Language of document : ECLI:EU:C:2013:604

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NILS WAHL

vom 26. September 2013(1)

Rechtssache C‑363/12

Z.

gegen

A Government department and the Board of management of a community School

(Vorabentscheidungsersuchen des Equality Tribunal [Irland])

„Sozialpolitik – Ersatzmutterschaft – Recht auf einen dem Mutterschafts- oder Adoptionsurlaub entsprechenden bezahlten Urlaub – Richtlinie 2006/54/EG – Gleichbehandlung von Männern und Frauen – Umfang – Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen – Richtlinie 2000/78/EG ­– Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – Umfang – Begriff der Behinderung – Teilhabe am Berufsleben – Art. 5 – Verpflichtung, angemessene Vorkehrungen zu treffen“





1.        Ersatzmutterschaft, eine immer häufigere Form der medizinisch unterstützten Fortpflanzung, ist in einigen Mitgliedstaaten ein sensibles politisches und soziales Thema. Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen des Equality Tribunal (Irland) und die Rechtssache CD(2) machen die Aktualität der Ersatzmutterschaft, obwohl sie noch immer eine relativ geringe Rolle spielt, sowie die Komplexität der rechtlichen (und ethischen) Fragen deutlich, die sich bei ihrer Regelung stellen. Tatsächlich ist die Rechtslage in den Mitgliedstaaten unterschiedlich: Die Ersatzmutterschaft ist teils legal und speziell geregelt, teils illegal oder – wie in Irland – nicht geregelt, und es bestehen zwischen den Mitgliedstaaten beträchtliche Meinungsverschiedenheiten darüber, wie Ersatzmuttervereinbarungen und insbesondere die damit verbundenen Vorgänge zu regeln seien.

2.        Im Ausgangsverfahren hat eine Frau, die nicht schwanger werden kann, ihr genetisches Kind im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung bekommen. Hat sie nach dem Unionsrecht Anspruch auf einen dem Mutterschafts- oder Adoptionsurlaub entsprechenden bezahlten Urlaub? Dies ist der Kern der Fragen, die der Gerichtshof in diesem Fall zu beantworten hat.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Völkerrecht

3.        In der Präambel Buchst. e des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen(3) (im Folgenden: VN-Übereinkommen) wird anerkannt, „dass das Verständnis von Behinderung sich ständig weiterentwickelt und dass Behinderung aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren entsteht, die sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern“.

4.        Nach Art. 1 des VN-Übereinkommens zählen „[z]u den Menschen mit Behinderungen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können“.

B –    Unionsrecht

1.      Richtlinie 92/85/EWG

5.        Der achte Erwägungsgrund der Richtlinie 92/85(4) betont, dass schwangere Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillende Arbeitnehmerinnen eine Gruppe mit besonderen Risiken bilden und dass Maßnahmen für ihre Sicherheit und ihren Gesundheitsschutz zu treffen sind.

6.        Nach dem 14. Erwägungsgrund der Richtlinie macht die Empfindlichkeit der schwangeren Arbeitnehmerin, der Wöchnerin und der stillenden Arbeitnehmerin einen Anspruch auf Mutterschaftsurlaub erforderlich.

7.        Laut Art. 1 der Richtlinie 92/85 hat diese „die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz“ zum Ziel.

8.        Gemäß Art. 8 treffen die Mitgliedstaaten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass den Arbeitnehmerinnen im Sinne des Art. 2(5) ein Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen ohne Unterbrechung gewährt wird, die sich entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten auf die Zeit vor und/oder nach der Entbindung aufteilen.

9.        Art. 11 Abs. 2 sieht für die Zeit des in Art. 8 geregelten Mutterschaftsurlaubs vor, dass ein Arbeitsentgelt und/oder der Anspruch auf eine angemessene Sozialleistung für die Arbeitnehmerinnen im Sinne des Art. 2 während der Dauer des Mutterschaftsurlaubs gewährleistet sein müssen.

2.      Richtlinie 2006/54/EG

10.      Der 23. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/54(6) nimmt Bezug auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach die Schlechterstellung einer Frau im Zusammenhang mit Schwangerschaft oder Mutterschaft eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt, und stellt fest, dass eine solche Behandlung daher von der Richtlinie erfasst wird. Nach dem 24. Erwägungsgrund, der ebenfalls auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs verweist, kommt hinzu, dass der Schutz der körperlichen Verfassung der Frau während und nach einer Schwangerschaft sowie Maßnahmen zum Mutterschutz legitime Mittel zur Erreichung einer nennenswerten Gleichstellung sind.

11.      Gemäß dem 27. Erwägungsgrund fällt es in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, „zu entscheiden, ob sie ein ... Recht auf Vaterschaftsurlaub und/oder Adoptionsurlaub zuerkennen oder nicht“. Zudem ist es Sache der Mitgliedstaaten, „alle außerhalb des Geltungsbereichs dieser Richtlinie liegenden Bedingungen, mit Ausnahme derjenigen, die die Entlassung und die Rückkehr an den Arbeitsplatz betreffen, festzulegen“.

12.      Art. 2 der Richtlinie 2006/54 enthält die Begriffsbestimmungen für die Zwecke dieser Richtlinie.

13.      Gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/54 bezeichnet der Ausdruck „unmittelbare Diskriminierung“ eine Situation, in der „eine Person aufgrund ihres Geschlechts eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde“. Gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. b bezeichnet der Ausdruck „mittelbare Diskriminierung“ eine Situation, in der „dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen des einen Geschlechts in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich“. Zudem legt Art. 2 Abs. 2 Buchst. c fest, dass zur Diskriminierung im Sinne dieser Richtlinie auch „jegliche ungünstigere Behandlung einer Frau im Zusammenhang mit Schwangerschaft oder Mutterschaftsurlaub im Sinne der Richtlinie 92/85“ zählt.

14.      Art. 4 verbietet jegliche Diskriminierung aufgrund des Geschlechts „in Bezug auf sämtliche Entgeltbestandteile und ‑bedingungen“.

15.      Art. 14 verbietet jegliche Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Bezug auf den Zugang zur Beschäftigung, den Zugang zur Ausbildung, die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen sowie die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmerorganisation.

16.      Art. 16 der Richtlinie 2006/54 betrifft den Vaterschafts- und Adoptionsurlaub. Er lautet:

„Diese Richtlinie lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, eigene Rechte auf Vaterschaftsurlaub und/oder Adoptionsurlaub anzuerkennen. Die Mitgliedstaaten, die derartige Rechte anerkennen, treffen die erforderlichen Maßnahmen, um männliche und weibliche Arbeitnehmer vor Entlassung infolge der Inanspruchnahme dieser Rechte zu schützen, und gewährleisten, dass sie nach Ablauf des Urlaubs Anspruch darauf haben, an ihren früheren Arbeitsplatz oder einen gleichwertigen Arbeitsplatz unter Bedingungen, die für sie nicht weniger günstig sind, zurückzukehren, und darauf, dass ihnen auch alle Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, auf die sie während ihrer Abwesenheit Anspruch gehabt hätten, zugutekommen.“

3.      Richtlinie 2000/78/EG

17.      Gemäß dem 20. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78(7) sollten geeignete Maßnahmen vorgesehen werden, um den Arbeitsplatz der Behinderung entsprechend einzurichten. Unter wirksamen und praktikablen Maßnahmen seien beispielsweise „eine entsprechende Gestaltung der Räumlichkeiten oder eine Anpassung des Arbeitsgeräts, des Arbeitsrhythmus, der Aufgabenverteilung oder des Angebots an Ausbildungs- und Einarbeitungsmaßnahmen“ zu verstehen.

18.      Nach dem 21. Erwägungsgrund sollten „[be]i der Prüfung der Frage, ob diese Maßnahmen zu übermäßigen Belastungen führen, … insbesondere der mit ihnen verbundene finanzielle und sonstige Aufwand sowie die Größe, die finanziellen Ressourcen und der Gesamtumsatz der Organisation oder des Unternehmens und die Verfügbarkeit von öffentlichen Mitteln oder anderen Unterstützungsmöglichkeiten berücksichtigt werden“.

19.      Art. 3 legt den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 wie folgt fest:

„(1) Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf

a)      die Bedingungen … für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit …;

c)      die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts;

…“

20.      Der Begriff „angemessene Vorkehrungen“ für Menschen mit Behinderung wird in Art. 5 der Richtlinie definiert. Darin heißt es, dass „der Arbeitgeber die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufes [und] den beruflichen Aufstieg … zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten“.

C –    Irisches Recht

21.      Im irischen Recht ist die Ersatzmutterschaft nicht geregelt. Daher gibt es auch keine Bestimmung betreffend einen dem Mutterschafts- oder Adoptionsurlaub entsprechenden bezahlten Urlaub für Eltern, deren Kinder im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung geboren werden.

22.      In Bezug auf den Mutterschaftsurlaub sieht Section 8 des Maternity Protection Act 1994(8) (in geänderter Fassung) vor, dass „schwangere Beschäftigte“ (Hervorhebung nur hier) einen Anspruch auf Urlaub haben, der als Mutterschaftsurlaub bezeichnet wird. Die gesetzliche Mindestdauer des Mutterschaftsurlaubs beträgt 26 Wochen. Die Gewährung von Mutterschaftsurlaub setzt voraus, dass der Arbeitgeber darüber unterrichtet wird, dass die Arbeitnehmerin beabsichtigt, Mutterschaftsurlaub zu nehmen und dem Arbeitgeber eine ärztliche Bescheinigung oder ein gleichwertiges Dokument über das Bestehen der Schwangerschaft und die voraussichtliche Woche der Entbindung vorgelegt wird.

23.      Der Adoptionsurlaub ist im Adoptive Leave Act 1995(9) (in geänderter Fassung) geregelt. Section 6 dieses Gesetzes sieht einen Anspruch beschäftigter Adoptivmütter und alleinerziehender Adoptivväter auf Adoptionsurlaub ab der Aufnahme des Adoptivkinds vor. Die Mindestdauer des gesetzlichen Adoptionsurlaubs beträgt 24 Wochen ab dem Tag der Aufnahme. Die Gewährung von Adoptionsurlaub setzt voraus, dass der Arbeitgeber vorab von der Adoption unterrichtet wird und ihm die einschlägigen Dokumente, die die Adoption bescheinigen, vorgelegt werden(10).

II – Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

24.      Frau Z. ist Lehrerin in einer Schule in öffentlicher Trägerschaft in Irland. Sie leidet an einer seltenen Fehlbildung dergestalt, dass sie – obwohl sie über gesunde Eierstöcke verfügt und ansonsten fruchtbar ist – keine Gebärmutter hat und deshalb nicht schwanger werden kann.

25.      Um ihren Kinderwunsch zu erfüllen, schlossen Frau Z. und ihr Ehemann eine Vereinbarung mit einer Ersatzmutter, die in Kalifornien (USA) ein Kind gebären sollte. Im April 2010 wurde im Rahmen dieser Ersatzmuttervereinbarung ein Kind geboren. Das Kind ist das genetische Kind des Paares, während die Ersatzmutter auf der amerikanischen Geburtsurkunde des Kindes nicht angegeben ist.

26.      Die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Frau Z. umfassen einen Anspruch auf bezahlten Adoptions- und Mutterschaftsurlaub. Urlaub wegen der Geburt eines Kindes im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung ist weder im irischen Recht noch im Arbeitsvertrag von Frau Z. ausdrücklich vorgesehen.

27.      Während der Schwangerschaft der Ersatzmutter beantragte Frau Z. jedoch Adoptionsurlaub. Nachdem ihr Antrag auf bezahlten Urlaub abgelehnt worden war und man Frau Z. stattdessen nur unbezahlten Urlaub angeboten hatte(11), legte sie beim Equality Tribunal Beschwerde ein. Sie machte geltend, Opfer von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, des Familienstands und der Behinderung geworden zu sein.

28.      Da es Zweifel betreffend den Anwendungsbereich und die Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts hegte, hat das Equality Tribunal beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist unter Berücksichtigung der nachstehenden Bestimmungen des Primärrechts der Europäischen Union:

(i)      Art. 3 des Vertrags über die Europäische Union,

(ii)      Art. 8 und Art. 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, und/oder

(iii) Art. 21, 23, 33 und 34 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

die Richtlinie 2006/54, insbesondere Art. 4 und 14, so auszulegen, dass eine Diskriminierung wegen des Geschlechts vorliegt, wenn einer Frau, deren genetisches Kind im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung geboren wurde und die seit der Geburt die Sorge für ihr genetisches Kind ausübt, ein dem Mutterschafts- und/oder Adoptionsurlaub entsprechender bezahlter Urlaub verweigert wird?

2.      Sofern Frage 1 zu verneinen ist, ist die Richtlinie 2006/54 mit den vorstehenden Bestimmungen des Primärrechts der Europäischen Union vereinbar?

3.      Ist unter Berücksichtigung der nachstehenden Bestimmungen des Primärrechts der Europäischen Union:

(i)      Art. 10 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und/oder

(ii)      Art. 21, 26 und 34 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

die Richtlinie 2000/78, insbesondere Art. 3 Abs. 1 und Art. 5, so auszulegen, dass eine Diskriminierung wegen einer Behinderung vorliegt, wenn einer Frau, die an einer Behinderung leidet, aufgrund deren sie nicht gebären kann, deren genetisches Kind im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung geboren wurde und die seit der Geburt die Sorge für ihr genetisches Kind ausübt, ein dem Mutterschafts- und/oder Adoptionsurlaub entsprechender bezahlter Urlaub verweigert wird?

4.      Sofern Frage 3 zu verneinen ist, ist die Richtlinie 2000/78 mit den vorstehenden Bestimmungen des Primärrechts der Europäischen Union vereinbar?

5.      Kann zur Auslegung der Richtlinie 2000/78 und/oder zur Anfechtung der Gültigkeit dieser Richtlinie das VN-Übereinkommen geltend gemacht werden?

6.      Sofern Frage 5 zu bejahen ist, ist die Richtlinie 2000/78, insbesondere Art. 3 und 5, vereinbar mit den Art. 5, 6, 27 Abs. 1 Buchst. b und 28 Abs. 2 Buchst. b des VN-Übereinkommens?

29.      Frau Z., das Ministerium und der Verwaltungsrat der Gemeindeschule in Irland sowie die irische und die portugiesische Regierung, das Parlament, der Rat und die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. In der Sitzung vom 28. Mai 2013 haben Frau Z., die irische Regierung, das Parlament, der Rat und die Kommission mündlich verhandelt.

III – Würdigung

A –    Vorbemerkungen

30.      Zum besseren Verständnis des gesellschaftlichen Zusammenhangs, in den die vorliegende Rechtssache eingebettet ist, halte ich es für notwendig, kurz die wichtigsten (rechtlichen und tatsächlichen) Aspekte der Ersatzmutterschaft zu erläutern(12).

31.      Es gibt verschiedene Arten von Ersatzmutterschaft. Bei der „traditionellen Ersatzmutterschaft“ werden Ersatzmütter (Frauen, die beauftragenden Eltern(13) dabei helfen, Eltern zu werden, indem sie ein Kind für sie austragen) unter Verwendung des Spermas des beauftragenden Vaters und ihrer eigenen Eizellen schwanger. Im Unterschied dazu kommt es bei der gestationellen Ersatzmutterschaft zu einer In-vitro-Fertilisation (IVF), wobei entweder die beauftragende Mutter oder eine Spenderin die Eizellen für den Befruchtungsprozess spendet. Bei gestationellen Ersatzmuttervereinbarungen besteht zwischen der Ersatzmutter und dem Kind, das sie austrägt, keine genetische Beziehung.

32.      Die Gründe dafür, sich der Ersatzmutterschaft zu bedienen, können sehr unterschiedlich sein. An dem einen Ende des Spektrums gibt es Personen, die sich aus Gründen der persönlichen Bequemlichkeit für eine Ersatzmutterschaft entscheiden. Am anderen Ende gibt es Paare, die aus unterschiedlichen Gründen im Zusammenhang mit Unfruchtbarkeit, Krankheit oder Behinderung auf herkömmliche Weise kein Kind haben können. Die Ersatzmutterschaft stellt auch für gleichgeschlechtliche Paare eine Möglichkeit dar, ihren Wunsch zu erfüllen, ein Kind zu haben, das mit einem der beauftragenden Elternteile genetisch verwandt ist.

33.      Die Ersatzmutterschaft wirft nicht nur komplizierte rechtliche Fragen im Hinblick auf die vertraglichen Aspekte solcher Vereinbarungen auf (z. B. die, ob der Abschluss solcher Verträge rechtmäßig ist oder nicht, und weiter, inwieweit Ersatzmütter für die Dienste, die sie leisten, eine finanzielle Vergütung erhalten dürfen). Weitere problematische Fragen stellen sich, sobald das Kind geboren ist.

34.      Je nachdem, welcher Mitgliedstaat betroffen ist, wird durch die Geburt eines Kindes durch eine Ersatzmutter eine Reihe komplexer Rechtsfragen aufgeworfen, so z. B., wer die rechtlichen Eltern dieses Kindes sind(14). Ganz konkret: Wie werden die elterlichen Rechte beauftragender Eltern festgestellt? Eine andere, wenngleich damit eng verknüpfte Frage ist die, inwieweit Eltern, die sich einer Ersatzmutterschaft bedienen, Ansprüche wie den auf bezahlten Mutterschafts- oder Adoptionsurlaub zuzuerkennen sind. Von einigen Ausnahmen abgesehen, hat es den Anschein, dass diese und viele andere Fragen im Zusammenhang mit dieser speziellen Form der medizinisch unterstützten Fortpflanzung in zahlreichen Mitgliedstaaten erst noch auf befriedigende Weise geregelt werden müssen.

35.      Noch komplexer wird es, wenn die Ersatzmutterschaft grenzüberschreitend stattfindet: Das grenzüberschreitende Element führt zu einer Reihe schwieriger Fragen, vor allem in Bezug auf den Familien- und Einwanderungsstatus der im Rahmen solcher Vereinbarungen geborenen Kinder. Offensichtlich wird die kommerzielle Natur solcher Vereinbarungen in den meisten Mitgliedstaaten als nicht unproblematisch angesehen(15).

36.      In Staaten mit liberalen Rechtsvorschriften über Ersatzmutterschaft, wie der Ukraine oder dem Bundesstaat Kalifornien in den USA, werden die beauftragenden Eltern als die rechtlichen Eltern des Kindes behandelt. Im Unterschied dazu ist es in EU-Mitgliedstaaten nicht ungewöhnlich, dass in erster Linie die Mutter, die das Kind zur Welt bringt (und ihr Ehemann oder Partner) durch das nationale Recht geschützt werden. Natürlich können in solchen Fällen die strenge Anwendung der Kollisionsnormen und insbesondere Überlegungen im Zusammenhang mit der öffentlichen Ordnung bei Entscheidungen über den Status der beauftragenden Eltern und der im Rahmen von Ersatzmuttervereinbarungen geborenen Kinder zu einem bedauerlichen „rechtlichen Vakuum“ führen, aufgrund dessen die Kinder weder Eltern noch einen rechtlichen Status besitzen(16).

37.      Zweifellos stellen sich daher im vorliegenden Fall – wie in allen Fällen, in denen es im derzeitigen rechtlichen Umfeld um Ersatzmutterschaft geht – fundamentale Fragen der Abgrenzung sozial und kulturell akzeptierter Formen medizinisch unterstützter Fortpflanzung. In diesem Sinne kann es schwierig werden, die oben skizzierten Rechtsfragen von den politischen, ethischen und kulturellen Erwägungen zu trennen, die im Zusammenhang mit der Ersatzmutterschaft angestellt werden.

38.      Vor diesem Hintergrund möchte ich betonen, dass der Gerichtshof im vorliegenden Fall nur aufgerufen ist, zu entscheiden, ob der Anspruch einer Frau, deren genetisches Kind im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung geboren wurde, auf einen dem Mutterschafts- oder Adoptionsurlaub entsprechenden bezahlten Urlaub nach dem Unionsrecht geschützt ist. Während das vorlegende Gericht Zweifel an der Gültigkeit des einschlägigen Sekundärrechts hat, ist dieses Vorabentscheidungsersuchen meines Erachtens in erster Linie ein Ersuchen um eine das zutreffende Verständnis des maßgebenden Sekundärrechts der Europäischen Union betreffende Auslegung.

39.      Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen zwei Fragen geklärt wissen. Erstens: Verbietet es die Richtlinie 2006/54 als Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, einer Mutter, deren Kind im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung geboren wurde, einen dem Mutterschafts- oder Adoptionsurlaub entsprechenden bezahlten Urlaub zu versagen? Zweitens: Stellt eine solche Versagung eine Diskriminierung aufgrund einer Behinderung nach der Richtlinie 2000/78 dar, wenn die beauftragende Mutter unter einer Fehlbildung leidet, so dass sie keine Kinder gebären kann?

40.      Diese Fragen können nur dann bejaht werden, wenn diese Richtlinien unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens anwendbar sind. Daher geht es im Kern darum, den Geltungsbereich dieser Rechtsinstrumente zu bestimmen.

41.      Aus Gründen, die ich unten genauer ausführen werde, glaube ich nicht, dass aus der Richtlinie 2006/54 oder aus der Richtlinie 2000/78 der Anspruch einer Frau wie Frau Z. auf bezahlten Urlaub abgeleitet werden kann. Ich werde mich zuerst der Richtlinie 2006/54 (und der Richtlinie 92/85, die sich speziell mit der Frage des Mutterschaftsurlaubs nach Unionsrecht befasst) widmen. Sodann werde ich Überlegungen zur Richtlinie 2000/78 anstellen.

B –    Diskriminierung aufgrund des Geschlechts

1.      Die Erwägungen, die der Richtlinie 92/85 in Bezug auf den Mutterschaftsurlaub zugrunde liegen

42.      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine nach der Richtlinie 2006/54 verbotene Diskriminierung vorliegt, wenn unter Umständen wie denen der bei ihm anhängigen Sache ein dem Mutterschafts- oder Adoptionsurlaub entsprechender bezahlter Urlaub versagt wird. Obwohl im Vorabentscheidungsersuchen nicht explizit auf die Richtlinie 92/85 Bezug genommen wird, halte ich es für erforderlich, zunächst den Umfang des unionsrechtlich verliehenen Schutzes im Zusammenhang mit dem Mutterschaftsurlaub zu klären. Und zwar deshalb, weil dieser Fall die Frage aufwirft, ob einer Frau, deren genetisches Kind im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung geboren wird, in gleicher Weise wie einer Frau, die ein Kind zur Welt bringt, ein dem durch die Richtlinie 92/85 verliehenen vergleichbarer Schutz zuteilwerden muss.

43.      Die Richtlinie 92/85 regelt einzig und allein den Anspruch auf Mutterschaftsurlaub nach dem Unionsrecht.

44.      Wie Frau Z. selbst einräumt, war sie weder schwanger noch hat sie im Sinne der Richtlinie 92/85 ein Kind geboren. Was den durch diese auf der Grundlage von Art. 118a des EWG-Vertrags (jetzt Art. 153 AEUV) erlassene Richtlinie verliehenen Schutz angeht, ist es eindeutig, dass deren Schutzzweck darin besteht, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen zu verbessern(17). Vereinfacht gesagt, zielt sie darauf ab, den physischen und psychischen Zustand zu schützen. Zur Veranschaulichung bezeichnet der achte Erwägungsgrund der Richtlinie schwangere Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillende Arbeitnehmerinnen als eine Gruppe mit besonderen Risiken und stellt fest, dass Maßnahmen für ihre Sicherheit und ihren Gesundheitsschutz zu treffen sind(18).

45.      Zudem geht aus dem 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 92/85, der auf die Empfindlichkeit der Wöchnerin Bezug nimmt, in Verbindung mit Art. 8 dieser Richtlinie, der den Mutterschaftsurlaub regelt, klar hervor, dass die Sicherheit und der Gesundheitsschutz, die aufgrund dieser Richtlinie gewährt werden, auf Frauen abzielen, die ein Kind zur Welt bringen. Tatsächlich wird der Mutterschaftsurlaub als Zeitraum von „mindestens 14 Wochen …, die sich auf die Zeit vor und/oder nach der Entbindung aufteilen“ (Hervorhebung nur hier), definiert. Ziel von Art. 8 ist es daher, eine Frau während eines Zeitraums sowohl vor als auch nach der Geburt zu schützen, während dessen sie besonders schutzbedürftig ist. In gleicher Weise hat der Gerichtshof diesen Aspekt des Mutterschaftsurlaubs hervorgehoben, indem er festgestellt hat, dass der Mutterschaftsurlaub im Gegensatz zum Elternurlaub dem Schutz der körperlichen Verfassung der Frau und der besonderen Beziehung zwischen der Mutter und ihrem Kind während der an Schwangerschaft und Entbindung anschließenden Zeit dienen soll(19).

46.      Auf einer allgemeineren Ebene zielt die Richtlinie 92/85 u. a. darauf ab, weiblichen Arbeitnehmern durch den Mutterschaftsurlaub zu helfen, sich von den physischen und psychischen Belastungen während einer Schwangerschaft und nach der Geburt zu erholen und ihnen die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt nach Ende des Urlaubs zu erleichtern. Die Richtlinie dient daher als Instrument zur Förderung einer substanziellen Gleichstellung der Geschlechter.

47.      Zugegebenermaßen misst der Gerichtshof bei der Auslegung der Erwägungen, die dem Mutterschaftsurlaub nach der Richtlinie 92/85 zugrunde liegen, wie oben dargelegt, auch der besonderen Beziehung Bedeutung bei, die sich nach der Geburt zwischen der Frau und ihrem Kind entwickelt. Ich meine jedoch, dass dieses Ziel nur in seinem Kontext verstanden werden kann, d. h. als logisches Korrelat des Geburtsvorgangs (und des Stillens). Würde man diesem Ziel hingegen eine selbständige Bedeutung beimessen, wäre es meiner Meinung nach nicht möglich, den durch Art. 8 der Richtlinie 92/85 geschaffenen Schutzbereich sinnvollerweise auf Frauen zu begrenzen, die geboren haben, sondern er würde zwangsläufig auch Adoptivmütter oder tatsächlich alle Elternteile erfassen, die sich ganz der Betreuung ihres neugeborenen Kindes widmen.

48.      Gerade wegen des klar definierten Ziels der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmerinnen in einem schutzbedürftigen Zustand ist die Richtlinie 92/85 für mich nicht so zu verstehen, dass sie einer Mutter, deren genetisches Kind im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung geboren wurde, einen Anspruch auf einen dem Mutterschaftsurlaub entsprechenden bezahlten Urlaub sichert. Tatsächlich bin ich, obwohl Frau Z. die genetische Mutter eines von einer Ersatzmutter geborenen Kindes ist, nicht überzeugt, dass der Geltungsbereich der Richtlinie 92/85 allein aufgrund dieses Umstands ungeachtet ihres Wortlauts und ihrer klar definierten Ziele so verstanden werden kann, dass seine Ausdehnung auf den Schutz von Mutterschaft oder Elternschaft im Allgemeinen möglich wäre.

49.      Ich möchte jedoch hinzufügen, dass die Mitgliedstaaten natürlich sowohl für biologische als auch für Ersatz- und Adoptivmütter (und ‑väter) einen erweiterten Schutz vorsehen können, weil das durch die Richtlinie 92/85 garantierte Schutzniveau nur einen Minimalkonsens widerspiegelt. Meines Erachtens haben die Mitgliedstaaten einen beträchtlichen Spielraum, auch Arbeitnehmerinnen, die kein Kind geboren haben, zusätzlich zu der in Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 92/85 geregelten Art von Urlaub Anspruch auf bezahlten Urlaub zu gewähren – wenn sie dies für angemessen halten.

50.      Soweit die im Ausgangsverfahren einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften den Anspruch auf Mutterschaftsurlaub nicht auf beauftragende Mütter ausdehnen, kann dies jedoch nicht als Verstoß gegen die Richtlinie 92/85 ausgelegt werden. Und zwar ganz einfach deshalb, weil Frau Z. nicht in den sachlichen Geltungsbereich der Richtlinie 92/85 fällt.

51.      Hier muss ich betonen, dass die Ausweitung des Geltungsbereichs der Richtlinie 92/85 – und folglich die Ausdehnung des Anspruchs auf bezahlten Urlaub auf eine Arbeitnehmerin, deren genetisches Kind von einer Ersatzmutter geboren wurde – zu einer widersprüchlichen Situation führen würde, in der durch die Richtlinie 92/85 der Anspruch auf bezahlten Urlaub auf eine Arbeitnehmerin, deren genetisches Kind von einer Ersatzmutter geboren wurde, nicht aber in gleicher Weise auch auf eine in einem Beschäftigungsverhältnis stehende Adoptivmutter – oder auch auf einen Vater, sei er im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung oder auf sonstige Weise dazu geworden – ausgedehnt würde. Nach heutigem Stand der Dinge gibt es für die Mitgliedstaaten keine unionsrechtliche Verpflichtung, für einen bezahlten Adoptions- oder Elternurlaub zu sorgen.

52.      Aus Art. 1 in Verbindung mit dem achten Erwägungsgrund der Richtlinie 92/85 geht klar hervor, dass von ihr nur eine bestimmte Kategorie von Arbeitnehmern erfasst wird, die der Unionsgesetzgeber als besonders schutzbedürftig erachtet. In dieser Hinsicht glaube ich nicht, dass eine Frau, die sich einer Ersatzmutter bedient, einer Frau gleichzusetzen ist, die nach einer Schwangerschaft und den mit ihr verbundenen physischen und psychischen Belastungen ein Kind zur Welt bringt.

53.      Dies schließt jedoch, wie vom vorlegenden Gericht ausgeführt, nicht per se den Schutz nach der Richtlinie 2006/54 aus. Dies wird durch das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Mayr(20) bestätigt, in dem es um den zeitlichen Aspekt des Begriffs der Schwangerschaft im Zusammenhang mit einer Behandlung zur In-vitro-Fertilisation geht.

2.      Wird die Situation von Frau Z. von der Richtlinie 2006/54 erfasst?

54.      Die Richtlinie 2006/54 ist nur anwendbar, wenn festgestellt wird, dass die beanstandete Ungleichbehandlung geschlechtsbedingt ist. Um zu veranschaulichen, warum ich nicht glaube, dass dies hier der Fall ist, erläutere ich zunächst, weshalb der vorliegende Fall von dem in der Rechtssache Mayr zu unterscheiden ist. Sodann widme ich mich der Frage der Identifizierung der richtigen Vergleichsgruppe.

55.      Vorausschicken möchte ich die Anmerkung, dass die umfangreiche Rechtsprechung des Gerichtshofs zwischen einer Diskriminierung aufgrund von Schwangerschaft und Mutterschaft nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2006/54 auf der einen und anderen Formen verbotener geschlechtsbedingter Diskriminierung gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. a oder b der Richtlinie auf der anderen Seite unterscheidet(21). In der Tat ist nach der Maxime, dass „Gleiches gleich zu behandeln“ bzw. „Ungleiches ungleich zu behandeln“ ist, anerkannt, dass, auch wenn die Feststellung einer Diskriminierung aufgrund Schwangerschaft und Mutterschaft die Existenz einer Vergleichsgruppe wegen der (geschlechts-)spezifischen Merkmale von Schwangerschaft oder Mutterschaft(22) nicht voraussetzt, dies bei anderen Formen der geschlechtsbedingten Diskriminierung sehr wohl der Fall ist.

56.      Insbesondere im Hinblick auf das Urteil Mayr erinnere ich daran, dass der Gerichtshof zu dem Schluss gekommen ist, dass sich eine Arbeitnehmerin, die sich einer Befruchtung in vitro unterziehe, nicht auf den Kündigungsschutz der Richtlinie 92/85 berufen könne, wenn die befruchteten Eizellen noch nicht in ihre Gebärmutter eingesetzt worden seien(23). Der Gerichtshof hat jedoch ferner erwogen, ob sich eine solche Arbeitnehmerin, die nicht im Sinne der Richtlinie 92/85 schwanger sei, nicht jedoch auf den Schutz vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts stützen könne, der durch die inzwischen durch die Richtlinie 2006/54 ersetzte Richtlinie 76/207/EWG(24) verliehen werde(25).

57.      Nach Ansicht des Gerichtshofs stellt die Kündigung einer Arbeitnehmerin wegen der Inanspruchnahme einer speziellen Behandlung(26), die ein wichtiges Stadium einer In-vitro-Fertilisation darstellt und die unmittelbar nur Frauen betrifft, eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar(27). Diese Argumentationslinie lässt sich bis zum Urteil Dekker(28) zurückzuverfolgen, in dem der Gerichtshof entschieden hat, dass eine ungünstigere Behandlung wegen Schwangerschaft nur Frauen gegenüber in Betracht komme. Der Gerichtshof hat diese Rechtsprechung fortgeführt und im Urteil Mayr, wie es scheint, zwischen einer geschlechtsspezifischen medizinischen Behandlung (im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft) und einer geschlechtsspezifischen Krankheit (im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft, aber nach Ende des Mutterschaftsurlaubs) unterschieden(29).

58.      Der im Urteil Mayr verfolgte Ansatz scheint sich eng an dem mit der In-vitro-Fertilisation verfolgten Ziel zu orientieren, durch einen medizinischen Eingriff bei der Frau eine Schwangerschaft herbeizuführen. Die Bezugnahme auf den Zweck von Art. 2 Abs. 3(30) der Richtlinie 76/207, nämlich Frauen, und vor allem schwangere Arbeitnehmerinnen, zu schützen, scheint zu bestätigen, dass die verbotene Diskriminierung in jenem Fall darin gesehen wurde, dass zwischen (geschlechts-)spezifischen Merkmalen der fraglichen, nur bei Frauen möglichen Behandlung auf der einen und der unionsrechtlich besonders geschützten Schwangerschaft auf der anderen Seite eine enge Verbindung besteht(31).

59.      Da die ungünstigere Behandlung, die Frau Z. beanstandet, nicht daraus resultiert, dass sie aufgrund einer Behandlung zur In-vitro-Fertilisation schwanger ist – bzw. wird –, sondern weil sie der weibliche Elternteil eines Kindes ist, halte ich es für erforderlich, eine männliche Vergleichsgruppe zu finden.

60.      Zudem möchte ich betonen, dass es im Ausgangsverfahren, anders als in der Rechtssache Mayr, nicht um Kündigung geht. Gegenstand ist der Anspruch auf eine bestimmte Art von Entgelt, und daher geht es konkret um Art. 4 der Richtlinie 2006/54 (obwohl das vorlegende Gericht auch deren Art. 14 anführt), der jede Diskriminierung aufgrund des Geschlechts „in Bezug auf sämtliche Entgeltbestandteile und -bedingungen“ verbietet.

61.      In dieser Hinsicht fällt es mir schwer, anzunehmen, dass Frau Z. Opfer einer verbotenen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geworden sei.

62.      Im vorliegenden Fall beruht die Ungleichbehandlung, die Frau Z. beanstandet, nicht auf dem Geschlecht, sondern auf der Weigerung der nationalen Behörden, die Situation einer beauftragenden Mutter mit der einer Frau, die ein Kind geboren hat, oder der einer Adoptivmutter gleichzusetzen. Daraus folgt, dass die Richtlinie 2006/54 auf die von Frau Z. beanstandete ungünstigere Behandlung nicht anwendbar ist.

63.      In der Tat zeigt sich, dass der männliche Elternteil eines im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung (oder auch auf andere Weise) geborenen Kindes in einer vergleichbaren Situation ganz genauso wie Frau Z. behandelt würde: Es ist anzunehmen, dass er, wie ein weiblicher beauftragender Elternteil, keinen Anspruch auf einen dem Mutterschafts- oder Adoptionsurlaub entsprechenden bezahlten Urlaub hätte. Meiner Meinung nach wäre eine Auslegung der Richtlinie 2006/54 dahin, dass sie es verbietet, einer Frau, deren Kind im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung geboren wird, bezahlten Urlaub zu versagen, ihrerseits ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Eine solche Auslegung hätte die widersprüchliche Wirkung, Männer zu diskriminieren, die Vater werden und sich in vollem Umfang um ein Kind kümmern. Eine Unterscheidung zwischen den Geschlechtern, die nicht auf den speziellen physischen und psychischen Begleiterscheinungen einer Schwangerschaft und Entbindung beruhte, würde meines Erachtens darüber hinaus ein Werturteil im Hinblick auf den qualitativen Unterschied zwischen Mutterschaft und Elternschaft im Allgemeinen darstellen.

64.      Hier neige ich der Ansicht zu, dass für eine Frau, die aufgrund einer Ersatzmuttervereinbarung Mutter wird, eine Adoptivmutter (oder je nach Fallgestaltung ein männlicher oder weiblicher Elternteil), die oder der das Kind nicht geboren hat, ein geeignetes Vergleichssubjekt wäre, was Frau Z. selbst einräumt. Wie eine Adoptivmutter ist sie Mutter geworden, ohne die physischen und psychischen Auswirkungen von Schwangerschaft und Geburt zu ertragen – wobei ich keineswegs die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit einer Ersatzmutterschaft (oder Adoption) kleinreden möchte.

65.      Was Adoptionen betrifft, gibt es im Unionsrecht keine Vorschriften, wonach ein Mitgliedstaat verpflichtet wäre, Adoptiveltern einen bezahlten Urlaub zuzugestehen. In Art. 16 der Richtlinie 2006/54 ist nur geregelt, dass Männer und Frauen, die einen Adoptions- oder Vaterschaftsurlaub in Anspruch nehmen, in Mitgliedstaaten, die solche Rechte anerkennen, vor Diskriminierung geschützt sind. Tatsächlich geht aus Art. 16 in Verbindung mit dem 27. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/54 eindeutig hervor, dass Diskriminierung im Sinne dieser Richtlinie nur in Bezug auf ein Recht möglich ist, das in den nationalen Rechtsvorschriften verankert ist. Ebenso stellt es die Richtlinie den Mitgliedstaaten frei, die Vorkehrungen zu treffen, die ihnen in Bezug auf diese Arten von Urlaub angemessen erscheinen(32). Im Ausgangsverfahren wurde Frau Z. nicht deshalb ungünstiger behandelt, weil sie Adoptionsurlaub genommen hätte.

66.      Mir scheint jedoch, dass eine gegenüber Adoptivmüttern ungünstigere Behandlung nicht ausgeschlossen werden kann.

67.      Insoweit sollte es, sofern im nationalen Recht eine Regelung über einen bezahlten Adoptionsurlaub – oder eine andere, nicht an die spezifische Voraussetzung einer Schwangerschaft der betroffenen Person geknüpfte Urlaubsform – vorgesehen ist, dem vorlegenden Gericht überlassen bleiben, im Licht dieses nationalen Rechts zu beurteilen, ob die Anwendung voneinander abweichender Vorschriften auf Adoptiveltern und auf Eltern, deren Kind im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung geboren wurde (und die als die rechtlichen Eltern des Kindes anerkannt sind), eine Diskriminierung darstellt(33).

68.      Alles in allem glaube ich, dass die Richtlinie 2006/54 deshalb, weil die Ungleichbehandlung, die Frau Z. beanstandet, keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt, nicht dahin ausgelegt werden kann, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die keinen dem Mutterschafts- oder Adoptionsurlaub entsprechenden bezahlten Urlaub für eine Frau vorsieht, die die genetische Mutter eines Kindes ist, das im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung geboren wurde(34).

3.      Der Einfluss des Primärrechts

69.      Für den Fall, dass die erste Frage verneint wird, möchte das vorlegende Gericht weiter wissen, ob die Richtlinie 2006/54 mit den Art. 3 EUV, 8 AEUV und 157 AEUV sowie mit den Art. 21, 23, 33 und 34 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) vereinbar ist.

70.      Erstens ist klar, dass die vom vorlegenden Gericht angeführten Vorschriften zusammen mit dem allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung als Grundlage für eine Überprüfung von Sekundärrechtsakten der Europäischen Union dienen können(35). Was aber Art. 3 EUV (in dem die allgemeinen Ziele der Europäischen Union niedergelegt sind), insbesondere dessen Abs. 3, und die Art. 8 AEUV und 157 AEUV betrifft, möchte ich darauf hinweisen, dass es bei diesen Vorschriften in ihren maßgebenden Teilen um die Gleichbehandlung von Männern und Frauen geht. Berücksichtigt man die oben gezogene Schlussfolgerung, dass ein Anspruch auf dem Mutterschafts- oder Adoptionsurlaub entsprechenden bezahlten Urlaub für beauftragende Mütter nicht in den Geltungsbereich der Richtlinien 92/85 und 2006/54 fällt, stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit der letztgenannten Richtlinie mit den erwähnten Vertragsbestimmungen nicht.

71.      Zweitens muss man sich, was die vom vorlegenden Gericht erwähnten Vorschriften der Charta (Art. 21, 23, 33 und 34) betrifft, bewusst machen, dass nach Art. 51 Abs. 1 der Charta deren Vorschriften für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union gelten. Mit anderen Worten, es muss ein hinreichend enger Bezug zum Unionsrecht festgestellt werden, damit die Anwendbarkeit der Charta ausgelöst wird. In diesem Sinne reicht es nicht aus, sich auf eine Vorschrift der Charta zu berufen, damit ein ansonsten in den Geltungsbereich des nationalen Rechts fallender Sachverhalt in einen solchen umgewandelt wird, der unter das Unionsrecht fällt(36). Dem ist so, weil die Charta nur so weit anwendbar ist, als ein Fall nicht nur eine Vorschrift der Charta, sondern auch eine andere, für den Fall unmittelbar relevante Vorschrift des Unionsrechts berührt(37). Wie ich oben aufzuzeigen versucht habe, scheint es hier keine solche Verbindung zu geben.

72.      Hinzu kommt, dass die Charta nach dem in ihrem Art. 51 Abs. 2 wiedergegebenen Grundsatz den Geltungsbereich des Unionsrechts nicht über die der Europäischen Union übertragenen Befugnisse hinaus ausdehnt. Und sie „begründet weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben für die … [Europäische] Union, noch ändert sie die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben“.

73.      Während bei der Auslegung des Sekundärrechts der Europäischen Union die Charta (und das gesamte Primärrecht) zweifellos zu berücksichtigen ist(38), vermag ich nicht zu erkennen, wie die vom vorlegenden Gericht angeführten Vorschriften der Charta so angewandt werden könnten, dass sie den sachlichen Geltungsbereich der Richtlinie 2006/54 ausdehnen. Wie oben dargelegt, bezieht sich die in Rede stehende Rüge einer Diskriminierung auf die Tatsache, dass Frau Z. nicht ebenso behandelt wurde wie eine Frau, die ein Kind geboren hat, oder eine Adoptivmutter; dieser Sachverhalt wird von dieser Richtlinie nicht erfasst. Eine spezifische Rechtsvorschrift, die die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers widerspiegelt, im Einklang mit den Art. 21 und 23 der Charta die substanzielle Gleichheit der Geschlechter zu fördern, kann nicht schlichtweg unter Bezugnahme auf Grundrechte so ausgelegt werden, als umfasste sie auch andere (mögliche) Formen der Diskriminierung(39). Auch kann eine solche Entscheidung die Gültigkeit der Richtlinie 2006/54 nicht beeinträchtigen.

74.      Zugegebenermaßen kann der Gerichtshof, wenn ein spezieller Sachverhalt (oder eine Personengruppe) in den Anwendungsbereich einer Rechtsvorschrift der Europäischen Union fällt, versuchen, die Widersprüche zwischen Sekundär- und Primärrecht durch eine „sehr teleologische“(40) Auslegung aufzulösen. Dies war der Fall im Urteil Sturgeon u. a.(41), in dem die einschlägigen Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 261/2004(42) im Licht des allgemeinen Grundsatzes der Gleichbehandlung ausgelegt wurden, um den Schutzbereich dieser Verordnung in Bezug auf Passagiere, deren Flüge verspätet sind, auszudehnen(43). Eine solche Auslegung erfordert aber zunächst, dass die beanstandete Ungleichbehandlung in den Anwendungsbereich der betreffenden Rechtsvorschrift fällt(44). Dies ist hier nicht der Fall.

75.      Wie ich oben erläutert habe, kann ich die bestehenden Rechtsvorschriften nicht dahin verstehen, dass sie eine Verpflichtung enthalten, einer Frau wie Frau Z., deren Kind im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung geboren wurde, bezahlten Urlaub zu gewähren. Nach dem Unionsrecht gibt es ausdrückliche Regelungen über bezahlten Mutterschaftsurlaub für Frauen, die ein Kind geboren haben. Was andere Arten von Urlaub angeht (insbesondere Adoptions- oder Elternurlaub), verfügen die Mitgliedstaaten über ein beträchtliches Ermessen, wenn sie die Vorkehrungen treffen, die sie für angemessen erachten.

76.      Im Licht der vorstehenden Erwägungen bin ich der Ansicht, dass die Fragen 1 und 2 so beantwortet werden sollten, dass die Richtlinie 2006/54 unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nicht gilt, in dem einer Frau, deren genetisches Kind im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung geboren wurde, ein dem Mutterschafts- und/oder Adoptionsurlaub entsprechender bezahlter Urlaub versagt wurde. Durch dieses Ergebnis wird die Gültigkeit dieser Richtlinie nicht in Frage gestellt.

C –    Diskriminierung aufgrund einer Behinderung

1.      Schutz durch die Richtlinie 2000/78

77.      Die Fragen 3, 4, 5 und 6 drehen sich um die Frage der Behinderung. Konkret ist sich das vorlegende Gericht nicht sicher, ob die Versagung eines dem Mutterschafts- oder Adoptionsurlaub entsprechenden bezahlten Urlaubs eine Diskriminierung aufgrund einer Behinderung nach der Richtlinie 2000/78 darstellt (insbesondere Frage 3). Dem liegt zugrunde, dass die betroffene Mutter an einer Fehlbildung leidet, aufgrund deren sie nicht schwanger werden kann.

78.      In diesem Zusammenhang möchte das Equality Tribunal auch wissen, welche Bedeutung dem VN-Übereinkommen bei der Auslegung der Richtlinie 2000/78 beizumessen sei und ferner, ob dieses Übereinkommen die Gültigkeit dieser Richtlinie beeinträchtigen könnte (Fragen 5 und 6). In Frage 4 wird zudem die Frage nach der Gültigkeit in Bezug auf bestimmte Vorschriften des Primärrechts aufgeworfen.

79.      Einleitend möchte ich anmerken, dass der Gerichtshof in dem kürzlich ergangenen Urteil Ring(45) bereits eine Teilantwort auf die fünfte Frage gegeben hat. In jener Rechtssache hat er bestätigt, dass die Richtlinie 2000/78 nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit dem VN-Übereinkommen auszulegen sei(46). Gemäß Art. 216 Abs. 2 AEUV binden die von der Europäischen Union geschlossenen internationalen Übereinkünfte die Organe der Union. Daher müssen sie Vorrang vor den Rechtsakten der Europäischen Union haben(47).

80.      Tatsächlich ist klar, dass das VN-Übereinkommen ein zwingender Parameter für die Auslegung der Richtlinie 2000/78 darstellt, soweit diese ein Rechtsakt der Europäischen Union ist, der Bezug auf Gegenstände nimmt, die in diesem Rechtsinstrument geregelt sind(48) – worüber sich alle Parteien, die Erklärungen abgegeben haben, einig sind.

81.      In Bezug auf das zweite durch die Fragen 5 und 6 aufgeworfene Problem, nämlich die Möglichkeit, die Vereinbarkeit der Richtlinie 2000/78 mit dem VN-Übereinkommen in Frage zu stellen, ist es ständige Rechtsprechung, dass der Gerichtshof die Gültigkeit von Sekundärrecht der Europäischen Union an einem internationalen Übereinkommen nur messen kann, wenn „Art und Struktur“ des betreffenden Übereinkommens dem nicht entgegenstehen und wenn zusätzlich die Bestimmungen des internationalen Übereinkommens inhaltlich unbedingt und hinreichend genau erscheinen(49). Wie ich unten näher erläutern werde, glaube ich nicht, dass das VN-Übereinkommen und konkret die vom vorlegenden Gericht angeführten Bestimmungen als Grundlage dafür dienen können, die Gültigkeit der Richtlinie 2000/78 in Frage zu stellen.

82.      Um festzustellen, ob die Richtlinie 2000/78 auf die Situation von Frau Z. anwendbar ist, werde ich zunächst kurz die Entwicklung des Begriffs der Behinderung im Zusammenhang mit der Richtlinie 2000/78 beschreiben. Sodann werde ich mich dem Geltungsbereich dieser Richtlinie zuwenden.

a)      Wird die Situation von Frau Z. vom Begriff der Behinderung im Sinne der Richtlinie 2000/78 erfasst?

83.      Es ist allgemein anerkannt, dass es (zumindest) zwei unterschiedliche Begriffe der Behinderung gibt: den medizinischen (oder individuellen) und den sozialen Begriff der Behinderung(50).

84.      Der medizinische Begriff betont vor allem das Individuum und die Beeinträchtigung, die es dem Betroffenen schwer macht, sich an das gesellschaftliche Umfeld anzupassen oder sich dort zu integrieren. Im Gegensatz zum medizinischen Modell betont das auf einem kontextabhängigen Ansatz beruhende soziale Verständnis von Behinderung die Wechselwirkung zwischen der Beeinträchtigung und der Reaktion der Gesellschaft bzw. die Art, wie eine Gesellschaft mit Menschen mit Behinderungen umgeht. Wichtig ist, dass dieses Modell ein eher integratives Verständnis von Behinderung ermöglicht. Von besonderer Bedeutung ist, dass Behinderung kontextabhängig und situationsbedingt ist. Eine Langzeiterkrankung, wie beispielsweise Diabetes oder eine Allergie, kann je nach Umfeld, eine Behinderung darstellen.

85.      Das VN-Übereinkommen spiegelt das soziale Modell von Behinderung wider. Dabei wird anerkannt, dass „Behinderung aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren entsteht, die sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern“(51). Nach diesem Verständnis entsteht eine Behinderung aufgrund des Unvermögens des sozialen Umfelds, sich auf die Bedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigungen einzustellen und Vorkehrungen zu treffen(52). Soweit das soziale Modell von Behinderung über die Grenzen dessen hinausgeht, was im eher herkömmlichen Sprachgebrauch unter Behinderung verstanden wird (einschließlich u. a. einer geistigen Behinderung), bietet das VN-Übereinkommen wohl einen stärkeren und weiter reichenden Schutz vor Diskriminierung als eine enge, auf das Individuum fokussierte Definition. In der Tat wird hier anerkannt, dass Behinderung „ebenso sehr ein soziales Konstrukt wie eine medizinische Tatsache“ ist(53).

86.      Vor diesem Hintergrund möchte ich darauf hinweisen, dass der Begriff der Behinderung in der Rechtsprechung des Gerichtshofs im speziellen Kontext der Richtlinie 2000/78 eine beträchtliche Entwicklung erfahren hat.

87.      Nach dem Urteil des Gerichtshofs Chacón Navas(54) ist dem Begriff der Behinderung nicht nur deshalb eine autonome und einheitliche Auslegung zu geben, um eine einheitliche Anwendung sicherzustellen, sondern auch, damit der Gleichheitsgrundsatz im weitesten Sinne beachtet wird(55). In dieser Rechtssache hat sich der Gerichtshof für einen betont engen Begriff der Behinderung entschieden. Er hat sie als eine „Einschränkung [definiert], die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist und die ein Hindernis für die Teilhabe des Betreffenden am Berufsleben bildet“(56).

88.      Das Urteil Ring stellt jedoch wohl einen Paradigmenwechsel in der Rechtsprechung des Gerichtshofs dar. In jener Rechtssache wurde der unionsrechtliche Begriff der Behinderung ausdrücklich an den des VN-Übereinkommens angeglichen.

89.      Unter Berücksichtigung des VN-Übereinkommens hat der Gerichtshof anerkannt, dass Behinderung als ein sich „ständig weiterentwickelnder“ Begriff verstanden werden müsse. Im speziellen Kontext der Richtlinie 2000/78 sei dieser Begriff so zu verstehen, „dass er eine Einschränkung erfasst, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können“(57). Während der Grund der Behinderung (angeboren, Unfall oder Krankheit) irrelevant sei, müsse die Beeinträchtigung „langfristig“ sein(58).

90.      Nichtsdestotrotz scheint es zwischen der Definition des VN-Übereinkommens und der im Urteil Ring gewählten einen bemerkenswerten Unterschied zu geben. Während das VN-Übereinkommen weitgehend auf Teilhabe an der Gesellschaft Bezug nimmt, erfasst die Definition des Gerichtshofs nur eine Teilhabe am Berufsleben.

91.      Meiner Meinung nach wird diese Unterscheidung durch den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 diktiert, der durch vom Gesetzgeber getroffene politische Entscheidungen auf diesem speziellen Gebiet abgegrenzt wird. Daher ist sie letztlich untrennbar mit der Frage verbunden, was in die Zuständigkeit der Union fällt und was nicht. Die Kernfrage lautet daher: Gefährdet die Fehlbildung, an der Frau Z. leidet, ihre Aussichten auf Teilhabe am Berufsleben?

92.      Hierzu möchte ich betonen, dass das mit der Richtlinie 2000/78 verfolgte Ziel – wie es in Art. 1 heißt – die Errichtung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf wegen eines der Gründe ist, auf die in dieser Vorschrift Bezug genommen wird. Zu diesen Gründen gehört auch Behinderung. Wie oben erwähnt, wurde dieser Begriff in der Folgezeit durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs definiert(59).

93.      Ich hege keinen Zweifel daran, dass eine Fehlbildung wie die, unter der Frau Z. leidet, eine langfristige Einschränkung darstellen kann, die „insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist“. Aufgrund ihres Wunsches, ein eigenes Kind zu bekommen, ist die Fehlbildung, an der Frau Z. leidet, sicherlich eine große seelische Belastung. In der Tat ist es vorstellbar, dass diese Beeinträchtigung eine Person unter bestimmten Umständen im Licht des weiter gehenden gesellschaftlichen Verständnisses der Behinderung, das sich aus dem VN-Übereinkommen ableitet, an der vollen und wirksamen Teilhabe an der Gesellschaft hindern kann.

94.      Ich bin jedoch nicht überzeugt davon, dass die Richtlinie 2000/78 unter den in diesem Fall gegebenen spezifischen Umständen anwendbar ist.

95.      Ich glaube nicht, dass die Fehlbildung, an der Frau Z. leidet, sie im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs „in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren … an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern“ (Hervorhebung nur hier), hindert. Wie der Gerichtshof festgestellt hat, ist der Begriff der „Behinderung“ im Sinne der Richtlinie 2000/78 nämlich in Bezug auf die Möglichkeit dieser Person zu verstehen, zu arbeiten und eine berufliche Tätigkeit auszuüben(60). Dieser Ansatz scheint im Einklang mit den Zielen zu stehen, die mit der Richtlinie verfolgt werden, nämlich die Bekämpfung der Diskriminierung im speziellen Kontext der Beschäftigung, und folglich den Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung und die Ausübung eines Berufs zu ermöglichen.

96.      Anders ausgedrückt muss die Frage, was eine Diskriminierung im Sinne der Richtlinie 2000/78 darstellt, aufgrund der inhärent kontextbedingten Natur der Behinderung im Einzelfall im Licht der Erwägungen bewertet werden, die diesem Rechtsinstrument zugrunde liegen. Dementsprechend stellt sich die Frage, ob die fragliche Beeinträchtigung – in Wechselwirkung mit bestimmten Barrieren, seien sie physischer, einstellungsbedingter oder organisatorischer Natur – ein Hindernis für die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit darstellt.

97.      Wenngleich es eine Person, die sich wünscht, ein eigenes Kind zu haben, als zutiefst ungerecht empfinden mag, dass sie auf konventionellem Weg keines bekommen kann, ist es mir nicht möglich, den bestehenden rechtlichen Rahmen des Unionsrechts so auszulegen, dass er Sachverhalte erfasst, die nicht mit der Arbeitsfähigkeit einer Person in Verbindung stehen(61). Insoweit ist es nötig, die inhärent funktionale Natur des Begriffs der Behinderung im Sinne der Richtlinie 2000/78 zu unterstreichen. Meiner Meinung nach muss eine Wechselbeziehung zwischen dieser Beeinträchtigung und der Arbeitsfähigkeit des Betroffenen festgestellt werden, damit eine Beeinträchtigung in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fällt. Diese Verbindung scheint unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens zu fehlen(62). Den Akten ist nicht zu entnehmen, dass die Beeinträchtigung, an der Frau Z. leidet, diese an der Teilhabe am Berufsleben gehindert hätte.

98.      Daher bin ich der Ansicht, dass die ungünstigere Behandlung, die Frau Z. beanstandet, nicht so verstanden werden kann, dass sie in den Anwendungsbereich von Art. 5 der Richtlinie 2000/78 fällt.

99.      Für den Fall, dass der Gerichtshof jedoch zu der Ansicht gelangen sollte, dass die Richtlinie 2000/78 auf den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sachverhalt anwendbar ist, möchte ich die folgenden Bemerkungen zum Erfordernis der „angemessenen Vorkehrungen“ im Sinne von Art. 5 dieser Richtlinie hinzufügen.

b)      Angemessene Vorkehrungen: Schaffung eines Gleichgewichts zwischen den Interessen eines Menschen mit Behinderung und denen des Arbeitgebers

100. Selbst wenn, um auf diese Argumentation einzugehen, die von Frau Z. beanstandete Diskriminierung in den sachlichen Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 fallen sollte, sehe ich keine Möglichkeit, Art. 5 dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass ein Arbeitgeber verpflichtet wäre, einer Arbeitnehmerin in ihrer Situation bezahlten Urlaub zu gewähren. Tatsächlich ist ein Arbeitgeber nach dieser Vorschrift unter bestimmten Umständen verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um einem Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufs und den beruflichen Aufstieg zu ermöglichen.

101. Zugegebenermaßen schließt die Formulierung von Art. 5 oder des 20. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2000/78 nicht von vornherein die Möglichkeit aus, Art. 5 dahin auszulegen, dass ein bezahlter Urlaub zu gewähren wäre, damit angemessene Vorkehrungen sichergestellt sind.

102. Während Art. 5 lediglich fordert, dass Arbeitgeber „die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen“ ergreifen, enthält der 20. Erwägungsgrund eine nicht erschöpfende Liste von Maßnahmen, die als geeignet erachtet werden, den Arbeitsplatz behindertengerecht zu gestalten. Diese Maßnahmen schließen sowohl organisatorische als auch Maßnahmen ein, die die Geschäftsräumlichkeiten den Bedürfnissen eines Menschen mit Behinderung anzupassen bestimmt sind. Es ist auch klar, dass Erforderlichkeit und Eignung der Maßnahmen einzelfallbezogen beurteilt werden müssen(63). Zudem ist diese Vorschrift im Licht des Ziels von Art. 5 der Richtlinie 2000/78 – Zugang zur Beschäftigung und weitere Ausübung eines Berufs – weit auszulegen(64).

103. Demnach können angemessene Vorkehrungen für die Zwecke von Art. 5 der Richtlinie 2000/78 – bei Auslegung im Licht des VN-Übereinkommens – dem Arbeitgeber Kosten verursachen (sei es aufgrund der entsprechenden Gestaltung der Räumlichkeiten, sei es durch organisatorische Maßnahmen). Ich möchte jedoch unterstreichen, dass Art. 5 auch bestimmt, dass solche Vorkehrungen den Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig belasten dürfen. Gemäß dem 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78 sollen insbesondere der mit ihnen verbundene „finanzielle und sonstige Aufwand sowie die Größe [und] die finanziellen Ressourcen und der Gesamtumsatz des Unternehmens“ berücksichtigt werden.

104. Für mich ist hier sehr gut nachvollziehbar, dass man die Gewährung von (unbezahltem) Urlaub unter bestimmten Umständen als angemessen betrachten könnte, um sicherzustellen, dass die betroffene Arbeitnehmerin mit Behinderung im Sinne der Ziele der Richtlinie 2000/78 weiterhin einer Beschäftigung nachgehen und einen Beruf ausüben kann. Es fällt mir aber schwer, zu akzeptieren, dass aus Art. 5 der Richtlinie 2000/78 eine Verpflichtung des Arbeitgebers abgeleitet werden könnte, einen bezahlten Urlaub zu gewähren.

105. Der Anforderung, angemessene Vorkehrungen zu treffen, liegt nämlich die Überlegung zugrunde, einen gerechten Ausgleich zwischen den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen und denen des Arbeitgebers zu schaffen(65).

106. Im Urteil Ring hat der Gerichtshof entschieden, dass die Verkürzung der Arbeitszeit eine der angemessenen Vorkehrungsmaßnahmen im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 2000/78 darstellen kann. Es ist daher also anerkannt, dass die Verpflichtung, angemessene Vorkehrungen zu treffen, die Freiheit des Arbeitgebers, seine Geschäftsentscheidungen zu treffen, beeinträchtigen und eine finanzielle Belastung darstellen kann.

107. Während die Verkürzung der Arbeitszeit wohl eine beträchtliche finanzielle Belastung für den Arbeitgeber darstellen kann, wird dadurch jedoch ein Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitnehmerin und denen des Arbeitgebers geschaffen. Dafür, dass angemessene Vorkehrungen getroffen werden, trägt die Arbeitnehmerin im Gegenzug weiterhin zur Leistung des Betriebs bei. Obwohl die Frage im Urteil Ring nicht explizit angesprochen wird, scheint mir, dass ein angemessener Ausgleich zwischen den beteiligten Interessen nur dann erzielt wird, wenn der Verkürzung der Arbeitszeit als angemessene Vorkehrung eine entsprechende Herabsetzung des Arbeitsentgelts der Betroffenen gegenübersteht.

108. Im Unterschied zur Verkürzung der Arbeitszeit wird die Gewährung bezahlten Urlaubs einzig und allein den Interessen der Arbeitnehmerin gerecht. Anders als beim oben beschriebenen Sachverhalt stellt die Gewährung bezahlten Urlaubs nicht nur eine beträchtliche finanzielle Belastung für den Arbeitgeber dar; durch diesen Urlaub wird darüber hinaus nicht sichergestellt, dass die Arbeitnehmerin mit Behinderung als Gegenleistung für diese Vorkehrungen weiterhin die Erwerbstätigkeit ausübt. Wäre bezahlter Urlaub mit einer Verkürzung der Arbeitszeit gleichzusetzen, müsste man nämlich unterstellen, dass die Arbeitnehmerin (mit Behinderung) nach dem Urlaub auf jeden Fall wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehrt. Es wäre auch nicht auszuschließen, dass weitere Abwesenheitszeiten nötig werden, wenn sich die Arbeitnehmerin entscheidet, im Rahmen ähnlicher Vereinbarungen weitere Kinder zu bekommen. Im Licht dieser verschiedenen Unsicherheitsfaktoren, die mit bezahltem Urlaub aus Sicht des Arbeitgebers verbunden wären, ist ein Vergleich dieser Maßnahmen meiner Meinung nach nicht aussagekräftig(66).

109. Zudem scheint zwischen der Beeinträchtigung, unter der eine Frau wie Frau Z. leidet, und ihrem Bedürfnis, Urlaub zu nehmen, kein unmittelbarer Zusammenhang zu bestehen. Das Erfordernis angemessener Vorkehrungen verlangt vom Arbeitgeber nämlich, Maßnahmen zu treffen, die den Zugang zur Beschäftigung und die Ausübung eines Berufs erleichtern(67). Dies wird durch Art. 5 in Verbindung mit dem 20. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78 bestätigt.

110. Es stimmt natürlich, dass die getroffenen Vorkehrungen auf den jeweiligen Einzelfall abgestimmt werden müssen. Stehen jedoch die fraglichen Maßnahmen in keiner erkennbaren Verbindung damit, sicherzustellen, dass dem betroffenen Menschen mit Behinderung der Zugang zur Beschäftigung oder die Ausübung seines Berufs ermöglicht wird, kann Art. 5 meines Erachtens nicht dahin ausgelegt werden, dass der Arbeitgeber verpflichtet wäre, solche Maßnahmen zu ergreifen. Dies ist im Ausgangsverfahren der Fall. Aus den Akten geht hervor, dass das Bedürfnis, Urlaub zu nehmen, nicht zwingend in Korrelation dazu steht, Frau Z. die weitere Berufsausübung zu gewährleisten, sondern eher die Folge ihrer Entscheidung ist, sich einer Ersatzmutter zu bedienen.

2.      Der Einfluss des Primärrechts und des Völkerrechts

111. Die Fragen 4, 5 und 6 betreffen die Gültigkeit der Richtlinie 2000/78. Konkret möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie mit den Art. 10 AEUV und Art. 21, 26 und 34 der Charta auf der einen und mit dem VN-Übereinkommen auf der anderen Seite vereinbar ist.

112. Art. 10 AEUV enthält eine allgemeine Generalklausel, die ein bestimmtes politisches Ziel formuliert, dem die Europäische Union verpflichtet ist. Sie legt das Ziel der Bekämpfung von Diskriminierung, u. a. aus Gründen einer Behinderung, fest. Dieses Ziel wird durch die Richtlinie 2000/78 auf dem Gebiet der Beschäftigung und Berufsausübung gefördert. Ich verstehe diese Vorschrift des Primärrechts so, dass durch sie keine genauen Rechte oder Pflichten festgelegt werden, durch die die Gültigkeit der Richtlinie 2000/78 in Frage gestellt werden könnte.

113. Was die Gründe dafür betrifft, dass die Richtlinie 2000/78 meiner Meinung nach im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, verweise ich entsprechend auf meine Erläuterungen zur Charta oben in den Nrn. 71 bis 75.

114. Zur Vereinbarkeit der Richtlinie 2000/78 mit dem VN-Übereinkommen möchte ich bemerken, dass sich die Verpflichtungen, die in letztgenanntem Völkerrechtsinstrument festgelegt sind, wohl an die Vertragsstaaten wenden. Diese haben – nötigenfalls durch die Verabschiedung von Rechtsvorschriften – angemessene Vorkehrungen zu treffen, um den im VN-Übereinkommen verankerten Rechten von Menschen mit Behinderung Wirkung zu verleihen(68). Da das Übereinkommen programmatisch formuliert ist, kann ich es nicht so verstehen, dass es Vorschriften enthielte, die die Voraussetzung erfüllten, dass, wie oben ausgeführt, die Vorschrift unbedingt und hinreichend genau sein muss. Folglich glaube ich nicht, dass eine Anfechtung der Gültigkeit der Richtlinie auf das VN-Übereinkommen gestützt werden kann(69).

115. Nichtsdestotrotz werde ich mich kurz mit den vom vorlegenden Gericht genannten Vorschriften befassen.

116. Erstens beziehen sich die Art. 5, 6 und 28 des VN-Übereinkommens(70) nicht speziell auf Beschäftigung und Beruf. Sie legen allgemeine Verpflichtungen für die Vertragsparteien fest, Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass die Ziele des VN-Übereinkommens erreicht werden. Folglich sehe ich nicht, wie diese Vorschriften als Grundlage dazu dienen könnten, die Gültigkeit der Richtlinie 2000/78 in Frage zu stellen.

117. Zweitens heißt es in Art. 27 Abs. 1 Buchst. b des VN-Übereinkommens, dass „[d]ie Vertragsstaaten die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit, einschließlich für Menschen, die während der Beschäftigung eine Behinderung erwerben, durch geeignete Schritte [sichern und fördern], einschließlich des Erlasses von Rechtsvorschriften, um unter anderem … das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen, einschließlich Chancengleichheit und gleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit … zu schützen“.

118. Diese Vorschrift stellt es somit ins Ermessen der Vertragsstaaten, die zu treffenden Maßnahmen festzulegen. Daher wird die Freiheit der Europäischen Union, Rechtsakte zu verabschieden, um die Verwirklichung der im VN-Übereinkommen verankerten Rechte zu fördern, durch Art. 27 Abs. 1 Buchst. b dieses Übereinkommens nicht eingeschränkt.

119. Im Licht der vorstehenden Überlegungen bin ich der Ansicht, dass die Fragen 3, 4, 5 und 6 so beantwortet werden sollten, dass die Richtlinie 2000/78 unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar ist, in dem einer Frau, die an einer Fehlbildung leidet, so dass sie nicht schwanger werden kann, und deren genetisches Kind im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung geboren wurde, ein dem Mutterschafts- oder Adoptionsurlaub entsprechender bezahlter Urlaub versagt wurde. Durch dieses Ergebnis wird die Gültigkeit dieser Richtlinie nicht in Frage gestellt.

D –    Abschließende Bemerkungen

120. Trotz des Ergebnisses, zu dem ich oben gelangt bin, bedaure ich sehr, dass beauftragende Eltern aufgrund der in einer Reihe von Mitgliedstaaten bestehenden unsicheren Rechtslage in Bezug auf Ersatzmuttervereinbarungen zweifellos mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Ich glaube aber nicht, dass es Aufgabe des Gerichtshofs ist, im Wege einer konstruktiven Auslegung in die Richtlinien 2006/54 und 2000/78 (oder sogar die Richtlinie 92/85) etwas hineinzulesen, was dort ganz einfach nicht zu finden ist, und so selbst an die Stelle des Gesetzgebers zu treten. Dies wäre meines Erachtens ein Eingriff in das Vorrecht der Gesetzgebung.

121. Durch die richterliche Begründung eines Anspruchs auf bezahlten Urlaub würde nämlich Position zu ethischen Fragen bezogen, über die bisher noch nicht in einem Rechtssetzungsverfahren entschieden worden ist. Falls eine Ausdehnung des Schutzumfangs des Mutterschafts- oder Adoptionsurlaubs (oder tatsächlich die Schaffung einer gesonderten Art von Urlaub im Zusammenhang mit Ersatzmuttervereinbarungen) als gesellschaftlich wünschenswert angesehen wird, ist es Aufgabe der Mitgliedstaaten und/oder des Unionsgesetzgebers, die nötigen Rechtsakte zu verabschieden, um dieses Ziel zu erreichen.

IV – Ergebnis

122. Daher schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Equality Tribunal vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

–        Die Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) gilt nicht in einem Fall, in dem einer Frau, deren genetisches Kind im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung geboren wurde, ein dem Mutterschafts- und/oder Adoptionsurlaub entsprechender bezahlter Urlaub versagt wird.

Die Prüfung der Vorlagefragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Richtlinie 2006/54 beeinträchtigen könnte.

–        Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar, in dem einer Frau, die an einer Fehlbildung leidet, aufgrund deren sie nicht schwanger werden kann, und deren genetisches Kind im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung geboren wurde, ein dem Mutterschafts- und/oder Adoptionsurlaub entsprechender bezahlter Urlaub versagt wird.

Die Prüfung der Vorlagefragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Richtlinie 2000/78 beeinträchtigen könnte.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Beim Gerichthof anhängige Rechtssache CD (C‑167/12).


3 – Von der Europäischen Union am 23. Dezember 2010 ratifiziert. Siehe Beschluss 2010/48/EG des Rates vom 26. November 2009 über den Abschluss des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen durch die Europäische Gemeinschaft (ABl. L 23, S. 35) (Beschluss 2010/48 des Rates).


4 –      Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 348, S. 1).


5 –      Art. 2 Abs. 1 definiert unter Buchst. a als „schwangere Arbeitnehmerin“ „jede schwangere Arbeitnehmerin, die den Arbeitgeber gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten von ihrer Schwangerschaft unterrichtet“ und unter Buchst. b als „Wöchnerin“ „jede Arbeitnehmerin kurz nach einer Entbindung im Sinne der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten, die den Arbeitgeber gemäß diesen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten von ihrer Entbindung unterrichtet“.


6 – Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) (ABl. L 204, S. 23).


7 –      Richtlinie des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).


8 – Irish Statute Book, Nr. 34, 1994.


9 –      Irish Statute Book, Nr. 2, 1995.


10 – Bei diesen beiden Arten von Urlaub hängt der Anspruch auf Arbeitsentgelt von den Bedingungen des Arbeitsvertrags ab. Die betroffene Person kann aber Anspruch auf Mutterschafts- oder Adoptionsgeld haben. Der Social Welfare (Consolidation) Act 2005 (kodifiziertes Sozialschutzgesetz von 2005) sieht die Zahlung von Mutterschaftsgeld (Chapter 9) und von Adoptionsgeld (Chapter 11) vor, sofern bestimmte Voraussetzungen vorliegen.


11 –      Das Ministerium für Bildung in Irland war bereit, Frau Z. für die Zeit, die sie vor der Geburt ihres Kindes in Kalifornien verbrachte, unbezahlten Urlaub zu gewähren. Nach der Geburt des Kindes könne sie gesetzlichen Elternurlaub vom Tag der Geburt bis zum Ende des Schuljahres 2010 und erneut ab Beginn des nächsten Schuljahres in Anspruch nehmen. Die Höchstdauer des Elternurlaubs, auf den sie Anspruch habe, betrage 14 Wochen. Frau Z. behalte während der Sommermonate auch ihren Anspruch auf Entgeltzahlung wie gewohnt.


12 –      Einen Überblick über Ersatzmuttervereinbarungen und die damit verbundenen rechtlichen Fragen geben beispielsweise Trimmings, K., und Beaumont, P., „General Report on Surrogacy“, in Trimmings, K., und Beaumont, P. (Hrsg.), International Surrogacy Arrangements. Legal Regulation at the International Level, Hart Publishing, Oxford 2013, S. 439 bis 549.


13 – „Beauftragende Eltern“ sind Paare, die sich der Ersatzmutterschaft bedienen, um ihren Kinderwunsch zu erfüllen. In bestimmten Fällen wird auch der Begriff „Wunscheltern“ verwendet.


14 –      Dies ist eine hinsichtlich der Rechte der beauftragenden Mutter besonders problematische Frage, was in einem jüngst vom High Court in Irland entschiedenen Fall deutlich wird. Siehe M.R. & Anor An tArd Chlaraitheoir & Ors (2013) IEHC 91; hier wurde beim Supreme Court Rechtsmittel eingelegt. Tatsächlich hat es den Anschein, dass in etlichen Mitgliedstaaten die Frau, die das Kind zur Welt bringt, nach dem Grundsatz mater semper certa est als die rechtliche Mutter gilt, obwohl das Kind nicht notwendigerweise ihr genetisches Kind ist. Der Status des genetischen Vaters kann jedoch insofern weniger kompliziert sein, als die Vermutung der Vaterschaft in den meisten Rechtsordnungen widerlegbar ist. Zu den rechtlichen Lösungen in verschiedenen Rechtsordnungen vgl. Monéger, F. (Hrsg.), Surrogate motherhood: XVIIIth Congress, Washington D.C. 25-30 July 2010, Société de legislation comparée, Paris 2011.


15 –      Zur internationalen kommerziellen Ersatzmutterschaft siehe Brugger, K., „International law in the gestational surrogacy debate“, Fordham International Law Journal, 3(35) 2012, S. 665 bis 697. Die Autorin beschreibt dieses Phänomen mit kraftvollen Worten und spricht u. a. von „globalem Gebärmutterhandel“ und der „Industrie“ der Ersatzmutterschaft.


16 –      Vgl. beispielsweise Trimmings, K., und Beaumont, P., a. a. O., S. 503 bis 528. Siehe auch Gamble, N., „International surrogacy law conference in Las Vegas 2011“ Family Law, Februar 2012, S. 198 bis 201, insbesondere die angeführten Beispiele.


17 –      Vgl. u. a. Urteil vom 26. Februar 2008, Mayr (C‑506/06, Slg. 2008, I‑1017, Randnr. 31).


18 –      Vgl. auch Schlussanträge desGeneralanwalts Ruiz-Jarabo Cólomer in der Rechtssache Mayr (Nrn. 41 und 42).


19 –      Urteil vom 20. September 2007, Kiiski (C‑116/06, Slg. 2007, I‑7643, Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).


20 – Urteil Mayr (Randnr. 44).


21 – Vgl. u. a. Urteile vom 13. Februar 1996, Gillespie u. a. (C‑342/93, Slg. 1996, I‑475, Randnr. 17), vom 27. Oktober 1998, Boyle u. a. (C‑411/96, Slg. 1998, I‑6410, Randnr. 40), vom 30. März 2004, Alabaster (C‑147/02, Slg. 2004, I‑3101, Randnr. 46), vom 8. September 2005, McKenna (C‑191/03, Slg. 2005, I‑7631, Randnr. 50), und vom 1. Juli 2010, Parviainen (C‑471/08, Slg. 2010, I‑6533, Randnr. 40). Tatsächlich hat der Gerichtshof wiederholt betont, dass sich Frauen während eines gemäß der Richtlinie 92/85 gewährten Mutterschaftsurlaubs in einer besonderen Situation befinden, die verlangt, dass ihnen ein besonderer Schutz gewährt wird, die jedoch nicht mit der Situation eines Mannes oder einer Frau, die tatsächlich an ihrem Arbeitsplatz arbeiten oder Krankheitsurlaub haben, gleichgesetzt werden kann. Vgl. auch Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in den beim Gerichtshof anhängigen verbundenen Rechtssachen Terveys- ja sosiaalialan neuvottelujärjestö TSN (C‑512/11 und C‑513/11, Nrn. 47 und 48).


22 –      Siehe auch Erwägungsgründe 23 und 24 der Richtlinie 2006/54.


23 –      Urteil Mayr (Randnr. 53).


24 –      Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40).


25 – Urteil Mayr (Randnr. 54).


26 – Nämlich eine Follikelpunktion und die Einsetzung der daraus hervorgegangenen Eizellen sofort nach ihrer Befruchtung in die Gebärmutter der Frau.


27 – Urteil Mayr (Randnr. 50).


28 – Urteil vom 8. November 1990, Dekker (C‑177/88, Slg. 1990, I‑3941, Randnr. 12). Nach Ansicht des Gerichtshofs stellt die Entscheidung, eine Frau nicht einzustellen, weil sie schwanger ist, eine rechtswidrige Diskriminierung dar, weil nur Frauen die Einstellung aufgrund einer Schwangerschaft verweigert werden kann.


29 –      Vgl. u. a. insbesondere Urteil McKenna (Randnrn. 45 bis 54 und die dort angeführte Rechtsprechung). Tatsächlich sind schwangere Arbeitnehmerinnen wegen des besonderen Zustands der Schwangerschaft während der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs vor einer Kündigung geschützt. Nach Ende des Mutterschaftsurlaubs stellt sich jedoch die Frage, ob eine Arbeitnehmerin bei krankheitsbedingter Abwesenheit ebenso behandelt wird wie ein männlicher Arbeitnehmer. Ist dies der Fall, liegt keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vor.


30 –      Der damalige Art. 2 Abs. 3 bestimmte, dass diese Richtlinie „nicht den Vorschriften zum Schutz der Frau, insbesondere bei Schwangerschaft und Mutterschaft“ entgegenstehe.


31 – Urteil Mayr (Randnr. 51).


32 – Das Ermessen der Mitgliedstaaten wird insoweit durch die Richtlinie 2010/18/EU des Rates vom 8. März 2010 zur Durchführung der von BUSINESSEUROPE, UEAPME, CEEP und EGB geschlossenen überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub und zur Aufhebung der Richtlinie 96/34/EG (ABl. L 68, S. 13) beschränkt. Gemäß Paragraf 2 Abs. 1 der Rahmenvereinbarung „haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Fall der Geburt oder Adoption eines Kindes ein individuelles Recht auf Elternurlaub zur Betreuung des Kindes bis zu einem von den Mitgliedstaaten und/oder Sozialpartnern festzulegenden Alter des Kindes von bis zu acht Jahren“.


33 –      Der Gerichtshof hat jüngst auch entschieden, dass sich der im Unionsrecht verankerte Grundsatz der Gleichbehandlung nicht auf Ungleichbehandlungen von Adoptivvätern und biologischen Vätern erstreckt, die sich aus nicht in den Geltungsbereich des Unionsrechts fallenden nationalen Rechtsvorschriften ergibt. Vgl. Urteil vom 19. September 2013, Betriu Montull (C‑5/12, Randnrn. 71 bis 73).


34 –      Dennoch kann die Richtlinie 2006/54 unter bestimmten Umständen anzuwenden sein. Beispielsweise dann, wenn eine Frau, die im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung Mutter geworden ist und der nach nationalem Recht ein bezahlter Urlaub gewährt wird, Opfer von Diskriminierung wird, weil sie von diesem Urlaubsrecht Gebrauch gemacht hat, oder wenn eine solche Frau im Wesentlichen deshalb entlassen wird, weil sie Mutter geworden ist oder einen solchen Urlaub genommen hat. Eine derartige Behandlung ist jedoch nicht Gegenstand des Ausgangsverfahrens.


35 –      Tatsächlich ist nach einem allgemeinen Auslegungsgrundsatz ein Unionsrechtsakt so weit wie möglich in einer Weise, die seine Gültigkeit nicht in Frage stellt, und im Einklang mit dem gesamten Primärrecht auszulegen. Vgl. u. a. Urteil vom 16. September 2010, Chatzi (C‑149/10, Slg. 2010, I‑8489, Randnr. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).


36 –      In Bezug auf Fälle aus jüngerer Zeit, in denen sich der Gerichtshof durch einen mit Gründen versehenen Beschluss für unzuständig erklärt hat, weil keine solche Verbindung festgestellt werden konnte, vgl. u. a. Beschluss vom 12. Juli 2012, Currà u. a. (C‑466/11), und Beschluss vom 7. März 2013, Sindicato dos Bancários do Norte u. a. (C‑128/12). Vgl. auch Urteil vom 8. November 2012, Iida (C-40/11, Randnrn. 78 bis 81).


37 –      Eine hinreichend enge Verbindung zum Unionsrecht wurde in letzter Zeit u. a. festgestellt im Urteil vom 26. Februar 2013, Åkerberg Fransson (C‑617/10, vgl. insbesondere Randnr. 27), und im Urteil vom 21. Dezember 2011, N. S. (C‑411/10 und C‑493/10, Slg. 2011, I-13905, Randnr. 68). Für ein gegenteiliges Ergebnis vgl. Urteil Betriu Montull (Randnr. 72).


38 –      Urteile vom 5. Oktober 2012, McB. (C‑400/10 PPU, Slg. 2010, I‑8965, Randnrn. 51 und 52), und vom 15. November 2011, Dereci u. a., (C‑256/11, Slg. 2011, I-11315, Randnr. 71). Klarzustellen ist, dass eine unionsrechtliche Bestimmung, wenn sie nicht so ausgelegt werden kann, dass sie im Einklang mit den Grundrechten der Union steht, für ungültig erklärt werden muss. Vgl. Urteil vom 1. März 2011, Association belge des Consommateurs Test-Achats u. a. (C‑236/09, Slg. 2011, I‑773, Randnrn. 30 bis 34).


39 –      So ähnlich Schlussanträge von Generalanwalt Jääskinen in der beim Gerichtshof anhängigen Rechtssache Google Spain und Google (C‑131/12, Nr. 54).


40 –      Schlussanträge von Generalanwältin Sharpston in den verbundenen Rechtssachen Sturgeon u. a. (C-402/07 und C-432/07, Urteil vom 19. November 2009, Slg. 2009, I‑10923, Nr. 91).


41 –      Ebd.


42 –      Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. L 46, S. 1).


43 –      Urteil Sturgeon u. a., vor allem Randnr. 60.


44 –      Vgl. mutatis mutandis Urteil vom 15. Juni 1978, Defrenne (C‑149/77, Slg. 1978, 1365, Randnr. 24).


45 –      Urteil vom 11. April 2013, Ring (C‑335/11 und C‑337/11).


46 –      Ebd. (Randnr. 32).


47 – Urteil vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, Slg. 2011, I-13755, Randnr. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Urteil vom 22. November 2012, Digitalnet (C‑320/11, C‑330/11, C‑382/11 und C‑383/11, Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).


48 – Vgl. auch den Anhang zum Beschluss 2010/48 des Rates.


49 –      Urteil vom 12. Juli 2012, Association Kokopelli (C‑59/11, Randnr. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung).


50 – Vgl. beispielsweise Oliver, M., Understanding Disability: From theory to Practice, Palgrave Macmillan, Basingstoke: 2009 (2. Ausgabe); siehe vor allem S. 44 bis 46.


51 – Erwägungsgrund e) und Art. 1 des VN-Übereinkommens.


52 – Vgl. beispielsweise Waddington, L., „The European Union and the United Nations Convention on the Rights of Persons with Disabilities: A Story of Exclusive and Shared Competences“, Maastricht Journal of European and Comparative Law, 4(18) 2011, S. 431 bis 453, S. 436.


53 – Kelemen, R. D., Eurolegalism: The Transformation of Law and Regulation in the European Union, Harvard University Press, Cambridge Massachusetts: 2011, S. 202.


54 –      Urteil vom 11. Juli 2006, Chacón Navas (C‑13/05, Slg. 2006, I‑6467).


55 –      Ebd. (Randnrn. 40 und 41).


56 – Ebd. (Randnr. 43).


57 – Urteil Ring (Randnr. 38).


58 – Ebd. (Randnr. 39).


59 –      Urteile Chacón Navas (Randnr. 41) und Ring (Randnrn. 38 und 39).


60 – Urteil Ring (Randnr. 44).


61 – Jedoch ist die Möglichkeit einer anderen Schlussfolgerung nicht auszuschließen, falls Frau Z. beispielsweise aufgrund der Fehlbildung, an der sie leidet, entlassen worden wäre oder wenn sie nur aufgrund ihrer Beeinträchtigung nicht beschäftigt worden wäre.


62 –      Für eine solche Verbindung im Zusammenhang mit Führerscheinen vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der beim Gerichtshof anhängigen Rechtssache Glatzel (C‑356/12, Nr. 31).


63 –      Vgl. auch Art. 2 des VN-Übereinkommens, in dem „angemessene Vorkehrungen“ definiert werden als „notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen und die, wenn sie in einem bestimmten Fall erforderlich sind, vorgenommen werden, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen und ausüben können“.


64 –      Vgl. dazu das jüngst ergangene Urteil vom 4. Juli 2013, Kommission/Italien (C‑312/11, Randnr. 58). Vgl. auch Urteil Ring (Randnr. 56) und Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in dieser Rechtssache (Nrn. 54 bis 57).


65 –      Vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Ring Nr. 59 a. E.). Die Richtlinie 2000/78 fordert „einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des behinderten Arbeitnehmers, Maßnahmen zu seiner Unterstützung zu erfahren, und des Arbeitgebers, der Eingriffe in seine Betriebsorganisation sowie wirtschaftliche Einbußen nicht ohne weiteres hinnehmen muss“.


66 –      Meiner Meinung nach eignet sich die Gewährung unbezahlten Urlaubs viel besser für Vergleichszwecke. Hierbei ist der Unterschied gradueller und nicht substanzieller Natur. Ähnlich wie bei der Verkürzung der Arbeitszeit erhält der Arbeitnehmer kein Entgelt für die Zeit, während der er die Erfüllung seiner beruflichen Aufgaben nicht einstellt. Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass man Frau Z. angeboten hat, sowohl vor als auch nach der Geburt ihres Kindes freizunehmen.


67 –      Sicherlich können diese Vorkehrungen auf verschiedene Weise getroffen werden. Zusätzlich zu den oben genannten Maßnahmen (Gestaltung der Räumlichkeiten und organisatorische Maßnahmen) ist es sehr gut vorstellbar, dass Vorkehrungen auch darin bestehen können, dass Arbeitsabläufe geändert werden oder die Aufgabenaufteilung angepasst wird. Im Fall einer Depression kann es beispielsweise erforderlich sein, dass der Arbeitgeber sicherstellt, dass derjenige, der unter einer Depression leidet, nicht Stresssituationen ausgesetzt ist.


68 –      Siehe insbesondere Art. 4 des VN-Übereinkommens, der unter der Überschrift „Allgemeine Pflichten“ Folgendes vorsieht: „Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die volle Verwirklichung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen ohne jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung zu gewährleisten und zu fördern.“ Diese Vorschrift führt auch einige verpflichtende Maßnahmen zur Erreichung des mit dem VN-Übereinkommen verfolgten Zieles auf.


69 –      Deshalb braucht nicht ermittelt zu werden, ob die „Art und Struktur“ des Übereinkommens dem Gerichtshof erlauben, die Gültigkeit der Richtlinie 2000/78 zu überprüfen.


70 –      Art. 5 sieht u. a. vor, dass die Vertragsstaaten „jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung [verbieten] und … Menschen mit Behinderung gleichen und wirksamen rechtlichen Schutz vor Diskriminierung, gleichviel aus welchen Gründen [garantieren]“ sowie „alle geeigneten Schritte [unternehmen], um die Bereitstellung angemessener Vorkehrungen zu gewährleisten“. In Art. 6 wird im Speziellen anerkannt, dass Frauen und Mädchen mit Behinderungen verschiedenen Formen von Diskriminierung ausgesetzt sind, und festgelegt, dass die Vertragsstaaten „Maßnahmen [ergreifen], um zu gewährleisten, dass sie alle Menschenrechte und Grundfreiheiten voll und gleichberechtigt genießen können“. Art. 28 Abs. 2 Buchst. b erkennt das Recht von Menschen mit Behinderungen auf sozialen Schutz ohne Diskriminierung und die Pflicht der Staaten an, dieses Recht zu fördern und zu verwirklichen, u. a. dadurch, dass sie „Menschen mit Behinderungen, insbesondere Frauen und Mädchen sowie älteren Menschen mit Behinderungen, den Zugang zu Programmen für sozialen Schutz und Programmen zur Armutsbekämpfung … sichern“.