Language of document : ECLI:EU:C:2022:422

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 2. Juni 2022(1)

Verbundene Rechtssachen C148/21 und C184/21

Christian Louboutin

gegen

Amazon Europe Core Sàrl,

Amazon EU Sàrl,

Amazon Services Europe Sàrl (C148/21)

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal d’arrondissement de Luxembourg [Bezirksgericht Luxemburg, Luxemburg])

und

Christian Louboutin

gegen

Amazon.com, Inc.,

Amazon Services LLC (C184/21)

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal de l’entreprise francophone de Bruxelles [Französischsprachiges Unternehmensgericht Brüssel, Belgien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Geistiges Eigentum – Markenrecht – Wirkungen der Unionsmarke – Rechte aus der Marke – Recht, einem Dritten die Benutzung der Marke, eines identischen oder ähnlichen Zeichens für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen zu verbieten – Begriff der Benutzung“






I.      Einleitung

1.        Die Frage nach der Haftung von Vermittlern ist zwar an sich nicht neu, sie wird jedoch in dem Maße, in dem im Bereich des Internets neue Formen der Vermittlung auftreten, immer wieder aufs Neue gestellt. Dies zeigt sich in der Vielfalt der Rechtssachen, mit denen der Gerichtshof in den letzten Jahren(2) im Hinblick auf die Tätigkeit von Internetplattformen befasst war, woran sich die vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen anschließen: In der Rechtssache C‑148/21 geht es um einen Rechtsstreit zwischen Herrn Christian Louboutin und der Amazon Europe Core Sàrl, der Amazon EU Sàrl und der Amazon Services Europe Sàrl (im Folgenden einzeln oder zusammen: Amazon), in der Rechtssache C‑184/21 um einen Rechtsstreit zwischen Herrn Christian Louboutin und der Amazon.com, Inc., und der Amazon Services LLC (im Folgenden einzeln oder zusammen: Amazon).

2.        Diese Entwicklung ist nicht überraschend. Das Internet nimmt in unseren Gesellschaften in zwischenmenschlicher, aber auch wirtschaftlicher Hinsicht zunehmend mehr Raum ein, und die dort tätigen Vermittler spielen insoweit eine wesentliche Rolle. Denn sie ermöglichen es den Nutzern, Inhalte zu finden, auszutauschen, zu teilen und zu produzieren, Waren und Dienstleistungen zu kaufen und zu verkaufen und im Internet kreativ zu sein und sich zu äußern(3). Um es klar zu sagen: Sie erleichtern den Nutzern den Zugang zu bestimmten Inhalten. Obwohl sie in gewissem Maße das virtuelle Gegenstück zu den traditionellen Vermittlern darstellen können, fördert der durch ständige technologische Neuerungen gekennzeichnete Bereich des Internets vor allem die Schaffung neuer Vermittlungsmodelle, die in der realen Welt keine Entsprechung finden(4) und deren praktische Bedeutung nicht ignoriert werden darf, weswegen sich das Recht aus gutem Grund mit ihnen befasst.

3.        Die wachsende Rolle der Internet-Vermittler bringt es nämlich zwangsläufig mit sich, dass deren Tätigkeit auf die Tätigkeit anderer Marktteilnehmer trifft und in gewissem Maße eine Bedrohung für deren Rechte bedeuten kann. Dies ist bei Wirtschaftsteilnehmern, die Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums – und insbesondere einer Marke – sind, der Fall, da diese Rechte etwa auf Online-Verkaufsplattformen verletzt werden können, so dass sich die Frage nach der Verantwortlichkeit von Internet-Vermittlern stellt, die solche Plattformen betreiben. Die Ausweitung der Tätigkeit von Online-Verkaufsplattformen und die damit einhergehenden technologischen Neuerungen erhöhen für die Verbraucher die Zugänglichkeit von Waren und fördern deren Vermarktung. Das Volumen der im Umlauf befindlichen Waren nimmt daher automatisch zu. Gleiches gilt auch für nachgeahmte Waren(5).

4.        Die Inanspruchnahme eines eine Online-Verkaufsplattform betreibenden Vermittlers aus der Haftung wegen des Verkaufs von nachgeahmten Waren über diese Plattform ist aus der Sicht des Inhabers einer Marke, die auf dieser Plattform verletzt wird, leicht verständlich. Es trifft zwar zu, dass die Verletzung in erster Linie durch den Verkäufer verursacht wird, der die Online-Verkaufsplattform nutzt, um nachgeahmte Produkte zum Verkauf anzubieten. Diese Verkäufer sind jedoch in der Regel nur schwer namhaft zu machen, und ihre Verortung kann außerdem ein Hindernis für die Geltendmachung der Haftung gegen sie darstellen(6).

5.        Der Vermittler hingegen macht eine solche Verletzung durch einen Dritten technisch möglich und verfügt über die Kontrolle über seine Plattform. Daher kann er – zumindest grundsätzlich – der Verletzung Einhalt gebieten. Für den Markeninhaber ist es daher offenbar effektiver, zu versuchen, den Vermittler anstelle des Drittanbieters(7) haftbar zu machen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um seine unmittelbare Haftung – als Verletzer – oder um seine mittelbare Haftung – für Machenschaften Dritter über seine Dienste – handelt(8).

6.        Das Interesse der Markeninhaber, Vermittler haftbar zu machen, kann jedoch nicht isoliert betrachtet werden und vermag für sich allein nicht zu rechtfertigen, diese Vermittler stets für Verletzungen der Rechte von Markeninhabern auf ihren Plattformen in Anspruch zu nehmen. Dieses Interesse muss nämlich gegen andere widerstreitende Interessen abgewogen werden(9).

7.        Erstens könnte der Umfang der Haftung von Internet-Vermittlern diese praktisch zu einer allgemeinen Überwachung aller etwaigen Markenrechtsverletzungen auf ihren Plattformen verpflichten. Zweitens könnte, wenn man zuließe, dass Internet-Vermittler unmittelbar für die Verletzung der Rechte von Markeninhabern auf ihrer Plattform verantwortlich gemacht werden könnten, dies ebenso die Entwicklung neuer Tätigkeiten im Bereich des Internets und im weiteren Sinne jede Form von Innovation auf diesem Gebiet behindern.

8.        Die Notwendigkeit, diese sich widerstreitenden Interessen miteinander in Einklang zu bringen, veranlasste den Unionsgesetzgeber dazu, Maßnahmen zu erlassen, um Internet-Vermittler in gewissem Maße im Hinblick auf ihre Haftung für Machenschaften Dritter auf ihren Plattformen – d. h. im Hinblick auf ihre mittelbare Haftung – zu schützen. Zwar ist nämlich die mittelbare Haftung im Unionsrecht nicht harmonisiert, doch sieht die Richtlinie 2000/31/EG(10) gleichwohl Fälle einer Haftungsbefreiung vor, die die Mitgliedstaaten einzuführen haben. Internet-Vermittler können insbesondere, soweit sie zur Übermittlung von Informationen über ein Kommunikationsnetz und zur Vermittlung des Zugangs zu diesem Netz tätig werden, sowie im Rahmen ihrer sogenannten „Caching“-Speichertätigkeit oder ihrer Hosting-Tätigkeit nicht für rechtswidrige Machenschaften der Nutzer ihrer Plattform verantwortlich gemacht werden(11). Im Rahmen dieser Tätigkeiten kann den Internet-Vermittlern ferner keine allgemeine Verpflichtung auferlegt werden, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Sachverhalten oder Umständen zu forschen, die auf rechtswidriges Handeln hinweisen(12).

9.        Außerdem sieht die Richtlinie 2004/48/EG(13) zwar vor, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass die Rechtsinhaber eine Anordnung gegen Mittelspersonen beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden(14); solche Anordnungen, mit denen eine derartige Verletzung abgestellt werden soll, sind jedoch unabhängig von einer etwaigen Verantwortlichkeit der Mittelsperson in den streitigen Sachverhalten(15), so dass die Frage der Behandlung von Vermittlern im Zusammenhang mit Handlungen, die von Dritten über ihre Dienste begangen werden, in dieser Richtlinie weitgehend unangesprochen bleibt.

10.      Über die Frage der mittelbaren Haftung der Internet-Vermittler hinaus blieb noch zu klären, ob diese unmittelbar bei Verletzungen der Rechte von Markeninhabern haftbar gemacht werden können; diese Frage betrifft insbesondere die Betreiber von Online-Marktplätzen und Verkaufsangebote für nachgeahmte Waren auf deren Plattformen. Im Gegensatz zur mittelbaren Haftung von Internet-Vermittlern, deren Regelung mit Ausnahme der in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr vorgesehenen Haftungsbefreiungen im nationalen Recht erfolgt, fällt die unmittelbare Haftung der Betreiber von Online-Marktplätzen für eine dort eingetretene Verletzung der Rechte von Markeninhabern durchaus unter das Unionsrecht und namentlich unter die Bestimmungen der Verordnung (EU) 2017/1001(16).

11.      Es oblag also dem Gerichtshof, im Zuge der Abgrenzung der Sachverhalte, in denen der Betreiber eines Marktplatzes unmittelbar haftbar gemacht werden kann, von denjenigen, in denen dieser Betreiber nicht unmittelbar für eine Verletzung der Rechte eines Markeninhabers auf der von ihm betriebenen Plattform haftbar gemacht werden kann, selbst eine Abwägung der in Rede stehenden Interessen vorzunehmen. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001(17) hat durch die Präzisierung des Begriffs der „Benutzung“ einer Marke im geschäftlichen Verkehr in gewissem Maße eine solche Abgrenzung ermöglicht(18), da dieser Begriff die Verhaltensweisen bestimmen soll, die der Inhaber einer Marke einem Dritten verbieten kann.

12.      Die ständigen Neuerungen im Bereich des Internets, deren Schutzbedürfnis einen erweiterten Schutz der Tätigkeit von Vermittlern in diesem Bereich gerechtfertigt hat, haben jedoch auch zu einer erheblichen Weiterentwicklung des Modells der Online-Marktplätze geführt. Insbesondere Amazon kann nicht als traditioneller Marktplatz angesehen werden.

13.      Wie die vorlegenden Gerichte feststellten, ist Amazon nämlich sowohl ein renommierter Vertreiber als auch Betreiber eines Marktplatzes. So veröffentlicht Amazon auf der Amazon-Online-Verkaufsplattform sowohl Anzeigen für eigene Waren, die Amazon im eigenen Namen verkauft und versendet, als auch Anzeigen von Drittanbietern. Die Funktionsweise von Amazon ermöglicht es außerdem, dass der Versand von Waren, die von Drittanbietern auf der Plattform zum Verkauf angeboten werden, entweder von diesen selbst oder von Amazon übernommen werden kann. Amazon lagert diese Waren dann in den Amazon-Vertriebszentren und versendet sie von eigenen Räumlichkeiten aus an die Käufer.

14.      Diese Merkmale, die dem Amazon-Geschäftsmodell eine „Zwitterstellung“(19) verleihen, bilden einen neuen Rahmen für die Erörterung der Frage, ob der Betreiber eines solchen Marktplatzes für die Verletzung der Rechte von Markeninhabern auf seiner Plattform als Benutzer dieser Marke im Sinne von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 unmittelbar haftbar gemacht werden kann, und liegen den in den vorliegenden Rechtssachen eingereichten Vorabentscheidungsersuchen zugrunde.

15.      Diese Rechtssachen bieten dem Gerichtshof somit eine Gelegenheit, den Begriff „Benutzung“ und damit die Grundsätze zu präzisieren, die für die Frage der unmittelbaren Haftung von im Internet agierenden Vermittlern maßgebend sein sollen, wenn es auf ihrer Plattform zu Markenrechtsverletzungen kommt.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Verordnung 2017/1001

16.      Im 13. Erwägungsgrund der Verordnung 2017/1001 heißt es:

„Benutzt ein Unternehmen dasselbe oder ein ähnliches Zeichen als Handelsnamen, so dass eine Verbindung zwischen dem Unternehmen mit dieser Firmenbezeichnung und den Waren oder Dienstleistungen dieses Unternehmens hergestellt wird, so kann es hinsichtlich der kommerziellen Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu Verwechslungen kommen. Die Verletzung einer Unionsmarke sollte demnach auch die Benutzung des Zeichens als Handelsnamen oder als ähnliche Benennung umfassen, solange die Benutzung der Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen dient.“

17.      Art. 9 („Rechte aus der Unionsmarke“) Abs. 1 bis 3 der Verordnung 2017/1001 sieht vor:

„(1)      Mit der Eintragung einer Unionsmarke erwirbt ihr Inhaber ein ausschließliches Recht an ihr.

(2)      Der Inhaber dieser Unionsmarke hat unbeschadet der von Inhabern vor dem Zeitpunkt der Anmeldung oder dem Prioritätstag der Unionsmarke erworbenen Rechte das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn

a)      das Zeichen mit der Unionsmarke identisch ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist;

b)      das Zeichen mit der Unionsmarke identisch oder ihr ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist, und für das Publikum die Gefahr einer Verwechslung besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird;

c)      das Zeichen mit der Unionsmarke identisch oder ihr ähnlich ist, unabhängig davon, ob es für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind oder denjenigen ähnlich oder nicht ähnlich sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Union bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Unionsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

(3)      Sind die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt, so kann insbesondere verboten werden,

b)      unter dem Zeichen Waren anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;

d)      das Zeichen als Handelsnamen oder Unternehmensbezeichnung oder als Teil eines Handelsnamens oder einer Unternehmensbezeichnung zu benutzen;

e)      das Zeichen in den Geschäftspapieren und in der Werbung zu benutzen;

f)      das Zeichen in der vergleichenden Werbung in einer der Richtlinie 2006/114/EG[(20)] zuwiderlaufenden Weise zu benutzen.“

B.      Richtlinie 2004/48

18.      Art. 11 („Gerichtliche Anordnungen“) der Richtlinie 2004/48 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Gerichte bei Feststellung einer Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums eine Anordnung gegen den Verletzer erlassen können, die ihm die weitere Verletzung des betreffenden Rechts untersagt. Sofern dies nach dem Recht eines Mitgliedstaats vorgesehen ist, werden im Falle einer Missachtung dieser Anordnung in geeigneten Fällen Zwangsgelder verhängt, um die Einhaltung der Anordnung zu gewährleisten. Unbeschadet des Artikels 8 Absatz 3 der Richtlinie 2001/29/EG[(21)] stellen die Mitgliedstaaten ferner sicher, dass die Rechtsinhaber eine Anordnung gegen Mittelspersonen beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden.“

19.      Art. 13 („Schadensersatz“) dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Gerichte auf Antrag der geschädigten Partei anordnen, dass der Verletzer, der wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er eine Verletzungshandlung vornahm, dem Rechtsinhaber zum Ausgleich des von diesem wegen der Rechtsverletzung erlittenen tatsächlichen Schadens angemessenen Schadensersatz zu leisten hat.

(2)      Für Fälle, in denen der Verletzer eine Verletzungshandlung vorgenommen hat, ohne dass er dies wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, können die Mitgliedstaaten die Möglichkeit vorsehen, dass die Gerichte die Herausgabe der Gewinne oder die Zahlung von Schadensersatz anordnen, dessen Höhe im Voraus festgesetzt werden kann.“

C.      Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr

20.      Der 48. Erwägungsgrund der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr lautet:

„Diese Richtlinie lässt die Möglichkeit unberührt, dass die Mitgliedstaaten von Diensteanbietern, die von Nutzern ihres Dienstes bereitgestellte Informationen speichern, verlangen, die nach vernünftigem Ermessen von ihnen zu erwartende und in innerstaatlichen Rechtsvorschriften niedergelegte Sorgfaltspflicht anzuwenden, um bestimmte Arten rechtswidriger Tätigkeiten aufzudecken und zu verhindern.“

21.      In Art. 14 („Hosting“) Abs. 1 dieser Richtlinie heißt es:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Fall eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht, der Diensteanbieter nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen verantwortlich ist, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

a)      Der Anbieter hat keine tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information, und, in Bezug auf Schadenersatzansprüche, ist er sich auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, oder

b)      der Anbieter wird, sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, unverzüglich tätig, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren.“

III. Ausgangsverfahren, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

22.      Herr Louboutin ist ein französischer Schuhdesigner, dessen bekannteste Waren hochhackige Damenschuhe sind. Seit Mitte der 1990er Jahre brachte er an seinen Schuhen eine rot gefärbte Außensohle an; deren Code im Pantone-Farbsystem ist 18.1663TP.

23.      Diese auf der Sohle eines hochhackigen Schuhs aufgebrachte Farbe ist unter der Nr. 0874489 als Benelux-Marke und unter der Nr. 8845539 als Unionsmarke eingetragen(22). Die Marke ist für „Absatzschuhe (ausgenommen orthopädische Schuhwaren)“ geschützt.

24.      Amazon ist ein Unternehmen, das darauf spezialisiert ist, unterschiedliche Waren und Dienstleistungen online feilzubieten, und zwar sowohl direkt für eigene Rechnung als auch indirekt als Verkaufsplattform für Drittanbieter.

25.      Auf den Websites von Amazon erscheinen regelmäßig Werbeanzeigen für rotbesohlte Schuhe, von denen Herr Louboutin behauptet, dass sie sich auf Waren bezögen, deren Inverkehrbringen nicht mit seiner Zustimmung erfolgt sei.

A.      Rechtssache C148/21

26.      Mit Gerichtsvollzieherurkunde vom 19. September 2019 erhob Herr Louboutin, der eine Verletzung der ihm mit seiner Unionsmarke verliehenen ausschließlichen Rechte geltend macht, vor der Kammer für Handelssachen des Tribunal d’arrondissement de Luxembourg (Bezirksgericht Luxemburg, Luxemburg) Klage gegen die Tochtergesellschaften von Amazon mit Sitz in Luxemburg. Herr Louboutin beantragt, Amazon für die Verletzung seiner Marke für verantwortlich zu erklären, und beantragte ferner, Amazon aufzugeben, unter Vermeidung eines Zwangsgelds die Benutzung von mit dieser Marke identischen Zeichen im geschäftlichen Verkehr im gesamten Gebiet der Union mit Ausnahme des von einer Entscheidung des belgischen Gerichts erfassten Benelux-Gebiets zu unterlassen, sowie einen Anspruch auf Ersatz des durch die streitigen rechtswidrigen Benutzungen entstandenen Schadens festzustellen.

27.      Die klägerischen Anträge beruhen auf Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung 2017/1001. Herr Louboutin macht nämlich geltend, Amazon habe ohne seine Zustimmung ein mit der Marke, deren Inhaber er sei, identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen benutzt, die mit denjenigen identisch seien, für die die Marke eingetragen sei; dies sei insbesondere im Wege des Schaltens von Werbung für Waren mit dem streitigen Zeichen auf den Online-Verkaufsplattformen von Amazon geschehen, aber auch durch den Besitz, den Versand und die Lieferung solcher Waren. Nach Ansicht von Herrn Louboutin ist eine solche Benutzung Amazon zuzurechnen, da Amazon eine aktive Rolle bei der Begehung der die Benutzung darstellenden Handlungen gespielt habe und die Werbung für die markenverletzenden Waren Teil der eigenen kommerziellen Kommunikation von Amazon gewesen sei. Amazon könne mithin nicht als bloßer Host oder neutraler Vermittler angesehen werden.

28.      Amazon bestreitet, dass ihr die Benutzung der Marke zugerechnet werden könne, und beruft sich auf mehrere Urteile des Gerichtshofs zu anderen Plattformen wie eBay, um geltend zu machen, dass Amazon als Betreiber eines Online-Marktplatzes nicht für die Benutzung dieser Marke durch Drittanbieter haften könne, die die Amazon-Plattform nutzten. Die Funktionsweise des Marktplatzes von Amazon, zu dem Drittanbieter Zugang hätten, unterscheide sich nicht merklich von anderen Marktplätzen. Die Einbindung des Logos von Amazon in die Anzeigen von Drittanbietern auf den Websites von Amazon bedeute nicht, dass Amazon sich diese Anzeigen zu eigen mache. Die von Amazon angebotenen Nebendienstleistungen könnten es nicht rechtfertigen, Angebote von Dritten als Bestandteil der eigenen Kommunikation von Amazon einzustufen. Dass ein Leistender die technischen Voraussetzungen für die Benutzung eines Zeichens schaffe und eine Vergütung für diesen Dienst erhalte, bedeute nicht, dass derjenige, der diesen Dienst erbringe, von dem genannten Zeichen selbst Gebrauch mache.

29.      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist zu ermitteln, ob die besondere Funktionsweise der von Amazon betriebenen Plattformen aufgrund der Einbindung der Anzeigen von Drittanbietern in die eigene kommerzielle Kommunikation von Amazon auf eine Benutzung eines mit der Marke identischen Zeichens schließen lasse.

30.      Das vorlegende Gericht bezieht sich als Erstes auf das Urteil L‘Oréal u. a.(23) (im Folgenden: Urteil eBay), in dem der Gerichtshof festgestellt habe, dass die „Benutzung“ eines mit der Marke des Inhabers identischen oder ihr ähnlichen Zeichens durch einen Dritten zumindest voraussetze, dass der Dritte das Zeichen im Rahmen seiner eigenen kommerziellen Kommunikation benutze; der Gerichtshof sei demnach zu dem Schluss gelangt, dass seitens des Betreibers eines Online-Marktplatzes keine solche Benutzung erfolge. Da dieses Urteil jedoch die Plattform eBay betreffe, die bekanntermaßen an der Veröffentlichung der Anzeigen ihrer Nutzer nur als Vermittler und nicht als Verkäufer und Vertriebspartner beteiligt sei, lasse sich diese Rechtsprechung nicht ipso facto auf eine Plattform übertragen, die anders funktioniere.

31.      Das vorlegende Gericht ist insoweit der Ansicht, dass nicht jeder Bestandteil der Angebote, wie sie auf den Amazon-Websites dargeboten würden, isoliert betrachtet werden solle, sondern dass die Gesamtstrategie zu beurteilen sei, um zu ermitteln, ob sich das von Amazon eingerichtete Verkaufsmodell von dem eines Marktplatzes im eigentlichen Sinne unterscheide und gegebenenfalls zu davon abweichenden Haftungslagen führen könne.

32.      Trotz einer umfangreichen Rechtsprechung des Gerichtshofs habe sich dieser nie zu der Frage geäußert, ob davon auszugehen sei, dass derjenige, der Waren über das Internet vertreibe und gleichzeitig einen Online-Marktplatz betreibe, Angebote Dritter in seine eigene kommerzielle Kommunikation einbinde. Diese Rechtsprechung gehe nämlich von der Prämisse aus, dass Anzeigen Dritter nicht Teil der eigenen kommerziellen Kommunikation des Plattformbetreibers seien, was im vorliegenden Fall dazu führen würde, Amazon lediglich als Betreiber eines Online-Marktplatzes anzusehen.

33.      Das vorlegende Gericht stellt fest, dass der Gerichtshof diese Frage im Urteil Coty Germany(24) ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Lagerung von Waren erörtert habe, ohne eine umfassendere Analyse des Geschäftsmodells von Amazon in Betracht zu ziehen, so dass er nicht zu dem ihm nun vorgelegten Problem Stellung genommen habe, das nicht nur die Lagerung von durch Dritte verkaufte Waren durch Amazon betreffe, sondern auch eine weiter gehende Frage zur Einstufung der Einbindung von Angeboten Dritter in die eigene kommerzielle Kommunikation aufwerfe.

34.      Das vorlegende Gericht fügt hinzu, dass der Umstand, dass eine Antwort auf diese weiter reichende Frage gegebenenfalls in der für den elektronischen Geschäftsverkehr geltenden unionsrechtlichen Regelung gefunden werden könne, es nicht erlaube, im Bereich des Markenschutzes die Vermittlerhaftung mit Sicherheit auszuschließen.

35.      Das vorlegende Gericht wirft als Zweites die Frage auf, ob es im Hinblick auf die mehr oder weniger aktive Rolle des Marktplatzbetreibers bei der Veröffentlichung von Anzeigen von Belang sei, wie das Publikum sie wahrnehme. Insbesondere möchte es wissen, ob der Umstand, dass das Publikum eine Anzeige oder ein Angebot Dritter als Teil der kommerziellen Kommunikation eines Betreibers einer digitalen Verkaufsplattform wahrnehme, nicht einer wirklichen Einbindung des Angebots in seine kommerzielle Kommunikation gleichstehe und diesen Betreiber damit markenrechtlich haftbar werden lasse.

36.      Schließlich wirft das vorlegende Gericht als Drittes die Frage auf, ob davon auszugehen sei, dass ein Betreiber ein Zeichen dann benutze, wenn er mit dem streitigen Zeichen versehene Waren versende. Es ist der Auffassung, dass sich der Gerichtshof im Urteil Coty nicht zum Versand von Waren im Anschluss an die Lagerung geäußert habe, da in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen sei, der Versand durch einen externen Dienstleister erfolgt sei.

37.      Unter diesen Umständen hat das Tribunal d’arrondissement de Luxembourg (Bezirksgericht Luxemburg) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen, dass die Benutzung eines mit einer Marke identischen Zeichens in einer auf einer Website angezeigten Werbung dem Betreiber der Website oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen dadurch zuzurechnen ist, dass auf dieser Website eigene Angebote des Betreibers oder wirtschaftlich verbundener Unternehmen und Angebote von Drittanbietern vermischt werden, indem diese Werbung in die eigene kommerzielle Kommunikation des Betreibers oder wirtschaftlich verbundener Unternehmen eingebunden wird?

Wird eine solche Einbindung durch die Tatsache verstärkt, dass

–        die Werbeanzeigen auf der Website einheitlich präsentiert werden,

–        die eigenen Werbeanzeigen des Betreibers und die von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen und Drittanbietern ohne Unterschied der Herkunft angezeigt werden, wobei jedoch das Logo des Betreibers oder wirtschaftlich verbundener Unternehmen in den Anzeigenbereichen von Websites Dritter in Form von „Pop-ups“ deutlich sichtbar angezeigt wird,

–        der Betreiber oder wirtschaftlich verbundene Unternehmen Drittanbietern eine umfassende Dienstleistung anbieten, einschließlich einer Unterstützung bei der Erstellung von Werbeanzeigen, bei der Preisfestsetzung, der Lagerung und dem Versand von Waren,

–        die Website des Betreibers und wirtschaftlich verbundener Unternehmen so gestaltet ist, dass sie sich in Form von Shops und Bezeichnungen wie „Bestseller“, „am häufigsten gewünscht“ oder „am häufigsten geschenkt“ präsentiert, ohne dass auf den ersten Blick eine Unterscheidung zwischen den eigenen Waren des Betreibers und wirtschaftlich verbundener Unternehmen und den Waren von Drittanbietern ersichtlich ist?

2.      Ist Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen, dass die Benutzung eines mit einer Marke identischen Zeichens in einer Werbung auf einer Online-Verkaufsplattform grundsätzlich dem Betreiber der Plattform oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen zuzurechnen ist, wenn in der Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Internetnutzers dieser Betreiber oder ein wirtschaftlich verbundenes Unternehmen eine aktive Rolle bei der Erstellung dieser Werbung gespielt hat oder wenn die Werbung als Teil der eigenen kommerziellen Kommunikation dieses Betreibers wahrgenommen wird?

Wird eine solche Wahrnehmung beeinflusst

–        durch die Tatsache, dass der Betreiber und/oder wirtschaftlich verbundene Unternehmen renommierte Vertreiber unterschiedlichster Waren sind, einschließlich Waren der in den Anzeigen beworbenen Art,

–        oder dadurch, dass die auf diese Weise angezeigte Werbung eine Kopfzeile enthält, in der die Dienstleistungsmarke des Betreibers oder wirtschaftlich verbundener Unternehmen wiedergegeben wird, wobei diese Marke als Marke des Vertreibers bekannt ist,

–        oder dadurch, dass der Betreiber oder wirtschaftlich verbundene Unternehmen in Verbindung mit der Anzeige der Werbung Dienstleistungen anbieten, die üblicherweise von Vertreibern von Waren derselben Art wie die in den Anzeigen beworbene Ware angeboten werden?

3.      Ist Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen, dass die Versendung einer Ware, die mit einem mit der Marke identischen Zeichen versehen ist, im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung des Markeninhabers an den Endverbraucher nur dann eine dem Versender zuzurechnende Benutzung darstellt, wenn der Versender tatsächliche Kenntnis von der Anbringung des Zeichens auf der Ware hat?

Ist ein solcher Versender Benutzer des betreffenden Zeichens, wenn er oder ein mit ihm wirtschaftlich verbundenes Unternehmen dem Endverbraucher angekündigt hat, dass er sich um die Versendung kümmern wird, nachdem er selbst oder ein wirtschaftlich verbundenes Unternehmen die Ware zu diesem Zweck gelagert hat?

Ist ein solcher Versender Benutzer des betreffenden Zeichens, wenn er oder ein mit ihm wirtschaftlich verbundenes Unternehmen zuvor im Geschäftsverkehr aktiv an der Anzeige einer Werbung für die mit dem Zeichen versehene Ware mitgewirkt oder die Bestellung aufgenommen hat, die der Endverbraucher wegen dieser Werbung aufgegeben hat?

38.      Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 8. März 2021 beim Gerichtshof eingegangen. Schriftliche Erklärungen wurden von den Parteien des Ausgangsverfahrens, der deutschen Regierung und von der Europäischen Kommission eingereicht. Mit Ausnahme der deutschen Regierung haben diese Beteiligten auch an der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2022 teilgenommen.

B.      Rechtssache C184/21

39.      Mit am 4. Oktober 2019 zugestellter Klageschrift erhob Herr Louboutin beim Tribunal de l’entreprise francophone de Bruxelles (Französischsprachiges Unternehmensgericht Brüssel, Belgien) Klage auf Unterlassung der Benutzung seiner Marke durch Amazon und auf Ersatz des durch diese Benutzung entstandenen Schadens.

40.      Herr Louboutin stützt seine Klage auf die gleichen Argumente wie in der Rechtssache C‑148/21, wobei er u. a. darauf hinweist, dass zum einen die streitigen Werbeanzeigen integraler Bestandteil der kommerziellen Kommunikation von Amazon seien, da in der Kopfzeile jeder Anzeige die Wort-/Bildmarke von Amazon erscheine, bei der es sich um die Marke eines sehr renommierten Vertreibers handele, und dass zum anderen die Werbeanzeigen in ihrer Zusammensetzung den üblichen Werbeanzeigen bedeutender Händler ähnlich seien. Ferner macht Herr Louboutin geltend, dass für die Prüfung der Frage, ob eine Werbung Teil der eigenen kommerziellen Kommunikation einer bestimmten Person sei, auf den normal informierten und angemessen aufmerksamen Verbraucher, für den diese Werbung bestimmt sei, abzustellen sei. Außerdem trägt er vor, dass im Versenden einer Ware mit einem mit einer Marke identischen Zeichen an einen Käufer eine Benutzung dieses Zeichens liege.

41.      Amazon hält dem entgegen, dass die von Drittanbietern auf ihren Verkaufsseiten veröffentlichten Angebote von angeblich markenverletzenden Schuhen und der Versand der von diesen Verkäufern verkauften Schuhe keine Benutzung der Marke durch Amazon darstellten und dass Amazon nach ständiger Rechtsprechung als Betreiber eines Online-Marktplatzes nicht für die (unberechtigte) Benutzung einer Marke durch Dritte verantwortlich gemacht werden könne. Amazon bezieht sich in diesem Zusammenhang auf ein kürzlich ergangenes Urteil der Cour d’appel de Bruxelles (Berufungsgericht Brüssel, Belgien)(25), in dem dieses Gericht entschieden habe, dass „die Benutzung der Marke in einer von einem Drittanbieter stammenden Anzeige zum Verkauf markenverletzender Waren nicht dem Betreiber des Online-Marktplatzes – selbst wenn dessen Identität erkennbar ist – zuzurechnen [ist], da die Benutzung nicht zur eigenen kommerziellen Kommunikation des Betreibers gehört“.

42.      Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass für die Entscheidung des ihm vorgelegten Rechtsstreits zum einen die Frage erheblich sei, unter welchen Umständen die Benutzung eines Verletzerzeichens in einer Werbung dem Betreiber einer Online-Verkaufsplattform, der außerdem auch ein Vertreiber sei, zugerechnet werden könne, und dass es zum anderen auch auf die Frage ankomme, ob und unter welchen Umständen die Publikumswahrnehmung einer solchen Werbung zu berücksichtigen sei, um auf die Zurechenbarkeit einer solchen Benutzung schließen zu können. Entsprechendes gelte auch für die Frage der Umstände des Versands einer Ware, die mit einem eine Marke verletzenden Zeichen versehen sei. Die Beantwortung dieser Frage ist nach Auffassung des vorlegenden Gerichts erforderlich, um die Konturen abzustecken, wie Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 auf die vorliegende Rechtssache anzuwenden ist.

43.      Unter diesen Umständen hat das Tribunal de l’entreprise francophone de Bruxelles (Französischsprachiges Unternehmensgericht Brüssel) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen, dass die Benutzung eines mit einer Marke identischen Zeichens in einer auf einer Website angezeigten Werbung grundsätzlich dem Betreiber der Website zuzurechnen ist, wenn der Betreiber in der Wahrnehmung eines normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzers eine aktive Rolle bei der Erstellung der Werbung gespielt hat oder die Werbung vom Internetnutzer als Teil der eigenen kommerziellen Kommunikation des Betreibers wahrgenommen werden kann?

Wird eine solche Wahrnehmung beeinflusst

–        durch die Tatsache, dass der Betreiber ein renommierter Vertreiber verschiedenster Waren ist, einschließlich Waren der in den Anzeigen beworbenen Art,

–        oder dadurch, dass die auf diese Weise angezeigte Werbung eine Kopfzeile enthält, in der die Dienstleistungsmarke des Betreibers wiedergegeben wird, wobei diese Marke als Marke des Vertreibers bekannt ist,

–        oder dadurch, dass der Betreiber in Verbindung mit der Anzeige der Werbung Dienstleistungen anbietet, die üblicherweise von Vertreibern von Waren derselben Art wie die in den Anzeigen beworbene Ware angeboten werden?

2.      Ist Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen, dass die Versendung einer Ware, die mit einem mit der Marke identischen Zeichen versehen ist, im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung des Markeninhabers an den Endverbraucher nur dann eine dem Versender zuzurechnende Benutzung darstellt, wenn der Versender tatsächliche Kenntnis von der Anbringung des Zeichens auf dieser Ware hat?

Ist ein solcher Versender Benutzer des betreffenden Zeichens, wenn er oder ein mit ihm wirtschaftlich verbundenes Unternehmen dem Endverbraucher angekündigt hat, dass er sich um die Versendung kümmern wird, nachdem er selbst oder ein wirtschaftlich verbundenes Unternehmen die Ware zu diesem Zweck gelagert hat?

Ist ein solcher Versender Benutzer des betreffenden Zeichens, wenn er oder ein mit ihm wirtschaftlich verbundenes Unternehmen zuvor im Geschäftsverkehr aktiv an einer Werbeanzeige für die mit dem Zeichen versehene Ware mitgewirkt oder die Bestellung aufgenommen hat, die der Endverbraucher in Anbetracht dieser Werbung aufgegeben hat?

44.      Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 24. März 2021 beim Gerichtshof eingegangen. Schriftliche Erklärungen wurden von den Parteien des Ausgangsverfahrens und von der Kommission eingereicht. Diese Beteiligten haben auch an der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2022 teilgenommen.

IV.    Würdigung

45.      Ich stelle fest, dass die dem Gerichtshof in den Rechtssachen C‑148/21 und C‑184/21 zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen sämtlich die Auslegung des Begriffs der Benutzung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 betreffen und dass sich die in den Fragen thematisierten Gesichtspunkte weitgehend überschneiden(26). Ich werde sie daher gemeinsam prüfen.

46.      Mit ihren Vorlagefragen möchten die vorlegenden Gerichte im Wesentlichen wissen, ob Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen ist, dass dann, wenn der Betreiber einer Online-Verkaufsplattform zum einen sowohl seine eigenen Angebote als auch Angebote Dritter, ohne in ihrer Einblendung nach ihrer Herkunft zu unterscheiden, einheitlich veröffentlicht, wobei er auf diesen Anzeigen sein eigenes Logo als renommierter Vertreiber erscheinen lässt, und wenn er zum anderen Drittanbietern zusätzliche Dienstleistungen für Lagerung und Versand der auf seiner Plattform online feilgebotenen Waren anbietet, wobei er die potenziellen Käufer darüber informiert, dass er diese Tätigkeiten übernehmen werde, davon auszugehen ist, dass der fragliche Betreiber eine Marke in einem von einem Dritten auf dieser Plattform veröffentlichten Verkaufsangebot benutzt. Die vorlegenden Gerichte möchten vom Gerichtshof außerdem wissen, ob die Wahrnehmung eines normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzers für die Auslegung des Begriffs „Benutzung“ im Sinne von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 von Belang ist.

47.      Zur Beantwortung der zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen werde ich zunächst auf die Rechtsprechung zum Begriff „Benutzung“ der Marke im Sinne von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 eingehen, um die Gründe darzulegen, aus denen ich der Ansicht bin, dass sich aus dieser Rechtsprechung ergibt, dass bei Anwendung dieses Begriffs die Wahrnehmung eines Nutzers der in Rede stehenden Plattform zu berücksichtigen ist. Anschließend werde ich untersuchen, wie sich eine solche Inbetrachtnahme auswirkt, wenn es darum geht, zu ermitteln, ob aufgrund der Besonderheiten der Funktionsweise von Amazon, wie sie von den vorlegenden Gerichten beschrieben worden sind, Amazon eine Marke benutzt, die in einem von einem Dritten auf der Website von Amazon veröffentlichten Verkaufsangebot zu finden ist.

A.      Absteckung des Prüfungsrahmens

48.      Nach Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001, der im Wesentlichen den Inhalt von Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 aufgreift, hat der Inhaber einer Unionsmarke das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches Zeichen zu „benutzen“, wenn dieses Zeichen für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist. Die Bestimmungen der Verordnung 2017/1001 definieren den Begriff „Benutzung“ jedoch nicht, weswegen die Grundsätze für die Auslegung dieses Begriffs in der Rechtsprechung des Gerichtshofs herausgearbeitet worden sind.

1.      Eine nach derzeitigem Stand unzureichende Definition durch die Rechtsprechung

49.      Der Gerichtshof hat entschieden, dass der Ausdruck „benutzen“ in Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 ein aktives Verhalten und eine unmittelbare oder mittelbare Herrschaft des Dritten und Internet-Vermittlers über die Benutzungshandlung beinhaltet(27).

50.      Dieses Erfordernis eines aktiven Verhaltens und der Herrschaft über die Benutzungshandlung ergibt sich zum einen aus der Systematik von Art. 9 der Verordnung 2017/1001, da Art. 9 Abs. 3 dieser Verordnung die Benutzungsformen, die der Markeninhaber verbieten kann, nicht abschließend aufzählt, dort aber nur aktive Handlungen Dritter anführt(28). Zum anderen ergibt sich dieses Erfordernis aus der Zielsetzung des Art. 5 Abs. 1 der Verordnung, der bezweckt, dem Inhaber ein rechtliches Instrument an die Hand zu geben, das es ihm ermöglicht, jegliche Benutzung seiner Marke durch einen Dritten zu verbieten und somit ihr ein Ende zu setzen, wenn es an seiner Zustimmung zur Benutzung fehlt. Jedoch ist nur ein Dritter, der die Benutzungshandlung beherrscht, tatsächlich in der Lage, der Benutzung ein Ende zu setzen(29). Bei diesem Erfordernis handelt es sich somit um einen Ausdruck des Grundsatzes, dass niemand rechtlich zu etwas Unmöglichem verpflichtet werden kann(30).

51.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs setzt eine Benutzungshandlung durch einen Internet-Vermittler außerdem „jedenfalls [voraus], dass [Letzterer] das Zeichen im Rahmen seiner eigenen kommerziellen Kommunikation benutzt“(31). Diese Voraussetzung, die sich unmittelbar an die Bedingung eines aktiven Verhaltens anschließt, stellt meines Erachtens den Kern des Begriffs „Benutzung“ im Hinblick auf einen im Internet tätigen Vermittler dar. Sie ist eine notwendige Voraussetzung für die Bejahung der Benutzung eines Zeichens; fehlt sie, so liegt keine Benutzung vor.

52.      Die Voraussetzung, wonach das Zeichen von einem Internet-Vermittler in seiner eigenen kommerziellen Kommunikation benutzt werden muss, hat im Übrigen bisher stets dazu geführt, dass eine Benutzung durch diesen Vermittler verneint wurde. So hat der Gerichtshof im Urteil Google entschieden, dass der Anbieter eines Referenzierungsdienstes das Zeichen nicht in seiner eigenen kommerziellen Kommunikation benutzt, da er es nur ermöglicht, dass seine Kunden selbst mit einer Marke identische Zeichen benutzen, so dass er nur die technischen Voraussetzungen für die Benutzung eines Zeichens schafft(32). Ebenso hat der Gerichtshof im Urteil eBay(33) entschieden, dass der Betreiber eines Marktplatzes das fragliche Zeichen nicht in seiner eigenen kommerziellen Kommunikation benutzt, wenn er eine Dienstleistung erbringt, die darin besteht, den Kunden zu ermöglichen, dieses Zeichen im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit erscheinen zu lassen, und im Urteil Coty(34) entschieden, dass die Lagerung von mit dem in Rede stehenden Zeichen versehenen Waren keine Benutzung dieses Zeichens in der eigenen kommerziellen Kommunikation eines Dritten darstellt, wenn dieser die betreffenden Waren selbst weder zum Verkauf anbietet noch in den Verkehr bringt.

53.      Ich weise jedoch darauf hin, dass diese Voraussetzung in der Rechtsprechung des Gerichtshofs niemals eingehender definiert wurde und dass auch das Schrifttum diese Frage nicht detaillierter behandelt hat(35), so dass nicht klar ersichtlich ist, was der Begriff der „Benutzung eines Zeichens in der eigenen kommerziellen Kommunikation eines Vermittlers“ umfasst(36). Dass diese Voraussetzung durchgängig verneint wurde und nur dazu diente, die Nichtbenutzung eines Zeichens darzutun, und zwar selbst in dem nämlichen Fall, anlässlich dessen diese Voraussetzung herausgearbeitet wurde, unterstreicht diese Unklarheit noch erheblich.

54.      Auch wenn es somit auf den ersten Blick kein Leichtes ist, anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu bestimmen, was „Benutzung eines Zeichens durch einen Vermittler in dessen eigener kommerzieller Kommunikation“ konkret bedeutet und wie sich feststellen lässt, dass diese Voraussetzung erfüllt ist, können mit Hilfe einer sorgfältigeren Analyse des Begriffs doch dessen Konturen herausgearbeitet werden.

2.      Die „Benutzung eines Zeichens durch einen Vermittler in dessen eigener kommerzieller Kommunikation“: ein Begriff, der notwendigerweise die Perspektive des Nutzers der Plattform einbezieht

55.      Kommerzielle Kommunikation eines Unternehmens bezeichnet im Allgemeinen jede Form der Kommunikation mit dem Ziel, dessen Tätigkeit, Waren oder Dienstleistungen zu fördern oder auf die Ausübung einer solchen Tätigkeit aufmerksam zu machen. Sie richtet sich an Dritte, um die Tätigkeit des Unternehmens bekannt zu machen oder auf sie hinzuweisen. Mithin dient sie rein externen Zwecken, wobei der Begriff „Kommunikation“ im Übrigen gemeinhin als diejenige Handlung definiert wird, mit der jemandem etwas mitgeteilt, ihm also Kenntnis von etwas gegeben wird(37).

56.      Kommunikation kommt also nur im Verhältnis zwischen dem Unternehmen, das das Zeichen benutzt, und Dritten in Betracht, und die Benutzung eines Zeichens durch einen Internet-Vermittler in seiner eigenen kommerziellen Kommunikation setzt somit voraus, dass das in Rede stehende Zeichen, von außerhalb des Unternehmens betrachtet, als deren integraler Bestandteil erscheint. Mit anderen Worten: Der Vermittler macht sich das Zeichen so zu eigen, dass es zu seiner Tätigkeit gehörig scheint.

57.      Dieser Gedanke ist nicht neu. Der Gerichtshof hat eine Zeichenbenutzung bejaht, wenn der Dritte das Zeichen „in der Weise benutzt, dass eine Verbindung zwischen dem Zeichen und den vom Dritten vertriebenen Waren oder den von ihm erbrachten Dienstleistungen hergestellt wird“(38). Wenn dieses Verbindungskriterium seitdem nicht ausdrücklich in Bezug auf Internet-Vermittler aufgegriffen und durch das Kriterium der Benutzung des Zeichens in der eigenen kommerziellen Kommunikation des Vermittlers ersetzt worden ist, so geschah dies deshalb, weil das letztgenannte Kriterium von der gleichen Logik getragen wird.

58.      Die Bedingung der Zeichenbenutzung in der kommerziellen Kommunikation setzt nämlich voraus, dass der im Internet tätige Vermittler das Zeichen auf eine solche Art benutzt, dass der Adressat dieser Kommunikation eine besondere Verbindung zwischen dem Vermittler und dem fraglichen Zeichen herstellt(39), wobei sich diese besondere Verbindung aus der Zueigenmachung des Zeichens durch den Vermittler ergibt.

59.      Eine solche Voraussetzung muss daher aus der Sicht des Nutzers des Marktplatzes, an den sich die kommerzielle Kommunikation des Betreibers des Marktplatzes richtet, analysiert werden, um beurteilen zu können, ob für den Nutzer das fragliche Zeichen insofern als in die kommerzielle Kommunikation des Betreibers eingebunden erscheint, als sich der Internet-Vermittler dieses Zeichen zu eigen gemacht hat.

60.      Ich weise darauf hin, dass die Notwendigkeit einer Betrachtung vom Standpunkt dieses Nutzers aus im Übrigen bereits von Generalanwalt Campos Sánchez Bordona in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Coty Germany(40) hervorgehoben worden ist, in denen er ausgeführt hat, sich „auf die Sichtweise eines Endverbrauchers [zu] konzentrieren“, und festgestellt hat, dass, „[s]ofern beim Käufer der Eindruck entstehen könnte, dass [der Betreiber des Marktplatzes] die Ware in den Verkehr bringt“, zu dem Ergebnis zu kommen sei, „dass eine Benutzung der Marke vorliegt“.

61.      Meines Erachtens ist daher der Voraussetzung, dass das Zeichen durch den Vermittler in seiner eigenen kommerziellen Kommunikation benutzt wird, inhärent, dass diese Kommunikation aus der Sicht ihrer Adressaten, d. h. der Internetnutzer, die die in Rede stehende Plattform verwenden, beurteilt wird.

62.      Ich muss noch klarstellen, auf welchen Nutzer des Marktplatzes abzustellen ist, wenn es darum geht, zu ermitteln, ob nach der Nutzerwahrnehmung das in Rede stehende Zeichen vom Betreiber in seine eigene kommerzielle Kommunikation eingebunden wird. Die vorlegenden Gerichte schlagen vor, den Standpunkt eines „normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzers“ einzunehmen.

63.      Dieser Ausdruck knüpft an den Maßstab an, nach dem sich beurteilt, ob die Benutzung eines Zeichens durch einen Dritten eine der wesentlichen Funktionen der Marke beeinträchtigt. Im Rahmen dieser Prüfung untersucht der Gerichtshof nämlich, ob für „einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer … zu erkennen ist, ob die … Waren oder Dienstleistungen[, für die die Marke eingetragen ist,] von dem Inhaber der Marke oder … von einem Dritten stammen“(41).

64.      Wie die Kommission und Amazon feststellen, sind allerdings die Frage, ob der Betreiber eines Marktplatzes eine Marke benutzt, und die Frage, ob diese Benutzung eine der Funktionen der Marke beeinträchtigen kann, zwei voneinander verschiedene Fragen.

65.      Was die zweite Frage angeht, so konzentriert sich die Prüfung auf die mit dem fraglichen Zeichen versehene Ware oder Dienstleistung; dabei geht es darum, festzustellen, ob das Zeichen von einem normal informierten und angemessen aufmerksamen Verbraucher fälschlich als vom Markeninhaber stammend angesehen werden kann. Bei der ersten Frage geht es hingegen nicht darum, die mit dem in Rede stehenden Zeichen versehene Ware oder Dienstleistung zu untersuchen, sondern nur um die Prüfung der kommerziellen Kommunikation des Betreibers, um zu ermitteln, ob aus der Sicht der Nutzer der Plattform der Eindruck entsteht, dass das fragliche Zeichen von diesem Betreiber unmittelbar im Rahmen seiner Tätigkeit benutzt wird.

66.      Diese beiden Prüfungen folgen zudem unterschiedlichen Ansätzen. Die Frage der Beeinträchtigung einer der Funktionen der Marke, insbesondere ihrer Herkunftsfunktion, beinhaltet nämlich eine Schutzkomponente, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Rechte des Markeninhabers, sondern auch hinsichtlich der Interessen der Verbraucher(42). Demgegenüber betrifft die Frage nach der Benutzung einer Marke nur die Beziehungen zwischen dem Inhaber der in Rede stehenden Marke und einem angeblichen Rechtsverletzer, da ermittelt werden soll, ob sich dieser Dritte durch seine Handlung ein ausschließliches Vorrecht des Markeninhabers anmaßt.

67.      Mit diesen Gesichtspunkten lässt sich jedoch nicht rechtfertigen, dass die Wahrnehmung eines normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzers nicht auch bei der Frage, ob das in Rede stehende Zeichen in die kommerzielle Kommunikation einer Online-Verkaufsplattform eingebunden ist, berücksichtigt werden kann. Vielmehr bin ich ganz im Gegenteil der Ansicht, dass ein solcher Internetnutzer als Adressat der kommerziellen Kommunikation des Plattformbetreibers notwendigerweise der Bezugspunkt für die Feststellung ist, ob sich ein Vermittler das Zeichen durch dessen Benutzung in seiner eigenen kommerziellen Kommunikation zugeeignet hat.

68.      Dass bei der Prüfung der Benutzung eines Zeichens durch einen Vermittler in seiner eigenen kommerziellen Kommunikation und damit auch bei der Prüfung des Begriffs „Benutzung“ dieses Zeichens durch Internet-Vermittler innerhalb eines solchen Rahmens zu verfahren ist, wird nicht durch das Vorbringen von Amazon und der Kommission in Frage gestellt, wonach der Gerichtshof nicht ausdrücklich erwähnt habe, dass insoweit die Wahrnehmung der Internetnutzer berücksichtigt werden müsse.

69.      Erstens wurde der Begriff der Benutzung eines Zeichens durch den Vermittler in seiner eigenen kommerziellen Kommunikation, wie ich in den Nrn. 52 und 53 dieser Schlussanträge festgestellt habe, nur in Form einer Negativabgrenzung und in Konstellationen herangezogen, in denen der Gerichtshof darauf erkannt hat, dass der fragliche Vermittler das in Rede stehende Zeichen nicht derart benutzt hatte. Dass in Situationen, in denen das in Rede stehende Zeichen kein integraler Bestandteil der kommerziellen Kommunikation des Vermittlers war, nicht auf die Wahrnehmung eines Internetnutzers Bezug genommen wurde, um den Nachweis des Gegenteils zu führen, lässt den Schluss auf die Entbehrlichkeit dieses Kriteriums insofern nicht zu, als die Prüfung der Wahrnehmung des Internetnutzers nur dann von Relevanz ist, wenn Zweifel daran bestehen, ob der Vermittler das Zeichen in seiner eigenen kommerziellen Kommunikation benutzt hat.

70.      Zweitens gilt dies umso mehr, als die vom Gerichtshof in diesen Urteilen zugrunde gelegte Lösung jedenfalls damit gerechtfertigt werden kann, dass aus der Sicht eines normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzers nicht der Eindruck entstanden war, dass das fragliche Zeichen in der eigenen kommerziellen Kommunikation ihrer Betreiber benutzt worden wäre. So übt nach Auffassung des Gerichtshofs im Urteil Google(43) der Anbieter eines Referenzierungsdienstes, wenn er für einige seiner Kunden mit Marken identische Zeichen als Schlüsselwörter speichert und dafür sorgt, dass anhand dieser Schlüsselwörter Werbeanzeigen erscheinen, nur seine übliche Tätigkeit aus, und es entsteht mithin für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer nicht der Eindruck, dass dieser Anbieter die in Rede stehenden Zeichen selbst im Rahmen seiner eigenen kommerziellen Kommunikation verwendet. Ebenso geht nach Auffassung des Gerichtshofs im Urteil eBay(44) der Betreiber des Marktplatzes, soweit er seinen Kunden eine Dienstleistung erbringt, die darin besteht, es ihnen zu ermöglichen, im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeiten wie etwa bei ihren Verkaufsgesuchen auf seiner Website Marken entsprechende Zeichen aufscheinen zu lassen, aus der Sicht eines normal informierten und angemessen aufmerksamen Benutzers nicht über seine Rolle als Vermittler hinaus und benutzt nicht selbst die in Rede stehenden Zeichen im Rahmen seiner eigenen kommerziellen Kommunikation.

71.      Drittens hat der Gerichtshof im Urteil eBay(45), ohne jedoch die Voraussetzung der Zeichenbenutzung durch den Online-Marktplatzbetreiber in seiner eigenen kommerziellen Kommunikation zu erwähnen, die Benutzung einer Marke durch einen solchen Betreiber anerkannt, wenn dieser beim Betreiber der Google-Suchmaschine einer Marke entsprechende Schlüsselwörter auswählt, damit ein Werbe-Link und ein Hinweis erscheinen, in denen auf die Möglichkeit hingewiesen wird, auf seiner Website Waren der gesuchten Marke zu erwerben. In einem solchen Fall wurde aber vom Gerichtshof eine Markenbenutzung durch eBay gerade deshalb bejaht, weil die Hinweise und Links, die eBay aufscheinen lässt, auch eine Werbung für den Marktplatz als solchen darstellen und folglich die in Rede stehende Marke aus der Sicht eines normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzers als Teil der eigenen kommerziellen Kommunikation von eBay erscheint.

72.      Ich bin daher der Meinung, dass die Wahrnehmung eines normal informierten und angemessen aufmerksamen Nutzers einer Online-Verkaufsplattform ein relevanter Gesichtspunkt für die Bestimmung der Benutzung eines Zeichens in der kommerziellen Kommunikation des Betreibers dieser Plattform ist. Ein solcher Maßstab, der einen normalen Informationsgrad und eine angemessene Aufmerksamkeit des Nutzers voraussetzt, erscheint mir umso mehr gerechtfertigt, als es für einen Teil der Nutzer von Online-Verkaufsplattformen unerheblich ist, mit wem der Verkauf abgeschlossen wird, da die einzigen Kaufkriterien die Ware und ihr Preis sind. Diese Internetnutzer können daher nicht als Referenz für die Feststellung dienen, dass ihnen ein Zeichen als integraler Bestandteil der kommerziellen Kommunikation des Betreibers dieser Plattform und nicht bloß als von einem Drittanbieter benutzt erscheint. Ich halte es daher für erforderlich, auf einen Nutzer mit einem durchschnittlichen Verhalten abzustellen, für den eine solche Information relevant ist.

73.      Schließlich ist noch klarzustellen, dass die Bejahung dessen, dass ein Zeichen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 durch den Verkäufer einer Ware über eine Online-Verkaufsplattform benutzt wird, es nicht ausschließt, dass der diese Plattform betreibende Vermittler dieses Zeichen theoretisch ebenfalls benutzen kann, wenn er das in Rede stehende Zeichen in seiner eigenen kommerziellen Kommunikation verwendet.

74.      Auf der Grundlage dieser Erwägungen werde ich nunmehr die von den vorlegenden Gerichten beschriebene Tätigkeit eines Online-Verkaufsplattform-Betreibers analysieren, um herauszuarbeiten, ob insofern von einer Benutzung der in Rede stehenden Marke im Sinne von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 durch diesen Betreiber auszugehen ist, als der Betreiber diese Marke im Rahmen ihrer eigenen kommerziellen Kommunikation verwendet.

B.      Auswirkungen der Funktionsweise von Amazon in Bezug auf die Bejahung einer „Benutzung“ der Marke im Sinne von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001

75.      Mit ihrer ersten und ihrer dritten Frage in der Rechtssache C‑148/21 und ihrer zweiten Frage in der Rechtssache C‑184/21 möchten die vorlegenden Gerichte im Wesentlichen wissen, ob Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen ist, dass dann, wenn der Betreiber einer Online-Verkaufsplattform zum einen sowohl seine eigenen Angebote als auch Angebote Dritter, ohne in ihrer Einblendung nach ihrer Herkunft zu unterscheiden, einheitlich veröffentlicht, wobei er sowohl auf seiner Website als auch in den Anzeigenbereichen von Websites Dritter auf diesen Anzeigen sein eigenes Logo als renommierter Vertreiber erscheinen lässt, und wenn er zum anderen Drittanbietern zusätzliche Dienstleistungen für Unterstützung, Lagerung und Versand der auf seiner Plattform online feilgebotenen Waren anbietet, wobei er die potenziellen Käufer darüber informiert, dass er diese Leistungen erbringen werde, davon auszugehen ist, dass der fragliche Betreiber eine Marke in einem von einem Dritten auf dieser Plattform veröffentlichten Verkaufsangebot benutzt.

1.      Abgrenzung des Umfangs der Vorlagefragen

76.      Zunächst erscheint mir der Hinweis von Bedeutung, dass sich die zuvor erwähnten Fragen nur auf den Fall der unmittelbaren Haftung des Betreibers einer Online-Verkaufsplattform beziehen, soweit dieser im Sinne von Art. 9 der Verordnung 2017/1001 ein mit einer Marke identisches Zeichen benutzt haben soll. Wie ich bereits in den Nrn. 8 und 10 dieser Schlussanträge erwähnt habe, ist diese Frage von derjenigen nach der mittelbaren Haftung von Internet-Vermittlern – für Handlungen Dritter vermittels ihrer Dienste – zu unterscheiden.

77.      Nach der von mir vorgeschlagenen Analyse bleibt es daher den vorlegenden Gerichten unbenommen, sofern ein Wirtschaftsteilnehmer die Benutzung einer Marke durch einen anderen Wirtschaftsteilnehmer ermöglicht hat, die Auswirkungen anderer Rechtsnormen als Art. 9 der Verordnung 2017/1001 zu prüfen.

78.      Dass ein Zeichen nicht in die kommerzielle Kommunikation des Betreibers einer Online-Verkaufsplattform eingebunden ist, bedeutet nämlich noch nicht, dass er niemals für die Verletzung der Rechte von Markeninhabern haftbar gemacht werden kann, sondern nur, dass diese Haftung auf der Grundlage des nationalen Rechts als sekundäre Haftung geltend gemacht werden muss.

79.      In einem solchen Fall ist es Sache der vorlegenden Gerichte, auf der Grundlage des nationalen Rechts eine etwaige mittelbare Haftung des Internet-Vermittlers zu prüfen, wobei diese Haftung mit den Haftungsbefreiungen in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr in Einklang gebracht werden muss.

80.      Darüber hinaus ist das Arsenal der Maßnahmen zum Schutz der Rechte eines Markeninhabers, die gegenüber einem Internet-Vermittler ergriffen werden können, der es einem Dritten ermöglicht hat, ein Zeichen unter Zuhilfenahme seiner Dienste zu benutzen, nicht auf die Geltendmachung seiner – unmittelbaren oder mittelbaren – Haftung beschränkt. So sieht Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48 vor, dass eine Anordnung gegen Mittelspersonen erlassen werden kann, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden.

81.      Nach diesen Klarstellungen werde ich nunmehr darlegen, weshalb ich der Ansicht bin, dass der Betreiber einer Online-Plattform wie Amazon bei der Ausübung seiner von den vorlegenden Gerichten beschriebenen Tätigkeit kein Zeichen im Sinne von Art. 9 der Verordnung 2017/1001 benutzt.

2.      Die Besonderheit des Amazon-Modells

82.      Die erste Vorlagefrage in der Rechtssache C‑148/21 betrifft hauptsächlich die Tätigkeit, bei der ein Betreiber eines Marktplatzes auf seiner Website Verkaufsangebote von Drittanbietern veröffentlicht und diese Angebote ein mit einer Marke identisches Zeichen einblenden. Wie ich in Nr. 52 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt habe und wie Amazon ausführt, hat der Gerichtshof entschieden, dass eine solche Tätigkeit keine Benutzung dieses Zeichens im Sinne von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 darstellt(46).

83.      Dennoch unterscheidet sich die Tätigkeit des Betreibers einer Online-Verkaufsplattform wie Amazon, wie das vorlegende Gericht in der Rechtssache C‑148/21 feststellt, von der des Betreibers des Marktplatzes, der Gegenstand des Urteils eBay war. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass im Hinblick auf ihre Darstellung Angebote von Drittanbietern von den Angeboten von Amazon nicht zu unterscheiden sind. Das Logo von Amazon als renommiertem Vertreiber erscheine ferner systematisch auf den Verkaufsangeboten, und zwar sowohl auf dem Marktplatz als auch auf Websites Dritter im Rahmen von Werbebotschaften. Schließlich weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass Amazon selbst diese Verkaufsangebote in bestimmte Shops auf ihrer Website bzw. in Produktlisten einbinde.

84.      Keiner dieser Gesichtspunkte scheint mir jedoch die Feststellung in Frage zu stellen, zu der der Gerichtshof im Urteil eBay gelangt ist. Meines Erachtens sind sie nämlich nicht geeignet, die in den Anzeigen von Drittanbietern enthaltenen Zeichen aus der Sicht eines normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzers als integraler Bestandteil der kommerziellen Kommunikation des Betreibers der Online-Verkaufsplattform erscheinen zu lassen.

85.      Was die fehlende Differenzierung zwischen Angeboten von Drittanbietern und Amazon-Angeboten betrifft, so trifft es zwar zu, dass diese einheitlich gestaltet sind und dass sie alle das Logo von Amazon, einem renommierten Vertreiber, beinhalten. Wie sich jedoch den in der Vorlageentscheidung der Rechtssache C‑148/21 enthaltenen Beispielen für Angebote entnehmen lässt, weise ich darauf hin, dass immer angegeben wird, ob die Waren von Drittanbietern oder direkt von Amazon verkauft werden.

86.      Darüber hinaus ist Amazon zwar ein sehr renommierter Vertreiber, der aber gleichermaßen auch für seine Marktplatztätigkeit bekannt ist. Den Nutzern der Plattform ist es daher bekannt, dass sowohl Anzeigen für unmittelbar von Amazon verkaufte Waren als auch Anzeigen von Drittanbietern online gestellt werden. Das schlichte Vorhandensein des Amazon-Logos kann für den Verbraucher also ebenso einen Hinweis darauf darstellen, dass er sich einer von einem Drittanbieter veröffentlichten Anzeige gegenübersieht. Unter diesen Umständen kann der bloße Umstand, dass Anzeigen von Amazon und von Drittanbietern nebeneinander existieren, nicht darauf hindeuten, dass ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Internetnutzer die in den Anzeigen von Drittanbietern eingeblendeten Zeichen als Teil der kommerziellen Kommunikation von Amazon wahrnehmen könnte.

87.      Die gleiche Argumentation trifft auf die auf Websites Dritter veröffentlichten Werbeanzeigen zu, die das Amazon-Logo enthalten und auf Verkaufsangebote verweisen, die von Drittanbietern auf der Amazon-Website veröffentlicht wurden.

88.      Entsprechendes gilt für Amazons Einbindung der Anzeigen von Drittanbietern in Shops auf der Amazon-Plattform oder in Listen mit den am meisten verkauften oder am meisten angebotenen Waren. Wie die Kommission ausführt, folgt diese Einbindung in Wirklichkeit aus dem Aufbau der Amazon-Plattform. Amazon hat in der mündlichen Verhandlung ferner darauf hingewiesen, dass eine solche Gestaltung automatisch und auf der Grundlage der am stärksten nachgefragten oder am meisten verkauften Waren erfolge, indem Anzeigen für ähnliche Waren zusammengefasst würden. Dieser Aufbau ist daher ein integraler Bestandteil der Rolle eines Internet-Vermittlers wie Amazon als Betreiber eines Marktplatzes und wird aus der Sicht normal informierter und angemessen aufmerksamer Internetnutzer somit nur als eine Maßnahme wahrgenommen, die mit der Präsentation und der Anordnung ihrer Plattform zusammenhängt.

89.      Das vorlegende Gericht fragt den Gerichtshof mit seiner ersten Vorlagefrage in der Rechtssache C‑148/21 außerdem danach, wie sich das Angebot einer „umfassenden“ Dienstleistung durch Amazon, die eine Unterstützung bei der Erstellung von Anzeigen sowie die Lagerung und den Versand bestimmter Waren mit einschließt, darauf auswirkt, ob ein in diesen Anzeigen vorhandenes Zeichens als durch Amazon benutzt einzustufen ist.

90.      Diese Frage schließt sich im Wesentlichen an die dritte Frage in der Rechtssache C‑148/21 und die zweite Frage in der Rechtssache C‑184/21 an, mit denen geklärt werden soll, ob die Lagerung und der Versand von Waren, die ein mit einer Marke identisches Zeichen aufweisen und bei denen Amazon auch aktiv an der Erstellung und der Veröffentlichung von Verkaufsangeboten mitgewirkt hat, eine Benutzung der Marke im Sinne von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 darstellt.

91.      Es geht bei diesen Fragen also, wie die deutsche Regierung ausführt, darum, die Tätigkeiten von Amazon umfassend zu prüfen, um zu klären, ob der Umstand, dass Amazon von der Veröffentlichung der mit dem streitigen Zeichen versehenen Anzeige bis hin zum Versand der fraglichen Ware involviert ist, als Benutzung dieses Zeichens eingestuft werden kann. Meines Erachtens ist das nicht der Fall.

92.      Zwar ist eine solche Mitwirkung, die der Funktionsweise von Amazon eigen ist, zumindest grundsätzlich geeignet, Amazon eine größere Kontrolle über den Verkauf einer markenverletzenden Ware zu verschaffen. Diese Mitwirkung, die insofern zum Vorteil des Verbrauchers gereicht, als sie tatsächlich darauf abzielt, eine rasche Lieferung und nach dem Kauf einer Ware eine Garantie sicherzustellen und damit den Ruf der Online-Verkaufsplattform zu festigen, reicht meines Erachtens indessen nicht für den Nachweis aus, dass Amazon das in Rede stehende Zeichen in seiner eigenen kommerziellen Kommunikation benutzt hätte.

93.      Der Gerichtshof hat nämlich bereits im Urteil Coty(47) entschieden, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein Zeichen im Rahmen der eigenen kommerziellen Kommunikation des Betreibers eines Marktplatzes benutzt worden ist, wenn dieser mit einem Zeichen versehende Waren für Drittanbieter lagert, ohne selbst den Zweck zu verfolgen, diese Waren anzubieten oder in den Verkehr zu bringen. Ich sehe keinen Grund, den Versand solcher Waren durch den Betreiber für Rechnung eines Dritten anders zu behandeln. In einem solchen Fall bleibt es für normal informierte und angemessen aufmerksame Internetnutzer klar, dass allein der Drittanbieter die Waren anbieten und in den Verkehr bringen will(48).

94.      Diese Schlussfolgerung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass Amazon die fraglichen Anzeigen selbst veröffentlicht. Wie ich ausgeführt habe, bin ich nämlich der Ansicht, dass auch die Veröffentlichung solcher Anzeigen keine Benutzungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 darstellt(49). Zwei Handlungen, die keine Benutzung im Sinne dieses Artikels darstellen, können meines Erachtens nicht allein deshalb anders beurteilt werden, weil sie Gegenstand einer Gesamtbetrachtung sind.

95.      Unter diesen Umständen bin ich der Ansicht, dass auf die Vorlagefragen in den Rechtssachen C‑148/21 und C‑184/21 zu antworten ist, dass Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen ist, dass dann, wenn der Betreiber einer Online-Verkaufsplattform zum einen sowohl seine eigenen Angebote als auch Angebote Dritter, ohne in ihrer Einblendung nach ihrer Herkunft zu unterscheiden, einheitlich veröffentlicht, wobei er sowohl auf seiner Website als auch in den Anzeigenbereichen von Websites Dritter auf diesen Anzeigen sein eigenes Logo als renommierter Vertreiber erscheinen lässt, und wenn er zum anderen Drittanbietern zusätzliche Dienstleistungen für Unterstützung, Lagerung und Versand der auf seiner Plattform online feilgebotenen Waren anbietet, wobei er die potenziellen Käufer darüber informiert, dass er diese Leistungen erbringen werde, nicht davon auszugehen ist, dass der fragliche Betreiber eine Marke in einem von einem Dritten auf dieser Plattform veröffentlichten Verkaufsangebot benutzt, vorausgesetzt, dass diese Gesichtspunkte einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer nicht dazu veranlassen, die in Rede stehende Marke als integralen Bestandteil der kommerziellen Kommunikation des Betreibers wahrzunehmen.

3.      Besonderheit des Markenrechts

96.      Eine solche Lösung impliziert, dass die Besonderheit des Geschäftsmodells eines Betreibers einer Online-Verkaufsplattform wie Amazon, die von der Veröffentlichung von Verkaufsangeboten bis hin zum Versand der in Rede stehenden Waren eine Reihe von Dienstleistungen einbindet, keine Auswirkungen auf den Begriff der „Benutzung“ im Sinne von Art. 9 der Verordnung 2017/1001 hat.

97.      Dieser Ansatz beschränkt sich jedoch auf die Auslegung dieses Begriffs und kann nicht auf andere Bereiche ausgedehnt werden. Mit anderen Worten bedeutet zwar die Einbindung verschiedener Dienstleistungen durch den Betreiber einer Online-Verkaufsplattform als solche nicht, dass davon auszugehen wäre, dass dieser Betreiber – selbst in Anbetracht der aktiveren Rolle, die diese Einbindung mit sich bringen kann – dieses Zeichen benutzt; doch bedeutet dies nicht, dass eine solche Einbindung keine Auswirkungen darauf hätte, wie die von diesem Betreiber erbrachten Dienstleistungen in anderen Rechtsgebieten einzustufen sind.

98.      Ich denke dabei insbesondere an den vom Gerichtshof in den Rechtssachen, in denen die Urteile Asociación Profesional Elite Taxi(50) und Uber France(51) ergangen sind, gewählten Ansatz. Aus beiden Urteilen geht nämlich hervor, dass die Einbindung mehrerer von einem Unternehmen erbrachter Dienstleistungen, die es diesem ermöglichen, eine Kontrolle über alle relevanten Aspekte einer innerstädtischen Verkehrsdienstleistung auszuüben, bedeutet, dass eine solche Dienstleistung nicht als bloße Vermittlungsleistung zur Herstellung einer Verbindung zwischen Passagieren und Fahrern anzusehen ist, sondern als eine einzige Dienstleistung, für die dieses Unternehmen verantwortlich ist. Anders ausgedrückt hat die größere Kontrolle des Unternehmens über alle Aspekte einer Dienstleistung sicherlich Auswirkungen auf die Vermittlerrolle dieses Unternehmens, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der unionsrechtlichen Vorschriften über den elektronischen Geschäftsverkehr.

99.      Diese Argumentation lässt sich jedoch nicht auf die Auslegung des Begriffs „Benutzung“ übertragen, wie er im vorliegenden Fall in Rede steht. Bei dieser Auslegung geht es nicht darum, die vom Betreiber einer Online-Verkaufsplattform erbrachte Dienstleistung einzustufen, sondern darum, ob aufgrund seiner Tätigkeit der Eindruck entstehen kann, dass er ein Zeichen im Rahmen seiner eigenen kommerziellen Kommunikation verwendet. Diese beiden Fragen werden daher zwangsläufig auf der Grundlage unterschiedlicher Erwägungen beantwortet.

100. Darüber hinaus folgen sie unterschiedlichen Denkansätzen. Die Einstufung einer von einem Anbieter im Internet erbrachten Dienstleistung kann sich auf dessen Haftung gegenüber dem Nutzer der von ihm betriebenen Plattform auswirken. Es ist leicht nachvollziehbar, dass die Verantwortlichkeit des Anbieters zunimmt, je mehr Kontrolle er über die erbrachte Dienstleistung ausübt. Dies ist in Bezug auf die Frage, ob der Leistende eine Marke im Sinne der Verordnung 2017/1001 benutzt, nicht der Fall, da diese Frage allein auf den Schutz der Rechte des Inhabers der betreffenden Marke gerichtet ist.

V.      Ergebnis

101. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen des Tribunal d’arrondissement de Luxembourg (Bezirksgericht Luxemburg) in der Rechtssache C‑148/21 und des Tribunal de l’entreprise francophone de Bruxelles (Französischsprachiges Unternehmensgericht Brüssel) in der Rechtssache C‑184/21 zu antworten, dass Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke dahin auszulegen ist, dass dann, wenn der Betreiber einer Online-Verkaufsplattform zum einen sowohl seine eigenen Angebote als auch Angebote Dritter, ohne in ihrer Einblendung nach ihrer Herkunft zu unterscheiden, einheitlich veröffentlicht, wobei er sowohl auf seiner Website als auch in den Anzeigenbereichen von Websites Dritter auf diesen Anzeigen sein eigenes Logo als renommierter Vertreiber erscheinen lässt, und wenn er zum anderen Drittanbietern zusätzliche Dienstleistungen für Unterstützung, Lagerung und Versand der auf seiner Plattform online feilgebotenen Waren anbietet, wobei er die potenziellen Käufer darüber informiert, dass er diese Leistungen erbringen werde, nicht davon auszugehen ist, dass der fragliche Betreiber eine Marke in einem von einem Dritten auf dieser Plattform veröffentlichten Verkaufsangebot benutzt, vorausgesetzt, dass diese Gesichtspunkte einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer nicht dazu veranlassen, die in Rede stehende Marke als integralen Bestandteil der kommerziellen Kommunikation des Betreibers wahrzunehmen.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Vgl. u. a. Urteile vom 20. Dezember 2017, Asociación Profesional Elite Taxi (C‑434/15, EU:C:2017:981), vom 19. Dezember 2019, Airbnb Ireland (C‑390/18, EU:C:2019:1112), sowie vom 22. Juni 2021, YouTube und Cyando (C‑682/18 sowie C‑683/18, EU:C:2021:503).


3      Ullrich, C., Unlawful Content Online, Towards a New Regulatory Framework for Online Platforms, Luxemburger Juristische Studien, Nomos, Baden-Baden, 2021, S. 32.


4      Marsoof, A., Internet Intermediaries and Trademark Rights, Routledge Research in Intellectual Property, 2019, S. 2.


5      Das Volumen der weltweit in Umlauf gebrachten nachgeahmten Waren macht nunmehr etwa 2,5% des Welthandels aus. Vgl. OECD/EUIPO, Global Trade in Fakes: A Worrying Threat, Illicit Trade, OECD Publishing, Paris, 2021, S. 61.


6      Van Eecke, P., „Online service providers and liability: A plea for a balanced approach“, Common Market Law Review, 2011, Nr. 48, Bd. 5, S. 1455.


7      Zu den theoretischen und wirtschaftlichen Rechtfertigungen im Hinblick auf die Inanspruchnahme der Internet-Vermittler vgl. Marsoof, A., a. a. O., S. 5 bis 10, Ullrich, C., a. a. O., S. 104 bis 108, und Ohly, A., „The Liability of Intermediaries for Trademark Infringement“, Research Handbook on Trademark Law Reform, Dinwoodie, G.B., und Janis, M.D. (Hrsg.), Edward Elgar Publishing, Cheltenham, 2021, S. 396 bis 430.


8      Zur Unterscheidung zwischen primärer und mittelbarer Haftung vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen in der Rechtssache L‘Oréal u. a. (C‑324/09, EU:C:2010:757, Rn. 54 ff.), oder Kur, A., und Senftleben, M., European Trade Mark Law: A commentary, Oxford University Press, Oxford, 2017, S. 691, und Ullrich, C., a. a. O., S. 356 ff.


9      Ohly, A., a. a. O., S. 397.


10      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (ABl. 2000, L 178, S. 1, im Folgenden: Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr).


11      Art. 12, 13 und 14 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr.


12      Art. 15 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr.


13      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. 2004, L 157, S. 45, berichtigt in ABl. 2004, L 195, S. 16).


14      Art. 11 der Richtlinie 2004/48.


15      Urteil vom 7. Juli 2016, Tommy Hilfiger Licensing u. a. (C‑494/15, EU:C:2016:528, Rn. 22). Vgl. zu dieser Frage auch Husovec, M., Injunctions against Intermediaries in the European Union, Accountable but not Liable?, Cambridge University Press, 2017, S. 62 ff.


16      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1).


17      Oder, vor dieser, der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1).


18      Siehe die Analyse dieser Rechtsprechung in den Nrn. 49 ff. der vorliegenden Schlussanträge.


19      Ohly, A., a. a. O., S. 413.


20      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung (ABl. 2006, L 376, S. 21).


21      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10).


22      Laut Eintragung besteht „[die Marke] aus der Farbe Rot (Pantone-Code 18.1663TP), die wie dargestellt auf die Sohle eines Schuhs aufgebracht ist (die Kontur des Schuhs ist also nicht Bestandteil der Marke, soll aber die Lage der Marke kennzeichnen)“.


23      Urteil vom 12. Juli 2011 (C‑324/09, EU:C:2011:474).


24      Urteil vom 2. April 2020 (C‑567/18, im Folgenden: Urteil Coty, EU:C:2020:267).


25      Urteil vom 25. Juni 2020, RG/2019/AR/1480.


26      Siehe Nrn. 90 und 91 der vorliegenden Schlussanträge.


27      Urteile vom 3. März 2016, Daimler (C‑179/15, EU:C:2016:134, Rn. 41), und vom 2. Juli 2020, mk advokaten (C‑684/19, EU:C:2020:519, Rn. 23).


28      Urteil vom 3. März 2016, Daimler (C‑179/15, EU:C:2016:134, Rn. 40).


29      Urteil vom 3. März 2016, Daimler (C‑179/15, EU:C:2016:134, Rn. 41).


30      Vgl. Kur, A., und Senftleben, M., a. a. O., S. 276.


31      Urteil vom 23. März 2010, Google France und Google (C‑236/08 bis C‑238/08, im Folgenden: Urteil Google, EU:C:2010:159, Rn. 56), Urteil eBay (Rn. 102), und Urteil Coty (Rn. 39).


32      Urteil Google (Rn. 56 und 57).


33      Rn. 102 dieses Urteils.


34      Rn. 47 dieses Urteils. Zur Feststellung der fehlenden Benutzung eines Zeichens, weil keine Verwendung des Zeichens in der eigenen kommerziellen Kommunikation erfolgt ist, vgl. – in anderen als Internet-Vermittler betreffenden Fällen – auch Urteile vom 15. Dezember 2011, Frisdranken Industrie Winters (C‑119/10, EU:C:2011:837), und vom 16. Juli 2015, TOP Logistics u. a. (C‑379/14, EU:C:2015:497).


35      Worauf einige Autoren hinweisen. Vgl. Marsoof, A., a. a. O., S. 37, und Ullrich, C., a. a. O., S. 358.


36      Zur Unschärfe des Benutzungsbegriffs vgl. Kur, A., und Senftleben, M., a. a. O., S. 275.


37      Wer mit dem Recht des geistigen Eigentums vertraut ist, denkt bei dem Begriff „Kommunikation“ an den Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG (ABl. 2019, L 130, S. 92). Ich werde mich jedoch nicht auf die Rechtsprechung zur Auslegung dieses Begriffs beziehen, um den Begriff der „kommerziellen Kommunikation“ zu definieren, wie er sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Benutzung eines Zeichens ergibt. Die „öffentliche Wiedergabe“ ist nämlich ein autonomer Begriff des Unionsrechts, der in einem anderen Kontext Anwendung findet, in dem die Gewährung des Zugangs zu einem Werk als solche immer potenziell eine Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums darstellt, während eine Benutzung nur im Geschäftsleben als solche eingestuft werden kann und eine eingehendere Prüfung voraussetzt.


38      Beschluss vom 19. Februar 2009, UDV North America (C‑62/08, EU:C:2009:111, Rn. 47).


39      Wie bereits von Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Frisdranken Industrie Winters (C‑119/10, EU:C:2011:258, Nr. 28) festgestellt wurde.


40      C‑567/18, EU:C:2019:1031, Nr. 53.


41      Urteil Google (Rn. 84).


42      Zu den wesentlichen Funktionen der Marke vgl. Kur, A., und Senftleben, M., a. a. O., S. 6.


43      Rn. 53 dieses Urteils.


44      Rn. 102 dieses Urteils.


45      Rn. 84 und 85 dieses Urteils.


46      Siehe Urteil eBay.


47      Rn. 45 bis 47 dieses Urteils.


48      Urteil Coty (Rn. 47).


49      Siehe Nrn. 84 ff. der vorliegenden Schlussanträge.


50      Urteil vom 20. Dezember 2017 (C‑434/15, EU:C:2017:981).


51      Urteil vom 10. April 2018 (C‑320/16, EU:C:2018:221).