Language of document : ECLI:EU:T:2009:32

BESCHLUSS DES GERICHTS (Sechste Kammer)

10. Februar 2009(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Nichtzahlung der Widerspruchsgebühr – Entscheidung, mit der der Widerspruch für nicht erhoben erklärt wird – Klage, der offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt“

In der Rechtssache T‑126/08

Okalux GmbH mit Sitz in Marktheidenfeld (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwältin M. Beckensträter,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch G. Schneider als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM:

Ondex SAS mit Sitz in Chevigny-Saint-Sauveur (Frankreich),

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 22. Januar 2008 (Sache R 1384/2007‑4) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Okalux GmbH und der Ondex SAS

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. W. H. Meij sowie der Richter V. Vadapalas (Berichterstatter) und L. Truchot,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 20. März 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 26. Juni 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung

folgenden

Beschluss

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 1. Dezember 2005 meldete die Ondex SAS beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) die Wortmarke ONDACELL an.

2        Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 22/2006 vom 29. Mai 2006 veröffentlicht.

3        Am 29. August 2006 erhob die Klägerin, die Okalux GmbH, gegen diese Anmeldung Widerspruch. In der Widerspruchsschrift beantragte sie, mit der Widerspruchsgebühr das laufende Konto zu belasten, das ihr Vertreter beim HABM eingerichtet habe.

4        Mit Schreiben vom 20. September 2006 teilte das HABM mit, dass dieses Konto keine ausreichende Deckung aufweise, und forderte den Vertreter der Klägerin auf, das Konto binnen eines Monats wieder aufzufüllen.

5        Mit Entscheidung vom 28. Juni 2007 stellte die Widerspruchsabteilung fest, dass der Widerspruch als nicht erhoben gelte, da die Widerspruchsgebühr nicht bezahlt worden sei.

6        Am 27. August 2007 legte die Klägerin bei der Beschwerdekammer des HABM gemäß den Art. 57 bis 62 der Verordnung Nr. 40/94 Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein.

7        Mit Entscheidung vom 22. Januar 2008 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück. Sie machte im Kern geltend, dass die Widerspruchsgebühr nur dann als über ein laufendes Konto gezahlt gelte, wenn dieses Konto ausreichende Deckung aufweise. Das in Rede stehende laufende Konto habe jedoch weder zum Zeitpunkt der Erhebung des Widerspruchs noch bei Ablauf der Frist von einem Monat ab der Unterrichtung des Vertreters der Klägerin über diesen Umstand ausreichende Deckung aufgewiesen.

 Anträge der Parteien

8        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        den Widerspruch für zulässig zu erklären;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

9        Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

10      Nach Art. 111 der Verfahrensordnung des Gerichts kann das Gericht ohne Fortsetzung des Verfahrens durch Beschluss, der mit Gründen zu versehen ist, entscheiden, wenn der Klage offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt.

11      Im vorliegenden Fall ist das Gericht in der Lage, aufgrund des Akteninhalts gemäß diesem Artikel ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.

 Vorbringen der Parteien

12      Die Klägerin rügt zur Stützung ihrer Klage einen Verstoß gegen die Art. 5 und 8 der Verordnung (EG) Nr. 2869/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 über die an das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) zu entrichtenden Gebühren (ABl. L 303, S. 33) sowie gegen die Art. 7 und 8 des Beschlusses EX‑96‑1 des Präsidenten des HABM vom 11. Januar 1996 über die Eröffnung von laufenden Konten bei dem Amt (ABl. HABM 1/1996, S. 49, im Folgenden: Beschluss EX‑96‑1).

13      Nach Ansicht der Klägerin geht aus diesen Bestimmungen hervor, dass die Zahlung der Widerspruchsgebühr über ein laufendes Konto als an dem Tag erfolgt gelte, an dem die Widerspruchsschrift beim Amt eingehe, unabhängig davon, ob an diesem Tag das in Rede stehende laufende Konto ausreichende Deckung aufgewiesen habe.

14      Diese Auslegung werde durch die Mitteilung Nr. 5/96 des Präsidenten vom HABM vom 8. August 1996 über laufende Konten (ABl. HABM 10/1996, S. 1461) und durch die „Widerspruchsrichtlinien“ bestätigt. Ferner gehe aus Art. 7 des Beschlusses EX‑96‑1 hervor, dass Art. 8 dieses Beschlusses nicht für die Zahlung der Widerspruchsgebühr gelte.

15      Nach Ansicht der Klägerin hätte die Zahlung der Widerspruchsgebühr mit Eingang der Widerspruchsschrift als erfolgt gelten müssen, so dass die unzureichende Deckung des laufenden Kontos oder die Versäumung der Wiederauffüllungsfrist nicht dafür angeführt werden könne, dass die Zahlung als nicht erfolgt gelte.

16      Die Klägerin beruft sich auch auf ihre schriftlichen Äußerungen im Widerspruchsverfahren vor dem HABM, die der Klageschrift als Anlage beigefügt sind.

17      Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

18      Vorab ist in Bezug auf die Berufung der Klägerin auf ihre schriftlichen Äußerungen im Widerspruchsverfahren vor dem HABM, die der Klageschrift als Anlage beigefügt sind, daran zu erinnern, dass die Klageschrift zwar zu bestimmten Punkten durch Bezugnahme auf in der Anlage beigefügte Aktenauszüge untermauert und ergänzt werden kann, dass jedoch eine pauschale Bezugnahme auf andere Schriftstücke nicht das Fehlen der wesentlichen Bestandteile der Rechtsausführungen ausgleichen kann, die nach § 44 Abs. 1 Buchst. c der Verfahrensordnung in der Klageschrift selbst enthalten sein müssen (vgl. Urteil des Gerichts vom 19. Oktober 2006, Bitburger Brauerei/HABM – Anheuser-Busch (BUD, American Bud und Anheuser Busch Bud), T‑350/04 bis T‑352/04, Slg. 2006, II‑4255, Randnr. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19      Daher ist die Klage unzulässig, soweit auf Schriftsätze verwiesen wird, die die Klägerin beim HABM eingereicht hat, da die darin enthaltene pauschale Bezugnahme sich nicht mit dem Vorbringen in der Klageschrift verknüpfen lässt.

20      In Bezug auf die Rüge eines Verstoßes gegen die Art. 5 und 8 der Verordnung Nr. 2869/95 sowie die Art. 7 und 8 des Beschlusses EX‑96‑1 ist sodann daran zu erinnern, dass nach Art. 42 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 der Widerspruch gegen die Eintragung einer Marke „erst als erhoben [gilt], wenn die Widerspruchsgebühr entrichtet worden ist“.

21      Ebenso bestimmt Regel 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 303, S. 1) in der geänderten Fassung: „Wird die Widerspruchsgebühr nicht innerhalb der Widerspruchsfrist entrichtet, so gilt der Widerspruch als nicht erhoben.“

22      Nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2869/95 kann der Präsident des HABM die Zahlung der Gebühren mit Hilfe laufender Konten beim HABM zulassen. Nach Art. 8 Abs. 2 dieser Verordnung bestimmt der Präsident des HABM im Rahmen einer solchen Zulassung den Tag, an dem diese Zahlung als eingegangen gilt.

23      Mit dem Beschluss EX‑96‑1 hat der Präsident des HABM die Zahlung der Gebühren über ein laufendes Konto zugelassen.

24      Art. 4 Abs. 3 dieses Beschlusses lautet: „Dem Inhaber des laufenden Kontos obliegt es, zu gegebener Zeit alle Vorkehrungen zu treffen, damit auf dem Konto ein ausreichender Betrag zur Verfügung bleibt.“

25      Art. 6 Abs. 1 dieses Beschlusses bestimmt, dass das „[HABM] im Rahmen der betreffenden Verfahren das laufende Konto, soweit es ausreichend aufgefüllt ist, mit allen Gebühren und Preisen [belastet] und … ein Datum der Zahlung unter Beachtung der Bestimmungen des Art. 7 [gewährt]“.

26      Was die Widerspruchsgebühr angeht, so gilt gemäß Art. 7 Buchst. h dieses Beschlusses in der durch den Beschluss EX‑03‑1 des Präsidenten des HABM vom 20. Januar 2003 (ABl. HABM 5/2003, S. 1043) geänderten Fassung die Zahlung als am Tag des Eingangs des Widerspruchs erfolgt, für den die Gebühr geschuldet wird.

27      Aus diesen Bestimmungen geht insgesamt hervor, dass die Zahlung der Widerspruchsgebühr über ein laufendes Konto als am Tag des Eingangs des Widerspruchs gezahlt gilt, soweit das Konto ausreichend aufgefüllt ist und daher vom HABM belastet werden kann.

28      Daher ist die Auslegung der Klägerin, wonach die Zahlung der Widerspruchsgebühr nicht davon abhängig sei, dass das laufende Konto zum Zeitpunkt, zu dem die Gebühr geschuldet werde, ausreichend gedeckt sei, offensichtlich zurückzuweisen.

29      Abgesehen davon, dass die Auslegung der Klägerin im Wortlaut der anwendbaren Bestimmungen keine Stütze findet, würde sie zu einer Ungleichbehandlung der verschiedenen Arten der Zahlung der Gebühren an das HABM führen. Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 2869/95 gilt nämlich die Entrichtung der Gebühr durch Einzahlung oder Überweisung erst dann als erfolgt, wenn der Betrag einem Bankkonto des HABM tatsächlich zugeschrieben ist. Ebenso kann die Zahlung der Gebühr über ein laufendes Konto erst dann als erfolgt gelten, wenn der Betrag der Gebühr dem HABM tatsächlich gutgeschrieben werden kann.

30      Auch erlaubt es Art. 8 des Beschlusses EX‑96‑1 in der geänderten Fassung, einen möglichen Rechtsverlust wegen der Nichtzahlung der betreffenden Gebühr aufgrund einer nicht ausreichenden Deckung des laufenden Kontos dadurch zu vermeiden, dass die Zahlung als rechtzeitig erfolgt gilt, wenn das laufende Konto binnen eines Monats nach der Benachrichtigung seines Inhabers wieder aufgefüllt wird, vorausgesetzt, dass die Verwaltungsgebühr gezahlt wird.

31      Diese Erwägungen sind entgegen der Ansicht der Klägerin in der Mitteilung Nr. 5/96 eindeutig dargestellt.

32      In Bezug auf die Widerspruchsgebühr sehen die Titel III und IV dieser Mitteilung vor:

„III. Widerspruch

5. Die Widerspruchsgebühr (350 [Euro]) wird mit Eingang des Widerspruchs abgebucht.

IV. Verfahren der Abbuchung

Jedes Mal, wenn im Rahmen der oben geschilderten Verfahren eine Gebühr abzubuchen ist, erhält die Finanzabteilung des [HABM] die notwendigen internen Anordnungen. Es kann vorkommen, dass die Anordnung zur Abbuchung von einem laufenden Konto nach dem oben genannten Zeitpunkt erfolgt, doch in keinem Fall wird dies vor dem genannten Zeitpunkt erfolgen.

Wird die Anordnung zur Abbuchung vom laufenden Konto nach dem genannten Zeitpunkt gegeben, so ist dasjenige Datum als das Datum, zu dem die Zahlung als erfolgt gilt, maßgeblich, das sich aus Artikel 7 des Beschlusses … EX‑96‑1 und den obigen Erläuterungen unter III ergibt, vorausgesetzt, dass das [HABM] tatsächlich die Gebühr abbuchen kann, d. h., dass entweder zum Zeitpunkt der Abbuchung das laufende Konto ausreichende Deckung aufweist oder das laufende Konto gemäß Artikel 8 des Beschlusses … EX‑96‑1 wieder aufgefüllt wird …

…“

33      Ferner sieht Titel V dieser Mitteilung, auf den sich die Klägerin beruft, vor:

„Ist zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anordnung zur Abbuchung vom laufenden Konto gegeben wird, der Betrag des laufenden Kontos ausreichend, so belastet das Amt das laufende Konto entsprechend, unabhängig davon, ob das Konto zu dem Zeitpunkt, zu dem die betreffende Gebühr als gezahlt gilt, einen ausreichenden Betrag aufwies. In solchen Fällen kann kein Rechtsverlust eintreten.

Ist zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anordnung zur Belastung des laufenden Kontos gegeben wird, der Betrag des laufenden Kontos nicht ausreichend, um die Zahlung einer bestimmten Gebühr abzudecken, so fordert das [HABM] den Inhaber des laufenden Kontos auf, das Konto innerhalb eines Monats nach Zugang dieser Mitteilung wieder aufzufüllen und zusätzlich eine Verwaltungsgebühr von 20 % des Betrags der verspäteten Gebühr, jedoch höchstens 500 [Euro] und mindestens 100 [Euro] (Art. 8 Abs. 3 des Beschlusses … EX‑96‑1) zu zahlen. Wird das laufende Konto innerhalb dieser Frist wieder aufgefüllt, so gilt die Zahlung an dem Tag als erfolgt, an dem sie ursprünglich als gezahlt gelten würde …

Wird das laufende Konto nicht fristgerecht wieder aufgefüllt, so gilt die Zahlung als nicht erfolgt, und es treten die für den Fall der nicht rechtzeitigen Zahlung vorgesehenen Rechtsverluste ein.

…“

34      Zu diesen Erwägungen steht Kapitel III der Allgemeinen Verfahrensvorschriften vor dem Amt (ABl. HABM 12/1996, S. 1815) in der geänderten Fassung nicht im Widerspruch, wonach Folgendes gilt: „Erfolgt die Zahlung über ein beim [HABM] geführtes laufendes Konto, so gewährleistet [der Beschluss EX‑96‑1], dass als Tag des Eingangs der Zahlung der für den Verfahrensbeteiligten günstigste Tag gilt, um einen Rechtsverlust zu vermeiden.“

35      Aus allen diesen Bestimmungen geht eindeutig hervor, dass die Zahlung der Widerspruchsgebühr nur dann als erfolgt gilt, wenn das laufende Konto am Tag des Eingangs des Widerspruchs ausreichend gedeckt ist oder wenn es gemäß Art. 8 des Beschlusses EX‑96‑1 wieder aufgefüllt wird.

36      Im vorliegenden Fall bestreitet die Klägerin jedoch nicht die in Nr. 16 der angefochtenen Entscheidung festgestellte Tatsache, dass das in ihrer Widerspruchsschrift angegebene laufende Konto weder zum Zeitpunkt der Einreichung der Widerspruchsschrift noch bei Ablauf der in Art. 8 des Beschlusses EX‑96‑1 vorgesehenen Frist von einem Monat über eine ausreichende Deckung verfügt hat.

37      Nach allem ist festzustellen, dass die Klägerin nichts vorgetragen hat, was die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage stellen könnte.

38      Daher ist die Klage als offensichtlich unbegründet abzuweisen.

 Kosten

39      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

beschlossen:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Okalux GmbH trägt die Kosten.

Luxemburg, den 10. Februar 2009

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      A. W. H. Meij


* Verfahrenssprache: Deutsch.