Language of document : ECLI:EU:T:2019:452

Rechtssache T268/18

(auszugsweise Veröffentlichung)

Luciano Sandrone

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum

 Urteil des Gerichts (Siebte Kammer) vom 27. Juni 2019

„Unionsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Unionswortmarke Luciano Sandrone – Ältere Unionswortmarke DON LUCIANO – Ernsthafte Benutzung der älteren Marke – Art. 47 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EU) 2017/1001 – Relatives Eintragungshindernis – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 – Anmeldung einer aus einem Vor- und einem Nachnamen bestehenden Wortmarke – Aus einem Titel und einem Vornamen bestehende ältere Marke – Neutralität des begrifflichen Vergleichs – Keine Verwechslungsgefahr“

1.      Unionsmarke – Definition und Erwerb der Unionsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke – Gefahr der Verwechslung mit der älteren Marke – Wortmarken Luciano Sandrone und DON LUCIANO

(Verordnung 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b)

(vgl. Rn. 64, 91, 97-104)

2.      Unionsmarke – Definition und Erwerb der Unionsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke – Ähnlichkeit der betreffenden Marken – Beurteilung der Unterscheidungskraft eines Markenbestandteils

(Verordnung 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b)

(vgl. Rn. 71, 73)

3.      Unionsmarke – Definition und Erwerb der Unionsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke – Gefahr der Verwechslung mit der älteren Marke – Beurteilungskriterien

(Verordnung 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b)

(vgl. Rn. 93, 96)


Zusammenfassung

Mit dem am 27. Juni 2019 ergangenen Urteil Sandrone/EUIPO (T‑268/18) hat das Gericht die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 26. Februar 2018 aufgehoben, mit der diese die Entscheidung der Widerspruchsabteilung vom 12. April 2017 über die Zurückweisung des Widerspruchs des Inhabers der für „Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)“ eingetragenen älteren Wortmarke DON LUCIANO gegen die Anmeldung der Wortmarke Luciano Sandrone für „Alkoholische Getränke, ausgenommen Bier; Alkoholische Präparate für die Zubereitung von Getränken“ aufgehoben hatte.

Zum Vergleich der Zeichen wendet sich das Gericht, das zunächst das Vorliegen eines dominierenden Bestandteils prüft, gegen die Feststellung der Beschwerdekammer, wonach der in dem als Marke angemeldeten Zeichen vorhandene Vorname Luciano von den maßgeblichen Verkehrskreisen in Deutschland und Finnland als selten wahrgenommen wird. Das Gericht unterscheidet hier zwischen der bloßen Zuschreibung des Vornamens und seiner Kenntnis durch die maßgeblichen Verkehrskreise unter Berücksichtigung der Handelsströme innerhalb der Union und der derzeitigen elektronischen Kommunikationsmittel. Es weist darauf hin, dass zwar bekannt ist, dass der Vorname Luciano in der Bevölkerung in Deutschland und Finnland nicht sehr verbreitet ist, diese Tatsache allein jedoch nicht bedeutet, dass dieser Vorname in diesen Mitgliedstaaten als seltener Vorname wahrgenommen wird.

Das Gericht gelangt daher zu dem Schluss, dass die Beschwerdekammer den Bestandteil „luciano“ als dominierenden Bestandteil der älteren Marke ansehen musste, was sie zu Recht getan hat, und den Bestandteil „sandrone“, da dieser Familienname nicht als geläufiger Name aufgefasst wird, als dominierenden Bestandteil im angemeldeten Zeichen hätte ansehen müssen, was sie nicht getan hat.

Zum begrifflichen Vergleich stellt das Gericht fest, dass die Beschwerdekammer keinen Begriff benannt hat, der mit dem fraglichen Vor- und Nachnamen in Verbindung gebracht werden kann, und dass daher die bloße Tatsache, dass die maßgeblichen Verkehrskreise das angemeldete Zeichen mit einem Vor- und Nachnamen und damit mit einer bestimmten Person, virtuell oder real, in Verbindung bringen und dass die ältere Marke als Bezeichnung für eine Person namens Luciano wahrgenommen wird, für den begrifflichen Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen ohne Bedeutung ist. Es wendet sich daher gegen die Beurteilung der Beschwerdekammer und vertritt wie das EUIPO, das in seinen Schriftsätzen von der Beurteilung der Beschwerdekammer in diesem Punkt abgewichen ist, die Ansicht, dass im vorliegenden Fall ein begrifflicher Vergleich nicht möglich ist, da die in den einander gegenüberstehenden Zeichen enthaltenen Vor- und Nachnamen keinerlei Begriff enthalten.

Zur umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr stellt das Gericht zum einen fest, dass die Beschwerdekammer Fehler begangen hat, indem sie den dominanten Aspekt des Bestandteils „sandrone“ in dem angemeldeten Zeichen und die Unmöglichkeit, einen begrifflichen Vergleich anzustellen, nicht berücksichtigt hat. Zum anderen weist es darauf hin, dass sie zu Unrecht einige spezifische Merkmale der betreffenden Waren unberücksichtigt gelassen hat, nämlich dass Namen – seien es Familien- oder Gutsnamen – in der Weinbauwelt sehr wichtig sind, da sie zur Bezeichnung und zur Kennzeichnung der Weine verwendet werden. Es ist daher der Ansicht, dass der kennzeichnungskräftige Bestandteil „sandrone“ oder aber die Bezeichnung insgesamt, d. h. „luciano sandrone“, zur Identifizierung der Weine des Klägers dienen wird, nicht aber der Bestandteil „luciano“ allein. Das Gericht hebt hervor, dass die Beschwerdekammer auch nicht die Häufigkeit der Verwendung von echten oder erfundenen spanischen oder italienischen Vor- oder Nachnamen im Weinsektor berücksichtigt hat sowie die Tatsache, dass die Verbraucher an Marken mit solchen Bestandteilen gewöhnt sind, so dass sie nicht jedes Mal, wenn ihnen in einer Marke ein solcher Vor- oder Nachname neben anderen Wort- oder Bildbestandteilen begegnet, annehmen werden, dass alle Waren, für die er verwendet wird, dieselbe Herkunft haben.

Das Gericht gelangt daher zu dem Schluss, dass es im Weinsektor, in dem die Verwendung von aus Nach- oder Vornamen bestehenden Zeichen sehr verbreitet ist, unwahrscheinlich ist, dass der Durchschnittsverbraucher glauben könnte, dass zwischen den Inhabern der einander gegenüberstehenden Zeichen eine wirtschaftliche Verbindung besteht, nur weil diese den italienischen Vornamen Luciano gemeinsam haben. Diese Tatsache allein erlaubt daher bei Marken für Weine nicht die Feststellung, dass eine Verwechslungsgefahr besteht, da die maßgeblichen Verkehrskreise nicht erwarten werden, dass dieser geläufige Vorname nur von einem einzigen Hersteller als Markenbestandteil verwendet wird.