Language of document : ECLI:EU:C:2023:914

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

23. November 2023(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechte des geistigen Eigentums – Richtlinie 2014/26/EU – Kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten – Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung – Richtlinie 2004/48/EG – Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe, die erforderlich sind, um die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen – Art. 4 – Zur Beantragung der in der Richtlinie 2004/48 vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe befugte Personen – Verwertungsgesellschaft, die für die Erteilung von kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung zugelassen ist – Klagebefugnis zur Verteidigung der Rechte des geistigen Eigentums“

In der Rechtssache C‑201/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Korkein oikeus (Oberstes Gericht, Finnland) mit Entscheidung vom 15. März 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 15. März 2022, in dem Verfahren

Kopiosto ry

gegen

Telia Finland Oyj

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter Z. Csehi, M. Ilešič (Berichterstatter), I. Jarukaitis und D. Gratsias,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Kopiosto ry, vertreten durch S. Lapiolahti und B. Rapinoja, asianajajat,

–        der Telia Finland Oyj, vertreten durch M. Manner, asianajaja,

–        der finnischen Regierung, vertreten durch M. Pere als Bevollmächtigte,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch S. L. Kalėda, J. Samnadda und I. Söderlund als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Mai 2023

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Buchst. c der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. 2004, L 157, S. 45, berichtigt in ABl. 2004, L 195, S. 16, und ABl. 2007, L 204, S. 27) sowie der Art. 17 und 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Kopiosto ry und der Telia Finland Oyj (im Folgenden: Telia) wegen der Weiterverbreitung von Fernsehsendungen durch Telia, die die Urheberrechte der von Kopiosto vertretenen Urheber verletzt haben soll.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 2004/48

3        In den Erwägungsgründen 3, 10 und 18 der Richtlinie 2004/48 heißt es:

„(3)      Ohne wirksame Instrumente zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums werden … Innovation und kreatives Schaffen gebremst und Investitionen verhindert. Daher ist darauf zu achten, dass das materielle Recht auf dem Gebiet des geistigen Eigentums, das heute weitgehend Teil des gemeinschaftlichen Besitzstands ist, in der [Europäischen] Gemeinschaft wirksam angewandt wird. Daher sind die Instrumente zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums von zentraler Bedeutung für den Erfolg des Binnenmarkts.

(10)      Mit dieser Richtlinie sollen diese Rechtsvorschriften einander angenähert werden, um ein hohes, gleichwertiges und homogenes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten.

(18)      Die Befugnis, die Anwendung [der in dieser Richtlinie vorgesehenen] Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu beantragen, sollte nicht nur den eigentlichen Rechtsinhabern eingeräumt werden, sondern auch Personen, die ein unmittelbares Interesse haben und klagebefugt sind, soweit dies nach den Bestimmungen des anwendbaren Rechts zulässig ist und mit ihnen im Einklang steht; hierzu können auch Berufsorganisationen gehören, die mit der Verwertung der Rechte oder mit der Wahrnehmung kollektiver und individueller Interessen betraut sind.“

4        Kapitel I („Ziel und Anwendungsbereich“) der Richtlinie 2004/48 enthält u. a. Art. 1 („Gegenstand“) dieser Richtlinie, dessen Abs. 1 vorsieht:

„Diese Richtlinie betrifft die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe, die erforderlich sind, um die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen. Im Sinne dieser Richtlinie umfasst der Begriff,Rechte des geistigen Eigentums‘ auch die gewerblichen Schutzrechte.“

5        Art. 2 („Anwendungsbereich“) Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Unbeschadet etwaiger Instrumente in den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten, die für die Rechtsinhaber günstiger sind, finden die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe gemäß Artikel 3 auf jede Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums, die im Gemeinschaftsrecht und/oder im innerstaatlichen Recht des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehen sind, Anwendung.“

6        Kapitel II („Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe“) dieser Richtlinie umfasst deren Art. 3 bis 15.

7        Art. 3 („Allgemeine Verpflichtung“) der Richtlinie 2004/48 lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten sehen die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe vor, die zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, auf die diese Richtlinie abstellt, erforderlich sind. Diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe müssen fair und gerecht sein, außerdem dürfen sie nicht unnötig kompliziert oder kostspielig sein und keine unangemessenen Fristen oder ungerechtfertigten Verzögerungen mit sich bringen.

(2)      Diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe müssen darüber hinaus wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und so angewendet werden, dass die Einrichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist.“

8        Art. 4 („Zur Beantragung der Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe befugte Personen“) dieser Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten räumen den folgenden Personen das Recht ein, die in diesem Kapitel vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu beantragen:

a)      den Inhabern der Rechte des geistigen Eigentums im Einklang mit den Bestimmungen des anwendbaren Rechts,

b)      allen anderen Personen, die zur Nutzung solcher Rechte befugt sind, … soweit dies nach den Bestimmungen des anwendbaren Rechts zulässig ist und mit ihnen im Einklang steht,

c)      Verwertungsgesellschaften mit ordnungsgemäß anerkannter Befugnis zur Vertretung von Inhabern von Rechten des geistigen Eigentums, soweit dies nach den Bestimmungen des anwendbaren Rechts zulässig ist und mit ihnen im Einklang steht,

d)      Berufsorganisationen mit ordnungsgemäß anerkannter Befugnis zur Vertretung von Inhabern von Rechten des geistigen Eigentums, soweit dies nach den Bestimmungen des anwendbaren Rechts zulässig ist und mit ihnen im Einklang steht.“

 Richtlinie 2014/26/EU

9        In den Erwägungsgründen 8, 9, 12 und 49 der Richtlinie 2014/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt (ABl. 2014, L 84, S. 72) heißt es:

„(8)      Das Ziel dieser Richtlinie ist die Koordinierung nationaler Vorschriften, die sich auf die Aufnahme der Tätigkeit einer Organisation zur kollektiven Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten, die Modalitäten ihrer internen Funktionsweise und auf ihre Beaufsichtigung beziehen

(9)      Das Ziel dieser Richtlinie ist es, Anforderungen an Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung festzulegen, um hohe Standards für die Leitungsstrukturen, das Finanzmanagement, die Transparenz und das Berichtswesen zu gewährleisten. …

(12)      Diese Richtlinie gilt zwar für alle Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung, … lässt jedoch die Regelungen für die Wahrnehmung von Rechten in den Mitgliedstaaten, wie die individuelle Rechtewahrnehmung, die erweiterte Geltung eines Vertrags zwischen einer repräsentativen Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung und einem Nutzer, das heißt erweiterte kollektive Lizenzen, die verpflichtende kollektive Wahrnehmung und die gesetzlichen Vermutungen in Bezug auf die Vertretung und Übertragung von Rechten an Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung, unberührt.

(49)      … Schließlich sollten die Mitgliedstaaten verpflichtet sein, unabhängige, unparteiische und wirksame Streitbeilegungsverfahren vorzusehen, die vor Stellen mit einschlägigen Kenntnissen des Rechts des geistigen Eigentums oder vor den Gerichten geführt werden und die geeignet sind, geschäftliche Streitigkeiten zwischen Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung und Nutzern über bestehende oder vorgeschlagene Lizenzbedingungen oder über Vertragsverletzungen beizulegen.“

10      Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) Buchst. a dieser Richtlinie bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a)      ‚Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung‘ jede Organisation, die gesetzlich oder auf der Grundlage einer Abtretungs‑, Lizenz- oder sonstigen vertraglichen Vereinbarung berechtigt ist und deren ausschließlicher oder hauptsächlicher Zweck es ist, Urheber- oder verwandte Schutzrechte im Namen mehrerer Rechtsinhaber zu deren kollektivem Nutzen wahrzunehmen und eine oder beide der folgenden Voraussetzungen erfüllt:

i)      sie steht im Eigentum ihrer Mitglieder oder wird von ihren Mitgliedern beherrscht;

ii)      sie ist nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet“.

11      Art. 35 („Streitbeilegung“) der Richtlinie 2014/26 lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Streitigkeiten zwischen Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung und Nutzern, insbesondere über bestehende und angebotene Lizenzbedingungen oder Vertragsverletzungen vor Gericht oder gegebenenfalls vor eine andere unabhängige, unparteiische Streitbeilegungsstelle mit einschlägigen Kenntnissen des Rechts des geistigen Eigentums gebracht werden können.

(2)      Die Artikel 33 und 34 sowie Absatz 1 dieses Artikels berühren nicht das Recht der Streitparteien, ihre Rechte gerichtlich geltend zu machen und durchzusetzen.“

 Finnisches Recht

12      Nach § 26 („Vertragslizenzen“) Abs. 1 des Tekijänoikeuslaki (404/1961) (Urheberrechtsgesetz [404/1961] vom 8. Juli 1961 in seiner durch das Laki tekijänoikeuslain muuttamisesta (607/2015) [Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes (607/2015) vom 22. Mai 2015] geänderten Fassung (im Folgenden: Urheberrechtsgesetz) gelten die Vorschriften dieses Gesetzes über die Vertragslizenzen für einen Vertrag, der über die Nutzung der Werke von Urhebern einer bestimmten Branche zwischen einem Nutzer und einer vom Ministerium für Bildung und Kultur zugelassenen, zahlreiche dieser Branche zugehörige Urheber von in Finnland genutzten Werken vertretenden Organisation geschlossen wird. Die zugelassene Organisation gilt hinsichtlich dieses Vertrags als befugt, auch andere Urheber von Werken derselben Branche zu vertreten. Der Erwerber einer mittels des genannten Vertrags erlangten Vertragslizenz kann unter den Bedingungen der Lizenz alle Werke von Urhebern dieser Branche nutzen.

13      Nach § 26 Abs. 4 des Urheberrechtsgesetzes wird die Bestimmung, die die in Abs. 1 genannte Organisation in Bezug auf die Ausschüttung der für die Vervielfältigung des Werks, seine Vermittlung oder Ausstrahlung an die von der Organisation direkt vertretenen Urheber zu entrichtenden Vergütung oder über die Verwendung der Vergütung zu gemeinsamen Zwecken der Urheber trifft, auch auf die anderen, in Abs. 1 genannten Urheber desselben Sektors, welche die Gesellschaft nicht direkt vertritt, angewandt.

14      § 25h („Weiterverbreitung von Rundfunk- oder Fernsehsendungen“) Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes bestimmt, dass ein in einer Rundfunk- oder Fernsehsendung enthaltenes Werk ohne Änderung der Sendung aufgrund der Vertragslizenz nach Maßgabe von § 26 des Urheberrechtsgesetzes zum Zweck des Empfangs durch die Öffentlichkeit gleichzeitig mit der ursprünglichen Sendung weiterverbreitet werden darf.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

15      Kopiosto ist eine Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung im Sinne von Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2014/26, die zugunsten zahlreicher Urheber auf der Grundlage der ihr von diesen erteilten Vollmachten Lizenzen verwaltet und erteilt. Kopiosto ist auch vom Ministerium für Bildung und Kultur als Organisation zugelassen, die mit der Erteilung vertraglicher Lizenzen im Sinne von Art. 26 des Urheberrechtsgesetzes u. a. zur Weiterverbreitung von in einer Rundfunk- oder Fernsehsendung enthaltenen Werken im Sinne von Art. 25h Abs. 1 dieses Gesetzes betraut ist.

16      Telia betreibt ein Kabelfernsehnetz, in dem Sendungssignale inländischer frei empfangbarer Fernsehkanäle zur Verbreitung an die Öffentlichkeit übertragen werden.

17      Am 24. Januar 2018 erhob Kopiosto beim Markkinaoikeus (Marktgericht, Finnland) eine Klage mit dem Antrag auf Feststellung, dass Telia Fernsehsendungen im Sinne von § 25 h des Urheberrechtsgesetzes weiterverbreitet hatte und dass diese Weiterverbreitung ohne vorherige Genehmigung durch Kopiosto die Rechte der Urheber verletzte, die Kopiosto in erster Linie als Vertragslizenzorganisation und in zweiter Linie auf der Grundlage der ihr von den Urheberrechtsinhabern erteilten Vollmachten vertritt.

18      Telia ist der Auffassung, Kopiosto sei für eine auf der Verletzung von Urheberrechten beruhende Klage nicht aktivlegitimiert.

19      Mit Urteil vom 18. Juni 2019 wies das Markkinaoikeus (Marktgericht) u. a. die auf die Verletzung von Urheberrechten gestützten Anträge von Kopiosto mit der Begründung als unzulässig zurück, dass Kopiosto nicht berechtigt sei, im eigenen Namen eine Verletzungsklage zugunsten der Rechtsinhaber zu erheben, die sie als Organisation vertrete, die in den in § 26 des Urheberrechtsgesetzes vorgesehenen Fällen mit der Erteilung von Vertragslizenzen betraut sei. Es war der Ansicht, dass Kopiosto auch nicht zur Erhebung einer Verletzungsklage für die Rechtsinhaber aktivlegitimiert gewesen sei, die ihr hinsichtlich ihrer Rechte eine Verwertungs- und Prozessvollmacht erteilt hätten.

20      Kopiosto legte gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel beim Korkein oikeus (Oberstes Gericht, Finnland), dem vorlegenden Gericht, ein und machte in erster Linie geltend, dass sie aufgrund ihrer Eigenschaft als Vertragslizenzorganisation ein unmittelbares Rechtsschutzinteresse – wie es nach Art. 4 Buchst. c der Richtlinie 2004/48 gefordert werde – im Fall der rechtswidrigen Nutzung der Werke der von ihr vertretenen Urheber habe, und, hilfsweise, dass sie zumindest das Recht habe, Klagen in Bezug auf die unerlaubte Verwertung der Werke der Urheber zu erheben, deren Rechte sie auf der Grundlage der ihr von diesen Urhebern erteilten Verwertungs- und Prozessvollmachten wahrnehme.

21      Vor dem vorlegenden Gericht macht Telia geltend, dass Kopiosto als Vertragslizenzorganisation befugt sei, Lizenzen für die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen zu erteilen und die entsprechenden Vergütungen zu erheben. Hingegen könnte nur der ursprüngliche Inhaber des betreffenden Urheberrechts oder der Erwerber dieses Rechts eine Klage wegen Verletzung dieses Urheberrechts erheben.

22      Das Korkein oikeus (Oberstes Gericht) meint im Wesentlichen, dass es zur Klärung des Ausgangsrechtsstreits mangels nationaler Vorschrift in diesem Bereich notwendig sei, die Frage zu beantworten, unter welchen Voraussetzungen davon auszugehen sei, dass eine Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung im Sinne von Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2014/26 befugt sei, die in Kapitel II der Richtlinie 2004/48 vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu beantragen. Insbesondere fragt es sich, ob es zu diesem Zweck nach Art. 4 Buchst. c der Richtlinie 2004/48 ausreicht, dass eine Vertragslizenzorganisation nach nationalem Recht die allgemeine Parteifähigkeit und das Recht hat, für alle Rechtsinhaber der betreffenden Branche solche Lizenzen für die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen auszuhandeln und zu erteilen, oder ob diese Aktivlegitimation voraussetzt, dass diese Organisation nach nationalem Recht ausdrücklich befugt ist, wegen Verletzung der betreffenden Rechte im eigenen Namen Klage zu erheben.

23      Insoweit weist das vorlegende Gericht zunächst darauf hin, dass der Gerichtshof im Urteil vom 7. August 2018, SNB-REACT (C‑521/17, EU:C:2018:639), diese Klagebefugnis von der Voraussetzung abhängig gemacht habe, dass die Verwertungsgesellschaft, die die Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums vertrete, nach nationalem Recht als Organisation mit einem unmittelbaren Interesse an der Verteidigung dieser Rechte angesehen werde und dass sie nach diesen Rechtsvorschriften zu diesem Zweck klagebefugt sei, ohne jedoch klarzustellen, ob sich diese zweite Voraussetzung auf die allgemeine Parteifähigkeit einer solchen Organisation vor Gericht beziehe oder ob danach verlangt sei, dass im nationalen Recht ausdrücklich vorgesehen werde oder danach zumindest erlaubt sei, dass eine mit der Erteilung kollektiver Lizenzen mit erweiterter Wirkung betraute Organisation eine auf der Verletzung von Urheberrechten beruhende Klage erheben könne.

24      Sodann ist es der Ansicht, dass im Licht der Rn. 34 und 35 dieses Urteils nicht klar sei, ob Art. 4 Buchst. c der Richtlinie 2004/48 dahin auszulegen sei, dass harmonisiert werden solle, was unter dem im 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/48 genannten „unmittelbaren Interesse“ einer Organisation an der Verteidigung der Rechte der von ihr vertretenen Rechtsinhaber zu verstehen sei, oder ob dieses Interesse auf der Grundlage des nationalen Rechts zu bestimmen sei. Aus Art. 4 Buchst. c der Richtlinie 2004/48 in Verbindung mit dem 18. Erwägungsgrund dieser Richtlinie gehe auch nicht klar hervor, ob eine Verwertungsgesellschaft schon allein deshalb ein unmittelbares Interesse an der Verteidigung der Urheberrechte habe, weil sie zum einen aufgrund der kollektiven Lizenzen mit erweiterter Wirkung oder zum anderen aufgrund der von den Rechtsinhabern erteilten Verwertungsvollmachten berechtigt sei, Nutzungsrechte an Werken einzuräumen und in Vertretung der Inhaber der Nutzungsrechte die für diese Nutzung zu entrichtenden Vergütungen einzuziehen, um sie an die Rechtsinhaber auszuzahlen.

25      Schließlich äußert das vorlegende Gericht hinsichtlich der Auslegung von Art. 4 Buchst. c der Richtlinie 2004/48 im Licht zum einen des in Art. 17 der Charta vorgesehenen Schutzes des Eigentums und zum anderen des in Art. 47 der Charta vorgesehenen Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf Zweifel, insbesondere in Bezug auf die Frage einer Klagebefugnis, die auf den Status einer mit der Erteilung von kollektiven Lizenzen mit erweiterter Wirkung betrauten Organisation gestützt ist. Hierzu führt das Korkein oikeus (Oberstes Gericht) aus, sofern man davon ausginge, dass eine mit der Erteilung von kollektiven Lizenzen mit erweiterter Wirkung betraute Organisation befugt sei, im eigenen Namen eine Klage wegen Urheberrechtsverletzung zu erheben, könnte dies zur Einschränkung des Rechts des Inhabers führen, selbst eine Klage zu erheben. Insoweit stelle sich die Frage, ob eine einer solchen Organisation zugestandene Aktivlegitimation bei Rechtsstreitigkeiten über Urheberrechtsverletzungen im Hinblick auf Urheber, die ihre ausschließlichen Rechte nicht übertragen hätten, als unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht dieser Urheber auf Verfügung über ihr Urheberrecht angesehen werden könnte. Das vorlegende Gericht führt jedoch aus, dass ein solcher Eingriff insbesondere dadurch gerechtfertigt sein könnte, dass Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung wirksamer handeln könnten als der Urheberrechtsinhaber selbst.

26      Unter diesen Umständen hat das Korkein oikeus (Oberstes Gericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist in Bezug auf Vertragslizenzorganisationen, die Rechte des geistigen Eigentums kollektiv verwerten, mit der Klagebefugnis zur Verteidigung dieser Rechte, die von der auf Art. 4 Buchst. c der Richtlinie 2004/48 beruhenden Aktivlegitimation vorausgesetzt wird, ausschließlich die allgemeine Parteifähigkeit in Rechtsstreitigkeiten gemeint oder wird damit ein in den nationalen Rechtsvorschriften ausdrücklich anerkanntes Recht verlangt, im eigenen Namen Klage zur Verteidigung der fraglichen Rechte zu führen?

2.      Ist bei der auf Art. 4 Buchst. c der Richtlinie 2004/48 beruhenden Auslegung die Wendung „unmittelbares Interesse an der Verteidigung der Urheberrechte der von ihr vertretenen Rechtsinhaber“ in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen, wenn es um das Recht einer Verwertungsgesellschaft im Sinne von Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2014/26 geht, im eigenen Namen eine Klage wegen Urheberrechtsverletzung zu erheben, wenn

a)      es sich um Nutzungen von Werken handelt, für die eine Organisation als Vertragslizenzorganisation im Sinne des Urheberrechtsgesetzes berechtigt ist, erweiterte kollektive Lizenzen zu erteilen, die es dem Lizenznehmer ermöglichen, auch Werke solcher Urheber dieser Branche zu nutzen, die die Organisation nicht bevollmächtigt haben, ihre Rechte zu verwerten;

b)      es sich um Nutzungen von Werken handelt, für die die Urheber der Organisation durch Vertrag oder Vollmacht eine Ermächtigung zur Verwertung ihrer Rechte erteilt haben, ohne dass die Urheberrechte auf die Organisation übertragen wurden?

3.      Falls davon ausgegangen wird, dass die Organisation als Vertragslizenzorganisation ein unmittelbares Interesse und die Befugnis hat, im eigenen Namen Klage zu erheben: Welche Bedeutung hat bei Beurteilung dieser Befugnis, gegebenenfalls im Licht von Art. 17 und 47 der Charta, der Umstand, dass die Organisation als Vertragslizenzorganisation auch solche Urheber vertritt, die sie nicht ermächtigt haben, ihre Rechte zu verwerten und dass das Recht der Organisation, eine Klage zur Verteidigung der Rechte dieser Urheber anzustrengen, gesetzlich nicht geregelt ist?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

27      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 4 Buchst. c der Richtlinie 2004/48 dahin auszulegen ist, dass neben der Voraussetzung des unmittelbaren Interesses an der Verteidigung der betreffenden Rechte die Anerkennung der Befugnis von Verwertungsgesellschaften bzw. Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung, im eigenen Namen die in Kapitel II dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu beantragen, allein von der Parteifähigkeit dieser Organisationen abhängt oder ob sie die ausdrückliche Anerkennung der Klagebefugnis dieser Organisationen zum Zweck der Verteidigung der Rechte des geistigen Eigentums im anwendbaren Recht erfordert.

28      Zunächst hat der Gerichtshof festgestellt, dass sich aus dem 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/48, in dessen Licht Art. 4 dieser Richtlinie zu lesen ist, ergibt, dass der Gesetzgeber der Europäischen Union wollte, dass die Befugnis, die in Kapitel II dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu beantragen, nicht nur den eigentlichen Inhabern von Rechten des geistigen Eigentums eingeräumt wird, sondern auch Personen, die ein unmittelbares Interesse an der Verteidigung dieser Rechte haben und klagebefugt sind, soweit dies nach den Bestimmungen des anwendbaren Rechts zulässig ist und mit ihnen im Einklang steht (Urteil vom 7. August 2018, SNB-REACT, C‑521/17, EU:C:2018:639, Rn. 33).

29      Diese Personen sind in Art. 4 Buchst. b bis d dieser Richtlinie aufgeführt. Verwertungsgesellschaften werden in Buchst. c dieses Artikels genannt, wonach die Mitgliedstaaten Verwertungsgesellschaften mit ordnungsgemäß anerkannter Befugnis zur Vertretung von Inhabern von Rechten des geistigen Eigentums das Recht einräumen, die in Kapitel II dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu beantragen, soweit dies nach den Bestimmungen des anwendbaren Rechts zulässig ist und mit ihnen im Einklang steht.

30      Der Gerichtshof hat für Recht erkannt, dass Art. 4 Buchst. c der Richtlinie 2004/48 dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, einer Verwertungsgesellschaft, die die Rechte von Markeninhabern wahrnimmt, die Befugnis einzuräumen, die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechtsbehelfe zur Verteidigung der Rechte der Markeninhaber im eigenen Namen einzulegen und zur Durchsetzung dieser Rechte im eigenen Namen Klage vor den Gerichten zu erheben, sofern diese Organisation nach nationalem Recht als Person gilt, die ein unmittelbares Interesse an der Verteidigung solcher Rechte hat und zu diesem Zweck Klage erheben kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. August 2018, SNB-REACT, C‑521/17, EU:C:2018:639, Rn. 39).

31      Daraus folgt, dass die Befugnis einer Verwertungsgesellschaft bzw. Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung, im eigenen Namen die in Kapitel II der Richtlinie 2004/48 vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu beantragen, davon abhängt, dass diese Organisation nach den anwendbaren Rechtsvorschriften als Organisation angesehen wird, die ein unmittelbares Interesse an der Verteidigung dieser Rechte hat, und dass sie nach diesen Rechtsvorschriften befugt ist, zu diesem Zweck Klage zu erheben.

32      Folglich muss eine Verwertungsgesellschaft bzw. Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung zwar notwendigerweise parteifähig sein, um als berechtigt anerkannt zu werden, in ihrem eigenen Namen die in der genannten Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu beantragen, doch reicht eine solche Fähigkeit für sich allein dafür nicht aus.

33      Da im Übrigen die Parteifähigkeit ein allgemeines Merkmal der Rechtspersönlichkeit ist, über das die Verwertungsgesellschaften bzw. Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung grundsätzlich verfügen, würde eine andere Auslegung der zweiten in Rn. 39 des Urteils vom 7. August 2018, SNB-REACT (C‑521/17, EU:C:2018:639), genannten Voraussetzung ihre praktische Wirksamkeit nehmen.

34      Was sodann die Frage betrifft, ob die Anerkennung der Befugnis einer Verwertungsgesellschaft bzw. Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung, im eigenen Namen die in der Richtlinie 2004/48 vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu beantragen, von einer ausdrücklichen Anerkennung dieser Befugnis in den anwendbaren Rechtsvorschriften abhängt, ist darauf hinzuweisen, dass Art. 4 Buchst. c dieser Richtlinie allgemein auf die „Bestimmungen des anwendbaren Rechts“ verweist.

35      Eine solche Wendung bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass die Befugnis von Verwertungsgesellschaften bzw. Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung, im eigenen Namen die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu beantragen, ausdrücklich in einer spezifischen Bestimmung anerkannt wird, da sich diese Befugnis aus allgemeinen Verfahrensvorschriften ergeben kann.

36      Diese Auslegung wird durch das Ziel der Richtlinie 2004/48 bestätigt, das nach ihrem zehnten Erwägungsgrund u. a. darin besteht, ein hohes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten (Urteil vom 17. Juni 2021, M.I.C.M., C‑597/19, EU:C:2021:492, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zu diesem Zweck verpflichtet Art. 3 dieser Richtlinie die Mitgliedstaaten, ein Mindestmaß an Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfen vorzusehen, die erforderlich sind, um die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen.

37      Wie sich aber aus dem 18. Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt, hielt es der Unionsgesetzgeber für wünschenswert, dass die Befugnis, die nach dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu beantragen, wie in Rn. 28 des vorliegenden Urteils ausgeführt, nicht nur den eigentlichen Rechtsinhabern eingeräumt wird, sondern auch Verwertungsgesellschaften bzw. Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung, die in der Regel über die finanziellen und materiellen Mittel verfügen, die es ihnen ermöglichen, wirksam gegen Verletzungen dieser Rechte vorzugehen.

38      Folglich könnte eine restriktive Auslegung von Art. 4 Buchst. c der Richtlinie 2004/48 in den Mitgliedstaaten, die keine Bestimmungen speziell zur Regelung der Klagebefugnis von Verwertungsgesellschaften bzw. Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung erlassen haben, solche Organisationen daran hindern, im eigenen Namen die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu beantragen, und damit die Wirksamkeit der vom Unionsgesetzgeber zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums eingesetzten Mittel schwächen.

39      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 4 Buchst. c der Richtlinie 2004/48 dahin auszulegen ist, dass neben der Voraussetzung des unmittelbaren Interesses an der Verteidigung der betreffenden Rechte die Anerkennung der Befugnis von Verwertungsgesellschaften bzw. Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung, im eigenen Namen die in Kapitel II dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu beantragen, von der Klagebefugnis dieser Organisationen für die Zwecke der Verteidigung der Rechte des geistigen Eigentums abhängt, die sich aus einer besonderen Bestimmung zu diesem Zweck oder aus allgemeinen Verfahrensvorschriften ergeben kann.

 Zur zweiten Frage

40      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 4 Buchst. c der Richtlinie 2004/48 dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Verwertungsgesellschaften mit ordnungsgemäß anerkannter Befugnis zur Vertretung von Inhabern von Rechten des geistigen Eigentums ein unmittelbares Interesse daran zuzuerkennen, im eigenen Namen die in Kapitel II dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu beantragen, wenn sich aus den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften das Bestehen eines unmittelbaren Interesses dieser Organisationen an der Verteidigung der betreffenden Rechte nicht ergeben sollte.

41      Es ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „unmittelbares Interesse“, der in Art. 4 der Richtlinie 2004/48 nicht vorkommt, im 18. Erwägungsgrund dieser Richtlinie erwähnt wird, aus dem hervorgeht, dass nach dem Willen des Unionsgesetzgebers die Befugnis, die in Kapitel II dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu beantragen, nicht nur den eigentlichen Inhabern von Rechten des geistigen Eigentums eingeräumt wird, sondern auch Personen, die ein unmittelbares Interesse an der Verteidigung dieser Rechte haben und klagebefugt sind, „soweit dies nach den Bestimmungen des anwendbaren Rechts zulässig ist und mit ihnen im Einklang steht“.

42      Während also Art. 4 Buchst. a der Richtlinie 2004/48 vorsieht, dass die Mitgliedstaaten den Inhabern der Rechte des geistigen Eigentums auf jeden Fall die Befugnis zur Beantragung der in Kapitel II dieser Richtlinie genannten Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe einräumen, heißt es in Art. 4 Buchst. b bis d dieser Richtlinie jeweils, dass die Mitgliedstaaten anderen Personen und bestimmten genannten Organisationen diese Befugnis nur einräumen, soweit dies nach den Bestimmungen des anwendbaren Rechts zulässig ist und mit ihnen im Einklang steht (Urteil vom 7. August 2018, SNB-REACT, C‑521/17, EU:C:2018:639, Rn. 28).

43      Dazu hat der Gerichtshof klargestellt, dass der Verweis auf das „anwendbare Recht“ in Art. 4 Buchst. c der Richtlinie 2004/48 so zu verstehen ist, dass er sich sowohl auf das maßgebliche innerstaatliche Recht als auch – gegebenenfalls – auf das Unionsrecht bezieht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. August 2018, SNB-REACT, C‑521/17, EU:C:2018:639, Rn. 31).

44      Daher ist, wie der Generalanwalt in Nr. 52 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, bei der Beantwortung der zweiten Frage zu ermitteln, ob die derzeit geltenden Bestimmungen des Unionsrechts ein unmittelbares Interesse von Verwertungsgesellschaften bzw. Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung an der Verteidigung der Rechte des geistigen Eigentums anerkennen.

45      Wie sich zum einen aus den Rn. 41 und 42 des vorliegenden Urteils ergibt, regelt die Richtlinie 2004/48, soweit sie zu diesem Zweck auf das anwendbare Recht verweist, nicht selbst die Frage, ob eine Verwertungsgesellschaft bzw. Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung ein unmittelbares Interesse an der Verteidigung der Rechte des geistigen Eigentums hat.

46      Diese Auslegung wird durch die Vorarbeiten zu dieser Richtlinie bestätigt, aus denen hervorgeht, dass der Unionsgesetzgeber auf die Harmonisierung der Klagebefugnis von Organisationen im Sinne von Art. 4 Buchst. c dieser Richtlinie verzichtet hat. Nach dem ursprünglichen Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Maßnahmen und Verfahren zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum (KOM[2003] 46 endgültig) sollte den Mitgliedstaaten nämlich die Verpflichtung auferlegt werden, den Verwertungsgesellschaften die Befugnis einzuräumen, „die Anwendung der Maßnahmen und Verfahren zu beantragen oder die kollektiven oder individuellen Rechte und Interessen gerichtlich geltend zu machen, die sie satzungsgemäß wahrzunehmen haben“, doch diese Herangehensweise wurde zugunsten eines Verweises auf das anwendbare Recht verworfen.

47      Zum anderen verpflichtet Art. 35 Abs. 1 der Richtlinie 2014/26 im Licht ihres 49. Erwägungsgrundes die Mitgliedstaaten zwar sicherzustellen, dass unabhängige, unparteiische und wirksame Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung bzw. Verwertungsgesellschaften und Nutzern zur Verfügung stehen, u. a. auf dem Gerichtsweg, dennoch ist Ziel dieser Richtlinie, wie sich aus ihren Erwägungsgründen 8 und 9 ergibt, nicht die Regelung der Voraussetzungen, unter denen diese Organisationen klagebefugt sind, sondern die Koordinierung nationaler Vorschriften, die sich auf die Aufnahme der Tätigkeit einer Organisation zur kollektiven Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten, die Modalitäten ihrer internen Funktionsweise und auf ihre Beaufsichtigung beziehen, und hohe Standards für die Leitungsstrukturen, das Finanzmanagement, die Transparenz und das Berichtswesen zu gewährleisten. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass diese Bestimmung die Frage des unmittelbaren Interesses der Verwertungsgesellschaften bzw. Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung an der Verteidigung der Rechte des geistigen Eigentums regeln soll.

48      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass das Unionsrecht nicht die Voraussetzungen regelt, unter denen davon auszugehen ist, dass eine Verwertungsgesellschaft bzw. eine Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung ein unmittelbares Interesse an der Verteidigung der Rechte des geistigen Eigentums hat, und dass das „anwendbare Recht“, auf das Art. 4 Buchst. c der Richtlinie 2004/48 Bezug nimmt, auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten verweisen.

49      Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, einer Verwertungsgesellschaft bzw. Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung die Befugnis zuzuerkennen, die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu beantragen und zur Durchsetzung solcher Rechte Klage zu erheben, insbesondere, wenn nach nationalem Recht davon ausgegangen wird, dass diese Organisation ein unmittelbares Interesse an der Verteidigung dieser Rechte hat. Folglich ist es Sache der nationalen Gerichte, festzustellen, ob eine solche Organisation nach dem anwendbaren nationalen Recht ein unmittelbares Interesse an der Verteidigung der Rechte der von ihr vertretenen Rechtsinhaber hat, wobei, falls es an dieser Voraussetzung fehlt, den betreffenden Mitgliedstaat keine Pflicht trifft, eine solche Befugnis einzuräumen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. August 2018, SNB-REACT, C‑521/17, EU:C:2018:639, Rn. 34, 36 und 38).

50      Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 4 Buchst. c der Richtlinie 2004/48 dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten nach derzeitigem Stand des Unionsrechts nicht verpflichtet sind, Verwertungsgesellschaften mit ordnungsgemäß anerkannter Befugnis zur Vertretung von Inhabern von Rechten des geistigen Eigentums ein unmittelbares Interesse daran zuzuerkennen, im eigenen Namen die in Kapitel II dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu beantragen, wenn sich aus den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften das Bestehen eines unmittelbaren Interesses dieser Organisationen an der Verteidigung der betreffenden Rechte nicht ergeben sollte.

 Zur dritten Frage

51      Mit der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, welche Bedeutung bei der Beurteilung der Klagebefugnis, gegebenenfalls im Licht von Art. 17 und 47 der Charta, der Umstand hat, dass die betreffende Organisation als Vertragslizenzorganisation auch solche Urheber vertritt, die sie nicht ermächtigt haben, ihre Rechte zu verwerten, und dass das Recht dieser Organisation, eine Klage zur Verteidigung der Rechte dieser Urheber anzustrengen, gesetzlich nicht geregelt ist.

52      Wie sich aus der Formulierung der Frage durch das vorlegende Gericht ergibt, wird diese Frage für den Fall gestellt, dass davon ausgegangen wird, dass eine Verwertungsgesellschaft bzw. Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung ein unmittelbares Interesse hat und in Rechtsstreitigkeiten über Rechte, die durch Lizenzen mit erweiterter Wirkung gedeckt sind, befugt ist, im eigenen Namen Klage zu erheben.

53      Wie der Generalanwalt in Nr. 65 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, fehlt es im vorliegenden Fall an einer solchen Prämisse. Zum einen schreibt das derzeit geltende Unionsrecht, wie in Rn. 48 des vorliegenden Urteils festgestellt wurde, nämlich kein unmittelbares Interesse der Verwertungsgesellschaften bzw. Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung fest, im eigenen Namen die in Kapitel II der Richtlinie 2004/48 vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu beantragen. Zum anderen geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Klagebefugnis im finnischen Recht weder durch eine besondere Bestimmung des nationalen Rechts zu diesem Zweck, noch durch allgemeine Verfahrensvorschriften geregelt ist.

54      Vor diesem Hintergrund und angesichts der Antwort auf die zweite Frage braucht die dritte Frage nicht beantwortet zu werden.

 Kosten

55      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 4 Buchst. c der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums

ist dahin auszulegen, dass

neben der Voraussetzung des unmittelbaren Interesses an der Verteidigung der betreffenden Rechte die Anerkennung der Befugnis von Verwertungsgesellschaftenbzw. Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung, im eigenen Namen die in Kapitel II dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu beantragen, von der Klagebefugnis dieser Organisationen für die Zwecke der Verteidigung der Rechte des geistigen Eigentums abhängt, die sich aus einer besonderen Bestimmung zu diesem Zweck oder aus allgemeinen Verfahrensvorschriften ergeben kann.

2.      Art. 4 Buchst. c der Richtlinie 2004/48

ist dahin auszulegen, dass

die Mitgliedstaaten nach derzeitigem Stand des Unionsrechts nicht verpflichtet sind, Verwertungsgesellschaften mit ordnungsgemäß anerkannter Befugnis zur Vertretung von Inhabern von Rechten des geistigen Eigentums ein unmittelbares Interesse daran zuzuerkennen, im eigenen Namen die in Kapitel II dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu beantragen, wenn sich aus den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften das Bestehen eines unmittelbaren Interesses dieser Organisationen an der Verteidigung der betreffenden Rechte nicht ergeben sollte.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Finnisch.