Language of document : ECLI:EU:T:2016:328

URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

1. Juni 2016(*)

„Gemeinsame Agrarpolitik – Direktzahlungen – Weitere Kriterien für im Umweltinteresse genutzte Flächen mit Niederwald mit Kurzumtrieb – Art. 45 Abs. 8 der delegierten Verordnung (EU) Nr. 639/2014 – Art. 46 Abs. 9 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 – Befugnismissbrauch – Rechtssicherheit – Nichtdiskriminierung – Berechtigtes Vertrauen – Eigentumsrecht – Begründungspflicht“

In der Rechtssache T‑662/14

Ungarn, vertreten durch M. Fehér und G. Koós als Bevollmächtigte,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch H. Kranenborg, A. Sipos und G. von Rintelen als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung des Teilsatzes in Art. 45 Abs. 8 Satz 1 der delegierten Verordnung (EU) Nr. 639/2014 der Kommission vom 11. März 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Änderung des Anhangs X der genannten Verordnung (ABl. 2014, L 181, S. 1), der wie folgt lautet: „indem sie aus der Liste gemäß Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 die aus ökologischer Sicht am besten geeigneten Arten auswählen und dabei eindeutig nicht heimische Arten ausschließen“

erlässt

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Prek sowie der Richterin I. Labucka und des Richters V. Kreuschitz (Berichterstatter),

Kanzler: S. Bukšek Tomac, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Dezember 2015

folgendes

Urteil(1)

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 608, im Folgenden: Grundverordnung) schafft einen neuen Rechtsrahmen für die im Zusammenhang mit der Gemeinsamen Agrarpolitik (im Folgenden: GAP) gewährten Direktzahlungen.

2        Eines der Ziele der GAP, wie sie in der Grundverordnung neu definiert worden ist, besteht in der Verbesserung ihrer Umweltleistung, indem die Direktzahlungen eine obligatorische Ökologisierungskomponente erhalten, durch die dem Klima- und Umweltschutz förderliche Landbewirtschaftungsmethoden in der gesamten Europäischen Union unterstützt werden. Zu diesem Zweck sollten die Mitgliedstaaten einen Teil der Mittel im Rahmen ihrer nationalen Obergrenzen für Direktzahlungen dazu verwenden, dass den Betriebsinhabern zusätzlich zur Basisprämie eine jährliche Zahlung für verbindlich zu beachtende Bewirtschaftungsmethoden gewährt wird, die vorrangig sowohl klima- als auch umweltpolitische Ziele verfolgen. Eine dieser Bewirtschaftungsmethoden, die für die gesamte beihilfefähige Fläche des Betriebs gelten sollte, besteht in der Errichtung von Flächen im Umweltinteresse (37. Erwägungsgrund der Grundverordnung). Diese Flächen sollten bestimmt werden, um insbesondere die biologische Vielfalt in Betrieben zu schützen und zu verbessern (44. Erwägungsgrund der Grundverordnung).

3        So bestimmt die Grundverordnung, dass die Betriebsinhaber ab dem 1. Januar 2015 eine Fläche, die mindestens 5 % des vom Betriebsinhaber angemeldeten Ackerlands des Betriebs entspricht, als im Umweltinteresse genutzte Fläche ausweisen müssen, wenn das Ackerland eines Betriebs mehr als 15 Hektar beträgt (Art. 46 Abs. 1 der Grundverordnung).

4        Zu den verschiedenen Flächen, die von den Mitgliedstaaten als im Umweltinteresse genutzte Flächen eingestuft werden können, gehören Flächen mit Niederwald mit Kurzumtrieb, auf denen keine mineralischen Düngemittel oder Pflanzenschutzmittel verwendet werden (Art. 46 Abs. 2 Buchst. g der Grundverordnung).

5        Um zu gewährleisten, dass im Umweltinteresse genutzte Flächen auf wirksame und kohärente Weise errichtet werden, bestimmt die Grundverordnung, dass der Europäischen Kommission die Befugnis übertragen wird, bestimmte Rechtsakte zur Festlegung weiterer Kriterien für die Ausweisung von Flächen als im Umweltinteresse genutzte Flächen zu erlassen (45. Erwägungsgrund der Grundverordnung). So sieht Art. 46 Abs. 9 Buchst. a der Grundverordnung vor, dass der Kommission die Befugnis übertragen wird, weitere Kriterien für die Einstufung der in Art. 46 Abs. 2 genannten Flächenarten, zu denen die o. g. Flächen mit Niederwald mit Kurzumtrieb gehören, als im Umweltinteresse genutzte Fläche festzulegen.

6        Die Kommission hat auf der Grundlage dieser Ermächtigung die delegierte Verordnung (EU) Nr. 639/2014 vom 11. März 2014 zur Ergänzung der Grundverordnung (ABl. 2014, L 181, S. 1, im Folgenden: delegierte Verordnung) erlassen.

7        Sie hat darin weitere Kriterien für bestimmte Arten von im Umweltinteresse genutzten Flächen bestimmt. In Bezug auf Flächen mit Niederwald mit Kurzumtrieb ohne Verwendung mineralischer Düngemittel und/oder von Pflanzenschutzmitteln hat die Kommission präzisiert, dass die Mitgliedstaaten eine Liste der Gehölzarten, die hierfür verwendet werden können, erstellen, indem sie aus der Liste gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. c der Grundverordnung die aus ökologischer Sicht am besten geeigneten Arten auswählen und dabei eindeutig nicht heimische Arten ausschließen (Art. 45 Abs. 8 der delegierten Verordnung).

8        Nach der Veröffentlichung der delegierten Verordnung hat Ungarn eine Klage beim Gericht erhoben, mit der es die Nichtigerklärung von Art. 45 Abs. 8 der Verordnung beantragt hat, soweit dieser bestimmt, dass für Niederwald mit Kurzumtrieb nur die aus ökologischer Sicht am besten geeigneten Gehölzarten ausgewählt werden können, so dass eindeutig nicht heimische Arten ausgeschlossen sind (im Folgenden: streitige Beschränkung).

 Verfahren und Anträge der Parteien

9        Mit Klageschrift, die am 15. September 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Ungarn die vorliegende Klage erhoben.

10      Ungarn beantragt,

–        den wie folgt lautenden Teilsatz von Art. 45 Abs. 8 Satz 1 der delegierten Verordnung für nichtig zu erklären: „indem sie aus der Liste gemäß Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 die aus ökologischer Sicht am besten geeigneten Arten auswählen und dabei eindeutig nicht heimische Arten ausschließen“;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

11      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        Ungarn die Kosten aufzuerlegen.

12      Das Gericht (Vierte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Die Parteien haben in der Sitzung vom 2. Dezember 2015 mündlich verhandelt und auf die mündlichen Fragen des Gerichts geantwortet.

 Zur Begründetheit

13      Ungarn ist im Wesentlichen der Ansicht, dass die Kommission durch den Erlass der streitigen Beschränkung erstens ihre Befugnis überschritten und den Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten in unzulässiger Weise eingeschränkt habe, zweitens der Grundverordnung zuwiderlaufende Kriterien berücksichtigt habe, drittens ihre Befugnis missbraucht habe, viertens den Grundsatz der Rechtssicherheit, fünftens den Grundsatz der Gleichbehandlung, sechstens den Grundsatz des Vertrauensschutzes, siebtens den Grundsatz des Schutzes des Eigentumsrechts und achtens die Begründungspflicht verletzt habe.

 Zur Verletzung der Grenzen der Ermächtigung der Kommission und des Ermessensspielraums der Mitgliedstaaten

14      Ungarn vertritt im Wesentlichen die Auffassung, die Festlegung der streitigen Beschränkung durch die Kommission sei rechtswidrig, da sie die ihr durch die Grundverordnung erteilte Ermächtigung überschritten habe und dadurch die Befugnis der Mitgliedstaaten theoretisch geworden sei, die als Niederwald mit Kurzumtrieb zulässigen Gehölzarten, die die Kriterien der im Umweltinteresse genutzten Fläche erfüllen, auszuwählen. Der offensichtlich weit gefasste Wortlaut der der Kommission erteilten Ermächtigung rühre daher, dass die Flächen, für die sie Kriterien bestimmen dürfe, besonders uneinheitlich seien. Daraus ergebe sich nicht, dass die Kommission über einen weiten Wertungsspielraum verfüge. Die Auswahl der zulässigen Gehölzarten unterliege der Zuständigkeit und dem weiten Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten, die ihnen von Art. 4 Abs. 1 Buchst. k und Abs. 2 Buchst. c der Grundverordnung sowie vom 55. Erwägungsgrund der delegierten Verordnung eingeräumt würden. Diese Zuständigkeit und dieser Ermessensspielraum stünden dem hier vorliegenden Gebrauch der Ermächtigung durch die Kommission entgegen. Die streitige Beschränkung nehme dem Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten seinen Sinn. Die Kommission stellt in Abrede, mit dem Erlass der streitigen Beschränkung die ihr von der Grundverordnung verliehenen Befugnisse überschritten zu haben.

15      Im Hinblick auf diese Rügen ist darauf hinzuweisen, dass Art. 4 Abs. 1 Buchst. k der Grundverordnung Niederwald mit Kurzumtrieb als „Flächen, die mit von den Mitgliedstaaten festzulegenden Gehölzarten des KN-Codes 0602 90 41 bestockt sind, bei denen es sich um mehrjährige Gehölzpflanzen handelt, deren Wurzelstock oder Baumstumpf nach der Ernte im Boden verbleibt und in der nächsten Saison wieder austreibt, wobei die maximalen Erntezyklen von den Mitgliedstaaten festzulegen sind“ definiert. Des Weiteren bestimmt Art. 4 Abs. 2 Buchst. c der Grundverordnung, dass die Mitgliedstaaten „die Gehölzarten [festlegen], die als Niederwald mit Kurzumtrieb gelten, und die maximalen Erntezyklen für die Gehölzarten im Sinne von [Artikel 4] Absatz 1 Buchstabe k [der Grundverordnung] … bestimmen“.

16      Außerdem wird der Kommission durch Art. 46 Abs. 9 Buchst. a der Grundverordnung die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte zu erlassen, um weitere Kriterien für die Einstufung der in Art. 46 Abs. 2 dieser Verordnung genannten Flächenarten als im Umweltinteresse genutzte Fläche festzulegen. Nach dieser Bestimmung beschließen die Mitgliedstaaten spätestens zum 1. August 2014, dass eine oder mehrere der weiter in diesem Artikel aufgezählten Flächen als im Umweltinteresse genutzte Flächen anzusehen sind. Unter diese Aufzählung fallen Flächen mit Niederwald mit Kurzumtrieb, auf denen keine mineralischen Düngemittel oder Pflanzenschutzmittel verwendet werden. Demnach verleiht Art. 46 Abs. 9 Buchst. a der Grundverordnung der Kommission die Befugnis, Kriterien für die Einstufung der Flächen mit Niederwald mit Kurzumtrieb, auf denen keine mineralischen Düngemittel oder Pflanzenschutzmittel verwendet werden, als im Umweltinteresse genutzte Fläche festzulegen.

17      Im 45. Erwägungsgrund der Grundverordnung, in dem die Gründe für die der Kommission übertragene Befugnis präzisiert werden, wird ausgeführt: „Um zu gewährleisten, dass im Umweltinteresse [genutzte] Flächen auf wirksame und kohärente Weise und unter gleichzeitiger Berücksichtigung der besonderen Merkmale der Mitgliedstaaten errichtet werden, sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, bestimmte Rechtsakte zur Festlegung weiterer Kriterien für die Ausweisung von Flächen als im Umweltinteresse [genutzte] Flächen, zur Anerkennung anderer Arten von im Umweltinteresse genutzten Flächen, zur Festlegung von Umrechnungs- und Gewichtungsfaktoren für bestimmte Arten von im Umweltinteresse genutzte[n] Flächen, zur Festlegung von Regeln für die Anwendung durch die Mitgliedstaaten eines Teils der Maßnahme der im Umweltinteresse genutzten Fläche auf regionaler Ebene, zur Festlegung von Regeln für die gemeinsame Erfüllung der Verpflichtung, im Umweltinteresse genutzte Flächen von in unmittelbarer Nähe zueinander liegenden Betrieben zu erhalten, zur Festlegung des Rahmens für die von den Mitgliedstaaten festzulegenden Kriterien für die Definition der ‚unmittelbaren Nähe‘ und zur Festlegung der Verfahren für die Ermittlung des Verhältnisses von Waldflächen zu landwirtschaftlichen Flächen zu erlassen.“

18      Die Kommission hat die streitige Beschränkung, die ein zusätzliches Kriterium vorschreibt, damit eine Fläche als im Umweltinteresse genutzte Fläche eingestuft wird, in Anwendung von Art. 46 Abs. 9 Buchst. a der Grundverordnung erlassen. Die streitige Beschränkung schließt nämlich aus, dass eine bestimmte Fläche, die mit nicht heimischen Gehölzarten von Niederwald mit Kurzumtrieb bestockt ist, eine im Umweltinteresse genutzte Fläche ist. In Anwendung von Art. 46 Abs. 2 Buchst. g der Grundverordnung und der streitigen Beschränkung ist eine Fläche mit Niederwald mit Kurzumtrieb folglich unter der Voraussetzung als im Umweltinteresse genutzte Fläche einzuordnen, dass auf ihr keine mineralischen Düngemittel oder Pflanzenschutzmittel verwendet werden und dass der Niederwald aus heimischen Gehölzarten besteht.

19      Die Kommission hat ihre Befugnis durch den Erlass der streitigen Beschränkung nicht überschritten. Sie hat nämlich im Einklang mit Art. 46 Abs. 9 Buchst. a der Grundverordnung ein weiteres Kriterium festgelegt, um zu bestimmen, welche Flächenarten gemäß Art. 46 Abs. 2 der Grundverordnung als im Umweltinteresse genutzte Fläche angesehen werden konnten. Weder Art. 46 Abs. 9 Buchst. a der Grundverordnung noch die weiteren Bestimmungen dieser Verordnung sahen vor, dass sich dieses Kriterium nicht auf die Art des zu pflanzenden Gehölzes beziehen durfte. Des Weiteren trug die streitige Beschränkung aus den unten in den Rn. 31 ff. aufgeführten Gründen dazu bei, die im Umweltinteresse genutzten Flächen wirksam und kohärent unter Berücksichtigung des Ziels der Erhaltung der biologischen Vielfalt dieser Flächen zu errichten.

20      Außerdem hat die Kommission durch den Erlass der streitigen Beschränkung die Zuständigkeit und den Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten zur Festlegung der Gehölzarten, die zur Bildung von Niederwald mit Kurzumtrieb bestockt werden können, nicht verletzt.

21      Die Grundverordnung und insbesondere ihr Art. 4 Abs. 1 Buchst. k und Abs. 2 Buchst. c gewähren den Mitgliedstaaten keine ausschließliche Zuständigkeit für die Auswahl von Gehölzarten, die zur Errichtung von im Umweltinteresse genutzten Flächen zulässig sind. Wie die Kommission in ihren Schriftsätzen zutreffend ausführt, können die Mitgliedstaaten zwar eine Liste der Gehölzarten erstellen, die für Niederwald mit Kurzumtrieb verwendbar sind, jedoch können nur die Gehölzarten, die die in der Grundverordnung festgelegten Voraussetzungen erfüllen und den weiteren von der Kommission in Anwendung ihrer Befugnis festgelegten Kriterien entsprechen, berücksichtigt werden, um landwirtschaftliche Flächen als im Umweltinteresse genutzte Flächen einzustufen.

22      Des Weiteren verringert die streitige Beschränkung weder den Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten auf ein rein symbolisches Maß, noch nimmt sie ihr in der Praxis ihren Sinn. Ungarn hat nämlich die Feststellung der Kommission, wonach aus den Mitteilungen der Mitgliedstaaten gemäß Art. 46 Abs. 8 der Grundverordnung hervorgeht, dass sie heimische Gehölzarten zur Bildung von als im Umweltinteresse genutzten Flächen mit Niederwald mit Kurzumtrieb bestimmt hätten, nicht in Frage gestellt. Aus diesen Mitteilungen ergibt sich, dass 18 Mitgliedstaaten und die Regionen zweier weiterer Mitgliedstaaten insgesamt 19 Gehölzarten ausgewählt haben, mit denen im Umweltinteresse genutzte Flächen mit Niederwald mit Kurzumtrieb gebildet werden können. Die Mitgliedstaaten haben demnach Gehölzarten mitgeteilt, die sowohl die Anforderungen der Grundverordnung als auch die der streitigen Beschränkung erfüllten. Des Weiteren hat die Kommission vorgebracht, dass es in nahezu 75 % der Mitgliedstaaten einschließlich Ungarn Gehölzarten gebe, mit denen Niederwald mit Kurzumtrieb gebildet werden könne, der als im Umweltinteresse genutzte Fläche eingestuft werden könne. Im Rahmen der Mitteilung gemäß Art. 46 Abs. 8 der Grundverordnung hat Ungarn so fünf Gehölzarten bestimmt, die für die Errichtung von Niederwald mit Kurzumtrieb genutzt werden, nämlich Pappel, Weide, Erle, Esche und Ahorn.

23      Im Übrigen hat Ungarn sein Vorbringen, der Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten habe seinen Sinn verloren, da keine heimische Gehölzart wirtschaftlich rentabel sei, nicht hinreichend belegt. Ungarn hat nämlich nicht erläutert, auf welcher Grundlage es der Ansicht ist, die Rentabilität stelle einen Umstand dar, der bei der Festlegung weiterer Kriterien für die Einstufung von im Umweltinteresse genutzten Flächen zu berücksichtigen sei, zumal Art. 46 Abs. 2 der Grundverordnung für Niederwald mit Kurzumtrieb bestimmt, dass ein Anteil von 5 % der Flächen, die für die Verpflichtungen im Umweltinteresse auszuweisen sind, kein Ackerland sein darf. Des Weiteren hat Ungarn jedenfalls keinen Nachweis erbracht, dass der Anbau heimischer Gehölzarten für Niederwald mit Kurzumtrieb nicht wirtschaftlich rentabel sei.

24      Die vorstehenden Erwägungen werden durch die Berufung Ungarns auf den 55. Erwägungsgrund der delegierten Verordnung nicht in Frage gestellt. Dieser Erwägungsgrund lautet nämlich: „Da beim Anbau von Niederwald mit Kurzumtrieb lediglich ein geringer Einsatz von Produktionsmitteln erforderlich ist, wirkt sich dies indirekt förderlich auf die biologische Vielfalt aus. Zu diesem Zweck sollten die Mitgliedstaaten die Bedingungen für diese Art von im Umweltinteresse genutzten Flächen aufstellen, indem sie festlegen, welche Baumarten zulässig sind und welche Regeln für die Verwendung von Produktionsmitteln gelten.“ Dieser Erwägungsgrund betrifft also hauptsächlich Produktionsmittel. Des Weiteren kann ihm kein Vorrang vor Art. 46 Abs. 9 Buchst. a der Grundverordnung oder vor Art. 45 Abs. 8 der delegierten Verordnung zukommen, der die streitige Beschränkung enthält. Ungarn räumt dies implizit dadurch ein, dass es in der Klage ausführt, dass „den Erwägungsgründen im Gegensatz zu den Bestimmungen der Artikel keine rechtsverbindliche Wirkung zukommt“. Schließlich ist insoweit, als der genannte Erwägungsgrund den Mitgliedstaaten eine Zuständigkeit zuerkennt, zu beachten, dass er aus den oben in Rn. 21 aufgeführten Gründen nicht ausschließt, dass die Kommission die streitige Beschränkung erlässt. Dieser Erwägungsgrund vermag daher die vorangegangenen Erwägungen nicht zu beeinflussen.

25      Nach alledem sind die Vorwürfe Ungarns, die Kommission habe durch den Erlass der streitigen Beschränkung ihre Befugnis überschritten und den Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten in unzulässiger Weise eingeschränkt, zurückzuweisen.

 Zur Berücksichtigung von aus ökologischer Sicht am besten geeigneten Gehölzarten und zum Ausschluss nicht heimischer Gehölzarten

26      Ungarn vertritt die Auffassung, die Kommission habe durch die Aufnahme der beschränkenden Bedingung, die in der Verwendung von „aus ökologischer Sicht am besten geeigneten Gehölzarten“ besteht, einen Ansatz gewählt, der durch die Grundverordnung nicht anerkannt werde und kaum mit deren Sinn vereinbar sei. Des Weiteren beanstandet Ungarn die Tatsache, dass nur heimische Gehölzarten als aus ökologischer Sicht am besten geeignet gelten. Ein Ausschluss nicht heimischer Gehölzarten wäre nur dann zulässig, wenn allein die sich unmittelbar auf die biologische Vielfalt auswirkenden Flächen für die Umwelt förderlich wären. Diese Ansicht sei jedoch wissenschaftlich falsch und mit der Grundverordnung nicht vereinbar. Der Ausschluss nicht heimischer Gehölzarten aufgrund des Kriteriums der „aus ökologischer Sicht am besten geeigneten Gehölzarten“ weise einen offensichtlichen Beurteilungsfehler auf.

27      Was die Berücksichtigung von aus ökologischer Sicht am besten geeigneten Gehölzarten angeht, um eine Fläche mit Niederwald mit Kurzumtrieb als im Umweltinteresse genutzte Fläche festzulegen, ist darauf hinzuweisen, dass die Organe der Union im Bereich der GAP über ein weites Ermessen hinsichtlich der Definition der verfolgten Ziele und der Wahl des für ihr Vorgehen geeigneten Instrumentariums verfügen. Daraus folgt, dass sich die gerichtliche Kontrolle der materiellen Rechtmäßigkeit auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob die Organe bei der Ausübung ihrer Befugnisse einen offensichtlichen Fehler oder einen Ermessensmissbrauch begangen oder die Grenzen ihres Ermessens offensichtlich überschritten haben (vgl. Urteil vom 9. September 2011, Frankreich/Kommission, T‑257/07, EU:T:2011:444 Rn. 84 und 85 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Des Weiteren heißt es im 44. Erwägungsgrund der Grundverordnung:

„Es sollten im Umweltinteresse genutzte Flächen bestimmt werden, um insbesondere die biologische Vielfalt in Betrieben zu schützen und zu verbessern. Im Umweltinteresse genutzte Flächen sollten daher solche Flächen umfassen, die die biologische Vielfalt unmittelbar beeinflussen, etwa brachliegende Flächen, Landschaftselemente, Terrassen, Pufferstreifen, Aufforstungsflächen und Agrarforstflächen, oder Flächen, die aufgrund einer verminderten Nutzung der Produktionsmittel des Betriebs die biologische Vielfalt mittelbar beeinflussen, etwa Flächen mit Zwischenfruchtanbau und Winterbegrünung. …“

29      Im Umweltinteresse genutzte Flächen müssen somit eingerichtet werden, um die biologische Vielfalt in den Betrieben zu schützen und zu verbessern.

30      Die Kommission hat nun, indem sie die Gehölzarten berücksichtigt hat, die sie aus ökologischer Sicht für am besten geeignet erachtet, d. h. die im Hinblick auf das Gleichgewicht der natürlichen Umgebung oder die Rücksicht auf das Ökosystem der fraglichen Fläche am besten geeigneten Gehölzarten, ein Kriterium ausgewählt, das zur Erhaltung der biologischen Vielfalt beiträgt. Der Schutz des Gleichgewichts der natürlichen Umgebung von Flächen bei der Auswahl von Gehölzarten trägt nämlich dazu bei, die biologische Vielfalt im Betrieb zu erhalten, da sie die Beschädigung der Flächen verhindert. Deswegen hat die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem sie zur Bestimmung einer im Umweltinteresse genutzten Fläche im Sinn der Grundverordnung die aus ökologischer Sicht am besten geeigneten Gehölzarten berücksichtigt hat. Die Berücksichtigung dieses Kriteriums widerspricht nicht der Grundverordnung oder ihrem Sinn.

31      Soweit Ungarn in Abrede stellt, dass nur heimische Gehölzarten aus ökologischer Sicht am besten geeignet seien, ist anzumerken, dass die Kommission, ohne damit einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, davon ausgehen durfte, dass mit dem Anbau eindeutig nicht heimischer Gehölzarten als Niederwald mit Kurzumtrieb nicht sichergestellt werden kann, dass dieser Niederwald die biologische Vielfalt der Flächen der Betriebe, auf denen sie angepflanzt sind, schützt oder verbessert. Wie oben in Rn. 28 ausgeführt, besteht das mittels der im Umweltinteresse genutzten Flächen verfolgte Ziel darin, die biologische Vielfalt der Flächen in den Betrieben zu schützen und zu verbessern. Der Schutz der biologischen Vielfalt dieser Flächen setzt
den Schutz ihrer Umwelt voraus. Die Tatsache, dass die Kommission Niederwald aus heimischen Gehölzarten vorgeschrieben hat, wird jedoch zum Schutz dieser Umwelt und folglich der biologischen Vielfalt der fraglichen Flächen beitragen. Eine Gehölzart gilt nämlich dann als heimisch, wenn sie natürlich in einer Gegend wächst, ohne dass sie dorthin eingeführt wurde. Im Gegensatz dazu trägt die Anpflanzung von Gehölzarten, die nicht offensichtlich heimisch sind, nicht notwendigerweise zum Erhalt der Umwelt oder des Ökosystems einer landwirtschaftlichen Fläche bei, und Ungarn hat keinerlei Nachweise erbracht, die die Annahme stützen könnten, dass nicht heimische Gehölzarten im vorliegenden Fall die biologische Vielfalt in den Betrieben schützen und verbessern werden. Die Kommission durfte daher, ohne damit einen offensichtlichen Beurteilungsfehler oder einen Verstoß gegen die Grundverordnung zu begehen, die Anpflanzung von Gehölzarten auf im Umweltinteresse genutzten Flächen mit Niederwald mit Kurzumtrieb allein auf heimische Gehölzarten beschränken.

32      Ungarn ist ferner der Auffassung, die Kommission habe dadurch, dass sie mit dem Erlass der streitigen Beschränkung den Schwerpunkt auf die biologische Vielfalt unmittelbar beeinflussende Flächen gelegt habe, die zweite im 44. Erwägungsgrund der Grundverordnung niedergelegte Herangehensweise unberücksichtigt gelassen, nach der die biologische Vielfalt auch durch mittelbar beeinflussende Flächen gefördert werden könne, ohne jedoch in den Erwägungsgründen der delegierten Verordnung oder in der Klagebeantwortung den Grund für diese Wahl klar zu nennen. Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

33      Aus dem 44. Erwägungsgrund der Grundverordnung (vgl. oben, Rn. 28) gehe hervor, dass die im Umweltinteresse genutzten Flächen solche Flächen umfassen sollen, die die biologische Vielfalt unmittelbar oder mittelbar beeinflussen, ohne dass es eine Rangordnung zwischen diesen beiden Optionen gebe.

34      Im vorliegenden Fall zielt die streitige Beschränkung darauf ab, im Umweltinteresse genutzte Flächen auf der Grundlage ihrer unmittelbaren Auswirkung auf die biologische Vielfalt zu schaffen, da sie die Nutzung heimischer Gehölzarten für im Umweltinteresse genutzte Flächen mit Niederwald mit Kurzumtrieb vorschreibt.

35      Diese Wahl der Kommission kann nicht als mit dem Sinn der Grundverordnung unvereinbar angesehen werden, da diese die Möglichkeit vorsieht, Maßnahmen zu ergreifen, die die biologische Vielfalt unmittelbar beeinflussen. Die Kommission durfte daher in Ausübung ihres Ermessensspielraums eine Maßnahme wählen, die die biologische Vielfalt unmittelbar beeinflusst. Des Weiteren bedurfte diese Wahl einer Beschränkung mit unmittelbarer Auswirkung keiner ausdrücklichen Erklärung, da zum einen kein Rangverhältnis zwischen den beiden Optionen besteht und da es zum anderen im vorliegenden Fall in den Mitgliedstaaten, und insbesondere in Ungarn, heimische Gehölzarten gab, mit denen Niederwald mit Kurzumtrieb angelegt werden kann (vgl. oben, Rn. 22). Aufgrund dessen ist die Rüge Ungarns, die darauf gestützt ist, dass die Kommission ein Kriterium ausgewählt hat, das der biologischen Vielfalt unmittelbar den Vorzug gibt, zurückzuweisen.

36      Nach alledem sind die von Ungarn geltend gemachten Rügen, denen zufolge die streitige Beschränkung auf einem untauglichen Kriterium beruht und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler aufweist, zurückzuweisen.

[nicht wiedergegeben]

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Ungarn trägt die Kosten.

Prek

Labucka

Kreuschitz

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 1. Juni 2016.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Ungarisch.


1 –      Es werden nur die Randnummern dieses Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.