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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

21. Dezember 2023(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – Leasingvertrag über ein Kraftfahrzeug ohne Kaufverpflichtung – Richtlinie 2008/48/EG – Art. 2 Abs. 2 Buchst. d – Begriff des Leasingvertrags ohne Verpflichtung zum Erwerb des Leasinggegenstands – Richtlinie 2002/65/EG – Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Buchst. b – Begriff des Vertrags über Finanzdienstleistungen – Richtlinie 2011/83/EU – Art. 2 Nr. 6 und Art. 3 Abs. 1 – Begriff des Dienstleistungsvertrags – Art. 2 Nr. 7 – Begriff des Fernabsatzvertrags – Art. 2 Nr. 8 – Begriff des außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags – Art. 16 Buchst. l – Ausnahme vom Widerrufsrecht für Dienstleistungen im Bereich von Mietwagen – Kreditvertrag zum Kauf eines Kraftfahrzeugs – Richtlinie 2008/48 – Art. 10 Abs. 2 – Anforderungen an die Angaben, die im Vertrag enthalten sein müssen – Vermutung für die Einhaltung der Informationspflicht bei Verwendung eines Regelungsmodells für die Informationen – Keine unmittelbare horizontale Wirkung einer Richtlinie – Art. 14 Abs. 1 – Widerrufsrecht – Beginn der Widerrufsfrist bei unvollständigen oder unrichtigen Informationen – Missbräuchlicher Charakter der Ausübung des Widerrufsrechts – Verwirkung des Widerrufsrechts – Pflicht zur vorherigen Rückgabe des Fahrzeugs im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts bei einem verbundenen Kreditvertrag“


In den verbundenen Rechtssachen C‑38/21, C‑47/21 und C‑232/21

betreffend drei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Ravensburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 30. Dezember 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Januar 2021, ergänzt durch Entscheidung vom 24. August 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 1. September 2021 (Rechtssache C‑38/21), durch Entscheidung vom 8. Januar 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Januar 2021 (Rechtssache C‑47/21), und durch Entscheidung vom 19. März 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 12. April 2021 (Rechtssache C‑232/21), in den Verfahren

VK

gegen

BMW Bank GmbH (C‑38/21)

und

F. F.

gegen

C. Bank AG (C‑47/21),

und

CR,

AY,

ML,

BQ

gegen

Volkswagen Bank GmbH,

Audi Bank (C‑232/21)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, der Kammerpräsidentin K. Jürimäe, der Kammerpräsidenten C. Lycourgos, E. Regan, F. Biltgen, N. Piçarra und Z. Csehi, der Richter M. Safjan (Berichterstatter), S. Rodin und P. G. Xuereb, der Richterin I. Ziemele, der Richter J. Passer und D. Gratsias sowie der Richterin M. L. Arastey Sahún,

Generalanwalt: A. M. Collins,

Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. September 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von CR, AY, ML und BQ, vertreten durch Rechtsanwälte M. Basun, D. Er und A. Esser,

–        der BMW Bank GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte A. Ederle und R. Hall,

–        der C. Bank AG, vertreten durch Rechtsanwalt T. Winter,

–        der Volkswagen Bank GmbH und der Audi Bank, vertreten durch Rechtsanwälte I. Heigl, T. Winter und B. Zerelles,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, U. Bartl, M. Hellmann und U. Kühne als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Goddin, B.‑R. Killmann und I. Rubene als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Februar 2023

folgendes

Urteil

1        Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 2 Buchst. a und b der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (ABl. 2002, L 271, S. 16), von Art. 3 Buchst. c, Art. 10 Abs. 2 Buchst. l, p, r, und t sowie Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66), von Art. 2 Nrn. 7, 9 und 12 sowie Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 304, S. 64) sowie von Art. 267 Abs. 2 AEUV.

2        Sie ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen VK und der BMW Bank GmbH (Rechtssache C‑38/21), zwischen F. F. und der C. Bank AG (Rechtssache C‑47/21) sowie zwischen CR und der Volkswagen Bank GmbH und zwischen AY, ML und BQ und der Audi Bank (Rechtssache C‑232/21) über die Ausübung des Rechts zum Widerruf von Verträgen, die VK, F. F., CR, AY, ML und BQ als Verbraucher mit diesen Banken geschlossen haben.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 2002/65

3        Die Erwägungsgründe 14, 15 und 19 der Richtlinie 2002/65 lauten:

„(14)      Diese Richtlinie erfasst Finanzdienstleistungen jeder Art, die im Fernabsatz erbracht werden können. Für bestimmte Finanzdienstleistungen gelten jedoch besondere gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen, die auch weiterhin auf diese Finanzdienstleistungen anwendbar sind. Dennoch sollten Grundsätze für den Fernabsatz solcher Dienstleistungen festgelegt werden.

(15)      Der Vertragsabschluss im Fernabsatz setzt den Einsatz von Fernkommunikationsmitteln voraus, die im Rahmen eines für den Fernabsatz von Waren und Dienstleistungen organisierten Vertriebssystems eingesetzt werden, bei dem Anbieter und Verbraucher nicht gleichzeitig anwesend sind. Aufgrund der ständigen Weiterentwicklung dieser Techniken müssen Grundsätze formuliert werden, die auch für die noch wenig verbreiteten unter ihnen Gültigkeit haben. Fernabsatzverträge sind daher alle Verträge, bei denen das Angebot, die Verhandlung und der Abschluss selbst an getrennten Orten erfolgen.

(19)      Als Anbieter gilt die Person, die Leistungen auf Distanz erbringt. Die Richtlinie sollte aber gleichermaßen Anwendung finden, wenn sich eine der Absatzphasen unter Mitwirkung eines Vermittlers vollzieht. Mit Rücksicht auf die Art und den Umfang dieser Mitwirkung sollten die einschlägigen Bestimmungen dieser Richtlinie unabhängig von der Rechtsstellung des Vermittlers auf diesen anwendbar sein.“


4        Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) der Richtlinie 2002/65 bestimmt in Abs. 1:

„Gegenstand dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher.“

5        In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2002/65 heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a)      ‚Fernabsatzvertrag‘ jeden zwischen einem Anbieter und einem Verbraucher geschlossenen, Finanzdienstleistungen betreffenden Vertrag, der im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems des Anbieters geschlossen wird, wobei dieser für den Vertrag bis zu und einschließlich dessen Abschlusses ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet;

b)      ‚Finanzdienstleistung‘ jede Bankdienstleistung sowie jede Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung;

…“

6        Art. 6 („Widerrufsrecht“) der Richtlinie 2002/65 sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass der Verbraucher innerhalb einer Frist von 14 Kalendertagen den Vertrag widerrufen kann, ohne Gründe nennen oder eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. …

(2)      Das Widerrufsrecht ist ausgeschlossen bei

c)      Verträgen, die auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers von beiden Seiten bereits voll erfüllt sind, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt.

…“

 Richtlinie 2008/48

7        In den Erwägungsgründen 7 bis 10, 31, 34 und 35 der Richtlinie 2008/48 heißt es:

„(7)      Um die Entwicklung eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts bei Verbraucherkrediten zu erleichtern, muss in einigen Schlüsselbereichen ein harmonisierter gemeinschaftsrechtlicher Rahmen geschaffen werden. Im Hinblick auf die permanente Weiterentwicklung des Marktes für Verbraucherkredite und die zunehmende Mobilität der europäischen Bürger kann ein zukunftsweisendes Gemeinschaftsrecht, das sich künftigen Kreditformen anpassen kann und das den Mitgliedstaaten einen angemessenen Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung lässt, zu einem modernen Verbraucherkreditrecht beitragen.

(8)      Zur Sicherung des Vertrauens der Verbraucher ist es wichtig, dass der Markt ein ausreichendes Verbraucherschutzniveau bietet. Auf diese Weise sollte der freie Verkehr von Kreditangeboten unter den bestmöglichen Bedingungen für Kreditanbieter wie auch für Kreditnehmer unter gebührender Berücksichtigung der Besonderheiten in den einzelnen Mitgliedstaaten stattfinden können.

(9)      Eine vollständige Harmonisierung ist notwendig, um allen Verbrauchern in der Gemeinschaft ein hohes und vergleichbares Maß an Schutz ihrer Interessen zu gewährleisten und um einen echten Binnenmarkt zu schaffen. Den Mitgliedstaaten sollte es deshalb nicht erlaubt sein, von dieser Richtlinie abweichende innerstaatliche Bestimmungen beizubehalten oder einzuführen. Diese Einschränkung sollte jedoch nur in den Fällen gelten, in denen Vorschriften durch diese Richtlinie harmonisiert werden. Soweit es keine solchen harmonisierten Vorschriften gibt, sollte es den Mitgliedstaaten freigestellt bleiben, innerstaatliche Rechtsvorschriften beizubehalten oder einzuführen. Dementsprechend können die Mitgliedstaaten beispielsweise innerstaatliche Rechtsvorschriften über die gesamtschuldnerische Haftung des Verkäufers oder Dienstleistungserbringers und des Kreditgebers beibehalten oder einführen. Ein weiteres Beispiel für diese Möglichkeit könnte sein, dass die Mitgliedstaaten innerstaatliche Rechtsvorschriften über die Aufhebung eines Kauf- oder Dienstleistungsvertrags für den Fall beibehalten oder einführen, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht von dem Kreditvertrag ausübt. …

(10)      Mit den Begriffsbestimmungen dieser Richtlinie wird der Bereich der Harmonisierung festgelegt. Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Bestimmungen dieser Richtlinie sollte sich daher nur auf den durch diese Begriffsbestimmungen festgelegten Bereich erstrecken. Diese Richtlinie sollte die Mitgliedstaaten jedoch nicht daran hindern, nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts die Bestimmungen dieser Richtlinie auch auf Bereiche anzuwenden, die nicht in deren Geltungsbereich fallen. So könnte ein Mitgliedstaat für Kreditverträge, die nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen, innerstaatliche Vorschriften beibehalten oder einführen, die den Bestimmungen dieser Richtlinie oder manchen ihrer Bestimmungen außerhalb des Geltungsbereichs dieser Richtlinie ganz oder zum Teil entsprechen, beispielsweise für Kreditverträge über einen Betrag von weniger als 200 [Euro] oder von mehr als 75 000 [Euro]. Ferner könnten die Mitgliedstaaten die Bestimmungen dieser Richtlinie auch auf verbundene Kredite anwenden, die nicht unter die Begriffsbestimmung dieser Richtlinie für verbundene Kreditverträge fallen. Somit könnten die Vorschriften für verbundene Kreditverträge auf Kreditverträge angewendet werden, die nur zum Teil der Finanzierung eines Kauf- oder Dienstleistungsvertrags dienen.

(31)      Alle notwendigen Informationen über die Rechte und Pflichten, die sich für den Verbraucher aus dem Kreditvertrag ergeben, sollten in klarer, prägnanter Form im Kreditvertrag enthalten sein, damit der Verbraucher diese zur Kenntnis nehmen kann.

(34)      Zur Angleichung der Art und Weise der Ausübung des Widerrufsrechts auf verwandten Sachgebieten ist ein Recht auf Widerruf vom Vertrag vorzusehen, das entsprechend den in der Richtlinie [2002/65] vorgesehenen Bedingungen ohne Angabe von Gründen in Anspruch genommen werden kann und keine Vertragsstrafe nach sich zieht.

(35)      Tritt ein Verbraucher von einem Kreditvertrag, aufgrund dessen er Waren erhalten hat, zurück und handelt es sich dabei insbesondere um einen Ratenkauf oder einen Miet- oder Leasingvertrag, nach dem eine Verpflichtung zum Erwerb besteht, so sollte diese Richtlinie unbeschadet anderer Vorschriften der Mitgliedstaaten gelten, die die Rückgabe der Waren oder damit zusammenhängende Fragen regeln.

…“

8        Art. 1 („Gegenstand“) der Richtlinie 2008/48 bestimmt:

„Ziel dieser Richtlinie ist die Harmonisierung bestimmter Aspekte der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Verbraucherkreditverträge.“

9        Art. 2 („Geltungsbereich“) der Richtlinie 2008/48 sieht vor:

„(1)      Diese Richtlinie gilt für Kreditverträge.

(2)      Diese Richtlinie gilt nicht für:

d)      Miet- oder Leasingverträge, bei denen weder in dem Vertrag selbst noch in einem gesonderten Vertrag eine Verpflichtung zum Erwerb des Miet- bzw. Leasinggegenstands vorgesehen ist; von einer solchen Verpflichtung ist auszugehen, wenn der Kreditgeber darüber einseitig entscheidet;

…“

10      In Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2008/48 heißt es:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

c)      ‚Kreditvertrag‘ einen Vertrag, bei dem ein Kreditgeber einem Verbraucher einen Kredit in Form eines Zahlungsaufschubs, eines Darlehens oder einer sonstigen ähnlichen Finanzierungshilfe gewährt oder zu gewähren verspricht; ausgenommen sind Verträge über die wiederkehrende Erbringung von Dienstleistungen oder über die Lieferung von Waren gleicher Art, bei denen der Verbraucher für die Dauer der Erbringung oder Lieferung Teilzahlungen für diese Dienstleistungen oder Waren leistet;

i)      ‚effektiver Jahreszins‘ die Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher, die als jährlicher Prozentsatz des Gesamtkreditbetrags ausgedrückt sind, soweit zutreffend einschließlich der Kosten gemäß Artikel 19 Absatz 2;

n)      ‚verbundener Kreditvertrag‘ einen Kreditvertrag, bei dem

i)      der betreffende Kredit ausschließlich der Finanzierung eines Vertrags über Lieferung bestimmter Waren oder die Erbringung einer bestimmten Dienstleistung dient und

ii)      diese beiden Verträge objektiv betrachtet eine wirtschaftliche Einheit bilden; von einer wirtschaftlichen Einheit ist auszugehen, wenn der Warenlieferant oder der Dienstleistungserbringer den Kredit zugunsten des Verbrauchers finanziert oder wenn sich der Kreditgeber im Falle der Finanzierung durch einen Dritten bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Kreditvertrags der Mitwirkung des Warenlieferanten oder des Dienstleistungserbringers bedient oder wenn im Kreditvertrag ausdrücklich die spezifischen Waren oder die Erbringung einer spezifischen Dienstleistung angegeben sind.

…“

11      Art. 10 („Zwingende Angaben in Kreditverträgen“) der Richtlinie 2008/48 bestimmt in Abs. 2:

„Im Kreditvertrag ist in klarer, prägnanter Form Folgendes anzugeben:

l)      der Satz der Verzugszinsen gemäß der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrags geltenden Regelung und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung sowie gegebenenfalls anfallende Verzugskosten;

p)      das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts sowie die Frist und die anderen Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts, einschließlich der Angaben zu der Verpflichtung des Verbrauchers, das in Anspruch genommene Kapital zurückzuzahlen, den Zinsen gemäß Artikel 14 Absatz 3 Buchst. b und der Höhe der Zinsen pro Tag;

r)      das Recht auf vorzeitige Rückzahlung, das Verfahren bei vorzeitiger Rückzahlung und gegebenenfalls Informationen zum Anspruch des Kreditgebers auf Entschädigung sowie zur Art der Berechnung dieser Entschädigung;

t)      die Angabe, ob der Verbraucher Zugang zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren hat, und gegebenenfalls die Voraussetzungen für diesen Zugang;

…“

12      Art. 14 („Widerrufsrecht“) der Richtlinie 2008/48 sieht vor:

„(1)      Der Verbraucher kann innerhalb von vierzehn Kalendertagen ohne Angabe von Gründen den Kreditvertrag widerrufen.

Diese Widerrufsfrist beginnt

a)      entweder am Tag des Abschlusses des Kreditvertrags oder

b)      an dem Tag, an dem der Verbraucher die Vertragsbedingungen und die Informationen gemäß Artikel 10 erhält, sofern dieser nach dem in Buchst. a des vorliegenden Unterabsatzes genannten Datum liegt.

(3)      Übt der Verbraucher sein Widerrufsrecht aus, so

a)      erklärt er den Widerruf, um diesen vor Ablauf der in Absatz 1 genannten Frist wirksam werden zu lassen, gegenüber dem Kreditgeber entsprechend den Informationen, die der Kreditgeber ihm gemäß Artikel 10 Absatz 2 Buchst. p gegeben hat, in einer Weise, die einen Nachweis nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts ermöglicht. Die Widerrufsfrist gilt als gewahrt, wenn diese Mitteilung, sofern sie auf Papier oder einem anderen dauerhaften Datenträger erfolgt, der dem Kreditgeber zur Verfügung steht und zu dem er Zugang hat, vor Fristablauf abgesandt wird, und

b)      zahlt er dem Kreditgeber unverzüglich, spätestens jedoch binnen 30 Kalendertagen nach Absendung der Widerrufserklärung an den Kreditgeber das Darlehen einschließlich der ab dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Kredits bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung des Darlehens aufgelaufenen Zinsen zurück. Die Zinsen sind auf der Grundlage des vereinbarten Sollzinssatzes zu berechnen. Der Kreditgeber hat im Falle des Widerrufs keinen Anspruch auf weitere vom Verbraucher zu leistende Entschädigungen, mit Ausnahme von Entschädigungen für Entgelte, die der Kreditgeber an Behörden entrichtet hat und nicht zurückverlangen kann.

(4)      Wird eine Nebenleistung im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag vom Kreditgeber oder von einem Dritten aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Dritten und dem Kreditgeber erbracht, so ist der Verbraucher nicht mehr an die Vereinbarung über die Nebenleistung gebunden, wenn er sein Recht auf Widerruf vom Kreditvertrag gemäß diesem Artikel ausübt.

…“

13      Art. 22 („Harmonisierung und Unabdingbarkeit dieser Richtlinie“) der Richtlinie 2008/48 bestimmt in Abs. 1:

„Soweit diese Richtlinie harmonisierte Vorschriften enthält, dürfen die Mitgliedstaaten keine Bestimmungen in ihrem innerstaatlichen Recht aufrechterhalten oder einführen, die von den Bestimmungen dieser Richtlinie abweichen.“

 Richtlinie 2011/83

14      In den Erwägungsgründen 20 bis 22, 37 und 49 der Richtlinie 2011/83 heißt es:

„(20)      Die Begriffsbestimmung von Fernabsatzverträgen sollte alle Fälle erfassen, in denen ein Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher im Rahmen eines für die Lieferung im Fernvertrieb organisierten Verkaufs- oder Dienstleistungserbringungssystems geschlossen wird, wobei bis einschließlich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet wird/werden (z. B. Bestellung per Post, Internet, Telefon oder Fax). Diese Begriffsbestimmung sollte auch Situationen erfassen, in denen der Verbraucher die Geschäftsräume lediglich zum Zwecke der Information über die Waren oder Dienstleistungen aufsucht und anschließend den Vertrag aus der Ferne verhandelt und abschließt. Im Gegensatz dazu sollte ein Vertrag, der in den Geschäftsräumen eines Unternehmers verhandelt und letztendlich über ein Fernkommunikationsmittel geschlossen wird, nicht als Fernabsatzvertrag gelten. Desgleichen sollte ein Vertrag, der über ein Fernkommunikationsmittel angebahnt und letztendlich in den Geschäftsräumen des Unternehmers geschlossen wird, nicht als Fernabsatzvertrag gelten. … Der Begriff eines für die Lieferung im Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungserbringungssystems sollte von einem Dritten angebotene Fernabsatz- oder Dienstleistungssysteme erfassen, die von Unternehmern verwendet werden, wie etwa eine Online-Plattform. Der Begriff sollte jedoch nicht Fälle erfassen, in denen Webseiten lediglich Informationen über den Unternehmer, seine Waren und/oder Dienstleistungen und seine Kontaktdaten anbieten.

(21)      Ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag sollte definiert werden als ein Vertrag, der bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers an einem Ort, der nicht zu den Geschäftsräumen des Unternehmers gehört, geschlossen wird, also beispielsweise in der Wohnung oder am Arbeitsplatz des Verbrauchers. Außerhalb von Geschäftsräumen steht der Verbraucher möglicherweise psychisch unter Druck oder ist einem Überraschungsmoment ausgesetzt, wobei es keine Rolle spielt, ob der Verbraucher den Besuch des Unternehmers herbeigeführt hat oder nicht. Die Begriffsbestimmung für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sollte auch Situationen einschließen, in denen der Verbraucher außerhalb von Geschäftsräumen persönlich und individuell angesprochen wird, der Vertrag aber unmittelbar danach in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder über Fernkommunikationsmittel geschlossen wird. Die Begriffsbestimmung für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sollte nicht Situationen umfassen, in denen der Unternehmer zunächst in die Wohnung des Verbrauchers kommt, um ohne jede Verpflichtung des Verbrauchers lediglich Maße aufzunehmen oder eine Schätzung vorzunehmen, und der Vertrag danach erst zu einem späteren Zeitpunkt in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder mittels Fernkommunikationsmittel auf der Grundlage der Schätzung des Unternehmers abgeschlossen wird. In diesen Fällen ist nicht davon auszugehen, dass der Vertrag unmittelbar, nachdem der Unternehmer den Verbraucher angesprochen hat, geschlossen worden ist, wenn der Verbraucher Zeit gehabt hatte, vor Vertragsabschluss über die Schätzung des Unternehmers nachzudenken. Käufe während eines vom Unternehmer organisierten Ausflugs, in dessen Verlauf die erworbenen Erzeugnisse beworben und zum Verkauf angeboten werden, sollten als außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge gelten.

(22)      Als Geschäftsräume sollten alle Arten von Räumlichkeiten (wie Geschäfte, Stände oder Lastwagen) gelten, an denen der Unternehmer sein Gewerbe ständig oder gewöhnlich ausübt. … Die Geschäftsräume einer Person, die im Namen oder Auftrag des Unternehmers gemäß dieser Richtlinie handelt, sollten als Geschäftsräume im Sinne dieser Richtlinie gelten.

(37)      … Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen sollte dem Verbraucher aufgrund des möglichen Überraschungsmoments und/oder psychologischen Drucks das Recht auf Widerruf zustehen. …

(49)      Es sollten sowohl für Fernabsatzverträge als auch für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge bestimmte Ausnahmen vom Widerrufsrecht gelten. … Das Widerrufsrecht sollte [nicht] bei Waren, die nach Kundenspezifikationen angefertigt werden …, Anwendung finden. Die Einräumung eines Widerrufsrechts für den Verbraucher könnte auch im Fall bestimmter Dienstleistungen unangebracht sein, bei denen der Vertragsabschluss die Bereitstellung von Kapazitäten mit sich bringt, die der Unternehmer im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts möglicherweise nicht mehr anderweitig nutzen kann. Dies wäre beispielsweise bei Reservierungen in Hotels, für Ferienhäuser oder Kultur- oder Sportveranstaltungen der Fall.“

15      In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2011/83 heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnen die Ausdrücke

2.      ‚Unternehmer‘ jede natürliche oder juristische Person, unabhängig davon, ob Letztere öffentlicher oder privater Natur ist, die bei von dieser Richtlinie erfassten Verträgen selbst oder durch eine andere Person, die in ihrem Namen oder Auftrag handelt, zu Zwecken tätig wird, die ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können;

5.      ‚Kaufvertrag‘ jeden Vertrag, durch den der Unternehmer das Eigentum an Waren an den Verbraucher überträgt oder deren Übertragung zusagt und der Verbraucher hierfür den Preis zahlt oder dessen Zahlung zusagt, einschließlich von Verträgen, die sowohl Waren als auch Dienstleistungen zum Gegenstand haben;

6.      ‚Dienstleistungsvertrag‘ jeden Vertrag, der kein Kaufvertrag ist und nach dem der Unternehmer eine Dienstleistung für den Verbraucher erbringt oder deren Erbringung zusagt und der Verbraucher hierfür den Preis zahlt oder dessen Zahlung zusagt;

7.      ‚Fernabsatzvertrag‘ jeden Vertrag, der zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems geschlossen wird, wobei bis einschließlich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet wird/werden;

8.      ‚außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag‘ jeden Vertrag zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher,

a)      der bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers an einem Ort geschlossen wird, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist;

b)      für den der Verbraucher unter den unter Buchst. a genannten Umständen ein Angebot gemacht hat;

c)      der in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder durch Fernkommunikationsmittel geschlossen wird, unmittelbar nachdem der Verbraucher an einem anderen Ort als den Geschäftsräumen des Unternehmers bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers persönlich und individuell angesprochen wurde; oder

d)      der auf einem Ausflug geschlossen wird, der von dem Unternehmer in der Absicht oder mit dem Ergebnis organisiert wurde, dass er für den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen beim Verbraucher wirbt und entsprechende Verträge mit dem Verbraucher abschließt;

9.      ‚Geschäftsräume‘

a)      unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, oder

b)      bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt;

12.      ‚Finanzdienstleistung‘ jede Bankdienstleistung sowie jede Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung;

…“

16      In Art. 3 („Geltungsbereich“) der Richtlinie 2011/83 heißt es:

„(1)      Diese Richtlinie gilt unter den Bedingungen und in dem Umfang, wie sie in ihren Bestimmungen festgelegt sind, für jegliche Verträge, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen werden. Sie gilt auch für Verträge über die Lieferung von Wasser, Gas, Strom oder Fernwärme, einschließlich durch öffentliche Anbieter, sofern diese Güter auf vertraglicher Basis geliefert werden.

(3)      Diese Richtlinie gilt nicht für Verträge

d)      über Finanzdienstleistungen;

…“

17      Art. 6 („Informationspflichten bei Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen“) der Richtlinie 2011/83 bestimmt in Abs. 1:

„(1)      Bevor der Verbraucher durch einen Vertrag in Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, informiert der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über Folgendes:

a)      die wesentlichen Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen, in dem für das Kommunikationsmittel und die Waren oder Dienstleistungen angemessenen Umfang;

e)      den Gesamtpreis der Waren oder Dienstleistungen einschließlich aller Steuern und Abgaben, oder in den Fällen, in denen der Preis aufgrund der Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung …;

g)      die Zahlungs‑, Liefer- und Leistungsbedingungen, den Termin, bis zu dem sich der Unternehmer verpflichtet, die Waren zu liefern oder die Dienstleistung zu erbringen, und gegebenenfalls das Verfahren des Unternehmers zum Umgang mit Beschwerden;

o)      gegebenenfalls die Laufzeit des Vertrags oder die Bedingungen der Kündigung unbefristeter Verträge oder sich automatisch verlängernder Verträge;

…“

18      Art. 9 („Widerrufsrecht“) der Richtlinie 2011/83 sieht vor:

„(1)      Sofern nicht eine der Ausnahmen gemäß Artikel 16 Anwendung findet, steht dem Verbraucher eine Frist von 14 Tagen zu, in der er einen Fernabsatz- oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag ohne Angabe von Gründen und ohne andere Kosten als in Artikel 13 Absatz 2 und Artikel 14 vorgesehen widerrufen kann.

(2)      Unbeschadet des Artikels 10 endet die in Absatz 1 dieses Artikels vorgesehene Widerrufsfrist

a)      bei Dienstleistungsverträgen 14 Tage ab dem Tag des Vertragsabschlusses,

…“

19      In Art. 16 („Ausnahmen vom Widerrufsrecht“) der Richtlinie 2011/83 heißt es:

„Die Mitgliedstaaten sehen bei Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen kein Widerrufsrecht nach den Artikeln 9 bis 15 vor, wenn

c)      Waren geliefert werden, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind;

l)      Dienstleistungen in den Bereichen Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken, Beförderung von Waren, Mietwagen, Lieferung von Speisen und Getränken sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen erbracht werden und der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht;

…“

 Deutsches Recht

 Grundgesetz

20      Art. 25 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden: Grundgesetz) lautet:

„Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.“

 Bürgerliches Gesetzbuch

21      § 242 („Leistung nach Treu und Glauben“) des Bürgerlichen Gesetzbuchs (im Folgenden: BGB) bestimmt:

„Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.“

22      § 247 BGB („Basiszinssatz“) sieht vor:

„(1)      Der Basiszinssatz beträgt 3,62 Prozent. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gefallen ist. Bezugsgröße ist der Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank vor dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahrs.

(2)      Die Deutsche Bundesbank gibt den geltenden Basiszinssatz unverzüglich nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Zeitpunkten im Bundesanzeiger bekannt.“

23      § 273 („Zurückbehaltungsrecht“) BGB bestimmt in Abs. 1:

„Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (Zurückbehaltungsrecht).“

24      § 274 („Wirkungen des Zurückbehaltungsrechts“) BGB lautet:

„(1)      Gegenüber der Klage des Gläubigers hat die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts nur die Wirkung, dass der Schuldner zur Leistung gegen Empfang der ihm gebührenden Leistung (Erfüllung Zug um Zug) zu verurteilen ist.

(2)      Auf Grund einer solchen Verurteilung kann der Gläubiger seinen Anspruch ohne Bewirkung der ihm obliegenden Leistung im Wege der Zwangsvollstreckung verfolgen, wenn der Schuldner im Verzug der Annahme ist.“

25      § 288 („Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden“) BGB bestimmt in Abs. 1:

„Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.“

26      § 293 BGB („Annahmeverzug“) lautet:

„Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt.“

27      § 294 („Tatsächliches Angebot“) BGB bestimmt:

„Die Leistung muss dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden.“

28      § 295 („Wörtliches Angebot“) BGB lautet:

„Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde, oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, insbesondere wenn der Gläubiger die geschuldete Sache abzuholen hat. Dem Angebot der Leistung steht die Aufforderung an den Gläubiger gleich, die erforderliche Handlung vorzunehmen.“

29      § 312b („Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge“) BGB lautet:

„(1)      Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind Verträge,

1.      die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist,

2.      für die der Verbraucher unter den in Nummer 1 genannten Umständen ein Angebot abgegeben hat,

3.      die in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder durch Fernkommunikationsmittel geschlossen werden, bei denen der Verbraucher jedoch unmittelbar zuvor außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers persönlich und individuell angesprochen wurde, oder

4.      die auf einem Ausflug geschlossen werden, der von dem Unternehmer oder mit seiner Hilfe organisiert wurde, um beim Verbraucher für den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu werben und mit ihm entsprechende Verträge abzuschließen.

Dem Unternehmer stehen Personen gleich, die in seinem Namen oder Auftrag handeln.

(2)      Geschäftsräume im Sinne des Absatzes 1 sind unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, und bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt. Gewerberäume, in denen die Person, die im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelt, ihre Tätigkeit dauerhaft oder für gewöhnlich ausübt, stehen Räumen des Unternehmers gleich.“


30      § 312c („Fernabsatzverträge“) BGB lautet:

„(1)      Fernabsatzverträge sind Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.

(2)      Fernkommunikationsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind alle Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags eingesetzt werden können, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind, wie Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E‑Mails, über den Mobilfunkdienst versendete Nachrichten (SMS) sowie Rundfunk und Telemedien.“

31      § 312g („Widerrufsrecht“) BGB sieht vor:

„(1)      Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu.

(2)      Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:

1.      Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind,

9.      Verträge zur Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken, Beförderung von Waren, Kraftfahrzeugvermietung, Lieferung von Speisen und Getränken sowie zur Erbringung weiterer Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht,

…“

32      § 322 („Verurteilung zur Leistung Zug-um-Zug“) BGB bestimmt in Abs. 2:

„Hat der klagende Teil vorzuleisten, so kann er, wenn der andere Teil im Verzug der Annahme ist, auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung klagen.“

33      In § 355 („Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen“) BGB heißt es:

„(1)      Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. …

(2)      Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.

…“

34      § 356b („Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen“) BGB sieht in Abs. 2 vor:

„Enthält bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag die dem Darlehensnehmer nach Absatz 1 zur Verfügung gestellte Urkunde die Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 nicht, beginnt die Frist erst mit Nachholung dieser Angaben gemäß § 492 Absatz 6. …“

35      § 357 („Rechtsfolgen des Widerrufs von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen mit Ausnahme von Verträgen über Finanzdienstleistungen“) BGB bestimmt:

„(1)      Die empfangenen Leistungen sind spätestens nach 14 Tagen zurückzugewähren.

(4)      Bei einem Verbrauchsgüterkauf kann der Unternehmer die Rückzahlung verweigern, bis er die Waren zurückerhalten hat oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Waren abgesandt hat. Dies gilt nicht, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen.“

36      In § 357 BGB in seiner am 31. Januar 2012 geltenden Fassung, die auf die Situation von BQ in der Rechtssache C‑232/21 anwendbar ist, hieß es:

„(1)      Auf das Widerrufs- und Rückgaberecht finden, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt entsprechende Anwendung.

…“

37      § 357a („Rechtsfolgen des Widerrufs von Verträgen über Finanzdienstleistungen“) BGB sieht vor:

„(1)      Die empfangenen Leistungen sind spätestens nach 30 Tagen zurückzugewähren.

(3)      Im Falle des Widerrufs von Verbraucherdarlehensverträgen hat der Darlehensnehmer für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten. …“

38      § 358 („Mit dem widerrufenen Vertrag verbundener Vertrag“) BGB bestimmt:

„…

(2)      Hat der Verbraucher seine auf den Abschluss eines Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung auf Grund des § 495 Absatz 1 oder des § 514 Absatz 2 Satz 1 wirksam widerrufen, so ist er auch nicht mehr an diejenige Willenserklärung gebunden, die auf den Abschluss eines mit diesem Darlehensvertrag verbundenen Vertrags über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Leistung gerichtet ist.

(3)      Ein Vertrag über die Lieferung einer Ware oder über die Erbringung einer anderen Leistung und ein Darlehensvertrag nach den Absätzen 1 oder 2 sind verbunden, wenn das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrags dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Eine wirtschaftliche Einheit ist insbesondere anzunehmen, wenn der Unternehmer selbst die Gegenleistung des Verbrauchers finanziert, oder im Falle der Finanzierung durch einen Dritten, wenn sich der Darlehensgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Darlehensvertrags der Mitwirkung des Unternehmers bedient. …

(4)      Auf die Rückabwicklung des verbundenen Vertrags sind unabhängig von der Vertriebsform § 355 Absatz 3 und, je nach Art des verbundenen Vertrags, die §§ 357 bis 357b entsprechend anzuwenden. … Der Darlehensgeber tritt im Verhältnis zum Verbraucher hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag ein, wenn das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs bereits zugeflossen ist.

…“

39      § 358 BGB in der am 31. Januar 2012 geltenden Fassung, die auf die Situation von BQ in der Rechtssache C‑232/21 anwendbar ist, sah vor:

„…

(2)      Hat der Verbraucher seine auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung auf Grund des § 495 Absatz 1 wirksam widerrufen, so ist er auch an seine auf den Abschluss eines mit diesem Verbraucherdarlehensvertrag verbundenen Vertrags über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Leistung gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden.

(3)      Ein Vertrag über die Lieferung einer Ware oder über die Erbringung einer anderen Leistung und ein Darlehensvertrag gemäß Absatz 1 oder 2 sind verbunden, wenn das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrags dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Eine wirtschaftliche Einheit ist insbesondere anzunehmen, wenn der Unternehmer selbst die Gegenleistung des Verbrauchers finanziert, oder im Falle der Finanzierung durch einen Dritten, wenn sich der Darlehensgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Darlehensvertrags der Mitwirkung des Unternehmers bedient. …“

(4)      § 357 gilt für den verbundenen Vertrag entsprechend. … Der Darlehensgeber tritt im Verhältnis zum Verbraucher hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs oder der Rückgabe in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag ein, wenn das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs oder der Rückgabe bereits zugeflossen ist.“

40      § 492 („Schriftform, Vertragsinhalt“) BGB bestimmt:

„…

(2)      Der Vertrag muss die für den Verbraucherdarlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben nach Artikel 247 §§ 6 bis 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche [(BGBl. 1994 I S. 2494, berichtigt im BGBl. 1997 I S. 1061, im Folgenden: EGBGB)] enthalten.

(6)      Enthält der Vertrag die Angaben nach Absatz 2 nicht oder nicht vollständig, können sie nach wirksamem Vertragsschluss oder in den Fällen des § 494 Absatz 2 Satz 1 nach Gültigwerden des Vertrags auf einem dauerhaften Datenträger nachgeholt werden. …

…“

41      § 495 („Widerrufsrecht; Bedenkzeit“) Abs. 1 BGB lautet:

„Dem Darlehensnehmer steht bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu.“

42      In § 495 BGB in der am 31. Januar 2012 geltenden Fassung, die auf die Situation von BQ in der Rechtssache C‑232/21 anwendbar ist, hieß es:

„(1)      Dem Darlehensnehmer steht bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu.


(2)      Die §§ 355 bis 359a gelten mit der Maßgabe, dass

1.      an die Stelle der Widerrufsbelehrung die Pflichtangaben nach Artikel 247 § 6 Absatz 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche treten,

2.      die Widerrufsfrist auch nicht beginnt

a)      vor Vertragsschluss und

b)      bevor der Darlehensnehmer die Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 erhält …“

43      § 506 („Zahlungsaufschub, sonstige Finanzierungshilfe“) BGB sieht in Abs. 1 vor: „Die für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge geltenden Vorschriften der §§ 358 bis 360 und 491a bis 502 sowie 505a bis 505e sind mit Ausnahme des § 492 Abs. 4 und vorbehaltlich der Absätze 3 und 4 auf Verträge entsprechend anzuwenden, durch die ein Unternehmer einem Verbraucher einen entgeltlichen Zahlungsaufschub oder eine sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe gewährt. …“

 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche

44      Art. 247 („Informationspflichten bei Verbraucherdarlehensverträgen, entgeltlichen Finanzierungshilfen und Darlehensvermittlungsverträgen“) EGBGB bestimmt:

„…

§ 3 Inhalt der vorvertraglichen Information bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen

(1)      Die Unterrichtung vor Vertragsschluss muss folgende Informationen enthalten:

5.      den Sollzinssatz

11.      den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung sowie gegebenenfalls anfallende Verzugskosten,

§ 6 Vertragsinhalt

(1)      Der Verbraucherdarlehensvertrag muss klar und verständlich folgende Angaben enthalten:

1.      die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 14 und Abs. 4 genannten Angaben,

(2)      Besteht ein Widerrufsrecht nach § 495 [BGB], müssen im Vertrag Angaben zur Frist und zu anderen Umständen für die Erklärung des Widerrufs sowie ein Hinweis auf die Verpflichtung des Darlehensnehmers enthalten sein, ein bereits ausbezahltes Darlehen zurückzuzahlen und Zinsen zu vergüten. Der pro Tag zu zahlende Zinsbetrag ist anzugeben. Enthält der Verbraucherdarlehensvertrag eine Vertragsklausel in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form, die bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen dem Muster in Anlage 7 und bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen dem Muster in Anlage 8 entspricht, genügt diese Vertragsklausel den Anforderungen der Sätze 1 und 2. … Der Darlehensgeber darf unter Beachtung von Satz 3 in Format und Schriftgröße jeweils von dem Muster abweichen.

§ 7 Weitere Angaben im Vertrag

(1)      Der Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag muss folgende klar und verständlich formulierte weitere Angaben enthalten, soweit sie für den Vertrag bedeutsam sind:

3.      die Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, soweit der Darlehensgeber beabsichtigt, diesen Anspruch geltend zu machen, falls der Darlehensnehmer das Darlehen vorzeitig zurückzahlt,

4.      den Zugang des Darlehensnehmers zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren und gegebenenfalls die Voraussetzungen für diesen Zugang.

§ 12 Verbundene Verträge und entgeltliche Finanzierungshilfen

(1)      Die §§ 1 bis 11 gelten entsprechend für die in § 506 Absatz 1 [BGB] bezeichneten Verträge über entgeltliche Finanzierungshilfen. Bei diesen Verträgen oder Verbraucherdarlehensverträgen, die mit einem anderen Vertrag gemäß § 358 [BGB] verbunden sind oder in denen eine Ware oder Leistung gemäß § 360 Absatz 2 Satz 2 [BGB] angegeben ist, muss enthalten:

1.      die vorvertragliche Information, auch in den Fällen des § 5, den Gegenstand und den Barzahlungspreis,

2.      der Vertrag

a)      den Gegenstand und den Barzahlungspreis sowie

b)      Informationen über die sich aus den §§ 358 und 359 oder § 360 [BGB] ergebenden Rechte und über die Bedingungen für die Ausübung dieser Rechte.

Enthält der Verbraucherdarlehensvertrag eine Vertragsklausel in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form, die bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen dem Muster in Anlage 7 und bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen dem Muster in Anlage 8 entspricht, genügt diese Vertragsklausel bei verbundenen Verträgen sowie Geschäften gemäß § 360 Absatz 2 Satz 2 [BGB] den in Satz 2 Nummer 2 Buchst. b gestellten Anforderungen.

…“

 Zivilprozessordnung

45      § 348a der Zivilprozessordnung (ZPO) sieht vor:

„(1)      Ist eine originäre Einzelrichterzuständigkeit nach § 348 Abs. 1 nicht begründet, überträgt die Zivilkammer die Sache durch Beschluss einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung, wenn

1.      die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist,

2.      die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und

3.      nicht bereits im Haupttermin vor der Zivilkammer zur Hauptsache verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts‑, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(2)      Der Einzelrichter legt den Rechtsstreit der Zivilkammer zur Entscheidung über eine Übernahme vor, wenn

1.      sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Sache oder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergeben oder

2.      die Parteien dies übereinstimmend beantragen.

Die Kammer übernimmt den Rechtsstreit, wenn die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 vorliegen. Sie entscheidet hierüber nach Anhörung der Parteien durch Beschluss. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(3)      Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung, Vorlage oder Übernahme kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

 Rechtssache C38/21

46      VK, der Kläger des Ausgangsverfahrens, begab sich in die Geschäftsräume eines Vertragshändlers der Automarke BMW, wo ihm ein Mitarbeiter des Händlers, der als Kreditvermittler für die BMW Bank auftrat, ein Kraftfahrzeug zum Leasing anbot. Dieser Mitarbeiter berechnete die verschiedenen Elemente des Leasingvertrags und erörterte mit VK dessen Laufzeit sowie die Höhe der Anzahlung und der monatlichen Raten, die von ihm im Fall des Abschlusses des Leasingvertrags zu leisten wären. Der Mitarbeiter war befugt, Auskünfte über den geplanten Vertrag zu erteilen, dessen Merkmale ihm bekannt waren, und Fragen potenzieller Kunden zu beantworten. Er war dagegen nicht befugt, einen Leasingvertrag zwischen der BMW Bank und den Verbrauchern, die sich an ihn wandten, abzuschließen. VK stellte bei dem Händler einen schriftlichen Antrag auf den Abschluss eines Leasingvertrags mit der BMW Bank in Bezug auf ein privat genutztes Kraftfahrzeug. Dieser Antrag wurde sodann an die BMW Bank weitergeleitet, die ihn prüfte und anschließend annahm.

47      Am 10. November 2018 schloss VK daher mittels eines Fernkommunikationsmittels mit der BMW Bank einen Leasingvertrag in Bezug auf ein privat genutztes Kraftfahrzeug.

48      Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass die BMW Bank ein den Vorgaben von VK entsprechendes Fahrzeug erwarb und während der gesamten Vertragsdauer Eigentümerin des Fahrzeugs blieb.

49      Der Leasingvertrag beruhte auf der Gewährung eines Darlehens durch die BMW Bank mit einem vertraglich vereinbarten Darlehenszins von 3,49 % pro Jahr für die gesamte Laufzeit des Leasingvertrags; der effektive Jahreszins betrug 3,55 %. Da der Vertrag eine Laufzeit von 24 Monaten hatte und VK nicht verpflichtet war, das Fahrzeug am Ende der Laufzeit zu kaufen, war vorgesehen, dass VK insgesamt nur einen Betrag von 12 468,80 Euro zu zahlen hatte, bestehend aus einer zu Beginn der Leasingzeit, spätestens bei Übergabe des Fahrzeugs, zu leistenden Anzahlung von 4 760 Euro sowie 24 Monatsraten in Höhe von je 321,95 Euro. Außerdem wurde vereinbart, dass VK eine jährliche Kilometerpauschale von 10 000 km nicht überschreitet. Pro zusätzlich zurückgelegtem Kilometer sollte VK bei der Rückgabe des Fahrzeugs 7,37 Cent zahlen, und für jeden nicht zurückgelegten Kilometer sollten ihm 4,92 Cent erstattet werden. Überdies war VK verpflichtet, den Wertverlust des Fahrzeugs auszugleichen, wenn sich das Fahrzeug bei seiner Rückgabe nicht in einem seinem Alter und dem vereinbarten Kilometerstand entsprechenden Zustand befinden sollte. Schließlich sah der Vertrag vor, dass VK eine Vollkaskoversicherung für das Fahrzeug abzuschließen, Dritten gegenüber Mängelgewährleistungsansprüche geltend zu machen sowie das Verlust‑, Schadens- und sonstige Wertverlustrisiko zu tragen hatte.

50      VK leistete die Anzahlung und übernahm das Fahrzeug, bevor er ab Januar 2019 die im Leasingvertrag vorgesehenen Monatsraten zahlte.

51      Mit Schreiben vom 25. Juni 2020 teilte VK mit, dass er den Leasingvertrag gemäß den deutschen Rechtsvorschriften widerrufen wolle.

52      Vor dem Landgericht Ravensburg (Deutschland), dem vorlegenden Gericht, vertritt VK die Auffassung, dass die im deutschen Recht vorgesehene Widerrufsfrist von 14 Tagen zu dem genannten Zeitpunkt noch nicht zu laufen begonnen habe, und berief sich dabei insbesondere darauf, dass die Pflichtangaben, die ihm nach deutschem Recht hätten erteilt werden müssen, unzureichend und unleserlich gewesen seien. Außerdem sei der Leasingvertrag als Fernabsatzvertrag und/oder als außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag zu qualifizieren, so dass ihm jedenfalls das nach deutschem Recht für derartige Verträge vorgesehene Widerrufsrecht zustehe. Es sei ihm nicht möglich gewesen, von der BMW Bank Erläuterungen oder verbindliche Informationen zu erhalten, da in der Vorbereitungsphase des Vertragsschlusses, die in den Geschäftsräumen des Kraftfahrzeughändlers stattgefunden habe, kein Mitarbeiter oder Vertreter der BMW Bank zugegen gewesen sei.

53      Die BMW Bank macht u. a. geltend, es gebe kein Widerrufsrecht, denn die Widerrufsvorschriften für Verbraucherkreditverträge seien nicht auf Leasingverträge wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden anwendbar. Außerdem habe sie VK in dem zwischen ihnen geschlossenen Leasingvertrag sämtliche nach deutschem Recht vorgeschriebenen Pflichtangaben ordnungsgemäß mitgeteilt. Insbesondere entspreche die Widerrufsbelehrung ganz genau dem Regelungsmodell für die Informationen über das Widerrufsrecht (im Folgenden: gesetzliches Muster), so dass die Richtigkeit dieser Informationen nach deutschem Recht fingiert werde. Der Vertrag könne auch nicht als Fernabsatzvertrag eingestuft werden, da VK persönlichen Kontakt zu einem Kreditvermittler gehabt habe, der in der Lage gewesen sei, ihn über die angebotene Leistung zu informieren. Desgleichen handele es sich nicht um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag, da davon auszugehen sei, dass der Kreditvermittler im Namen oder Auftrag des Unternehmers handele.

54      Das vorlegende Gericht weist zunächst darauf hin, dass die deutsche Rechtsprechung bis vor Kurzem von dem Grundsatz ausgegangen sei, dass bei Leasingverträgen wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden ein Widerrufsrecht in entsprechender Anwendung der nationalen Vorschriften über Verträge bestehe, mit denen ein Unternehmer einem Verbraucher gegen Entgelt einen Zahlungsaufschub oder eine andere Finanzierungshilfe gewähre.

55      Mit Urteil vom 24. Februar 2021 habe der Bundesgerichtshof (Deutschland) allerdings entschieden, dass eine solche Analogie nicht in Betracht komme, weil der deutsche Gesetzgeber das im Rahmen von Finanzierungshilfen bestehende Widerrufsrecht nicht auf Leasingverträge wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden habe erstrecken wollen. Dieser Ansatz werde durch das Unionsrecht bestätigt, denn die Richtlinie 2008/48 gelte nach ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. d nicht für Miet- oder Leasingverträge, bei denen weder darin noch in einem gesonderten Vertrag eine Verpflichtung des Mieters oder Leasingnehmers zum Erwerb des Miet- bzw. Leasinggegenstands vorgesehen sei.

56      Das vorlegende Gericht wirft gleichwohl die Frage auf, ob ein Leasingvertrag über ein Kraftfahrzeug wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/48 oder gegebenenfalls der Richtlinien 2011/83 und 2002/65 fällt, und möchte vom Gerichtshof insoweit insbesondere wissen, ob ein solcher Vertrag als Vertrag über „Finanzdienstleistungen“ im Sinne einer der beiden letztgenannten Richtlinien eingestuft werden kann.

57      Sodann möchte das vorlegende Gericht für den Fall, dass ein solcher Leasingvertrag in den Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48 fällt, erstens wissen, ob mit ihr eine nationale Regelung vereinbar ist, die eine gesetzliche Vermutung aufstellt, wonach der Unternehmer seiner Pflicht, den Verbraucher über sein Widerrufsrecht zu belehren, nachkommt, wenn er im Vertrag auf nationale Vorschriften verweist, die ihrerseits auf ein gesetzliches Muster verweisen. Falls dies zu verneinen sein sollte, möchte es zudem wissen, ob diese Regelung unangewendet bleiben muss.

58      Zweitens wirft das vorlegende Gericht für den Fall, dass eine solche Regelung nicht unangewendet bleiben muss, die Frage auf, welche Informationen der Unternehmer nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. p, l und t der Richtlinie 2008/48 in Kreditverträgen angeben muss und wann die Widerrufsfrist bei unrichtiger Angabe solcher Pflichtangaben zu laufen beginnt.

59      In Bezug auf Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 gehe der Bundesgerichtshof davon aus, dass der Verbraucher, wenn ein Leasingvertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende bestimme, dass bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits nach Ausübung des Widerrufsrechts für den Zeitraum zwischen der Übergabe des Fahrzeugs und seiner Rückgabe ein Betrag von 0,00 Euro Zinsen pro Tag zu zahlen sei, hinreichend darüber informiert werde, dass der Kreditgeber auf seinen Anspruch auf die Tageszinsen für diesen Zeitraum verzichte. Da der Leasingvertrag auch einen jährlichen Sollzinssatz von 3,49 % erwähne, könnte diese Formulierung gegen das in der genannten Bestimmung aufgestellte Erfordernis der Klarheit und Prägnanz verstoßen, zumal Art. 14 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie vorsehe, dass die Zinsen auf der Grundlage des zwischen den Parteien vereinbarten Sollzinssatzes zu berechnen seien.

60      Im Fall von Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 halte der Bundesgerichtshof es für ausreichend, dass eine Klausel, wie sie in dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leasingvertrag verwendet werde, die Angabe enthalte, dass sich der bei Zahlungsverzug anzuwendende Zinssatz nach einem bestimmten Prozentsatz eines Referenzzinssatzes richte, der in einer Rechtsvorschrift genannt sei, auf die der Vertrag verweise. Fraglich sei jedoch, ob der anwendbare Satz nicht vielmehr als absoluter Wert, d. h. in Form eines konkreten Prozentsatzes, anzugeben sei.

61      Außerdem halte es der Bundesgerichtshof bei Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 offensichtlich nicht für erforderlich, im Rahmen einer Klausel wie der, die in dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leasingvertrag enthalten sei, in diesem Vertrag alle Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer etwaigen Forderung des Kunden anzugeben, da ein Verweis auf die Verfahrensordnung für das Schlichtungsverfahren ausreiche. Das vorlegende Gericht erachtet es hingegen für geboten, alle formalen Voraussetzungen für den Zugang zum Schlichtungsverfahren im Vertrag selbst anzugeben.

62      Überdies müsse in Bezug auf die Widerrufsfrist geklärt werden, ob nur das Fehlen von Pflichtangaben in einem Leasingvertrag wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden verhindere, dass diese Frist zu laufen beginne, oder ob das Vorhandensein unrichtiger Informationen in diesem Vertrag ebenfalls eine solche Wirkung entfalten könne.

63      Drittens möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Ausübung des in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 vorgesehenen Widerrufsrechts als missbräuchlich eingestuft oder verwirkt werden kann.

64      Was zum einen die Frage der Verwirkung betreffe, sei zweifelhaft, ob die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher verwirkt werden könne, zumal es hierfür keine Rechtsgrundlage gebe.

65      Insbesondere ergebe sich aus Art. 14 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2008/48, dass das Widerrufsrecht zeitlich nicht beschränkt sei, wenn der Verbraucher die Informationen gemäß Art. 10 der Richtlinie 2008/48 nicht erhalte, da der Unternehmer die Widerrufsfrist jederzeit durch Übermittlung dieser Informationen in Gang setzen könne. Überdies ziele das Widerrufsrecht nicht nur auf den individuellen Schutz des Verbrauchers ab, sondern auch auf allgemeinere Ziele wie die Verhinderung der Überschuldung und die Stärkung der Finanzmarktstabilität.

66      Was zum anderen die Frage der missbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts betreffe, müssten nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, um zu dem Ergebnis einer solchen missbräuchlichen Ausübung zu kommen, im Rahmen einer Gesamtwürdigung bestimmte Umstände berücksichtigt werden, wie etwa, dass für den Verbraucher klar erkennbar gewesen sei, dass die fehlerhafte, vom gesetzlichen Muster abweichende Information für ihn keine Relevanz besessen habe, dass er die Abweichung der Informationen über das Widerrufsrecht vom Muster erstmals in der Revisionsinstanz geltend gemacht habe oder dass er bei der Ausübung seines Widerrufsrechts davon ausgegangen sei, das Fahrzeug nach bestimmungsgemäßer Nutzung zurückgeben zu können, ohne dem Unternehmer Wertersatz zahlen zu müssen.

67      Aus im Wesentlichen denselben wie den hinsichtlich der Verwirkung angeführten Gründen ist das vorlegende Gericht jedoch der Ansicht, dass das Widerrufsrecht nicht mit der Begründung eingeschränkt werden könne, dass es missbräuchlich ausgeübt worden sei.

68      Schließlich setze für den Fall, dass ein Leasingvertrag über ein Kraftfahrzeug wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende einen Vertrag über Finanzdienstleistungen im Sinne der Richtlinien 2002/65 und 2011/83 darstelle, die Existenz eines Widerrufsrechts von VK erstens voraus, dass es sich um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag im Sinne der Richtlinie 2011/83 handele, weil er in den Geschäftsräumen einer erst im Stadium der Vorbereitung des Vertragsschlusses tätig gewordenen Person, hier des Autohändlers, geschlossen worden sei, die nicht befugt gewesen sei, den Kreditgeber beim Abschluss dieses Vertrags zu vertreten.

69      Hierzu führt das vorlegende Gericht aus, die Richtlinie 2011/83 sei zwar nach ihrem Art. 3 Abs. 3 Buchst. d nicht auf Finanzdienstleistungen anwendbar; gleichwohl hänge die Auslegung von § 312b BGB, der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge betreffe, von der Auslegung dieser Richtlinie ab. Auch wenn die Richtlinie über den vom Unionsrecht festgelegten Rahmen hinaus umgesetzt worden sei, bestehe nämlich ein klares Interesse der Europäischen Union an ihrer einheitlichen Auslegung. Insoweit gehe es darum, ob der Beitrag von Personen, die einen Vertrag lediglich als Vermittler anbahnten, einem Handeln im Namen oder Auftrag des Unternehmers im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2011/83 und infolgedessen von § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB gleichgestellt werden könne.

70      Zweitens sei für den Fall, dass ein Leasingvertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende in der Tat einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag darstelle, fraglich, ob die in Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83 für Dienstleistungen im Bereich von Mietwagen vorgesehene Ausnahme vom Widerrufsrecht auf diesen Vertrag anwendbar sei. Nach einer Entscheidung eines deutschen Obergerichts umfasse die Vermietung von Fahrzeugen nämlich nur die kurzfristige Automiete, nicht aber langfristige Leasingverträge.

71      Drittens hänge die Existenz eines Widerrufsrechts von VK davon ab, ob ein Leasingvertrag über ein Kraftfahrzeug wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende als Fernabsatzvertrag im Sinne der Richtlinien 2002/65 und 2011/83 eingestuft werden könne, wenn der Verbraucher nur zu einer Person in persönlichen Kontakt getreten sei, die – wie hier der Autohändler – den Vertragsschluss lediglich angebahnt habe, aber keine Vertretungsmacht für dessen Abschluss habe und zudem nicht zum Abschluss solcher Verträge befugt sei.

72      Personen, die allein in einem solchen Vorbereitungsstadium tätig würden, sollten nicht als Vertreter des Unternehmers, der einen solchen Vertrag anbiete, angesehen werden können. Der Bundesgerichtshof habe jedoch entschieden, dass die für das Vorliegen eines Fernabsatzgeschäfts im Sinne der Richtlinien 2002/65 und 2011/83 erforderliche Voraussetzung der ausschließlichen Verwendung von Fernkommunikationsmitteln nicht erfüllt sei, wenn der Verbraucher bei der Vertragsanbahnung persönlichen Kontakt mit einer Person habe, die ihr im Auftrag des Unternehmers Informationen zum Vertrag erteile.

73      Unter diesen Umständen hat das Landgericht Ravensburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Zur Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 §§ 6 Abs. 2 Satz 3, 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB

a)      Sind Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 und Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB, soweit sie den Vorgaben des Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 widersprechende Vertragsklauseln als den Anforderungen des Art. 247 § 6 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EGBGB genügend und den in Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b EGBGB gestellten Anforderungen genügend erklären, unvereinbar mit Art. 10 Abs. 2 Buchst. p und Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48?

Wenn ja:

b)      Folgt aus dem Unionsrecht, insbesondere aus Art. 10 Abs. 2 Buchst. p und Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48, dass Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 und Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB nicht anwendbar sind, soweit sie den Vorgaben des Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 widersprechende Vertragsklauseln als den Anforderungen des Art. 247 § 6 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EGBGB genügend und den in Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b EGBGB gestellten Anforderungen genügend erklären?

Wenn die Frage 1. b) nicht bejaht wird:

2.      Zu den Pflichtangaben gemäß Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48:

a)      Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass die im Kreditvertrag anzugebende Höhe der Zinsen pro Tag sich rechnerisch aus dem im Vertrag angegebenen vertraglichen Sollzinssatz ergeben muss?

b)      Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass der bei Abschluss des Kreditvertrages geltende Verzugszinssatz als absolute Zahl mitzuteilen ist, zumindest aber der geltende Referenzzinssatz (vorliegend der Basiszinssatz gemäß § 247 BGB), aus dem sich der geltende Verzugszinssatz durch einen Zuschlag (vorliegend von fünf Prozentpunkten gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB) ermittelt, als absolute Zahl anzugeben ist, und muss der Verbraucher über den Bezugszinssatz (Basiszinssatz) und dessen Veränderlichkeit aufgeklärt werden?

c)      Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass im Text des Kreditvertrages die wesentlichen formalen Voraussetzungen für den Zugang zum außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren mitgeteilt werden müssen?

Wenn mindestens eine der vorstehenden Fragen 2. a) bis c) bejaht wird:

d)      Ist Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass die Widerrufsfrist nur dann beginnt, wenn die Informationen gemäß Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 vollständig und richtig erteilt wurden?

Wenn nein:

e)      Welches sind die maßgeblichen Kriterien dafür, dass die Widerrufsfrist trotz unvollständiger oder unrichtiger Angaben in Lauf gesetzt wird?

Wenn die vorstehende Frage 1. a) und/oder mindestens eine der Fragen 2. a) bis c) bejaht werden:

3.      Zur Verwirkung des Widerrufsrechts gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48:

a)      Unterliegt das Widerrufsrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48 der Verwirkung?

Wenn ja:

b)      Handelt es sich bei der Verwirkung um eine zeitliche Begrenzung des Widerrufsrechts, die in einem Parlamentsgesetz geregelt sein muss?

Wenn nein:

c)      Setzt eine Verwirkung in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Verbraucher von dem Fortbestehen seines Widerrufsrechts Kenntnis hatte oder zumindest seine Unkenntnis im Sinne grober Fahrlässigkeit zu vertreten hat?

Wenn nein:

d)      Steht die Möglichkeit des Kreditgebers, dem Kreditnehmer nachträglich die Informationen gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 zu erteilen und damit den Lauf der Widerrufsfrist auszulösen, der Anwendung der Verwirkungsregeln nach Treu und Glauben entgegen?

Wenn nein:

e)      Ist dies vereinbar mit den feststehenden Grundsätzen des Völkerrechts, an die der deutsche Richter nach dem Grundgesetz gebunden ist?

Wenn ja:

f)      Wie hat der deutsche Rechtsanwender einen Konflikt zwischen bindenden Vorgaben des Völkerrechts und den Vorgaben des Gerichtshofs aufzulösen?

4.      Zur Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts des Verbrauchers gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48:

a)      Kann die Ausübung des Widerrufsrechts gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48 rechtsmissbräuchlich sein?

Wenn ja:

b)      Handelt es sich bei der Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts um eine Begrenzung des Widerrufsrechts, die in einem Parlamentsgesetz geregelt sein muss?

Wenn nein:

c)      Setzt die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Verbraucher von dem Fortbestehen seines Widerrufsrechts Kenntnis hatte oder zumindest seine Unkenntnis im Sinne grober Fahrlässigkeit zu vertreten hat?

Wenn nein:

d)      Steht die Möglichkeit des Kreditgebers, dem Kreditnehmer nachträglich die Informationen gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 zu erteilen und damit den Lauf der Widerrufsfrist auszulösen, der Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts nach Treu und Glauben entgegen?

Wenn nein:

e)      Ist dies vereinbar mit den feststehenden Grundsätzen des Völkerrechts, an die der deutsche Richter nach dem Grundgesetz gebunden ist?

Wenn ja:

f)      Wie hat der deutsche Rechtsanwender einen Konflikt zwischen bindenden Vorgaben des Völkerrechts und den Vorgaben des Gerichtshofs aufzulösen?

5.      Fallen Leasingverträge über Kraftfahrzeuge mit Kilometerabrechnung mit einer Laufzeit von ca. zwei bis drei Jahren, die unter formularmäßigem Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts abgeschlossen wurden, bei denen der Verbraucher für eine Vollkasko-Versicherung des Fahrzeugs zu sorgen hat, ihm außerdem die Geltendmachung von Mängelrechten gegenüber Dritten (insbesondere gegenüber Händler und Hersteller des Fahrzeugs) obliegt und er zudem das Risiko des Verlustes, der Beschädigung und sonstiger Wertminderungen trägt, in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2011/83 und/oder der Richtlinie 2008/48 und/oder der Richtlinie 2002/65? Handelt es sich dabei um Kreditverträge im Sinne von Art. 3 Buchst. c der Richtlinie 2008/48 und/oder um Verträge über Finanzdienstleistungen im Sinne von Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie 2011/83 sowie Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2002/65?

6.      Wenn Leasingverträge über Kraftfahrzeuge mit Kilometerabrechnung – wie in Frage 5 beschrieben – Verträge über Finanzdienstleistungen sind:

a)      Gelten als unbewegliche Geschäftsräume im Sinne von Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83 auch Geschäftsräume einer Person, die für den Unternehmer Geschäfte mit Verbrauchern anbahnt, aber selbst keine Vertretungsmacht zum Abschluss der betreffenden Verträge hat?

Wenn ja:

b)      Gilt dies auch dann, wenn die Person, die den Vertrag anbahnt, unternehmerisch in einer anderen Branche tätig ist und/oder aufsichtsrechtlich und/oder zivilrechtlich nicht befugt ist, Finanzdienstleistungsverträge abzuschließen?

7.      Wenn eine der Fragen 6. a) oder b) verneint wird:

Ist Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83 so auszulegen, dass Leasingverträge über Kraftfahrzeuge mit Kilometerabrechnung (wie in Frage 5 beschrieben) unter diesen Ausnahmetatbestand fallen?

8.      Wenn Leasingverträge über Kraftfahrzeuge mit Kilometerabrechnung (wie in Frage 5 beschrieben) Verträge über Finanzdienstleistungen sind:

a)      Liegt ein Fernabsatzvertrag im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2002/65 und Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 2011/83 auch dann vor, wenn bei den Vertragsverhandlungen persönlicher Kontakt nur mit einer Person bestand, die für den Unternehmer Geschäfte mit Verbrauchern anbahnt, aber selbst keine Vertretungsmacht zum Abschluss der betreffenden Verträge hat?


Wenn ja:

b)      Gilt dies auch dann, wenn die Person, die den Vertrag anbahnt, unternehmerisch in einer anderen Branche tätig ist und/oder aufsichtsrechtlich und/oder zivilrechtlich nicht befugt ist, Finanzdienstleistungsverträge abzuschließen?

 Rechtssache C47/21

74      Am 12. April 2017 schloss F. F. mit der C. Bank einen Darlehensvertrag über einen Nettobetrag von 15 111,70 Euro für den Kauf eines gebrauchten Kraftfahrzeugs zur privaten Nutzung.

75      Bei der Vorbereitung und dem Abschluss des Darlehensvertrags fungierte der Autohändler, bei dem das Fahrzeug gekauft wurde, als Vermittler für die C. Bank und verwendete die von ihr bereitgestellten Darlehensvertragsformulare. Nach den Angaben im Darlehensvertrag betrug der Kaufpreis des Fahrzeugs 14 880 Euro. Nach einer Anzahlung von 2 000 Euro verblieb ein Restbetrag von 12 880 Euro, der durch das fragliche Darlehen finanziert werden sollte.

76      Der Vertrag sah die Rückzahlung des Darlehens in 60 Monatsraten und eine höhere Schlusszahlung vor. Das Eigentum an dem von F. F. erworbenen Fahrzeug ging als Sicherheit auf die C. Bank über. Nach der Auskehrung des Darlehens zahlte F. F. regelmäßig die vereinbarten Monatsraten.

77      Am 1. April 2020 widerrief F. F. den Darlehensvertrag.

78      F. F. ist der Ansicht, wegen mangelnder Klarheit der Informationen über das Widerrufsrecht im Darlehensvertrag und mehrerer fehlerhafter Pflichtangaben, die darin nach deutschem Recht hätten enthalten sein müssen, habe die im deutschen Recht vorgesehene Widerrufsfrist von 14 Tagen noch nicht zu laufen begonnen. Unter diesen Umständen verlangt er u. a. die Rückzahlung der von ihm bis zum Widerruf gezahlten Monatsraten sowie die an das Autohaus geleistete Anzahlung, d. h. insgesamt 10 110,11 Euro. Ferner begehrt er die Feststellung, dass sich die C. Bank in Bezug auf das Fahrzeug in Annahmeverzug im Sinne von § 293 BGB befinde.

79      Die C. Bank beantragt, die Klage abzuweisen, und trägt insbesondere vor, sie habe F. F. ordnungsgemäß, unter Verwendung des gesetzlichen Musters, alle Pflichtangaben erteilt.

80      Das vorlegende Gericht möchte erstens wissen, ob eine nationale Regelung, die eine gesetzliche Vermutung aufstellt, wonach der Unternehmer seiner Pflicht, den Verbraucher über sein Widerrufsrecht zu belehren, nachkommt, wenn er in einem Vertrag auf nationale Vorschriften verweist, die ihrerseits auf ein gesetzliches Muster verweisen, oder wenn er Informationen, die diesem Muster entstammen, aber den Vorgaben der Richtlinie 2008/48 zuwiderlaufen, in den Vertrag aufnimmt, mit der Richtlinie vereinbar ist. Außerdem möchte es wissen, ob eine solche Regelung im Fall ihrer Unvereinbarkeit mit der Richtlinie unangewendet bleiben muss.

81      Hierzu führt das vorlegende Gericht aus, selbst wenn die C. Bank das gesetzliche Muster fehlerhaft verwendet hätte, wäre F. F. nicht berechtigt, die Heranziehung der oben genannten gesetzlichen Vermutung zu rügen, da dies nach den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Kriterien rechtsmissbräuchlich wäre.

82      Zweitens wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, welche Informationen der Unternehmer nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. l, p, r und t der Richtlinie 2008/48 in Darlehensverträgen angeben muss und wann die Widerrufsfrist im Fall einer unrichtigen Angabe solcher Pflichtinformationen zu laufen beginnt.

83      Was zunächst die in Art. 10 Abs. 2 Buchst. r der Richtlinie 2008/48 geregelten Informationen zum Anspruch des Kreditgebers auf Entschädigung sowie zur Art ihrer Berechnung betreffe, gehe der Bundesgerichtshof bei einer Klausel, wie sie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vertrag enthalte, davon aus, dass es genüge, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen angebe. Es könnte aber auch erforderlich sein, in einem Vertrag wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden einen konkreten, für den Verbraucher nachvollziehbaren Rechenweg anzugeben. Gegebenenfalls bedürfe zudem der Klärung, ob die Unzulänglichkeit der Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung in einem solchen Vertrag ausschließlich mit dem Erlöschen des Ausgleichsanspruchs geahndet werden könne oder ob eine solche Situation dem Fehlen von Angaben gleichzustellen sei, so dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginne.

84      Sodann äußert das vorlegende Gericht in Bezug auf Art. 10 Abs. 2 Buchst. l, p und t der Richtlinie 2008/48 erneut die oben in den Rn. 59 bis 61 genannten Zweifel, da der von F. F. am 12. April 2017 mit der C. Bank geschlossene Vertrag ähnliche wie die dort genannten Klauseln enthielt.

85      Schließlich stellt das vorlegende Gericht hinsichtlich der Widerrufsfrist wiederum die oben in Rn. 62 dargelegten Erwägungen an.

86      Drittens wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, ob das Widerrufsrecht im Fall eines Verstoßes gegen Treu und Glauben zeitlich begrenzt werden kann. Es möchte insbesondere wissen, ob und gegebenenfalls in welcher Weise das in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 vorgesehene Widerrufsrecht verwirkt werden könne und ob die Ausübung dieses Rechts unter bestimmten Umständen als missbräuchlich angesehen werden könne. Dabei stützt es sich auf die oben in den Rn. 63 bis 67 wiedergegebenen Erwägungen.

87      Viertens möchte das vorlegende Gericht wissen, wie der Anspruch des Verbrauchers auf Rückerstattung der gezahlten Monatsraten durchzusetzen ist, wenn der von ihm widerrufene Kreditvertrag an einen Kaufvertrag gebunden ist. Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergebe sich nämlich, dass der Kreditgeber, wenn ein Kreditvertrag mit einem Vertrag über den Verkauf eines Pkw in Zusammenhang stehe, die Rückerstattung der gezahlten monatlichen Raten und gegebenenfalls der Anzahlung verweigern könne, bis ihm das Fahrzeug übergeben worden sei oder der Verbraucher den Nachweis erbracht habe, dass er es versandt oder den Kreditgeber im Anschluss an ein an den Sitz des Unternehmers gerichtetes tatsächliches Übernahmeangebot in Annahmeverzug im Sinne von § 293 BGB gesetzt habe.

88      Im Fall des Bestreitens der Wirksamkeit des Widerrufs durch den Kreditgeber könne die Rückzahlung bis zur endgültigen Entscheidung des Rechtsstreits aufgeschoben werden. Dies wecke Zweifel daran, dass eine solche Vorleistungspflicht und deren prozessuale Konsequenzen mit der praktischen Wirksamkeit des in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 vorgesehenen Widerrufsrechts vereinbar seien. Das Fahrzeug werde nämlich meist für die Berufsausübung des Verbrauchers benötigt und binde erhebliches Kapital. Müsste der Verbraucher das Fahrzeug zurückgeben, ohne zu wissen, ob der Widerruf überhaupt wirksam sei und wie schnell er gegebenenfalls den vom Kreditgeber geschuldeten Betrag erhalte, um dann einen Ersatzgegenstand kaufen zu können, würde ihn das meist davon abhalten, von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen.

89      Sollte die Pflicht zur vorherigen Rückgabe des Fahrzeugs nicht mit Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 vereinbar sein, stelle sich außerdem die Frage, ob diese Bestimmung unmittelbare Wirkung habe, so dass die einschlägigen nationalen Vorschriften unangewendet bleiben müssten.

90      Fünftens fragt das vorlegende Gericht nach der Vereinbarkeit einer nationalen Verfahrensregelung für die Ausübung des Amtes eines Einzelrichters mit Art. 267 AEUV. Diese Frage beruht darauf, dass die Rechtssache, mit der das vorlegende Gericht befasst ist, von der zuständigen Kammer auf einen Einzelrichter übertragen wurde, von dem das Vorabentscheidungsersuchen infolgedessen allein stammt.

91      Hierzu führt das vorlegende Gericht aus, es sei umstritten, ob ein Einzelrichter nach deutschem Recht zur Vorlage eines Vorabentscheidungsersuchens befugt sei. Insbesondere ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass ein Einzelrichter gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters verstoße, wenn er von sich aus ein Vorabentscheidungsersuchen vorlege, denn er sei verpflichtet, den Rechtsstreit der zuständigen Kammer zur Entscheidung über eine Übernahme vorzulegen.

92      Art. 267 Abs. 2 AEUV stehe aber einer solchen Pflicht zur Vorlage an die zuständige Kammer entgegen. Der Gerichtshof habe zwar bereits entschieden, dass ein Vorabentscheidungsersuchen eines Einzelrichters ungeachtet der Einhaltung nationaler prozessualer Vorschriften zulässig sei, aber offengelassen, ob eine die Vorlageberechtigung eines Einzelrichters einschränkende nationale Bestimmung unangewendet bleiben müsse.

93      Überdies hebt das vorlegende Gericht hervor, dass diese Frage für die Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtssache erheblich sei, da in Parallelverfahren, in denen ein Einzelrichter den Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht habe, die Beklagten unter Berufung auf die genannten Erwägungen des Bundesgerichtshofs die Vorlagebeschlüsse angefochten oder den vorlegenden Richter als befangen abgelehnt hätten; dazu könne es auch in der vorliegenden Rechtssache kommen.

94      Unter diesen Umständen hat das Landgericht Ravensburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Zur Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 §§ 6 Abs. 2 Satz 3, 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB

a)      Sind Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 und Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB, soweit sie den Vorgaben des Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 widersprechende Vertragsklauseln als den Anforderungen des Art. 247 § 6 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EGBGB genügend und den in Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b EGBGB gestellten Anforderungen genügend erklären, unvereinbar mit Art. 10 Abs. 2 Buchst. p und Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48?

Wenn ja:

b)      Folgt aus dem Unionsrecht, insbesondere aus Art. 10 Abs. 2 Buchst. p und Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48, dass Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 und Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB nicht anwendbar sind, soweit sie den Vorgaben des Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 widersprechende Vertragsklauseln als den Anforderungen des Art. 247 § 6 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EGBGB genügend und den in Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b EGBGB gestellten Anforderungen genügend erklären?

Unabhängig von der Beantwortung der Fragen 1. a) und b):

2.      Zu den Pflichtangaben gemäß Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48:

[Buchst. a der zweiten Frage wurde zurückgezogen]

b)      Zu Art. 10 Abs. 2 Buchst. r der Richtlinie 2008/48:

aa)      Ist diese Regelung so auszulegen, dass die Informationen im Kreditvertrag zu der bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung so genau sein müssen, dass der Verbraucher die Höhe der anfallenden Entschädigung zumindest annäherungsweise berechnen kann?

Falls die vorstehende Frage bejaht wird:

bb)      Stehen Art. 10 Abs. 2 Buchst. r, Art. 14 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/48 einer nationalen Regelung entgegen, wonach bei unvollständigen Angaben im Sinne von Art. 10 Abs. 2 Buchst. r der Richtlinie 2008/48 die Widerrufsfrist gleichwohl mit Vertragsschluss beginnt und lediglich der Anspruch des Kreditgebers auf Entschädigung für die vorzeitige Rückzahlung des Kredits entfällt?

c)      Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass der bei Abschluss des Kreditvertrages geltende Verzugszinssatz als absolute Zahl mitzuteilen ist, zumindest aber der geltende Referenzzinssatz (vorliegend der Basiszinssatz gemäß § 247 BGB), aus dem sich der geltende Verzugszinssatz durch einen Zuschlag (vorliegend von fünf Prozentpunkten gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB) ermittelt, als absolute Zahl anzugeben ist, und muss der Verbraucher über den Bezugszinssatz (Basiszinssatz) und dessen Veränderlichkeit aufgeklärt werden?

d)      Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass im Text des Kreditvertrages die wesentlichen formalen Voraussetzungen für den Zugang zum außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren mitgeteilt werden müssen?

Wenn mindestens eine der vorstehenden Fragen 2. a) bis d) bejaht wird:

e)      Ist Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass die Widerrufsfrist nur dann beginnt, wenn die Informationen gemäß Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 vollständig und richtig erteilt wurden?

Wenn nein:

f)      Welches sind die maßgeblichen Kriterien dafür, dass die Widerrufsfrist trotz unvollständiger oder unrichtiger Angaben in Lauf gesetzt wird?

Wenn die vorstehende Frage 1. a) und/oder mindestens eine der Fragen 2. a) bis d) bejaht werden:

3.      Zur Verwirkung des Widerrufsrechts gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48:

a)      Unterliegt das Widerrufsrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48 der Verwirkung?


Wenn ja:

b)      Handelt es sich bei der Verwirkung um eine zeitliche Begrenzung des Widerrufsrechts, die in einem Parlamentsgesetz geregelt sein muss?

Wenn nein:

c)      Setzt eine Verwirkung in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Verbraucher von dem Fortbestehen seines Widerrufsrechts Kenntnis hatte oder zumindest seine Unkenntnis im Sinne grober Fahrlässigkeit zu vertreten hat?

Wenn nein:

d)      Steht die Möglichkeit des Kreditgebers, dem Kreditnehmer nachträglich die Informationen gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 zu erteilen und damit den Lauf der Widerrufsfrist auszulösen, der Anwendung der Verwirkungsregeln nach Treu und Glauben entgegen?

Wenn nein:

e)      Ist dies vereinbar mit den feststehenden Grundsätzen des Völkerrechts, an die der deutsche Richter nach dem Grundgesetz gebunden ist?

Wenn ja:

f)      Wie hat der deutsche Rechtsanwender einen Konflikt zwischen bindenden Vorgaben des Völkerrechts und den Vorgaben des Gerichtshofs aufzulösen?

4.      Zur Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts des Verbrauchers gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48:

a)      Kann die Ausübung des Widerrufsrechts gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48 rechtsmissbräuchlich sein?

Wenn ja:

b)      Handelt es sich bei der Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts um eine Begrenzung des Widerrufsrechts, die in einem Parlamentsgesetz geregelt sein muss?

Wenn nein:

c)      Setzt die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Verbraucher von dem Fortbestehen seines Widerrufsrechts Kenntnis hatte oder zumindest seine Unkenntnis im Sinne grober Fahrlässigkeit zu vertreten hat?

Wenn nein:

d)      Steht die Möglichkeit des Kreditgebers, dem Kreditnehmer nachträglich die Informationen gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 zu erteilen und damit den Lauf der Widerrufsfrist auszulösen, der Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts nach Treu und Glauben entgegen?

Wenn nein:

e)      Ist dies vereinbar mit den feststehenden Grundsätzen des Völkerrechts, an die der deutsche Richter nach dem Grundgesetz gebunden ist?

Wenn ja:

f)      Wie hat der deutsche Rechtsanwender einen Konflikt zwischen bindenden Vorgaben des Völkerrechts und den Vorgaben des Gerichtshofs aufzulösen?

5.      Unabhängig von der Beantwortung der vorstehenden Fragen:

a)      Ist es vereinbar mit Unionsrecht, insbesondere mit dem Widerrufsrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48, wenn nach nationalem Recht bei einem mit einem Kaufvertrag verbundenen Kreditvertrag nach wirksamer Ausübung des Widerrufsrechts des Verbrauchers gemäß Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48

aa)      der Anspruch eines Verbrauchers gegen den Kreditgeber auf Rückzahlung der geleisteten Darlehensraten erst dann fällig wird, wenn er seinerseits dem Kreditgeber den gekauften Gegenstand herausgegeben oder den Nachweis erbracht hat, dass er den Gegenstand an den Kreditgeber abgesandt hat?

bb)      eine Klage des Verbrauchers auf Rückzahlung der vom Verbraucher geleisteten Darlehensraten nach Herausgabe des Kaufgegenstandes als derzeit unbegründet abzuweisen ist, wenn der Kreditgeber nicht mit der Annahme des Kaufgegenstandes in Gläubigerverzug gekommen ist?

Wenn nein:

b)      Folgt aus Unionsrecht, dass die unter a) aa) und/oder a) bb) beschriebenen nationalen Regelungen unanwendbar sind?


Unabhängig von der Beantwortung der vorstehenden Fragen 1. bis 5.:

6.      Ist § 348a Abs. 2 Nr. 1 ZPO, soweit diese Regelung sich auch auf den Erlass von Vorlagebeschlüssen gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV bezieht, unvereinbar mit der Vorlagebefugnis der nationalen Gerichte gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV und daher auf den Erlass von Vorlagebeschlüssen nicht anzuwenden?

 Rechtssache C232/21

95      Gemäß ihren Anträgen vom 30. Juni 2017, vom 28. März 2017, vom 26. Januar 2019 und vom 31. Januar 2012 schlossen CR mit der Volkswagen Bank sowie AY, ML und BQ mit der Audi Bank in den Rechtssachen, mit denen das vorlegende Gericht befasst ist, Darlehensverträge zum Zweck des Kaufs gebrauchter Kraftfahrzeuge zum privaten Gebrauch. Die Nettobeträge der Darlehensverträge beliefen sich auf 21 418,66 Euro, 28 671,25 Euro, 18 972,74 Euro und 30 208,10 Euro.

96      Bei der Vorbereitung und dem Abschluss der Darlehensverträge handelten die Autohändler, von denen die Fahrzeuge gekauft wurden, als Kreditvermittler der Volkswagen Bank und der Audi Bank. Die fraglichen Verträge sahen die Rückzahlung der Darlehen in monatlichen Raten vor. Die betreffenden Darlehen umfassten einen Betrag für eine Lebens‑, Invaliditäts- und Arbeitslosigkeitsversicherung. Die Verträge sahen zudem eine Schlusszahlung in bestimmter Höhe und in einigen Fällen die Leistung einer Anzahlung durch den Verbraucher vor.

97      CR, AY, ML und BQ widerriefen die Darlehensverträge am 31. März 2019, 13. Juni 2019, 16. September 2019 und 20. September 2020. Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, boten die drei erstgenannten Verbraucher der Volkswagen Bank bzw. der Audi Bank die Rückgabe des Fahrzeugs, gegebenenfalls an ihrem Sitz, Zug um Zug gegen die Rückerstattung der geleisteten Zahlungen an. BQ hatte zum Zeitpunkt seines Widerrufs, anders als die übrigen drei Verbraucher, das ihm gewährte Darlehen bereits vollständig zurückgezahlt. Er begehrt ebenfalls in der Hauptsache die Rückerstattung der gezahlten Monatsraten nach Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs.

98      Diese vier Verbraucher machen geltend, ihre Widerrufe seien wirksam, weil die im deutschen Recht vorgesehene Widerrufsfrist von 14 Tagen nicht zu laufen begonnen habe. Die Widerrufsinformationen und die sonstigen Pflichtangaben seien ihnen nämlich nicht ordnungsgemäß erteilt worden.

99      Die Volkswagen Bank und die Audi Bank tragen vor, sie hätten alle erforderlichen Informationen ordnungsgemäß unter Verwendung des gesetzlichen Musters übermittelt. In zwei der Rechtssachen, mit denen das vorlegende Gericht befasst ist, berufen sie sich hilfsweise auf den Einwand der Verwirkung und rügen eine missbräuchliche Rechtsausübung durch die betreffenden Verbraucher, da sie berechtigterweise darauf vertraut hätten, dass die Verbraucher von ihrem Widerrufsrecht keinen Gebrauch mehr machen würden, nachdem sie das Fahrzeug tatsächlich genutzt und die aufgrund der Darlehensverträge geschuldeten Monatsraten regelmäßig gezahlt hätten. In den beiden anderen Rechtssachen, mit denen das vorlegende Gericht befasst ist, machen sie geltend, sie befänden sich nicht in Annahmeverzug im Sinne von § 293 BGB, da die betreffenden Verbraucher ihnen kein tatsächliches Rückgabeangebot im Sinne von § 294 BGB unterbreitet hätten.

100    In einem sehr ähnlichen tatsächlichen und rechtlichen Kontext wie dem der Rechtssache C‑47/21 stellt das vorlegende Gericht Fragen, die mit den in dieser Rechtssache gestellten nahezu identisch sind, und führt eine Begründung an, die den oben in den Rn. 80 bis 93 zusammengefassten Erwägungen im Wesentlichen entspricht.

101    Zu den Fragen, die den Einwand der Verwirkung und des Rechtsmissbrauchs betreffen, führt das vorlegende Gericht aus, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kämen diese Einwände vor allem bei Verträgen in Betracht, die von den Parteien bereits vollständig erfüllt worden seien.

102    Unter diesen Umständen hat das Landgericht Ravensburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Zur Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 §§ 6 Abs. 2 Satz 3, 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB

a)      Sind Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 und Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB, soweit sie den Vorgaben des Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 widersprechende Vertragsklauseln als den Anforderungen des Art. 247 § 6 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EGBGB und den in Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b EGBGB gestellten Anforderungen genügend erklären, unvereinbar mit Art. 10 Abs. 2 Buchst. p und Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48?

Wenn ja:

b)      Folgt aus dem Unionsrecht, insbesondere aus Art. 10 Abs. 2 Buchst. p und Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48, dass Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 und Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB nicht anwendbar sind, soweit sie den Vorgaben des Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 widersprechende Vertragsklauseln als den Anforderungen des Art. 247 § 6 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EGBGB und den in Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b EGBGB gestellten Anforderungen genügend erklären?


Unabhängig von der Beantwortung der Fragen 1. a) und b):

2.      Zu den Pflichtangaben gemäß Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48

a)      Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass die im Kreditvertrag anzugebende Höhe der Zinsen pro Tag sich rechnerisch aus dem im Vertrag angegebenen vertraglichen Sollzinssatz ergeben muss?

b)      Zu Art. 10 Abs. 2 Buchst. r der Richtlinie 2008/48:

aa)      Ist diese Regelung so auszulegen, dass die Informationen im Kreditvertrag zu der bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung so genau sein müssen, dass der Verbraucher die Höhe der anfallenden Entschädigung zumindest annäherungsweise berechnen kann?

Falls die vorstehende Frage aa) bejaht wird:

bb)      Stehen Art. 10 Abs. 2 Buchst. r, Art. 14 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/48 einer nationalen Regelung entgegen, wonach bei unvollständigen Angaben im Sinne von Art. 10 Abs. 2 Buchst. r der Richtlinie 2008/48 die Widerrufsfrist gleichwohl mit Vertragsschluss beginnt und lediglich der Anspruch des Kreditgebers auf Entschädigung für die vorzeitige Rückzahlung des Kredits entfällt?

Wenn mindestens eine der vorstehenden Fragen 2. a) oder b) bejaht wird:

c)      Ist Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass die Widerrufsfrist nur dann beginnt, wenn die Informationen gemäß Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 vollständig und richtig erteilt wurden?

Wenn nein:

d)      Welches sind die maßgeblichen Kriterien dafür, dass die Widerrufsfrist trotz unvollständiger oder unrichtiger Angaben in Lauf gesetzt wird?

Wenn die vorstehende Frage 1. a) und/oder eine der Fragen 2. a) oder b) bejaht werden:

3.      Zur Verwirkung des Widerrufsrechts gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48:

a)      Unterliegt das Widerrufsrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48 der Verwirkung?


Wenn ja:

b)      Handelt es sich bei der Verwirkung um eine zeitliche Begrenzung des Widerrufsrechts, die in einem Parlamentsgesetz geregelt sein muss?

Wenn nein:

c)      Setzt eine Verwirkung in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Verbraucher von dem Fortbestehen seines Widerrufsrechts Kenntnis hatte oder zumindest seine Unkenntnis im Sinne grober Fahrlässigkeit zu vertreten hat? Gilt dies auch bei beendeten Verträgen?

Wenn nein:

d)      Steht die Möglichkeit des Kreditgebers, dem Kreditnehmer nachträglich die Informationen gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 zu erteilen und damit den Lauf der Widerrufsfrist auszulösen, der Anwendung der Verwirkungsregeln nach Treu und Glauben entgegen? Gilt dies auch bei beendeten Verträgen?

Wenn nein:

e)      Ist dies vereinbar mit den feststehenden Grundsätzen des Völkerrechts, an die der deutsche Richter nach dem Grundgesetz gebunden ist?

Wenn ja:

f)      Wie hat der deutsche Rechtsanwender einen Konflikt zwischen bindenden Vorgaben des Völkerrechts und den Vorgaben des Gerichtshofs aufzulösen?

4.      Zur Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts des Verbrauchers gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48:

a)      Kann die Ausübung des Widerrufsrechts gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48 rechtsmissbräuchlich sein?

Wenn ja:

b)      Handelt es sich bei der Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts um eine Begrenzung des Widerrufsrechts, die in einem Parlamentsgesetz geregelt sein muss?

Wenn nein:

c)      Setzt die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Verbraucher von dem Fortbestehen seines Widerrufsrechts Kenntnis hatte oder zumindest seine Unkenntnis im Sinne grober Fahrlässigkeit zu vertreten hat? Gilt dies auch bei beendeten Verträgen?

Wenn nein:

d)      Steht die Möglichkeit des Kreditgebers, dem Kreditnehmer nachträglich die Informationen gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 zu erteilen und damit den Lauf der Widerrufsfrist auszulösen, der Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts nach Treu und Glauben entgegen? Gilt dies auch bei beendeten Verträgen?

Wenn nein:

e)      Ist dies vereinbar mit den feststehenden Grundsätzen des Völkerrechts, an die der deutsche Richter nach dem Grundgesetz gebunden ist?

Wenn ja:

f)      Wie hat der deutsche Rechtsanwender einen Konflikt zwischen bindenden Vorgaben des Völkerrechts und den Vorgaben des Gerichtshofs aufzulösen?

Unabhängig von der Beantwortung der vorstehenden Fragen 1. bis 4.:

5.      a)      Ist es vereinbar mit Unionsrecht, wenn nach nationalem Recht bei einem mit einem Kaufvertrag verbundenen Kreditvertrag nach wirksamer Ausübung des Widerrufsrechts des Verbrauchers gemäß Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48

aa)      der Anspruch eines Verbrauchers gegen den Kreditgeber auf Rückzahlung der geleisteten Darlehensraten erst dann fällig wird, wenn er seinerseits dem Kreditgeber den gekauften Gegenstand herausgegeben oder den Nachweis erbracht hat, dass er den Gegenstand an den Kreditgeber abgesandt hat?

bb)      eine Klage des Verbrauchers auf Rückzahlung der vom Verbraucher geleisteten Darlehensraten nach Herausgabe des Kaufgegenstandes als derzeit unbegründet abzuweisen ist, wenn der Kreditgeber nicht mit der Annahme des Kaufgegenstandes in Gläubigerverzug gekommen ist?

Wenn nein:

b)      Folgt aus Unionsrecht, dass die unter a) aa) und/oder a) bb) beschriebenen nationalen Regelungen unanwendbar sind?


Unabhängig von der Beantwortung der vorstehenden Fragen 1. bis 5.:

6.      Ist § 348a Abs. 2 Nr. 1 ZPO, soweit diese Regelung sich auch auf den Erlass von Vorlagebeschlüssen gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV bezieht, unvereinbar mit der Vorlagebefugnis der nationalen Gerichte gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV und daher auf den Erlass von Vorlagebeschlüssen nicht anzuwenden?

 Verfahren vor dem Gerichtshof

103    Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 22. April 2021 sind die Rechtssachen C‑38/21 und C‑47/21 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamem Urteil verbunden worden. Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 31. Mai 2022 ist die Rechtssache C‑232/21 mit diesen Rechtssachen zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamem Urteil verbunden worden.

104    Mit Schreiben vom 3. August 2021 hat das vorlegende Gericht dem Gerichtshof mitgeteilt, dass in der Rechtssache C‑47/21 eines der beiden Ausgangsverfahren durch Vergleich erledigt worden sei und dass es daher Buchst. a der zweiten Frage in dieser Rechtssache zurückziehe, aber alle anderen Fragen aufrechterhalte.

105    Im Anschluss an eine Ergänzung des Vorabentscheidungsersuchens in der Rechtssache C‑38/21 vom 24. August 2021 ist das schriftliche Verfahren in den verbundenen Rechtssachen C‑38/21 und C‑47/21 wiedereröffnet worden.

106    Die deutsche Regierung hat gemäß Art. 16 Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union beantragt, dass die Große Kammer über die vorliegenden Rechtssachen entscheidet; diesem Antrag hat der Gerichtshof am 31. Mai 2022 stattgegeben.

 Zu den Vorlagefragen

 Zur Zulässigkeit

107    Die BMW Bank, die C. Bank, die Volkswagen Bank und die Audi Bank, die deutsche Regierung und die Europäische Kommission äußern Zweifel an der Zulässigkeit bestimmter Vorlagefragen in den drei Rechtssachen.

 Zu den Fragen 1 bis 4 sowie zur sechsten Frage in der Rechtssache C38/21

108    Die BMW Bank macht geltend, die Fragen 1 bis 4 in der Rechtssache C‑38/21 seien unzulässig, da der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens offensichtlich nicht unter die Richtlinie 2008/48 falle, auf die sie sich bezögen. Diese Richtlinie schließe nämlich Leasingverträge, die keine Verpflichtung zum Kauf des Leasingobjekts enthielten, von ihrem Anwendungsbereich aus. Außerdem sei die sechste Frage in der Rechtssache C‑38/21, die unter der Prämisse stehe, dass ein Leasingvertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende als Vertrag über eine Finanzdienstleistung im Sinne der Richtlinie 2011/83 einzustufen sei, unzulässig, da Verträge über Finanzdienstleistungen ausdrücklich vom Geltungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen seien.

109    Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Rahmen der in Art. 267 AEUV vorgesehenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 21. März 2023, Mercedes-Benz Group [Haftung der Hersteller von Fahrzeugen mit Abschalteinrichtungen], C‑100/21, EU:C:2023:229, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

110    Infolgedessen spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 21. März 2023, Mercedes-Benz Group [Haftung der Hersteller von Fahrzeugen mit Abschalteinrichtungen], C‑100/21, EU:C:2023:229, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

111    Im vorliegenden Fall ist hervorzuheben, dass das vorlegende Gericht dem Gerichtshof sein Vorabentscheidungsersuchen in zwei Schritten übermittelt hat, und zwar zunächst am 30. Dezember 2020, als es die Fragen 1 bis 4 gestellt hat, und sodann am 24. August 2021, an dem es vier weitere Fragen übermittelt hat. Im Rahmen dieser Ergänzung seines ursprünglichen Ersuchens hat das vorlegende Gericht klargestellt, dass es wissen möchte, ob die Richtlinie 2008/48 auf einen Leasingvertrag wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden anwendbar ist (fünfte Frage). Ferner hat es angegeben, in welchen Fällen es, je nach der Antwort des Gerichtshofs auf diese Frage, die Beantwortung der am 30. Dezember 2020 gestellten Fragen 1 bis 4 noch für relevant hält.

112    Überdies trifft es zwar zu, dass das vorlegende Gericht die sechste Frage in der Rechtssache C‑38/21 davon abhängig gemacht hat, dass im Rahmen der Beantwortung der fünften Frage in dieser Rechtssache festgestellt wird, dass ein Leasingvertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende als Vertrag über eine Finanzdienstleistung im Sinne der Richtlinie 2011/83 eingestuft werden kann, doch können die Erheblichkeit oder der fehlende hypothetische Charakter und damit die Zulässigkeit der sechsten Frage nur anhand der Antwort beurteilt werden, die der Gerichtshof auf die fünfte Frage geben wird.

113    Unter diesen Umständen können die Fragen 1 bis 4 sowie die sechste Frage in der Rechtssache C‑38/21 in diesem Stadium nicht als hypothetisch angesehen werden, da die Erforderlichkeit und die Zweckmäßigkeit ihrer Beantwortung von der Antwort auf die fünfte Frage in dieser Rechtssache abhängen.

114    Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass sich der Einwand der Unanwendbarkeit einer Bestimmung des Unionsrechts auf das Ausgangsverfahren, sofern wie hier nicht offensichtlich ist, dass ihre Auslegung in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens steht, nicht auf die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens auswirkt, sondern den Inhalt der Fragen betrifft (Urteil vom 24. Juli 2023, Lin, C‑107/23 PPU, EU:C:2023:606, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zu den Buchst. e und f der dritten Frage sowie den Buchst. e und f der vierten Frage in den Rechtssachen C38/21, C47/21 und C232/21

115    Mit den Buchst. e und f der dritten Frage sowie den Buchst. e und f der vierten Frage in den Rechtssachen C‑38/21, C‑47/21 und C‑232/21 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, in welchem Verhältnis das in Art. 14 der Richtlinie 2008/48 vorgesehene Widerrufsrecht zu den Regeln des Völkergewohnheitsrechts über Verwirkung und Rechtsmissbrauch steht.

116    Die C. Bank, die Volkswagen Bank und die Audi Bank sowie die deutsche Regierung äußern Zweifel an der Zulässigkeit dieser Fragen.

117    Um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, eine dem nationalen Gericht dienliche Auslegung des Unionsrechts zu geben, muss das Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 94 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichtshofs eine Darstellung der Gründe, aus denen das vorlegende Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung oder der Gültigkeit bestimmter Vorschriften des Unionsrechts hat, und den Zusammenhang, den es zwischen diesen Vorschriften und dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Recht herstellt, enthalten.

118    Im vorliegenden Fall trifft es zwar zu, dass die Union nach ständiger Rechtsprechung ihre Befugnisse unter Beachtung des gesamten Völkerrechts ausüben muss, zu dem nicht nur die sie bindenden Vorschriften der internationalen Übereinkünfte gehören, sondern auch die Regeln und Grundsätze des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts (Urteil vom 6. Oktober 2020, Kommission/Ungarn [Hochschulausbildung], C‑66/18, EU:C:2020:792, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

119    Das vorlegende Gericht führt jedoch lediglich aus, nach den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts, an die die deutschen Gerichte gemäß Art. 25 Abs. 2 des Grundgesetzes gebunden seien und zu denen die Grundsätze der Verwirkung und von Treu und Glauben gehörten, könne ein Verbraucher nur dann, wenn er wisse oder grob fahrlässig nicht wisse, dass ihm ein Widerrufsrecht zustehe, dieses Recht verwirken oder nach Treu und Glauben an seiner Ausübung gehindert sein.

120    Damit legt das vorlegende Gericht nicht hinreichend dar, inwiefern ein Konflikt zwischen den Regeln des Völkergewohnheitsrechts im Bereich der Verwirkung und des Rechtsmissbrauchs im Kontext von Rechtsstreitigkeiten zwischen Privatpersonen über das in Art. 14 der Richtlinie 2008/48 vorgesehene Widerrufsrecht und dem Unionsrecht bestehen könnte.

121    Unter diesen Umständen entsprechen die Buchst. e und f der dritten Frage sowie die Buchst. e und f der vierten Frage in den Rechtssachen C‑38/21, C‑47/21 und C‑232/21 nicht den Anforderungen von Art. 94 Buchst. c der Verfahrensordnung und sind daher unzulässig.

 Zur sechsten Frage in den Rechtssachen C47/21 und C232/21

122    Mit der sechsten Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 267 Abs. 2 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach ein Einzelrichter u. a. wegen der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache, mit der er befasst ist, verpflichtet ist, diese Sache einer aus drei Richtern bestehenden Zivilkammer vorzulegen, und in ihrem Rahmen nicht selbst dem Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen vorlegen darf.

123    Die C. Bank, die Volkswagen Bank und die Audi Bank, die deutsche Regierung sowie die Kommission halten diese Fragen im Wesentlichen deshalb für unzulässig, weil ihre Beantwortung für die Entscheidung der Ausgangsrechtsstreitigkeiten nicht erforderlich sei.

124    Im vorliegenden Fall ist angesichts der oben in den Rn. 109 und 110 angeführten Rechtsprechung festzustellen, dass die sechste Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 die Auslegung von Art. 267 Abs. 2 AEUV betrifft, wobei das vorlegende Gericht aber nicht erläutert hat, aus welchen Gründen die Auslegung dieser Bestimmung erforderlich sein soll, um ihm die Entscheidung über die bei ihm anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu ermöglichen. Es hat nämlich lediglich erklärt, dass die Zuständigkeit des Einzelrichters zur Befassung des Gerichtshofs mit seinen Vorabentscheidungsersuchen angezweifelt werden könnte, und dabei Verfahren in anderen Rechtssachen als denen, die zu den vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen geführt haben, angeführt, in denen von einem Einzelrichter erlassene Vorlagebeschlüsse angefochten worden seien oder der Einzelrichter wegen Befangenheit abgelehnt worden sei. Es hat hingegen nicht erläutert, welche Auswirkung eine solche Anfechtung auf die Vorlageentscheidungen oder gegebenenfalls auf die das Verfahren beendenden Entscheidungen hätte. Insbesondere geht aus den Vorlageentscheidungen nicht hervor, dass sie in diesem Verfahrensstadium Gegenstand eines Rechtsmittels waren, in dessen Rahmen geltend gemacht worden wäre, dass sie mit einem Mangel behaftet seien, weil sie von einem Einzelrichter stammten.

125    Unter diesen Umständen ist die sechste Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 unzulässig, da sie hypothetischer Natur ist.

 Zur Beantwortung der Vorlagefragen

 Zur fünften Frage in der Rechtssache C38/21

126    Mit der fünften Frage in der Rechtssache C‑38/21, die zuerst zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob ein Leasingvertrag über ein Kraftfahrzeug, nach dem der Verbraucher nicht verpflichtet ist, das Fahrzeug bei Vertragsende zu kaufen, in den Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48, der Richtlinie 2002/65 oder der Richtlinie 2011/83 fällt.

127    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es zwar allein Sache des vorlegenden Gerichts ist, anhand der Umstände des Einzelfalls über die Einstufung des Vertrags, um den es in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit geht, zu entscheiden, doch ist der Gerichtshof dafür zuständig, aus den Bestimmungen der genannten Richtlinie die Kriterien herzuleiten, die das nationale Gericht hierzu anwenden muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Dezember 2015, Banif Plus Bank, C‑312/14, EU:C:2015:794, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

128    Außerdem ist ein nationales Gericht durch nichts daran gehindert, den Gerichtshof um eine solche Einstufung zu ersuchen, jedoch unter dem Vorbehalt, dass es im Licht des gesamten Inhalts der ihm vorliegenden Akten die für diese Einstufung erforderlichen Tatsachen feststellt und beurteilt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Dezember 2015, Banif Plus Bank, C‑312/14, EU:C:2015:794, Rn. 52).

129    Im vorliegenden Fall geht aus der dem Gerichtshof zur Verfügung stehenden Akte hervor, dass durch den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrag VK ein Darlehen gewährt wird, damit er ein von der BMW Bank gemäß seinen Spezifikationen erworbenes Kraftfahrzeug für die Dauer von 24 Monaten und unter Festlegung einer Höchstfahrleistung nutzen kann, wobei dieses Fahrzeug Eigentum der Bank bleibt (siehe oben, Rn. 49). Während der Laufzeit des Vertrags trägt der Verbraucher das Verlust‑, Schadens- und sonstige Wertverlustrisiko und muss eine Versicherung für das Fahrzeug abschließen. Ferner muss er Mängelgewährleistungsansprüche gegenüber Dritten geltend machen, insbesondere gegenüber dem Händler und dem Hersteller. Weder der Vertrag selbst noch ein gesonderter Vertrag verpflichtet den Verbraucher zum Kauf des Fahrzeugs. Überdies übernimmt er keine Restwertgarantie zum Vertragsende und muss den Wertverlust des Fahrzeugs nur dann ausgleichen, wenn sich bei seiner Rückgabe herausstellt, dass es sich nicht in einem seinem Alter entsprechenden Zustand befindet oder die im Vertrag festgelegte Höchstfahrleistung überschritten wurde.

130    Der Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48 erstreckt sich nach ihrem Art. 2 Abs. 1 auf Kreditverträge, mit den in ihrem Art. 2 Abs. 2 vorgesehenen Ausnahmen.

131    Nach ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. d gilt die Richtlinie 2008/48 nicht für Miet- oder Leasingverträge, bei denen weder in dem Vertrag selbst noch in einem gesonderten Vertrag eine Verpflichtung zum Erwerb des Miet- bzw. Leasinggegenstands vorgesehen ist; von einer solchen Verpflichtung ist auszugehen, wenn der Kreditgeber darüber einseitig entscheidet.

132    In diesem Rahmen ist zu klären, ob ein Leasingvertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende unter den Begriff „Leasingvertrag“ im Sinne dieser Bestimmung fällt, wobei weder sie noch eine andere Bestimmung der Richtlinie 2008/48 eine Definition dieses Begriffs enthält oder auf das nationale Recht verweist.

133    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangen die einheitliche Anwendung des Unionsrechts und der Gleichheitssatz, dass die Begriffe einer unionsrechtlichen Vorschrift, die für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union autonom und einheitlich auszulegen sind, wobei die Auslegung unter Berücksichtigung des Wortlauts im Licht des Kontexts und des mit der Bestimmung, in der der Begriff verwendet wird, verfolgten Zwecks zu erfolgen hat (Urteil vom 18. Juni 2020, Sparkasse Südholstein, C‑639/18, EU:C:2020:477, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

134    Nach dem gewöhnlichen juristischen Sprachgebrauch umfasst der Begriff „Leasingvertrag“ einen Vertrag, mit dem eine der Parteien der anderen Partei einen Kredit zur Finanzierung der Nutzung eines Gegenstands, dessen Eigentümerin sie bleibt und den die andere Partei bei Vertragsende zurückgeben oder kaufen kann, im Wege der Miete gewährt, wobei die meisten mit dem rechtlichen Eigentum verbundenen Chancen und Risiken während der gesamten Laufzeit des Vertrags auf die andere Partei übergehen (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Februar 2012, Eon Aset Menidjmunt, C‑118/11, EU:C:2012:97, Rn. 37 und 38).

135    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den oben in Rn. 129 wiedergegebenen Merkmalen des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leasingvertrags, dass die BMW Bank VK einen Kredit zur Finanzierung der Nutzung eines von ihr nach den von VK vorgegebenen Spezifikationen erworbenen Fahrzeugs im Wege der Miete gewährt hat, wobei VK das Fahrzeug, da er nicht zu dessen Kauf verpflichtet ist, am Ende der Laufzeit des Vertrags zurückgeben muss und zugleich während der gesamten Laufzeit des Vertrags die meisten der mit dem Eigentum am Fahrzeug verbundenen Chancen und Risiken zu tragen hat. Ein solcher Vertrag fällt zwar unter den Begriff „Leasingvertrag“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2008/48, ist aber gleichwohl von ihrem Geltungsbereich ausgenommen, sofern er keine Verpflichtung des Verbrauchers enthält, den Gegenstand des Vertrags am Ende seiner Laufzeit zu kaufen.

136    Zum Anwendungsbereich der Richtlinie 2002/65 ergibt sich aus ihrem Art. 1 Abs. 1, dass ihr Gegenstand die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher ist. Nach ihrem 14. Erwägungsgrund erfasst sie Finanzdienstleistungen jeder Art, die im Fernabsatz erbracht werden können, vorbehaltlich der Anwendung besonderer unionsrechtlicher Bestimmungen, die speziell für bestimmte Finanzdienstleistungen gelten.

137    Ein Vertrag fällt nur dann in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2002/65, wenn er nicht nur ein „Fernabsatzvertrag“ im Sinne ihres Art. 2 Buchst. a ist, sondern mit ihm auch eine „Finanzdienstleistung“ im Sinne ihres Art. 2 Buchst. b erbracht werden soll; diese beiden Voraussetzungen sind kumulativ.

138    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2002/65 grundsätzlich eine vollständige Harmonisierung der durch sie geregelten Aspekte bewirkt, so dass ihr Wortlaut in allen Mitgliedstaaten einheitlich ausgelegt werden muss (Urteil vom 18. Juni 2020, Sparkasse Südholstein, C‑639/18, EU:C:2020:477, Rn. 23), im Einklang mit den oben in Rn. 133 angeführten Rechtsprechungsgrundsätzen.

139    Der Ausdruck „Finanzdienstleistung“ bezeichnet nach Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2002/65 jede Bankdienstleistung sowie jede Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung. Daher ist zu prüfen, ob ein Leasingvertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende zumindest einen der von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2002/65 erfassten Bereiche betrifft.

140    Erstens ist den Ausführungen des Generalanwalts in Nr. 95 seiner Schlussanträge beizupflichten, dass unter dem Begriff „Bankdienstleistung“ im Sinne dieser Bestimmung eine Dienstleistung zu verstehen ist, die im Rahmen einer herkömmlich von den Banken ausgeübten Geschäftstätigkeit angeboten wird.

141    Hierzu hat die deutsche Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen zutreffend ausgeführt, dass das Angebot eines Leasingvertrags über ein Kraftfahrzeug, wie er im Ausgangsverfahren in Rede steht, jedenfalls außerhalb des klassischen Leistungsspektrums des Bankensektors liegt, da eine solche besondere Dienstleistung meist von Banken, die mit Automobilherstellern verbunden sind, oder von Unternehmen, die sich wie Mietwagenfirmen auf das Leasing von Kraftfahrzeugen spezialisiert haben, angeboten wird.

142    Daraus folgt, dass ein solcher Vertrag keine „Bankdienstleistung“ im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2002/65 betrifft.

143    Zweitens ist zum Begriff „Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung“ im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2002/65 festzustellen, dass die Richtlinie keine Definition des Begriffs „Kreditgewährung“ enthält.

144    Im gewöhnlichen juristischen Sprachgebrauch bezeichnet dieser Begriff jedoch die Bereitstellung eines Geldbetrags oder von Zahlungsfristen oder Finanzierungshilfen durch den Kreditgeber an den Kreditnehmer zur Finanzierung oder zum Zahlungsaufschub, so dass unter einem Kreditvertrag ein Vertrag zu verstehen ist, bei dem ein Kreditgeber einem Verbraucher einen Kredit in Form einer Zahlungsfrist, eines Darlehens oder jeder anderen vergleichbaren Finanzierungshilfe gewährt oder zu gewähren verspricht.

145    Folglich ist ein Vertrag über eine Finanzdienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, wie sich auch im Wesentlichen aus den Nrn. 97 und 100 der Schlussanträge des Generalanwalts ergibt, dadurch gekennzeichnet, dass er mit einer Finanzierung oder aufgeschobenen Zahlung in Form von Mitteln, Zahlungsfristen oder Finanzierungshilfen in Zusammenhang steht, die der Unternehmer dem Verbraucher zu diesem Zweck bereitstellt.

146    Im vorliegenden Fall besteht, wie vor dem Gerichtshof ausgeführt worden ist, ein Leasingvertrag über ein Kraftfahrzeug ohne Kaufverpflichtung, wie er im Ausgangsverfahren in Rede steht, aus zwei Elementen, und zwar zum einen aus einem Kreditelement, das dadurch gekennzeichnet ist, dass eine Bank einem Verbraucher einen Kredit in Form von Finanzierungshilfen gewährt, und zum anderen aus einem Mietelement, das es dem Verbraucher ermöglichen soll, gegen eine Anzahlung und anschließende monatliche Raten während eines bestimmten Zeitraums ein dieser Bank gehörendes Fahrzeug seiner Wahl zu nutzen.

147    Unter diesen Umständen ist – wie der Generalanwalt in Nr. 97 seiner Schlussanträge ausgeführt hat –, um zu klären, ob ein solcher Vertrag wegen seines hybriden Charakters in Zusammenhang mit einer Kreditgewährung im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2002/65 steht, bei der Prüfung, ob das Kreditelement gegenüber dem Mietelement überwiegt oder umgekehrt, auf seinen Hauptzweck abzustellen.

148    Wie der Generalanwalt in Nr. 100 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, unterscheidet sich ein solcher Vertrag in weiten Teilen nicht von einem langfristigen Mietvertrag über ein Kraftfahrzeug, in dessen Rahmen der Verbraucher als Gegenleistung für das Recht zur Nutzung des Fahrzeugs Miete zu zahlen hat, vorausgesetzt, der Vertrag sieht keine Verpflichtung zum Kauf des Fahrzeugs am Ende der Leasingzeit vor, der Verbraucher hat nicht die Vollamortisation der Kosten zu tragen, die demjenigen, der das Fahrzeug zur Verfügung stellt, für dessen Erwerb entstanden sind, und er trägt nicht die Risiken, die mit dem Restwert des Fahrzeugs bei Vertragsende verbunden sind. Auch die Verpflichtung des Verbrauchers, den Wertverlust des Fahrzeugs auszugleichen, wenn bei seiner Rückgabe festgestellt wird, dass es sich nicht in einem seinem Alter entsprechenden Zustand befindet oder die vereinbarte Höchstfahrleistung überschritten wurde, ermöglicht keine Unterscheidung zwischen diesen Vertragstypen.

149    Da der Hauptzweck eines Leasingvertrags über ein Kraftfahrzeug ohne Kaufverpflichtung wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden die Miete dieses Fahrzeugs betrifft, kann ein solcher Vertrag nicht als Vertrag über eine Finanzdienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2002/65 in Verbindung mit ihrem Art. 2 Buchst. b eingestuft werden.

150    Drittens kann ein solcher Vertrag, da er offensichtlich auch keine „Dienstleistung im Zusammenhang mit einer … Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung“ im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2002/65 betrifft, nicht als Vertrag über den Vertrieb einer „Finanzdienstleistung“ im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden.

151    Da eine der beiden oben in Rn. 137 genannten kumulativen Voraussetzungen nicht erfüllt ist, fällt ein Leasingvertrag über ein Kraftfahrzeug, der u. a. dadurch gekennzeichnet ist, dass weder er noch ein gesonderter Vertrag vorsieht, dass der Verbraucher das Fahrzeug bei Vertragsende kaufen muss, sowie dadurch, dass der Verbraucher weder die Vollamortisation der Kosten, die demjenigen, der das Fahrzeug zur Verfügung stellt, für dessen Erwerb entstanden sind, noch die Risiken trägt, die mit dem Restwert des Fahrzeugs bei Vertragsende verbunden sind, nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2002/65.

152    Zum Geltungsbereich der Richtlinie 2011/83 ist darauf hinzuweisen, dass sie nach ihrem Art. 3 Abs. 1 unter den Bedingungen und in dem Umfang, wie sie in ihren Bestimmungen festgelegt sind, für jegliche Verträge, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen werden, gilt, mit Ausnahme der in Art. 3 Abs. 3 genannten Verträge, wie etwa Verträge über Finanzdienstleistungen, die in Art. 2 Nr. 12 dieser Richtlinie im Wesentlichen in gleicher Weise definiert werden wie in Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2002/65 (siehe oben, Rn. 139).

153    Ein Leasingvertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende kann, entsprechend den oben in den Rn. 143 bis 149 angestellten Erwägungen, nicht als Vertrag über eine „Finanzdienstleistung“ im Sinne von Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie 2011/83 eingestuft werden. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass ein solcher Leasingvertrag als „Dienstleistungsvertrag“ im Sinne ihres Art. 2 Nr. 6 eingestuft werden könnte.

154    Der Begriff „Dienstleistungsvertrag“ wird in Art. 2 Nr. 6 der Richtlinie 2011/83 weit definiert als „jede[r] Vertrag, der kein Kaufvertrag ist und nach dem der Unternehmer eine Dienstleistung für den Verbraucher erbringt oder deren Erbringung zusagt und der Verbraucher hierfür den Preis zahlt oder dessen Zahlung zusagt“. Daraus ergibt sich, dass dieser Begriff so zu verstehen ist, dass er alle Verträge umfasst, die nicht unter den Begriff „Kaufvertrag“ fallen (Urteil vom 12. März 2020, Verbraucherzentrale Berlin, C‑583/18, EU:C:2020:199, Rn. 22).

155    Ein Leasingvertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, mit dem sich ein Unternehmer verpflichtet, einem Verbraucher gegen Ratenzahlung ein Fahrzeug zur Verfügung zu stellen, ohne dass eine Verpflichtung zum Kauf des Fahrzeugs bei Ablauf des Leasingvertrags besteht, stellt keinen „Kaufvertrag“, mit dem das Eigentum am Fahrzeug an den Verbraucher übertragen würde, im Sinne von Art. 2 Nr. 5 der Richtlinie 2011/83 dar. Da dieser Vertrag auch nicht unter die in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie aufgezählten Ausnahmen fällt, ist davon auszugehen, dass er als „Dienstleistungsvertrag“ im Sinne von Art. 2 Nr. 6 der Richtlinie in ihren Geltungsbereich fällt.

156    Nach alledem ist auf die fünfte Frage in der Rechtssache C‑38/21 zu antworten, dass Art. 2 Nr. 6 der Richtlinie 2011/83 in Verbindung mit ihrem Art. 3 Abs. 1 dahin auszulegen ist, dass ein Leasingvertrag über ein Kraftfahrzeug, der dadurch gekennzeichnet ist, dass weder er noch ein gesonderter Vertrag vorsieht, dass der Verbraucher das Fahrzeug bei Vertragsende kaufen muss, als „Dienstleistungsvertrag“ im Sinne von Art. 2 Nr. 6 der Richtlinie 2011/83 in ihren Geltungsbereich fällt. Dagegen fällt ein solcher Vertrag weder in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2002/65 noch in den Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48.

 Zu den Fragen 6 bis 8 in der Rechtssache C38/21

157    Alle diese Fragen werden für den Fall gestellt, dass der Gerichtshof zu dem Ergebnis kommt, dass ein Leasingvertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende als Vertrag über Finanzdienstleistungen im Sinne der Richtlinien 2002/65 und/oder 2011/83 einzustufen ist.

158    Aus den oben in den Rn. 149, 151 und 156 angestellten Erwägungen geht jedoch hervor, dass sich ein solcher Vertrag nicht auf Finanzdienstleistungen im Sinne dieser Richtlinien bezieht, sondern als „Dienstleistungsvertrag“ im Sinne von Art. 2 Nr. 6 der Richtlinie 2011/83 in Verbindung mit ihrem Art. 3 Abs. 1 einzustufen ist.

159    Somit behalten die Fragen 6 bis 8 ihre Relevanz, soweit sie die Auslegung der Bestimmungen dieser Richtlinie betreffen.

160    Insoweit ist zu präzisieren, dass diese Fragen dem vorlegenden Gericht im Wesentlichen die Feststellung ermöglichen sollen, ob VK das in Art. 9 der Richtlinie 2011/83 vorgesehene, nur für Fernabsatzverträge oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge geltende Widerrufsrecht in Anspruch nehmen kann oder ob dieses Recht nach Art. 16 der Richtlinie ausgeschlossen ist.

161    Unter diesen Umständen hält es der Gerichtshof für sachdienlich, zunächst die achte, den Begriff „Fernabsatzvertrag“ betreffende Frage zu beantworten, sodann die sechste, den Begriff „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag“ betreffende Frage und schließlich die siebte, Art. 16 der Richtlinie 2011/83 betreffende Frage.

–       Zur achten Frage in der Rechtssache C38/21

162    Mit der achten Frage in der Rechtssache C‑38/21 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass ein Dienstleistungsvertrag im Sinne ihres Art. 2 Nr. 6, der zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer unter Verwendung eines Fernkommunikationsmittels geschlossen wird, als „Fernabsatzvertrag“ im Sinne von Art. 2 Nr. 7 eingestuft werden kann, wenn bei der Vertragsanbahnung neben dem Verbraucher ein zur Beantwortung seiner Fragen und zur Anbahnung des Vertrags, nicht aber zu dessen Abschluss befugter Vermittler körperlich anwesend war.

163    Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass nach Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 2011/83 der Ausdruck „Fernabsatzvertrag“ jeden Vertrag bezeichnet, der zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems geschlossen wird, wobei bis einschließlich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet wird bzw. werden.

164    Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, insbesondere aus der Wendung „bis einschließlich zum Zeitpunkt“, ergibt sich somit, dass für die Einstufung eines Vertrags als „Fernabsatzvertrag“ das Erfordernis der ausschließlichen Verwendung eines oder mehrerer Fernkommunikationsmittel zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit dieser Personen nicht nur für den Abschluss des Vertrags als solchen gilt, sondern auch für dessen Anbahnungsphase.

165    Zum anderen ergibt sich aus der Definition des Begriffs „Unternehmer“ in Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2011/83, dass ein Unternehmer bei Verträgen, die in ihren Geltungsbereich fallen, durch eine andere Person, die in seinem Namen oder Auftrag handelt, tätig werden kann.

166    Hierzu ist festzustellen, dass ein Vermittler, der, wie im vorliegenden Fall, vom Unternehmer die Befugnis erhalten hat, die Berechnung der verschiedenen Elemente des Vertragsgegenstands vorzunehmen, die Modalitäten und Bedingungen des Vertrags mit dem Verbraucher zu erörtern, Auskünfte über den beabsichtigten Vertrag zu erteilen und Fragen des Verbrauchers zu beantworten sowie dessen schriftlichen Antrag auf Abschluss dieses Vertrags mit dem Unternehmer auszufüllen, entgegenzunehmen oder weiterzuleiten, zwangsläufig sowohl im Namen als auch im Auftrag des Unternehmers handelt.

167    Aus den oben in den Rn. 163 bis 166 angestellten Erwägungen ergibt sich, dass es, wenn der Verbraucher und ein im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelnder Vermittler in der Anbahnungsphase des Vertrags gleichzeitig körperlich anwesend sind, grundsätzlich ausgeschlossen ist, vom Vorliegen eines unter ausschließlicher Verwendung eines oder mehrerer Fernkommunikationsmittel geschlossenen Vertrags auszugehen.

168    Wie aus dem 20. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/83 hervorgeht, erfasst die Definition des Begriffs „Fernabsatzvertrag“ gleichwohl Fälle, in denen der Verbraucher die Geschäftsräume lediglich zum Zweck der Information über die Waren oder Dienstleistungen aufsucht und anschließend den Vertrag aus der Ferne aushandelt und abschließt. Dagegen ist ein Vertrag, der in den Geschäftsräumen eines Unternehmers ausgehandelt und letztlich über ein Fernkommunikationsmittel geschlossen wird, nicht als Fernabsatzvertrag anzusehen.

169    Die Bestimmungen der Richtlinie 2011/83 über Fernabsatzverträge sollen in diesem Sinne verhindern, dass die Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zu einer Verringerung der dem Verbraucher vermittelten Informationen führt, insbesondere da die Informationen, die er vor dem Abschluss eines Vertrags gemäß Art. 6 der Richtlinie sowohl über dessen Bedingungen und die Folgen des Vertragsschlusses, um ihm die Entscheidung zu ermöglichen, ob er sich vertraglich an einen Unternehmer binden möchte, als auch über die ordnungsgemäße Vertragserfüllung und vor allem die Ausübung seiner Rechte erhalten hat, für ihn von grundlegender Bedeutung sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. Januar 2019, Walbusch Walter Busch, C‑430/17, EU:C:2019:47, Rn. 35 und 36 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 5. Mai 2022, Victorinox, C‑179/21, EU:C:2022:353, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

170    Somit sind Verträge, die zwar mit dem Unternehmer unter Verwendung eines Fernkommunikationsmittels geschlossen wurden, aber Gegenstand von Verhandlungen zwischen dem Verbraucher und einem im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelnden Vermittler waren, bei denen der Verbraucher, da der Vermittler körperlich anwesend war, insbesondere die in Art. 6 der Richtlinie 2011/83 genannten Informationen erhielt und dem Vermittler Fragen zu dem ins Auge gefassten Vertrag oder dem gemachten Angebot stellen konnte, um jeden Zweifel an der Tragweite seiner etwaigen vertraglichen Bindung an den Unternehmer auszuräumen, nicht als „Fernabsatzvertrag“ im Sinne von Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 2011/83 einzustufen.

171    Dagegen kann ein Vertrag, der zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer unter Verwendung eines oder mehrerer Fernkommunikationsmittel geschlossen wird, als „Fernabsatzvertrag“ im Sinne von Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 2011/83 eingestuft werden, wenn in der Phase der Anbahnung des Vertrags mit dem Unternehmer neben dem Verbraucher ein im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelnder Vermittler körperlich anwesend war, dessen Rolle sich aber darauf beschränkte, dem Verbraucher die Sammlung von Informationen über den Vertragsgegenstand zu ermöglichen und gegebenenfalls den Antrag des Verbrauchers entgegenzunehmen und dem Unternehmer zu übermitteln, ohne dass er mit dem Verbraucher verhandeln oder ihm die in Art. 6 der Richtlinie genannten Informationen zur Verfügung stellen konnte.

172    Aus den oben in den Rn. 46 und 166 angestellten Erwägungen ergibt sich, dass zwischen VK und einem Vermittler, der befugt war, im Namen oder Auftrag der BMW Bank zu handeln, insbesondere insofern Verhandlungen stattfanden, als die Elemente und die Dauer des Leasings sowie die Höhe der Anzahlung und der geschuldeten Monatsraten, die zu den Informationen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. a, e, g und o der Richtlinie 2011/83 gehören, zwischen diesen beiden Personen erörtert wurden; zudem beantwortete der Vermittler Fragen von VK zu dem ins Auge gefassten Vertrag. Vorbehaltlich der Überprüfung durch das vorlegende Gericht, ob VK im Rahmen dieser Anbahnungsphase in klarer und verständlicher Weise alle in Art. 6 der Richtlinie genannten Informationen erhielt, ist daher im Einklang mit den oben in Rn. 170 angestellten Erwägungen davon auszugehen, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Leasingvertrag kein Fernabsatzvertrag im Sinne von Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 2011/83 ist.

173    Nach alledem ist auf die achte Frage in der Rechtssache C‑38/21 zu antworten, dass Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass ein Dienstleistungsvertrag im Sinne ihres Art. 2 Nr. 6, der zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer unter Verwendung eines Fernkommunikationsmittels geschlossen wird, nicht als „Fernabsatzvertrag“ im Sinne von Art. 2 Nr. 7 eingestuft werden kann, wenn dem Vertragsschluss eine Verhandlungsphase vorausging, bei der neben dem Verbraucher ein im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelnder Vermittler körperlich anwesend war und in deren Verlauf der Verbraucher von dem Vermittler für die Zwecke dieser Verhandlungen alle in Art. 6 der Richtlinie genannten Informationen erhielt und dem Vermittler Fragen zu dem ins Auge gefassten Vertrag oder dem gemachten Angebot stellen konnte, um jeden Zweifel an der Tragweite seiner etwaigen vertraglichen Bindung an den Unternehmer auszuräumen.

–       Zur sechsten Frage in der Rechtssache C38/21

174    Mit der sechsten Frage in der Rechtssache C‑38/21 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 2 Nr. 8 Buchst. a der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass ein Dienstleistungsvertrag im Sinne ihres Art. 2 Nr. 6, der zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer geschlossen wird, als „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag“ im Sinne von Art. 2 Nr. 8 Buchst. a eingestuft werden kann, wenn der Verbraucher in der Anbahnungsphase, bevor der Vertrag unter Verwendung eines Fernkommunikationsmittels abgeschlossen wurde, die Geschäftsräume eines Vermittlers aufsuchte, der im Namen oder Auftrag des Unternehmers zum Zweck der Aushandlung dieses Vertrags handelte, aber in einer anderen Branche als der Unternehmer tätig ist.

175    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 2 Nr. 8 Buchst. a der Richtlinie 2011/83 der Begriff „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag“ u. a. definiert wird als jeder Vertrag zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher, der bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers an einem Ort geschlossen wird, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist. Nach Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „Geschäftsräume“ unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, oder bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt.

176    Nach Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2011/83 kann der „Unternehmer“ durch eine andere Person tätig werden, die in seinem Namen oder Auftrag handelt. Außerdem geht aus dem 22. Erwägungsgrund der Richtlinie hervor, dass die Geschäftsräume eines Vermittlers als Geschäftsräume im Sinne der Richtlinie anzusehen sind, d. h. als Geschäftsräume des Unternehmers im Sinne ihres Art. 2 Nr. 9.

177    Somit ergibt eine Gesamtbetrachtung all dieser Bestimmungen im Licht des genannten Erwägungsgrundes, dass ein Vertrag, der dadurch zustande kommt, dass ein Verbraucher von sich aus die Geschäftsräume eines Vermittlers, der im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelt, aufsucht und dort den Vertrag aushandelt, bevor er ihn unter Verwendung eines Fernkommunikationsmittels mit dem Unternehmer abschließt, kein „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag“ im Sinne von Art. 2 Nr. 8 Buchst. a der Richtlinie 2011/83 ist; dies gilt auch dann, wenn der Verbraucher nur die Geschäftsräume des Vermittlers aufgesucht hat.

178    Diese Auslegung wird durch das mit den Bestimmungen der Richtlinie 2011/83 über außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossene Verträge verfolgte Ziel bestätigt, das nach ihren Erwägungsgründen 21 und 37 darin besteht, den Verbraucher vor der Gefahr zu schützen, psychologischem Druck oder einem Überraschungsmoment ausgesetzt zu werden, wenn er sich außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers befindet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. August 2018, Verbraucherzentrale Berlin, C‑485/17, EU:C:2018:642, Rn. 33).

179    In diesem Kontext hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der Unionsgesetzgeber bei außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Verträgen für den Fall, dass sich der Verbraucher zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht in einer vom Unternehmer dauerhaft oder für gewöhnlich genutzten Räumlichkeit befindet, grundsätzlich ein Widerrufsrecht zum Schutz des Verbrauchers vorgesehen hat, weil er der Ansicht war, dass der Verbraucher nur dann damit rechnen kann, vom Unternehmer angesprochen zu werden, wenn er von sich aus eine vom Unternehmer dauerhaft oder für gewöhnlich genutzte Räumlichkeit aufsucht, so dass er anschließend nicht mit Erfolg geltend machen kann, vom Angebot des Unternehmers überrascht worden zu sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. August 2018, Verbraucherzentrale Berlin, C‑485/17, EU:C:2018:642, Rn. 34).

180    Nichts anderes kann gelten, wenn ein Verbraucher von sich aus die Geschäftsräume eines Vermittlers, der allem Anschein nach im Namen oder Auftrag eines Unternehmers handelt, aufsucht, unabhängig davon, ob der Vermittler nur zur Aushandlung des Vertrags befugt ist oder auch zu dessen Abschluss. In einem solchen Fall sind im Licht des 22. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2011/83 die Geschäftsräume des Vermittlers den Geschäftsräumen des Unternehmers im Sinne ihres Art. 2 Nr. 8 Buchst. a gleichzustellen.

181    Sofern der Vermittler selbst ein Unternehmer ist, dessen Tätigkeit zu einer anderen Branche als der des Unternehmers gehört, in dessen Namen oder Auftrag er handelt, hängt die Möglichkeit einer solchen Gleichstellung allerdings entscheidend davon ab, ob ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher, wenn er sich in die Geschäftsräume des Vermittlers begibt, damit rechnen kann, von diesem zu kommerziellen Zwecken der Aushandlung und des anschließenden Abschlusses im Wege des Fernabsatzes eines Vertrags, der zur Tätigkeit des Unternehmers gehört, in dessen Namen oder Auftrag der Vermittler handelt, angesprochen zu werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. August 2018, Verbraucherzentrale Berlin, C‑485/17, EU:C:2018:642, Rn. 43 und 44).

182    Unter diesen Umständen wird das vorlegende Gericht zu prüfen haben, ob VK, als er die Geschäftsräume des Kraftfahrzeughändlers aufsuchte, aus der Sicht eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers damit rechnen konnte, von diesem Händler zu kommerziellen Zwecken der Aushandlung und des Abschlusses eines Leasingvertrags mit der BMW Bank angesprochen zu werden, und ob er überdies leicht erkennen konnte, dass der Händler im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelte.

183    Nach alledem ist auf die sechste Frage in der Rechtssache C‑38/21 zu antworten, dass Art. 2 Nr. 8 Buchst. a der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass ein Dienstleistungsvertrag im Sinne ihres Art. 2 Nr. 6, der zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer geschlossen wird, nicht als „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag“ im Sinne von Art. 2 Nr. 8 Buchst. a eingestuft werden kann, wenn der Verbraucher in der Anbahnungsphase, bevor der Vertrag unter Verwendung eines Fernkommunikationsmittels abgeschlossen wurde, die Geschäftsräume eines Vermittlers aufsuchte, der im Namen oder Auftrag des Unternehmers zum Zweck der Aushandlung dieses Vertrags handelte, aber in einer anderen Branche als der Unternehmer tätig ist, vorausgesetzt, ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher konnte, als er die Geschäftsräume des Vermittlers aufsuchte, damit rechnen, von ihm zu kommerziellen Zwecken der Aushandlung und des Abschlusses eines Dienstleistungsvertrags mit dem Unternehmer angesprochen zu werden, und konnte überdies leicht erkennen, dass der Vermittler im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelte.

–       Zur siebten Frage in der Rechtssache C38/21

184    Mit der siebten Frage in der Rechtssache C‑38/21 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausnahme vom Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen oder außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Verträgen über Dienstleistungen im Bereich von Mietwagen, die in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallen und die für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsehen, einem Verbraucher entgegengehalten werden kann, der mit einem Unternehmer einen als Fernabsatzvertrag oder außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrag im Sinne dieser Richtlinie einzustufenden Leasingvertrag über ein Kraftfahrzeug mit einer Laufzeit von 24 Monaten geschlossen hat.

185    Vorab ist klarzustellen, dass die Antwort des Gerichtshofs auf diese Frage nur dann relevant sein wird, wenn das vorlegende Gericht den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leasingvertrag angesichts der Antwort auf die Fragen 6 und 8 in der Rechtssache C‑38/21 als Fernabsatzvertrag oder als außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag im Sinne der Richtlinie 2011/83 einstufen sollte.

186    Nach dieser Vorbemerkung ist darauf hinzuweisen, dass die Art. 9 bis 15 der Richtlinie 2011/83 dem Verbraucher nach dem Abschluss eines Fernabsatzvertrags oder eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags im Sinne ihres Art. 2 Nrn. 7 bzw. 8 ein Widerrufsrecht gewähren und die Bedingungen und Modalitäten für die Ausübung dieses Rechts regeln.

187    Nach Art. 16 der Richtlinie 2011/83 gibt es jedoch Ausnahmen von diesem Widerrufsrecht, u. a. im Fall von Art. 16 Buchst. l, wenn Dienstleistungen im Bereich von Mietwagen erbracht werden und der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht.

188    Daher ist zu klären, ob ein Leasingvertrag über ein Kraftfahrzeug mit einer Laufzeit von 24 Monaten, wie er im Ausgangsverfahren in Rede steht, im Sinne von Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83 „Dienstleistungen [im Bereich von] Mietwagen“ betrifft und „für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht“. Mangels Bezugnahme auf das Recht der Mitgliedstaaten sind diese Merkmale nach der oben in Rn. 133 angeführten Rechtsprechung autonom und einheitlich, unter Berücksichtigung des Wortlauts des betreffenden Begriffs sowie im Licht seines Kontexts und des mit ihm verfolgten Zwecks auszulegen.

189    Außerdem sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs Begriffe in einer Bestimmung, die eine Ausnahme von einem Grundsatz oder, spezifischer, von unionsrechtlichen Verbraucherschutzvorschriften darstellt, eng auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. März 2005, EasyCar, C‑336/03, EU:C:2005:150, Rn. 21, und vom 14. Mai 2020, NK [Planung eines Einfamilienhauses], C‑208/19, EU:C:2020:382, Rn. 40). Dies bedeutet jedoch nicht, dass die zur Umschreibung der vorgesehenen Ausnahmeregelung verwendeten Begriffe in einer Weise auszulegen wären, die ihr ihre Wirkungen nähme. Ihre Auslegung muss nämlich mit den Zielen im Einklang stehen, die mit dieser Regelung verfolgt werden (Urteil vom 30. September 2021, Icade Promotion, C‑299/20, EU:C:2021:783, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

190    Erstens ist zum Wortlaut von Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83 festzustellen, dass die von ihm erfassten Dienstleistungen im Bereich von Mietwagen dadurch gekennzeichnet sind, dass dem Verbraucher für einen spezifischen Termin oder Zeitraum ein Fahrzeug, und zwar ein Kraftfahrzeug, gegen Zahlung eines Mietpreises oder von monatlichen R zur Verfügung gestellt wird (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 10. März 2005, EasyCar, C‑336/03, EU:C:2005:150, Rn. 27).

191    Wie oben in Rn. 148 ausgeführt, besteht der Hauptgegenstand eines Leasingvertrags wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden darin, es dem Verbraucher zu gestatten, das Fahrzeug während eines spezifischen Zeitraums, im vorliegenden Fall von 24 Monaten, gegen monatliche Zahlung eines Geldbetrags während des gesamten Zeitraums zu nutzen. Zwar enthält ein solcher Vertrag auch ein Kreditelement, doch lässt der Wortlaut von Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83, in dem allgemein von „Dienstleistungen [im Bereich von] Mietwagen“ die Rede ist, auch unter Berücksichtigung der oben in Rn. 189 angeführten Rechtsprechung nicht den Schluss zu, dass der Unionsgesetzgeber Leasingverträge über ein Kraftfahrzeug vom Geltungsbereich dieser Bestimmung ausschließen wollte.

192    Insbesondere lässt der Umstand, dass nach Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83 der Mietvertrag über das Fahrzeug einen „spezifischen“ Termin oder Zeitraum für die Erbringung der Dienstleistung vorsehen muss, nicht den Schluss zu, dass der Unionsgesetzgeber nur kurzfristige Mietverträge einbeziehen wollte. Unter den Begriff „spezifisch“ können nämlich auch Mietverträge mit einer längeren Laufzeit, etwa von 24 Monaten, fallen, sofern die Laufzeit im Vertrag hinreichend genau angegeben ist.

193    Was zweitens den Kontext betrifft, in den sich die genannte Bestimmung einfügt, trifft es zu, dass die dort neben Dienstleistungen im Bereich von Mietwagen genannten Kategorien von Dienstleistungen – Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken, Beförderung von Waren, Lieferung von Speisen und Getränken sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen – in der Regel punktuell oder für einen relativ kurzen Zeitraum erbracht werden. Aus Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83 ergibt sich jedoch keine konkrete zeitliche Beschränkung, die den Schluss zuließe, dass nur Verträge über Mietwagen, die für eine bestimmte Höchstdauer geschlossen werden, unter die darin vorgesehene Ausnahme vom Widerrufsrecht fallen können. Dies gilt erst recht in Anbetracht dessen, dass auch die übrigen Kategorien von Dienstleistungen unter bestimmten Umständen Gegenstand langfristiger Verträge sein können.

194    Drittens ist, unter Berücksichtigung der oben in den Rn. 190 bis 193 angestellten Erwägungen und der oben in Rn. 189 angeführten Rechtsprechung, anhand des mit Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83 verfolgten Ziels zu klären, ob die eng auszulegende Wendung „Dienstleistungen [im Bereich von] Mietwagen … für … einen spezifischen Termin oder Zeitraum“ Leasingverträge über ein Kraftfahrzeug mit einer Laufzeit von 24 Monaten wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrag umfasst.

195    Dieses Ziel besteht, wie sich aus dem 49. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/83 ergibt, darin, den Unternehmer vor dem Risiko zu schützen, das mit der Bereitstellung bestimmter Kapazitäten verbunden ist, die er im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts möglicherweise nicht mehr anderweitig nutzen kann (Urteil vom 31. März 2022, CTS Eventim, C‑96/21, EU:C:2022:238, Rn. 44).

196    Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83 soll somit u. a. einen Schutz der Interessen der Anbieter bestimmter Dienstleistungen schaffen, damit diesen keine unverhältnismäßigen Nachteile im Zusammenhang mit der kostenlosen und ohne Angabe von Gründen erfolgenden Stornierung einer Bestellung von Dienstleistungen dadurch entstehen, dass der Verbraucher kurz vor dem für die Erbringung der Dienstleistung vorgesehenen Zeitpunkt einen Widerruf erklärt (Urteil vom 31. März 2022, CTS Eventim, C‑96/21, EU:C:2022:238, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

197    Speziell zur Tätigkeit von Autovermietungsunternehmen hat der Gerichtshof entschieden, dass der Schutz, den der Unionsgesetzgeber dieser Tätigkeit durch die genannte Ausnahme vom Widerrufsrecht verschaffen wollte, damit zusammenhängt, dass diese Unternehmen Vorkehrungen für die Erbringung der vereinbarten Leistung zu dem bei der Bestellung festgelegten Termin treffen müssen und aus diesem Grund im Fall einer Stornierung die gleichen Nachteile erleiden wie Unternehmen, die in den übrigen in der genannten Bestimmung aufgezählten Sektoren tätig sind (vgl. entsprechend Urteil vom 10. März 2005, EasyCar, C‑336/03, EU:C:2005:150, Rn. 29).

198    Im vorliegenden Fall geht aus der dem Gerichtshof zur Verfügung stehenden Akte hervor, dass der Unternehmer im Rahmen eines Leasingvertrags wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden das betreffende Fahrzeug auf Wunsch und nach den Vorgaben des Verbrauchers erwirbt. Der Unternehmer bleibt während der Laufzeit des Vertrags Eigentümer des Fahrzeugs, und der Verbraucher ist verpflichtet, ihm das Fahrzeug am Ende der Laufzeit zurückzugeben, damit der Unternehmer es einer neuen Nutzung zuführt, etwa einem erneuten Leasing, einer anderen Form der Vermietung oder einem Verkauf.

199    Unabhängig von der Laufzeit eines solchen Vertrags könnte der Unternehmer aber, falls dem Verbraucher ein Widerrufsrecht eingeräumt würde, Schwierigkeiten haben, das auf speziellen Wunsch des Verbrauchers und nach seinen Vorgaben erworbene Fahrzeug einer neuen Nutzung zuzuführen, ohne dabei unverhältnismäßige Nachteile zu erleiden. Je nach u. a. Marke, Modell, Motortyp, Farbe der Karosserie oder der Innenausstattung oder auch Sonderausstattungen könnte es dem Unternehmer womöglich nicht gelingen, das Fahrzeug innerhalb einer angemessenen Frist nach Ausübung des Widerrufsrechts für einen der ursprünglich vorgesehenen Leasingdauer entsprechenden Zeitraum einer anderen vergleichbaren Nutzung zuzuführen, ohne einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden zu erleiden.

200    Diese Auslegung steht im Einklang mit der in Art. 16 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 vorgesehenen Ausnahme vom Widerrufsrecht bei „Waren …, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind“. Zwar betrifft ein Leasingvertrag wie der im Ausgangsverfahren in der Rechtssache C‑38/21 in Rede stehende nicht die Lieferung einer Ware, sondern die Erbringung einer Dienstleistung. Gleichwohl zeugt diese andere Ausnahme davon, dass der Unionsgesetzgeber das Widerrufsrecht in Fällen ausschließen wollte, in denen eine Ware nach genauen Vorgaben des Verbrauchers hergestellt oder angefertigt wurde; dies ist der Fall, wenn ein Neufahrzeug nach genauen Vorgaben des Verbrauchers zur Nutzung im Rahmen eines Leasingvertrags bestellt wird.

201    Aus der soeben in den Rn. 190 bis 200 vorgenommenen wörtlichen, systematischen und teleologischen Auslegung von Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83 geht hervor, dass ein Leasingvertrag über ein Kraftfahrzeug mit einer Laufzeit von 24 Monaten, wie er im Ausgangsverfahren in Rede steht, im Sinne von Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83 „Dienstleistungen [im Bereich von] Mietwagen“ betrifft und „für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht“.

202    Nach alledem ist auf die siebte Frage in der Rechtssache C‑38/21 zu antworten, dass Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass ein zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossener Leasingvertrag über ein Kraftfahrzeug, der als Fernabsatzvertrag oder als außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag im Sinne dieser Richtlinie einzustufen ist, von der in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausnahme vom Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen oder außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Verträgen über Dienstleistungen im Bereich von Mietwagen, die in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen, erfasst wird, wenn der Hauptgegenstand des Vertrags darin besteht, es dem Verbraucher zu gestatten, ein Fahrzeug während der spezifischen vertraglich vorgesehenen Laufzeit gegen regelmäßige Zahlung von Geldbeträgen zu nutzen.

 Zu den Fragen 1 bis 4 in der Rechtssache C38/21

203    Zu den die Auslegung von Bestimmungen der Richtlinie 2008/48 betreffenden Fragen 1 bis 4 ist erstens festzustellen, dass es, da ein Leasingvertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende aufgrund der Antwort auf die fünfte Frage in der Rechtssache C‑38/21 nicht in ihren Geltungsbereich fällt, nach der oben in Rn. 110 angeführten Rechtsprechung nicht mehr erforderlich ist, diese Fragen in Bezug auf die Richtlinie 2008/48 zu beantworten.

204    Diese Feststellung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts für einen solchen Leasingvertrag die Bestimmungen des nationalen Rechts zur Umsetzung der Richtlinie 2008/48 entsprechend gelten sollten.

205    Es trifft zu, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 1 der Richtlinie 2008/48 in Verbindung mit ihrem zehnten Erwägungsgrund trotz der vollständigen Harmonisierung der von ihr erfassten Aspekte befugt sind, für Kreditverträge, die nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen, innerstaatliche Vorschriften beizubehalten oder einzuführen, die den Bestimmungen der Richtlinie oder einigen ihrer Bestimmungen entsprechen, etwa für die in ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. d genannten „Miet- oder Leasingverträge, bei denen weder in dem Vertrag selbst noch in einem gesonderten Vertrag eine Verpflichtung zum Erwerb des Miet- bzw. Leasinggegenstands vorgesehen ist“.

206    Ferner trifft es zu, dass der Gerichtshof wiederholt seine Zuständigkeit für die Entscheidung über Vorabentscheidungsersuchen bejaht hat, die Bestimmungen des Unionsrechts in Fällen betrafen, in denen diese Bestimmungen durch das nationale Recht für anwendbar erklärt worden waren, wobei sich die nationalen Rechtsvorschriften zur Regelung rein innerstaatlicher Sachverhalte nach den im Unionsrecht getroffenen Regelungen richteten. In einem solchen Fall besteht nämlich ein klares Interesse der Union daran, dass die aus dem Unionsrecht übernommenen Bestimmungen oder Begriffe unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen sie angewandt werden sollen, einheitlich ausgelegt werden, um künftige Auslegungsunterschiede zu verhindern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2020, I.G.I., C‑394/18, EU:C:2020:56, Rn. 45 und 46 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

207    Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht allerdings hervor, dass die betreffenden Bestimmungen des Unionsrechts vom nationalen Recht unmittelbar und unbedingt für anwendbar erklärt worden sein müssen, um die Gleichbehandlung innerstaatlicher und durch das Unionsrecht geregelter Sachverhalte zu gewährleisten, und dass sich die konkreten Merkmale, die die Feststellung einer solchen unmittelbaren und unbedingten Anwendbarkeit ermöglichen, aus der Vorlageentscheidung ergeben müssen. Insoweit ist es Sache des vorlegenden Gerichts, gemäß Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs anzugeben, inwieweit der bei ihm anhängige Rechtsstreit trotz seines rein innerstaatlichen Charakters einen Anknüpfungspunkt an die Vorschriften des Unionsrechts aufweist, der die erbetene Auslegung im Wege der Vorabentscheidung für die Entscheidung dieses Rechtsstreits erforderlich macht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2020, I.G.I., C‑394/18, EU:C:2020:56, Rn. 46, 48 und 49 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

208    Im vorliegenden Fall führt das vorlegende Gericht in der Ergänzung seines Vorabentscheidungsersuchens aus, der Bundesgerichtshof habe entschieden, dass Leasingverträge über ein Kraftfahrzeug, die vorsähen, dass der Verbraucher nicht verpflichtet sei, das Fahrzeug bei Vertragsende zu erwerben, nicht unter § 506 BGB fielen, der auf die Vorschriften des BGB zur Umsetzung der Richtlinie 2008/48 Bezug nehme. Das vorlegende Gericht hat zwar Zweifel an dieser Auslegung, gibt aber in seinem Vorabentscheidungsersuchen an, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die Teil des deutschen Rechts sei, seien die Bestimmungen der Richtlinie 2008/48 vom nationalen Recht nicht unmittelbar und unbedingt auf Leasingverträge wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden für anwendbar erklärt worden.

209    Zweitens führt das vorlegende Gericht in seiner Ergänzung des Vorabentscheidungsersuchens aus, selbst wenn der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vertrag nicht als Verbraucherkreditvertrag in den Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48 fallen sollte, blieben die dritte und die vierte Frage in der Rechtssache C‑38/21 relevant, sofern sich der Verbraucher auf das Widerrufsrecht berufen könne, das die deutschen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinie 2002/65 und der Richtlinie 2011/83 für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge vorsähen.

210    Insoweit ergibt sich aus den oben in Rn. 156 getroffenen Feststellungen, dass einem Verbraucher wie VK kein Widerrufsrecht auf der Grundlage der Richtlinie 2002/65 zusteht, da ein Leasingvertrag über ein Kraftfahrzeug wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt. Außerdem ergibt sich aus den oben in den Rn. 156 und 202 getroffenen Feststellungen, dass dem Verbraucher, der einen solchen Vertrag mit einem Unternehmer geschlossen hat, mag der Vertrag auch in den Geltungsbereich der Richtlinie 2011/83 fallen und als außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag oder als Fernabsatzvertrag im Sinne von Art. 2 Nrn. 6 bzw. 7 dieser Richtlinie eingestuft werden können, das darin vorgesehene Widerrufsrecht nach ihrem Art. 16 Buchst. l nicht zusteht.

211    Unter diesen Umständen sind die dritte und die vierte Frage in der Rechtssache C‑38/21 in Bezug auf die Richtlinien 2002/65 und 2011/83 nicht zu beantworten.

 Zur ersten Frage in den Rechtssachen C47/21 und C232/21

212    Vorab ist zu dem Einwand der C. Bank, der Volkswagen Bank und der Audi Bank, diese Frage sei unzulässig, darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof nach ihrem Wortlaut zwar aufgefordert wird, sich zur Vereinbarkeit innerstaatlicher Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht zu äußern, doch hindert diese Formulierung den Gerichtshof nicht daran, dem vorlegenden Gericht Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, anhand deren es selbst über die Vereinbarkeit des innerstaatlichen Rechts mit dem Unionsrecht entscheiden kann (Urteil vom 17. März 2021, Consulmarketing, C‑652/19, EU:C:2021:208, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

213    Im vorliegenden Fall geht zunächst aus den Vorabentscheidungsersuchen in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 hervor, dass nach den in diesen Rechtssachen in Rede stehenden Verträgen die Frist, innerhalb deren ein Widerruf durch den Verbraucher möglich ist, erst nach Vertragsschluss zu laufen beginnt, vorausgesetzt, dem Darlehensnehmer wurden alle nach deutschem Recht vorgeschriebenen Pflichtangaben gemacht, die im Wesentlichen den in Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 aufgeführten Angaben entsprechen.

214    Sodann enthalten diese Verträge Klauseln, die dem im deutschen Recht vorgesehenen gesetzlichen Muster entsprechen. Das vorlegende Gericht hat zwar festgestellt, dass einige dieser Klauseln nicht mit Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 im Einklang stehen, fügt aber hinzu, nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 und § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB genüge, wenn der Vertrag eine Klausel in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form enthalte, die dem Muster entspreche, diese Klausel den Anforderungen an die Belehrung des Verbrauchers über sein Widerrufsrecht.

215    Schließlich wird die erste Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 zwar nicht nur in Bezug auf Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48, sondern auch in Bezug auf deren Art. 14 Abs. 1 gestellt, doch ist für ihre Beantwortung nur die Auslegung der erstgenannten Bestimmung erforderlich.

216    Unter diesen Umständen ist die erste Frage des vorlegenden Gerichts in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 so zu verstehen, dass es im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die eine gesetzliche Vermutung aufstellt, wonach der Unternehmer seiner Pflicht, den Verbraucher über dessen Widerrufsrecht zu belehren, nachkommt, wenn er in einem Vertrag auf nationale Vorschriften verweist, die ihrerseits insoweit auf ein Regelungsmodell für die Informationen verweisen, wobei er darin enthaltene Klauseln verwendet, die nicht den Vorgaben dieser Bestimmung der Richtlinie entsprechen. Falls dies zu bejahen sein sollte, möchte das vorlegende Gericht ferner wissen, ob diese nationale Regelung in einem Rechtsstreit, in dem sich ausschließlich Privatpersonen gegenüberstehen, unangewendet bleiben muss.

217    Insoweit ist hervorzuheben, dass die in den Ausgangsverfahren in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 in Rede stehenden Darlehensverträge der Definition der Kreditverträge in Art. 3 Buchst. c der Richtlinie 2008/48 entsprechen. Sie fallen somit gemäß Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie in ihren Geltungsbereich.

218    Nach dieser Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 aufgezählt wird, welche Angaben in den Kreditverträgen, die nach Art. 2 der Richtlinie in ihren Geltungsbereich fallen, in klarer, prägnanter Form anzugeben sind. Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie bestimmt insbesondere, dass in dieser Form im Kreditvertrag das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts sowie die Frist und die anderen Modalitäten für seine Ausübung anzugeben sind, einschließlich der Angaben zur Verpflichtung des Verbrauchers, das in Anspruch genommene Kapital zurückzuzahlen, zu den Zinsen und zur Höhe der Zinsen pro Tag.

219    Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, steht Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 dem entgegen, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der in Art. 10 der Richtlinie genannten Angaben auf eine nationale Vorschrift verweist, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verweist. Verweist ein Verbrauchervertrag hinsichtlich der Informationen, die nach Art. 10 der Richtlinie 2008/48 anzugeben sind, auf bestimmte Vorschriften des nationalen Rechts, kann der Verbraucher nämlich auf der Grundlage des Vertrags weder den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung bestimmen noch überprüfen, ob der von ihm abgeschlossene Vertrag alle nach dieser Bestimmung erforderlichen Angaben enthält, und erst recht nicht, ob die ihm zur Verfügung stehende Widerrufsfrist für ihn zu laufen begonnen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. März 2020, Kreissparkasse Saarlouis, C‑66/19, EU:C:2020:242, Rn. 44 und 49).

220    Daraus folgt, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 der Aufnahme einer Klausel in den Kreditvertrag entgegensteht, die auf nationale Vorschriften verweist, die ihrerseits auf ein Regelungsmodell für Informationen wie das gesetzliche Muster verweisen. Dies gilt erst recht, wenn Klauseln, die in einem solchen Muster enthalten sind, wegen mangelnder Klarheit im Kontext des betreffenden Vertrags gegen diese Bestimmung verstoßen. Daher steht er auch einer nationalen Regelung entgegen, wonach bei der Verwendung solcher Klauseln eine gesetzliche Vermutung besteht, dass der Unternehmer seiner Pflicht, den Verbraucher über dessen Widerrufsrecht zu belehren, nachkommt.

221    Zu den Konsequenzen, die das vorlegende Gericht aus dieser Feststellung zu ziehen hat, ist darauf hinzuweisen, dass ein nationales Gericht, bei dem ein Rechtsstreit ausschließlich zwischen Privatpersonen anhängig ist, bei der Anwendung der Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts, die zur Umsetzung der in einer Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen erlassen wurden, das gesamte nationale Recht berücksichtigen und es so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auslegen muss, um zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel vereinbar ist (Urteil vom 18. Januar 2022, Thelen Technopark Berlin, C‑261/20, EU:C:2022:33, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

222    Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts unterliegt jedoch bestimmten Schranken. So findet die Verpflichtung des nationalen Gerichts, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (Urteil vom 18. Januar 2022, Thelen Technopark Berlin, C‑261/20, EU:C:2022:33, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

223    Im vorliegenden Fall geht aus der Akte, die dem Gerichtshof vorliegt, hervor, dass nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte und der Zweck der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Vorschriften einer mit der Richtlinie 2008/48 vereinbaren Auslegung dieser Vorschriften entgegenstehen. Das vorlegende Gericht verweist seinerseits darauf, dass es in der Lehre Stimmen gebe, die eine solche Auslegung befürworteten, zieht aber zugleich in Betracht, von der Anwendung dieser nationalen Vorschriften abzusehen.

224    Unter diesen Umständen hat das vorlegende Gericht zu prüfen, ob die nationalen Vorschriften, um die es in den Ausgangsverfahren geht, einer mit der Richtlinie 2008/48 konformen Auslegung zugänglich sind, wobei es nicht berechtigt ist, seine Möglichkeit, eine solche Auslegung vorzunehmen, allein deshalb zu verneinen, weil diese Vorschriften von anderen Gerichten des Mitgliedstaats, in dem es sich befindet, sei es auch von einem obersten Gericht, in einem mit dem Unionsrecht unvereinbaren Sinne ausgelegt worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. April 2021, Profi Credit Slovakia, C‑485/19, EU:C:2021:313, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).

225    Für den Fall, dass das vorlegende Gericht eine solche Auslegung für unmöglich halten sollte, ist darauf hinzuweisen, dass ein nationales Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden hat und eine nationale Regelung nicht im Einklang mit den Anforderungen des Unionsrechts auslegen kann, nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts verpflichtet ist, für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls aus eigener Entscheidungsbefugnis jede – auch spätere – nationale Regelung oder Praxis, die einer Bestimmung des Unionsrechts mit unmittelbarer Wirkung entgegensteht, unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser nationalen Regelung oder Praxis auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (Urteile vom 8. März 2022, Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld [Unmittelbare Wirkung], C‑205/20, EU:C:2022:168, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 24. Juli 2023, Lin, C‑107/23 PPU, EU:C:2023:606, Rn. 95).

226    Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Richtlinie aber nicht selbst Verpflichtungen für eine Privatperson begründen, so dass ihr gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche vor dem nationalen Gericht nicht möglich ist. Daher gestattet eine Richtlinienbestimmung, selbst wenn sie klar, genau und unbedingt ist, es dem nationalen Gericht nicht, die Anwendung einer ihr entgegenstehenden Vorschrift seines innerstaatlichen Rechts auszuschließen, wenn aufgrund dessen einer Privatperson eine zusätzliche Verpflichtung auferlegt würde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Januar 2022, Thelen Technopark Berlin, C‑261/20, EU:C:2022:33, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

227    Im vorliegenden Fall steht zum einen fest, dass sich in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten ausschließlich Privatpersonen gegenüberstehen. Zum anderen könnten sich, wenn die Anwendung der in Rede stehenden nationalen Vorschriften gemäß Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten ausgeschlossen würde, die in diesen Rechtsstreitigkeiten beklagten Banken nicht auf die in den nationalen Vorschriften aufgestellte gesetzliche Vermutung berufen und müssten daher in den Verträgen, um die es in den Ausgangsverfahren geht, die in der genannten Bestimmung aufgeführten Informationen über das Widerrufsrecht klar und verständlich angeben. Die in der vorstehenden Randnummer angeführte Rechtsprechung schließt jedoch aus, dass dieser Bestimmung allein auf der Grundlage des Unionsrechts eine solche Wirkung zuerkannt werden kann.

228    Daraus folgt, dass das vorlegende Gericht nicht allein auf der Grundlage des Unionsrechts verpflichtet ist, Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 und § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB unangewendet zu lassen, auch wenn diese Vorschriften gegen Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 verstoßen, unbeschadet der Möglichkeit dieses Gerichts, die Anwendung der genannten Vorschriften auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts auszuschließen (vgl. entsprechend Urteil vom 18. Januar 2022, Thelen Technopark Berlin, C‑261/20, EU:C:2022:33, Rn. 33).

229    Die durch die Unvereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht geschädigte Partei kann sich allerdings auf die mit dem Urteil vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C‑6/90 und C‑9/90, EU:C:1991:428), begründete Rechtsprechung berufen, um gegebenenfalls Ersatz des entstandenen Schadens zu erlangen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. März 1996, El Corte Inglés, C‑192/94, EU:C:1996:88, Rn. 22, und vom 18. Januar 2022, Thelen Technopark Berlin, C‑261/20, EU:C:2022:33, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

230    Nach alledem ist auf die erste Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 zu antworten, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die eine gesetzliche Vermutung aufstellt, wonach der Unternehmer seiner Pflicht, den Verbraucher über dessen Widerrufsrecht zu belehren, nachkommt, wenn er in einem Vertrag auf nationale Vorschriften verweist, die ihrerseits insoweit auf ein Regelungsmodell für die Informationen verweisen, wobei er darin enthaltene Klauseln verwendet, die nicht den Vorgaben dieser Bestimmung der Richtlinie entsprechen. Kann ein nationales Gericht, das mit einem Rechtsstreit befasst ist, in dem sich ausschließlich Privatpersonen gegenüberstehen, die in Rede stehende nationale Regelung nicht in einer mit der Richtlinie 2008/48 vereinbaren Weise auslegen, ist es nicht allein auf der Grundlage des Unionsrechts verpflichtet, eine solche Regelung unangewendet zu lassen, unbeschadet der Möglichkeit dieses Gerichts, ihre Anwendung auf der Grundlage seines innerstaatlichen Rechts auszuschließen, und, wenn dies nicht geschieht, des Rechts der durch die Unvereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht geschädigten Partei, Ersatz des ihr dadurch entstandenen Schadens zu verlangen.

 Zu Buchst. a der zweiten Frage in der Rechtssache C232/21

231    Mit Buchst. a der zweiten Frage in der Rechtssache C‑232/21 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass sich die in einem Kreditvertrag, der unter diese Bestimmung fällt, anzugebende Höhe der Zinsen pro Tag rechnerisch aus dem vertraglich vereinbarten Sollzinssatz ergeben muss.

232    Nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 muss der Kreditvertrag in klarer, prägnanter Form Angaben zu der Verpflichtung des Verbrauchers, im Fall der Ausübung seines Widerrufsrechts das in Anspruch genommene Kapital zurückzuzahlen, zu den Zinsen gemäß Art. 14 Abs. 3 Buchst. b dieser Richtlinie sowie zur Höhe der Zinsen pro Tag enthalten.

233    Wie sich aus Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 im Licht ihres 31. Erwägungsgrundes ergibt, ist das Gebot, in Kreditverträgen auf Papier oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger die in dieser Vorschrift benannten Punkte in klarer, prägnanter Form anzugeben, erforderlich, damit der Verbraucher seine Rechte und Pflichten zur Kenntnis nehmen kann (Urteil vom 9. September 2021, Volkswagen Bank u. a., C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:736, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).

234    Für die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung und insbesondere für die Ausübung der Rechte des Verbrauchers, zu denen sein Widerrufsrecht zählt, ist es erforderlich, dass er die Punkte, die der Kreditvertrag gemäß Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 zwingend enthalten muss, kennt und gut versteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2021, Volkswagen Bank u. a., C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:736, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).

235    Um ein gutes Verständnis dieser Punkte unter Beachtung des in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 aufgestellten Gebots der Klarheit zu ermöglichen, müssen die in einem Kreditvertrag enthaltenen Angaben daher frei von Widersprüchen sein, die objektiv geeignet wären, einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher über den Umfang seiner Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag irrezuführen.

236    Überdies sieht Art. 14 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 u. a. vor, dass die Zinsen im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts auf der Grundlage des vereinbarten Sollzinssatzes zu berechnen sind. Es ist davon auszugehen, dass der Begriff „Zinsen“ auch die Zinsen pro Tag im Sinne von Art. 10 Abs. 2 Buchst. p dieser Richtlinie umfasst, da sich ihr Art. 14 Abs. 3 Buchst. b auf alle „ab dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Kredits bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung des Darlehens aufgelaufenen Zinsen“ bezieht.

237    Somit ergibt sich aus Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 in Verbindung mit ihrem Art. 14 Abs. 3 Buchst. b, dass die Zinsen, die der Verbraucher im Fall der Ausübung seines Widerrufsrechts pro Tag zu entrichten hat, keinesfalls höher sein dürfen als der Betrag, der sich rechnerisch aus dem im Kreditvertrag vereinbarten Sollzinssatz ergibt.

238    Unter Berücksichtigung der oben in den Rn. 233 bis 235 angeführten Rechtsprechung müssen die im Vertrag enthaltenen Angaben zur Höhe der Zinsen pro Tag klar und prägnant sein; insbesondere müssen sie in Verbindung mit anderen Angaben frei von Widersprüchen sein, die objektiv geeignet wären, einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher hinsichtlich der Höhe der von ihm letztlich pro Tag zu zahlenden Zinsen irrezuführen. Fehlen Angaben mit diesen Merkmalen, werden keine Zinsen pro Tag geschuldet.

239    Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, anhand der in der Rechtssache C‑232/21 in Rede stehenden Vertragsklauseln zu prüfen, ob ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher in der Lage war, die Höhe der im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts pro Tag geschuldeten Zinsen klar zu erkennen.

240    Nach alledem ist auf Buchst. a der zweiten Frage in der Rechtssache C‑232/21 zu antworten, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 3 Buchst. b dieser Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die in einem Kreditvertrag, der unter diese Bestimmung fällt, anzugebenden Zinsen, die der Verbraucher im Fall der Ausübung seines Widerrufsrechts pro Tag zu entrichten hat, keinesfalls höher sein dürfen als der Betrag, der sich rechnerisch aus dem im Kreditvertrag vereinbarten Sollzinssatz ergibt. Die im Vertrag enthaltenen Angaben zur Höhe der Zinsen pro Tag müssen klar und prägnant sein; insbesondere müssen sie in Verbindung mit anderen Angaben frei von Widersprüchen sein, die objektiv geeignet wären, einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher hinsichtlich der Höhe der von ihm letztlich pro Tag zu zahlenden Zinsen irrezuführen. Fehlen Angaben mit diesen Merkmalen, werden keine Zinsen pro Tag geschuldet.

 Zu Buchst. d der zweiten Frage in der Rechtssache C47/21

241    Mit Buchst. d der zweiten Frage in der Rechtssache C‑47/21 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass in einem Kreditvertrag die wesentlichen formalen Voraussetzungen für den Zugang zu einem außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren angegeben werden müssen, oder ob es ausreicht, dass in diesem Vertrag insoweit auf eine Verfahrensordnung verwiesen wird, die auf Wunsch zur Verfügung gestellt wird oder im Internet abrufbar ist.

242    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 in einem Kreditvertrag in klarer, prägnanter Form angegeben werden muss, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der Verbraucher Zugang zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren hat.

243    In diesem Kontext hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass im Kreditvertrag zwar nicht unbedingt alle Verfahrensvorschriften für die dem Verbraucher zugänglichen außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren wiedergegeben werden müssen, doch soll Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 zum einen sicherstellen, dass der Verbraucher in voller Kenntnis des Sachverhalts entscheiden kann, ob es für ihn zweckmäßig ist, auf eines dieser Verfahren zurückzugreifen, und zum anderen, dass er auf der Grundlage der im Kreditvertrag enthaltenen Informationen tatsächlich in der Lage ist, ein solches Verfahren einzuleiten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2021, Volkswagen Bank u. a., C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:736, Rn. 132 und 135).

244    Zu diesem Zweck ist es von wesentlicher Bedeutung, dass der Verbraucher erstens über alle ihm zur Verfügung stehenden außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren und gegebenenfalls die mit ihnen jeweils verbundenen Kosten informiert wird, zweitens darüber, ob die Beschwerde oder der Rechtsbehelf auf Papier oder elektronisch einzureichen ist, drittens über die physische oder elektronische Adresse, an die die Beschwerde oder der Rechtsbehelf zu senden ist, und viertens über die sonstigen formalen Voraussetzungen, denen die Beschwerde oder der Rechtsbehelf unterliegt (Urteil vom 9. September 2021, Volkswagen Bank u. a., C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:736, Rn. 136).

245    Der Gerichtshof hat insoweit bereits entschieden, dass ein bloßer Verweis im Kreditvertrag auf eine im Internet abrufbare Verfahrensordnung oder auf ein anderes Schriftstück oder Dokument, in dem die Modalitäten des Zugangs zu außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren festgelegt sind, nicht ausreicht (Urteil vom 9. September 2021, Volkswagen Bank u. a., C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:736, Rn. 137). Das Gleiche muss gelten, wenn im Kreditvertrag angegeben ist, dass eine solche Verfahrensordnung auf Wunsch zur Verfügung gestellt wird.

246    Nach alledem ist auf Buchst. d der zweiten Frage in der Rechtssache C‑47/21 zu antworten, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass in einem Kreditvertrag die wesentlichen Informationen über alle dem Verbraucher zur Verfügung stehenden außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren und gegebenenfalls die mit diesen Verfahren jeweils verbundenen Kosten, darüber, ob die Beschwerde oder der Rechtsbehelf per Post oder elektronisch einzureichen ist, über die physische oder elektronische Adresse, an die die Beschwerde oder der Rechtsbehelf zu senden ist, und über die sonstigen formalen Voraussetzungen, denen die Beschwerde oder der Rechtsbehelf unterliegt, anzugeben sind; ein bloßer Verweis im Kreditvertrag auf eine auf Wunsch zur Verfügung gestellte oder im Internet abrufbare Verfahrensordnung oder auf ein anderes Schriftstück oder Dokument, in dem die Modalitäten des Zugangs zu außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren festgelegt sind, reicht nicht aus.

 Zu Buchst. b Doppelbuchst. aa der zweiten Frage in den Rechtssachen C47/21 und C232/21

247    Mit Buchst. b Doppelbuchst. aa der zweiten Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 10 Abs. 2 Buchst. r der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass in einem Kreditvertrag für die Berechnung der bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung ein Rechenweg angegeben werden muss, der hinreichend konkret und für den Verbraucher verständlich ist, um es ihm zu ermöglichen, den in einem solchen Fall geschuldeten Betrag zumindest annäherungsweise zu berechnen.

248    Nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. r der Richtlinie 2008/48 sind im Kreditvertrag in klarer, prägnanter Form „das Recht auf vorzeitige Rückzahlung, das Verfahren bei vorzeitiger Rückzahlung und gegebenenfalls Informationen zum Anspruch des Kreditgebers auf Entschädigung sowie zur Art der Berechnung dieser Entschädigung“ anzugeben.

249    Im vorliegenden Fall geht aus den Vorlageentscheidungen hervor, dass die in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 in Rede stehenden Kreditverträge im Wesentlichen vorsehen, dass die Bank bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens durch den Verbraucher eine Entschädigung verlangen kann, die anhand der vom Bundesgerichtshof dafür vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen berechnet wird; diese berücksichtigen insbesondere ein zwischenzeitlich verändertes Zinsniveau, die für das Darlehen ursprünglich vereinbarten Zahlungsströme, den der kreditgebenden Bank entgangenen Gewinn, den mit der vorzeitigen Rückzahlung verbundenen Verwaltungsaufwand sowie die durch die vorzeitige Rückzahlung ersparten Risiko- und Verwaltungskosten. Weiter heißt es in den Verträgen, dass die so errechnete Vorfälligkeitsentschädigung. wenn sie höher ist, auf den niedrigeren der beiden folgenden Beträge reduziert wird: entweder 1 % bzw., wenn der Zeitraum zwischen der vorzeitigen und der vereinbarten Rückzahlung weniger als ein Jahr beträgt, 0,5 % des vorzeitig zurückgezahlten Betrags, oder den Betrag der Sollzinsen, den der Darlehensnehmer im Zeitraum zwischen der vorzeitigen und der vereinbarten Rückzahlung entrichtet hätte.

250    In einem ähnlichen Kontext hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der Unternehmer, wenn die Richtlinie 2008/48 ihm die Pflicht auferlegt, den Verbraucher über den Inhalt der diesem unterbreiteten Vertragserklärung zu informieren, und wenn bestimmte Aspekte davon durch bindende Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats geregelt sind, den Verbraucher in klarer, prägnanter Form über den Inhalt dieser Vorschriften belehren muss, damit er seine Rechte und Pflichten zur Kenntnis nehmen kann (Urteil vom 9. September 2021, Volkswagen Bank u. a., C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:736, Rn. 99 und die dort angeführte Rechtsprechung).

251    Zu diesem Zweck ist es in Bezug auf die bei vorzeitiger Rückzahlung nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. r der Richtlinie 2008/48 fällige Entschädigung zwar nicht erforderlich, dass der Kreditvertrag die mathematische Formel nennt, mittels deren diese Entschädigung berechnet wird, doch muss er die Methode zur Berechnung der Entschädigung in konkreter und für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher leicht verständlicher Weise angeben, so dass dieser die Höhe der bei vorzeitiger Rückzahlung fälligen Entschädigung anhand der im Kreditvertrag erteilten Informationen ermitteln kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2021, Volkswagen Bank u. a., C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:736, Rn. 100).

252    Dabei hat der Gerichtshof entschieden, dass ein bloßer Verweis für die Berechnung der im Fall der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens geschuldeten Entschädigung auf die von einem nationalen Gericht vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen nicht dem oben in Rn. 250 angeführten Erfordernis genügt, dem Verbraucher den Inhalt seiner vertraglichen Verpflichtung zur Kenntnis zu bringen (Urteil vom 9. September 2021, Volkswagen Bank u. a., C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:736, Rn. 101).

253    Mithin soll die in Art. 10 Abs. 2 Buchst. r der Richtlinie 2008/48 vorgesehene Verpflichtung, den Verbraucher über die Berechnungsweise der Entschädigung zu informieren, die er dem Kreditgeber im Fall der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens zu zahlen hat, es dem Verbraucher ermöglichen, die Höhe dieser Entschädigung auf der Grundlage der Angaben im Kreditvertrag zu ermitteln. Hierzu geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass eine unvollständige oder fehlerhafte Information nur dann als fehlerhafte Belehrung anzusehen ist, wenn der Verbraucher durch sie in Bezug auf seine Rechte und Pflichten irregeführt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. April 2008, Hamilton, C‑412/06, EU:C:2008:215, Rn. 35, und vom 19. Dezember 2019, Rust Hackner u. a., C‑355/18 bis C‑357/18 und C‑479/18, EU:C:2019:1123, Rn. 78) und somit zum Abschluss eines Vertrags veranlasst wird, den er möglicherweise nicht geschlossen hätte, wenn er über vollständige und inhaltlich zutreffende Informationen verfügt hätte.

254    Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass ein Verbraucher im Sinne dieser Rechtsprechung irregeführt wurde, wenn der Vertrag – ungeachtet der Unzulässigkeit eines Verweises auf die von einem nationalen Gericht vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen für die Berechnung der betreffenden Entschädigung – andere Elemente enthält, die es dem Verbraucher ermöglichen, die Höhe der Entschädigung und insbesondere den Betrag, den er im Fall der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits höchstens zu zahlen haben wird, leicht zu ermitteln.

255    Das vorlegende Gericht wird daher zu prüfen haben, ob die in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 in Rede stehenden Verträge diese Voraussetzung erfüllen, indem sie vorsehen, dass die auf der Grundlage der von der Rechtsprechung vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen berechnete Vorfälligkeitsentschädigung, wenn sie höher ist, auf den niedrigeren der beiden oben in Rn. 249 genannten Beträge reduziert wird.

256    Nach alledem ist auf Buchst. b Doppelbuchst. aa der zweiten Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 zu antworten, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. r der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass in einem Kreditvertrag grundsätzlich für die Berechnung der bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung die Berechnungsweise dieser Entschädigung in konkreter und für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher leicht verständlicher Weise angegeben werden muss, damit er den Betrag der bei vorzeitiger Rückzahlung anfallenden Entschädigung auf der Grundlage der in diesem Vertrag enthaltenen Angaben ermitteln kann. Auch wenn konkrete und leicht verständliche Angaben zur Berechnungsweise fehlen, kann ein solcher Vertrag aber der in dieser Bestimmung aufgestellten Verpflichtung genügen, sofern er andere Elemente enthält, die es dem Verbraucher ermöglichen, die Höhe der betreffenden Entschädigung und insbesondere den Betrag, den er im Fall der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits höchstens zu zahlen haben wird, leicht zu ermitteln.

 Zu Buchst. b Doppelbuchst. bb, Buchst. e und Buchst. f der zweiten Frage in der Rechtssache C47/21 sowie zu Buchst. b Doppelbuchst. bb, Buchst. c und Buchst. d der zweiten Frage in der Rechtssache C232/21

257    Vorab ist festzustellen, dass Buchst. e und Buchst. f der zweiten Frage in der Rechtssache C‑47/21 sowie Buchst. c und Buchst. d der zweiten Frage in der Rechtssache C‑232/21 entgegen dem jeweiligen Vorbringen der C. Bank, der Volkswagen Bank und der Audi Bank in ihren schriftlichen Erklärungen zulässig sind. Das vorlegende Gericht nimmt bei diesen Fragen zwar allgemein Bezug auf Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 und nicht speziell auf bestimmte Punkte dieser Bestimmung. Gleichwohl ergibt eine Gesamtbetrachtung der Vorlageentscheidungen in diesen beiden Rechtssachen, dass sie den Gerichtshof in die Lage versetzen, zu erkennen, welche Aspekte dieser Bestimmung die Zweifel des vorlegenden Gerichts hinsichtlich ihrer Auslegung auslösen, und ihm insoweit eine sachdienliche Antwort zu geben. Folglich hat das vorlegende Gericht im Einklang mit den oben in den Rn. 110 und 117 angeführten Grundsätzen im Rahmen dieser Fragen eine Bestimmung des Unionsrechts, die in Zusammenhang mit den Gegebenheiten und dem Gegenstand der Ausgangsrechtsstreitigkeiten steht, hinreichend genau identifiziert und es dem Gerichtshof damit ermöglicht, dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben.

258    Mit Buchst. b Doppelbuchst. bb, Buchst. e und Buchst. f der zweiten Frage in der Rechtssache C‑47/21 und mit Buchst. b Doppelbuchst. bb, Buchst. c und Buchst. d der zweiten Frage in der Rechtssache C‑232/21 möchte das vorlegende Gericht somit im Wesentlichen wissen, ob Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass die in Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 1 vorgesehene Widerrufsfrist nur dann zu laufen beginnt, wenn die nach Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie erforderlichen Informationen dem Verbraucher vollständig erteilt wurden und frei von inhaltlichen Fehlern sind.

259    Hierzu ist festzustellen, dass das durch die Richtlinie 2008/48 geschaffene Schutzsystem, ebenso wie bei anderen Richtlinien der Union im Bereich des Verbraucherschutzes, auf der Vorstellung beruht, dass sich der Verbraucher gegenüber dem Unternehmer in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt, was dazu führt, dass er den vom Unternehmer vorformulierten Bedingungen zustimmt, ohne auf deren Inhalt Einfluss nehmen zu können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Juni 2015, Faber, C‑497/13, EU:C:2015:357, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 21. April 2016, Radlinger und Radlingerová, C‑377/14, EU:C:2016:283, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

260    Aus diesem Blickwinkel ist es für den Verbraucher von grundlegender Bedeutung, dass er vor und bei Abschluss des Vertrags über die Vertragsbedingungen und die Folgen des Vertragsschlusses informiert ist. Insbesondere auf der Grundlage dieser Information entscheidet er, ob er sich durch die vom Unternehmer vorformulierten Bedingungen binden möchte (Urteil vom 21. April 2016, Radlinger und Radlingerová, C‑377/14, EU:C:2016:283, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

261    Nach Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 beginnt die Widerrufsfrist von 14 Tagen daher erst an dem Tag, an dem der Verbraucher u. a. die Informationen gemäß Art. 10 der Richtlinie erhalten hat, sofern dieser nach dem Tag des Abschlusses des Kreditvertrags liegt. In Art. 10 Abs. 2 sind die Angaben aufgeführt, die im Kreditvertrag in klarer, prägnanter Form anzugeben sind.

262    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 aufgestellte Informationspflicht zur Verwirklichung des mit dieser Richtlinie verfolgten Ziels beiträgt, das, wie sich aus ihren Erwägungsgründen 7 und 9 ergibt, darin besteht, in Bezug auf Verbraucherkredite in einigen Schlüsselbereichen eine vollständige und obligatorische Harmonisierung vorzusehen, die als notwendig erachtet wird, um für alle Verbraucher in der Union ein hohes und vergleichbares Maß an Schutz ihrer Interessen zu gewährleisten und um die Entwicklung eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts bei Verbraucherkrediten zu erleichtern (Urteil vom 21. April 2016, Radlinger und Radlingerová, C‑377/14, EU:C:2016:283, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

263    Wie bereits oben in den Rn. 233 und 234 ausgeführt, ergibt sich aus Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 im Licht ihres 31. Erwägungsgrundes, dass das Gebot, in Kreditverträgen auf Papier oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger die in dieser Vorschrift benannten Punkte in klarer, prägnanter Form anzugeben, erforderlich ist, damit der Verbraucher seine Rechte und Pflichten zur Kenntnis nehmen kann. Genauer gesagt ist es für die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung und insbesondere für die Ausübung der Rechte des Verbrauchers erforderlich, dass er die Punkte, die der Kreditvertrag zwingend enthalten muss, kennt und gut versteht (Urteil vom 9. September 2021, Volkswagen Bank u. a., C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:736, Rn. 70 und 71 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

264    Wie oben in Rn. 253 ausgeführt, ist eine unvollständige oder fehlerhafte Information aber nur dann als fehlerhafte Belehrung anzusehen, wenn der Verbraucher durch sie in Bezug auf seine Rechte und Pflichten irregeführt und somit zum Abschluss eines Vertrags veranlasst wird, den er möglicherweise nicht geschlossen hätte, wenn er über vollständige und inhaltlich zutreffende Informationen verfügt hätte.

265    Mithin ist davon auszugehen, dass die Widerrufsfrist, falls sich eine dem Verbraucher vom Kreditgeber gemäß Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 erteilte Information als unvollständig oder fehlerhaft erweist, nur zu laufen beginnt, wenn die Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit dieser Information nicht geeignet ist, sich auf die Befähigung des Verbrauchers, den Umfang seiner Rechte und Pflichten aus der Richtlinie einzuschätzen, oder auf seine Entscheidung, den Vertrag zu schließen, auszuwirken und ihm gegebenenfalls die Möglichkeit zu nehmen, seine Rechte unter im Wesentlichen denselben Bedingungen wie denen auszuüben, die vorgelegen hätten, sofern die Information vollständig und zutreffend erteilt worden wäre (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile vom 9. November 2016, Home Credit Slovakia, C‑42/15, EU:C:2016:842, Rn. 72, und vom 19. Dezember 2019, Rust-Hackner u. a., C‑355/18 bis C‑357/18 und C‑479/18, EU:C:2019:1123, Rn. 81). Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, dies zu prüfen.

266    Hinzuzufügen ist, dass es für die Modalitäten des Beginns der Widerrufsfrist keine Rolle spielt, ob es im nationalen Recht Maßnahmen gibt, mit denen die Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit der dem Verbraucher erteilten Informationen in anderer als der soeben dargelegten Weise geahndet werden soll. Wie der Generalanwalt in Nr. 146 seiner Schlussanträge im Wesentlichen festgestellt hat, folgt nämlich die Tatsache, dass nach Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 die Widerrufsfrist erst an dem Tag beginnt, an dem der Verbraucher die Informationen gemäß Art. 10 der Richtlinie erhalten hat, unmittelbar daraus, dass der Kreditgeber seine Pflicht verletzt hat, dem Verbraucher im Kreditvertrag die in Art. 10 genannten Pflichtangaben zu übermitteln. Im Einklang mit Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 wäre es aber mit den Wirkungen der durch diese Richtlinie im Bereich des Widerrufsrechts vorgenommenen vollständigen und obligatorischen Harmonisierung unvereinbar, wenn den Mitgliedstaaten gestattet würde, von der nach Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Richtlinie mit der Missachtung der in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie u. a. vorgesehenen Informationspflicht verbundenen Folge abzuweichen.

267    Nach alledem ist auf Buchst. b Doppelbuchst. bb, Buchst. e und Buchst. f der zweiten Frage in der Rechtssache C‑47/21 sowie auf Buchst. b Doppelbuchst. bb, Buchst. c und Buchst. d der zweiten Frage in der Rechtssache C‑232/21 zu antworten, dass Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass die Widerrufsfrist, falls sich eine dem Verbraucher vom Kreditgeber gemäß Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie erteilte Information als unvollständig oder fehlerhaft erweist, nur zu laufen beginnt, wenn die Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit dieser Information nicht geeignet ist, sich auf die Befähigung des Verbrauchers, den Umfang seiner Rechte und Pflichten aus der Richtlinie einzuschätzen, oder auf seine Entscheidung, den Vertrag zu schließen, auszuwirken und ihm gegebenenfalls die Möglichkeit zu nehmen, seine Rechte unter im Wesentlichen denselben Bedingungen wie denen auszuüben, die vorgelegen hätten, sofern die Information vollständig und zutreffend erteilt worden wäre.

 Zu Buchst. c der zweiten Frage in der Rechtssache C47/21

268    Mit Buchst. c seiner zweiten Frage in der Rechtssache C‑47/21 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass in einem Kreditvertrag der bei dessen Abschluss geltende Verzugszinssatz in Form eines konkreten Prozentsatzes und, wenn dieser Zinssatz anhand eines variablen Referenzzinssatzes ermittelt wird, der letztgenannte Satz sowie der Mechanismus, aufgrund dessen er im Lauf der Zeit variieren kann, anzugeben sind.

269    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 in einem Kreditvertrag u. a. der Satz der Verzugszinsen gemäß der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags geltenden Regelung und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung in klarer, prägnanter Form anzugeben sind.

270    In seiner oben in den Rn. 233 bis 235 angeführten Rechtsprechung hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass in einem Kreditvertrag der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrags geltende Satz der Verzugszinsen in Form eines konkreten Prozentsatzes anzugeben und der Mechanismus der Anpassung des Verzugszinssatzes konkret zu beschreiben ist (Urteil vom 9. September 2021, Volkswagen Bank u. a., C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:736, Rn. 92 und 95).

271    Wird, wie dies bei dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrag der Fall ist, dieser Zinssatz anhand eines variablen Referenzzinssatzes ermittelt, muss dieser aus den gleichen Gründen in Form des konkreten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Prozentsatzes angegeben werden. Die Methode zur Berechnung des Verzugszinssatzes anhand des Referenzzinssatzes muss im Vertrag in einer für einen Durchschnittsverbraucher, der nicht über Fachkenntnisse im Finanzbereich verfügt, leicht verständlichen Weise dargestellt werden, so dass er den Verzugszinssatz auf der Grundlage der in diesem Vertrag enthaltenen Angaben berechnen kann. Überdies muss im Kreditvertrag die Häufigkeit der Änderung des Referenzzinssatzes angegeben werden, auch wenn sie sich nach den nationalen Vorschriften richtet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2021, Volkswagen Bank u. a., C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:736, Rn. 94).

272    Nach alledem ist auf Buchst. c der zweiten Frage in der Rechtssache C‑47/21 zu antworten, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass in einem Kreditvertrag der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrags geltende Satz der Verzugszinsen in Form eines konkreten Prozentsatzes anzugeben und der Mechanismus der Anpassung dieses Satzes konkret zu beschreiben ist. Wird dieser Zinssatz anhand eines Referenzzinssatzes, der im Lauf der Zeit variieren kann, ermittelt, muss im Kreditvertrag der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Referenzzinssatz angegeben werden, wobei die Methode zur Berechnung des Verzugszinssatzes anhand des Referenzzinssatzes im Vertrag in einer für einen Durchschnittsverbraucher, der nicht über Fachkenntnisse im Finanzbereich verfügt, leicht verständlichen Weise dargestellt werden muss, so dass er den Verzugszinssatz auf der Grundlage der in diesem Vertrag enthaltenen Angaben berechnen kann. Überdies muss im Kreditvertrag die Häufigkeit der Änderung des Referenzzinssatzes angegeben werden, auch wenn sie sich nach den nationalen Vorschriften richtet.

 Zu den Buchst. a bis d der vierten Frage in den Rechtssachen C47/21 und C232/21

273    Mit den Buchst. a bis d der vierten Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass er es, wenn mindestens eine der in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie genannten Pflichtangaben in einem Kreditvertrag fehlt oder dort unvollständig oder fehlerhaft wiedergegeben wird und auch nicht nachträglich ordnungsgemäß mitgeteilt worden ist, dem Kreditgeber verwehrt, sich mit Erfolg darauf zu berufen, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht rechtsmissbräuchlich ausgeübt habe.

274    Zur Beantwortung dieser Frage ist unter Berücksichtigung des Umstands, dass in einem der Ausgangsverfahren, die zur Rechtssache C‑232/21 geführt haben, das Widerrufsrecht ausgeübt wurde, nachdem der Kreditvertrag vollständig erfüllt worden war, zunächst zu prüfen, inwieweit sich eine solche vollständige Erfüllung mangels diese Frage betreffender spezifischer Bestimmungen in der Richtlinie 2008/48 auf das Fortbestehen des in ihrem Art. 14 Abs. 1 vorgesehenen Widerrufsrechts auswirkt.

275    Hierzu ist festzustellen, dass dem Verbraucher nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 im Rahmen des Kreditvertrags ein Widerrufsrecht zusteht, dessen Ausübung dazu führt, dass unter den Bedingungen und binnen der Fristen, die in Art. 14 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie genannt sind, die Verpflichtung der Parteien endet, den Kreditvertrag zu erfüllen.

276    Überdies geht aus dem 34. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/48 hervor, dass sie ein Widerrufsrecht unter Bedingungen vorsieht, die den in der Richtlinie 2002/65 vorgesehenen entsprechen. Mit der Bestimmung in Art. 6 Abs. 2 Buchst. c, dass das Widerrufsrecht bei Verträgen ausgeschlossen ist, die auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers von beiden Seiten bereits voll erfüllt sind, bringt die Richtlinie 2002/65 den Grundsatz zum Ausdruck, dass das Widerrufsrecht unter allen Umständen bei vollständiger Erfüllung des Vertrags nicht geltend gemacht werden kann; dieser Grundsatz muss auch für die Richtlinie 2008/48 gelten.

277    Außerdem kann bei vollständiger Erfüllung des Kreditvertrags mit der Verpflichtung zur Erteilung der in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 vorgesehenen Informationen das mit dieser Bestimmung verfolgte Ziel, das, wie oben in den Rn. 233 und 234 ausgeführt, darin besteht, es dem Verbraucher zu ermöglichen, alle für die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrags und insbesondere für die Ausübung seiner Rechte, zu denen sein Widerrufsrecht gehört, erforderlichen Informationen zu erhalten, damit er den Umfang seiner Rechte und Pflichten zur Kenntnis nehmen kann, grundsätzlich nicht mehr erreicht werden. Daraus folgt, dass diese Verpflichtungen nicht mehr den gleichen Grad der Nützlichkeit aufweisen, wenn der Vertrag vollständig erfüllt worden ist.

278    Schließlich hat der Gerichtshof zu dem in der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (ABl. 1985, L 372, S. 31) vorgesehenen Widerrufsrecht bereits entschieden, dass es nach den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts nicht ausgeübt werden kann, wenn keinerlei Verpflichtung aus dem betreffenden Vertrag mehr besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. April 2008, Hamilton, C‑412/06, EU:C:2008:215, Rn. 42).

279    Unter diesen Umständen ist, da die Erfüllung eines Vertrags die natürliche Form des Erlöschens vertraglicher Verpflichtungen darstellt, davon auszugehen, dass sich ein Verbraucher mangels einschlägiger spezieller Bestimmungen nicht mehr auf das ihm nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 zustehende Widerrufsrecht berufen kann, sobald der Kreditvertrag von den Parteien vollständig erfüllt wurde und die gegenseitigen Verpflichtungen aus diesem Vertrag somit beendet sind.

280    Was sodann die Frage betrifft, ob sich der Kreditgeber auf die missbräuchliche Ausübung des Widerrufsrechts nach Art. 14 der Richtlinie 2008/48 durch den Verbraucher berufen kann, ist erstens darauf hinzuweisen, dass diese Richtlinie keine Bestimmungen enthält, die die Frage des Missbrauchs der Rechte, die dem Verbraucher nach der Richtlinie zustehen, durch ihn regeln (Urteil vom 9. September 2021, Volkswagen Bank u. a., C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:736, Rn. 120).

281    Nach ständiger Rechtsprechung gibt es jedoch im Unionsrecht einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach sich die Bürger nicht in betrügerischer oder missbräuchlicher Weise auf unionsrechtliche Normen berufen dürfen (Urteil vom 26. Februar 2019, T Danmark und Y Denmark, C‑116/16 und C‑117/16, EU:C:2019:135, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).

282    Die Beachtung dieses allgemeinen Rechtsgrundsatzes ist zwingend. Die Anwendung der Unionsregelung kann nämlich nicht so weit reichen, dass Vorgänge geschützt werden, die dazu dienen, betrügerisch oder missbräuchlich in den Genuss im Unionsrecht vorgesehener Vorteile zu gelangen (Urteil vom 26. Februar 2019, T Danmark und Y Denmark, C‑116/16 und C‑117/16, EU:C:2019:135, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).

283    Aus diesem Grundsatz folgt somit, dass ein Mitgliedstaat die Inanspruchnahme von Bestimmungen des Unionsrechts versagen muss – auch wenn das nationale Recht keine Bestimmungen enthält, die eine solche Versagung vorsehen –, falls sie von einer Person nicht geltend gemacht werden, um die Ziele der Bestimmungen zu verwirklichen, sondern um in den Genuss eines im Unionsrecht vorgesehenen Vorteils zu gelangen, obwohl die im Unionsrecht aufgestellten objektiven Voraussetzungen für die Erlangung des angestrebten Vorteils lediglich formal erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. November 2017, Cussens u. a., C‑251/16, EU:C:2017:881, Rn. 32 und 33, sowie vom 26. Februar 2019, T Danmark und Y Denmark, C‑116/16 und C‑117/16, EU:C:2019:135, Rn. 72 und 91).

284    Daher ist es unerheblich, ob der unionsrechtliche Grundsatz des Verbots des Rechtsmissbrauchs in nationalen Rechtsvorschriften verankert ist und ob gegebenenfalls diese Vorschriften vom Parlament des betreffenden Mitgliedstaats erlassen wurden.

285    Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs setzt der Nachweis einer missbräuchlichen Praxis zum einen eine Gesamtheit objektiver Umstände voraus, aus denen sich ergibt, dass trotz formaler Einhaltung der in der Unionsregelung vorgesehenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde, und zum anderen ein subjektives Element, nämlich die Absicht, sich einen aus der Unionsregelung resultierenden Vorteil zu verschaffen, indem die Voraussetzungen für seine Erlangung künstlich geschaffen werden (Urteile vom 26. Februar 2019, T Danmark und Y Denmark, C‑116/16 und C‑117/16, EU:C:2019:135, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 9. September 2021, Volkswagen Bank u. a., C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:736, Rn. 122).

286    Die Prüfung des Vorliegens einer missbräuchlichen Praxis verlangt, dass das vorlegende Gericht alle Tatsachen und Umstände des Einzelfalls berücksichtigt, einschließlich derjenigen aus der Zeit nach dem Vorgang, dessen missbräuchlicher Charakter geltend gemacht wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. April 2016, Cervati und Malvi, C‑131/14, EU:C:2016:255, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

287    Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts, gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts – soweit dadurch die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigt wird – zu prüfen, ob die oben in Rn. 285 genannten Tatbestandsmerkmale einer missbräuchlichen Praxis in den Ausgangsverfahren –abgesehen von dem oben in Rn. 274 genannten Verfahren, in dem der Vertrag vollständig erfüllt worden war – vorliegen. Der Gerichtshof kann jedoch im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens gegebenenfalls Klarstellungen vornehmen, um dem vorlegenden Gericht eine Richtschnur für seine Auslegung zu geben (Urteile vom 28. Juli 2016, Kratzer, C‑423/15, EU:C:2016:604, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 22. November 2017, Cussens u. a., C‑251/16, EU:C:2017:881, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

288    Zweitens hat der Gerichtshof zu dem oben in Rn. 285 angesprochenen Vorliegen eines objektiven Elements, das eine missbräuchliche Praxis erkennen lässt, zum einen bereits festgestellt, dass der Zweck von Art. 14 der Richtlinie 2008/48 darin besteht, es dem Verbraucher zu ermöglichen, den seinen Bedürfnissen am besten entsprechenden Vertrag auszuwählen und somit von einem Vertrag zurückzutreten, bei dem sich nach dessen Abschluss innerhalb der für die Ausübung des Widerrufsrechts vorgesehenen Überlegungsfrist herausstellt, dass er nicht den Bedürfnissen des Verbrauchers entspricht. Zum anderen besteht der Zweck von Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Richtlinie darin, sicherzustellen, dass der Verbraucher alle Informationen erhält, die erforderlich sind, um den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung zu beurteilen, und den Kreditgeber, der ihm die in Art. 10 der Richtlinie vorgesehenen Informationen nicht erteilt, mit Sanktionen zu belegen (Urteil vom 9. September 2021, Volkswagen Bank u. a., C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:736, Rn. 123 und 124 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

289    Um den Kreditgeber davon abzuhalten, die ihm nach der Richtlinie 2008/48 gegenüber dem Verbraucher obliegenden Verpflichtungen zu verletzen, hat der Gerichtshof in Rn. 126 des Urteils vom 9. September 2021, Volkswagen Bank u. a. (C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:736), entschieden, dass der Kreditgeber, wenn er dem Verbraucher die in Art. 10 der Richtlinie genannten Informationen nicht erteilt hat und dieser beschließt, den Kreditvertrag nach Ablauf der Frist von 14 Tagen nach Vertragsschluss zu widerrufen, dem Verbraucher keine missbräuchliche Ausübung seines Widerrufsrechts vorwerfen kann, auch wenn zwischen dem Vertragsschluss und dem Widerruf durch den Verbraucher erhebliche Zeit vergangen ist.

290    Der Gerichtshof hat daraus geschlossen, dass die Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass der Kreditgeber nicht aufgrund dessen, dass zwischen dem Vertragsschluss und der Ausübung des in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie vorgesehenen Widerrufsrechts durch den Verbraucher erhebliche Zeit vergangen ist, einen Rechtsmissbrauch annehmen darf, wenn eine der in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie vorgesehenen Pflichtangaben weder im Kreditvertrag enthalten war noch nachträglich ordnungsgemäß mitgeteilt wurde, unabhängig davon, ob der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Kenntnis hatte (Urteil vom 9. September 2021, Volkswagen Bank u. a., C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:736, Rn. 127).

291    Insoweit ist allerdings hinzuzufügen, dass sich ein Kreditgeber nach der vom Gerichtshof oben in Rn. 267 gegebenen Antwort nicht auf die Missbräuchlichkeit der Ausübung des Widerrufsrechts berufen kann, wenn im Fall einer unvollständigen oder fehlerhaften Information im Vertrag die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen hat, weil feststeht, dass sich die Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit dieser Information auf die Befähigung des Verbrauchers, den Umfang seiner Rechte und Pflichten aus der Richtlinie 2008/48 einzuschätzen, sowie auf seine Entscheidung, den Vertrag zu schließen, ausgewirkt hat.

292    Nach alledem ist auf die Buchst. a bis d der vierten Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 zu antworten, dass Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass die vollständige Erfüllung des Kreditvertrags zum Erlöschen des Widerrufsrechts führt. Außerdem kann sich der Kreditgeber nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Verbraucher aufgrund seines Verhaltens zwischen Vertragsschluss und Ausübung des Widerrufsrechts oder nach dessen Ausübung dieses Recht missbräuchlich ausgeübt habe, wenn wegen einer gegen Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 verstoßenden unvollständigen oder fehlerhaften Information im Kreditvertrag die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen hat, weil feststeht, dass sich diese Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit auf die Befähigung des Verbrauchers, den Umfang seiner Rechte und Pflichten aus der Richtlinie 2008/48 einzuschätzen, sowie auf seine Entscheidung, den Vertrag zu schließen, ausgewirkt hat.

 Zu den Buchst. a bis d der dritten Frage in den Rechtssachen C47/21 und C232/21

293    Mit den Buchst. a bis d der dritten Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass sie es dem Kreditgeber, wenn der Verbraucher sein Widerrufsrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie ausübt, verwehrt, sich nach nationalen Rechtsvorschriften auf die Verwirkung dieses Rechts zu berufen, und zwar auch dann, wenn der Verbraucher vom Fortbestehen dieses Rechts keine Kenntnis hatte und/oder mindestens eine der in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie aufgeführten Pflichtangaben nicht oder unvollständig oder fehlerhaft im Kreditvertrag enthalten war und auch nicht später ordnungsgemäß mitgeteilt wurde.

294    Zur Beantwortung dieser Frage ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 die Widerrufsfrist von 14 Kalendertagen erst zu laufen beginnt, wenn dem Verbraucher die in Art. 10 der Richtlinie vorgesehenen Informationen erteilt wurden, sofern dies nach dem Tag des Abschlusses des Kreditvertrags geschah. In Art. 10 ist aufgeführt, was in Kreditverträgen in klarer, prägnanter Form anzugeben ist.

295    Wie aus Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48, ausgelegt im Licht ihrer Erwägungsgründe 9 und 10, hervorgeht, sieht die Richtlinie eine vollständige Harmonisierung der in ihren Geltungsbereich fallenden Kreditverträge vor und ist, wie sich aus der Überschrift von Art. 22 ergibt, unabdingbar. Folglich ist es den Mitgliedstaaten in den spezifisch von dieser Harmonisierung erfassten Bereichen nicht gestattet, von der Richtlinie abweichende innerstaatliche Rechtsvorschriften beizubehalten oder einzuführen (Urteil vom 9. März 2023, Sogefinancement, C‑50/22, EU:C:2023:177, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

296    Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass die zeitlichen Voraussetzungen der Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher unter die in Art. 14 der Richtlinie 2008/48 vorgenommene Harmonisierung fallen und dass, da diese Richtlinie keine zeitliche Beschränkung der Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher für den Fall vorsieht, dass ihm die in Art. 10 der Richtlinie vorgesehenen Informationen nicht oder unvollständig oder fehlerhaft erteilt wurden und dass in Anbetracht der oben in Rn. 267 gegebenen Antwort die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen hat, eine solche Beschränkung, wie sie sich aus der Verwirkung ergeben würde, in einem Mitgliedstaat nicht durch die nationalen Rechtsvorschriften auferlegt werden darf (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2021, Volkswagen Bank u. a., C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:736, Rn. 116 und 117).

297    Unter diesen Umständen kommt es für die Beantwortung der Fragen des vorlegenden Gerichts nicht darauf an, ob die in Rede stehenden nationalen Vorschriften auf einem vom Parlament des betreffenden Mitgliedstaats verabschiedeten Gesetz beruhen, ob der Verbraucher Kenntnis vom Fortbestehen seines Widerrufsrechts hatte und ob der Kreditgeber die Möglichkeit hatte, die Widerrufsfrist in Gang zu setzen, indem er die fehlenden, unvollständigen oder fehlerhaften Informationen erteilt.

298    Das Gleiche gilt für den von der deutschen Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen angeführten Umstand, dass die Verwirkung nach deutschem Recht nicht nur den Ablauf von Zeit erfordere, sondern tatsächliche Umstände hinzutreten müssten, die die Ausübung des betreffenden Rechts missbräuchlich erscheinen ließen. Aus der oben in Rn. 292 gegebenen Antwort ergibt sich nämlich, dass ein solcher missbräuchlicher Charakter in einer Situation wie der oben in Rn. 296 beschriebenen ausgeschlossen ist.

299    Nach alledem ist auf die Buchst. a bis d der dritten Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 zu antworten, dass die Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass sie es dem Kreditgeber, wenn der Verbraucher sein Widerrufsrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie ausübt, verwehrt, sich nach den nationalen Rechtsvorschriften auf die Verwirkung dieses Rechts zu berufen, wenn mindestens eine der in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie aufgeführten Pflichtangaben im Kreditvertrag nicht oder unvollständig oder fehlerhaft enthalten war und auch nicht später ordnungsgemäß mitgeteilt wurde, so dass aus diesem Grund die in Art. 14 Abs. 1 vorgesehene Widerrufsfrist nicht zu laufen begann.

 Zur fünften Frage in den Rechtssachen C47/21 und C232/21

300    Mit der fünften Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die vorsieht, dass ein Verbraucher, wenn er einen verbundenen Kreditvertrag im Sinne von Art. 3 Buchst. n der Richtlinie widerruft, den mit dem Kredit finanzierten Gegenstand an den Kreditgeber herausgegeben oder diesen in Annahmeverzug gesetzt haben muss, bevor er die Rückzahlung der aufgrund des Kreditvertrags geleisteten Monatsraten verlangen und erhalten kann, wobei die Rückzahlung im Fall des Bestreitens der Wirksamkeit des Widerrufs durch den Kreditgeber bis zur endgültigen Entscheidung des Rechtsstreits aufgeschoben sein kann.

301    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass in Art. 3 Buchst. n der Richtlinie 2008/48 ein „verbundener Kreditvertrag“ als Kreditvertrag definiert wird, bei dem der betreffende Kredit ausschließlich der Finanzierung eines Vertrags über u. a. die Lieferung von Waren, wie im vorliegenden Fall eines Kraftfahrzeugs, dient, sofern die beiden Verträge objektiv betrachtet eine wirtschaftliche Einheit bilden.

302    Die Richtlinie 2008/48 enthält jedoch keine Bestimmungen über die Folgen des Widerrufs eines verbundenen Kreditvertrags durch den Verbraucher für den Vertrag über die Lieferung von Waren. Überdies heißt es im 35. Erwägungsgrund dieser Richtlinie, dass sie unbeschadet anderer Vorschriften der Mitgliedstaaten gelten sollte, die die Rückgabe der durch den Kredit finanzierten Waren oder damit zusammenhängende Fragen regeln.

303    Mangels einschlägiger spezifischer Vorschriften des Unionsrechts sind die Modalitäten der Umsetzung des in der Richtlinie 2008/48 vorgesehenen Verbraucherschutzes nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache ihrer innerstaatlichen Rechtsordnungen. Diese Modalitäten dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige innerstaatliche Sachverhalte regeln (Äquivalenzgrundsatz), und sie dürfen nicht so gestaltet sein, dass sie die Ausübung der durch die Rechtsordnung der Union verliehenen Rechte praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. entsprechend Urteil vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance, C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).


304    Zu dem in den vorliegenden Rechtssachen allein relevanten Effektivitätsgrundsatz ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen ist. Dabei sind gegebenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance, C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 17. Mai 2022, Unicaja Banco, C‑869/19, EU:C:2022:397, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

305    Im vorliegenden Fall geht aus den Vorlageentscheidungen hervor, dass der Verbraucher, wenn er einen Kreditvertrag widerruft, nach deutschem Recht stets verpflichtet ist, dem Kreditgeber den mittels dieses Vertrags finanzierten Gegenstand zurückzugeben oder ihn in Annahmeverzug zu setzen, damit er die Rückzahlung der aufgrund des Vertrags gezahlten Monatsraten verlangen und erhalten kann; dies gilt auch dann, wenn der Kreditgeber die Wirksamkeit des Widerrufs bestreitet und der Verbraucher dann auf dem Rechtsweg eine Rückzahlungsklage erheben und deren Ausgang abwarten muss, bevor er im Erfolgsfall die Rückzahlung der monatlichen Raten erwirken kann.

306    Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfungen ist davon auszugehen, dass solche Verfahrensregeln in Bezug auf die mit der Ausübung des in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 vorgesehenen Widerrufsrechts verbundenen Rechtswirkungen geeignet sind, die Ausübung dieses Rechts praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, da der Verbraucher den mit dem Kredit finanzierten Gegenstand herausgeben oder den Kreditgeber in Annahmeverzug setzen muss, ohne dass dieser verpflichtet ist, gleichzeitig die vom Verbraucher bereits geleisteten monatlichen Kreditraten zurückzuzahlen.

307    Nach alledem ist auf die fünfte Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 zu antworten, dass Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 in Verbindung mit dem Effektivitätsgrundsatz dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die vorsieht, dass ein Verbraucher, wenn er einen verbundenen Kreditvertrag im Sinne von Art. 3 Buchst. n der Richtlinie widerruft, den mit dem Kredit finanzierten Gegenstand an den Kreditgeber herausgeben oder diesen in Annahmeverzug setzen muss, ohne dass der Kreditgeber verpflichtet ist, gleichzeitig die vom Verbraucher bereits geleisteten monatlichen Kreditraten zurückzuzahlen.


 Kosten

308    Für die Beteiligten der Ausgangsverfahren ist das Verfahren Teil der bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 2 Nr. 6 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83

dahin auszulegen, dass

ein Leasingvertrag über ein Kraftfahrzeug, der dadurch gekennzeichnet ist, dass weder er noch ein gesonderter Vertrag vorsieht, dass der Verbraucher das Fahrzeug bei Vertragsende kaufen muss, als „Dienstleistungsvertrag“ im Sinne von Art. 2 Nr. 6 der Richtlinie 2011/83 in ihren Geltungsbereich fällt. Dagegen fällt ein solcher Vertrag weder in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG noch in den Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates.

2.      Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 2011/83

ist dahin auszulegen, dass

ein Dienstleistungsvertrag im Sinne ihres Art. 2 Nr. 6, der zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer unter Verwendung eines Fernkommunikationsmittels geschlossen wird, nicht als „Fernabsatzvertrag“ im Sinne von Art. 2 Nr. 7 eingestuft werden kann, wenn dem Vertragsschluss eine Verhandlungsphase vorausging, bei der neben dem Verbraucher ein im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelnder Vermittler körperlich anwesend war und in deren Verlauf der Verbraucher von dem Vermittler für die Zwecke dieser Verhandlungen alle in Art. 6 der Richtlinie genannten Informationen erhielt und dem Vermittler Fragen zu dem ins Auge gefassten Vertrag oder dem gemachten Angebot stellen konnte, um jeden Zweifel an der Tragweite seiner etwaigen vertraglichen Bindung an den Unternehmer auszuräumen.

3.      Art. 2 Nr. 8 Buchst. a der Richtlinie 2011/83

ist dahin auszulegen, dass

ein Dienstleistungsvertrag im Sinne ihres Art. 2 Nr. 6, der zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer geschlossen wird, nicht als „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag“ im Sinne von Art. 2 Nr. 8 Buchst. a eingestuft werden kann, wenn der Verbraucher in der Anbahnungsphase, bevor der Vertrag unter Verwendung eines Fernkommunikationsmittels abgeschlossen wurde, die Geschäftsräume eines Vermittlers aufsuchte, der im Namen oder Auftrag des Unternehmers zum Zweck der Aushandlung dieses Vertrags handelte, aber in einer anderen Branche als der Unternehmer tätig ist, vorausgesetzt, ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher konnte, als er die Geschäftsräume des Vermittlers aufsuchte, damit rechnen, von ihm zu kommerziellen Zwecken der Aushandlung und des Abschlusses eines Dienstleistungsvertrags mit dem Unternehmer angesprochen zu werden, und konnte überdies leicht erkennen, dass der Vermittler im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelte.

4.      Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83

ist dahin auszulegen, dass

ein zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossener Leasingvertrag über ein Kraftfahrzeug, der als Fernabsatzvertrag oder als außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag im Sinne dieser Richtlinie einzustufen ist, von der in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausnahme vom Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen oder außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Verträgen über Dienstleistungen im Bereich von Mietwagen, die in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen, erfasst wird, wenn der Hauptgegenstand des Vertrags darin besteht, es dem Verbraucher zu gestatten, ein Fahrzeug während der spezifischen vertraglich vorgesehenen Laufzeit gegen regelmäßige Zahlung von Geldbeträgen zu nutzen.

5.      Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48

ist dahin auszulegen, dass

er einer nationalen Regelung entgegensteht, die eine gesetzliche Vermutung aufstellt, wonach der Unternehmer seiner Pflicht, den Verbraucher über dessen Widerrufsrecht zu belehren, nachkommt, wenn er in einem Vertrag auf nationale Vorschriften verweist, die ihrerseits insoweit auf ein Regelungsmodell für die Informationen verweisen, wobei er darin enthaltene Klauseln verwendet, die nicht den Vorgaben dieser Bestimmung der Richtlinie entsprechen. Kann ein nationales Gericht, das mit einem Rechtsstreit befasst ist, in dem sich ausschließlich Privatpersonen gegenüberstehen, die in Rede stehende nationale Regelung nicht in einer mit der Richtlinie 2008/48 vereinbaren Weise auslegen, ist es nicht allein auf der Grundlage des Unionsrechts verpflichtet, eine solche Regelung unangewendet zu lassen, unbeschadet der Möglichkeit dieses Gerichts, ihre Anwendung auf der Grundlage seines innerstaatlichen Rechts auszuschließen, und, wenn dies nicht geschieht, des Rechts der durch die Unvereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht geschädigten Partei, Ersatz des ihr dadurch entstandenen Schadens zu verlangen.

6.      Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 ist in Verbindung mit Art. 14 Abs. 3 Buchst. b dieser Richtlinie

dahin auszulegen, dass

die in einem Kreditvertrag, der unter diese Bestimmung fällt, anzugebenden Zinsen, die der Verbraucher im Fall der Ausübung seines Widerrufsrechts pro Tag zu entrichten hat, keinesfalls höher sein dürfen als der Betrag, der sich rechnerisch aus dem im Kreditvertrag vereinbarten Sollzinssatz ergibt. Die im Vertrag enthaltenen Angaben zur Höhe der Zinsen pro Tag müssen klar und prägnant sein; insbesondere müssen sie in Verbindung mit anderen Angaben frei von Widersprüchen sein, die objektiv geeignet wären, einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher hinsichtlich der Höhe der von ihm letztlich pro Tag zu zahlenden Zinsen irrezuführen. Fehlen Angaben mit diesen Merkmalen, werden keine Zinsen pro Tag geschuldet.

7.      Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48

ist dahin auszulegen, dass

in einem Kreditvertrag die wesentlichen Informationen über alle dem Verbraucher zur Verfügung stehenden außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren und gegebenenfalls die mit diesen Verfahren jeweils verbundenen Kosten, darüber, ob die Beschwerde oder der Rechtsbehelf per Post oder elektronisch einzureichen ist, über die physische oder elektronische Adresse, an die die Beschwerde oder der Rechtsbehelf zu senden ist, und über die sonstigen formalen Voraussetzungen, denen die Beschwerde oder der Rechtsbehelf unterliegt, anzugeben sind; ein bloßer Verweis im Kreditvertrag auf eine auf Wunsch zur Verfügung gestellte oder im Internet abrufbare Verfahrensordnung oder auf ein anderes Schriftstück oder Dokument, in dem die Modalitäten des Zugangs zu außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren festgelegt sind, reicht nicht aus.

8.      Art. 10 Abs. 2 Buchst. r der Richtlinie 2008/48

ist dahin auszulegen, dass

in einem Kreditvertrag grundsätzlich für die Berechnung der bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung die Berechnungsweise dieser Entschädigung in konkreter und für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher leicht verständlicher Weise angegeben werden muss, damit er den Betrag der bei vorzeitiger Rückzahlung anfallenden Entschädigung auf der Grundlage der in diesem Vertrag enthaltenen Angaben ermitteln kann. Auch wenn konkrete und leicht verständliche Angaben zur Berechnungsweise fehlen, kann ein solcher Vertrag aber der in dieser Bestimmung aufgestellten Verpflichtung genügen, sofern er andere Elemente enthält, die es dem Verbraucher ermöglichen, die Höhe der betreffenden Entschädigung und insbesondere den Betrag, den er im Fall der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits höchstens zu zahlen haben wird, leicht zu ermitteln.

9.      Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48

ist dahin auszulegen, dass

die Widerrufsfrist, falls sich eine dem Verbraucher vom Kreditgeber gemäß Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie erteilte Information als unvollständig oder fehlerhaft erweist, nur zu laufen beginnt, wenn die Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit dieser Information nicht geeignet ist, sich auf die Befähigung des Verbrauchers, den Umfang seiner Rechte und Pflichten aus der Richtlinie einzuschätzen, oder auf seine Entscheidung, den Vertrag zu schließen, auszuwirken und ihm gegebenenfalls die Möglichkeit zu nehmen, seine Rechte unter im Wesentlichen denselben Bedingungen wie denen auszuüben, die vorgelegen hätten, sofern die Information vollständig und zutreffend erteilt worden wäre.

10.    Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48

ist dahin auszulegen, dass

in einem Kreditvertrag der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrags geltende Satz der Verzugszinsen in Form eines konkreten Prozentsatzes anzugeben und der Mechanismus der Anpassung dieses Satzes konkret zu beschreiben ist. Wird dieser Zinssatz anhand eines Referenzzinssatzes, der im Lauf der Zeit variieren kann, ermittelt, muss im Kreditvertrag der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Referenzzinssatz angegeben werden, wobei die Methode zur Berechnung des Verzugszinssatzes anhand des Referenzzinssatzes im Vertrag in einer für einen Durchschnittsverbraucher, der nicht über Fachkenntnisse im Finanzbereich verfügt, leicht verständlichen Weise dargestellt werden muss, so dass er den Verzugszinssatz auf der Grundlage der in diesem Vertrag enthaltenen Angaben berechnen kann. Überdies muss im Kreditvertrag die Häufigkeit der Änderung des Referenzzinssatzes angegeben werden, auch wenn sie sich nach den nationalen Vorschriften richtet.

11.    Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48

ist dahin auszulegen, dass

die vollständige Erfüllung des Kreditvertrags zum Erlöschen des Widerrufsrechts führt. Außerdem kann sich der Kreditgeber nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Verbraucher aufgrund seines Verhaltens zwischen Vertragsschluss und Ausübung des Widerrufsrechts oder nach dessen Ausübung dieses Recht missbräuchlich ausgeübt habe, wenn wegen einer gegen Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 verstoßenden unvollständigen oder fehlerhaften Information im Kreditvertrag die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen hat, weil feststeht, dass sich diese Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit auf die Befähigung des Verbrauchers, den Umfang seiner Rechte und Pflichten aus der Richtlinie 2008/48 einzuschätzen, sowie auf seine Entscheidung, den Vertrag zu schließen, ausgewirkt hat.

12.    Die Richtlinie 2008/48

ist dahin auszulegen, dass

sie es dem Kreditgeber, wenn der Verbraucher sein Widerrufsrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie ausübt, verwehrt, sich nach den nationalen Rechtsvorschriften auf die Verwirkung dieses Rechts zu berufen, wenn mindestens eine der in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie aufgeführten Pflichtangaben im Kreditvertrag nicht oder unvollständig oder fehlerhaft enthalten war und auch nicht später ordnungsgemäß mitgeteilt wurde, so dass aus diesem Grund die in Art. 14 Abs. 1 vorgesehene Widerrufsfrist nicht zu laufen begann.

13.    Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 ist in Verbindung mit dem Effektivitätsgrundsatz

dahin auszulegen, dass

er einer nationalen Regelung entgegensteht, die vorsieht, dass ein Verbraucher, wenn er einen verbundenen Kreditvertrag im Sinne von Art. 3 Buchst. n der Richtlinie widerruft, den mit dem Kredit finanzierten Gegenstand an den Kreditgeber herausgeben oder diesen in Annahmeverzug setzen muss, ohne dass der Kreditgeber verpflichtet ist, gleichzeitig die vom Verbraucher bereits geleisteten monatlichen Kreditraten zurückzuzahlen.

Lenaerts

Bay Larsen

Jürimäe

Lycourgos

Regan

Biltgen

Piçarra

Csehi

Safjan

Rodin

Xuereb

Ziemele

Passer

Gratsias

Arastey Sahún

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. Dezember 2023.

Der Kanzler

 

Der Präsident

A. Calot Escobar

 

K. Lenaerts


*      Verfahrenssprache: Deutsch.