Language of document : ECLI:EU:T:2009:351

URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

23. September 2009(*)

„Umwelt – Richtlinie 2003/87/EG – System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten – Nationaler Plan zur Zuteilung von Emissionszertifikaten für Estland für den Zeitraum 2008–2012 – Jeweilige Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten und der Kommission – Gleichbehandlung – Art. 9 Abs. 1 und 3 und Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2003/87“

In der Rechtssache T‑263/07

Republik Estland, vertreten durch L. Uibo als Bevollmächtigten,

Klägerin,

unterstützt durch

Republik Litauen, vertreten durch D. Kriaučiūnas als Bevollmächtigten,

und

Slowakische Republik, zunächst vertreten durch J. Čorba, dann durch B. Ricziová als Bevollmächtigte,

Streithelferinnen,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch U. Wölker als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt T. Tamme,

Beklagte,

unterstützt durch

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, zunächst vertreten durch Z. Bryanston-Cross, dann durch L. Seeboruth und schließlich durch S. Ossowski als Bevollmächtigte im Beistand von J. Maurici, Barrister,

Streithelfer,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 4. Mai 2007 über den nationalen Plan zur Zuteilung von Zertifikaten für Treibhausgasemissionen, der von der Republik Estland gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates (ABl. L 275, S. 32) für den Zeitraum 2008–2012 übermittelt wurde,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood (Berichterstatter) sowie der Richter D. Šváby und E. Moavero Milanesi,

Kanzler: K. Pocheć, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Februar 2009

folgendes

Urteil

 Rechtlicher Rahmen

1        Art. 1 der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates (ABl. L 275, S. 32, im Folgenden: Richtlinie) in der durch die Richtlinie 2004/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 (ABl. L 338, S. 18) geänderten Fassung lautet:

„Mit dieser Richtlinie wird ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft … geschaffen, um auf kosteneffiziente und wirtschaftlich effiziente Weise auf eine Verringerung von Treibhausgasemissionen hinzuwirken.“

2        Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten stellen für jeden in Artikel 11 Absätze 1 und 2 genannten Zeitraum einen nationalen Plan auf, aus dem hervorgeht, wie viele Zertifikate sie insgesamt für diesen Zeitraum zuzuteilen beabsichtigen und wie sie die Zertifikate zuzuteilen gedenken. Dieser Plan ist auf objektive und transparente Kriterien zu stützen, einschließlich der in Anhang III genannten Kriterien, wobei die Bemerkungen der Öffentlichkeit angemessen zu berücksichtigen sind. Die Kommission erarbeitet unbeschadet des Vertrags bis spätestens 31. Dezember 2003 eine Anleitung zur Anwendung der in Anhang III aufgeführten Kriterien.

Für den in Artikel 11 Absatz 1 genannten Zeitraum wird der Plan spätestens am 31. März 2004 veröffentlicht und der Kommission und den übrigen Mitgliedstaaten übermittelt. Für die folgenden Zeiträume werden die Pläne mindestens achtzehn Monate vor Beginn des betreffenden Zeitraums veröffentlicht und der Kommission und den übrigen Mitgliedstaaten übermittelt.“

3        Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie lautet:

„Innerhalb von drei Monaten nach Übermittlung eines nationalen Zuteilungsplans durch einen Mitgliedstaat gemäß Absatz 1 kann die Kommission den Plan oder einen Teil davon ablehnen, wenn er mit den in Anhang III aufgeführten Kriterien oder mit Artikel 10 unvereinbar ist. Der Mitgliedstaat trifft eine Entscheidung nach Artikel 11 Absatz 1 oder 2 nur dann, wenn Änderungsvorschläge von der Kommission akzeptiert werden. Ablehnende Entscheidungen sind von der Kommission zu begründen.“

4        In Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie heißt es:

„Für den am 1. Januar 2008 beginnenden Fünfjahreszeitraum und jeden folgenden Fünfjahreszeitraum entscheidet jeder Mitgliedstaat über die Gesamtzahl der Zertifikate, die er für diesen Zeitraum zuteilen wird, und leitet das Verfahren für die Zuteilung dieser Zertifikate an die Betreiber der einzelnen Anlagen ein. Diese Entscheidung wird mindestens zwölf Monate vor Beginn des betreffenden Zeitraums getroffen, und zwar auf der Grundlage des gemäß Artikel 9 aufgestellten nationalen Zuteilungsplans des Mitgliedstaats, im Einklang mit Artikel 10 und unter angemessener Berücksichtigung der Bemerkungen der Öffentlichkeit.“

5        In Anhang III der Richtlinie (im Folgenden: Anhang III) werden zwölf Kriterien aufgeführt, die für die nationalen Zuteilungspläne gelten. Die Kriterien 1 bis 3, 5 und 6, 10 und 12 des Anhangs III sehen vor:

„1.      Die Gesamtmenge der Zertifikate, die im jeweiligen Zeitraum zugeteilt werden sollen, muss mit der in der Entscheidung 2002/358/EG [des Rates vom 25. April 2002 über die Genehmigung des Protokolls von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen im Namen der Europäischen Gemeinschaft sowie die gemeinsame Erfüllung der daraus erwachsenden Verpflichtungen, ABl. L 130, S. 1] und im Kyoto-Protokoll enthaltenen Verpflichtung des Mitgliedstaats zur Begrenzung seiner Emissionen in Einklang stehen unter Berücksichtigung des Anteils der Gesamtemissionen, dem diese Zertifikate im Vergleich zu Emissionen aus Quellen entsprechen, die nicht unter diese Richtlinie fallen, sowie der nationalen energiepolitischen Maßnahmen; ferner sollte sie dem nationalen Klimaschutzprogramm entsprechen. Die Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate darf nicht höher sein als der wahrscheinliche Bedarf für die strikte Anwendung der Kriterien dieses Anhangs. Bis 2008 muss die Menge so groß sein, dass sie mit einem Weg zur Erreichung oder Übererfüllung der Zielvorgaben jedes Mitgliedstaats gemäß der Entscheidung 2002/358/EG und dem Kyoto-Protokoll vereinbar ist.

2.      Die Gesamtmenge der Zertifikate, die zugeteilt werden sollen, muss vereinbar sein mit Bewertungen der tatsächlichen und der erwarteten Fortschritte bei der Erbringung des Beitrags der Mitgliedstaaten zu den Verpflichtungen der Gemeinschaft gemäß der Entscheidung [des Rates] 93/389/EWG [vom 24. Juni 1993 über ein System zur Beobachtung der Emissionen von CO2 und anderen Treibhausgasen in der Gemeinschaft, ABl. L 167, S. 31].

3.      Die Mengen der Zertifikate, die zugeteilt werden sollen, müssen mit dem Potenzial – auch dem technischen Potenzial – der unter dieses System fallenden Tätigkeiten zur Emissionsverringerung in Einklang stehen. Die Mitgliedstaaten können bei ihrer Aufteilung von Zertifikaten die durchschnittlichen Treibhausgasemissionen je Erzeugnis in den einzelnen Tätigkeitsbereichen und die in diesen Tätigkeitsbereichen erreichbaren Fortschritte zugrunde legen.

5.      Gemäß den Anforderungen des Vertrags, insbesondere der Artikel 87 und 88, darf der Plan Unternehmen oder Sektoren nicht in einer Weise unterschiedlich behandeln, dass bestimmte Unternehmen oder Tätigkeiten ungerechtfertigt bevorzugt werden.

6.      Der Plan muss Angaben darüber enthalten, wie neue Marktteilnehmer sich am Gemeinschaftssystem in dem betreffenden Mitgliedstaat beteiligen können.

10.      Der Plan muss eine Liste der unter diese Richtlinie fallenden Anlagen unter Angabe der Anzahl Zertifikate enthalten, die den einzelnen Anlagen zugeteilt werden sollen.

12.      In dem Plan wird die Obergrenze des Umfangs, in dem CER und ERU von den Betreibern im Rahmen des Gemeinschaftssystems genutzt werden dürfen, als Prozentanteil der Zuteilung von Zertifikaten für die einzelnen Anlagen angegeben. Der Prozentanteil muss mit den ergänzenden Verpflichtungen des Mitgliedstaats im Rahmen des Kyoto-Protokolls und der Beschlüsse, die aufgrund des UNFCCC oder des Kyoto-Protokolls gefasst worden sind, in Einklang stehen.“

 Sachverhalt und Verfahren

6        Die Republik Estland übermittelte der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gemäß der Richtlinie ihren nationalen Plan zur Zuteilung von Zertifikaten für Treibhausgasemissionen. Der Republik Estland zufolge erfolgte diese Übermittlung am 30. Juni 2006, der Kommission zufolge am 7. Juli 2006.

7        Auf einen Schriftwechsel mit der Kommission hin legte die Republik Estland dieser im Februar 2007 eine neue Fassung ihres nationalen Plans zur Zuteilung von Zertifikaten für Treibhausgasemissionen vor.

8        Am 4. Mai 2007 erließ die Kommission ihre Entscheidung über den nationalen Plan zur Zuteilung von Zertifikaten für Treibhausgasemissionen, der von der Republik Estland gemäß der Richtlinie für den Zeitraum 2008–2012 übermittelt wurde (im Folgenden: angefochtene Entscheidung). Diese Entscheidung sieht eine Verringerung um 47,8 % gegenüber der Zahl von Emissionszertifikaten vor, deren Ausgabe die Republik Estland beabsichtigt hatte.

9        Der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung lautet:

Artikel 1

Folgende Aspekte des … Zuteilungsplans [der Republik Estland] für den in Artikel 11 Absatz 2 der Richtlinie genannten ersten Fünfjahreszeitraum sind nicht vereinbar mit:

1.      den Kriterien 1 [bis] 3 des Anhangs III der Richtlinie: der Teil der vorgesehenen Gesamtmenge der Zertifikate in Höhe von 11,657 987 Mio. t Kohlendioxidäquivalent pro Jahr, der weder mit den Bewertungen gemäß der Entscheidung Nr. 280/2004/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über ein System zur Überwachung der Treibhausgasemissionen in der Gemeinschaft und zur Umsetzung des Kyoto-Protokolls, ABl. L 49, S. 1] noch mit dem Emissionsverringerungspotenzial der Tätigkeiten, einschließlich dem technischen Potenzial, vereinbar ist; dieser Teil wurde um die Emissionen aus Projektmaßnahmen, die bereits 2005 liefen und im selben Jahr in unter die Richtlinie fallenden Anlagen Emissionsverringerungen oder -begrenzungen bewirkt haben, vermindert, soweit die durch diese Projektmaßnahmen bewirkten Emissionsverringerungen oder -begrenzungen nachgewiesen und geprüft wurden; hinzu kommt der Teil der Gesamtmenge von Zertifikaten in Höhe von potenziell 0,313 883 Mio. t für zusätzliche jährliche Emissionen in einer Verbrennungsanlage, die nicht im Zuteilungsplan der ersten Phase enthalten war, soweit dies nach Maßgabe der allgemeinen Methoden des nationalen Zuteilungsplans sowie belegter und geprüfter Emissionszahlen nicht begründet wird;

2.      dem Kriterium 3 des Anhangs III der Richtlinie: die Nicht-Einbeziehung in die Gesamtzertifikatsmenge der Reserven, die [die Republik] Estland gemäß Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 2 der Entscheidung 2006/780/EG [der Kommission vom 13. November 2006 zur Vermeidung der doppelten Erfassung von im Rahmen des Europäischen Emissionshandelssystems erzielten Treibhausgasemissionsreduktionen gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates bei Projektmaßnahmen im Sinne des Kyoto-Protokolls, ABl. L 316, S. 12] im nationalen Zuteilungsplan bereitstellt, und das Fehlen entsprechend geringerer Zuteilungen für Anlagen, welche die relevanten Tätigkeiten ausführen;

3.      dem Kriterium 5 des Anhangs III der Richtlinie: die Zuteilung von mehr Zertifikaten an gewisse Anlagen, als deren erwarteten Bedürfnissen entspricht aufgrund von Bonusvergaben für frühzeitige Maßnahmen zusätzlich zu den normal berechneten Zuteilungen;

4.      dem Kriterium 6 des Anhangs III der Richtlinie: Angaben darüber, wie neue Marktteilnehmer sich am Gemeinschaftssystem beteiligen können.

Artikel 2

Die Kommission wird keine Einwände gegen den nationalen Zuteilungsplan erheben, wenn unter Vermeidung von Ungleichbehandlungen folgende Änderungen vorgenommen und der Kommission unverzüglich unter Berücksichtigung der Fristen mitgeteilt werden, die erforderlich sind, um die einzelstaatlichen Verfahren ohne schuldhafte Verzögerung durchzuführen:

1.      Die im Rahmen des Gemeinschaftssystems zuzuteilende Gesamtmenge wird um Zertifikate für 11,657 987 Mio. t Kohlendioxidäquivalent jährlich verringert; die einer nicht im Zuteilungsplan der ersten Phase enthaltenen, zusätzlichen Verbrennungsanlage zugeteilten Mengen werden nach den im nationalen Zuteilungsplan beschriebenen allgemeinen Methoden auf der Grundlage belegter und geprüfter Emissionszahlen bestimmt, und die Gesamtmenge wird gegebenenfalls um die Differenz zwischen den Zuteilungen an diese Anlage und den 0,313 883 Mio. t, die jährlich für diese Anlage in Reserve gestellt werden, weiter gekürzt; und die Gesamtmenge wird um die Emissionen aus Projektmaßnahmen, die bereits 2005 liefen und im selben Jahr in unter die Richtlinie fallenden Anlagen Emissionsverringerungen oder -begrenzungen bewirkt haben, angehoben, soweit die durch diese Projektmaßnahmen bewirkten Emissionsverringerungen oder -begrenzungen nachgewiesen und geprüft wurden;

2.      Zertifikatsreserven, die [die Republik] Estland gemäß Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 2 der Entscheidung 2006/780/EG im nationalen Zuteilungsplan bereitstellt, werden in die Gesamtzertifikatsmenge von 12,717 058 Mio. t. einbezogen, die gemäß der Kriterien 1 [bis] 3 des Anhangs III der Richtlinie berechnet wird, bevor die endgültige Entscheidung über die nationale Zertifikatsvergabe gemäß Artikel 11 Absatz 2 der Richtlinie getroffen wird, und es werden entsprechend weniger Zertifikate an Anlagen vergeben, welche die betreffenden Tätigkeiten durchführen;

3.      keine der Anlagen erhält als Resultat der Vergabe von Boni für frühzeitige Maßnahmen Zertifikate, die über ihre erwarteten Bedürfnisse hinausgehen;

4.      es wird erläutert, wie neuen Marktteilnehmern in Einklang mit den Kriterien des Anhangs III der Richtlinie und insbesondere deren Artikel 10 die Beteiligung an dem Gemeinschaftssystem ermöglicht werden soll.

Artikel 3

1.      Die durchschnittliche jährliche Gesamtmenge von Zertifikaten für 12,717 058 Mio. t, gegebenenfalls abzüglich des Umfangs der Zertifikatsreserven, die [die Republik] Estland gemäß Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 2 der Entscheidung 2006/780/EG bereithält, sowie abzüglich der Differenz zwischen den Zuteilungen an eine zusätzliche nicht im Zuteilungsplan der ersten Phase enthaltene Verbrennungsanlage und der jährlichen Reserve von 0,313 883 Mio. t für diese Anlage, insofern diese nicht nach den im nationalen Zuteilungsplan beschriebenen allgemeinen Methoden auf der Grundlage belegter und geprüfter Emissionszahlen für diese Anlage gerechtfertigt wurde, zuzüglich der Emissionen aus Projektmaßnahmen, die 2005 bereits liefen und im selben Jahr in unter die Richtlinie fallenden Anlagen Emissionsverringerungen oder -begrenzungen bewirkt haben, soweit die durch diese Projektmaßnahmen bewirkten Emissionsverringerungen oder -begrenzungen nachgewiesen und geprüft wurden, die [die Republik] Estland nach seinem nationalen Zuteilungsplan den darin aufgeführten Anlagen und den neuen Marktteilnehmern zuteilt, darf nicht überschritten werden.

2.      Der nationale Zuteilungsplan darf nur dann ohne vorherige Zustimmung durch die Kommission geändert werden, wenn es sich um Anpassungen der Zuteilung von Zertifikaten an einzelne, im Zuteilungsplan genannte Anlagen im Rahmen der Gesamtzahl der an die dort genannten Anlagen zu vergebenden Zertifikate handelt, die sich aus Verbesserungen der Datenqualität ergeben, oder wenn es der Verringerung des Anteils der kostenlos zugeteilten Zertifikate im Rahmen der in Artikel 10 der Richtlinie genannten Grenzen dient.

3.      Alle sonstigen Änderungen des nationalen Zuteilungsplans, die der Beseitigung der in Artikel 1 genannten Mängel dienen, aber nicht den in Artikel 2 genannten Änderungen entsprechen, sind unverzüglich unter Berücksichtigung der Fristen mitzuteilen, die erforderlich sind, um die einzelstaatlichen Verfahren ohne schuldhafte Verzögerung durchzuführen, und bedürfen gemäß Artikel 9 Absatz 3 der Richtlinie der vorherigen Zustimmung durch die Kommission. Alle sonstigen Änderungen des nationalen Zuteilungsplans mit Ausnahme der Befolgung von Artikel 2 dieser Entscheidung sind unzulässig.

Artikel 4

Diese Entscheidung ist an die Republik Estland gerichtet.“

10      Mit Schriftsatz, der am 16. Juli 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Republik Estland die vorliegende Klage auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung erhoben.

11      Im Zusammenhang mit der Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts wurde der Berichterstatter der Siebten Kammer zugeteilt, der die vorliegende Rechtssache daraufhin zugewiesen worden ist.

12      Mit Schriftsatz, der am 8. Oktober 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland beantragt, in der vorliegenden Rechtssache als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

13      Mit Schriftsätzen, die am 16. Oktober und 8. November 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Republik Litauen und die Slowakische Republik beantragt, in der vorliegenden Rechtssache als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Republik Estland zugelassen zu werden.

14      Mit Beschluss vom 29. Januar 2008 hat der Präsident der Siebten Kammer des Gerichts diesen drei Streithilfeanträgen stattgegeben.

15      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Siebte Kammer) beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen, und im Zuge prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 64 seiner Verfahrensordnung Fragen an die Parteien gerichtet. Die Parteien haben diese Fragen beantwortet.

16      Die Beteiligten haben in der Sitzung vom 11. Februar 2009 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

 Anträge der Beteiligten

17      Die Republik Estland beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

18      Die Republik Litauen beantragt, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären.

19      Die Slowakische Republik hat keinen Streithilfeschriftsatz eingereicht und keine Anträge gestellt.

20      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unzulässig abzuweisen, soweit sie Art. 1 Abs. 3 und 4, Art. 2 Abs. 3 und 4 sowie Art. 3 Abs. 2 und 3 der angefochtenen Entscheidung betrifft;

–        die Klage als unbegründet abzuweisen, soweit sie die übrigen Bestimmungen der angefochtenen Entscheidung betrifft;

–        der Republik Estland die Kosten aufzuerlegen.

21      Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Republik Estland die Kosten aufzuerlegen.

 Zur Zulässigkeit

 Vorbringen der Beteiligten

22      In der Klagebeantwortung trägt die Kommission vor, die vorliegende Klage sei hinsichtlich Art. 1 Abs. 3 und 4, Art. 2 Abs. 3 und 4 sowie Art. 3 Abs. 2 und 3 der angefochtenen Entscheidung unzulässig. Die geltend gemachten Klagegründe beträfen im Wesentlichen die Rechtmäßigkeit der in Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 der angefochtenen Entscheidung für die Gesamtmenge der Zertifikate festgelegten Höchstgrenze sowie zum Teil die in Art. 1 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 2 der Entscheidung genannte Nicht-Einbeziehung der Zertifikatsreserven. Selbst wenn das Gericht diese Klagegründe als begründet ansehen sollte, führe dies nicht zur Nichtigerklärung der gesamten angefochtenen Entscheidung, da die Republik Estland keine tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen gemacht habe, die sich auf die übrigen Bestimmungen der angefochtenen Entscheidung bezögen.

23      Jede bei den Gemeinschaftsgerichten eingereichte Klageschrift müsse gemäß Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Auch nach Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung müsse die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Angesichts der vorstehenden Ausführungen erfülle die Klageschrift im vorliegenden Fall diese Anforderungen hinsichtlich Art. 1 Abs. 3 und 4, Art. 2 Abs. 3 und 4 sowie Art. 3 Abs. 2 und 3 der angefochtenen Entscheidung nicht. Zudem könnten die fraglichen Bestimmungen selbst unter der Annahme, dass der Rest der angefochtenen Entscheidung für nichtig erklärt werde, selbständig bestehen bleiben. Daher sei die vorliegende Klage als unzulässig abzuweisen, soweit sie auf die Nichtigerklärung dieser Bestimmungen gerichtet sei.

24      Die Republik Estland hebt zunächst hervor, dass sie in ihrer Klageschrift beantragt habe, die angefochtene Entscheidung in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

25      Sodann weist sie darauf hin, dass die teilweise Nichtigerklärung eines Rechtsakts der Gemeinschaft nach der Rechtsprechung nur möglich sei, soweit sich die Teile, deren Nichtigerklärung beantragt werde, vom übrigen Teil des Rechtsakts abtrennen ließen.

26      Im vorliegenden Fall handele es sich bei der angefochtenen Entscheidung um eine an die Republik Estland gerichtete Einzelfallentscheidung, deren Inhalt und Struktur einander entsprächen und deren Erwägungsgründe und Bestimmungen des verfügenden Teils alle zueinander in Bezug stünden. Bestimmte Elemente könnten nicht abgetrennt werden, ohne dass die angefochtene Entscheidung inhaltsleer würde oder ihre Kohärenz verlöre.

27      Angesichts der vorstehenden Ausführungen ist die Republik Estland der Ansicht, dass das von der Kommission im Rahmen der Klagebeantwortung geltend gemachte Argument, die vorliegende Klage sei teilweise unzulässig, nicht begründet sei und dass die angefochtene Entscheidung in vollem Umfang für nichtig erklärt werden müsse.

 Würdigung durch das Gericht

28      Es ist zunächst daran zu erinnern, dass die teilweise Nichtigerklärung eines Rechtsakts der Gemeinschaft nach ständiger Rechtsprechung nur möglich ist, soweit sich die Teile, deren Nichtigerklärung beantragt wird, vom Rest des Rechtsakts abtrennen lassen (Urteile des Gerichtshofs vom 10. Dezember 2002, Kommission/Rat, C‑29/99, Slg. 2002, I‑11221, Randnr. 45, und vom 30. September 2003, Deutschland/Kommission, C‑239/01, Slg. 2003, I‑10333, Randnr. 33; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 21. Januar 2003, Kommission/Parlament und Rat, C‑378/00, Slg. 2003, I‑937, Randnr. 30). Der Gerichtshof hat ferner wiederholt entschieden, dass dieses Erfordernis der Abtrennbarkeit nicht erfüllt ist, wenn die teilweise Nichtigerklärung eines Rechtsakts zur Folge hätte, dass der Wesensgehalt dieses Akts verändert würde (Urteil des Gerichtshofs vom 24. Mai 2005, Frankreich/Parlament und Rat, C‑244/03, Slg. 2005, I‑4021, Randnr. 13; vgl. in diesem Sinne auch Urteile des Gerichtshofs vom 31. März 1998, Frankreich u. a./Kommission, C‑68/94 und C‑30/95, Slg. 1998, I‑1375, Randnr. 257, und Kommission/Rat, oben angeführt, Randnr. 46).

29      Im vorliegenden Fall beginnt Art. 1 der angefochtenen Entscheidung mit folgendem Wortlaut: „Folgende Aspekte des … Zuteilungsplans [der Republik Estland] für den in Artikel 11 Absatz 2 der Richtlinie genannten ersten Fünfjahreszeitraum sind nicht vereinbar mit …“ In den Abs. 1 bis 4 dieses Artikels führt die Kommission dann verschiedene Punkte auf, in denen der nationale Plan zur Zuteilung von Zertifikaten der Republik Estland mit einem oder mehreren Kriterien des Anhangs III unvereinbar sei. Angesichts der Struktur des Art. 1 würde eine etwaige Nichtigerklärung einiger seiner Absätze dazu führen, die Anzahl der Punkte, in denen in der angefochtenen Entscheidung eine Unvereinbarkeit mit der Richtlinie festgestellt wurde, zu verringern.

30      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass Art. 2 der angefochtenen Entscheidung wie folgt beginnt: „Die Kommission wird keine Einwände gegen den nationalen Zuteilungsplan erheben, wenn unter Vermeidung von Ungleichbehandlungen folgende Änderungen vorgenommen und der Kommission unverzüglich unter Berücksichtigung der Fristen mitgeteilt werden, die erforderlich sind, um die einzelstaatlichen Verfahren ohne schuldhafte Verzögerung durchzuführen …“ In den Abs. 1 bis 4 des Art. 2 schreibt die Kommission jeweils die Änderung des Plans vor, die erforderlich ist, um der im entsprechenden Absatz des Art. 1 festgestellten Unvereinbarkeit abzuhelfen. Die Nichtigerklärung nur einiger Absätze der angefochtenen Entscheidung hätte damit zur Folge, dass die Verpflichtung der Kommission, keine Einwände gegen den nationalen Zuteilungsplan zu erheben, aufrechterhalten bliebe und dabei zugleich die Zahl der Änderungen verringert würde, vorbehaltlich deren diese Verpflichtung ursprünglich erklärt worden war.

31      Aus der Struktur der Art. 1 und 2 ergibt sich, dass ihre Abs. 1 bis 4 nicht als abtrennbar im Sinne der oben in Randnr. 28 genannten Rechtsprechung angesehen werden können. Denn die etwaige Nichtigerklärung eines der Absätze des Art. 1 sowie die Nichtigerklärung des entsprechenden Absatzes des Art. 2 würde dazu führen, den Wesensgehalt der angefochtenen Entscheidung zu verändern.

32      Eine solche Nichtigerklärung würde die angefochtene Entscheidung, nach der der nationale Plan zur Zuteilung von Zertifikaten der Republik Estland unter dem Vorbehalt von vier Änderungen erlassen werden kann, die es ermöglichen, vier mit den Kriterien des Anhangs III unvereinbaren Punkten abzuhelfen, durch eine andere Entscheidung ersetzen, nach der dieser Plan unter dem Vorbehalt einer geringeren Zahl von Änderungen erlassen werden könnte. Dass sich die Entscheidung, die so an die Stelle der angefochtenen Entscheidung träte, wesentlich von dieser unterschiede, gilt umso mehr, als mit den von der Republik Estland geltend gemachten Klagegründen die jeweils in Art. 1 Abs. 1 und 2 der angefochtenen Entscheidung festgestellten Unvereinbarkeiten und die in ihrem Art. 2 Abs. 1 und 2 geforderten entsprechenden Änderungen in Frage gestellt werden. Gerade diese beiden Unvereinbarkeiten sind es nämlich, die die bedeutendsten Änderungen des nationalen Plans zur Zuteilung von Zertifikaten der Republik Estland erfordern würden.

33      Was Art. 3 Abs. 2 und 3 der angefochtenen Entscheidung betrifft, genügt die Feststellung, dass diese Vorschriften nähere Bestimmungen zur Durchführung der übrigen Vorschriften der angefochtenen Entscheidung enthalten. Angenommen, Art. 1 und 2 der angefochtenen Entscheidung sowie Art. 3 Abs. 1, die ebenfalls von den Klagegründen der Republik Estland erfasst werden, würden für nichtig erklärt, wäre Art. 3 Abs. 2 und 3 daher gegenstandslos.

34      Aus alledem folgt, dass die angefochtene Entscheidung, falls die von der Republik Estland geltend gemachten Klagegründe begründet sein sollten, in vollem Umfang für nichtig zu erklären wäre, da die gerügten Bestimmungen nicht vom Rest dieser Entscheidung abgetrennt werden können. Daher sind die Argumente der Kommission zur behaupteten teilweisen Unzulässigkeit der vorliegenden Klage zurückzuweisen.

 Zur Begründetheit

35      Die Republik Estland macht fünf Klagegründe geltend, mit denen sie erstens eine Überschreitung von Befugnissen aufgrund von Verstößen gegen Art. 9 Abs. 1 und 3 sowie Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie, zweitens offensichtliche Ermessensfehler, drittens einen Verstoß gegen Art. 175 EG, viertens einen Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung und fünftens einen Begründungsmangel rügt.

 Zum ersten Klagegrund: Überschreitung von Befugnissen aufgrund von Verstößen gegen Art. 9 Abs. 1 und 3 sowie Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie

 Vorbringen der Beteiligten

36      Die Republik Estland, unterstützt durch die Republik Litauen und die Slowakische Republik, vertritt die Ansicht, die Kommission habe durch den Erlass der angefochtenen Entscheidung ihre Befugnisse aus Art. 9 Abs. 1 und 3 sowie Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie überschritten. Aus diesen Vorschriften ergebe sich, dass die Aufstellung eines nationalen Plans zur Zuteilung von Zertifikaten in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten falle und dass die Kommission sich darauf beschränken müsse, zu überprüfen, ob dieser Plan mit den in Anhang III und Art. 10 der Richtlinie genannten Kriterien vereinbar sei. Die Mitgliedstaaten seien daher berechtigt, zu entscheiden, welche Methode sie für die Aufstellung ihres Plans zur Zuteilung von Zertifikaten anwendeten und welche Daten und Prognosen sie verwendeten, um die für die Anlagen während des durch den Plan festgelegten Zeitraums zulässigen Emissionen zu bestimmen.

37      Im vorliegenden Fall habe die Kommission jedoch die Methode, nach der die Republik Estland ihren Plan zur Zuteilung von Zertifikaten aufgestellt habe, nicht berücksichtigt. Aus den Erwägungsgründen 5 und 6 der angefochtenen Entscheidung gehe hervor, dass die Kommission zur Bestimmung der zulässigen Gesamtmenge von Zertifikaten ihre eigene Methode angewandt und sich auf von ihr selbst gewählte Basisdaten und auf das von einem griechischen Sachverständigen erarbeitete Modell Primes gestützt habe und dabei den Plan zur Zuteilung von Zertifikaten der Republik Estland in seinem wesentlichen Gehalt außer Acht gelassen habe. Somit habe die Kommission die Gesamtmenge der im Rahmen des Zuteilungsplans der Republik Estland zuzuteilenden Zertifikate de facto selbst festgelegt.

38      In der Erwiderung fügt die Republik Estland hinzu, dass der Begriff „Höchstgrenze“, der nach Ansicht der Kommission die für die Gesamtmenge der von einem Mitgliedstaat zuzuteilenden Zertifikate geltende äußere Grenze bezeichne, keine rechtliche Grundlage habe und weder in der Richtlinie noch in der angefochtenen Entscheidung enthalten sei.

39      Schließlich weist sie in ihrer Antwort auf den Streithilfeschriftsatz des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland darauf hin, dass Rechtsakte der Verwaltung „in einem Rechtsstaat“ gemäß den Gesetzen und damit unter Wahrung der Zuständigkeiten, die den verschiedenen Verwaltungsinstanzen zugewiesen seien, erlassen werden müssten. Selbst wenn die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung erhebliche Auswirkungen auf das System des Handels der Europäischen Union hätte, würde dies nicht die Aufrechterhaltung einer rechtswidrigen Entscheidung rechtfertigen. Jedenfalls sei die in ihrem Plan vorgesehene Gesamtmenge der zuzuteilenden Emissionszertifikate im größeren Zusammenhang des Systems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten der Gemeinschaft von geringer Bedeutung.

40      Nach Ansicht der Republik Litauen steht der Kommission keine allgemeine Befugnis zur Genehmigung eines nationalen Zuteilungsplans zu, sondern nur eine Kontrollbefugnis, die auf die Frage der Vereinbarkeit des Plans mit den Kriterien des Anhangs III beschränkt sei.

41      Die Kommission schildert einleitend das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten der Gemeinschaft und weist insbesondere darauf hin, dass es während der ersten Periode der Anwendung des Systems, von 2005–2007, in erheblichem Maß zu einer Zuteilung von Zertifikaten gekommen sei, die die überprüften Emissionen von 2005 und 2006 überstiegen habe, so dass das Handelssystem der Umwelt sehr geringen oder sogar überhaupt keinen Nutzen gebracht habe. Diese Überschusszuteilung von Zertifikaten sei in Estland erheblich gewesen, da dessen geprüfte Emissionen sich für 2005 auf 12,62 Mio. t Kohlendioxidäquivalent belaufen hätten, während seine durchschnittliche Jahresmenge an Zertifikaten für die erste Periode 19 Mio. t Kohlendioxidäquivalent betragen habe.

42      Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland macht geltend, dass der Preis für Zertifikate, sollte die Kommission in einer der nationale Zuteilungspläne betreffenden Rechtssachen unterliegen, aufgrund des hieraus folgenden Angebotsüberschusses während der zweiten Phase erheblich zu sinken drohe, was die Wirkungen der Richtlinie als Mittel zur Verringerung von Emissionen zunichte machen würde. Die Folgen wären mit anderen Worten katastrophal. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland bittet das Gericht, eine teleologische Auslegung der Richtlinie vorzunehmen, die es der Kommission erlaube, die nationalen Zuteilungspläne effektiv zu kontrollieren und die Mitgliedstaaten damit an der Festsetzung von Höchstgrenzen zu hindern, die keine Erhöhung des Kohlenstoffpreises bewirken und folglich auch keine Verringerung von Emissionen fördern könnten.

43      Die Kommission und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen ferner vor, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung nicht die Gesamtmenge der von der Republik Estland zuzuteilenden Zertifikate bestimmt, sondern eine Höchstgrenze für diese Gesamtmenge festgelegt. Die Kommission macht geltend, sie habe für die Festlegung dieser Höchstgrenze notwendigerweise objektive und zuverlässige Daten verwenden und gemeinsame, für die gesamte Union auf denselben Prämissen beruhende Bewertungsnormen anwenden müssen, um Verzerrungen auf dem Binnenmarkt gering zu halten und jede Ungleichbehandlung der Mitgliedstaaten zu vermeiden.

44      Zudem sei es für das gute Funktionieren des Systems des Handels mit Treibhausgasemissionszertifikaten entscheidend, dass die Gesamtmenge der Zertifikate sowohl auf Unionsebene als auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreiche. Aus diesen Gründen habe die Kommission ein einziges Modell, nämlich das Primes-Modell, angewandt und frei zugängliche Daten verwendet, die unter Hinzuziehung nationaler Sachverständiger zusammengetragen worden seien, um die Höchstgrenze für die von jedem Mitgliedstaat zuzuteilenden Zertifikate festzulegen. Allein eine unabhängige und kohärente Kontrolle der verwendeten Daten könne eine hinreichende Garantie dafür bieten, dass die Daten die Wirklichkeit widerspiegelten und ihre Verwendung nicht zu einer solchen erheblichen Überschusszuteilung von Zertifikaten führe wie in der ersten Periode des Handels 2005–2007. Nach Ansicht des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland verlangen die Art. 87 EG und 88 EG eine unabhängige und objektive Würdigung der nationalen Zuteilungspläne der Mitgliedstaaten.

45      Die Kommission meint, sie habe der Republik Estland insbesondere in den Erwägungsgründen 2, 5 und 6 der angefochtenen Entscheidung sowie in verschiedenen von ihr veröffentlichten Mitteilungen detailliert erklärt, warum sie die Daten zu den überprüften Emissionen von 2005 als die besten verfügbaren Daten angesehen habe. Auf die Mitteilung vom 7. Januar 2004 (KOM[2003] 830 endg.), auf die sich die Republik Estland berufe, seien zwei Mitteilungen gefolgt, mit denen derselbe Zweck verfolgt werde (KOM[2005] 703 endg. und KOM[2006] 725 endg.) und die in keiner Weise in Widerspruch zu dem von ihr verfolgten Ansatz stünden.

46      In der Gegenerwiderung räumt die Kommission dagegen ein, mit E‑Mail vom 1. Juli 2005 eine Stellungnahme der Republik Estland erhalten zu haben, die in einem Bericht in Anhang 4 der Klageschrift enthalten sei und in der estnische Sachverständige einige allgemeine Ausführungen dazu gemacht hätten, in welcher Weise die Erzeugung von Elektrizität in den Ausgangsprognosen von 2005 berücksichtigt worden sei, ohne jedoch die von ihnen gewünschten Änderungen näher zu bezeichnen. Die Berücksichtigung dieses Berichts habe den Modellersteller der nationalen technischen Universität von Athen dazu veranlasst, die verwendeten Ausgangsdaten und -prognosen erheblich abzuändern.

47      Die Kommission ist der Ansicht, sie habe weder der Republik Estland noch einem anderen Mitgliedstaat ihre eigene Berechnungsmethode vorgeschrieben, und zudem hätten mehrere Mitgliedstaaten ihre nationalen Zuteilungspläne unter Beachtung der Höchstgrenze aufgestellt, die in den Entscheidungen, die die Kommission an sie gerichtet habe, für die Gesamtmenge der Zertifikate festgelegt worden sei. Die Behauptung, die Kommission habe der Republik Estland den Ermessensspielraum genommen, über den sie bei der Aufstellung ihres nationalen Plans auch hinsichtlich der Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate verfüge, sei unzutreffend. Auch der Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen der Aufstellung des nationalen Plans sei nicht jeglicher Nutzen genommen worden. Die Kommission weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die nationalen Zuteilungspläne nicht nur die Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate festlegten, sondern auch die Verteilung der Zertifikate zwischen den verschiedenen Anlagen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten.

48      Hinsichtlich des auf Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie gestützten Arguments der Republik Estland führt die Kommission aus, diese Vorschrift beziehe sich nicht auf die Harmonisierung der Methode zur Bestimmung der Gesamtmenge der Zertifikate, sondern auf die Möglichkeit der weiteren Harmonisierung dieser Methode. Jedenfalls habe die Kommission keine andere Wahl, als bei der Berechnung der für alle Mitgliedstaaten geltenden Höchstgrenze für die Gesamtmenge der Zertifikate dieselbe Methode anzuwenden, da sie andernfalls gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen würde.

 Würdigung durch das Gericht

–       Zur Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission

49      Zunächst ist zwischen den Beteiligten unstreitig und folgt im Übrigen aus den Erwägungsgründen und der allgemeinen Systematik der Richtlinie, dass die Verringerung der Emissionen von Treibhausgasen im Allgemeinen und das durch die Richtlinie aufgestellte System des Handels mit Zertifikaten im Besonderen von entscheidender Bedeutung im Kampf gegen die Klimaerwärmung sind, einem Phänomen, das eine der größten sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Bedrohungen darstellt, denen die Welt zur Zeit gegenübersteht.

50      Gleichwohl weist die Republik Estland in Beantwortung der Argumente des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zu Recht darauf hin, dass Rechtsakte der Verwaltung in einer Rechtsgemeinschaft unter Wahrung der Zuständigkeiten erlassen werden müssen, die den verschiedenen Verwaltungsinstanzen zugewiesen sind. Selbst unter der Annahme, dass die These des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland begründet ist, wonach die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung negative Auswirkungen auf das gute Funktionieren des Systems des Handels mit Treibhausgasemissionszertifikaten der Gemeinschaft hätte, würde dies die Aufrechterhaltung der angefochtenen Entscheidung nicht rechtfertigen, wenn diese unter Verstoß gegen die Zuständigkeiten erlassen worden wäre, die den Mitgliedstaaten und der Kommission durch die Richtlinie jeweils zugewiesen sind.

51      Da es um die Umsetzung einer Richtlinie im Umweltbereich geht, ist in diesem Zusammenhang auf Art. 249 Abs. 3 EG hinzuweisen, der lautet: „Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.“ Daraus ergibt sich, dass, wenn die Form und die Mittel für die Erreichung eines bestimmten Ziels in einer Richtlinie nicht vorgegeben sind, die Handlungsfreiheit der Mitgliedstaaten bei der Wahl der für die Erreichung dieses Ziels geeigneten Formen und Mittel grundsätzlich unbeschränkt bleibt. Ferner ergibt sich daraus, dass es bei Fehlen einer klaren und genauen gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe der Form und der Mittel, die die Mitgliedstaaten zu verwenden haben, der Kommission im Rahmen der Ausübung ihrer Kontrollbefugnis u. a. nach den Art. 211 EG und 226 EG obliegt, rechtlich hinreichend zu beweisen, dass die vom Mitgliedstaat hierzu eingesetzten Instrumente gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 7. November 2007, Deutschland/Kommission, T‑374/04, Slg. 2007, II‑4431, Randnr. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52      Zudem ist eine strenge Anwendung dieser Grundsätze von entscheidender Bedeutung für die Wahrung des in Art. 5 Abs. 2 EG verankerten Subsidiaritätsprinzips, das die Gemeinschaftsorgane bei der Wahrnehmung ihrer Regelungsaufgaben zu beachten haben und das beim Erlass der Richtlinie als beachtet gilt (30. Erwägungsgrund der Richtlinie). Nach diesem Prinzip wird die Europäische Gemeinschaft in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahme auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können. In einem Bereich wie dem der Umwelt, der in den Art. 174 EG bis 176 EG geregelt ist und in dem die Zuständigkeiten der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten geteilt sind, obliegt daher die Beweislast der Gemeinschaft, d. h. im vorliegenden Fall der Kommission, die beweisen muss, in welchem Umfang die Zuständigkeiten des Mitgliedstaats und damit sein Spielraum unter Berücksichtigung von Art. 10 und den Kriterien des Anhangs III der Richtlinie beschränkt sind (Urteil vom 7. November 2007, Deutschland/Kommission, Randnr. 79).

53      Was speziell die Umsetzung der Richtlinie angeht, so ergibt sich aus Art. 9 Abs. 1 und 3 sowie Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie eindeutig, dass der Mitgliedstaat zum einen für die Aufstellung des nationalen Zuteilungsplans, durch den er die Ziele, die in der Richtlinie in Bezug auf Treibhausgasemissionen definiert sind, zu erreichen beabsichtigt und den er der Kommission übermittelt, und zum anderen für den Erlass endgültiger Entscheidungen über die Festlegung der Gesamtmenge der Zertifikate, die er für jeden Fünfjahreszeitraum zuteilen wird, und für die Verteilung dieser Gesamtmenge unter den Wirtschaftsteilnehmern allein zuständig ist. Bei der Ausübung dieser Befugnisse verfügt der Mitgliedstaat somit über einen gewissen Spielraum hinsichtlich der Wahl der Maßnahmen, die er für am besten geeignet hält, um das von der Richtlinie vorgegebene Ergebnis im spezifischen Zusammenhang des nationalen Energiemarkts zu erreichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. November 2007, Deutschland/Kommission, Randnr. 80).

54      Dagegen steht der Kommission gemäß Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie eine Befugnis zur Kontrolle des nationalen Zuteilungsplans zu. Somit ist die Kommission befugt, die Vereinbarkeit des von dem Mitgliedstaat übermittelten nationalen Zuteilungsplans mit den Kriterien des Anhangs III und den Bestimmungen des Art. 10 der Richtlinie zu prüfen und ihn wegen Unvereinbarkeit mit diesen Kriterien und Vorschriften durch eine mit einer Begründung versehene Entscheidung abzulehnen. Aus Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie geht zudem hervor, dass der Mitgliedstaat im Fall der Ablehnung des nationalen Zuteilungsplans nur dann eine Entscheidung nach Art. 11 Abs. 2 treffen kann, wenn seine auf die Ablehnung hin unterbreiteten Änderungsvorschläge von der Kommission akzeptiert werden (siehe hierzu unten, Randnr. 92).

55      Bei der Ausübung ihrer Befugnis zur Kontrolle des nationalen Zuteilungsplans verfügt die Kommission über einen Ermessensspielraum, soweit diese Kontrolle sie dazu veranlasst, im Hinblick auf das allgemeine Ziel der Verringerung der Emission von Treibhausgasen mittels eines kosteneffizienten und wirtschaftlich effizienten Systems des Handels mit Zertifikaten (Art. 1 und fünfter Erwägungsgrund der Richtlinie) eigene komplexe wirtschaftliche und ökologische Bewertungen anzustellen. Folglich prüft der Gemeinschaftsrichter im Rahmen seiner Kontrolle der Rechtmäßigkeit in diesem Zusammenhang umfassend nach, ob die Kommission die maßgeblichen Rechtsvorschriften ordnungsgemäß angewandt hat. Dagegen darf sich das Gericht nicht an die Stelle der Kommission setzen, wenn sie in diesem Zusammenhang komplexe wirtschaftliche und ökologische Bewertungen anzustellen hat. Es hat sich insoweit auf die Prüfung zu beschränken, ob die fragliche Maßnahme mit einem offensichtlichen Irrtum oder Ermessensmissbrauch behaftet ist, ob die zuständige Behörde die Grenzen ihres Ermessensspielraums offensichtlich überschritten hat und ob die Verfahrensgarantien, denen in diesem Zusammenhang eine umso größere Bedeutung zukommt, vollauf beachtet worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. November 2007, Deutschland/Kommission, Randnrn. 80 und 81; vgl. in diesem Sinne auch Urteile des Gerichts vom 11. September 2002, Pfizer Animal Health/Rat, T‑13/99, Slg. 2002, II‑3305, Randnrn. 166 und 171, und Alpharma/Rat, T‑70/99, Slg. 2002, II‑3495, Randnrn. 177 und 182, sowie vom 21. Oktober 2003, Solvay Pharmaceuticals/Rat, T‑392/02, Slg. 2003, II‑4555, Randnrn. 126 und 188).

–       Zur Ausübung der Befugnisse der Kommission im vorliegenden Fall

56      Im vorliegenden Fall wirft die Republik Estland der Kommission vor, mit dem Erlass der angefochtenen Entscheidung ihre Befugnisse aus Art. 9 Abs. 1 und 3 sowie Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie überschritten zu haben. Da diese Argumentation auf die Feststellung abzielt, die Kommission habe die maßgeblichen Vorschriften nicht ordnungsgemäß angewandt, muss das Gericht eine vollständige Kontrolle hinsichtlich dieser Rechtsfrage vornehmen. Der Spielraum der Republik Estland bei der Umsetzung der Richtlinie und der Ermessensspielraum, über den die Kommission verfügt, soweit ihre Kontrolle der Rechtmäßigkeit des nationalen Zuteilungsplans voraussetzt, dass sie eigene komplexe wirtschaftliche und ökologische Bewertungen anstellt, sind nur für die Bestimmung des Umfangs der Prüfung relevant, die das Gericht hinsichtlich der Art und Weise vornimmt, in der jede Stelle ihre eigenen Befugnisse ausgeübt hat, können jedoch nicht zu einer Änderung der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen diesen Stellen führen.

57      Im 13. Erwägungsgrund und in Art. 1 Abs. 1 der angefochtenen Entscheidung stellt die Kommission fest, dass ein Teil der Gesamtmenge der Zertifikate, deren Zuteilung die Republik Estland beabsichtige, nämlich in Höhe von 11,657 987 Mio. t Kohlendioxidäquivalent jährlich, mit den Kriterien 1 und 3 des Anhangs III der Richtlinie nicht vereinbar sei. Zudem sei auch der Teil der Gesamtmenge der Zertifikate, der den zusätzlichen Emissionen einer nicht im nationalen Zuteilungsplan der ersten Phase enthaltenen Verbrennungsanlage entspreche und der mit 0,313 883 Mio t Kohlendioxidäquivalent jährlich bewertet werde, nicht mit diesen Kriterien vereinbar.

58      Zugleich führt die Kommission in Art. 2 Abs. 1 der angefochtenen Entscheidung aus, dass sie keine Einwände gegen den nationalen Zuteilungsplan erheben werde, wenn die im Rahmen des Gemeinschaftssystems zuzuteilende Gesamtmenge um Zertifikate für 11,657987 Mio. t Kohlendioxidäquivalent jährlich verringert werde. Nach dieser Vorschrift ist die somit von der Kommission gebilligte Gesamtmenge gegebenenfalls um die Differenz zwischen den Zuteilungen an die in der vorstehenden Randnummer genannte Anlage und den 0,313 883 Mio. t Kohlendioxidäquivalent, die jährlich für diese Anlage in Reserve gestellt werden, weiter zu kürzen. Schließlich führt die Kommission in Art. 3 Abs. 1 der angefochtenen Entscheidung aus, dass die durchschnittliche jährliche Gesamtmenge von Zertifikaten für 12,717 058 Mio. t Kohlendioxidäquivalent, abzüglich des Umfangs der von Estland bereitgehaltenen „Zertifikatsreserven“ und der Differenz zwischen den Zuteilungen an die oben genannte Anlage und der jährlichen Reserve von 0,313 883 Mio t Kohlendioxidäquivalent für diese Anlage, nicht überschritten werden dürfe.

59      In ihren Schriftsätzen an das Gericht hat die Kommission geltend gemacht, mit dem Ausschluss der oben genannten Mengen von Zertifikaten werde gegenüber der Republik Estland eine äußere Grenze oder „Höchstgrenze“ festgelegt und nicht die Gesamtmenge von Zertifikaten bestimmt, die diese zuteilen dürfe.

60      Dadurch, dass die Kommission eine bestimmte Menge von Zertifikaten angegeben hat, deren Überschreitung in jedem Fall als mit den durch die Richtlinie aufgestellten Kriterien unvereinbar angesehen wird, und dadurch, dass sie den nationalen Plan der Republik Estland abgelehnt hat, soweit die darin vorgeschlagene Gesamtmenge von Zertifikaten diese Schwelle überschreitet, hat sie jedoch die Grenzen ihrer Kontrollbefugnis, die sie gemäß Art. 9 Abs. 1 und 3 sowie Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie ausübt, überschritten.

61      Fest steht in diesem Zusammenhang, dass die Kommission gemäß Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie befugt ist, den von einem Mitgliedstaat gemäß Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie aufgestellten nationalen Plan zu prüfen und ihn abzulehnen, wenn sie zu dem Ergebnis gelangt, dass er mit den Kriterien des Anhangs III oder mit den Bestimmungen des Art. 10 der Richtlinie unvereinbar ist.

62      Ferner ist die Kommission bei der Ausübung einer solchen Kontrolle und bei der Begründung einer solchen ablehnenden Entscheidung berechtigt, spezifische Kritik hinsichtlich der festgestellten Unvereinbarkeiten zu üben und, wenn sie es für zweckmäßig hält, Vorschläge oder Empfehlungen auszusprechen, die nicht verpflichtend sind und die es dem Mitgliedstaat erlauben, seinen Plan in einer Weise abzuändern, die ihn nach Ansicht der Kommission mit den genannten Kriterien und Vorschriften vereinbar macht.

63      Im Rahmen ihrer Bewertung, ob die nationalen Zuteilungspläne verschiedener Mitgliedstaaten mit den Kriterien des Anhangs III vereinbar sind, steht es der Kommission frei, einen gemeinsamen Vergleichspunkt zu wählen. Zu diesem Zweck kann sie insbesondere ein eigenes wirtschaftliches und ökologisches Modell erstellen. Bei der Erstellung und Anwendung eines solchen Modells verfügt die Kommission gemäß der oben in Randnr. 55 genannten Rechtsprechung über einen Ermessensspielraum, so dass die Verwendung eines derartigen gemeinsamen Vergleichspunkts in einer Entscheidung, mit der ein nationaler Plan abgelehnt wird, nur mit der Begründung angefochten werden kann, dass sie mit einem offensichtlichen Ermessensfehler behaftet sei.

64      Dagegen setzt sich die Kommission dadurch, dass sie im verfügenden Teil einer Entscheidung, mit der ein nationaler Zuteilungsplan abgelehnt wird, einen bestimmten Grenzwert für die Gesamtmenge von Zertifikaten, die ein Mitgliedstaat festlegen darf, vorschreibt, der auf der Grundlage ihres eigenen wirtschaftlichen Modells und von ihr ausgewählter Daten berechnet wurde, bei der Festlegung dieser Gesamtmenge praktisch an die Stelle des Mitgliedstaats. Eine solche Bestimmung ist nämlich geeignet, den Mitgliedstaat dazu zu zwingen, seinen nationalen Zuteilungsplan so abzuändern, dass die Gesamtmenge der Zertifikate genau dem von der Kommission in der ablehnenden Entscheidung angegebenen Grenzwert entspricht. In einem solchen Fall muss der Mitgliedstaat eine Gesamtmenge festlegen, die gleich hoch oder niedriger ist als der von der Kommission angegebene Grenzwert, da es ihm andernfalls unmöglich wäre, eine Entscheidung nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie zu erlassen.

65      Eine derartige ablehnende Entscheidung nimmt Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie die praktische Wirksamkeit, da dieser vorsieht, dass es Sache des Mitgliedstaats und nicht der Kommission ist, über die Gesamtmenge der Zertifikate zu entscheiden, die er zuteilen wird. Diese Feststellung trifft in besonderem Maß auf einen Fall wie den vorliegenden zu, in dem der von der Kommission vorgeschriebene spezifische Grenzwert, nämlich 12,717 058 Mio. t Kohlendioxidäquivalent jährlich, nur 52,2 % der Gesamtmenge der Zertifikate ausmacht, die die Republik Estland in ihrem nationalen Zuteilungsplan zuzuteilen beabsichtigte.

66      Zwar bleibt es der Republik Estland unbenommen, die Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate im Rahmen der Entscheidung, die sie gemäß Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie erlässt, auf einen noch niedrigeren Wert festzulegen als denjenigen, den die Kommission für mit der Richtlinie vereinbar hält. Im Hinblick darauf, dass die Kommission eine drastische Verringerung der Gesamtmenge von Zertifikaten, die die Republik Estland zuzuteilen beabsichtigte, vorgeschrieben hat, ist es jedoch schwer vorstellbar, dass diese die Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate auf einen anderen Wert als den von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung festgelegten Grenzwert festsetzt. Daher hat in Wirklichkeit die Kommission an Stelle der Republik Estland mittelbar die Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate bestimmt.

67      Darüber hinaus bestätigt die Begründung, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung angeführt hat, um zu erläutern, auf welcher Grundlage der vorgegebene Grenzwert berechnet worden war, dass sie sich nicht darauf beschränkt hat, die Rechtmäßigkeit des von der Republik Estland übermittelten nationalen Zuteilungsplans zu prüfen, sondern vielmehr ihre eigene Beurteilung an die Stelle der Beurteilung der Republik Estland gesetzt hat.

68      In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die Aufstellung eines nationalen Zuteilungsplans, der für das Erreichen der Ziele der Richtlinie geeignet ist und die Kriterien des Anhangs III, insbesondere die Kriterien 1 bis 3, einhält, den Mitgliedstaat zur Vornahme mehrerer komplexer wirtschaftlicher und ökologischer Bewertungen zwingt, u. a. hinsichtlich der Politiken und spezifischen Maßnahmen, die auf nationaler Ebene zur Erreichung dieser Ziele zu erlassen sind, aber auch hinsichtlich der Maßnahmen, die von den Wirtschaftsteilnehmern umgesetzt werden müssen. Zudem sind diese Bewertungen im Wesentlichen in die Zukunft gerichtet, da der Mitgliedstaat die Entwicklung der Emissionen auf seinem Gebiet für mehrere Jahre im Voraus voraussehen muss und zwar auf der Grundlage von Daten, die zum Zeitpunkt der Aufstellung seines nationalen Zuteilungsplans zur Verfügung stehen.

69      Es liegt in der Natur einer solchen Tätigkeit, dass der Mitgliedstaat zum einen hinsichtlich der zu erlassenden Politiken und Maßnahmen und zum anderen bezüglich der anzuwendenden Methode und der Daten, anhand deren die Beurteilung vorgenommen wird, Auswahlentscheidungen treffen muss, um die voraussichtliche Entwicklung der fraglichen Emissionen vorherzusehen. Derartige Auswahlentscheidungen sind weder absolut zutreffend noch unzutreffend, da mehrere verschiedene Methoden und Daten zulässigerweise verwendet werden können. Bei der Überprüfung dieser von dem Mitgliedstaat getroffenen Auswahlentscheidungen muss die Kommission daher den Spielraum beachten, der dem Mitgliedstaat eingeräumt ist, und darf seinen nationalen Zuteilungsplan nicht ablehnen, soweit er sich auf Daten und Beurteilungsparameter stützt, die im Hinblick auf die Kriterien des Anhangs III plausibel und ausreichend sind. Dagegen ist die Kommission berechtigt, u. a. die Zuverlässigkeit und Kohärenz aller Aspekte des vom Mitgliedstaat aufgestellten Plans zu überprüfen und zu prüfen, ob diese Faktoren sämtliche Gesichtspunkte darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation berücksichtigt werden müssen, und ob sie geeignet sind, die hieraus gezogenen Schlussfolgerungen zu stützen.

70      Die spezifischen Kritikpunkte, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gegen den nationalen Zuteilungsplan der Republik Estland angeführt hat, sind im Licht dieser Feststellungen zu prüfen.

–       Zur Auswahl der Emissionszahlen, die als Ausgangspunkt für die Prognosen für den Zeitraum 2008–2012 dienen sollten

71      Einleitend ist daran zu erinnern, dass die Kommission im vierten Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung [dritter Erwägungsgrund der deutschen Fassung] ausgeführt hat, das Kriterium 1 des Anhangs III sei im vorliegenden Zusammenhang insofern relevant, als es vorsehe, dass die Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate nicht höher sein dürfe als der wahrscheinliche Bedarf bei strikter Anwendung der Kriterien dieses Anhangs. Die Kommission hat den Begriff „strikte Anwendung“ der Kriterien des Anhangs III in Randnr. 18 ihrer Mitteilung vom 7. Januar 2004 (siehe oben, Randnr. 45) selbst definiert und ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten, um diese Anforderung zu erfüllen, nicht mehr Zertifikate zuteilen sollten als aufgrund des strengsten der obligatorischen Kriterien, d. h. der Kriterien 1 bis 5 des Anhangs III, erforderlich sei. Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich somit, dass die Kommission – wie sie im Übrigen in der Sitzung bestätigt hat – den estnischen nationalen Zuteilungsplan nicht für sich genommen als mit dem Kriterium 1 des Anhangs III unvereinbar ansah, sondern aufgrund der Tatsache, dass die vorgeschlagene Gesamtmenge von Zertifikaten sich nicht auf das beschränkt habe, was aufgrund der Kriterien 2 und 3 des Anhangs III erforderlich sei.

72      Ferner geht aus den Erwägungsgründen 5 und 7 der angefochtenen Entscheidung [4 und 6 der deutschen Fassung] hervor, dass die Kommission das Kriterium 2 des Anhangs III angewandt und dabei als Ausgangspunkt der vorhandenen Treibhausgasemissionen selbst die Emissionszahlen für das Jahr 2005 festgelegt hat, statt die von der Republik Estland in ihrem nationalen Zuteilungsplan verwendeten Zahlen als Ausgangspunkt zu wählen und die Rechtmäßigkeit des Plans und dabei insbesondere die Frage zu prüfen, ob die Republik Estland ihren Spielraum zur Umsetzung der Richtlinie überschritten hat.

73      Zwar berechtigt eine ordnungsgemäße Anwendung des Kriteriums 2 des Anhangs III die Kommission, zu prüfen, ob die Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate mit „Bewertungen der tatsächlichen und der erwarteten Fortschritte bei der Erbringung des Beitrags der Mitgliedstaaten zu den Verpflichtungen der Gemeinschaft gemäß der Entscheidung [Nr. 280/2004/EG]“ vereinbar ist. Im fünften Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung [vierter Erwägungsgrund der deutschen Fassung] führt die Kommission jedoch aus, die letzten vor Erlass der angefochtenen Entscheidung vorgenommenen Bewertungen gemäß der Entscheidung Nr. 280/2004/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über ein System zur Überwachung der Treibhausgasemissionen in der Gemeinschaft und zur Umsetzung des Kyoto-Protokolls (ABl. L 49, S. 1) seien anhand von Zahlen durchgeführt worden, die Berichten von Anlagen in Estland für das Jahr 2005 entnommen worden seien, da diese Daten die zuverlässigsten und genauesten Zahlen seien, die die Kommission heranziehen könne. Ferner ergibt sich aus dem sechsten Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung [fünfter Erwägungsgrund der deutschen Fassung], dass sich mehrere Mitgliedstaaten, darunter die Republik Estland, zwar dafür entschieden haben, als Ausgangspunkt für ihre Prognosen den Durchschnitt der unabhängig geprüften Emissionszahlen für 2005 und der von den Mitgliedstaaten für andere Jahre geschätzten Emissionen zu verwenden, um besondere Vorfälle in einem bestimmten Jahr auszugleichen; die Kommission hat diesen Ansatz aber mit der Begründung abgelehnt, dass sich die Auswirkungen der besonderen Faktoren wie etwa der Witterungsverhältnisse in der Regel übers Jahr gegenseitig aufhöben und dass sie es für nicht belegt halte, dass die geprüften Emissionszahlen für 2005 nicht repräsentativ seien.

74      Die Befugnis der Kommission, die Vereinbarkeit des nationalen Zuteilungsplans mit den oben genannten Bewertungen zu prüfen, berechtigte sie jedoch nicht zu der Annahme, die Verwendung anderer als der im Rahmen dieser Bewertungen verwendeten Zahlen führe zur Unvereinbarkeit des Plans mit dem Kriterium 2 des Anhangs III, es sei denn, der Mitgliedstaat könne diese Verwendung rechtfertigen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 5 bis 7 der angefochtenen Entscheidung [4 bis 6 der deutschen Fassung] die Argumente, die die Republik Estland im Stadium des Verwaltungsverfahrens zur Stützung der in ihrem nationalen Zuteilungsplan verwendeten Zahlen vorgetragen hatte, mit der Begründung zurückgewiesen hat, dass diese „weniger zuverlässig“ seien als die bei der letzten Bewertung verwendeten und dass „keine ausreichenden Gründe [vorliegen], warum für Estland die unabhängig geprüften Emissionszahlen für 2005 angepasst werden sollten“. Die Kommission war der Auffassung, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Republik Estland angegebenen Emissionen höher gewesen seien als die tatsächlichen Emissionen, und es bestehe die Gefahr, dass die von der Republik Estland mitgeteilten Zahlen „nicht den tatsächlichen Emissionen entsprechen“.

75      Dadurch, dass die Kommission den von der Republik Estland übermittelten nationalen Zuteilungsplan auf der Grundlage einer solchen Argumentation abgelehnt hat, mit der im Wesentlichen lediglich Zweifel an der Zuverlässigkeit der von der Republik Estland verwendeten Daten geäußert werden, hat sie einen Rechtsfehler begangen. Wie oben in den Randnrn. 53 bis 55 ausgeführt, war sie befugt, die Rechtmäßigkeit des nationalen Zuteilungsplans unter Beachtung des Spielraums zu überprüfen, der dem Mitgliedstaat bei der Umsetzung der Richtlinie im Rahmen der Aufstellung dieses Plans eingeräumt ist. Indem sie den estnischen Plan mit der Begründung abgelehnt hat, dass die für diesen Plan herangezogenen Daten nicht die besten seien, die zur Verfügung stünden, dass daher die Gefahr einer Überbewertung der Emissionen durch die Republik Estland bestehe und dass sie es für nicht belegt halte, dass die Daten, auf die sie sich gestützt habe, nicht repräsentativ seien, hat die Kommission diesen Spielraum verkannt. Ein solcher Spielraum setzt nämlich notwendigerweise voraus, dass der Mitgliedstaat für den Ausgangspunkt seiner Prognosen zulässigerweise zwischen verschiedenen Daten wählen konnte. Der Ansatz der Kommission, nach dem nur die von ihr selbst herangezogenen Daten zur Aufstellung eines nationalen Zuteilungsplans verwendet werden konnten, nimmt den Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht jeden Spielraum. Mit diesem Ansatz hat die Kommission verkannt, dass es ihre Aufgabe ist, die Entscheidungen zu überprüfen, die der Mitgliedstaat bei der Aufstellung seines nationalen Plans trifft, und nicht, hinsichtlich der zu berücksichtigenden Daten ihre eigene Auswahl zu treffen und sich nur zu möglichen Einwänden zu äußern, die von den Mitgliedstaaten gegen diese Auswahl erhoben werden.

76      Aus den Akten ergibt sich jedenfalls, dass die von der Kommission verwendeten Zahlen, was die Emissionen der Republik Estland betrifft, nicht notwendigerweise die repräsentativsten und damit auch nicht die zuverlässigsten waren. Die Begründung, mit der die Kommission den im sechsten Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung [fünfter Erwägungsgrund der deutschen Fassung] genannten Ansatz einiger Mitgliedstaaten ablehnt, kann, zumindest was den besonderen Fall der Republik Estland angeht, nicht durchgreifen. Erstens geht aus Anhang 4 des nationalen Zuteilungsplans hervor, dass das von der Kommission herangezogene Jahr 2005 für die Republik Estland nicht repräsentativ war. Denn die Emissionen dieses Jahres liegen deutlich unter dem Referenzwert, der für die Elektrizitätswerke und die Industrieanlagen auf der Grundlage der drei Jahre mit den höchsten Emissionen zwischen 2000 und 2005 und für die Heizkraftwerke auf der Grundlage der drei Jahre mit den höchsten Emissionen zwischen 1995 und 2005 berechnet wurde, und zwar trotz eines erheblichen Anstiegs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in den Jahren 2000 bis 2005. Zweitens hat die Kommission, die hierzu vom Gericht in der Sitzung befragt worden ist, keinen Gesichtspunkt vorgetragen, der geeignet gewesen wäre, ihre eigene These zu stützen, wonach die Auswirkungen der verschiedenen berücksichtigten Faktoren, wie etwa der Witterungsverhältnisse, sich in der Regel über das gesamte Jahr gegenseitig aufheben.

77      Daraus folgt, dass die von der Kommission verwendeten Zahlen, anders als in der angefochtenen Entscheidung behauptet, bezüglich der Emissionen der Republik Estland nicht nur nicht notwendigerweise die repräsentativsten und damit auch nicht die zuverlässigsten waren, sondern dass sie über einige Anhaltspunkte dafür verfügte, dass die Verwendung der Zahlen für 2005 als Ausgangspunkt ihrer Berechnungen diese zumindest im Fall der Republik Estland zu verfälschen drohte.

–       Zur Wahl der Methoden für die Prognosen zur Entwicklung der Emissionen zwischen dem Referenzzeitraum und dem Zeitraum 2008–2012

78      In den Erwägungsgründen 8 und folgende der angefochtenen Entscheidung [7 und folgende der deutschen Fassung] hat die Kommission die Vereinbarkeit des nationalen Zuteilungsplans mit dem Kriterium 3 des Anhangs II untersucht, nach dem die Mengen der Zertifikate, die zugeteilt werden sollen „mit dem Potenzial – auch dem technischen Potenzial – der unter dieses System fallenden Tätigkeiten zur Emissionsverringerung in Einklang stehen“ müssen. Zu diesem Zweck hat die Kommission beschlossen, die Daten des von einem Sachverständigen der nationalen technischen Universität von Athen entwickelten Primes-Modells zu verwenden, da diese Daten die „genauesten und zuverlässigsten Schätzungen des BIP-Wachstums und der Rate, um die die Kohlenstoffintensität verbessert wird“, darstellten, um die Entwicklung der Emissionen zwischen dem Referenzzeitraum und dem Zeitraum 2008–2012 sowie während des letztgenannten Zeitraums zu bewerten. In der angefochtenen Entscheidung stützte die Kommission ihre Prognosen zu dieser Entwicklung auf die geprüften Zahlen für die Emissionen im Jahr 2005, angepasst durch die Anwendung zweier Koeffizenten, die ihre Schätzung des BIP-Wachstums während des Zeitraums 2005–2010 und die voraussichtliche Rate, um die die Kohlenstoffintensität während dieses Zeitraums pro BIP-Einheit verbessert wird, widerspiegeln.

79      In diesem Zusammenhang ist nochmals daran zu erinnern, dass die Mitgliedstaaten bei der Entscheidung, welche Methode sie bei der Aufstellung ihres nationalen Zuteilungsplans anwenden, über einen Spielraum verfügen. Die Kommission hat diesen Spielraum verkannt, als sie entschieden hat, die Daten des Primes-Modells mit der Begründung zu verwenden, diese seien zuverlässiger als andere Daten, ohne jedoch die Unzulänglichkeit der Methode nachzuweisen, die von der Republik Estland für die Berechnung der Daten für ihren nationalen Zuteilungsplan angewandt wurde.

80      Insbesondere hat die Kommission in der Sitzung selbst ausdrücklich eingeräumt, dass sie weder berechtigt ist, ihre eigene Bewertung von Aspekten, die politische Entscheidungen betreffen, an die Stelle der Bewertung zu setzen, die ein Mitgliedstaat bei der Aufstellung seines nationalen Zuteilungsplans vorgenommen hat, noch, eine auch nur begrenzte Kontrolle hinsichtlich einer solchen Entscheidung auszuüben. Die Kommission hat jedoch vorgetragen, dass eine solche politische Entscheidung im Rahmen ihrer Bewertung eines nationalen Zuteilungsplans nur berücksichtigt werden könne, soweit sie im Rahmen gesetzgeberischer Maßnahmen vor 2004 bestätigt worden sei und soweit sie ihr übermittelt worden sei, damit sie diese bei der Aufstellung ihres eigenen wirtschaftlichen Modells berücksichtigen könne.

81      Die Kommission hat jedoch keine Rechtsvorschrift oder ‑regel genannt, die es rechtfertigen würde, einen Mitgliedstaat in Bezug auf die Möglichkeit, seine nationale Energiepolitik bei der Aufstellung seines nationalen Zuteilungsplans zu berücksichtigen, derart einzuschränken. Im Gegenteil ist es gemäß Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie Sache des Mitgliedstaats, einen nationalen Zuteilungsplan aufzustellen und damit festzulegen, welche Aspekte seiner nationalen Energiepolitik zu berücksichtigen sind. Aus Nr. 3 des im Anhang der Klageschrift enthaltenen nationalen Zuteilungsplans der Republik Estland geht hervor, dass diese den strategischen Charakter ihrer Ölschieferreserven sowie die Schwierigkeiten bei der Versorgungssicherheit, die durch einen bedeutenden Anstieg der Verwendung von Erdgas entstehen könnten, hervorgehoben und insbesondere darauf hingewiesen hat, dass ihre Erdgasimporte aus einem einzigen Exportland, nämlich Russland, stammten.

82      Durch die Anwendung des im Wesentlichen auf wirtschaftliche und ökologische Parameter gestützten Primes-Modells hat die Kommission daher im vorliegenden Fall die mögliche Relevanz dieser geostrategischen Überlegung, die die Republik Estland jedoch ausdrücklich in ihren nationalen Zuteilungsplan aufgenommen hatte, außer Acht gelassen, und damit die Grenzen ihrer Kontrollbefugnis überschritten.

83      Was jedenfalls erstens die BIP-Entwicklungsrate während des Zeitraums 2005–2010 betrifft, ergibt sich aus den Akten, dass die Zahlen zum BIP-Wachstum, die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung zur Bestimmung der Emissionshöchstgrenze für Estland für den Zeitraum 2008–2012 verwendet wurden, nicht die besten waren, die zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung zur Verfügung standen. In ihrem nationalen Zuteilungsplan verwendete die Republik Estland eine Wachstumsprognose von 9,6 % für das Jahr 2006, gestützt auf die neuesten Daten, über die das estnische Finanzministerium verfügte. Für jedes der vier Folgejahre sah sie eine geringfügig niedrigere Wachstumsrate von 7,4 % bis 8,4 % voraus.

84      In Fußnote 24 der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission aus, für Estland sei nach den im Jahr 2005 in dem Dokument „European Energy and Transport Trends“ veröffentlichten Zahlen für die Jahre 2005–2010 ein jährliches Wachstum von 5,1839 % prognostiziert worden. Den Akten, insbesondere dem der Klageschrift als Anlage beigefügten Dokument „Primes-Tabelle ‚Estland: geringe Kohlenstoffbegrenzung/keine Kohlenstoffbindung/-sequestrierung‘“ in Verbindung mit Fußnote 24 der angefochtenen Entscheidung ist zu entnehmen, dass sich diese Wachstumsrate von 5,1839 % aus einer einfachen arithmetischen Berechnung ergibt, die auf der Grundlage der auch im Primes-Modell verwendeten Zahlen zum BIP der Republik Estland, nämlich 8 Mio. Euro für das Jahr 2005 und 10,3 Mio. Euro für das Jahr 2010, vorgenommen wurde. Die Kommission führt jedoch in der genannten Fußnote aus, dass sie, um die neuesten ihr mitgeteilten Zahlen zu berücksichtigen, entschieden habe, die im Dokument „European Energy and Transport Trends“ prognostizierte Höhe des BIP-Wachstums durch andere Wirtschaftsprognosen zu ersetzen, die im November 2006 in dem Dokument „Economic Forecasts Autumn 2006“ veröffentlicht worden seien, jedoch nur für die Jahre, für die diese neueren Prognosen vorlägen. So verwendete sie die letztgenannten Zahlen für die Jahre 2006–2008, für die Jahre 2009 und 2010 aber weiterhin eine Wachstumsrate, die anhand von Zahlen berechnet wurde, die in dem Dokument „European Energy and Transport Trends“ aus dem Jahr 2005 vorgelegt worden waren.

85      Mit dieser Vorgehensweise hat die Kommission hinsichtlich der Wachstumsprognosen für das BIP der Republik Estland für die Jahre 2009 und 2010 nicht die besten zur Verfügung stehenden Daten verwendet und zudem die Zurückweisung der von der Republik Estland für diese beiden Jahre vorgelegten Prognosen nicht ausreichend begründet. Zum einen stützen sich die von der Republik Estland in ihrem nationalen Zuteilungsplan angestellten Prognosen nämlich auf neuere als die im Dokument „European Energy and Transport Trends“ verwendeten Basisdaten, und zum anderen sind sie näher an den Prognosen des Dokuments „Economic Forecasts Autumn 2006“, die die Kommission selbst für die Jahre 2006–2008 mit der Begründung verwendet hat, sie seien zuverlässiger. Unter diesen Umständen ist der Standpunkt der Kommission, sie habe, als sie die Prognosen der Republik Estland zurückgewiesen und an deren Stelle die des Dokuments „European Energy and Transport Trends“ herangezogen habe, für die Jahre 2009 und 2010 die besten verfügbaren Daten verwendet, nicht überzeugend.

86      Was zweitens die Berechnung der Rate betrifft, um die sich die Kohlenstoffintensität je BIP-Einheit verbessert, ist unstreitig, dass sich die Kommission unmittelbar auf die Daten gestützt hat, die sich aus dem Primes-Modell ergeben, nämlich 1 945,3 t CO2-Emissionen je Million Euro BIP im Jahr 2005 und 1 346,3 t CO2-Emissionen je Million Euro BIP im Jahr 2010. Stellt sich eine der Angaben, die bei den Berechnungen im Rahmen der Erstellung des Primes-Modells berücksichtigt wurden, als unzutreffend heraus, wie es hier hinsichtlich der Wachstumsrate für das BIP der Republik Estland der Fall ist (siehe oben, Randnrn. 84 und 85), werden die in der letzten Fassung dieses Modells enthaltenen übrigen Daten, wie die Kommission in der Sitzung eingeräumt hat, notwendigerweise verfälscht. Denn diese sind auf eine BIP-Wachstumsprognose gestützt, die nicht die genaueste war, die zum Zeitpunkt der Erstellung des Modells zur Verfügung stand. Wie die Kommission in der Sitzung ebenfalls eingeräumt hat, ist es unter solchen Umständen erforderlich, alle Prognosen, die auf dem Modell beruhen, neu zu berechnen und dabei die aktualisierten Schätzungen der BIP-Wachstumsrate zugrunde zu legen. Da die Kommission dies nicht getan hat, können die von ihr in der angefochtenen Entscheidung verwendeten Daten nicht als die besten angesehen werden, die zur Verfügung standen.

–       Zu den übrigen Gründen, die von der Kommission zur Rechtfertigung der Ablehnung des nationalen Zuteilungsplans vorgebracht werden

87      Sodann ist auf das Argument der Kommission einzugehen, wonach die Verwendung der Daten von 2005 und des Primes-Modells durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sei, jeden nationalen Zuteilungsplan anhand derselben Zahlen und Prüfungsparameter zu beurteilen, um die Erfordernisse des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu erfüllen.

88      Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Die Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz vermag nämlich nicht die von der Richtlinie vorgesehene Zuständigkeitsverteilung zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten zu ändern, nach der die Mitgliedstaaten für die Aufstellung eines nationalen Zuteilungsplans und den Erlass einer endgültigen Entscheidung über die Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate zuständig sind.

89      Wie die Republik Estland zutreffend ausführt, kann die Kommission die Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten zudem in angemessener Weise dadurch sicherstellen, dass sie die Pläne, die jeder von ihnen vorlegt, mit demselben Maß an Sorgfalt prüft. Wie oben in Randnr. 63 ausgeführt, ist die Kommission zwar berechtigt, ihr eigenes wirtschaftliches und ökologisches Modell zu erstellen, das auf von ihr ausgewählte Daten gestützt ist, und es bei der Prüfung, ob der nationale Zuteilungsplan jedes Mitgliedstaats mit den Kriterien des Anhangs III vereinbar ist, als Vergleichspunkt zu verwenden. Bei der Erstellung eines solchen Modells verfügt die Kommission nach der oben in Randnr. 55 angeführten Rechtsprechung über einen Ermessensspielraum.

90      Die Kommission ist jedoch weder berechtigt, die Beurteilung, die sich aus der Anwendung ihres eigenen Modells ergibt, an die Stelle der Bewertung zu setzen, die der Mitgliedstaat in seinem nationalen Zuteilungsplan vorgenommen hat, noch, diesen mit der Begründung abzulehnen, es bestehe eine Abweichung zwischen dieser Bewertung und ihrer eigenen Beurteilung. Hätte die Kommission nämlich die Befugnis, ihre eigene Beurteilung durchzusetzen, liefen Art. 9 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie, die den Mitgliedstaaten die Befugnisse zur Aufstellung eines nationalen Zuteilungsplans und zur Entscheidung über die Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate zuweisen, ins Leere.

91      Zuletzt ist die Argumentation der Kommission zurückzuweisen, wonach Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie, der ihr die Befugnis verleiht, die nationalen Zuteilungspläne zu kontrollieren und abzulehnen, die praktische Wirksamkeit genommen werde, wenn sie keine Entscheidung erlassen könne, mit der eine Höchstgrenze für die Gesamtmenge der Zertifikate festgelegt werde, die ein Mitgliedstaat zuteilen dürfe.

92      Aus den vorstehenden Ausführungen, insbesondere aus den Randnrn. 62 und 63, ergibt sich nämlich, dass die Kommission einen nationalen Zuteilungsplan in geeigneter Weise kontrollieren und nötigenfalls ablehnen kann, ohne eine derartige Höchstgrenze festlegen zu müssen. Ferner kann dem Argument nicht gefolgt werden, wonach die Bestimmungen der Richtlinie zu einer Blockadesituation führen könnten, wenn der Mitgliedstaat und die Kommission sich nicht auf eine Gesamtmenge der Zertifikate einigen könnten, die auf der Grundlage der von einem Mitgliedstaat vorgelegten aufeinanderfolgenden Änderungen des nationalen Plans zuzuteilen seien. Zum einen ist es nicht Sache des Gerichts, dieses potenzielle Problem im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits zu lösen, in dem es sich nicht stellt. Müsste das Problem gelöst werden, um eine andauernde Blockadesituation zu vermeiden, kommt es zum anderen angesichts der Tatsache, dass die Kommission, wie oben aus Randnr. 54 hervorgeht, über eine Kontroll- und Ablehnungsbefugnis verfügt, während der Mitgliedstaat sowohl für die Vorlage eines nationalen Plans als auch für die endgültige Entscheidung über die Zuteilung von Zertifikaten zuständig ist, nicht in Betracht, es dadurch zu lösen, dass dem Standpunkt der Kommission der Vorrang gegenüber dem des Mitgliedstaats eingeräumt wird.

93      Schließlich enthält Art. 1 Abs. 1 der angefochtenen Entscheidung auch die Feststellung, dass die Einbeziehung der zusätzlichen Emissionen einer bestimmten Anlage in Höhe von 0,313 883 Mio. t Kohlendioxidäquivalent jährlich ebenfalls mit den Kriterien 1 bis 3 des Anhangs III unvereinbar sei. Auf der Grundlage der oben ausgeführten Überlegungen ist die angefochtene Entscheidung auch hinsichtlich dieser Feststellung für nichtig zu erklären, da die Kommission sich nicht darauf beschränkt hat, die Gründe anzugeben, die sie veranlasst haben, auf diese Unvereinbarkeit zu schließen, sondern insbesondere in Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 der angefochtenen Entscheidung angeordnet hat, den fraglichen Betrag von der Gesamtmenge der Zertifikate auszuschließen.

94      Aus alledem folgt, dass Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären sind. Folglich sind die von der Republik Estland geltend gemachten Klagegründe 2, 3 und 5 nicht zu prüfen, da sie sich ebenfalls gegen diese Vorschriften richten.

 Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung

 Vorbringen der Parteien

95      Die Republik Estland macht geltend, dass die Gemeinschaftsorgane ihre Funktionen gemäß dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung sorgfältig und unparteiisch ausüben müssten. Dieser Grundsatz gelte nicht nur im Verhältnis zu Privaten, sondern auch im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten. Im vorliegenden Fall habe die Kommission nicht alle Tatsachen und ihr übermittelten Informationen berücksichtigt und daher beim Erlass der angefochtenen Entscheidung keine ausreichende Sorgfalt an den Tag gelegt.

96      Im Einzelnen wirft die Republik Estland der Kommission vor, in Art. 1 Abs. 2 der angefochtenen Entscheidung festgestellt zu haben, dass ihr nationaler Plan zur Zuteilung von Zertifikaten mit dem Kriterium 3 des Anhangs III unvereinbar sei, da sie es unterlassen habe, einen Teil der Gesamtmenge an Zertifikaten als „Reserve“ bereitzuhalten, wie es die Kommission gemäß Art. 3 Abs. 1 und 2 ihrer Entscheidung 2006/780/EG vom 13. November 2006 zur Vermeidung der doppelten Erfassung von im Rahmen des Europäischen Emissionshandelssystems erzielten Treibhausgasemissionsreduktionen gemäß der Richtlinie bei Projektmaßnahmen im Sinne des Kyoto-Protokolls (ABl. L 316, S. 12) festgelegt habe. Diese Feststellung der Kommission sei unzutreffend, da sich aus einer aufmerksamen Prüfung des Zuteilungsplans, insbesondere seiner Anhänge 1 und 3, ergebe, dass die Republik Estland tatsächlich einen Teil der Gesamtmenge an Zertifikaten als gemäß Art. 3 Abs. 1 der Entscheidung 2006/780 festgelegte Reserve bereitgehalten habe.

97      Die Kommission trägt vor, die von der Republik Estland in ihrem nationalen Zuteilungsplan, insbesondere in den Anhängen 1 und 3, übermittelte Information bezüglich des Bereithaltens eines Teils der Gesamtmenge an Zertifikaten als „Reserve“ sei nicht klar genug und sogar widersprüchlich. Zudem hätten die Dienststellen der Kommission alle für die zweite Phase des Handels vorgesehenen und in Anhang 1 des estnischen Zuteilungsplans genannten Emissionsmengen der Anlagen zusammengerechnet. Dieser Berechnung habe sich nicht entnehmen lassen, dass die „Reserve“ bei der Festlegung der Gesamtmenge der Zertifikate gemäß Art. 3 Abs. 1 oder 3 der Entscheidung 2006/780 berücksichtigt worden sei.

98      Im Übrigen verweist die Kommission auf die Argumente, die sie in Beantwortung des zweiten Klagegrundes der Republik Estland vorgetragen hat.

 Würdigung durch das Gericht

99      Zu den Garantien, die durch die Rechtsordnung der Gemeinschaft in Verwaltungsverfahren gewährt werden, gehört u. a. der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, der die Verpflichtung des zuständigen Organs umfasst, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (Urteile des Gerichts vom 24. Januar 1992, La Cinq/Kommission, T‑44/90, Slg. 1992, II‑1, Randnr. 86, vom 29. Juni 1993, Asia Motor France u. a./Kommission, T‑7/92, Slg. 1993 II‑669, Randnr. 34, und vom 20. März 2002, ABB Asea Brown Boveri/Kommission, T‑31/99, Slg. 2002, II‑1881, Randnr. 99).

100    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Republik Estland, soweit sie im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes dieselben Mängel rügt, die sie im Rahmen ihres zweiten Klagegrundes geltend gemacht hat, die Festlegung der Höchstgrenze für die Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate durch die Kommission in Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 der angefochtenen Entscheidung in Frage stellt. Da diese drei Bestimmungen bereits auf der Grundlage des ersten Klagegrundes für nichtig erklärt worden sind, braucht über diesen Teil des vorliegenden Klagegrundes nicht mehr entschieden zu werden.

101    Soweit die Republik Estland der Kommission hingegen vorwirft, ihren nationalen Zuteilungsplan in Art. 1 Abs. 2 der angefochtenen Entscheidung mit der Begründung als mit dem Kriterium 3 des Anhangs III unvereinbar angesehen zu haben, dass sie es unterlassen habe, einen Teil der Gesamtmenge an Zertifikaten als „Reserve“ bereitzuhalten, die die Kommission gemäß Art. 3 Abs. 1 und 2 der Entscheidung 2006/780 festgelegt habe, wird dieser Teil des Klagegrundes in den folgenden Randnummern geprüft. Da Art. 3 der Entscheidung 2006/780 in seinen Abs. 1 und 2 in Wirklichkeit die Schaffung zweier verschiedener Reserven vorsieht, werden die beiden Teile der Reserve, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung bezieht, im Folgenden als zwei Reserven behandelt.

102    Die Kommission hat ihren Standpunkt zu diesem letzten Teil des vorliegenden Klagegrundes in der Sitzung differenziert. In ihren Schriftsätzen hat sie nicht nur vorgetragen, dass der nationale Zuteilungsplan hinsichtlich der in Art. 3 Abs. 1 und 2 der Entscheidung 2006/780 vorgesehenen Reserven unbestimmt sei, sondern dass darüber hinaus aus ihren eigenen, auf den Anhängen des Plans beruhenden Berechnungen hervorgehe, dass diese Reserven nicht in die in dem Plan vorgesehene Gesamtmenge der Zertifikate einbezogen worden seien. In der Sitzung hat sie dagegen präzisiert, dass sich in dem Zeitpunkt, in dem die angefochtene Entscheidung verfasst worden sei, aus dem nationalen Zuteilungsplan der Republik Estland, insbesondere aus seinen Anhängen, nicht klar ergeben habe, ob die oben genannten Reserven bei der Berechnung der Gesamtmenge der Zertifikate berücksichtigt worden seien.

103    Es ist festzustellen, dass die von der Republik Estland in den Anhängen ihres nationalen Zuteilungsplans vorgelegten Zahlen kohärent und verständlich erscheinen und dass die von der Republik Estland angelegten Zertifikatsreserven, anders als die Kommission meint, gemäß Art. 3 Abs. 1 und 2 der Entscheidung 2006/780 in die im nationalen Zuteilungsplan vorgesehene Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate einbezogen wurden. Insbesondere geht aus Anhang 1 des nationalen Zuteilungsplans in Verbindung mit der Tabelle auf Seite 1 seines Anhangs 3 hervor, dass der Betrag von 948 531 t Kohlendioxidäquivalent die Gesamtmenge der Zertifikate darstellt, die in der Reserve für Anlagen enthalten sind, die Projektmaßnahmen durchführen, für die gemäß Art. 3 Abs. 1 der Entscheidung 2006/780 bereits ein Genehmigungsschreiben ausgestellt wurde. Aus diesen beiden Anhängen geht auch hervor, dass Zertifikate für 795 026 t Kohlendioxidäquivalent durch die Rücknahme von Zertifikaten, die bestimmten Anlagen erteilt worden waren, deren Emissionen durch die fraglichen Projekte unmittelbar reduziert werden, kompensiert werden müssten. Eine einfache arithmetische Berechnung, die von den in diesen Anhängen enthaltenen Daten ausgeht, ergibt einen Gesamtbetrag der Reserve von 153 505 t Kohlendioxidäquivalent. Aus diesen Anhängen ergibt sich auch, dass diese Mengen von Zertifikaten in spezifischer Weise durch die Rücknahme von Zertifikaten, die an noch nicht näher bezeichnete, aber dem Wärmeerzeugungssektor angehörende Anlagen erteilt worden waren, deren Emissionen durch die fraglichen Projekte mittelbar reduziert werden, kompensiert werden müssten.

104    Ferner geht aus Anhang 1 des nationalen Zuteilungsplans in Verbindung mit der Tabelle auf Seite 2 seines Anhangs 3 hervor, dass der Betrag von 9 194 742 t Kohlenstoffäquivalent die Gesamtmenge der Zertifikate darstellt, die in der Reserve für Anlagen enthalten sind, die Projektmaßnahmen durchführen, für die gemäß Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung 2006/780 noch kein Genehmigungsschreiben ausgestellt wurde. Aus den Erläuterungen auf dieser Seite des Anhangs 3 des nationalen Zuteilungsplans geht hervor, dass die in dieser Reserve enthaltenen Mengen an Zertifikaten ebenfalls durch Emissionsreduktionen in bestimmten, noch nicht näher bezeichneten Anlagen kompensiert werden müssten.

105    Hervorzuheben ist, dass die Mengen an Zertifikaten, die in den beiden oben genannten Reserven enthalten sind, folglich durch Emissionsreduktionen in bestimmten Anlagen kompensiert werden, deren tatsächliche Emissionen jedoch in Anhang 1 des nationalen Zuteilungsplans bei der Berechnung der Gesamtmenge der Zertifikate berücksichtigt werden. Die Wirkung der Zuteilung dieser Zertifikate an die Reserven ist daher hinsichtlich der Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate vollkommen neutral. Werden die in den Reserven enthaltenen Zertifikatsmengen nicht von der Gesamtmenge der Zertifikate abgezogen, folgt daraus, dass sie notwendigerweise darin enthalten sind.

106    Die Summe der in Anhang 1 des nationalen Zuteilungsplans angegebenen Werte, die den Emissionen jeder der aufgezählten Anlagen entsprechen, beträgt 112 820 158 t Kohlendioxidäquivalent. Diese Gesamtsumme entspricht genau der Summe von 112 666 653 t Kohlendioxidäquivalent, die sich aus der Endrechnung auf der letzten Seite dieses Anhangs ergibt und die die Gesamtmenge der Zertifikate darstellt, die für im Zeitraum 2008–2012 bereits tätige Anlagen vorgesehen sind, nur dass Zertifikate für 153 505 t Kohlendioxidäquivalent abgezogen wurden. Der Betrag von 153 505 t Kohlendioxidäquivalent entspricht genau dem Teil der gemäß Art. 3 Abs. 1 der Entscheidung 2006/780 bereitgehaltenen Reserve, der mittelbar in nicht näher bezeichneten Anlagen zu kompensieren war.

107    Aus den Anhängen des nationalen Zuteilungsplans geht nicht hervor, aus welchen Gründen die Republik Estland der Ansicht war, dass dieser Betrag von der Gesamtmenge der Zertifikate abzuziehen sei. Insoweit scheint dieser Teil der betreffenden Reserve nicht in die von der Republik Estland berechnete Gesamtmenge der Zertifikate einbezogen worden zu sein. Zumindest stellt sich der nationale Zuteilungsplan in dieser Hinsicht mehrdeutig dar.

108    Da jedoch der übrige Teil der gemäß Art. 3 Abs. 1 der Entscheidung 2006/780 bereitgehaltenen Reserve, nämlich Zertifikate in Höhe von 795 026 t Kohlendioxidäquivalent, sowie die gesamte gemäß Art. 3 Abs. 2 dieser Entscheidung bereitgehaltene Reserve nicht von der Gesamtmenge der Zertifikate abgezogen wurden, ergibt sich aus den in der Akte enthaltenen Unterlagen, dass diese Reserven zu Recht in die Gesamtmenge der Zertifikate einbezogen wurden.

109    Es ist nicht Aufgabe des Gemeinschaftsrichters, im Rahmen der Prüfung des vorliegenden Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung geltend gemacht wird, genau und abschließend zu bestimmen, inwieweit die fraglichen Reserven tatsächlich in die Gesamtmenge der Zertifikate einbezogen wurden. In diesem Zusammenhang muss der Gemeinschaftsrichter überprüfen, ob die Kommission alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls sorgfältig und unparteiisch untersucht hat.

110    Hierzu ergibt sich aus den obigen Ausführungen, dass sich die in der Akte enthaltenen Unterlagen nicht mit der Schlussfolgerung der Kommission in der angefochtenen Entscheidung vereinbaren lassen, wonach die in den fraglichen Reserven enthaltenen Zertifikate nicht in die Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate einbezogen worden seien. Zudem hat die Kommission weder in der angefochtenen Entscheidung noch vor dem Gericht erläutert, auf welcher Grundlage sie zu dieser Schlussfolgerung gelangt ist; in ihren Schriftsätzen hat sie ihren Vortrag darauf beschränkt, dass ihre eigenen Berechnungen ergeben hätten, dass dies nicht der Fall sei, und in der Sitzung darauf, dass nicht klar zu erkennen gewesen sei, ob die fraglichen Reserven bei der Berechnung der Gesamtmenge der Zertifikate berücksichtigt worden seien. In der Sitzung hat die Kommission, die ursprünglich beantragt hatte, ihr die Einreichung eines Dokuments zu gestatten, in dem ihre eigenen Berechnungen ausgeführt seien, diesen Antrag zurückgenommen, da dieser Gesichtspunkt nicht mehr relevant sei.

111    Mangels näherer Ausführungen zu den Lücken, die der estnische nationale Zuteilungsplan aufweisen soll, oder den Fehlern, die die Republik Estland bei der Aufstellung dieses Plans begangen haben soll, hat die Kommission nicht nachgewiesen, dass die im estnischen nationalen Zuteilungsplan enthaltenen Berechnungen mit einem Fehler behaftet waren.

112    Im Licht der vorstehenden Ausführungen ist festzustellen, dass die Kommission den von der Republik Estland vorgelegten nationalen Zuteilungsplan, insbesondere seine Anhänge 1 und 3, im Rahmen ihrer Bewertung der Frage, ob die in Art. 3 Abs. 1 und 2 der Entscheidung 2006/780 vorgeschriebenen Reserven in der vorgesehenen Gesamtmenge der Zertifikate enthalten waren, nicht angemessen geprüft hat. Folglich hat sie gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen, und der vorliegende Klagegrund ist insoweit begründet.

113    Somit sind Art. 1 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 2 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären.

 Ergebnis

114    Wie sich aus den obigen Randnrn. 31 bis 34 ergibt, folgt aus der Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs.1 und Art. 3 Abs. 1 der angefochtenen Entscheidung (siehe oben, Randnr. 94) und der Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 2 dieser Entscheidung (siehe oben, Randnr. 113), dass diese insgesamt für nichtig zu erklären ist. Denn diese Bestimmungen sind vom Rest der angefochtenen Entscheidung nicht abtrennbar, da ihre Nichtigerklärung den Wesensgehalt der Entscheidung verändert.

 Kosten

115    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, ist sie gemäß dem Antrag der Republik Estland zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

116    Nach Art. 87 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Republik Litauen, die Slowakische Republik und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen daher ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Kommission vom 4. Mai 2007 über den nationalen Plan zur Zuteilung von Zertifikaten für Treibhausgasemissionen, der von der Republik Estland gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates für den Zeitraum 2008–2012 übermittelt wurde, wird für nichtig erklärt.

2.      Die Kommission trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Republik Estland.

3.      Die Republik Litauen, die Slowakische Republik und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen ihre eigenen Kosten.

Forwood

Šváby

Moavero Milanesi

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 23. September 2009.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Rechtlicher Rahmen

Sachverhalt und Verfahren

Anträge der Beteiligten

Zur Zulässigkeit

Vorbringen der Beteiligten

Würdigung durch das Gericht

Zur Begründetheit

Zum ersten Klagegrund: Überschreitung von Befugnissen aufgrund von Verstößen gegen Art. 9 Abs. 1 und 3 sowie Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie

Vorbringen der Beteiligten

Würdigung durch das Gericht

– Zur Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission

– Zur Ausübung der Befugnisse der Kommission im vorliegenden Fall

– Zur Auswahl der Emissionszahlen, die als Ausgangspunkt für die Prognosen für den Zeitraum 2008–2012 dienen sollten

– Zur Wahl der Methoden für die Prognosen zur Entwicklung der Emissionen zwischen dem Referenzzeitraum und dem Zeitraum 2008–2012

– Zu den übrigen Gründen, die von der Kommission zur Rechtfertigung der Ablehnung des nationalen Zuteilungsplans vorgebracht werden

Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Ergebnis

Kosten


* Verfahrenssprache: Estnisch.