Language of document : ECLI:EU:T:2013:249

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

16. Mai 2013(*)

„Gemeinschaftsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Gemeinschaftsbildmarke SEBA TRADITION – Ältere nationale Bildmarke JOHANN WILHELM VON EICKEN TRADITION – Relatives Eintragungshindernis – Verwechslungsgefahr – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑508/10

Seba Diş Tįcaret ve Naklįyat AŞ mit Sitz in Maltepe (Türkei), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt H. Wilde,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch G. Schneider als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin im Verfahren vor dem Gericht:

Joh. Wilh. von Eicken GmbH mit Sitz in Lübeck (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. Rohnke und F. Thiering,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 18. August 2010 (Sache R 559/2009-4) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen der Joh. Wilh. von Eicken GmbH und der Seba Diş Tįcaret ve Naklįyat AŞ

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Papasavvas (Berichterstatter) sowie der Richter V. Vadapalas und K. O’Higgins,

Kanzler: T. Weiler,

aufgrund der am 19. Oktober 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 9. Februar 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des HABM,

aufgrund der am 1. Februar 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 2013

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 18. Juli 2000 meldete die Klägerin, die Seba Diş Tįcaret ve Naklįyat AŞ, nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um folgendes Bildzeichen:

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3        Die Waren, für die die Eintragung beantragt wurde, gehören zur Klasse 34 im Sinne des Abkommens von Nizza vom 15. Juni 1957 über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken in revidierter und geänderter Fassung und entsprechen der Beschreibung „Tabakwaren, insbesondere Zigaretten, Zigarillos, Zigarren, Pfeifentabak und Raucherartikel, Feuerzeuge“.

4        Die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 24/2001 vom 12. März 2001 veröffentlicht.

5        Die Marke wurde am 22. August 2001 eingetragen.

6        Am 23. November 2007 beantragte die Streithelferin, die Joh. Wilh. von Eicken GmbH, nach Art. 52 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 53 der Verordnung Nr. 207/2009) die Nichtigerklärung der genannten Marke hinsichtlich aller oben in Randnr. 3 aufgeführten Waren.

7        Der Antrag auf Nichtigerklärung wurde auf die am 29. Mai 2000 unter der Nr. 30025616 in Deutschland eingetragene nationale Bildmarke gestützt, die zum Teil dieselben Waren der Klasse 34 bezeichnet und dem nachfolgend wiedergegebenen Zeichen entspricht:

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8        Der Antrag auf Nichtigerklärung wurde mit den in Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009) in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) geregelten Nichtigkeitsgründen begründet.

9        Am 30. März 2009 gab die Nichtigkeitsabteilung dem Antrag auf Nichtigerklärung statt und erklärte die Gemeinschaftsmarke wegen Bestehens von Verwechslungsgefahr für alle von ihr bezeichneten Waren für nichtig (Urteil des Gerichts vom 7. Februar 2013, AMC-Representações Têxteis/HABM – MIP Metro [METRO KIDS COMPANY], T‑50/12, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).

10      Am 15. Mai 2009 legte die Klägerin nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 beim HABM Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ein.

11      Mit Entscheidung vom 18. August 2010 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde der Klägerin zurück. Sie vertrat insbesondere die Ansicht, dass in Anbetracht der Identität oder Ähnlichkeit der jeweiligen Waren, der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der älteren Marke und der klanglichen Identität der Zeichen sowie ihrer visuellen und begrifflichen Ähnlichkeit für das deutsche Publikum die Gefahr einer Verwechslung der in Rede stehenden Marken bestehe.

 Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

12      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

13      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

14      Die Streithelferin beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        hilfsweise, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, soweit darin der auf die relativen Nichtigkeitsgründe gemäß Art. 53 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 und auf die Bösgläubigkeit der Anmelderin bei der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke gemäß Art. 52 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung gestützte Antrag auf Nichtigerklärung für unzulässig erklärt worden ist;

–        der Klägerin die Kosten einschließlich der Kosten der Streithelferin aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

15      Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geltend. Sie führt aus, trotz der weitgehenden Ähnlichkeit bzw. Identität der Waren, für die beide Marken eingetragen seien, bestehe zwischen den in Rede stehenden Marken keine Verwechslungsgefahr.

16      Das HABM und die Streithelferin führen aus, die Beschwerdekammer habe zu Recht die Auffassung vertreten, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Marken angesichts der Zeichenähnlichkeit und der Identität oder großen Ähnlichkeit der in Rede stehenden Waren Verwechslungsgefahr bestehe.

17      Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit einer älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt. Dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird. Ferner gelten als ältere Marken nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 207/2009 die in einem Mitgliedstaat eingetragenen Marken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke.

18      Nach ständiger Rechtsprechung liegt Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Nach dieser Rechtsprechung ist die Verwechslungsgefahr umfassend, entsprechend der Wahrnehmung der in Rede stehenden Zeichen und Waren oder Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Zeichenähnlichkeit und der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, zu beurteilen (vgl. Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T‑162/01, Slg. 2003, II‑2821, Randnrn. 30 bis 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19      Für die Anwendung des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 setzt eine Verwechslungsgefahr voraus, dass eine Identität oder Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Marken und zugleich eine Identität oder Ähnlichkeit zwischen den mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen besteht. Es handelt sich hierbei um kumulative Voraussetzungen (vgl. Urteil des Gerichts vom 22. Januar 2009, Commercy/HABM – easyGroup IP Licensing [easyHotel], T‑316/07, Slg. 2009, II‑43, Randnr. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Wenn sich der Schutz der älteren Marke auf die gesamte Europäische Union erstreckt, ist die Wahrnehmung der einander gegenüberstehenden Marken durch den Verbraucher der betreffenden Waren in diesem Gebiet zu berücksichtigen. Eine Gemeinschaftsmarke ist jedoch bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ein relatives Eintragungshindernis im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 nur in einem Teil der Union vorliegt (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Mast-Jägermeister/HABM – Licorera Zacapaneca [VENADO mit Rahmen u. a.], T‑81/03, T‑82/03 und T‑103/03, Slg. 2006, II‑5409, Randnr. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21      Die vorliegende Klage ist im Licht der vorgenannten Grundsätze zu prüfen.

22      Erstens ist zu den maßgeblichen Verkehrskreisen festzustellen, dass die Klägerin weder die von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung beanstandet, der zufolge die maßgeblichen Verkehrskreise aus dem normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher bestünden, noch die Beurteilung, dass in Bezug auf die Verwechslungsgefahr auf das deutsche Publikum abzustellen sei, da die ältere Marke in Deutschland eingetragen sei. Diese Beurteilung ist jedenfalls hinsichtlich der in Rede stehenden Waren und der älteren Marke zu bestätigen.

23      Was zweitens den Vergleich der Waren angeht, hat die Klägerin auch die Beurteilungen der Nichtigkeitsabteilung und der Beschwerdekammer nicht beanstandet, dass die betreffenden Waren identisch oder ähnlich seien. Diese Beurteilung ist im Übrigen fehlerfrei.

24      Drittens ist, was den Vergleich der Zeichen anbelangt, daran zu erinnern, dass bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen nach Bild, Klang oder Bedeutung auf den durch sie hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen ist, wobei insbesondere ihre kennzeichnungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke vom Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen wird. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke dabei regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf ihre verschiedenen Einzelheiten (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, Slg. 2007, I‑4529, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Die Beurteilung der Ähnlichkeit zweier Marken darf sich nicht darauf beschränken, dass nur ein Bestandteil einer zusammengesetzten Marke berücksichtigt und mit einer anderen Marke verglichen wird. Vielmehr sind die betreffenden Marken jeweils als Ganzes miteinander zu vergleichen, was nicht ausschließt, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer zusammengesetzten Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der maßgeblichen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (vgl. Urteil HABM/Shaker, Randnr. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). Für die Beurteilung der Ähnlichkeit kann es nur dann allein auf den dominierenden Bestandteil ankommen, wenn alle anderen Markenbestandteile zu vernachlässigen sind (Urteile des Gerichtshofs HABM/Shaker, Randnr. 42, und vom 20. September 2007, Nestlé/HABM, C‑193/06 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 42). Das könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn schon dieser Bestandteil allein geeignet ist, das Bild der Marke, das die maßgeblichen Verkehrskreise im Gedächtnis behalten, so zu prägen, dass alle übrigen Bestandteile der Marke in dem durch sie hervorgerufenen Gesamteindruck zu vernachlässigen sind (Urteil Nestlé/HABM, Randnr. 43).

26      Nach der Rechtsprechung sind bei der Beurteilung der Frage, ob ein bestimmter oder mehrere bestimmte Bestandteile einer zusammengesetzten Marke dominierend sind, die Eigenschaften jedes einzelnen dieser Bestandteile insbesondere in der Weise zu berücksichtigen, dass sie mit den Eigenschaften der anderen Bestandteile verglichen werden. In zweiter Linie kann auch auf die jeweilige Rolle der einzelnen Bestandteile bei der Gesamtgestaltung der zusammengesetzten Marke abgestellt werden (Urteile des Gerichts vom 13. Dezember 2007, Cabrera Sánchez/HABM – Industrias Cárnicas Valle [el charcutero artesano], T‑242/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 47, und vom 24. März 2011, XXXLutz Marken/HABM – Natura Selection [Linea Natura Natur hat immer Stil], T‑54/09, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 41).

27      Folgende Marken sind miteinander zu vergleichen:


Ältere Marke

Angemeldete Marke

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28      Zum schriftbildlichen Vergleich hat die Beschwerdekammer die Ansicht vertreten, bei beiden in Rede stehenden Marken werde der Bestandteil „Tradition“ hervorgehoben, der den bildlichen Gesamteindruck dominiere. Sie hat daraus den Schluss gezogen, dass die betreffenden Zeichen trotz Unterschieden bei den übrigen Elementen und der Farbgebung dem Bild nach hochgradig ähnlich seien.

29      Die Klägerin macht geltend, im Zusammenhang mit den betreffenden Waren sei der Bestandteil „Tradition“ rein beschreibend. Sie fügt hinzu, bei ihrer Marke fielen das Wortelement „Seba“ und das in der Darstellung des Gesichts eines älteren Mannes bestehende Bildelement optisch mindestens genauso ins Auge wie der Bestandteil „Tradition“. Der Umstand, dass lediglich ein einziges Element beiden in Rede stehenden Marken gemein sei, könne keine Verwechslungsgefahr begründen.

30      Das HABM und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

31      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer zu Recht angenommen, der bildliche Eindruck der beiden in Rede stehenden Zeichen werde durch den beiden Marken gemeinsamen Bestandteil „Tradition“ dominiert.

32      Die Prüfung der Gemeinschaftsmarke lässt nämlich die Feststellung zu, dass der Bestandteil „Tradition“ den bildlichen Eindruck durch seine großen roten, auf dem goldenen Grund der Gemeinschaftsmarke besonders auffälligen Buchstaben dominiert. Gleichwohl lassen sich die anderen Bestandteile der Marke nicht als unerheblich einstufen. Der das Gesicht eines Mannes darstellende Bildbestandteil mit seiner beachtlichen Größe, seiner Position im oberen Teil der Marke, seinen Farben und seinem einfachen Bild zum einen und der Wortbestandteil „Seba“ an zentraler Stelle im Zeichen, die durch einen schwarzen Schriftzug und einen ihn hervorhebenden schwarzen Strich betont wird, zum anderen sind nämlich für den durch die Gemeinschaftsmarke hervorgerufenen bildlichen Eindruck in zweiter Linie relevant.

33      Zur deutschen Marke ist, wie die Beschwerdekammer zu Recht ausgeführt hat, festzustellen, dass der Wortbestandteil „Tradition“ in fettgedruckten, großen schwarzen Buchstaben auf weißem Grund den Gesamteindruck dominiert. Bei diesem Zeichen werden die maßgeblichen Verkehrskreise das Bildelement, das kleiner ist und mehr Details enthält als das der Gemeinschaftsmarke, nicht im Gedächtnis behalten. Darüber hinaus finden sich wie bei der Gemeinschaftsmarke Wortelemente über dem Bestandteil „Tradition“ und sind in zweiter Linie relevant. Der Ausdruck „Johann Wilhelm“, in kleinen Buchstaben verglichen mit dem Bestandteil „Tradition“, und der Ausdruck „von Eicken“, etwas größer als der Ausdruck „Johann Wilhelm“, aber nicht in Fettdruck, ziehen den Blick nämlich weniger auf sich als der dominierende Bestandteil „Tradition“.

34      Nach alledem ergibt sich insbesondere aus dem in beiden Zeichen enthaltenen dominierenden Bestandteil „Tradition“ und dem ähnlichen Aufbau beider Marken, dass die beiden einander gegenüberstehenden Marken ihrem Gesamteindruck nach visuell ähnlich sind.

35      Außerdem wären die einander gegenüberstehenden Marken, selbst wenn der Begriff „Tradition“ nicht als in der Gemeinschaftsmarke dominierend angesehen würde, angesichts ihrer zahlreichen Ähnlichkeiten als visuell ähnlich einzustufen.

36      Dieses Ergebnis kann nicht durch das Vorbringen der Klägerin in Frage gestellt werden, wonach der Begriff „Tradition“ keine Kennzeichnungskraft besitze. Eine etwaige geringe Kennzeichnungskraft eines Elements einer zusammengesetzten Marke bedeutet nämlich nicht zwangsläufig, dass es kein dominierendes Element sein kann, da es sich insbesondere durch seine Position im Zeichen oder seine Größe der Wahrnehmung des Verbrauchers aufdrängen und seinem Gedächtnis einprägen kann (vgl. Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2007, Xentral/HABM – Pages jaunes [PAGESJAUNES.COM], T‑134/06, Slg. 2007, II‑5213, Randnr. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Zum klanglichen Vergleich hat die Beschwerdekammer die Auffassung vertreten, die einander gegenüberstehenden Marken seien identisch. Zigaretten seien Konsumgüter des täglichen Bedarfs; der Verbraucher sei nicht gewillt, sich ihre Kennzeichen lange einzuprägen. Bei mündlicher Benennung würden sich die Verbraucher an dem dominierenden Element „Tradition“ orientieren, da die weiteren kennzeichnungskräftigen Wortbestandteile aufgrund der geringeren Schriftgröße schwerer lesbar seien, so dass der Verbraucher keine Veranlassung habe, sich bei der Benennung der betreffenden Marken dieser Elemente zu bedienen. Schließlich bleibe die klangliche Ähnlichkeit wegen des gemeinsamen Bestandteils „Tradition“ der beiden in Rede stehenden Marken selbst dann dieselbe, wenn man dem klanglichen Vergleich die Wortelemente „Seba Tradition“ und „Johann Wilhelm von Eicken Tradition“ zugrunde lege.

38      Die Klägerin macht geltend, der Begriff „Tradition“ habe rein beschreibenden Charakter. Der Verbraucher werde die Gemeinschaftsmarke nicht unter der Bezeichnung „Tradition“ verlangen, sondern unter der Bezeichnung „Seba“ oder „Seba Tradition“. Sogar in dieser Kombination sei aber der Begriff „Seba“ der dominierende Bestandteil.

39      Das HABM führt aus, die fraglichen Zeichen seien klanglich ähnlich.

40      Die Streithelferin macht geltend, die Beschwerdekammer habe zu Recht angenommen, die in Rede stehenden Marken seien klanglich identisch.

41      Angesichts der oben in den Randnrn. 32 und 33 vorgenommenen Prüfung der visuellen Ähnlichkeit werden die einander gegenüberstehenden Marken zumeist „Tradition“ ausgesprochen werden. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Marken manchmal „Seba Tradition“ für die Gemeinschaftsmarke und „von Eicken Tradition“ für die ältere Marke ausgesprochen werden. Was die weiteren Bestandteile der Marken anbelangt – bei der Gemeinschaftsmarke die Ausdrücke „established 1932“ und „20 filter cigarettes“ und bei der älteren Marke die Ausdrücke „established 1770“ und „premium virginia blend filter king size cigarettes“ –, steht fest, dass sie in Anbetracht ihrer Platzierung am oberen und unteren Ende der Zeichen und ihrer geringen Größe in klanglicher Hinsicht nicht dominierend sein können und daher für die Bezeichnung der in Rede stehenden Marken nicht verwendet werden. Ebenso wird bei der älteren Marke der Ausdruck „Johann Wilhelm“ angesichts seiner geringen Größe und geringen Sichtbarkeit auf der Marke nicht für deren Bezeichnung verwendet werden.

42      Nach alledem sind die einander gegenüberstehenden Zeichen auf klanglicher Ebene identisch, wenn die Marken „Tradition“ ausgesprochen werden, und zumindest ähnlich, wenn sie mit „Seba Tradition“ und „von Eicken Tradition“ bezeichnet werden.

43      Was schließlich den begrifflichen Vergleich angeht, hat die Beschwerdekammer angenommen, die in Rede stehenden Zeichen seien ähnlich, da die maßgeblichen Verkehrskreise den Begriff „Tradition“ erkennen würden, der beiden Marken gemein sei.

44      Die Klägerin räumt ein, dass der begriffliche Vergleich insofern eine gewisse Ähnlichkeit zeige, als der beiden Marken gemeinsame Bestandteil auf eine bestehende Unternehmenstradition hinweise. Diese Ähnlichkeit werde jedoch dadurch ausgeglichen, dass der Begriff „Tradition“ rein beschreibenden Charakter habe.

45      Das HABM und die Streithelferin treten diesem Argument entgegen.

46      Da die Klägerin die Beurteilung der Beschwerdekammer, der zufolge die Marken begrifflich ähnlich seien, nicht in Frage stellt, ist diese im vorliegenden Fall hinsichtlich der einander gegenüberstehenden Marken zu bestätigen.

47      Dieses Ergebnis wird nicht durch das Vorbringen der Klägerin in Frage gestellt, wonach der Begriff „Tradition“ rein beschreibenden Charakter habe. Selbst wenn man dies unterstellt, kann daraus nämlich nicht auf die fehlende begriffliche Ähnlichkeit der betreffenden Marken geschlossen werden.

48      Die in Rede stehenden Zeichen sind folglich ungeachtet der abweichenden Beurteilung des Gerichts und der Beschwerdekammer in Bezug auf den Grad der visuellen und klanglichen Ähnlichkeit ihrem Gesamteindruck nach als ähnlich anzusehen.

49      Schließlich ist zur Verwechslungsgefahr darauf hinzuweisen, dass ihre umfassende Beurteilung eine gewisse Wechselbeziehung der in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, impliziert. Dabei kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteil des Gerichtshofs vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, Slg. 1998, I‑5507, Randnr. 17, und Urteil VENADO mit Rahmen u. a., Randnr. 74).

50      Die Beschwerdekammer hat festgestellt, dass angesichts der Identität oder Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren, der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens sowie der klanglichen Zeichenidentität und ihrer Ähnlichkeit in bildlicher und begrifflicher Hinsicht für das deutsche Publikum die Gefahr von Verwechslungen bestehe.

51      Die Klägerin führt aus, ein Gesamtvergleich führe nicht zu dem Ergebnis, dass durch die Verwendung des gleichlautenden Elements „Tradition“ in beiden in Rede stehenden Marken eine Verwechslungsgefahr begründet werden könne.

52      Das HABM und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

53      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Prüfung der betreffenden Waren, dass sie entweder identisch oder ähnlich sind, und aus der Prüfung der streitigen Zeichen, dass sie visuell, begrifflich und klanglich ähnlich sind.

54      Daher ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer zu Recht angenommen hat, in der Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise, d. h. des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers, bestehe Verwechslungsgefahr.

55      Dieses Ergebnis wird durch das Vorbringen der Klägerin nicht in Frage gestellt.

56      Erstens kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, die Anerkennung des Vorliegens einer Verwechslungsgefahr würde dazu führen, dass die Streithelferin den Begriff „Tradition“ auf Zigarettenpackungen für sich monopolisieren könnte, obwohl es sich hierbei um einen Begriff der Umgangssprache handele und dieser nicht in einer übertragenen Bedeutung verwendet werde. Die vorliegende Entscheidung an sich kann nämlich insbesondere bei den Marken, mit denen die betreffenden Waren vermarktet werden, nicht zur Untersagung der Verwendung des Worts „Tradition“ führen.

57      Zweitens macht die Klägerin geltend, es bestehe keine Verwechslungsgefahr, da der Begriff „Tradition“ nur geringe Kennzeichnungskraft besitze. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Kennzeichnungskraft der älteren Marke zwar bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen ist, aber nur einen der bei dieser Beurteilung zu berücksichtigenden Faktoren darstellt. Selbst wenn es um eine ältere Marke mit geringer Kennzeichnungskraft geht, kann daher eine Gefahr von Verwechslungen, insbesondere wegen einer Ähnlichkeit der Zeichen und der betroffenen Waren oder Dienstleistungen, gegeben sein (Urteile des Gerichts vom 22. September 2005, Alcon/HABM – Biofarma [TRAVATAN], T‑130/03, Slg. 2005, II‑3859, Randnr. 78, vom 13. Juli 2011, Inter IKEA Systems/HABM – Meteor Controls [GLÄNSA], T‑88/10, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 52, und Urteil METRO KIDS COMPANY, Randnr. 54). Im vorliegenden Fall kann jedoch die geltend gemachte geringe Kennzeichnungskraft oder der geltend gemachte beschreibende Charakter des Bestandteils „Tradition“ das Bestehen einer Verwechslungsgefahr nicht ausschließen, da die von den beiden einander gegenüberstehenden Zeichen erfassten Waren identisch sind oder unterschiedliche Ähnlichkeitsgrade aufweisen und die betreffenden Zeichen visuell, klanglich und begrifflich ähnlich sind (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Gerichtshofs vom 29. November 2012, Hrbek/HABM, C‑42/12 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 63).

58      Daher ist der einzige von der Klägerin erhobene Klagegrund zurückzuweisen, und die Klage ist insgesamt abzuweisen, ohne dass der zweite, hilfsweise gestellte Antrag der Streithelferin zu prüfen wäre.

 Kosten

59      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen des HABM und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Seba Diş Tįcaret ve Naklįyat AŞ trägt die Kosten.

Papasavvas

Vadapalas

O’Higgins

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. Mai 2013.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.