Language of document : ECLI:EU:C:2023:901

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

TAMARA ĆAPETA

vom 23. November 2023(1)

Verbundene Rechtssachen C29/22 P und C44/22 P

KS,

KD

gegen

Rat der Europäischen Union (C29/22 P)

Europäische Kommission (C29/22 P)

Europäischer Auswärtiger Dienst (EAD) (C29/22 P)

und

Europäische Kommission

gegen

KS,

KD,

Rat der Europäischen Union (C44/22 P)

Europäischer Auswärtiger Dienst (EAD) (C44/22 P)

„Rechtsmittel – Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) – Gemeinsame Aktion 2008/124/GASP – Rechtsstaatlichkeitsmission der Europäischen Union im Kosovo (Eulex Kosovo) – Außervertragliche Haftung der Union – Verbrechen, die 1999 im Kosovo begangen wurden – Schäden, die Einzelne infolge der unzureichenden Untersuchung zum Verschwinden und zur Ermordung ihrer Familienangehörigen erlitten haben sollen – Mutmaßliche Grundrechtsverletzungen – Zuständigkeit der Unionsgerichte – Art. 2, 6, 19 und 24 EUV – Art. 268, 275 und 340 AEUV“






I.      Einleitung

1.        Im Verlauf des Kosovo-Konflikts verloren KS und KD 1999 ihre Familienangehörigen. Diese Morde und Entführungen wurden nie aufgeklärt. 2008 setzte die Europäische Union eine zivile Mission, die Rechtsstaatlichkeitsmission der EU im Kosovo (im Folgenden: Eulex Kosovo)(2), ein, die u. a. mit der Untersuchung solcher Verbrechen betraut wurde. KS und KD verklagten die Union auf Schadenersatz wegen Verletzung ihrer Grundrechte, weil diese Verbrechen nicht ordnungsgemäß untersucht worden seien.

2.        Dürfen die Unionsgerichte über ihre Klagen entscheiden? Nach Ansicht des Gerichts sind sie dazu nicht befugt. Hiergegen richten sich die vorliegenden Rechtsmittel.

3.        Der Gerichtshof ist neben diesen Rechtsmitteln derzeit mit einem weiteren Fall befasst, der Rechtssache Neves 77 Solutions (C‑351/22), in der ich meine Schlussanträge am selben Tag wie die vorliegenden Schlussanträge stelle. Auch in jener Rechtssache geht es, wenngleich in einem anderen Kontext, um die Frage, inwieweit die Zuständigkeit der Unionsgerichte im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (im Folgenden: GASP) gemäß Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV beschränkt ist.

4.        Alle drei Rechtssachen sind im größeren Kontext der aktuellen Verhandlungen über den Beitritt der Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention (im Folgenden: EMRK) zu sehen. Alle anderen Verhandlungskapitel, die aufgrund des Gutachtens 2/13(3) eröffnet wurden, scheinen abgeschlossen zu sein, außer einer letzten Frage: dem Zuständigkeitsbereich des Gerichtshofs der EU im Bereich der GASP.

II.    Hintergrund

5.        Die vorliegende Rechtssache geht auf die Rechtsmittel zweier Privatpersonen, KS und KD, und der Europäischen Kommission gegen den Beschluss des Gerichts (im Folgenden: angefochtener Beschluss)(4) zurück. Mit diesem Beschluss wies das Gericht die auf Art. 268 und Art. 340 Abs. 2 AEUV gestützte Klage von KS und KD gegen die Union ab. KS und KD begehrten Schadenersatz wegen angeblicher Verstöße gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und die EMRK bei der Durchführung der Gemeinsamen Aktion des Rates zur Einsetzung von Eulex Kosovo. Das Gericht entschied, dass es für die Klage nicht zuständig sei. Hiergegen richten sich die vorliegenden Rechtsmittel.

A.      Ereignisse, die zum Verfahren vor dem Gericht führten

1.      Einsetzung und Aufgaben von Eulex Kosovo

6.        Hintergrund dieser Rechtssache ist der Kosovo-Konflikt der Jahre 1998 und 1999, an dem Kosovo-Albaner und ethnische Serben beteiligt waren, wobei Letztere von der Armee der (damaligen) Bundesrepublik Jugoslawien unterstützt wurden. Zwischen dem 28. März und dem 8. Juni 1999 griff die Nordatlantikpakt-Organisation (im Folgenden: NATO) mit Luftangriffen ein, woraufhin die jugoslawische Armee ihre Truppen aus dem Kosovo zurückzog. Unmittelbar danach, am 10. Juni 1999, verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 1244 (1999), die die Präsenz internationaler Streitkräfte im Kosovo vorsah, die sich dort noch heute aufhalten. Mit dieser Resolution wurde beschlossen, im Kosovo eine internationale Sicherheitstruppe unter Führung der NATO, die sog. Kosovo-Truppe oder KFOR, aufzustellen und eine internationale zivile Präsenz, die sog. Übergangsverwaltungsmission der Vereinten Nationen im Kosovo (UNMIK), zu etablieren.

7.        Die UNMIK wurde mit staatsähnlichen Befugnissen für das Gebiet und die Bevölkerung des Kosovo betraut, einschließlich legislativer und exekutiver Befugnisse sowie der Justizverwaltung. Nach der Unabhängigkeitserklärung der kosovarischen Behörden und dem Inkrafttreten einer neuen Verfassung am 15. Juni 2008 wurden die Aufgaben der UNMIK aber dahin geändert, dass sie sich in erster Linie auf die Förderung von Sicherheit, Stabilität und Achtung der Menschenrechte im Kosovo konzentrieren sollte(5).

8.        2008 setzte die Union Eulex Kosovo ein. Nach der Billigung des Einsatzplans (im Folgenden: OPLAN) wurden die Exekutivbefugnisse der UNMIK auf Eulex Kosovo übertragen.

9.        Eulex Kosovo ist eine durch die Gemeinsame Aktion 2008/124 eingesetzte zivile Mission im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (im Folgenden: GSVP)(6). Die GSVP ist integraler Bestandteil der GASP(7), die der Union die Operationsfähigkeit verleiht, zivile und militärische Missionen und Einsätze außerhalb der Union zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit durchzuführen(8).

10.      Eulex Kosovo war ursprünglich für eine Dauer von zweieinhalb Jahren vorgesehen(9), ist aber nun schon seit über 15 Jahren tätig. Ihr derzeitiges Mandat läuft bis zum 14. Juni 2025(10). 2018 beschloss die Union jedoch, die Mission und die Aufgaben von Eulex Kosovo einzuschränken(11).

11.      Bei der Erfüllung ihrer Mission sollte Eulex Kosovo eine Reihe von Aufgaben wahrnehmen, die insbesondere darin bestanden, „zu gewährleisten, dass Fälle von Kriegsverbrechen, Terrorismus, organisierter Kriminalität, Korruption, interethnischen Verbrechen, Finanz- und Wirtschaftskriminalität und anderen schweren Verbrechen … ordnungsgemäß untersucht, verfolgt, gerichtlich entschieden und sanktioniert werden“(12).

12.      Ein Jahr nachdem Eulex Kosovo ihre Tätigkeit aufgenommen hatte, richtete der Rat das Gremium zur Überwachung der Achtung der Menschenrechte (Human Rights Review Panel, im Folgenden: HRRP) ein(13), das Beschwerden über mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen von Eulex Kosovo bei der Ausübung ihres Exekutivmandats prüfen soll(14).

13.      Das HRRP ist für die Prüfung von Beschwerden zuständig, die sich auf von Eulex Kosovo seit dem 9. Dezember 2008 mutmaßlich begangene Menschenrechtsverletzungen beziehen. Es darf Beschwerden anhand mehrerer internationaler Menschenrechtsinstrumente prüfen; in der Praxis stützen sich die Beschwerden jedoch hauptsächlich auf die EMRK(15).

14.      Das HRRP hat nur beratende Funktion; seine Feststellungen und Empfehlungen sind nicht bindend, aber es kann vom Missionsleiter zu ergreifende Abhilfemaßnahmen vorschlagen. Es ist jedoch ausdrücklich vorgesehen, dass das HRRP keine finanzielle Entschädigung empfehlen kann(16).

2.      Bisherige Rechtsbehelfe von KS und KD

15.      KS und KD sind die nächsten Familienangehörigen von Personen, die nach Einrichtung der UNMIK im Juni 1999 im Kosovo verschwanden oder ermordet wurden. Die von KS und KD im Laufe der Jahre an die zuständigen Behörden gerichteten Aufforderungen, diese Verbrechen zu untersuchen, hatten nur geringe oder gar keine Wirkung.

16.      KS und KD reichten daher Beschwerden zunächst beim Beratenden Menschenrechtsausschuss (Human Rights Advisory Panel, im Folgenden: HRAP), einem Gremium, das mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen durch die UNMIK untersuchen sollte(17), und sodann, nach Einsetzung von Eulex Kosovo, beim HRRP ein.

17.      In Bezug auf KS stellte das HRRP fest, dass Eulex Kosovo deren Verfahrensrechte aus den Art. 2 und 3 EMRK insofern verletzt habe, als sie keine wirksame Untersuchung durchgeführt habe. Es stellte auch eine Verletzung ihrer Rechte auf Achtung des Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK und des Rechts auf eine wirksame Beschwerde gemäß Art. 13 EMRK fest. Das HRRP richtete mehrere Empfehlungen an den Missionsleiter(18).

18.      In Bezug auf KD stellte das HRRP fest, dass die Untersuchungsmaßnahmen von Eulex Kosovo unzureichend gewesen seien und KDs Rechte aus den Art. 2 und 3 EMRK sowie aus Art. 13 in Verbindung mit Art. 2 EMRK verletzt hätten. Wie im Fall von KS richtete das HRRP mehrere Empfehlungen an den Missionsleiter(19).

19.      Bei der Überprüfung der Umsetzung seiner Empfehlungen(20) stellte das HRRP im Wesentlichen fest, dass der Missionsleiter seinen Empfehlungen nur zum Teil nachgekommen sei und beschlossen habe, die betreffenden Verfahren einzustellen.

20.      Am 19. Juli 2017 erhob KS beim Gericht gegen den Rat, die Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst (im Folgenden: EAD) eine Klage auf „Nichtigerklärung oder Änderung“ der Gemeinsamen Aktion 2008/124 und der nachfolgenden Maßnahmen zu deren Änderung wegen Verstoßes gegen Art. 47 der Charta und Art. 13 EMRK sowie auf „außervertragliche Haftung“ wegen Verletzung der Art. 2, 3, 6, 13 und 14 EMRK(21).

21.      Mit Beschluss vom 14. Dezember 2017(22) wies das Gericht die Klage insbesondere mit der Begründung ab, dass es für den Erlass von Anordnungen an die Unionsorgane offensichtlich unzuständig sei und nach Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV GASP-Maßnahmen nicht für nichtig erklären dürfe. Das Gericht behandelte diese Klage nicht als eine Schadenersatzklage.

22.      Im darauffolgenden Jahr erhoben KS und KD zusammen mit sechs weiteren Personen am 14. Juni 2018 eine Klage beim High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Vereinigtes Königreich). Sie verlangten von der Union, dem Rat und dem Hohen Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik sowie von Eulex Kosovo Schadenersatz wegen angeblicher Verletzung der ihnen nach der Charta und der EMRK zustehenden Menschenrechte.

23.      Mit Urteil vom 13. Februar 2019(23) stellte der High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division, fest, dass er für die Klage keine Zuständigkeit besitze. Für diese Klage und die Gewährung des beantragten Schadenersatzes sei ausschließlich der Gerichtshof zuständig.

B.      Größerer Kontext: Beitritt der Union zur EMRK

24.      Wie in der Einleitung erwähnt, ist die Frage, inwieweit die Zuständigkeit der Unionsgerichte im Rahmen der GASP gemäß Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV beschränkt ist, in den größeren Kontext der wieder aufgenommenen Verhandlungen über den Beitritt der Union zur EMRK einzuordnen.

25.      In seinem Gutachten 2/13 stellte der Gerichtshof fest, dass der Entwurf einer Beitrittsübereinkunft in der damals vorgeschlagenen Form mit mehreren in den Verträgen verankerten Merkmalen der Unionsrechtsordnung unvereinbar war. Er hatte jedoch die Frage der Vereinbarkeit dieses Entwurfs einer Beitrittsübereinkunft mit den einschlägigen Vertragsbestimmungen über die GASP offen gelassen. Der Gerichtshof befand, dass er noch keine Gelegenheit hatte, die Tragweite der sich aus Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV ergebenden Beschränkungen seiner Zuständigkeit zu präzisieren(24).

26.      Um den in diesem Gutachten geäußerten Bedenken Rechnung zu tragen, wurde eine Ad-hoc-Verhandlungsgruppe, die sog. „46 + 1“-Gruppe, eingesetzt(25). Im März 2023 erzielte die „46 + 1“-Gruppe einstimmig eine vorläufige Einigung über fast alle durch das Gutachten 2/13 aufgeworfenen Fragen(26). Die einzige offene Frage blieb der sogenannte Korb 4, der sich auf den Umfang der Zuständigkeit der Unionsgerichte im Bereich der GASP bezieht. Es wurde vereinbart, dass die Union diese Frage intern klären und ihre Verhandlungspartner über die gefundene Lösung informieren werde(27).

C.      Verfahren vor dem Gericht und angefochtener Beschluss

27.      Nach der Abweisung ihrer Klagen durch das britische Gericht wandten sich KS und KD wieder an die Unionsgerichte. Sie erhoben am 29. Dezember 2020 beim Gericht eine Klage auf Ersatz des Schadens, der ihnen durch die Verletzung ihrer Grundrechte entstanden und dem Rat, der Kommission und dem EAD einzeln oder gesamtschuldnerisch zuzurechnen sei.

28.      KS und KD rügten die folgenden sechs Rechtsverstöße:

–        Verstoß von Eulex Kosovo gegen die Art. 2 und 3 EMRK sowie gegen die entsprechenden Art. 2 und 4 der Charta;

–        Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 und Art. 13 EMRK sowie gegen Art. 47 der Charta wegen fehlender Prozesskostenhilfe;

–        Versäumnis, Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, als der Missionsleiter von Eulex Kosovo die Union am 29. April 2016 über die Erkenntnisse des HRRP informierte;

–        Fehlgebrauch oder Missbrauch von Exekutivbefugnissen durch den Rat und den EAD am 12. Oktober 2017 mit der Feststellung, dass Eulex Kosovo das Bestmögliche getan habe, um die Entführung und wahrscheinliche Ermordung des Ehemanns von KS sowie die Ermordung des Ehemanns und des Sohns von KD zu untersuchen, und dass das HRRP nicht als gerichtliche Instanz vorgesehen sei;

–        Fehlgebrauch oder unterlassener ordnungsgemäßer Gebrauch von Exekutivbefugnissen insoweit, als das Exekutivmandat von Eulex Kosovo mit dem Beschluss 2018/856 beendet worden sei, obwohl die Verstöße fortbestanden hätten;

–        Fehlgebrauch oder Missbrauch von Exekutivbefugnissen insoweit, als im Fall von KS, dem offensichtlichen Fall eines Kriegsverbrechens, nicht die Durchführung einer rechtlich fundierten Untersuchung durch Eulex Kosovo und/oder durch die Sonderstaatsanwaltschaft bei der Fachkammer für das Kosovo sichergestellt worden sei.

29.      Am 25. März 2021 beantragten KS und KD, Eulex Kosovo als Beklagte in die Rechtssache einzubeziehen, was mit Beschluss des Kammerpräsidenten vom 31. März 2021 abgelehnt wurde.

30.      Am 5. Juni 2021 beantragten KS und KD eine Beweisaufnahme, um die Vorlage des OPLAN zu erwirken, bei dem es sich um eine Verschlusssache handelt und auf den sich der EAD berufen hatte.

31.      Mit dem angefochtenen Beschluss entschied das Gericht, es sei für die Entscheidung der Rechtssache offensichtlich unzuständig.

32.      Das Gericht stellte erstens fest, dass die Rechtssache auf Handlungen oder Verhaltensweisen zurückzuführen sei, die in den Bereich politischer oder strategischer Fragen in Verbindung mit der Regelung der Tätigkeiten, Prioritäten und Ressourcen von Eulex Kosovo sowie mit der Entscheidung über die Einsetzung eines Überwachungsgremiums als Teil dieser Mission fielen. Gemäß der Gemeinsamen Aktion 2008/124 fielen die Einrichtung und die Tätigkeit dieser Mission unter die GASP-Bestimmungen der Verträge (Rn. 28 des angefochtenen Beschlusses).

33.      Das Gericht wies zweitens darauf hin, dass die Zuständigkeit der Unionsgerichte im Bereich der GASP durch Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 275 Abs. 1 AEUV begrenzt sei. Die Unionsgerichte seien in Bezug auf die Vertragsbestimmungen über die GASP und die auf deren Grundlage erlassenen Rechtsakte grundsätzlich nicht zuständig. Die Verträge sähen zwar ausdrücklich zwei Ausnahmen von diesem Grundsatz vor, doch treffe keine dieser Ausnahmen – Kontrolle der Einhaltung von Art. 40 AEUV und Überprüfung der Rechtmäßigkeit restriktiver Maßnahmen gegenüber natürlichen und juristischen Personen – auf den vorliegenden Fall zu (Rn. 29 bis 33 des angefochtenen Beschlusses).

34.      Das Gericht grenzte drittens den vorliegenden Fall von anderen Fällen aus dem Bereich der GASP ab, in denen der Gerichtshof seine Zuständigkeit bejaht hatte, nämlich den Urteilen in den Rechtssachen Elitaliana(28), H(29) und Bank Refah(30) (Rn. 34 bis 39 des angefochtenen Beschlusses).

35.      Das Gericht führte viertens unter Verweis auf das Urteil in der Rechtssache Carvalho(31) aus, die in den Verträgen ausdrücklich aufgestellten Kriterien könnten nicht allein unter Berufung auf den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes außer Kraft gesetzt werden (Rn. 40 und 41 des angefochtenen Beschlusses).

36.      Das Gericht kam zu dem Ergebnis, die Klage sei wegen Unzuständigkeit abzuweisen, ohne dass es die von Rat, Kommission und EAD erhobenen Einreden der Unzulässigkeit geprüft oder über die Anträge von KS und KD auf Durchführung einer Beweisaufnahme zwecks Vorlage des OPLAN entschieden hätte (Rn. 42 des angefochtenen Beschlusses).

D.      Verfahren vor dem Gerichtshof

37.      Mit ihrem am 12. Januar 2022 in der Rechtssache C‑29/22 P eingelegten Rechtsmittel und ihrer am 2. März 2022 in der Rechtssache C‑44/22 P eingereichten Rechtsmittelbeantwortung beantragen KS und KD, das Rechtsmittel zuzulassen, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den vor dem Gericht gestellten Anträgen stattzugeben, hilfsweise, das Rechtsmittel zuzulassen und die Sache zur endgültigen Entscheidung an das Gericht zurückzuverweisen. KS und KD beantragen außerdem, dem Rat, der Kommission und dem EAD die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

38.      Mit ihrem am 19. Januar 2022 in der Rechtssache C‑44/22 P eingelegten Rechtsmittel und ihrer am 1. April 2022 in der Rechtssache C‑29/22 P eingereichten Rechtsmittelbeantwortung beantragt die Kommission, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und festzustellen, dass die Unionsgerichte für die Entscheidung der Rechtssache ausschließlich zuständig sind, sowie Letztere zur Entscheidung über die Zulässigkeit und Begründetheit an das Gericht zurückzuverweisen. Die Kommission beantragt außerdem, die Entscheidung über die Kosten vorzubehalten.

39.      Mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofs vom 21. März 2022 sind die Rechtssachen C‑29/22 P und C‑44/22 P zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren sowie zu gemeinsamer verfahrensbeendender Entscheidung verbunden worden.

40.      In seiner Rechtsmittelbeantwortung, die am 4. April 2022 eingereicht worden ist, beantragt der Rat, die Rechtsmittel zurückzuweisen sowie KS und KD die Kosten aufzuerlegen.

41.      In seiner Rechtsmittelbeantwortung, die am 1. April 2022 eingereicht worden ist, beantragt der EAD für den Fall, dass der Gerichtshof seine Zuständigkeit bejahen und die Klage für entscheidungsreif halten sollte, Letztere für unzulässig zu erklären, soweit sie den EAD betrifft, sowie KS und KD die Kosten aufzuerlegen.

42.      Mit Beschlüssen vom 16. Mai 2022 und 12. Mai 2023 hat der Präsident des Gerichtshofs die Französische Republik und die Tschechische Republik als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.

43.      Mit Beschlüssen vom 27. April und 12. Mai 2023 hat der Präsident des Gerichtshofs das Königreich Belgien, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, Rumänien, die Republik Finnland und das Königreich Schweden als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen.

44.      Am 27. Juni 2023 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in der KS und KD, der Rat, die Kommission, der EAD sowie die genannten Mitgliedstaaten mündlich verhandelt haben.

III. Rechtliche Würdigung

45.      Nach Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV ist die Zuständigkeit der Unionsgerichte im Bereich der GASP beschränkt. In der vorliegenden Rechtssache hat der Gerichtshof auszulegen, ob diese Beschränkung auch für eine Klage auf Ersatz des Schadens gilt, der durch Grundrechtsverletzungen bei der Durchführung der Eulex-Kosovo-Mission entstanden sein soll.

46.      Das Gericht gelangte zu dem Ergebnis, dass dies der Fall sei, und stellte daher seine Unzuständigkeit fest. KS und KD sowie die Kommission (im Folgenden zusammen: Rechtsmittelführerinnen) rügen diese Feststellung des Gerichts.

47.      KS und KD bringen einen einzigen Rechtsmittelgrund vor, der aus vier Teilen besteht. Der erste Teil beruht auf einer fehlerhaften Auslegung von Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV. Mit dem zweiten Teil wird eine Verkennung des Urteils Bank Refah gerügt. Der dritte Teil stützt sich auf eine Verkennung des Urteils Carvalho. Mit dem vierten Teil wird geltend gemacht, dass die gerügten Grundrechtsverletzungen unberücksichtigt geblieben seien und zu Unrecht angenommen worden sei, die Klage richte sich gegen politische GASP-Entscheidungen.

48.      Die Kommission bringt mit Unterstützung der belgischen, der luxemburgischen, der niederländischen, der österreichischen, der rumänischen, der finnischen und der schwedischen Regierung vier Rechtsmittelgründe vor. Der erste beruht auf einer fehlerhaften Auslegung von Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV. Mit dem zweiten wird gerügt, dass die Klage nicht als solche wegen mutmaßlicher Grundrechtsverletzungen eingestuft worden sei. Der dritte stützt sich auf eine Verkennung des Urteils Bank Refah. Mit dem vierten wird gerügt, dass nicht die ausschließliche Zuständigkeit der Unionsgerichte festgestellt und den Klägerinnen kein wirksamer Rechtsbehelf garantiert worden sei.

49.      Im Urteil Bank Refah hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass er für Schadenersatzklagen in Verbindung mit restriktiven Maßnahmen zuständig ist. Ob dies auch für den Bereich außerhalb restriktiver Maßnahmen gilt, ist aber für den Gerichtshof eine neuartige Frage.

50.      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Rechtssache keine materiell-rechtlichen Fragen aufwirft. Der Gerichtshof hat also nicht darüber zu entscheiden, ob die vor dem Gericht geltend gemachten Versäumnisse die Grundrechte verletzen und, wenn ja, wer in der Union dafür verantwortlich zu machen ist sowie ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung von Schadenersatz erfüllt sind(32). Sollte der Gerichtshof die Rechtsmittel für begründet erklären, wären diese Punkte noch vom Gericht zu klären. Die vorliegenden Rechtsmittel werfen nur die Frage auf, ob die Unionsgerichte über die von KS und KD erhobenen Schadenersatzklagen überhaupt entscheiden dürfen.

51.      Ein Teil der Rechtslehre scheint nicht der Meinung zu sein, dass die Unionsgerichte im Bereich der GASP auch dann zuständig sind, wenn Schadenersatzklagen auf Grundrechtsverletzungen gestützt werden(33). Ein anderer Teil ist gegenteiliger Ansicht(34).

52.      Die seit dem Gutachten 2/13 ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs enthält schon viele Anhaltspunkte für die Beantwortung der mit den vorliegenden Rechtsmitteln aufgeworfenen Frage. Es ist daher angebracht, auf diese Rechtsprechung zurückzukommen und die dort bereits aufgestellten Grundsätze zu verdeutlichen.

A.      Die Beschränkung der Zuständigkeit im Bereich der GASP stellt eine Ausnahme dar und ist eng auszulegen

53.      Die Rechtsprechung zur Auslegung von Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV geht davon aus, dass die Beschränkung der aus Art. 19 Abs. 1 EUV folgenden allgemeinen Zuständigkeit der Unionsgerichte eine Ausnahme darstellt, die als solche eng auszulegen ist(35).

54.      Im Urteil Mauritius(36) hat der Gerichtshof festgestellt: „Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 letzter Satz EUV und Art. 275 Abs. 1 AEUV führen … eine Abweichung von der Regel der allgemeinen Zuständigkeit ein, die Art. 19 EUV dem Gerichtshof zur Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge einräumt, und sind folglich einschränkend auszulegen.“ Eine ähnliche Formulierung findet sich in späteren Urteilen(37).

55.      Zu dieser engen Auslegung kam es bisher in drei Gruppen von Fällen. Diese betreffen drei Arten von Maßnahmen, welche die Union in Anwendung der GASP-Rechtsgrundlagen ergreifen kann: (i) restriktive Maßnahmen, (ii) Missionen der Union und (iii) internationale Übereinkünfte.

1.      Fälle, die restriktive Maßnahmen betreffen

56.      Die erste Fallgruppe bezieht sich auf gemäß Art. 29 EUV erlassene restriktive Maßnahmen. Art. 275 Abs. 2 AEUV sieht ausdrücklich vor, dass die Unionsgerichte für die Überwachung der Rechtmäßigkeit von im Bereich der GASP erlassenen restriktiven Maßnahmen zuständig sind, wenn diese von Einzelnen durch Nichtigkeitsklagen gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV angefochten werden.

57.      Obwohl es in Art. 275 Abs. 2 AEUV an einem dahin gehenden ausdrücklichen Hinweis fehlt, hat der Gerichtshof seine Befugnis bejaht, die Rechtmäßigkeit restriktiver Maßnahmen auch im Rahmen anderer Verfahrensarten zu überprüfen.

58.      Im Urteil Rosneft(38) stellte der Gerichtshof fest, dass er die Rechtmäßigkeit restriktiver Maßnahmen im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens überprüfen darf.

59.      Der Gerichtshof legte Art. 275 Abs. 2 AEUV dahin aus, dass er sich nicht auf die Art des Verfahrens bezieht, in dem die Rechtmäßigkeit überprüft werden kann (d. h. nur Nichtigkeitsklagen), sondern vielmehr auf die Art des Beschlusses, der überprüft werden kann (d. h. restriktive Maßnahmen)(39). Er erinnerte daran, dass die Art. 263 und 267 AEUV zusammen Teil eines vollständigen Systems der Rechtmäßigkeitskontrolle von Unionsmaßnahmen sind, was bedeutet, dass der Gerichtshof auch die Gültigkeit einer restriktiven Maßnahme mittelbar überprüfen kann, wenn sich diese Frage in einem vor dem nationalen Gericht anhängigen Verfahren stellt(40). Dies gilt, obwohl Art. 275 AEUV keine ausdrückliche Regelung hierzu enthält. Der Gerichtshof verwies auch auf das Urteil in der Rechtssache Foto-Frost(41), wonach das nationale Gericht die Feststellung der Ungültigkeit restriktiver Maßnahmen dem Gerichtshof im Rahmen einer Vorlage überlassen muss.

60.      Im Urteil Bank Refah(42) bekräftigte der Gerichtshof seine Zuständigkeit für eine Schadenersatzklage gegen die Union wegen eines Schadens, der Einzelnen durch restriktive Maßnahmen entstanden sein soll. Er erklärte, dass die Schadenersatzklage ein selbständiger Rechtsbehelf mit eigener Funktion im Rechtsbehelfssystem der Union ist.

61.      Der Gerichtshof räumte ein, dass in Art. 275 Abs. 2 AEUV die Zuständigkeit der Unionsgerichte für Schadenersatzklagen nicht ausdrücklich erwähnt ist. Dass es an einer ausdrücklichen Regelung fehlt, schließt seine Zuständigkeit aber nicht aus, da die ihm für den Bereich der GASP auferlegten Beschränkungen restriktiv auszulegen sind(43).

62.      Aus diesen Rechtssachen dürfte hervorgehen, dass Einzelne, obwohl Art. 275 Abs. 2 AEUV ausdrücklich nur Nichtigkeitsklagen erwähnt, mit allen anderen vor den Unionsgerichten verfügbaren Klagearten gegen restriktive Maßnahmen vorgehen können, um deren Rechtmäßigkeit prüfen zu lassen.

2.      Fälle, die Missionen der Union betreffen

63.      Die zweite Fallgruppe, hinsichtlich deren der Gerichtshof seine Zuständigkeitsbeschränkung eng ausgelegt hat, betrifft Missionen der Union. In diesen Fällen begründete der Gerichtshof seine Zuständigkeit mit der Feststellung, dass die von ihm zu kontrollierende oder auszulegende Maßnahme keine Belange der GASP betraf, obwohl sie in diesem Bereich zu verorten war und sich auf einen GASP-Rechtsakt stützte.

64.      Im Urteil Elitaliana(44) stellte der Gerichtshof fest, dass die angefochtenen Rechtsakte die Vergabe eines öffentlichen Auftrags für Hubschrauberdienste an einen konkurrierenden Bieter betrafen und zu Ausgaben führten, die nach der EU-Haushaltsordnung zulasten des Unionshaushalts gingen. Diese Rechtsakte, deren Rechtmäßigkeit mit Nichtigkeits- und Schadenersatzklagen in Frage gestellt wurde, hatte Eulex Kosovo aufgrund der Gemeinsamen Maßnahme 2008/124 erlassen. Der Gerichtshof befand jedoch, dass in dieser Situation ein Ausschluss seiner Zuständigkeit nur deshalb, weil die fraglichen Rechtsakte im Rahmen der GASP erlassen worden waren, seine Zuständigkeit in diesem Politikbereich der Union zu sehr beschränken würde. Er entschied daher, dass seine Zuständigkeit für die Auslegung und Anwendung der EU-Haushaltsordnung durch Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV selbst dann nicht ausgeschlossen ist, wenn Entscheidungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge im Bereich der GASP ergangen sind.

65.      Im Urteil H(45) bestätigte der Gerichtshof die Zuständigkeit der Unionsgerichte für Nichtigkeits- und Schadenersatzklagen, die eine Mitarbeiterin einer zivilen Mission der Union im Zusammenhang mit Entscheidungen des Leiters dieser Mission, sie auf eine regionale Stelle zu versetzen, erhoben hatte. Ähnlich wie im Urteil Elitaliana führte der Gerichtshof aus, dass sich die streitigen Unionsrechtsakte zwar in den Kontext der GASP einfügten und operative Maßnahmen im Rahmen der GASP betrafen, jedoch keine Rechtsakte im Sinne von Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV darstellten. Diese Rechtsakte betrafen ihrem Wesen nach Angelegenheiten der Personalverwaltung. Folglich war die Zuständigkeit des Gerichtshofs für ihre Überprüfung nicht ausgeschlossen.

66.      Aus diesen Rechtssachen dürfte hervorgehen, dass Rechtsakte, auch wenn sie im Rahmen der GASP und auf einer GASP-Rechtsgrundlage erlassen wurden, der Zuständigkeit der Unionsgerichte nicht entzogen sind, sofern ihre Rechtmäßigkeit anhand des AEU-Vertrags oder des auf dessen Grundlage erlassenen abgeleiteten Rechts geprüft wird.

3.      Fälle, die internationale Übereinkünfte betreffen

67.      Die letzte Fallgruppe betrifft die dritte Art von Maßnahmen, die im Rahmen der GASP erlassen werden können – internationale Übereinkünfte. In der Rechtssache Mauritius(46) beantragte das Europäische Parlament die Nichtigerklärung eines gemäß Art. 37 EUV ergangenen GASP-Beschlusses, aufgrund dessen die Union ein Abkommen mit Mauritius geschlossen hatte(47). Obwohl es sich um die Überprüfung einer GASP-Maßnahme handelte, focht das Parlament diese unter Berufung auf Fehler bei dem für ihren Erlass vorgesehenen Verfahren an: Art. 218 AEUV, der das Verfahren für den Abschluss internationaler Übereinkünfte sowohl im Bereich der GASP als auch in anderen Politikbereichen der Union regelt. Der Gerichtshof befand deshalb, dass die Zuständigkeitsbeschränkung gemäß Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV nicht so weit gehen kann, dass sie ihn daran hindern würde, Art. 218 AEUV auszulegen und anzuwenden, selbst wenn dies zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer GASP-Maßnahme geschieht.

68.      Die Hauptfrage in jenem Fall ging dahin, ob die GASP-Rechtsgrundlage die einzige materielle Rechtsgrundlage für das Abkommen mit Mauritius war. Interessanterweise entschied der Gerichtshof den Fall nicht auf der Grundlage von Art. 275 Abs. 2 AEUV, der seine Zuständigkeit für die Kontrolle der Einhaltung des Art. 40 EUV ausdrücklich vorsieht. Der Gerichtshof zog es vielmehr vor, die Frage der Zuständigkeit dadurch zu klären, dass er den Anwendungsbereich der Zuständigkeitsbeschränkung selbst begrenzte(48); er stützte seine Entscheidung auf eine ähnliche Logik wie sie den Urteilen Elitaliana und H zugrunde lag, nämlich darauf, dass die Überprüfung einer GASP-Maßnahme möglich ist, wenn sie anhand des AEU-Vertrags oder des Sekundärrechts erfolgt.

69.      In Anbetracht der vorstehenden Rechtsprechung ist nach meiner Meinung dem Vorbringen zu folgen, mit dem die Rechtsmittelführerinnengeltend machen(49), das Gericht habe die Zuständigkeitsbeschränkung in Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV rechtsfehlerhaft als Regel und nicht als Ausnahme behandelt.

B.      Größerer Kontext der Verträge

70.      Das Verständnis des Gerichtshofs von der Beschränkung seiner Zuständigkeit im Bereich der GASP als Ausnahme und nicht als Regel, mit der Folge, dass diese Beschränkung eng auszulegen ist, hat seine Grundlage in den Verfassungsgrundsätzen der Union.

71.      Um die enge Auslegung der Zuständigkeitsbeschränkung in den vorerwähnten Rechtssachen zu begründen, berief sich der Gerichtshof auf die Grundwerte der Unionsrechtsordnung, und zwar im Wesentlichen auf die Rechtsstaatlichkeit, den Grundsatz eines wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes und den Schutz der Menschenrechte. Nach den Art. 21 und 23 EUV gelten diese Grundsätze auch für die GASP(50).

1.      Die GASP im Gefüge der Verträge

72.      Mit dem Vertrag von Lissabon wurde die Säulenstruktur aufgegeben und die GASP in das Verfassungssystem der Union einbezogen. Die Ausübung der GASP-Zuständigkeit unterliegt damit denselben Verfassungsgrundsätzen wie die übrigen Politikbereiche der Union.

73.      In Art. 23 EUV wird dies durch die Feststellung bestätigt, dass die in Titel V Kapitel 1 des EU-Vertrags niedergelegten Grundsätze und Ziele der Union auch für die GASP gelten.

74.      Im Urteil Bank Refah(51) hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass sich die Struktur der Verträge geändert hat und dass der Vertrag von Lissabon der Union eine in Art. 47 EUV verankerte eigene Rechtspersönlichkeit verliehen sowie die Entkoppelung zwischen der früheren Europäischen Gemeinschaft und der Union beendet hat. Dies führte insbesondere dazu, dass die Bestimmungen über die GASP in den allgemeinen Rahmen des Unionsrechts integriert wurden, wenngleich für diese Politik weiterhin besondere Bestimmungen und Verfahren gelten, wie sich aus Art. 24 EUV ergibt(52).

75.      Diese Entwicklung der GASP, die in den Gründen des angefochtenen Beschlusses außer Acht gelassen wurde, ist ein wichtiger Aspekt, der bei der Entscheidung darüber, inwieweit die Zuständigkeit der Unionsgerichte beschränkt ist, berücksichtigt werden muss.

76.      Ich werde nun auf den größeren verfassungsrechtlichen Kontext eingehen, aufgrund dessen der Gerichtshof feststellen konnte, dass die Zuständigkeitsbeschränkung im Bereich der GASP eng auszulegen ist. Die Grundsätze, die in den betreffenden Rechtssachen entwickelt wurden, sollten den Gerichtshof auch bei der Entscheidung über seine Zuständigkeit im vorliegenden Fall leiten.

2.      Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte und Rolle der Unionsgerichte

77.      Die Einbeziehung der GASP in den verfassungsrechtlichen Rahmen der Union bedeutet, dass die Grundprinzipien der Unionsrechtsordnung auch für alle Tätigkeiten der Union gelten, die im Rahmen dieser Politik ausgeübt werden. Diese Grundsätze, die in Art. 2 EUV zum Ausdruck kommen und von denen die Rechtsstaatlichkeit, der wirksame gerichtliche Rechtsschutz und der Schutz der Menschenrechte für den vorliegenden Fall am wichtigsten sind, geben der Union ihr verfassungsmäßiges Gepräge(53).

78.      Der Gerichtshof hat es so formuliert, dass „Art. 2 EUV keine bloße Aufzählung politischer Leitlinien oder Absichten darstellt, sondern Werte enthält, die … der Union als Rechtsgemeinschaft schlechthin ihr Gepräge geben“(54).

79.      In den Fällen, in denen der Gerichtshof eine enge Auslegung der Zuständigkeitsbeschränkung in der GASP für erforderlich hielt, hat er betont, dass die das auswärtige Handeln der Union im Allgemeinen bzw. die GASP im Besonderen betreffenden Art. 21 und 23 EUV die in Art. 2 EUV verankerten Werte auf die GASP anwenden(55).

80.      Die Rechtsstaatlichkeit als ein Wert, der heute in Art. 2 EUV zum Ausdruck kommt, verlangt, dass die Behörden sowohl der Union als auch der Mitgliedstaaten einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Dies hat der Gerichtshof schon in seinem Urteil in der Rechtssache Les Verts deutlich gemacht(56).

81.      Die Rechtsstaatlichkeit erfordert daher, dass dem Einzelnen, dem das Unionsrecht Rechte verleiht, ein wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz gegenüber den Behörden der Union und der Mitgliedstaaten gewährleistet wird. Im Urteil Associação Sindical dos Juízes Portugueses(57) hat der Gerichtshof festgestellt, dass Art. 19 Abs. 1 EUV diese Anforderung konkretisiert.

82.      Diese Bestimmung überträgt den Unionsgerichten zusammen mit allen Gerichten der Mitgliedstaaten die Aufgabe, die sich aus dem Unionsrecht ergebenden Rechte zu schützen(58). Grundsätzlich sind für gegen Handlungen (oder Unterlassungen) der Unionsorgane gerichtete Klagen die Unionsgerichte zuständig, während der Einzelne gegen Handlungen (oder Unterlassungen) der Mitgliedstaaten vor den nationalen Gerichten Rechtsschutz suchen muss.

83.      Da für die GASP nach dem Vertrag von Lissabon dieselben grundlegenden Verfassungsprinzipien gelten, haben die Unionsgerichte zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit in der Unionsrechtsordnung sicherzustellen, dass die Unionsorgane und ‑einrichtungen bei der Durchführung der GASP rechtmäßig handeln.

84.      Damit dem Einzelnen, der geltend macht, die Unionsorgane oder ‑einrichtungen hätten bei der Durchführung der GASP seine von der Unionsrechtsordnung garantierten Grundrechte verletzt, ein wirksamer Rechtsschutz gewährt werden kann, muss den Unionsgerichten grundsätzlich die Zuständigkeit für entsprechende Klagen zukommen.

85.      Wie der Gerichtshof im Urteil Kadi I(59) ausgeführt hat, ist die Achtung der Menschenrechte eine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Union, so dass mit der Achtung dieser Rechte unvereinbare Handlungen in der Union nicht als rechtens anerkannt werden können. In jenem Fall führte dies zur Zuständigkeit des Gerichtshofs für Klagen Einzelner wegen Verletzung ihrer Menschenrechte, obwohl die Unionsorgane nur ihre internationalen Verpflichtungen (mechanisch) umsetzten. Laut Gerichtshof kann einer internationalen Verpflichtung kein Vorrang vor der verfassungsmäßigen Zusicherung zukommen, der zufolge die Union dem Einzelnen mittels ihrer Gerichte garantiert, dass die Unionsorgane die Menschenrechte nicht verletzen werden.

86.      Um es mit den Worten des Generalanwalts Maduro zu sagen: „Die Behauptung, eine Maßnahme sei zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlich, kann nicht dazu führen, die allgemeinen Grundsätze des [Unionsrechts] auszuschalten und dem Einzelnen seine Grundrechte zu entziehen“(60). Deshalb dürfe „[d]er Gerichtshof … nicht … den Grundwerten den Rücken kehren, die der [Unionsrechtsordnung] zugrunde liegen und zu deren Schutz er verpflichtet ist“(61).

87.      Der Gerichtshof hat unlängst in der Rechtssache Ledra Advertising(62) klargestellt, dass die Charta für die Organe der Union auch dann gilt, wenn sie außerhalb des unionsrechtlichen Rahmens handeln. Der Umstand, dass die Kommission im Rahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) – einer internationalen Vereinbarung außerhalb des unionsrechtlichen Rahmens – tätig wurde, bedeutete nicht, dass sie nicht an die Grundrechte gebunden gewesen wäre. Folglich waren die Unionsgerichte nicht an der Entscheidung über Schadenersatzklagen gegen die Union gehindert, mit denen ein rechtswidriges Verhalten im Zusammenhang mit Handlungen im Rahmen des ESM geltend gemacht wurde.

88.      In den vorerwähnten Fällen bewirkte der Grundsatz, wonach die Wahrung der Grundrechte eine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Union ist, die Zuständigkeit der Unionsgerichte für Klagen, mit denen Einzelne eine Verletzung ihrer Grundrechte rügen. In der Rechtssache Ledra Advertising konnte der Gerichtshof sogar über eine Klage auf Ersatz von Schäden entscheiden, die ein Unionsorgan außerhalb des unionsrechtlichen Rahmens angeblich durch eine Handlung verursacht hatte, derentwegen keine Nichtigkeitsklage erhoben werden konnte, da sie keinen Bezug zur Union aufwies. Ebenso durfte in der Rechtssache Kadi I ein Einzelner die Nichtigerklärung einer EU-Durchführungsmaßnahme mit der Begründung beantragen, dass sie die Grundrechte verletze, obwohl er die durchgeführte Maßnahme nicht vor dem Gerichtshof anfechten durfte, da sie dem UNO-System und nicht der Unionsrechtsordnung zuzurechnen war.

89.      Daher lässt sich argumentieren, dass die Unionsgerichte für eine Schadenersatzklage Einzelner, die eine Verletzung ihrer Grundrechte rügen, erst recht zuständig sein müssen, wenn mit dieser Klage die Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts im Bereich der GASP angefochten wird, bei dem es sich im Gegensatz zu der in der Rechtssache Ledra Advertising streitigen Handlung um einen Rechtsakt handelt, der in die Zuständigkeit der Union fällt.

90.      Diese Grundprinzipien des Verfassungsrechts der Union, nämlich Rechtsstaatlichkeit, effektiver gerichtlicher Rechtsschutz und Schutz der Menschenrechte – die die Urteile rechtfertigen, in denen der Gerichtshof die Beschränkung seiner Zuständigkeit in Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV als eng auszulegende Ausnahme und nicht als Regel ansah – hat das Gericht im angefochtenen Beschluss verkannt. Das Gericht hat die Urteile des Gerichtshofs in den Rechtssachen Elitaliana, H und Bank Refah mit einer verengten und formalistischen Argumentation als für den vorliegenden Fall irrelevant angesehen. Es meinte im Kern, die Rechtssachen, in denen diese Urteile ergangen sind, könnten nicht mit der Situation im vorliegenden Fall verglichen werden, nur weil sie einen anderen tatsächlichen Kontext hatten(63), wobei es die diesen Rechtssachen zugrunde liegenden allgemeinen Prinzipien völlig außer Acht ließ, die für jeden Fall gelten, in dem die Grenzen der Zuständigkeit der Unionsgerichte für die GASP auszulegen sind.

91.      Dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen(64), das Gericht habe zu Unrecht einen Unterschied zwischen diesen Rechtssachen und dem vorliegenden Fall gemacht, ist daher zu folgen.

92.      Aus diesem Grund hat das Gericht die folgende Frage übersehen: Welchen Einfluss haben diese grundlegenden Postulate der Verträge in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung auf die Klärung der mit der vorliegenden Rechtssache aufgeworfenen Frage?

C.      Auslegung von Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV in der vorliegenden Rechtssache

1.      Auslegung und nicht Änderung der Verträge

93.      In Anbetracht der vorstehenden Grundsätze steht es für mich fest, dass die Zuständigkeit der Unionsgerichte für eine Klage, mit der ein Einzelner Schutz wegen Verletzungen seiner Grundrechte begehrt, nicht allein deshalb verneint werden kann, weil diese Verletzung im Rahmen der GASP stattfand. Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV sind deshalb dahin auszulegen, dass sie nicht für Schadenersatzklagen wegen einer Verletzung von Grundrechten gelten, die mutmaßlich durch eine GASP-Maßnahme verursacht wurde.

94.      Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit beinhaltet allerdings für die Unionsgerichte nicht nur die Befugnis, sicherzustellen, dass andere Unionsorgane und ‑einrichtungen das Recht beachten, sondern auch die Verpflichtung, selbst das Recht einzuhalten.

95.      Man darf sich daher fragen: Was gebietet die Rechtstreue dem Gerichtshof? Soll er sich strikt an den Wortlaut der Verträge halten, die seine Zuständigkeit im Bereich der GASP beschränken, oder soll er den Verfassungsgrundsätzen der Union den Vorzug geben und die für den Schutz der Grundrechte erforderliche Zuständigkeit bejahen, auch wenn dies im Wortlaut der Verträge nicht ausdrücklich vorgesehen ist?

96.      In der Rechtssache Les Verts war die Rechtsstaatlichkeit nach Auffassung des Gerichtshofs mit einem Eingriff in den Wortlaut des Vertrags besser zu gewährleisten(65). Generalanwalt Mancini drückte dies in seinen Schlussanträgen in jener Rechtssache folgendermaßen aus: „Die Verpflichtung, das Recht einzuhalten …, geht der Beschränktheit des geschriebenen Rechts vor. Wann immer der Schutz der Rechtsunterworfenen es erfordert, ist der Gerichtshof bereit, im Namen des Grundsatzes, in dem seine Aufgabe wurzelt, die Vorschriften zu korrigieren oder zu ergänzen, die seine Zuständigkeit begrenzen.“(66)

97.      Das Gericht vertrat im angefochtenen Beschluss jedoch die Ansicht, die kürzlich im Urteil Carvalho(67) bekräftigte Rechtsprechung hindere es daran, sich im vorliegenden Fall für zuständig zu erklären. Es führte aus, zwar seien die Bestimmungen über die Zuständigkeit der Unionsgerichte im Licht des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes auszulegen, dies dürfe aber nicht zur Missachtung der in den Verträgen ausdrücklich aufgestellten Voraussetzungen führen.

98.      Die Rechtsmittelführerinnen meinen(68), diese Rechtsprechung treffe auf den vorliegenden Fall nicht zu und sei deshalb hierauf nicht anwendbar, da sie sich auf die Voraussetzungen für Nichtigkeitsklagen Einzelner, nicht aber auf Schadenersatzklagen beziehe.

99.      Ich teile nicht die Auffassung, dass die besagte Rechtsprechung deswegen für den vorliegenden Fall irrelevant sei. Ich halte die Argumentation des Gerichtshofs in der Rechtssache Carvalho vielmehr insofern für einschlägig, als sie den Grundsatz zum Ausdruck bringt, dass das Erfordernis eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes allein keine Änderung der Verträge durch die Unionsgerichte bewirken kann.

100. Dies hindert die Unionsgerichte aber nicht daran, die Verträge im Einklang mit dem Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes auszulegen. Meines Erachtens sind sie hierzu sogar verpflichtet.

101. In seinen Schlussanträgen in der Rechtssache SatCen/KF(69) kam Generalanwalt Bobek zu einem ähnlichen Schluss: „Einfach ausgedrückt erlaubt es Art. 47 der Charta dem Gerichtshof nicht, die Verträge neu zu schreiben, er verlangt jedoch vom Gerichtshof, die vorhandenen Vorschriften dahin auszulegen, dass ihr gesamtes Rechtsschutzpotenzial für jeden, der von Handlungen der Unionsorgane oder ‑einrichtungen betroffen ist, ausgeschöpft werden kann.“

102. Das Gericht hat im angefochtenen Beschluss zwar anerkannt, dass Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV im Licht des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes auszulegen sei(70). Es hat jedoch keinen Versuch unternommen, dies zu tun.

103. Daher hat das Gericht die Frage offen gelassen, ob die Zuständigkeitsbeschränkung im Bereich der GASP dergestalt ausgelegt werden kann, dass im vorliegenden Fall ein wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz gewährleistet ist.

104. Im Rahmen der vorliegenden Rechtsmittel muss aber genau diese Frage gestellt und beantwortet werden. Kann die Beschränkung der Zuständigkeit der Unionsgerichte in Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV dahin ausgelegt werden, dass Schadenersatzklagen wegen Grundrechtsverletzungen durch die Union ausgeschlossen sind, auch wenn diese (mutmaßlich) im Bereich der GASP begangen werden?

2.      Vorbringen der Parteien und der Streithelfer

105. Die Rechtsmittelführerinnen tragen vor(71), das Gericht habe nicht berücksichtigt, dass die Schadenersatzklage auf eine behauptete Verletzung der Grundrechte gestützt sei, und die Beschränkung der Zuständigkeit der Unionsgerichte in der GASP nicht im Licht der Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit ausgelegt. Die belgische, die luxemburgische, die niederländische, die österreichische, die rumänische, die finnische und die schwedische Regierung, die im Verfahren als Streithelferinnen der Kommission aufgetreten sind, betonen, dass die Unionsgerichte im Licht der Grundwerte der Union und der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts für Schadenersatzklagen wegen angeblicher Grundrechtsverletzungen im Bereich der GASP zuständig sein müssten. Die tschechische Regierung fügt hinzu, dass sie zwar den Standpunkt des Rates unterstütze, jedoch die Zuständigkeit der Unionsgerichte für die Prüfung von GASP-Handlungen bejahe, wenn diese zu einer Verletzung von Grundrechten führen könnten.

106. Die Kommission macht insbesondere geltend, dass es im vorliegenden Fall um angebliche Menschenrechtsverletzungen gehe, wofür die GASP lediglich den Hintergrund bilde. Der Gerichtshof habe es daher mit einer im Wesentlichen „menschenrechtlichen Schadenersatzklage“ zu tun, die im Zusammenhang mit einer GASP-Maßnahme im Unionsrecht begründet sei.

107. Dieses Vorbringen scheint auf einer ähnlichen Logik zu beruhen, wie sie herangezogen wurde, um die Zuständigkeit der Unionsgerichte in Rechtssachen wie Mauritius, Elitaliana und H zu begründen. Obwohl die Unionsgerichte über die Rechtmäßigkeit einer GASP-Handlung zu entscheiden hätten, gelte die Zuständigkeitsbeschränkung in Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV nicht für den vorliegenden Fall, da die Rechtmäßigkeit dieser Handlung von der Auslegung des durch die Charta vorgegebenen Rechts abhänge.

108. Die Kommission trägt weiter vor, die Verträge enthielten keine Bestimmung, die in einem Bereich des Unionsrechts, einschließlich der GASP, eine Ausnahme von der Zuständigkeit der Unionsgerichte für mutmaßliche Grundrechtsverletzungen vorsähe. Bei einer Auslegung von Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV, die es dem Einzelnen verwehren würde, eine Verletzung seiner Grundrechte im Rahmen der GASP zu rügen, würden die wesentlichen Merkmale des gerichtlichen Rechtsschutzsystems nach den Verträgen in der Auslegung durch den Gerichtshof in Frage gestellt.

109. Der Rat und der EAD argumentieren, dass die Zuständigkeit der Unionsgerichte im vorliegenden Fall durch Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV ausgeschlossen sei und keines der bisherigen Urteile des Gerichtshofs zur GASP Anwendung finde. Allerdings schließt der Rat die Zuständigkeit der Unionsgerichte für mutmaßliche Verletzungen von Grundrechten im Bereich der GASP nicht völlig aus, wobei er betont, es müssten geeignete Kriterien gefunden werden, damit die praktische Wirksamkeit der Vertragsbestimmungen zur Beschränkung der Zuständigkeit der Unionsgerichte für die GASP sichergestellt sei. Dabei sei klar zu unterscheiden zwischen Handlungen, die politische Entscheidungen implizierten und keiner gerichtlichen Kontrolle unterworfen seien, und Handlungen, die auf die Durchführung konkreter Maßnahmen abzielten und dieser Kontrolle unterlägen. Diese konkreten Maßnahmen seien grundsätzlich mit keinen politischen Entscheidungen verbunden, sondern stellten nur die Umsetzung solcher Entscheidungen im Rahmen der GASP dar.

110. Die französische Regierung, die im Verfahren als Streithelferin des Rates aufgetreten ist, hält jedoch die Unterscheidung zwischen politischen und anderen GASP-Beschlüssen für nicht praktikabel. Die Vertragsbestimmungen über die Beschränkung der Zuständigkeit der Unionsgerichte für die GASP seien im Einklang mit ihrem Wortlaut dahin auszulegen, dass die Unionsgerichte nur in den beiden in Art. 275 Abs. 2 AEUV genannten Ausnahmefällen eine Zuständigkeit für GASP-Maßnahmen besäßen.

3.      Zweck der Zuständigkeitsbeschränkung im Bereich der GASP

111. Ich stimme der französischen Regierung und dem Rat darin zu, dass die Beschränkung der Zuständigkeit der Unionsgerichte für die GASP nicht ignoriert werden darf und dass ihr eine gewisse Bedeutung beizumessen ist. Dies wirft eine wichtige Frage auf, in der ich den Schlüssel zur Bestimmung der Grenzen der Zuständigkeit der Unionsgerichte im Bereich der GASP sehe: Welcher Zweck wird mit der Zuständigkeitsbeschränkung verfolgt?

112. Die von Rat und EAD befürwortete Unterscheidung zwischen politischen oder strategischen Entscheidungen einerseits und rein administrativen GASP-Maßnahmen andererseits mag den Willen der Verfasser der Verträge widerspiegeln, die Unionsgerichte von einem Einfluss auf politische Entscheidungen im Bereich der auswärtigen Beziehungen fernzuhalten. Es ist richtig, dass der Gerichtshof in den meisten Fällen, in denen er eine Vorschrift auszulegen hat, eine Entscheidung im Hinblick auf deren Bedeutung treffen kann. Selbst wenn sich der Gerichtshof dabei von anderen Regeln und Belangen leiten lässt, handelt es sich stets um eine Entscheidung(72).

113. Es gibt Fragen, bei denen die Entscheidung ausschließlich dem politischen Prozess überlassen bleiben muss. Generalanwalt Wathelet erklärte in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Rosneft hierzu: „Die Beschränkung der Zuständigkeit des Gerichtshofs im Bereich der GASP durch die ‚carve-out‘-Klausel hängt damit zusammen, dass bei GASP-Rechtsakten grundsätzlich davon auszugehen ist, dass mit ihnen rein politische Entscheidungen im Zusammenhang mit der GASP umgesetzt werden, so dass insoweit eine gerichtliche Überprüfung schwer mit der Gewaltenteilung vereinbar ist“(73). Die Beschränkung der Zuständigkeit der Unionsgerichte wäre somit als eine Art kodifizierte „Doktrin der politischen Frage“ zu verstehen(74). Die Verfasser der Verträge könnten es für notwendig erachtet haben, dies ausdrücklich zu regeln, da der Gerichtshof (noch) nicht(75) bereit war, eine solche Doktrin zu entwickeln.

114. Mit Blick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung (in der Union als Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts bezeichnet), der ein wesentliches Element der Rechtsstaatlichkeit und des demokratischen Prinzips ist(76), steht es den Gerichten in der Tat nicht zu, politische Entscheidungen der zuständigen politischen Organe zu ersetzen.

115. Das gilt aber für jeden Bereich des Unionsrechts, nicht nur für die GASP. Die Unionsgerichte sollen keine politischen Entscheidungen der Unionsorgane ersetzen, denen in den Verträgen die entsprechenden Entscheidungsbefugnisse übertragen wurden. Allerdings gibt es in konstitutionellen Demokratien keine uneingeschränkten politischen Entscheidungsmöglichkeiten. In einer Union, die auf Rechtsstaatlichkeit beruht, kann es nicht die Absicht der Verfasser der Verträge gewesen sein, im Bereich der GASP Grundrechtsverletzungen zuzulassen. Da die Verletzung eines Grundrechts keine politische Entscheidung sein kann, müssen die Unionsgerichte kontrollieren können, ob diese Grenze überschritten wurde(77). Nur so können sie ihrer Aufgabe, die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge zu sichern, gerecht werden.

116. Dies führt zu der Feststellung, dass die Zuständigkeit der Unionsgerichte für die Überprüfung jedweder GASP-Maßnahme, auch einer solchen politischer oder strategischer Art, um ihre Vereinbarkeit mit den Grundrechten sicherzustellen, nicht durch Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV ausgeschlossen werden kann.

117. Zwar kann die Achtung der Grundrechte auf unterschiedliche Weise gewährleistet werden und einen gewissen Raum für politische Entscheidungen lassen. Die meisten durch die Charta garantierten Rechte dürfen eingeschränkt werden, wenn diese Einschränkung einem anderen legitimen Zweck dient und dessen Verwirklichung verhältnismäßig ist(78). So kann etwa das Recht auf Schutz personenbezogener Daten (nach Art. 8 der Charta) zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus eingeschränkt oder das Eigentumsrecht (nach Art. 17 der Charta) zur Steigerung der Wirksamkeit von Sanktionen gegen einen Drittstaat beschnitten werden. Die Bewertung der Berechtigung wie auch der Eignung und Erforderlichkeit von Maßnahmen, die bestimmte Rechte einschränken, kann unterschiedlich ausfallen. Insofern gibt es einen Grund dafür, dass die Unionsgerichte politische Entscheidungen zu komplexen Themen der internationalen Politik respektieren. Der Gerichtshof scheint, wie seine Rechtsprechung zeigt(79), diesem Anliegen gegenüber aufgeschlossen zu sein. Aber auch wenn sich darüber streiten lässt, welches das angemessene Maß an Kontrolle ist, dürfen die Unionsgerichte nicht ihrer verfassungsmäßigen Aufgabe enthoben werden, den Schutz der Grundrechte zu gewährleisten, wenn der Einzelne dies beantragt.

118. Ich kann durchaus akzeptieren, dass es bestimmte strategische Entscheidungen gibt, auf die die Unionsgerichte gewiss keinen Einfluss nehmen dürfen. So können sie meines Erachtens z. B. nicht beurteilen, ob die Union eine Mission in einem bestimmten Teil der Welt starten sollte. Das gilt selbst dann, wenn die Einrichtung einer solchen Mission möglicherweise die Menschenrechtssituation der Bevölkerung in dem betreffenden Gebiet verbessern würde. Sobald jedoch die politische Entscheidung getroffen ist, sich in einem bestimmten Land oder Konflikt zu engagieren, müssen die Unionsgerichte kontrollieren können, ob die Mission so konzipiert ist und durchgeführt wird, dass sie nicht unverhältnismäßig stark in die Menschenrechte eingreift.

119. Bei manchen dieser Entscheidungen muss auf die vom Rat oder einer anderen zuständigen Stelle angeführte Begründung größere Rücksicht genommen werden. So mag zwar die Höhe der Finanzierung einer bestimmten Mission die Rechte von Personen, deren Familienangehörige verschwunden sind, berühren, sofern die Ermittlungen hierzu nicht erfolgreich waren. Die Unionsgerichte müssen aber auch die Argumentation zur finanziellen und personellen Gesamtkapazität der Union berücksichtigen, die Missionen in der ganzen Welt unterhält, und können die Entscheidung, wie diese Ressourcen am besten verteilt werden sollen, nicht hinterfragen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Zuständigkeit der Unionsgerichte vollständig ausgeschlossen wäre. Vielmehr stellt sich die Frage nach der notwendigen Rücksichtnahme und der Kontrolldichte erst, nachdem die Zuständigkeit bejaht wurde.

120. Ich vermag daher nicht der Ansicht des Rates zuzustimmen, wonach die Unionsgerichte im vorliegenden Fall nur beurteilen dürften, ob Eulex Kosovo bei ihren Untersuchungen die Grundrechte beachtet habe, aber nicht für die Prüfung zuständig seien, ob die Beschlüsse des Rates zur Beendigung des Exekutivmandats von Eulex Kosovo rechtmäßig seien oder ob Eulex Kosovo ausreichende Ressourcen erhalten habe, da es sich hierbei um politische und strategische Entscheidungen handle, die einer gerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich seien. Wenn diese politischen oder strategischen Entscheidungen die Grundrechte verletzen können, müssen die Unionsgerichte über eine dahin gehende Rüge eines Einzelnen entscheiden können, wenngleich sie bei ihrer Prüfung, ob diese Entscheidungen die Grundrechte verletzen, wahrscheinlich den vom Rat angeführten Gründen besondere Beachtung schenken werden.

4.      Was ist der Zuständigkeit der Unionsgerichte im Bereich der GASP entzogen?

121. Die Beschränkung der Zuständigkeit kann nicht so weit gehen, dass die Überprüfung der Grundrechtskonformität von GASP-Maßnahmen ausgeschlossen wäre. Welches ist dann der Geltungsbereich dieser Zuständigkeitsbeschränkung?

122. Die Beschränkung der Zuständigkeit gilt meines Erachtens für zwei Bereiche. Erstens dürfen die Unionsgerichte nicht überprüfen, ob GASP-Rechtsakte im Einklang mit den GASP-Bestimmungen der Verträge stehen(80). Zweitens dürfen die Unionsgerichte weder diese primären GASP-Bestimmungen noch die auf deren Grundlage erlassenen GASP-Rechtsakte auslegen. Natürlich können die Unionsgerichte bei der Überwachung der Rechtmäßigkeit von GASP-Rechtsakten im Hinblick auf die Grundrechte es nicht gänzlich vermeiden, GASP-Bestimmungen auszulegen, denn dies ist eine Voraussetzung für die Beurteilung der Grundrechtskonformität dieser Akte(81). Dabei müssen die Unionsgerichte aber die Erklärung des Urhebers der jeweiligen politischen Entscheidung zu deren Sinngehalt zugrunde legen und beurteilen, ob die so verstandene Entscheidung die nach der Charta zulässige Grenze überschreitet.

123. Solange die mit einer GASP-Maßnahme getroffene politische Entscheidung jedoch nicht die durch den verfassungsrechtlichen Rahmen der Union gezogenen Grenzen überschreitet, ist eine Intervention der Unionsgerichte ausgeschlossen. Lässt eine GASP-Bestimmung drei mögliche Auslegungen zu (A, B oder C), von denen keine die Grundrechte verletzt, kann das Unionsgericht keine Wahl zwischen A, B und C treffen. Das bedeutet wiederum, dass die andere wichtige Aufgabe, die dem Gerichtshof nach den Verträgen zukommt – eine einheitliche Auslegung und Anwendung des Unionsrechts sicherzustellen – im Bereich der GASP entfällt. Wenn Einheitlichkeit gewährleistet werden soll, muss der Gerichtshof die Befugnis haben, zwischen verschiedenen möglichen Auslegungen einer Vorschrift zu wählen. Da dies ausgeschlossen ist, haben die Verfasser der Verträge wohl die Divergenzen in Kauf genommen, die bei der Umsetzung von GASP-Maßnahmen in den verschiedenen Mitgliedstaaten auftreten können. Die Rechtssache Neves 77 Solutions, in der ich ebenfalls heute meine Schlussanträge stelle, ist ein Beispiel für eine solche Situation.

124. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Unionsorgane und ‑einrichtungen immer an die Grundrechte gebunden sind und dass die Entscheidung, diese Rechte zu verletzen, keine zulässige politische oder strategische Entscheidung ist, auch nicht im Bereich der GASP. Wenn der Zweck der Zuständigkeitsbeschränkung in diesem Bereich darin besteht, die Unionsgerichte daran zu hindern, in politische und strategische GASP-Entscheidungen einzugreifen, erfordert dieser Zweck nicht den Ausschluss der Zuständigkeit für die Überprüfung mutmaßlicher Grundrechtsverletzungen. Politischen und strategischen Entscheidungen sind Grenzen gesetzt, da sie niemals die Grundrechte verletzen dürfen. Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV sind also dahin auszulegen, dass sie die Unionsgerichte nicht daran hindern, diese verfassungsrechtlichen Grenzen dadurch zu überwachen, dass sie über Schadenersatzklagen Einzelner wegen mutmaßlicher Verletzungen von Grundrechten durch GASP-Maßnahmen entscheiden.

5.      Art275 Abs. 2 AEUV

125. Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 Abs. 1 AEUV werden häufig als „carve-out“-Bestimmungen bezeichnet, weil sie die in Art. 19 EUV verankerte allgemeine Zuständigkeit der Unionsgerichte teilweise ausschließen. Art. 275 Abs. 2 AEUV wird dann als „claw-back“-Bestimmung bezeichnet, weil er die Ausnahmeregelung wieder in den Zuständigkeitsbereich der Unionsgerichte zurückführt(82).

126. Versteht man das Verhältnis zwischen Art. 275 Abs. 1 und Abs. 2 AEUV in diesem Sinne, so gebietet es die Logik, die „claw-back“-Bestimmung nur dann für anwendbar zu erklären, wenn die „carve-out“-Bestimmungen in einer konkreten Situation die Zuständigkeit der Unionsgerichte ausschließen. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es für die gerichtliche Kontrolle möglicher Grundrechtsverletzungen keine Ausnahme von der allgemeinen Zuständigkeit der Unionsgerichte geben kann, selbst wenn es sich bei dem zu überprüfenden Rechtsakt um eine GASP-Maßnahme handelt. Daher wäre die „claw-back“-Bestimmung des Art. 275 Abs. 2 AEUV für die Begründung der Zuständigkeit für Schadenersatzklagen wegen mutmaßlicher Grundrechtsverletzungen irrelevant.

127. Aus meiner Sicht sollte Art. 275 Abs. 2 AEUV aber gar nicht als „claw-back“-Bestimmung verstanden werden, die den „Normalzustand“ der Zuständigkeit der Unionsgerichte in den dort aufgeführten Fällen wiederherstellt. Ich bin vielmehr der Ansicht, dass Art. 275 Abs. 2 AEUV als eine Bestimmung verstanden werden sollte, anhand deren der Umfang der Zuständigkeitsbegrenzung nach Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 Abs. 1 AEUV auszulegen ist.

128. Wie bereits festgestelltwurde(83), haben Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 Abs. 1 AEUV nicht denselben Wortlaut. Art. 24 Abs. 1 EUV schließt die Zuständigkeit der Unionsgerichte in Bezug auf „diese Bestimmungen“ aus, d. h. die in den vorangehenden Sätzen des Art. 24 Abs. 1 EUV genannten Bestimmungen. Diese Bestimmungen sehen vor, dass der Rat GASP-Maßnahmen grundsätzlich einstimmig erlässt, dass Gesetzgebungsakte im Bereich der GASP ausgeschlossen sind, dass die GASP entweder von der Union oder von den Mitgliedstaaten durchzuführen ist und dass die Kommission und das Parlament im Rahmen der GASP eine besondere Rolle haben. Art. 24 Abs. 1 EUV sieht jedoch vor, dass die Unionsgerichte befugt sein müssen, die Einhaltung von Art. 40 EUV zu kontrollieren und die Rechtmäßigkeit bestimmter GASP-Beschlüsse zu überprüfen. Insoweit verweist Art. 24 Abs. 1 EUV auf Art. 275 Abs. 2 AEUV.

129. Art. 275 Abs. 1 AEUV wiederholt dann die bereits in Art. 24 Abs. 1 EUV ausgesprochene Beschränkung der Zuständigkeit der Unionsgerichte, fügt aber hinzu, dass diese Beschränkung nicht nur für „diese Bestimmungen“, d. h. für Titel V Kapitel 2 EUV, sondern auch für die auf der Grundlage dieser Bestimmungen erlassenen Rechtsakte gilt. Diese Beschränkung ist, wie in der Rechtsprechung anerkannt, eng zu verstehen. Dazu wird in Art. 275 Abs. 2 AEUV präzisiert, was nicht Gegenstand des „carving out“ sein kann. Im Gegensatz zu Art. 275 Abs. 1 ist Art. 275 Abs. 2 AEUV weit auszulegen, da er die (enge) Auslegung des Anwendungsbereichs des „carving out“ regelt.

130. Der Verweis in Art. 275 Abs. 2 AEUV auf Art. 40 EUV legt nahe, dass der Gerichtshof für das in den Verträgen vorgesehene institutionelle Gleichgewicht zuständig bleiben muss. Zu dieser Kategorie gehören Streitigkeiten über die richtige Rechtsgrundlage für den Erlass einer bestimmten Maßnahme; diese werden in der Regel wegen der unterschiedlichen Befugnisse geführt, die den Unionsorganen aufgrund dieser verschiedenen Rechtsgrundlagen zustehen. Beispiele für derartige Streitigkeiten sind die oben erwähnten Rechtssachen Mauritius und Tansania(84).

131. Der Verweis auf Nichtigkeitsklagen in Bezug auf restriktive Maßnahmen gegenüber natürlichen und juristischen Personen erscheint relativ begrenzt. Er kann jedoch in einem weiteren Sinne dahin gehend verstanden werden, dass die Zuständigkeit der Unionsgerichte für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von GASP-Maßnahmen, die die Rechte Einzelner beschneiden, nicht eingeschränkt werden darf.

132. Eine einfache, aber aus meiner Sicht plausible Erklärung dafür, dass nur Nichtigkeitsklagen Einzelner wegen restriktiver Maßnahmen ausdrücklich erfasst sind, liegt darin, dass zum Zeitpunkt der Annahme des Vertrags von Lissabon mögliche Verletzungen der Rechte Einzelner durch restriktive Maßnahmen aufgrund der Kadi-Rechtsprechung ein offensichtliches Beispiel waren(85). Wird Art. 275 Abs. 2 AEUV aber im Licht von Art. 24 Abs. 1 EUV ausgelegt, der sich allgemeiner auf die gerichtliche Überprüfung bestimmter Maßnahmen bezieht, so kann er in dem Sinne verstanden werden, dass er sicherstellt, dass die gerichtliche Überprüfung aller GASP-Maßnahmen, welche die Rechte Einzelner beschneiden, keiner Beschränkung unterliegt.

133. Wird das Verhältnis zwischen den beiden Absätzen des Art. 275 AEUV so verstanden, dass Abs. 2 die Auslegung des Abs. 1 regelt, dann ist die „rote Linie“ für die Zuständigkeitsbeschränkung die den Unionsgerichten durch die Verträge zugewiesene verfassungsmäßige Aufgabe. Diese besteht zum einen in der Wahrung des in den Verträgen verankerten institutionellen Gefüges und zum anderen im Schutz der Rechte Einzelner.

6.      Mögliche Rolle nationaler Gerichte

134. Es ist klar, dass GASP-Maßnahmen die Grundrechte Einzelner nicht verletzen dürfen. Es ist auch klar, dass es bei mutmaßlichen Grundrechtsverletzungen eine gerichtliche Überprüfung geben muss. Es ließe sich jedoch argumentieren, dass solche Fälle nicht vor den Unionsgerichten verhandelt werden müssen, sondern der Zuständigkeit der nationalen Gerichte unterworfen werden können(86).

135. Nach Art. 274 AEUV sind Rechtsstreitigkeiten, bei denen die Union Partei ist, nicht aus diesem Grund der Zuständigkeit der nationalen Gerichte entzogen. Werden Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV dahin ausgelegt, dass sie die Zuständigkeit der Unionsgerichte für Schadenersatzklagen ausschließen, die auf mutmaßlich durch GASP-Maßnahmen verursachte Grundrechtsverletzungen gestützt werden, sind die nationalen Gerichte für solche Klagen zuständig, auch wenn diese sich gegen Unionsorgane und ‑einrichtungen richten.

136. Würde eine solche Lösung den Erfordernissen eines wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes genügen? Generalanwältin Kokott hat dies in ihrer Stellungnahme im Gutachtenverfahren 2/13(87) bejaht. Bei ihrer Analyse war sie aber davon ausgegangen, dass die Beschränkung der Zuständigkeit der Unionsgerichte in Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 Abs. 1 AEUV die Regel und nicht die Ausnahme sei(88), was der Gerichtshof in seiner späteren Rechtsprechung verneint hat.

137. Ich halte es für zweifelhaft – und der vorliegende Fall zeigt dies deutlich –, ob nationale Gerichte imstande wären, in allen Situationen, in denen Unionsorgane und ‑einrichtungen durch GASP-Maßnahmen möglicherweise die Rechte Einzelner verletzen, diesen einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz zu gewähren. Wie von der tschechischen und der luxemburgischen Regierung erwähnt, gibt es bei derartigen Klagen viele praktische Hindernisse für den Zugang zu nationalen Gerichten. Es ist z. B. fraglich, welches Gericht und welcher Mitgliedstaat für eine Klage wegen Maßnahmen einer Mission der Union in einem Drittland zuständig sein sollte. KS und KD haben versucht, eine Klage vor den Gerichten des Vereinigten Königreichs (in der Zeit vor dem Brexit) zu erheben. Wie bereits erläutert, war das nationale Gericht der Ansicht, die Klage falle nicht in seine Zuständigkeit. Eine solche Ablehnung der Zuständigkeit seitens eines nationalen Gerichts könnte allerdings ausgeräumt werden, wenn der Gerichtshof nachdrücklich seine Unzuständigkeit feststellen würde.

138. Damit wäre jedoch noch nicht geklärt, welches nationale Gericht für den Fall zuständig sein sollte. Die französische Regierung hat vorgeschlagen, dies könnte ein Gericht des Mitgliedstaats sein, der die Ratspräsidentschaft innehabe. Es gibt aber keinen speziellen Grund, warum ein Gericht dieses Mitgliedstaats besonders geeignet sein sollte, über den Fall einer mutmaßlichen Grundrechtsverletzung durch eine Mission der Union zu entscheiden. Eine andere Möglichkeit wäre, die Klage bei den Gerichten eines beliebigen Mitgliedstaats zu erheben. Eine solche Lösung könnte zu einem forum shopping führen, da die Kläger den Mitgliedstaat mit den günstigsten Verfahrensvorschriften für Schadenersatzklagen aussuchen würden.

139. Da die nationalen Gerichte nicht die Möglichkeit hätten, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen, könnte es zu divergierenden Auslegungen der Rechte aus der Charta bei der Anwendung auf GASP-Maßnahmen kommen. Solche Diskrepanzen würden letztlich vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) geklärt, den Einzelne anrufen können, wenn sie meinen, ihre Menschenrechte seien nicht angemessen geschützt worden.

140. Angesichts dieser praktischen Probleme bei der Bestimmung des zuständigen nationalen Gerichts hat die französische Regierung die Einrichtung eines neuen Gemeinsamen Gerichts angeregt, das mit Fällen von Grundrechtsverletzungen durch GASP-Maßnahmen betraut werden könnte. Die Mitgliedstaaten könnten dies zwar durchaus tun, aber ich frage mich, warum sie bereit sein sollten, einem anderen supranationalen Gericht eine solche Zuständigkeit zu übertragen, wenn sie nicht willens wären, diese den Unionsgerichten zuzuerkennen.

141. Schließlich stellt sich, um auf den vorliegenden Fall zurückzukommen, die Frage, ob die Unionsgerichte über Klagen wegen außervertraglicher Haftung der Union für mutmaßlich durch GASP-Maßnahmen verursachte Schäden entscheiden können.

142. Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass die Unionsgerichte zur Entscheidung über Schadenersatzklagen wegen außervertraglicher Haftung der Union ausschließlich zuständig sind(89). Solche Klagen unterscheiden die Union von internationalen Organisationen, die generell eine weitgehende Immunität gegenüber Schadenersatzklagen vor Gericht gewähren(90). In der Tat waren sich die Verfasser der Verträge, wie in der Literatur dargelegt(91), darüber einig, dass die Union keine Immunität in Bezug auf ihre außervertragliche Haftung genießen sollte, dass hierüber aber nicht von den nationalen Gerichten zu entscheiden sei.

143. Folglich sehen die Verträge für die Schadenersatzklage die ausschließliche Zuständigkeit der Unionsgerichte vor. Nationale Gerichte dürfen nicht über die außervertragliche Haftung für Schäden entscheiden, die von Unionsorganen und ‑einrichtungen in einem unter das Unionsrecht fallenden Bereich mutmaßlich verursacht wurden.

144. Hinzu kommt, dass Schadenersatzklagen, wenn sie in die Zuständigkeit der nationalen Gerichte fielen, auf deren jeweiliges außervertragliches Haftungsrecht gestützt würden, was je nach den geltenden nationalen Vorschriften zu unterschiedlichen Ergebnissen führen würde. Die nationalen Gerichte können daher keine Lücke füllen und nicht dieselbe Art von Rechtsschutz wie die Unionsgerichte bieten.

D.      Möglicher Einfluss auf den Beitritt der Union zur EMRK

145. Wie bereits erwähnt, ist der vorliegende Fall auch im größeren Kontext der Verhandlungen über den Beitritt der Union zur EMRK zu sehen. Es sei daran erinnert, dass ein solcher Beitritt nach Art. 6 Abs. 2 EUV für die Union keine Option, sondern eine Verpflichtung ist.

146. Der Prozess des Beitritts zur EMRK ist jedoch nur möglich, wie das Gutachten 2/13 zeigt, wenn die besonderen Merkmale der Unionsrechtsordnung beachtet werden und die Zuständigkeiten der Union aufgrund der Verträge unberührt bleiben.

147. Wenn sich der Gerichtshof dem Vorschlag anschließen sollte, wonach Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie die Zuständigkeit der Unionsgerichte für Schadenersatzklagen wegen mutmaßlicher Grundrechtsverletzungen durch GASP-Maßnahmen nicht ausschließen, was würde dies für die künftige Zugehörigkeit der Union zur EMRK bedeuten?

148. Erstens trüge es dazu bei, genauer zu bestimmen, inwieweit die Zuständigkeit der Unionsgerichte im Bereich der GASP beschränkt ist, was der Gerichtshof in seinem Gutachten 2/13 offengelassen hat.

149. Zweitens würde klargestellt, dass die Zuständigkeit der Unionsgerichte nicht durch die „carve-out“-Bestimmungen der Verträge beschränkt ist, wenn eine GASP-Maßnahme aus einem der Gründe in Frage gestellt wird, über die auch der EGMR entscheiden kann, d. h. die geltend gemachte Verletzung von Grundrechten.

150. Was die Unionsrechtsordnung betrifft, so würde die vorgeschlagene Auslegung dem verfassungsrechtlichen Erfordernis der Wahrung ihrer Autonomie genügen. Sie würde eine Situation vermeiden, in der mögliche Diskrepanzen zwischen nationalen Gerichten in der Frage, ob GASP-Maßnahmen gegen die Grundrechte verstoßen, von einem Gericht außerhalb der Unionsrechtsordnung entschieden werden. Bevor ein Fall, bei dem es um eine Verletzung von Menschenrechten geht, vor dem EGMR verhandelt werden könnte, müsste er zunächst von den Unionsgerichten entschieden werden. Die meisten Mitgliedstaaten, die im vorliegenden Fall als Streithelfer aufgetreten sind, haben der anschaulichen Beschreibung seitens der tschechischen Regierung zugestimmt, wonach „jeder Zug, der in Straßburg enden mag, zunächst in Luxemburg halten muss“. Die vorgeschlagene Auslegung sieht einen solchen Halt in Luxemburg vor.

151. Aus der Perspektive des EMRK-Systems würde die vorgeschlagene Auslegung bedeuten, dass eine Klage vor dem EGMR erst dann zulässig ist, wenn die Rechtsbehelfe vor den Unionsgerichten ausgeschöpft wurden.

152. Würde dadurch die Arbeitsbelastung der Unionsgerichte bedeutend erhöht?

153. Ich halte diese Sorge für unbegründet. Fühlt sich jemand in seinen Grundrechten verletzt, sollte er effektiv Zugang zu den Unionsgerichten erhalten. Es ist im Interesse der Unionsrechtsordnung, dass derartige Situationen aufgedeckt und bereinigt werden.

IV.    Zusammenfassung und Konsequenzen

154. Zusammenfassend bin ich der Ansicht, dass Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie die Zuständigkeit der Unionsgerichte für Schadenersatzklagen Einzelner wegen mutmaßlicher Grundrechtsverletzungen durch alle möglichen GASP-Maßnahmen nicht beschränken.

155. Eine solche Auslegung folgt aus den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Unionsrechtsordnung, insbesondere aus dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, der das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz beinhaltet, und aus dem Grundsatz der Achtung der Grundrechte in allen Politikbereichen der Union. Die aus diesen Grundsätzen erwachsende verfassungsmäßige Rolle der Unionsgerichte darf nur ausnahmsweise beschränkt werden. Daher sind Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 Abs. 1 AEUV eng auszulegen. Eine solche – obschon enge – Auslegung darf nicht dem Zweck der in den Verträgen verankerten Zuständigkeitsbeschränkung zuwiderlaufen. Sofern dieser Zweck darin besteht, politische Entscheidungen im Bereich der GASP einer Einflussnahme der Unionsgerichte zu entziehen, vermag er doch keine Auslegung zu rechtfertigen, wonach diese Zuständigkeitsbeschränkung auch für Schadenersatzklagen wegen mutmaßlicher Grundrechtsverletzungen gelten würde. Denn die Verletzung von Grundrechten kann in der Union nicht Gegenstand einer zulässigen politischen Entscheidung sein, und die Unionsgerichte müssen die Zuständigkeit besitzen, sicherzustellen, dass GASP-Beschlüsse nicht die durch die Grundrechte vorgegebenen „roten Linien“ überschreiten.

156. Ich schlage dem Gerichtshof also vor, den Rechtsmitteln von KS und KD sowie der Kommission stattzugeben, denen zufolge das Gericht Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV falsch ausgelegt hat. Das Gericht hat deshalb rechtsfehlerhaft festgestellt, dass es für die von KS und KD erhobene Schadenersatzklage nicht zuständig sei.

157. Infolgedessen ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

158. Meines Erachtens kann der Gerichtshof beim derzeitigen Stand des Verfahrens nicht über die Zulässigkeit und die Begründetheit der Klage entscheiden. Diese Fragen sind weder vom Gericht geprüft noch vor dem Gerichtshof erörtert worden. Die Sache ist daher an das Gericht unter Vorbehalt der Kostenentscheidung zurückzuverweisen.

V.      Ergebnis

159. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor,

–        den Beschluss des Gerichts vom 10. November 2021, KS und KD/Rat u. a. (T‑771/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:798), aufzuheben;

–        die Sache zur Entscheidung über die Zulässigkeit und die Begründetheit der Klage an das Gericht zurückzuverweisen;

–        die Entscheidung über die Kosten vorzubehalten.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Gemeinsame Aktion 2008/124/GASP des Rates vom 4. Februar 2008 über die Rechtsstaatlichkeitsmission der Europäischen Union im Kosovo, EULEX KOSOVO (ABl. 2008, L 42, S. 92).


3      Vgl. Gutachten 2/13 (Beitritt der Union zur EMRK) vom 18. Dezember 2014 (im Folgenden: Gutachten 2/13) (EU:C:2014:2454, Rn. 153 bis 258), in dem der Gerichtshof dargelegt hat, weshalb der damals vorgelegte Entwurf eines Vertrags über den Beitritt der Union zur EMRK mit den Verträgen unvereinbar war.


4      Beschluss vom 10. November 2021, KS und KD/Rat u. a. (T‑771/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:798).


5      Vgl. u. a. United Nations Peacekeeping, UNMIK Fact Sheet, abrufbar unter: https://peacekeeping.un.org/en/mission/unmik. Zu einer ausführlichen Diskussion vgl. auch u. a. Spernbauer, M., EU peacebuilding in Kosovo and Afghanistan: Legality and accountability, Martinus Nijhoff Publishers, Leiden/Boston, 2014, insbesondere S. 48 bis 83.


6      Nach Lissabon wurden die Gemeinsamen Aktionen als GASP‑Instrumente in Beschlüsse umgewandelt (vgl. Art. 25 und Art. 28 Abs. 1 EUV).


7      Vgl. Art. 42 Abs. 1 und Art. 43 Abs. 1 EUV. Vgl. auch u. a. Koutrakos, P., The EU common security and defence policy, Oxford University Press, Oxford, 2013, insbesondere S. 101 bis 182; Naert, F., „European Union common security and defence policy operations“, in Nollkaemper, A., Plakokefalos, I. und Schechinger, J. (Hrsg.), The practice of shared responsibility in international law, Cambridge University Press, Cambridge, 2017, S. 669; Blockmans, S. und Koutrakos, P., Research handbook on the EU’s common and foreign security policy, Edward Elgar, Cheltenham/Northampton, 2018, insbesondere Abschnitt B.


8      Seit 2003 hat die Union über 40 zivile und militärische Missionen und Operationen initiiert und durchgeführt. Derzeit gibt es 22 laufende GSVP-Missionen – 13 zivile Missionen sowie 9 militärische Missionen und Operationen – mit rund 4 000 Mitarbeitern in Europa, Afrika und dem Nahen Osten. Vgl. auch EAD, Missions and Operations, Working for a stable world and a safer Europe, 31. Januar 2023, abrufbar unter: https://www.eeas.europa.eu/eeas/missions-and-operations_en.


9      Vgl. Art. 20 Abs. 2 der Gemeinsamen Aktion 2008/124.


10      Vgl. Beschluss (GASP) 2023/1095 des Rates vom 5. Juni 2023 zur Änderung der [Gemeinsamen Aktion 2008/124] (ABl. 2023, L 146, S. 22).


11      Dies geschah auf der Grundlage von Änderungen der Gemeinsamen Aktion 2008/124 durch den Beschluss (GASP) 2018/856 des Rates vom 8. Juni 2018 (ABl. 2018, L 146, S. 5); vgl. insbesondere Art. 1 Abs. 1 und 2 dieses Beschlusses.


12      Art. 3 Buchst. d der Gemeinsamen Aktion 2008/124.


13      The Eulex Kosovo Accountability Concept on the establishment of the Human Rights Review Panel (Eulex Kosovo Rechenschaftspflicht-Konzept zur Einrichtung des Gremiums zur Überwachung der Achtung der Menschenrechte), Generalsekretariat des Rates, Brüssel, 29. Oktober 2009.


14      Zur Arbeit des HRRP vgl. u. a. Venice Commission Opinion No 545/2009 on the existing mechanisms to review the compatibility with human rights standards of acts by UNMIK and Eulex in Kosovo (Stellungnahme Nr. 545/2009 der Venedig-Kommission zu den bestehenden Mechanismen zur Prüfung der Vereinbarkeit von UNMIK- und Eulex-Handlungen im Kosovo mit Menschenrechtsstandards), 21. Dezember 2010; HRRP Anm. zur Spruchpraxis betreffend die Grundsätze der menschenrechtsbezogenen Verantwortlichkeit einer Rechtsstaatlichkeitsmission, abrufbar unter: https://hrrp.eu/Case-Law_Notes.php; Ryan, J. J., „Holding to account“, Law Society Gazette, Juni 2018, abrufbar unter: https://hrrp.eu/docs/www.lawsociety.ie-globalassets-documents-gazette-gazette-2018-june-2018-gazette.pdf.


15      Vgl. hierzu HRRP Jahresbericht 2022, abrufbar unter: https://hrrp.eu/annual-report.php, Abschnitt 1.4; HRRP Anm. zur Spruchpraxis betreffend den Schutz materieller Menschenrechte durch das Gremium zur Überwachung der Achtung der Menschenrechte, abrufbar unter: https://hrrp.eu/Case-Law_Notes.php.


16      Vgl. hierzu Venice Commission Opinion, zitiert in Fn. 14 dieser Schlussanträge, Nr. 66; HRRP Anm. zur Spruchpraxis betreffend die Rechtsbehelfe bei Menschenrechtsverletzungen, abrufbar unter: https://hrrp.eu/Case-Law_Notes.php.


17      Dieses Beratungsgremium wurde durch die UNMIK-Regelung Nr. 2006/12 vom 23. März 2006 (UNMIK/REG/2006/12) eingerichtet. Vgl. u. a. auch The Human Rights Advisory Panel – History and legacy – Kosovo, 2007-2016 –Abschlussbericht, 30. Juni 2016, abrufbar unter: https://unmik.unmissions.org/sites/default/files/hrap_final_report_final_version_30_june_2016.pdf.


18      Vgl. HRRP-Entscheidung vom 11. November 2015, Sache Nr. 2014-32, abrufbar unter: https://hrrp.eu/jurisprudence.php.


19      Vgl. HRRP-Entscheidung vom 19. Oktober 2016, Sache Nrn. 2014-11 bis 2014-17, abrufbar unter: https://hrrp.eu/jurisprudence.php.


20      Mit Entscheidungen vom 19. Oktober 2016 und 7. März 2017 in Bezug auf KS und mit Entscheidung vom 7. März 2017 in Bezug auf KD.


21      KS beantragte konkret, das Gericht möge mehrere Anordnungen an den Rat, die Kommission und den EAD erlassen, wie z. B., Eulex Kosovo mit einem Finanzrahmen von 29 100 000 Euro auszustatten, damit es seine Exekutivbefugnisse wahrnehmen könne, und sicherzustellen, dass der Missionsleiter Maßnahmen ergreife, um eine wirksame Untersuchung des Falles ihres Ehemanns und aller anderen Fälle von Personen, die nach dem 12. Juni 1999 ermordet worden oder verschollen seien, zu gewährleisten.


22      KS/Rat u. a. (T‑840/16, EU:T:2017:938). Gegen diesen Beschluss wurde kein Rechtsmittel eingelegt.


23      [2019] EWHC 263 (QB).


24      Vgl. Gutachten 2/13, Rn. 251.


25      Vgl. Website des Europarats zum Beitritt der Union zur EMRK, abrufbar unter: https://www.coe.int/en/web/human-rights-intergovernmental-cooperation/accession-of-the-european-union-to-the-european-convention-on-human-rights.


26      Vgl. Sitzungsbericht der 18. Sitzung der Ad-Hoc-Verhandlungsgruppe („46 + 1“) des CDDH über den Beitritt der Europäischen Union zur [EMRK] (18th Meeting of the CDDH Ad Hoc Negotiation Group [„46 + 1“] on the Accession of the European Union to the [ECHR]), 17. März 2023, Nr. 7, abrufbar über die in Fn. 25 dieser Schlussanträge zitierte Website. Zum erneuten Verhandlungsprozess vgl. u. a. Rangel de Mesquita, M. J., „Judicial review of common foreign and security policy by the ECtHR and the (re)negotiation on the accession of the EU to the ECHR“, Maastricht Journal of European and Comparative Law, Bd. 28(3), 2021, S. 356; Krommendijk, J., „EU accession to the ECHR ‑ Completing the complete system of EU remedies?“, 2023, abrufbar unter: https://ssrn.com/abstract= 4418811.


27      Vgl. Lenkungsausschuss für Menschenrechte, Zwischenbericht an das Ministerkomitee zur Information über die Verhandlungen über den Beitritt der Europäischen Union zur [EMRK], einschließlich des überarbeiteten Entwurfs der Beitrittsinstrumente im Anhang (Steering Committee for Human Rights, Interim Report to the Committee of Ministers, for information, on the negotiations on the accession of the European Union to the [ECHR], including the revised draft accession instruments in appendix, CDDH[2023]R_Extra Addendum), 4. April 2023.


28      Urteil vom 12. November 2015, Elitaliana/Eulex Kosovo (C‑439/13 P, EU:C:2015:753, im Folgenden: Urteil Elitaliana).


29      Urteil vom 19. Juli 2016, H/Rat u. a. (C‑455/14 P, EU:C:2016:569, im Folgenden: Urteil H).


30      Urteil vom 6. Oktober 2020, Bank Refah Kargaran/Rat (C‑134/19 P, EU:C:2020:793, im Folgenden: Urteil Bank Refah).


31      Urteil vom 25. März 2021, Carvalho u. a./Parlament und Rat (C‑565/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2021:252, im Folgenden: Urteil Carvalho).


32      Zu einer Diskussion über die Wirksamkeit von Schadenersatzklagen, selbst wenn die Zuständigkeitshürde überwunden ist, vgl. Fink, M., „The action for damages as a fundamental rights remedy – Holding Frontex liable“, German Law Journal, Bd. 21(3), 2020, S. 532.


33      Vgl. u. a. Butler, G., Constitutional law of the EU’s common foreign and security policy – Competence and institutions in external relations, Hart Publishing, Oxford, 2019, S. 185 bis 188; Carrasco, C. M., „Human rights in the EU’s common security and defence policy“, in Wouters, J., Nowak, M., Chané, A.‑L. und Hachez, N. (Hrsg.), The European Union and human rights – Law and policy, Oxford University Press, Oxford, 2020, S. 408 (429); Johansen, S. O., The human rights accountability mechanisms of international organizations, Cambridge University Press, Cambridge, 2020, S. 143 und 144; Poli, S., „The right to effective judicial protection with respect to acts imposing restrictive measures and its transformative force for the common foreign and security policy“, Common Market Law Review, Bd. 59(4), 2022, S. 1045 (1057).


34      Vgl. u. a. Hillion, C., „A Powerless court? The European Court of Justice and the EU common foreign and security policy“, in Cremona, M. and Thies, A. (Hrsg.), The European Court of Justice and external relations law: Constitutional challenges, Hart Publishing, Oxford, 2014, S. 47 (66 bis 69); Eckes, C., „Common foreign and security policy: The consequences of the Court’s extended jurisdiction“, European Law Journal, Bd. 22(4), 2016, S. 492 (510 und 511).


35      Diese Rechtsprechung hat also die von Generalanwältin Kokott in ihrer Stellungnahme im Gutachtenverfahren 2/13 vertretene These, wonach der Ausschluss der Zuständigkeit im Bereich der GASP die Regel mit einer sehr begrenzten Anzahl von Ausnahmen sei, umgekehrt. Vgl. Stellungnahme der Generalanwältin Kokott im Gutachtenverfahren 2/13 (Beitritt der Union zur EMRK), EU:C:2014:2475, insbesondere Nrn. 84 und 89.


36      Urteil vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 70, im Folgenden: Urteil Mauritius).


37      Vgl. Urteil Elitaliana, Rn. 42, und Urteil H, Rn. 40. Anstelle von „einschränkend“ (wie auch im Urteil Bank Refah, Rn. 32) verwendet der Gerichtshof bisweilen den Begriff „restriktiv“ (vgl. u. a. Urteile vom 25. Juni 2020, SatCen/KF, C‑14/19 P, EU:C:2020:492, Rn. 66, und vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 74, im Folgenden: Urteil Rosneft).


38      Vgl. Urteil Rosneft, Rn. 60 bis 81.


39      Vgl. Urteil Rosneft, Rn. 70.


40      Vgl. Urteil Rosneft, insbesondere Rn. 66 bis 69, 76 und 78.


41      Vgl. Urteil Rosneft, insbesondere Rn. 78 und 79 (unter Bezugnahme insbesondere auf das Urteil vom 22. Oktober 1987, Foto-Frost, 314/85, EU:C:1987:452).


42      Vgl. Urteil Bank Refah, Rn. 26 bis 49, insbesondere Rn. 33.


43      Vgl. Urteil Bank Refah, Rn. 31 und 32.


44      Vgl. Urteil Elitaliana, Rn. 41 bis 50.


45      Vgl. Urteil H, Rn. 39 bis 60. Vgl. auch Urteil vom 25. Juni 2020, SatCen/KF (C‑14/19 P, EU:C:2020:492, Rn. 66).


46      Vgl. Urteil Mauritius, Rn. 69 bis 74.


47      Beschluss 2011/640/GASP des Rates vom 12. Juli 2011 über die Unterzeichnung und den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und der Republik Mauritius über die Bedingungen für die Überstellung mutmaßlicher Seeräuber sowie die Übergabe von damit in Verbindung stehenden beschlagnahmten Gütern durch die EU-geführte Seestreitkraft an die Republik Mauritius und über die Behandlung mutmaßlicher Seeräuber nach der Überstellung (ABl. 2011, L 254, S. 1).


48      In einem ähnlichen Fall, der ein Abkommen mit Tansania betraf, verfolgte der Gerichtshof einen anderen Ansatz und stützte seine Zuständigkeit auf Art. 275 Abs. 2 AEUV. Vgl. Urteil vom 14. Juni 2016, Parlament/Rat (C‑263/14, EU:C:2016:435, Rn. 42, im Folgenden: Urteil Tansania).


49      Auf dieses Vorbringen wurden der erste Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes von KS und KD sowie der erste Rechtsmittelgrund der Kommission gestützt.


50      Vgl. Urteil H, Rn. 41 und 58, Urteil Rosneft, Rn. 72 bis 75 und 81, sowie Urteil Bank Refah, Rn. 34 bis 36. Vgl. u. a. auch Hillion, C., „The EU external action as mandate to uphold the rule of law outside and inside the Union“, Columbia Journal of European Law, Bd. 29(2), Sonderveröffentlichung 2023, S. 228.


51      Vgl. Urteil Bank Refah, Rn. 45 bis 47.


52      Die GASP ist in mancher Hinsicht immer noch ein besonderer Politikbereich. Das institutionelle Gleichgewicht zwischen den Unionsorganen ist anders, mit einer schwächeren Rolle für das Parlament und die Kommission; der Rat beschließt meist einstimmig und Gesetzgebungsakte sind ausgeschlossen. Vgl. u. a. Cremona, M., „‚Effective judicial review is of the essence of the rule of law‘ ‑ Challenging common foreign and security policy measures before the Court of Justice“, European Papers, Bd. 2(2), 2017, S. 671.


53      Vgl. Urteile vom 16. Februar 2022, Ungarn/Parlament und Rat (C‑156/21, EU:C:2022:97, Rn. 127), und vom 16. Februar 2022, Polen/Parlament und Rat (C‑157/21, EU:C:2022:98, Rn. 145).


54      Urteil vom 16. Februar 2022, Ungarn/Parlament und Rat (C‑156/21, EU:C:2022:97, Rn. 232). Vgl. auch Urteil vom 5. Juni 2023, Kommission/Polen (Unabhängigkeit und Privatleben von Richtern) (C‑204/21, EU:C:2023:442, Rn. 67).


55      Vgl. Urteil H, Rn. 41, Urteil Rosneft, Rn. 72, und Urteil Bank Refah, Rn. 35.


56      Vgl. Urteil vom 23. April 1986, Les Verts/Parlament (294/83, EU:C:1986:166, Rn. 23); vgl. aus jüngerer Zeit u. a. auch Urteile vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission (C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 281, im Folgenden: Urteil Kadi I), sowie vom 5. November 2019, EZB u. a./Trasta Komercbanka u. a. (C‑663/17 P, C‑665/17 P und C‑669/17 P, EU:C:2019:923, Rn. 54).


57      Vgl. Urteil vom 27. Februar 2018 (C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn. 32); vgl. jüngst u. a. auch Urteil vom 5. Juni 2023, Kommission/Polen (Unabhängigkeit und Privatleben von Richtern) (C‑204/21, EU:C:2023:442, Rn. 69).


58      Vgl. Urteil vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses (C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn. 32).


59      Vgl. Urteil Kadi I, Rn. 281 bis 284; vgl. u. a. auch Gutachten 2/13, Rn. 169.


60      Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro in der Rechtssache Kadi/Rat und Kommission (C‑402/05 P, EU:C:2008:11, Nr. 34).


61      Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro in der Rechtssache Kadi/Rat und Kommission (C‑402/05 P, EU:C:2008:11, Nr. 44).


62      Vgl. Urteil vom 20. September 2016, Ledra Advertising u. a./Kommission und EZB (C‑8/15 P bis C‑10/15 P, EU:C:2016:701, insbesondere Rn. 55 bis 60 und 67, im Folgenden: Urteil Ledra Advertising).


63      So führte das Gericht in den Rn. 35 bis 39 des angefochtenen Beschlusses aus, dass der vorliegende Fall nicht die Personalverwaltung betreffe, weshalb das Urteil H nicht greife, dass er sich nicht auf das öffentliche Auftragswesen beziehe, weshalb das Urteil Elitaliana nicht greife, und dass er keine restriktiven Maßnahmen zum Gegenstand habe, weshalb das Urteil Bank Refah nicht greife.


64      Auf dieses Vorbringen wurden der erste und der zweite Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes von KS und KD sowie der erste und der dritte Rechtsmittelgrund der Kommission gestützt.


65      Der Gerichtshof stellte also fest, dass eine Nichtigkeitsklage gegen das Parlament erhoben werden konnte, obwohl der Vertrag in seiner damaligen Fassung eine solche Möglichkeit nicht vorsah.


66      Schlussanträge des Generalanwalts Mancini in der Rechtssache Les Verts/Parlament (294/83, nicht veröffentlicht, EU:C:1985:483, Nr. 7; Slg. 1986, 1339, insbesondere S. 1350).


67      Vgl. Urteil Carvalho, Rn. 67 bis 79, insbesondere Rn. 78 (unter Hinweis auf die Feststellungen des Gerichtshofs in den Urteilen vom 25. Juli 2002, Unión de Pequeños Agricultores/Rat, C‑50/00 P, EU:C:2002:462, Rn. 44, und vom 1. April 2004, Kommission/Jégo-Quéré, C‑263/02 P, EU:C:2004:210, Rn. 36).


68      Auf dieses Vorbringen wurden der dritte Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes von KS und KD sowie der vierte Rechtsmittelgrund der Kommission gestützt.


69      Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache SatCen/KF (C‑14/19 P, EU:C:2020:220, Nr. 69).


70      Vgl. angefochtener Beschluss, Rn. 41.


71      Auf dieses Vorbringen wurden der vierte Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes von KS und KD sowie der zweite Rechtsmittelgrund der Kommission gestützt.


72      Selbst wenn der Gerichtshof bei der Auslegung von Rechtsvorschriften bestrebt ist, den Willen des Gesetzgebers zu verstehen und eine Vorschrift dementsprechend auszulegen, wird auch dieser Wille, da er häufig weder im Rechtsakt noch in dessen Entstehungsgeschichte klar zum Ausdruck kommt, zu einem Gegenstand der Entscheidung des Gerichtshofs.


73      Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Rosneft (C‑72/15, EU:C:2016:381, Nr. 52).


74      Vgl. u. a. Van Elsuwege, P., „Judicial review and the common foreign and security policy  limits to the gap-filling role of the Court of Justice“, Common Market Law Review, Bd. 58(6), 2021, S. 1731 (1739). Vgl. auch Lonardo, L., „The political question doctrine as applied to common foreign and security policy“, European Foreign Affairs Review, Bd. 22(4), 2017, S. 571.


75      Der Gerichtshof hat sich bisher noch nicht dazu geäußert, ob es im Unionsrecht so etwas wie eine „Doktrin der politischen Frage“ gibt. Er hat aber das Konzept der unmittelbaren Wirkung für ähnliche Zwecke herangezogen. In bestimmten außenpolitischen Fragen, namentlich bei der Beurteilung der Vereinbarkeit von Rechtsakten der Union mit dem WTO-Recht, hat er von der Ausübung seiner gerichtlichen Kontrollbefugnis abgesehen, um dem politischen Handlungsspielraum der Vertragsparteien dieser Organisation Rechnung zu tragen. Vgl. u. a. Urteil vom 12. Dezember 1972, International Fruit Company u. a. (21/72 bis 24/72, EU:C:1972:115, Rn. 18 und 27); vgl. auch meine Schlussanträge in der Rechtssache EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann (C‑382/21 P, EU:C:2023:576, insbesondere Nrn. 59 bis 64).


76      Zum Zusammenhang zwischen dem institutionellen Gleichgewicht und dem demokratischen Prinzip vgl. Urteil vom 6. September 2017, Slowakei und Ungarn/Rat (C‑643/15 und C‑647/15, EU:C:2017:631, Rn. 160).


77      Es sei erneut auf das Urteil Ledra Advertising verwiesen, in dem der Gerichtshof befand, dass er auch über eine Schadenersatzklage entscheiden kann, die sich auf eine Beteiligung der Kommission am Erlass einer Maßnahme außerhalb des unionsrechtlichen Rahmens bezieht (siehe Nrn. 87 bis 89 dieser Schlussanträge). Nur auf diese Weise kann der Gerichtshof kontrollieren, ob die Kommission die mit den Grundrechten gezogene „rote Linie“ überschritten hat.


78      Vgl. hierzu Art. 52 Abs. 1 der Charta.


79      Vgl. u. a. Urteil vom 28. November 2013, Rat/Manufacturing Support & Procurement Kala Naft (C‑348/12 P, EU:C:2013:776, Rn. 120 bis 126), und Urteil Rosneft, Rn. 146 bis 150.


80      Vgl. hierzu Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Rosneft (C‑72/15, EU:C:2016:381, Nr. 46), wonach die Bezugnahme auf „diese Bestimmungen“ in Art. 24 Abs. 1 EUV die Befugnis des Gerichtshofs zur Überprüfung von GASP-Rechtsakten nur in Bezug auf Bestimmungen in Titel V Kapitel 2 EUV ausschließe, nicht aber in Bezug auf andere Bestimmungen des EU-Vertrags oder die Bestimmungen des AEU-Vertrags.


81      In diesem Punkt stimme ich nicht mit der Ansicht von Generalanwalt Wathelet in dessen Schlussanträgen in der Rechtssache Rosneft (C‑72/15, EU:C:2016:381, Nr. 75) überein, wonach die Auslegung eine begrenztere Tätigkeit sein soll als die Rechtmäßigkeitskontrolle. Natürlich ist es unvermeidlich, dass der Gerichtshof die Bestimmungen, deren Rechtmäßigkeit er prüft, versteht (und somit auslegt). Eine Auslegung kann aber auch außerhalb der Rechtmäßigkeitskontrolle erforderlich sein, um die einheitliche Anwendung dieser Bestimmungen sicherzustellen. Ich halte die Auslegung für eine weiterreichende Befugnis, da sie dem Gerichtshof die Wahl zwischen verschiedenen möglichen Bedeutungen ein und derselben Bestimmung erlaubt.


82      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Rosneft (C‑72/15, EU:C:2016:381, insbesondere Nrn. 39 bis 76).


83      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Rosneft (C‑72/15, EU:C:2016:381, Nr. 42).


84      Siehe Nrn. 67 und 68 sowie Fn. 48 dieser Schlussanträge.


85      Vgl. hierzu Cremona, zitiert in Fn. 52 dieser Schlussanträge, S. 687, wonach die Bezugnahme in Art. 275 Abs. 2 AEUV auf Nichtigkeitsklagen „die Kadi-Rechtsprechung zum Erfordernis eines wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes beim Erlass restriktiver Maßnahmen gegen Einzelne widerspiegelt“.


86      Diese Ansicht vertrat Generalanwältin Kokott in ihrer Stellungnahme im Gutachtenverfahren 2/13 (Beitritt der Union zur EMRK), EU:C:2014:2475, Nrn. 95 und 96. Im vorliegenden Rechtsmittelverfahren vertritt die französische Regierung eine ähnliche Auffassung.


87      Vgl. Stellungnahme der Generalanwältin Kokott im Gutachtenverfahren 2/13 (Beitritt der Union zur EMRK), EU:C:2014:2475, Nrn. 82 bis 103.


88      Vgl. Stellungnahme der Generalanwältin Kokott im Gutachtenverfahren 2/13 (Beitritt der Union zur EMRK), EU:C:2014:2475, insbesondere Nrn. 84 und 89. Ich weise außerdem darauf hin, dass Generalanwalt Wahl in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache H (EU:C:2016:212, Nrn. 89 bis 104) der Auffassung war, dass die nationalen Gerichte zuständig seien. Seine Analyse beruhte aber darauf, dass die Unionsgerichte abgesehen von den in den Verträgen ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen im Bereich der GASP in der Regel keine Zuständigkeit hätten (Nrn. 53, 66 und 71); er stellte zudem fest, dass Erwägungen in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit in solchen Verfahren ohne Belang seien (vgl. Nr. 49).


89      Vgl. u. a. Urteile vom 18. April 2013, Kommission/Systran und Systran Luxembourg (C‑103/11 P, EU:C:2013:245, Rn. 60), und vom 15. Juli 2021, OH (Befreiung von der Gerichtsbarkeit) (C‑758/19, EU:C:2021:603, Rn. 22).


90      Vgl. u. a. Gutman, K., „Action for damages – Court of Justice of the European Union (CJEU)“, in Ruiz Fabri, H. (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of International Procedural Law, Oxford University Press, Oxford, 2019, Nr. 4.


91      Vgl. hierzu Schermers, H. G., und Waelbroeck, D. F., Judicial protection in the European Union, 6. Aufl., Kluwer Law International, The Hague/London/New York, 2001, § 1047.