Language of document : ECLI:EU:C:2012:297

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

ELEANOR SHARPSTON

vom 15. Mai 2012(1)

Rechtssache C‑79/11

Procura della Repubblica

gegen

Maurizio Giovanardi,

Andrea Lastini,

Filippo Ricci,

Vito Piglionica,

Massimiliano Pempori,

Gezim Lakja,

Elettrifer Srl,

Rete Ferroviaria Italiana SpA

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale di Firenze [Italien])

„Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – Strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen – Entschädigungsanspruch der Opfer von Straftaten“






1.        Mit diesem Vorabentscheidungsersuchen wird der Gerichtshof um Auslegung der Bestimmungen des Rahmenbeschlusses 2001/220 über die Stellung des Opfers im Strafverfahren(2), insbesondere von Art. 9 des Beschlusses, ersucht.

2.        Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Opfer von Straftaten Entschädigung für durch die Tat verursachte Schäden nicht nur von natürlichen Personen oder Personen, die die Tat begangen haben, erhalten können, sondern auch von einer juristischen Person, die nach dem nationalen Rechtssystem des betreffenden Mitgliedstaats als für die Begehung der Tat verantwortlich anzusehen ist.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3.        Der Europäische Rat hat auf seiner Sondertagung vom 15. und 16. Oktober 1999 in Tampere zum Aufbau eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in der Europäischen Union u. a. die Ausarbeitung von Mindeststandards für den Schutz der Opfer von Verbrechen beschlossen. Diese Mindeststandards sollten auch Schadensersatzansprüche der Opfer von Verbrechen für Schäden umfassen, die durch Straftaten verursacht werden(3).

4.        Der Rahmenbeschluss wurde zur Umsetzung des vorgenannten Beschlusses erlassen(4).

5.        Die Erwägungsgründe 4, 5 und 7 des Rahmenbeschlusses lauten:

„(4)      Die Mitgliedstaaten sollten ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften angleichen, soweit dies für die Erreichung des Ziels erforderlich ist, um Opfern von Straftaten unabhängig davon, in welchem Land sie sich aufhalten, ein hohes Schutzniveau zu bieten.

(5)      Es ist wichtig, die Bedürfnisse der Opfer auf integrierte und strukturierte Weise zu berücksichtigen und zu behandeln und dabei partielle oder inkohärente Lösungen, die zu sekundärer Viktimisierung führen können, zu vermeiden.

(7)      Die Maßnahmen zur Unterstützung der Opfer von Straftaten und insbesondere die Vorschriften, die sich auf die Entschädigung und die Schlichtung beziehen, betreffen nicht die Lösungen, die dem Zivilverfahren eigen sind.“

6.        Nach den in Art. 1 enthaltenen Definitionen bezeichnet:

„a)      ‚Opfer‘: eine natürliche Person, die einen Schaden … als direkte Folge von Handlungen oder Unterlassungen erlitten hat, die einen Verstoß gegen das Strafrecht eines Mitgliedstaats darstellen;

c)      ‚Strafverfahren‘: das strafrechtliche Verfahren im Sinne des geltenden einzelstaatlichen Rechts“.

Der Begriff „Täter“ wird nicht definiert.

7.        Art. 9 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses („Recht auf Entschädigung im Rahmen des Strafverfahrens“) lautet:

„Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass Opfer einer Straftat ein Recht darauf haben, innerhalb einer angemessenen Frist eine Entscheidung über die Entschädigung durch den Täter im Rahmen des Strafverfahrens zu erwirken, es sei denn, das einzelstaatliche Recht sieht in bestimmten Fällen vor, dass die Entschädigung in einem anderen Rahmen erfolgt.“

 Nationales Recht

8.        Nach Art. 185 des italienischen Codice penale (Strafgesetzbuch) haben Personen, die eine Straftat begangen haben, dem Opfer Entschädigung für jeden Schaden zu leisten, der ihm infolge ihrer Taten entsteht. Diese Taten können auch eine Entschädigungsverpflichtung der (natürlichen oder juristischen) Person oder Personen begründen, die für das Verhalten des Täters verantwortlich sind.

9.        Nach Art. 74 des Codice di procedura penale (Strafprozessordnung) hat das Opfer einer solchen Straftat das Recht, sich dem Verfahren gegen den Angeklagten im Strafprozess als zivilrechtlicher Adhäsionskläger anzuschließen. Im Fall des Obsiegens in diesem Verfahren wird dem Opfer Schadensersatz von dem Angeklagten in gleicher Weise, aber (in den meisten Fällen) zu einem früheren Zeitpunkt zugesprochen, als wenn es wegen des gleichen Schadens eine gesonderte Klage gegen den Angeklagten vor den Zivilgerichten erhoben hätte.

10.      Bis zum Inkrafttreten des Decreto legislativo (Gesetzesverordnung) Nr. 231/2001 (im Folgenden: Decreto legislativo) folgte das italienische Recht dem Grundsatz societas delinquere non potest(5). Es konnte zwar zivilrechtlich eine indirekte Haftung einer juristischen Person für Delikte von Personen bestehen, für die diese verantwortlich war, doch konnte sie selbst nach italienischem Recht nicht wegen der Begehung einer Straftat strafrechtlich verfolgt werden.

11.      Art. 1 des Decreto legislativo sieht eine Verantwortlichkeit juristischer Personen für Delikte vor, die formell als „administrative“ Verantwortlichkeit qualifiziert wird. Diese Bestimmung gilt für Kapitalgesellschaften und Unternehmen mit Rechtspersönlichkeit sowie Vereinigungen, auch wenn diese keine Rechtspersönlichkeit haben. Sie findet jedoch keine Anwendung auf den Staat oder Gebietskörperschaften, nicht wirtschaftlich tätige öffentliche Einrichtungen oder Einrichtungen mit verfassungsmäßigen Aufgaben(6).

12.      Kapitel I des Decreto legislativo ist in drei Teile unterteilt. Der erste von ihnen besteht aus einem allgemeinen Teil, der festlegt, unter welchen Voraussetzungen eine juristische Person nach dem Decreto legislativo verantwortlich genannt werden kann. Der dritte Teil bezeichnet (in Form eines Verweises auf die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs) die konkreten Straftatbestände, bei denen eine Verantwortlichkeit juristischer Personen in Betracht kommen kann.

13.      Im Hinblick auf die anwendbaren Voraussetzungen bezeichnet Art. 5 des Decreto legislativo die natürlichen Personen, die im Fall der Begehung einer Straftat eine Verantwortlichkeit der juristischen Person auslösen können. Im Wesentlichen sind dies a) Personen in geschäftsführender oder leitender Funktion und b) unter der Leitung von Personen in einer solchen Funktion stehende Personen. In den Art. 6 und 7 werden ferner die Voraussetzungen bezeichnet, nach denen der juristischen Person die Verantwortlichkeit zugerechnet werden kann. Wird die jeweilige Straftat durch eine natürliche Person in geschäftsführender oder leitender Funktion begangen, wird die Verantwortlichkeit der juristischen Person vermutet. Die Vermutung kann nur widerlegt werden, wenn die juristische Person nachweisen kann, dass sie ein Organisations- und Geschäftsführungssystem eingerichtet und wirksam angewendet hat, das dazu geeignet ist, die Begehung der jeweiligen Straftaten zu verhindern, oder dass dieses System von der betreffenden natürlichen Person betrügerisch umgangen oder dagegen verstoßen worden ist. Bei natürlichen Personen, die nicht in einer geschäftsführenden oder leitenden Funktion handeln, wird die Verantwortlichkeit der juristischen Person nicht vermutet. Vielmehr ist nachzuweisen, dass die Begehung der Straftat durch einen Verstoß gegen die notwendigen Leitungs- oder Aufsichtspflichten ermöglicht wurde.

14.      Nach Art. 25 septies des Decreto legislativo gehören zu den im besonderen Teil aufgeführten Straftatbeständen auch fahrlässige Tötung und schwere Körperverletzung.

15.      Vier weitere Bestimmungen des Decreto legislativo sind zu erwähnen. Nach Art. 8 ist die Verantwortlichkeit einer juristischen Person für eine Straftat eigenständig, d. h., sie kann auch dann gegeben sein, wenn die natürliche Person, die die jeweilige Straftat begangen hat, nicht ermittelt oder ein Verfahren gegen sie nicht eingeleitet werden kann. Nach Art. 34 sind auf eine juristische Person, die nach den vorgenannten Bestimmungen angeklagt wird, die Verfahrensvorschriften des Decreto legislativo und, soweit anwendbar, der Strafprozessordnung sowie des Decreto legislativo Nr. 271/1989(7) anzuwenden. Nach Art. 35 finden ferner die Verfahrensvorschriften für natürliche Personen, die einer Straftat angeklagt werden, auf eine juristische Person, die nach den vorgenannten Bestimmungen angeklagt wird, insoweit Anwendung, als diese auf sie anwendbar sind. Nach Art. 36 liegt die Zuständigkeit für angeklagte juristische Personen bei dem Strafgericht, das für von natürlichen Personen begangene Straftaten zuständig ist.

16.      Nach Art. 74 der Strafprozessordnung können sich Opfer von Straftaten (oder ihre Rechtsnachfolger) als Adhäsionskläger einem Strafverfahren u. a. gegen die der Straftat angeklagte Person anschließen, um Schadensersatz für den Schaden zu erhalten, der ihnen durch die Straftat entstanden ist.

17.      Art. 83 der Strafprozessordnung lautet:

„Wer zivilrechtlich für Taten eines Angeklagten haftet, kann von [dem Opfer dieser Taten] in einem Strafverfahren vorgeladen lassen werden … Der Angeklagte kann wegen jeder ihn möglicherweise treffenden Haftung für Taten von Mitangeklagten vorgeladen lassen werden, wenn er freigesprochen oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird.“

 Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

18.      Am 2. Oktober 2008 kam es zu einem Unfall an einem Eisenbahnknotenpunkt in der Nähe von Florenz. Dieser Unfall ereignete sich mutmaßlich aufgrund mangelhafter Ausführung von Arbeiten (die strafrechtlich als Fahrlässigkeit im Sinne der Art. 41, 113 und 589 Abs. 2 und 4 des italienischen Strafgesetzbuchs anzusehen ist) durch Herrn Giovanardi und vier weitere natürliche Personen(8). Gegen diese natürlichen Personen wurde am 28. Juli 2010 vom Pubblico Ministero (Staatsanwaltschaft) die Eröffnung eines Strafverfahrens vor dem Ufficio del Giudice delle indagini preliminari (zuständiger Ermittlungsrichter) beim Tribunale di Firenze (Bezirksgericht Florenz) beantragt. Die betreffenden natürlichen Personen waren Arbeitnehmer von Rete Ferroviaria Italiana (im Folgenden: RFI), der im Staatsbesitz stehenden Bahnbetreibergesellschaft. Infolge des Unfalls wurde Herr Marrai getötet, Herrn Bardelli musste ein Bein amputiert werden, und Herr Tomberli wurde schwer verletzt. Die Opfer waren alle ebenfalls Angestellte von RFI.

19.      Mit dem Schriftsatz, mit dem die Eröffnung eines Strafverfahrens gegen die betreffenden natürlichen Personen beantragt wird, wird die Eröffnung eines Strafverfahrens wegen des Unfalls auch gegen zwei juristische Personen beantragt, nämlich Elettri Fer srl (im Folgenden: Elettri Fer) und RFI. Der Antrag stützt sich insoweit u. a. auf Art. 25 septies des Decreto legislativo.

20.      In dem Verfahren vor dem vorlegenden Gericht haben Herr Bardelli und die Bevollmächtigten der Angehörigen von Herrn Marrai (im Folgenden: Kläger des Ausgangsverfahrens) die Zulassung ihrer Zivilklage (im Folgenden: Adhäsionsklage) nach den Art. 74 ff. der Strafprozessordnung beantragt. Sie begehren Schadensersatz für alle ihnen infolge des Unfalls entstandenen Vermögens- und immateriellen Schäden und beantragen die Zulassung ihrer Klage nicht nur gegen die natürlichen Personen, die der in Rede stehenden Straftaten angeklagt werden, sondern auch gegen Elettri Fer und RFI.

21.      Das nationale Gericht hat über einen gegen diesen Antrag gerichteten Einspruch zu entscheiden, der damit begründet wird, dass das italienische Recht Opfern von Straftaten und deren Bevollmächtigten nicht gestatte, in einem Strafverfahren Ansprüche unmittelbar gegen juristische Personen geltend zu machen.

22.      Das vorlegende Gericht führt aus, dass die durch diesen Einspruch aufgeworfene Frage weithin diskutiert werde, jedoch nach seiner Ansicht bisher ungeklärt sei. Nach nationalem Recht seien von juristischen Personen begangene Straftaten solche mittelbarer und subsidiärer Art und daher für die Begehung der in Rede stehenden Straftaten nicht als ursächlich ausschlaggebend anzusehen. Nach Prüfung der für und gegen den Einspruch sprechenden Argumente ist das Gericht der Auffassung, dass die Frage zwar nicht zweifelsfrei zu beantworten sei, das nationale Recht aber bei richtiger Auslegung die Ansicht der den Einspruch erhebenden Beteiligten stütze.

23.      Vor diesem Hintergrund hat das vorlegende Gericht dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist die im Decreto legislativo in geänderter Fassung vorgesehene italienische Regelung im Bereich der administrativen Haftung von Einrichtungen/juristischen Personen dadurch, dass sie nicht „ausdrücklich“ die Möglichkeit enthält, dass Einrichtungen/juristische Personen im Strafverfahren für die den Opfern von Straftaten zugefügten Schäden haftbar gemacht werden können, mit den Gemeinschaftsvorschriften über den Schutz von Opfern von Straftaten im Strafverfahren vereinbar?

24.      Die Bevollmächtigten der Angehörigen von Herrn Marrai, die Regierungen Deutschlands, Italiens, der Niederlande und Österreichs sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. In der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2012 haben die Bevollmächtigten der Angehörigen von Herrn Marrai, die deutsche und die italienische Regierung sowie die Kommission mündliche Erklärungen abgegeben.

 Würdigung

 Vorbemerkungen

 Zuständigkeit des Gerichtshofs

25.      Der Rahmenbeschluss wurde auf Grundlage der Art. 31 und 34 Abs. 2 Buchst. b EUV erlassen. Diese Bestimmungen waren Teil von Titel VI des EU-Vertrags mit der Überschrift „Bestimmungen über die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen“. Art. 35 Abs. 1 EUV sah die Zuständigkeit des Gerichtshofs vor, im Wege der Vorabentscheidung unter den in dieser Bestimmung festgelegten Bedingungen u. a. über die Auslegung von Rahmenbeschlüssen nach diesem Titel zu entscheiden. Zu diesen Bedingungen gehörte auch das Erfordernis nach Art. 35 Abs. 2 EUV, dass ein Mitgliedstaat zunächst eine Erklärung abgeben musste, dass er die Zuständigkeit des Gerichtshofs für Vorabentscheidungen im Sinne des vorstehenden Absatzes anerkenne. Die Italienische Republik hat eine solche Erklärung abgegeben; sie trat zum 1. Mai 1999 in Kraft(9).

26.      Nach Erlass des Rahmenbeschlusses trat der Vertrag von Lissabon in Kraft(10).

27.      Wie der Gerichtshof in der Rechtssache X(11) deutlich gemacht hat, behält der Rahmenbeschluss aufgrund der Art. 9 und 10 Abs. 1 des dem AEU-Vertrag beigefügten Protokolls Nr. 36 über die Übergangsbestimmungen unabhängig vom Inkrafttreten dieses Vertrags Rechtswirkung und bleiben die Vorabentscheidungsbefugnisse des Gerichtshofs unverändert(12).

28.      Somit ist der Gerichtshof dafür zuständig, im Wege der Vorabentscheidung zu entscheiden.

 Richtlinie 2004/80

29.      Auch wenn das vorlegende Gericht dies in der Vorlagefrage nicht konkret formuliert, bringt es doch im Vorlagebeschluss zum Ausdruck, dass es um Hinweise nicht nur zur Auslegung des Rahmenbeschlusses, sondern auch zur Anwendbarkeit der Richtlinie 2004/80(13) auf den vorstehend beschriebenen Sachverhalt ersucht.

30.      Wie aus Art. 1 der Richtlinie eindeutig hervorgeht, findet die Richtlinie nur in Fällen Anwendung, in denen eine „vorsätzliche Gewalttat“ begangen wurde und in denen ein grenzüberschreitendes Element vorliegt. Im vorliegenden Fall bestehen keine Hinweise darauf, dass, soweit es um die Begehung von Straftaten geht, diese vorsätzlich begangen wurden. Ein grenzüberschreitendes Element liegt ebenfalls nicht vor. Nachdem die Richtlinie hier also nicht anwendbar(14) ist, gehe ich darauf nicht weiter ein.

 Vorlagefrage

31.      Mit der Frage ersucht das vorlegende Gericht um Hinweise zur Vereinbarkeit bestimmter Vorschriften des nationalen Rechts mit Art. 9 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses. Das nationale Recht gestattet dem Opfer einer von einer natürlichen Person begangenen Straftat eindeutig, diese Person im Wege einer Adhäsionsklage im Strafverfahren auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen(15). Wenn die Straftat jedoch von einer juristischen Person begangen wurde, ist eine solche Klage nach Ansicht des vorlegenden Gerichts unzulässig und muss das Opfer seinen Anspruch im Wege einer hierzu gesondert zu erhebenden Zivilklage geltend machen(16). Dem Opfer stehe zur Erhebung einer solchen Zivilklage eine Wahl offen. Es könne entweder abwarten, bis die Personen, die die in Rede stehende Straftat begangen hätten, gegebenenfalls rechtskräftig verurteilt worden seien – ein Zeitraum, der (jedenfalls im Fall der Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Verurteilung oder das Strafmaß) in Jahren zu bemessen sein könne –, und dann Klage vor den Zivilgerichten erheben, die wiederum wahrscheinlich weitere Jahre in Anspruch nehmen werde. Oder es könne sofort parallel Zivilklage erheben, wobei selbst dann mit einer „sehr langen“ Verfahrensdauer zu rechnen sei und dies zu erheblich höheren Kosten führe.

32.      Soweit das vorlegende Gericht den Gerichtshof mit seiner Frage um eine Entscheidung über die Vereinbarkeit einer Vorschrift des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht ersucht, fällt dies nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs. Er kann jedoch dem vorlegenden Gericht Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts geben, die es diesem ermöglichen, die Frage der Vereinbarkeit bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens zu beurteilen(17). Wie die Kommission zutreffend anmerkt, kann die Frage umformuliert werden, um dem Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben. Die Frage lautet im Kern, ob Art. 9 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses eine Differenzierung zwischen natürlichen und juristischen Personen, die eine Straftat begangen haben, im Hinblick auf das Recht von Opfern zulässt, im Rahmen des Strafverfahrens gegen diese Personen eine Entschädigung für Schäden zu erhalten, die ihnen aus dieser Straftat entstanden sind.

33.      Die Regierungen Deutschlands, der Niederlande und Österreichs betonen einheitlich den weiten Spielraum, den der Rahmenbeschluss den Mitgliedstaaten bei seiner Umsetzung lasse. Der Gerichtshof hat den insoweit gegebenen weiten Ermessensspielraum in der Tat anerkannt(18). Diesem Punkt kann besondere Bedeutung zukommen, wenn eine Lösung gegen verfassungsrechtliche Bestimmungen des jeweiligen Mitgliedstaats verstößt und ein anderer Lösungsweg nicht(19). Andererseits darf man jedoch nicht aus dem Blick verlieren, dass der Rahmenbeschluss den Mitgliedstaaten Verpflichtungen hinsichtlich der von ihm verfolgten Ziele auferlegen soll. Dies ist daher ein Gebiet, das der Gerichtshof behutsam betreten sollte. Doch bedeutet dies nicht, dass er es überhaupt nicht betreten sollte.

34.      Bevor die Frage zu erörtern ist, wie Art. 9 Abs. 1 auszulegen ist, lohnt sich eine kurze Erwägung dazu, was diese Bestimmung nicht bewirkt. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht zu einer Änderung ihres materiellen Strafrechts dahin, eine strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen einzuführen oder diese zu erweitern(20). Mit anderen Worten verpflichtet sie einen Mitgliedstaat nicht dazu, eine Verantwortlichkeit zu schaffen, wo diese nicht besteht. Ein Mitgliedstaat, dessen Rechtssystem die Möglichkeit einer Verurteilung für Straftaten nur für natürliche Personen vorsieht, verstößt also nicht gegen die Bestimmungen des Rahmenbeschlusses, wenn er nicht vorsieht, dass auch eine Verantwortlichkeit juristischer Personen gegeben sein kann, bei denen eine gewisse, damit zusammenhängende Verantwortlichkeit für die Straftat angenommen werden könnte, und dass solche juristischen Personen Entschädigung nach Art. 9 Abs. 1 zu leisten haben. Das Opfer, das in einem solchen Mitgliedstaat eine Entschädigung für ein Delikt begehrt, für das die betreffende juristische Person mutmaßlich verantwortlich ist, wird eine Zivilklage mit allen nach dem nationalen Rechtssystem damit verbundenen Folgen erheben müssen.

35.      Dies ist hier jedoch nicht der Fall. In der Gesamtbetrachtung des Vorlagebeschlusses, der dem Gerichtshof vorgelegten schriftlichen Erklärungen und der in der mündlichen Verhandlung abgegebenen mündlichen Erklärungen gehe ich davon aus, dass nach italienischem Recht

–        juristische Personen nach den Bestimmungen des Decreto legislativo eine Verantwortlichkeit für die Begehung eines Delikts treffen kann;

–        Delikte, die zur Einleitung eines Strafverfahrens gegen juristische Personen führen können, als administrative Delikte qualifiziert werden; diese Qualifizierung wurde vorgenommen, um mögliche Probleme nach der italienischen Verfassung zu vermeiden, die entstehen könnten, wenn eine von einer juristischen Person begangene Tat ausdrücklich als „Straftat“ qualifiziert würde;

–        die im allgemeinen Teil des Decreto legislativo geregelten Voraussetzungen, durch die das Delikt definiert wird, in Form eines ausdrücklichen Verweises auf die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs gestaltet sind(21);

–        ein von einer juristischen Person begangenes Delikt nicht als die gleiche Tat anzusehen ist wie eine entsprechende, von einer natürlichen Person begangene Tat; diese Verantwortlichkeit als „mittelbar und subsidiär“ qualifiziert wird; die Entstehung einer Verantwortlichkeit der juristischen Person den Nachweis voraussetzt, dass diese für die Handlungen ihrer leitenden Angestellten und/oder Arbeitnehmer verantwortlich ist;

–        hieraus folgt, dass eine juristische Person nicht als unmittelbarer „Täter“ der von einer natürlichen Person begangenen Straftat anzusehen ist;

–        die Verantwortlichkeit der juristischen Person gleichwohl zur grundlegenden Voraussetzung hat, dass ein Delikt von einer natürlichen Person begangen worden ist(22); mit anderen Worten ohne die Begehung einer solchen (Straf-)Tat keine Verantwortlichkeit der betreffenden juristischen Person entstehen kann;

–        Verfahren gegen juristische Personen in die Zuständigkeit der Strafgerichte fallen, den Bestimmungen der Strafprozessordnung unterliegen und mit dem/den Strafverfahren gegen die natürliche(n) Person(en) verbunden werden, die der Begehung des in Rede stehenden Delikts beschuldigt werden(23).

36.      Auch wenn das italienische Recht einem Opfer nicht gestattet, im Strafverfahren eine juristische Person auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, indem es sich diesem Verfahren als Adhäsionskläger nach Art. 74 der Strafprozessordnung anschließt, kann dasselbe Ergebnis in der Praxis wohl auf anderem Weg erreicht werden. In einem Urteil vom Oktober 2010 entschied die sechste Strafkammer der Corte suprema di cassazione:

„… nach dem im Decreto legislativo festgelegten Verfahren wird die Stellung des Opfers in jedem Fall garantiert, weil es nicht nur die Möglichkeit hat, sofort Schritte einzuleiten, um seine Interessen durch Erhebung einer Zivilklage zu schützen, sondern die juristische Person auch mit Blick auf deren zivilrechtliche Haftung nach Art. 83 der Strafprozessordnung im Verfahren zur Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Täters eines Delikts vorladen lassen kann, das im Interesse oder zugunsten der juristischen Person begangen worden ist, und diese Möglichkeit – im Allgemeinen – in demselben Verfahren besteht, das auch zur Feststellung der Verantwortlichkeit der juristischen Person eingeleitet wird.“(24)

37.      Natürlich ist es Sache des vorlegenden Gerichts zu prüfen, ob die vorstehenden Ausführungen die Rechtslage nach italienischem Recht zutreffend wiedergeben.

38.      Sind die Regelungen, die ich vorstehend beschrieben habe, mit Art. 9 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses vereinbar?

39.      Art. 9 Abs. 1 schützt die Opfer von Straftaten, indem er die Mitgliedstaaten verpflichtet, Regelungen für eine Entschädigung der Opfer innerhalb angemessener Frist über den Weg des Strafverfahrens zu schaffen. Indem sie eine Entscheidung über ihre Ansprüche auf diesem Weg erwirken können, sollen Opfer, wie die Kommission ausführt, von einem Verfahren profitieren, das sowohl schneller ist als auch geringere Kosten verursacht, als wenn sie ihre Ansprüche im Wege der Erhebung einer gesonderten Zivilklage geltend machen müssten.

40.      Die Vorschrift ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil sieht als allgemeine Regelung die Verpflichtung der Mitgliedstaaten vor, zu gewährleisten, dass Opfer von Straftaten das Recht haben, innerhalb einer angemessenen Frist eine Entscheidung über eine Entschädigung durch den Täter im Rahmen des Strafverfahrens zu erwirken. Der zweite Teil bildet eine Ausnahme von dieser allgemeinen Regelung. Diese findet Anwendung, wenn das einzelstaatliche Recht „in bestimmten Fällen“ vorsieht, dass die Entschädigung in einem anderen Rahmen erfolgt.

41.      Ich gehe zunächst auf die allgemeine Regelung im ersten Teil von Art. 9 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses und danach auf die Ausnahme im zweiten Teil ein.

 Allgemeine Regelung

42.      Was sind die wesentlichen Voraussetzungen, unter denen die Mitgliedstaaten nach Art. 9 Abs. 1 verpflichtet sind, zu gewährleisten, dass über die Entschädigung des Opfers für Schäden, die ihm aus einer Straftat entstanden sind, innerhalb angemessener Frist entschieden wird? Erstens muss eine Straftat vorliegen. Zweitens muss nach dem Rechtssystem des betreffenden Mitgliedstaats die Möglichkeit bestehen, wegen dieser Tat ein Strafverfahren gegen den Angeklagten einzuleiten. Drittens muss ein Strafverfahren anhängig sein.

43.      Bildet man ein einfaches Beispiel, wird die Anwendung dieser Voraussetzungen deutlich. Nehmen wir an, in einem bestimmten Mitgliedstaat verursacht „X“ durch leichtfertiges Fahrverhalten bei Gelegenheit der Erfüllung seines Arbeitsverhältnisses mit „Y“ (einer juristischen Person) einen Unfall, durch den ein oder mehrere Opfer geschädigt werden. Der Mitgliedstaat erkennt grundsätzlich die Verantwortlichkeit von Unternehmen für Straftaten an und sieht die Einleitung von Strafverfahren auf übliche Weise vor den Strafgerichten gegen juristische Personen vor, die dieser Taten beschuldigt werden. Nehmen wir weiter an, dass der Begriff des „Täters“ in Art. 9 Abs. 1 auch auf juristische Personen Anwendung finden kann (ich komme auf diesen Punkt nachfolgend zurück(25)). Wegen des Unfalls werden sowohl X (als natürliche Person, die an der Verursachung des Unfalls direkt beteiligt war) als auch Y (als juristische Person, die für die Verursachung indirekt verantwortlich ist) vor den Strafgerichten angeklagt. Die ihnen zur Last gelegten Delikte stehen in einem engen Zusammenhang. Hier ist eindeutig, dass der Rahmenbeschluss einen Mitgliedstaat, dessen Rechtssystem noch keine Möglichkeit für Opfer vorsieht, Entschädigungsansprüche im Strafverfahren geltend zu machen und (im Fall ihrer Berechtigung) durchzusetzen, verpflichtet, sein nationales Recht zu ändern, um den Anforderungen von Art. 9 Abs. 1 gerecht zu werden.

44.      Der vorliegende Fall liegt jedoch nicht so einfach.

45.      Um nun auf die oben in Nr. 42 genannten Voraussetzungen der Reihe nach zurückzukommen, stellt erstens der Rahmenbeschluss meines Erachtens weniger auf die technische Qualifizierung der „Straftat“ nach nationalem Recht als vielmehr auf ihre wesentliche Natur ab. Der Rahmenbeschluss hat den Inhalt im Blick und nicht die Form. Der Gerichtshof verweist zwar auf den weiten Ermessensspielraum, den die nationalen Behörden bei der Auswahl der konkreten Mittel zur Umsetzung der dem Rahmenbeschluss zugrunde liegenden Ziele haben, hat aber auch entschieden, dass der Beschluss teleologisch auszulegen ist, um ihm nicht seine praktische Wirksamkeit zu nehmen(26).

46.      Es kann daher für die Beurteilung, ob ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 vorliegt, nicht relevant sein, dass das nationale Rechtssystem die in Rede stehende Tat als „mittelbar und subsidiär“ qualifiziert. Die Verantwortlichkeit von Unternehmen für Rechtsverstöße wird ihrem Wesen nach selten unmittelbar oder primär sein. Der Vollständigkeit halber füge ich hinzu, dass nicht erforderlich ist, dass natürliche und juristische Personen wegen der gleichen Handlung angeklagt sind. Auch setzt Art. 9 Abs. 1 für seine Anwendbarkeit auf juristische Personen keine vorherige Anklageerhebung gegen eine oder mehrere natürliche Personen wegen des in Rede stehenden Delikts voraus.

47.      Auch in Bezug auf die Qualifizierung eines Rechtsverstoßes einer juristischen Person im italienischen Recht als „administrativ“(27) muss meines Erachtens der gleiche Auslegungsgrundsatz gelten. Aus dem vierten Erwägungsgrund des Rahmenbeschlusses geht eindeutig hervor, dass Ziel des Beschlusses ist, Opfern von Straftaten „ein hohes Schutzniveau“ zu gewähren. Nach Art. 9 Abs. 1 besteht eines der Mittel, mit denen dieses Ziel erreicht werden soll, in der Möglichkeit der Opfer, eine Entschädigung im Wege des Strafverfahrens erwirken zu können, das wegen des Delikts eingeleitet wird, das den betreffenden Schaden verursacht hat. Ich erkenne selbstverständlich an, dass der Erlass des Rahmenbeschlusses die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, eine strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen in ihr nationales Recht einzuführen, wenn diese zuvor nicht Bestandteil ihres Rechtssystems war(28). Allerdings kann meines Erachtens ein Mitgliedstaat, der eine solche Verantwortlichkeit als Bestandteil seines Rechtssystems anerkennt, dann nicht aus im Wesentlichen formalen Gründen von seiner Verpflichtung entbunden werden, den nach Art. 9 Abs. 1 vorgesehenen Schutz zu gewähren.

48.      Hier sieht das Rechtssystem des in Rede stehenden Mitgliedstaats die Entstehung einer Verantwortlichkeit juristischer Personen für Delikte nach Regelungen vor, wonach (1) die Voraussetzungen, durch die das Delikt definiert wird, in Form eines Verweises auf die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs gestaltet sind, (2) die Verantwortlichkeit für diese Tat zur grundlegenden Voraussetzung hat, dass ein Delikt von einer natürlichen Person begangen worden ist, und (3) Verfahren gegen juristische Personen in die Zuständigkeit der Strafgerichte fallen, den Bestimmungen der Strafprozessordnung unterliegen und im Regelfall mit dem/den Verfahren gegen die natürliche(n) Person(en) verbunden werden, die der Begehung des in Rede stehenden Delikts beschuldigt werden. Art. 9 Abs. 1 bedarf einer teleologischen Auslegung, die den Inhalt über die Form stellt. Demnach reicht die Tatsache, dass das nationale Recht die Verantwortlichkeit juristischer Personen für Delikte als „administrativ“ qualifiziert, meiner Ansicht nach nicht aus, um die Anwendung dieses Artikels und somit die Verpflichtung, den Opfern solcher Delikte Schutz zu bieten, auszuschließen.

49.      Zweitens muss wegen der in Rede stehenden Handlung ein Verfahren gegen einen Täter eingeleitet worden sein. Der Rahmenbeschluss definiert zwar in Art. 1 Buchst. a den Begriff „Opfer“, enthält aber keine entsprechende Definition des Ausdrucks „Täter“(29). Unter diesen Umständen kommt diesem Ausdruck meines Erachtens seine natürliche und gewöhnliche Bedeutung zu. Es ist ein weiter Begriff, der in einem Zusammenhang verwendet wird, in dem der Gesetzgeber eine engere Formulierung gewählt hätte, wenn er dies gewollt hätte. Ich komme daher ohne große Schwierigkeiten zu dem Schluss, dass „Täter“ dahin auszulegen ist, dass hierunter nicht nur natürliche Personen, sondern auch juristische Personen fallen, denen die Begehung von Delikten zur Last gelegt wird.

50.      Drittens muss ein Strafverfahren anhängig sein. Diese Voraussetzung ist selbstverständlich; andernfalls wäre Art. 9 Abs. 1 sinnlos. Nach Art. 1 Buchst. c des Rahmenbeschlusses ist dieser Begriff im Sinne des geltenden einzelstaatlichen Rechts zu verstehen. Mit anderen Worten gibt es keine europaweit vereinheitlichte begriffliche Festlegung, was unter den Begriff „Strafverfahren“ fällt. Nachdem im vorliegenden Fall kein Zweifel darüber ersichtlich ist, dass es sich bei dem in Rede stehenden Verfahren um ein Strafverfahren handelt – was von der italienischen Regierung in der mündlichen Verhandlung bestätigt wurde(30) –, gehe ich auf diesen Punkt nicht weiter ein.

51.      Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist der in Rede stehende Mitgliedstaat verpflichtet, zu gewährleisten, dass sein nationales Recht Bestimmungen enthält, nach denen das Opfer eines Delikts sich an dem Strafverfahren in einer Form beteiligen kann, die ihm im Rahmen dieses Verfahrens die Geltendmachung eines Anspruchs auf angemessene Entschädigung gegen den Angeklagten ermöglicht. Dies schließt juristische Personen ein.

52.      Ich habe oben in Nr. 36 ein Urteil der Corte suprema di cassazione zitiert, auf das die italienische Regierung den Gerichtshof in ihren Erklärungen hinweist und das Gegenstand langer Erörterung in der mündlichen Verhandlung war. Nach diesem Urteil gestattet Art. 74 der Strafprozessordnung Opfern von Delikten, an denen eine juristische Person beteiligt ist, in der Tat nicht, eine Adhäsionsklage in einem Verfahren gegen die juristische Person zu erheben. Trotzdem werden sie de facto geschützt, weil sie (1) eine Zivilklage erheben können, um ihre Ansprüche gegen diese Personen zu verfolgen, und (2) aufgrund von Art. 83 dieses Gesetzes ihren Anspruch auf anderem Weg vor die Strafgerichte bringen können. Der erste Punkt – d. h. die Möglichkeit der Erhebung einer Zivilklage – ist für die vorliegende Erörterung nicht relevant. Das vorlegende Gericht hat schließlich darauf hingewiesen, dass mit diesem Weg wahrscheinlich ein größerer Zeitaufwand verbunden sei(31). Wenn dem so ist, wird der mit dem Rahmenbeschluss angestrebte Schutz nicht erreicht. Demgegenüber erscheint mir die Möglichkeit eines Vorgehens nach Art. 83 des Gesetzes möglicherweise relevant. Wenn dies tatsächlich ein möglicher Weg für Opfer solcher Delikte ist, hat die Tatsache, dass sie nach italienischem Recht möglicherweise keine Adhäsionsklage in diesem Verfahren erheben können, keine Bedeutung für die Frage, ob das nationale Recht die Anforderungen nach Art. 9 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses erfüllt.

53.      Die Beteiligten haben unterschiedliche Auffassungen zur Anwendbarkeit dieses Urteils im Ausgangsverfahren geäußert. Wie diese Frage zu entscheiden ist, ist Sache des vorlegenden Gerichts.

54.      Im Licht aller vorstehenden Erwägungen bin ich der Auffassung, dass die allgemeine Regelung im ersten Teil von Art. 9 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses dahin auszulegen ist, dass für den Fall, dass ein Mitgliedstaat in seinem nationalen Rechtssystem die Möglichkeit der Einleitung eines Verfahrens wegen eines Delikts gegen juristische Personen vorsieht, die Tatsache, dass dieses Rechtssystem die Verantwortlichkeit für eine solche Tat als „mittelbar und subsidiär“ und/oder „administrativ“ qualifiziert, den Mitgliedstaat nicht von der Verpflichtung entbindet, die Bestimmungen dieses Artikels auf juristische Personen anzuwenden, wenn (1) die Voraussetzungen, durch die das Delikt definiert wird, in Form eines Verweises auf die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs gestaltet sind, (2) die Verantwortlichkeit für diese Tat zur grundlegenden Voraussetzung hat, dass ein Delikt von einer natürlichen Person begangen worden ist, und (3) Verfahren gegen juristische Personen in die Zuständigkeit der Strafgerichte fallen, den Bestimmungen der Strafprozessordnung unterliegen und im Regelfall mit dem/den Verfahren gegen die natürliche(n) Person(en) verbunden werden, die der Begehung des in Rede stehenden Delikts beschuldigt werden.

 Ausnahme

55.      Die allgemeine Regelung des Art. 9 Abs. 1 findet keine Anwendung, wenn „…das einzelstaatliche Recht … in bestimmten Fällen vor[sieht], dass die Entschädigung in einem anderen Rahmen erfolgt“.

56.      Die deutsche und die niederländische Regierung sind der Ansicht, dass die Ausnahme auf den Fall des Ausgangsverfahrens Anwendung finde. Wenn es Opfern offenstehe, Ansprüche gegen die juristischen Personen, die der Begehung der Straftaten beschuldigt würden, vor den Zivilgerichten zu verfolgen, sei ein Mitgliedstaat nicht verpflichtet, zu gewährleisten, dass die Ansprüche im Wege des Strafverfahrens gegen diese Personen geltend gemacht werden könnten.

57.      Diese Ansicht teile ich nicht.

58.      Als Abweichung von der allgemeinen Regelung des ersten Teils von Art. 9 Abs. 1 ist die Ausnahme eng auszulegen(32). Eine Auslegung der Ausnahme dahin, dass von der allgemeinen Regelung alle Fälle ausgenommen sind, die eine bestimmte Kategorie von Straftätern, d. h. juristische Personen, betreffen, liefe Gefahr, die Ausnahme zur Regel zu machen. Dieses Ergebnis kann der Gesetzgeber nicht beabsichtigt haben. Die Ausnahme soll nach ihrem Wortlaut „in bestimmten Fällen“ Anwendung finden. Insoweit möchte ich auf die Materialien (travaux préparatoires) zum Rahmenbeschluss verweisen, in denen eine Beratung festgehalten ist, die im Rahmen der Tagung der zuständigen Gruppe des Rates stattfand, auf der der Text des Rahmenbeschlusses zur Beratung vorlag(33). Das Protokoll dieser Tagung hält fest, dass die Delegationen Schwedens, Österreichs und Deutschlands vorschlugen, den in Rede stehenden Passus(34) zu streichen. Das Protokoll hält weiter fest, dass die (französische) Präsidentschaft hervorhob, dass „Absatz 1 ohne [diesen] Passus inhaltslos“ wäre.

59.      Dies bedeutet nicht, dass es nicht auch Umstände geben kann, unter denen die Ausnahme zur Anwendung kommt. Insoweit bin ich mit der Kommission der Ansicht, dass objektive Umstände vorliegen müssen, die dies rechtfertigen. Dies könnten u. a. Fälle sein, in denen die allgemeine Regelung aus praktischen Gründen nicht anwendbar ist, z. B., wenn der aus der Straftat entstandene Schaden nicht oder nicht hinreichend genau dargelegt werden kann, um den Anspruch bis zum Abschluss des Strafverfahrens gegen den Täter vorzutragen. Eine Ausnahme juristischer Personen als Kategorie vom Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 1 ist jedoch objektiv nicht zu rechtfertigen.

60.      Ich komme daher zu dem Schluss, dass die im zweiten Teil von Art. 9 Abs. 1 geregelte Ausnahme von der allgemeinen Regelung nicht dahin ausgelegt werden kann, dass diese alle Fälle, die eine bestimmte Kategorie von Straftätern, wie etwa juristische Personen, betreffen, von der allgemeinen Regelung im ersten Teil dieses Artikels ausnimmt.

 Schlussbemerkungen

 Anwendung der vorgenannten Grundsätze

61.      Im Fall des Ausgangsverfahrens wird das vorlegende Gericht in folgenden Schritten vorzugehen haben. Erstens wird es zu entscheiden haben, ob eine Straftat im Sinne von Art. 9 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses von den betroffenen Rechtssubjekten begangen worden ist. Zur Entscheidung dieser Frage sollte es nicht nur von den nationalen Regelungen zur Natur eines Delikts, sondern auch von den oben in Nr. 48 dargestellten Grundsätzen ausgehen. Zweitens wird es zu prüfen haben, ob diese Personen als Straftäter im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sind. Bei der Beurteilung dieser Frage sollte es die Ausführungen oben in Nr. 49 berücksichtigen. Drittens wird es zu prüfen haben, ob das in Rede stehende Verfahren ein Strafverfahren im Sinne dieser Bestimmung ist. Dabei sollte es von den oben in Nr. 50 angeführten Erwägungen ausgehen. Schließlich wird es festzustellen haben, ob außergewöhnliche Umstände vorliegen, die die Anwendung der im zweiten Teil von Art. 9 Abs. 1 geregelten Ausnahme rechtfertigen. Wenn es danach feststellt, dass die allgemeine Regelung und nicht die Ausnahme Anwendung findet, wird es weiter zu prüfen haben, ob das nationale Recht den Anforderungen der allgemeinen Regelung tatsächlich gerecht wird.

62.      Dazu möchte ich folgende allgemeine Anmerkungen beitragen.

63.      Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass der Grundsatz, dass das nationale Recht im Einklang mit dem Unionsrecht auszulegen ist, für nach Titel VI des Vertrags über die Europäische Union ergangene Rahmenbeschlüsse verbindlich ist. Das vorlegende Gericht, das bei der Anwendung des nationalen Rechts einen Rahmenbeschluss auszulegen hat, muss sich dabei so weit wie möglich an Wortlaut und Zweck des Rahmenbeschlusses ausrichten, um das mit ihm angestrebte Ergebnis zu erreichen und so den Bestimmungen des Vertrags zu entsprechen(35).

64.      Der Gerichtshof hat jedoch ebenfalls wiederholt entschieden, dass die Verpflichtung des vorlegenden Gerichts, das nationale Recht im Einklang mit dem Unionsrecht auszulegen, durch allgemeine Rechtsgrundsätze, insbesondere den Grundsatz der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot, begrenzt ist. Mit anderen Worten darf der Grundsatz nicht zu einer Auslegung contra legem des nationalen Rechts führen. Der Grundsatz verlangt jedoch, dass das vorlegende Gericht gegebenenfalls das gesamte nationale Recht berücksichtigt, um zu beurteilen, inwieweit es so angewendet werden kann, dass kein dem Rahmenbeschluss widersprechendes Ergebnis erzielt wird(36).

65.      Schließlich führt das vorlegende Gericht an, dass die von den Klägern des Ausgangsverfahrens geltend gemachte Auslegung des nationalen Rechts gegen eine Regelung des nationalen Rechts verstoßen könne, wonach die analoge Anwendung der Bestimmungen des Strafgesetzbuchs in malam partem (zu Ungunsten des Täters) ausgeschlossen sei.

66.      Eine solche Anwendung strafrechtlicher Bestimmungen ist nicht nur nach nationalem Recht verboten. Bereits 1963 entschied die Europäische Kommission für Menschenrechte, dass eine solche Anwendung gegen Art. 7 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (im Folgenden: EMRK oder Konvention) verstoße, wonach niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden darf, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war(37). Einen ähnlichen Ansatz vertritt auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Rechtsprechung(38).

67.      Art. 7 Abs. 1 EMRK hat den gleichen Wortlaut wie der entsprechende Teil von Art. 49 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta). Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 gilt die Charta als Primärrecht(39). Nach Art. 52 Abs. 3 der Charta haben darin verankerte Rechte, die den durch die Konvention garantierten Rechten entsprechen, die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der Konvention verliehen werden.

68.      Ob eine analoge Anwendung in malam partem der Bestimmungen des nationalen Strafrechts gegen nationales Recht verstößt, ist eine offene Frage (zu der ich keine Stellung beziehe). Zu klären bleibt jedoch die Frage der Anwendung dieses Grundsatzes im Zusammenhang mit Art. 9 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses.

69.      Art. 9 Abs. 1 verpflichtet einen Mitgliedstaat nicht, das nationale Strafrecht materiell in irgendeiner Form zu ändern(40). Diese Bestimmung berührt auch nicht das Maß der Entschädigung, die einem Opfer für aus der Begehung eines Delikts entstandene Schäden zu zahlen ist – der Rahmenbeschluss enthält keinerlei Bestimmung dahin, dass bei der Berechnung des fraglichen Betrags zwischen Straf- und Zivilverfahren unterschiedlich zu verfahren ist. Im Einklang mit dem Ziel, die Interessen der Opfer von Straftaten zu schützen, besteht die Wirkung des Beschlusses vielmehr darin, dass der Zeitpunkt, zu dem die fragliche Entschädigung zu zahlen ist, vorverlegt wird. Dies ist eine Verfahrensfrage; sie betrifft in keiner Weise die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Verpflichteten. Daher ist meines Erachtens kein Grund ersichtlich, warum der Grundsatz in malam partem auf die von mir in diesen Schlussanträgen vertretene Auslegung von Art. 9 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses anwendbar sein sollte.

 Ergebnis

70.      Demnach bin ich der Auffassung, dass der Gerichtshof die vom Tribunale di Firenze vorgelegten Fragen wie folgt beantworten sollte:

Die allgemeine Regelung im ersten Teil von Art. 9 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 15. März 2001 über die Stellung des Opfers im Strafverfahren (2001/220/JI) ist dahin auszulegen, dass für den Fall, dass ein Mitgliedstaat in seinem nationalen Rechtssystem die Möglichkeit der Einleitung eines Verfahrens wegen eines Delikts gegen juristische Personen vorsieht, die Tatsache, dass dieses Rechtssystem die Verantwortlichkeit für eine solche Tat als „mittelbar und subsidiär“ und/oder „administrativ“ qualifiziert, den Mitgliedstaat nicht von der Verpflichtung entbindet, die Bestimmungen dieses Artikels auf juristische Personen anzuwenden, wenn (1) die Voraussetzungen, durch die das Delikt definiert wird, in Form eines Verweises auf die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs gestaltet sind, (2) die Verantwortlichkeit für diese Tat zur grundlegenden Voraussetzung hat, dass ein Delikt von einer natürlichen Person begangen worden ist, und (3) Verfahren gegen juristische Personen in die Zuständigkeit der Strafgerichte fallen, den Bestimmungen der Strafprozessordnung unterliegen und im Regelfall mit dem/den Verfahren gegen die natürliche(n) Person(en) verbunden werden, die der Begehung des in Rede stehenden Delikts beschuldigt werden.

Die im zweiten Teil von Art. 9 Abs. 1 geregelte Ausnahme von dieser allgemeinen Regelung ist eng auszulegen. Sie kann nicht dahin ausgelegt werden, dass sie alle Fälle, die eine bestimmte Kategorie von Straftätern, wie etwa juristische Personen, betreffen, von der allgemeinen Regelung im ersten Teil dieses Artikels ausnimmt.


1 Originalsprache: Englisch.


2 – Rahmenbeschluss 2001/220/JI des Rates vom 15. März 2001 über die Stellung des Opfers im Strafverfahren (ABl. L 82, S. 1) (im Folgenden: Rahmenbeschluss).


3 – Siehe Nr. 32 der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Tampere vom 15. und 16. Oktober 1999.


4 – Siehe den dritten Erwägungsgrund des Rahmenbeschlusses.


5 – Oder wie es im Vorlagebeschluss auch heißt: „no soul to damn, no body to kick“.


6 – In der mündlichen Verhandlung wurde bestätigt, dass keine der in Nr. 19 genannten juristischen Personen unter diese Ausnahme fällt.


7 – Gesetzesverordnung vom 28. Juli 1989 betreffend Umsetzungs-, Koordinierungs- und Übergangsbestimmungen zum Strafgesetzbuch.


8 – Dies ist die im Vorlagebeschluss wiedergegebene Sach- und Rechtslage. Die Akte des nationalen Gerichts legt nahe, dass es sich tatsächlich um insgesamt sechs natürliche Personen handelt, die der in Rede stehenden Delikte angeklagt werden, was sich auch in der Aufstellung der Beteiligten auf dem Deckblatt dieser Schlussanträge spiegelt.


9 – Siehe hierzu Information über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrags von Amsterdam (ABl. 1999, L 114, S. 56).


10 – Am 1. Dezember 2009.


11 – Urteil des Gerichtshofs vom 21. Dezember 2011, Strafverfahren gegen X (C‑507/10, Slg. 2011, I‑14241, Randnrn. 18 bis 22).


12 – Nach Art. 10 Abs. 3 des Protokolls endet die Gültigkeit der Übergangsbestimmung, die Art. 10 Abs. 1 darstellt, sofern die Maßnahme, zu der sie gehört, nicht geändert wird, fünf Jahre nach dem Datum des Inkrafttretens des Vertrags von Lissabon, d. h. am 30. November 2014.


13 – Richtlinie 2004/80/EG des Rates vom 29. April 2004 zur Entschädigung der Opfer von Straftaten (ABl. L 261, S. 15).


14 – Vgl. hierzu Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2007, DellʼOrto (C‑467/05, Slg. 2007, I‑5557, Randnr. 57).


15 – Nach Art. 74 der Strafprozessordnung.


16 – Vgl. unten, Nr. 36.


17 – Siehe in diesem Sinne u. a. Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juni 2006, WWF Italia u. a. (C‑60/05, Slg. 2006, I‑5083, Randnr. 18).


18 – Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 21. Oktober 2010, Eredics und Sápi (C‑205/09, Slg. 2010, I‑8263, Randnr. 38).


19 – Zur Rechtslage in Italien vgl. unten, Nr. 35.


20 – Siehe in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in den verbundenen Rechtssachen Gueye und Salmerón Sánchez (C‑483/09 und C‑1/10, Urteil vom 15. September 2011, Slg. 2011, I‑8263, Nr. 39).


21 – Siehe oben, Nr. 12.


22 – Siehe Urteil der Corte suprema di cassazione (Oberstes Kassationsgericht) vom 5. Oktober 2010, Ziff. 11.2.2, in dem das Gericht die Begehung einer Straftat durch natürliche Personen als eine „grundlegende Voraussetzung“ (presupposto fondamentale) für das Entstehen einer Verantwortlichkeit der juristischen Person bezeichnet, die für deren Verhalten verantwortlich ist.


23 – Eine Verbindung findet (selbstverständlich) nicht statt, wenn Art. 8 des Decreto legislativo Anwendung findet und das Verfahren allein gegen die juristische Person eröffnet wird.


24 –      Vgl. Ziffer 11.2.5 des oben in Fn. 22 angeführten Urteils.


25 – Siehe Nr. 49.


26 – Siehe hierzu Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2011, Gueye und Salmerón Sánchez (C‑438/09 und C‑1/10, Slg. 2011, I‑8263, Randnrn. 57 und 58). Auch wenn Gegenstand dieser Entscheidung die Auslegung von Art. 3 des Rahmenbeschlusses war, stehen die Art. 3 und 9 beide im Zusammenhang mit einem Beschluss, der das Ziel verfolgt, die Bedürfnisse der Opfer zu berücksichtigen und auf integrierte Weise zu behandeln. Es besteht meines Erachtens kein Grund, Art. 9 insoweit anders auszulegen als Art. 3.


27 – Siehe oben, Nr. 11.


28 – Siehe oben, Nr. 34.


29 – Diese Frage wurde in der mündlichen Verhandlung der Rechtssache, in der das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Dell’Orto, angeführt oben in Fn. 14, ergangen ist, und in den Schlussanträgen von Generalanwältin Kokott in jener Rechtssache erörtert. Die Rechtssache Dell’Orto hat zwar bestätigt, dass unter dem Begriff „Opfer“ sowohl bei wörtlicher als auch teleologischer Auslegung ausschließlich natürliche Personen zu verstehen sind, doch gibt sie keinen Hinweis auf die richtige Auslegung des Ausdrucks „Täter“.


30 – Nach Art. 36 des Decreto legislativo. Vgl. oben, Nr. 15.


31 – Siehe oben, Nr. 31.


32 – Siehe dazu die Schlussanträge der Generalanwältin in der Rechtssache Dell’Orto, oben in Fn. 14 angeführt, Nrn. 81 und 82.


33 – Siehe Bericht der Gruppe „Strafrechtliche Zusammenarbeit“ vom 11. Juli 2000, 10387/00 COPEN 54.


34 – Zu diesem Zeitpunkt lautete der fragliche Wortlaut „für einige Sonderfälle“. Die Streichung des Wortes „Sonder-“ ist meines Erachtens unerheblich.


35 –      Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juni 2005, Pupino (C‑105/03, Slg. 2005, I‑5285, Randnr. 43).


36 –      Vgl. hierzu Urteil in der Rechtssache Pupino, oben in Fn. 35 angeführt, Randnrn. 44 und 47. Siehe in einem anderen Zusammenhang auch Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2004 in den verbundenen Rechtssachen Pfeiffer u. a. (C‑397/01 bis C‑403/01, Slg. 2004, I‑8835, Randnrn. 118 und 119).


37 – Siehe Rechtssache X gegen Österreich, Beschwerde-Nr. 1852/63, Jahrbuch 8, S. 190 ff., 198. Siehe auch Rechtssache X gegen Vereinigtes Königreich, Beschwerde-Nr. 6683/74, D & R 3, S. 95.


38 – Siehe Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 25. Mai 1993, Kokkinakis/Griechenland, Slg. A260‑A, Randnr. 51.


39 – Siehe Art. 6 Abs. 1 EUV.


40 – Siehe oben, Nr. 34.