Diese Maßnahmen sind im vorliegenden Fall für die Verschlechterung der Fischfauna des Sees verantwortlich.


10      Vgl. Urteil vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).


11      Die meisten Sprachfassungen verwenden nämlich Begriffe, die im weiteren Sinn eine Ursache bezeichnen, die ihren Ursprung unterschiedslos in einem menschlichen Eingriff hat, wie die Adjektive „anthropogen“ in der deutschen Fassung und „anthropogénique“ in der französischen Fassung, die sich aus den griechischen Wörtern „άνθρωπος“ (Mensch) und „γένος“ (Ursprung) zusammensetzen.


12      Mit anderen Worten: In der allgemeinen Kategorie der Maßnahmen mit anthropogenen Einflüssen gebe es zum einen Maßnahmen mit Einflüssen auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten und zum anderen Maßnahmen mit anderen Einflüssen, wie die Maßnahmen der Fischbewirtschaftung.


13      Diese Beteiligten vertreten jedoch unterschiedliche Auffassungen zur Frage, ob anthropogene Einflüsse, die nicht die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten betreffen (darunter die Maßnahmen der Fischbewirtschaftung), bei der Einstufung des Zustands der biologischen Qualitätskomponente „Fischfauna“ zu berücksichtigen sind, wobei die österreichische Regierung vorschlägt, die Frage zu bejahen, während die Revisionswerberin und die irische Regierung vorschlagen, die Frage zu verneinen.


14      In diesem Zusammenhang führt die Kommission mehrere wissenschaftliche Studien an.


15      Ich möchte anmerken, dass der Begriff „hydromorphologisch“ die Beschaffenheit von Wasserkörpern betrifft, wobei dieses Wort aus den griechischen Begriffen „ύδωρ“ (Wasser), „μορφή“ (Form) und „λόγος“ (Lehre) besteht. Auf der von der Europäischen Umweltagentur (EUA) betriebenen Website „WISE‑Freshwater“ heißt es: „hydromorphology refers to the hydrological, morphological and river continuity conditions of rivers, lakes, estuaries and coastal waters in undisturbed state“. Dieses Dokument kann (nur in englischer Sprache) unter folgender Adresse abgerufen werden: https://water.europa.eu/freshwater/europe-freshwater/freshwater-themes/hydromorphology.


16      Wenn sich die Fischpopulation im Wesentlichen hinsichtlich ihrer Zahl, ihres Alters und der in einem Wasserkörper vorhandenen Arten ändert, so führt dies meines Erachtens unvermeidlich zu Änderungen seiner physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten. Diese Veränderung beeinflusst zumindest die Nahrungsquellen der Fische, das Phytoplankton, das Phytobenthos und die benthische Fauna und hat Auswirkungen auf die Wasserqualität, selbst wenn diese Veränderungen nicht auf eine menschliche Tätigkeit, sondern auf natürliche Ursachen wie beispielsweise Fischkrankheiten zurückzuführen sind.


17      Es ist Sache des für die Würdigung des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens allein zuständigen vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die in Rede stehenden Maßnahmen der Fischbewirtschaftung als (anthropogene) Maßnahmen mit Einflüssen auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten angesehen werden können (vgl. entsprechend Urteil vom 4. Mai 2023, Glavna direktsia „Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto“ [Nachtarbeit], C‑529/21 bis C‑536/21 und C‑732/21 bis C‑738/21, EU:C:2023:374, Rn. 57).


18      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juli 2023, Ferrovienord (C‑363/21 und C‑364/21, EU:C:2023:563, Rn. 52 bis 55 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Die Zuständigkeit des Gerichtshofs beschränkt sich nämlich darauf, sich anhand der Sach- und Rechtslage, wie sie das vorlegende Gericht dargestellt hat, zur Auslegung oder zur Gültigkeit des Unionsrechts zu äußern, wobei er sie weder in Frage stellen noch deren Richtigkeit prüfen kann und die Zurückweisung des Ersuchens eines nationalen Gerichts dem Gerichtshof nur möglich ist, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind.


19      Im Übrigen frage ich mich, ohne in die Befugnisse des vorlegenden Gerichts hinsichtlich der Anwendung der im vorliegenden Fall einschlägigen Vorschriften eingreifen zu wollen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Maßnahmen der Fischbewirtschaftung nicht in den Anwendungsbereich dieser beiden Voraussetzungen fallen. In diesem Fall wären diese Maßnahmen bei einer Einstufung der Fischfauna als „sehr gut“ relevant, unabhängig davon, ob sie unter die anthropogenen Störungen und insbesondere unter die anthropogenen Einflüsse auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten fallen.


20      Im Wesentlichen scheinen mir die ersten beiden Voraussetzungen („Zusammensetzung, Abundanz und Vorhandensein von Arten“) mit der Quantität der vorhandenen Arten in Zusammenhang zu stehen und die dritte Voraussetzung („Altersstrukturen der Fischgemeinschaften“) mit ihrer Qualität.


21      Das vorlegende Gericht und die Beteiligten nehmen eine einfachere, jedoch ungenauere Auslegung der Begriffsbestimmungen für den ökologischen Zustand der Fischfauna vor, indem sie eine Unterscheidung vornehmen zwischen zum einen der Einstufung des Zustands der Fischfauna als „sehr gut“, die auf der Abwesenheit „anthropogener Störungen“ (ganz allgemein) beruht, und zum anderen der Einstufungen des Zustands der Fischfauna als „gut“ und „mäßig“, die auf dem Vorhandensein von „anthropogenen Störungen der physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten“ beruhen.


22      Wenn man sich jedoch streng an den Wortlaut der Begriffsbestimmungen hält, ist die Lösung noch komplizierter. Zunächst bezieht sich die Einstufung des ökologischen Zustands der Fischfauna als „sehr gut“ nicht nur auf Störungen, die auf „anthropogene Einflüsse auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten“ zurückzuführen sind, sondern auch auf andere „Störungen“ (ganz allgemein) in Bezug auf die Zusammensetzung und die Abundanz der Arten und auf andere „anthropogene Störungen“ in Bezug auf die Altersstrukturen der Fischgemeinschaften. Sodann verweist die Einstufung des ökologischen Zustands der Fischfauna als „gut“ auf Störungen, die auf „anthropogene Einflüsse auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten“ zurückzuführen sind, was entweder die Zusammensetzung und Abundanz der Arten oder die Altersstrukturen der Gemeinschaften betrifft (und im letzteren Fall auch auf das Vorhandensein von Störungen bei der Fortpflanzung oder Entwicklung einer bestimmten Art verweist). Schließlich verweist die Einstufung des ökologischen Zustands der Fischfauna als „mäßig“ auf Störungen, die auf „anthropogene Einflüsse auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten“ zurückzuführen sind, was die Zusammensetzung und die Abundanz der Arten betrifft, und auf „anthropogene Störungen“ (ganz allgemein), was die Altersstrukturen der Fischgemeinschaften betrifft.


23      Eine besondere Kategorie (Rn. 1.2.5) betrifft schließlich die erheblich veränderten oder künstlichen Wasserkörper, bei denen ein ähnlicher, jedoch nicht identischer Ansatz verfolgt wird.


24      Bei den biologischen Qualitätskomponenten handelt es sich beispielsweise um Phytoplankton, Makrophyten und Phytobenthos, benthische wirbellose Fauna und Fischfauna. Wie Generalanwalt Jääskinen in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2014:2324, Nr. 47) feststellt, ergibt sich der ökologische Zustand eines Oberflächenwasserkörpers aus der Beurteilung der Struktur und der Funktionsfähigkeit der mit diesem Wasserkörper in Verbindung stehenden aquatischen Ökosysteme. Er wird mittels eines wissenschaftlichen Mechanismus bestimmt, der sich auf folgende Qualitätskomponenten gründet: biologische (Pflanzenarten und Tiere), hydromorphologische und physikalisch-chemische, wobei diese Komponenten anhand von Indikatoren beurteilt werden (z. B. das Vorkommen von Wirbellosen oder Fischen in einem Wasserlauf).


25      Dies vorausgeschickt und ohne in die Befugnisse des vorlegenden Gerichts hinsichtlich der Qualifizierung des Sachverhalts im Ausgangsverfahren eingreifen zu wollen, meine ich, dass anthropogene Störungen der ökologischen Qualität eines Sees (und insbesondere der Fischfauna), die nicht physikalisch-chemischer oder hydromorphologischer Natur sind, schwer vorstellbar sind. Im Übrigen wird in den Begriffsbestimmungen für die hydromorphologischen und physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten selbst mehrfach auf die „für die biologischen Qualitätskomponenten beschriebenen Werte“ verwiesen, was zeigt, dass diese Komponenten einen gewissen Grad an Überschneidung aufweisen.


26      In der allgemeinen Begriffsbestimmung für die ökologische Qualität wird auch darauf hingewiesen, dass „bei dem jeweiligen Oberflächengewässertyp keine oder nur sehr geringfügige anthropogene Änderungen der Werte für die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten gegenüber den Werten zu verzeichnen [sind], die normalerweise bei Abwesenheit störender Einflüsse mit diesem Typ einhergehen“. Dieser Verweis ist jedoch im vorliegenden Fall nicht relevant, da er sich meiner Ansicht nach eindeutig auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten bezieht, die in speziellen Abschnitten von Anhang V Tabelle 1.2.2 der Richtlinie 2000/60 näher erläutert werden und nicht die Begriffsbestimmung für die „Fischfauna“ betreffen, die in dem Abschnitt dieser Tabelle geregelt ist, der die biologische Qualitätskomponente betrifft.


27      Ich weise darauf hin, dass die Bezugnahme auf anthropogene Änderungen der Werte der physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten auch bei den Kategorien „unbefriedigend“ und „schlecht“ fehlt. Diese Kategorien werden nur in der allgemeinen Begriffsbestimmung für die ökologische Qualität definiert und fehlen in der Begriffsbestimmung für den ökologischen Zustand der Fischfauna. Im Übrigen enthalten die Begriffsbestimmungen für die anderen biologischen Qualitätskomponenten für Seen (wie Phytoplankton, Makrophyten und Phytobenthos und benthische wirbellose Fauna) im Gegensatz zur Begriffsbestimmung für die Fischfauna keine Beschränkung auf die fraglichen Arten von Ursachen (z. B. anthropogene Änderungen). Diese Feststellung ist jedoch für die Begriffsbestimmung für die Fischfauna nicht relevant, da, wie die Kommission geltend macht, nicht ausgeschlossen ist, dass der Unionsgesetzgeber einen Unterschied zwischen der Fischfauna und den anderen biologischen Qualitätskomponenten schaffen wollte.


28      Vielmehr scheint mir, dass die in den beiden Begriffsbestimmungen verwendeten Formulierungen dahin ausgelegt werden können, dass sie sogar über „anthropogene“ Störungen hinausgehen und jede Störung einschließen, was jedoch im vorliegenden Fall nicht relevant ist, da die Maßnahmen der Fischbewirtschaftung ohne jeden Zweifel anthropogener Natur sind.


29      Selbst wenn die Begriffe „Störungen“ oder „Abweichungen“ ohne jede weitere Bezugnahme verwendet werden, scheint mir, dass sich der Unionsgesetzgeber auf menschliche Eingriffe beziehen wollte, und zwar aus dem einfachen Grund, dass in den meisten Situationen solche Eingriffe die Ursache für die Verschlechterung der ökologischen Qualität der Seen sind.


30      Ganz allgemein liegt es meines Erachtens auf der Hand, dass die verschiedenen Qualitätskomponenten im aquatischen Ökosystem interagieren. Dies wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, dass die (spezifischen) Tabellen in Anhang V Rn. 1.2.2 zu den physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten (also zu anderen Komponenten als der biologischen Komponente) selbst mehrfach auf die für die biologischen Qualitätskomponenten angegebenen Werte verweisen (vgl. auch Fn. 25 der vorliegenden Schlussanträge).


31      Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (KOM[97]49 endg. [ABl. 1997, C 184, S. 20]); Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (KOM[97]614 endg. [ABl. 1998, C 16, S. 14]); Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (KOM[98]76 endg. [ABl. 1998, C 108, S. 94]).


32      Vgl. insbesondere in Bezug auf Seen die Begriffsbestimmung für den ökologischen Zustand der Fischfauna („sehr gut“, „gut“ und „befriedigend“) der Tabelle 1.1.2.2 von Anhang V des Geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (KOM[98]76 endg.).


33      Wenn ich mich nicht irre, scheinen die Bezugnahmen auf „anthropogene Einflüsse“ und auf „anthropogene Einflüsse auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten“ erstmals in der Stellungnahme der Kommission gemäß Art. 251 Abs. 2 Buchst. c des EG-Vertrags zu den Abänderungen des Europäischen Parlaments des gemeinsamen Standpunkts des Rates betreffend den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (COM[2000]219 final) auf.


34      Im Übrigen kann meines Erachtens, wie die Kommission feststellt, daraus nicht geschlossen werden, dass der Unionsgesetzgeber Konflikte mit der Fischereipolitik vermeiden wollte, wie es das vorlegende Gericht in Erwägung zieht und die Klägerin geltend macht. Die Fischereipolitik, die im Übrigen nicht als Ausgangspunkt für diese Formulierungen genannt wurde, muss nämlich selbst den zum Schutz der Umwelt und der Fischbestände erforderlichen Beschränkungen unterworfen werden. Insoweit reicht der allgemeine Verweis im 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/60 auf die Notwendigkeit einer stärkeren Integration des Schutzes und der nachhaltigen Bewirtschaftung von Gewässern in andere politische Maßnahmen der Gemeinschaft, so z. B. in die Fischereipolitik, nicht aus. Wenn dies die Absicht des Gesetzgebers gewesen wäre, hätte er dies nicht erreicht, da der eingeführte Unterschied zwischen den „anthropogenen Einflüssen“ ganz allgemein und den „anthropogenen Einflüssen auf die physikalisch-chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten“ vernachlässigbar ist.


35      Vgl. Urteil vom 24. Juni 2021, Kommission/Spanien (Verschlechterung des Naturraums Doñana) (C‑559/19, EU:C:2021:512, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).


36      Insoweit hat Generalanwalt Jääskinen in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2014:2324, Nr. 39) festgestellt, dass Endziel der Richtlinie 2000/60 die Erfüllung des Kriteriums des „guten Zustands“ aller Oberflächengewässer und des Grundwassers der Union bis zum Jahr 2015 ist (vgl. auch 25. Erwägungsgrund dieser Richtlinie).


37      Vgl. Urteil vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 39). In diesem Urteil (Rn. 40) hat der Gerichtshof auch klargestellt, dass sich der Ursprung dieser beiden Ziele aus der Entstehungsgeschichte der Richtlinie 2000/60 ergibt. Was insbesondere die Pflicht zur Verhinderung der Verschlechterung des Zustands der Oberflächengewässer betrifft, konnten die in Rede stehenden Vorschriften in ihrer ersten Fassung bedeuten, dass sich der Zustand der in eine höhere als die Kategorie „guter Zustand“ einzureihenden Wasserkörper nach dem Erlass der Richtlinie 2000/60 so lange verschlechtern durfte, bis ihr Zustand dieser Kategorie entsprach. Das Europäische Parlament schlug deshalb eine Änderung vor, die es ermöglichte, zwischen der Verpflichtung, einen „guten Zustand“ zu erreichen, und der Pflicht zur Verhinderung jeder Verschlechterung zu unterscheiden. Dazu wurde in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie ein neuer Gedankenstrich eingefügt, der die letztgenannte Pflicht gesondert vorsah.


38      Vgl. Urteil vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 41), sowie meine Schlussanträge in der Rechtssache Sweetman (C‑301/22, EU:C:2023:697, Nr. 52).


39      Vgl. Urteil vom 5. Mai 2022, Association France Nature Environnement (Vorübergehende Auswirkungen auf Oberflächengewässer) (C‑525/20, EU:C:2022:350, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).


40      Vgl. Urteil vom 5. Mai 2022, Association France Nature Environnement (Vorübergehende Auswirkungen auf Oberflächengewässer) (C‑525/20, EU:C:2022:350, Rn. 26). Die Mitgliedstaaten sind im Übrigen verpflichtet, bei der Beurteilung, ob ein konkretes Programm oder Vorhaben mit dem Ziel der Verhinderung einer Verschlechterung der Wasserqualität vereinbar ist, vorübergehende Auswirkungen von kurzer Dauer und ohne langfristige Folgen für die Gewässer zu berücksichtigen, es sei denn, dass sich diese Auswirkungen ihrem Wesen nach offensichtlich nur geringfügig auf den Zustand der betroffenen Wasserkörper auswirken und im Sinne dieser Bestimmung nicht zu einer „Verschlechterung“ ihres Zustands im Sinne von Art. 4 der Richtlinie 2000/60 führen können. Stellen die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eines Programms oder eines Vorhabens fest, dass es zu einer solchen Verschlechterung führen kann, kann dieses Programm oder Vorhaben auch im Fall einer bloß vorübergehenden Verschlechterung nur dann genehmigt werden, wenn die Bedingungen von Art. 4 Abs. 7 dieser Richtlinie erfüllt sind (vgl. Urteil vom 5. Mai 2022, Association France Nature Environnement [Vorübergehende Auswirkungen auf Oberflächengewässer], C‑525/20, EU:C:2022:350, Rn. 45). Insoweit liegt eine Verschlechterung eines Oberflächenwasserkörpers vor, sobald sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente im Sinne des Anhangs V um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt. Ist jedoch die betreffende Qualitätskomponente im Sinne dieses Anhangs bereits in der niedrigsten Klasse eingeordnet, stellt jede Verschlechterung dieser Komponente eine „Verschlechterung des Zustands“ eines Oberflächenwasserkörpers im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie dar (vgl. Urteil vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 69).


41      Im Übrigen hat der Gerichtshof klargestellt, dass die Pflicht zur Verhinderung der Verschlechterung des Zustands eines Wasserkörpers ihre volle praktische Wirksamkeit behält, vorausgesetzt, sie umfasst jede Veränderung, die geeignet ist, die Verwirklichung des Hauptziels der Richtlinie 2000/60 zu beeinträchtigen (vgl. Urteil vom 28. Mai 2020, Land Nordrhein-Westfalen, C‑535/18, EU:C:2020:391, Rn. 100).


42      Die meisten Sprachfassungen verwenden Begriffe, die alle Fische bezeichnen, die ein Gewässer bevölkern, wie „Fischfauna“ in der deutschen Fassung und „ichtyofaune“ in der französischen Fassung.