Language of document : ECLI:EU:T:2016:254

Vorläufige Fassung

Rechtssache T‑52/15

Sharif University of Technology

gegen

Rat der Europäischen Union

„Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Iran zur Verhinderung der nuklearen Proliferation – Einfrieren von Geldern – Unterstützung der iranischen Regierung – Forschung und Technologieentwicklung in militärischen oder militärisch relevanten Bereichen – Verteidigungsrechte – Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz – Rechts- und Beurteilungsfehler – Eigentumsrecht – Verhältnismäßigkeit –Ermessensmissbrauch – Antrag auf Schadensersatz“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Siebte Kammer) vom 28. April 2016

1.      Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Iran – Einfrieren der Gelder von Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die an der nuklearen Proliferation beteiligt sind oder diese unterstützen – Unterstützung der iranischen Regierung – Begriff – Erforderlichkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten, das eine Unterstützung der iranischen Regierung darstellt, und der Fortführung der proliferationsrelevanten nuklearen Tätigkeiten – Fehlen

(Beschlüsse des Rates 2010/413/GASP, Art. 20 Abs. 1 Buchst. b und c, und 2012/35/GASP, 13. Erwägungsgrund; Verordnung Nr. 267/2012 des Rates, Art. 23 Abs. 2 Buchst. a und d)

2.      Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Iran – Einfrieren der Gelder von Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die an der nuklearen Proliferation beteiligt sind oder diese unterstützen – Unterstützung der iranischen Regierung – Begriff – Forschung und Technologieentwicklung in militärischen oder militärisch relevanten Bereichen – Einbeziehung – Voraussetzung

(Beschlüsse des Rates 2010/413/GASP, Art. 1 Abs. 1 Buchst. c, und Art. 20 Abs. 1 Buchst. c; Verordnung Nr. 267/2012 des Rates, Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 23 Abs. 2 Buchst. d)

3.      Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Iran – Einfrieren der Gelder von Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die an der nuklearen Proliferation beteiligt sind oder diese unterstützen – Einschränkung des Rechts auf Informations- und Meinungsfreiheit – Einschränkung des Rechts auf Bildung – Einschränkung des Eigentumsrechts – Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – Fehlen

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 11, 14, 17 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1; Beschlüsse des Rates 2010/413/GASP und 2014/776/GASP; Verordnungen des Rates Nr. 267/2012 und Nr. 1202/2014)

4.      Außervertragliche Haftung – Voraussetzungen – Rechtswidrigkeit – Schaden – Kausalzusammenhang – Kumulative Voraussetzungen – Nichtvorliegen einer der Voraussetzungen – Abweisung der Klage in vollem Umfang

(Art. 340 Abs. 2 AEUV)

1.      Im Hinblick auf restriktive Maßnahmen gegen Iran wie das Einfrieren der Gelder von Einrichtungen, die die iranischen Regierung unterstützen, setzt das Tatbestandsmerkmal betreffend die Unterstützung dieser Regierung nicht voraus, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten, das eine Unterstützung der iranischen Regierung darstellt, und der Fortführung der proliferationsrelevanten nuklearen Tätigkeiten nachgewiesen wird.

Dieses Tatbestandsmerkmal erfasst zwar nicht jede Form der Unterstützung der iranischen Regierung, sondern nur solche Formen, die aufgrund ihrer quantitativen oder qualitativen Bedeutung zur Fortführung der iranischen Nukleartätigkeiten beitragen. In der vom Unionsrichter überprüften Auslegung im Hinblick auf den Zweck, durch Druck auf die iranische Regierung diese zur Einstellung, ihrer proliferationsrelevanten nuklearen Tätigkeiten zu zwingen, umschreibt das Tatbestandsmerkmal der Unterstützung der Regierung somit objektiv einen begrenzten Kreis von Personen und Einrichtungen, gegen die Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern erlassen werden können.

Im Licht des Zwecks der Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern ergibt sich aus diesem Tatbestandsmerkmal nämlich eindeutig, dass sich dieses gezielt und selektiv auf Tätigkeiten der betreffenden Person oder Einrichtung bezieht, die – auch wenn sie als solche in keinem direkten oder indirekten Zusammenhang mit der nuklearen Proliferation stehen – diese gleichwohl dadurch fördern können, dass durch sie Mittel oder Hilfen insbesondere materieller, finanzieller oder logistischer Art für die iranische Regierung bereitgestellt werden, die es ihr ermöglichen, die Tätigkeiten auf dem Gebiet der Proliferation fortzuführen.

Jedoch setzt der Begriff „Unterstützung der iranischen Regierung“ den Nachweis einer Verbindung zwischen der Unterstützung und den nuklearen Tätigkeiten der Islamischen Republik Iran nicht voraus. Insoweit ist das Tatbestandsmerkmal der Unterstützung der iranischen Regierung in Art. 20 Abs. 1 Buchst. c des Beschlusses 2010/413 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und in Art. 23 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 267/2012, das die Durchführung restriktiver Maßnahmen gegen Iran betrifft, nicht mit dem Tatbestandsmerkmal der Unterstützung der „proliferationsrelevanten nuklearen Tätigkeiten Irans oder der Entwicklung von Trägersystemen für Kernwaffen“ zu vermengen, das in Art. 20 Abs. 1 Buchst. b des genannten Beschlusses und in Art. 23 Abs. 2 Buchst. a der genannten Verordnung enthalten ist. Die Anwendung des ersten Tatbestandsmerkmals setzt nicht voraus, dass ein gewisser Grad der Verbindung – sei es auch nur mittelbar – mit den nuklearen Tätigkeiten Irans besteht, was dagegen für die Anwendung des oben genannten zweiten Tatbestandsmerkmals der Unterstützung der nuklearen Tätigkeiten Irans erforderlich ist.

In Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der Unterstützung der iranischen Regierung ergibt sich nämlich ausdrücklich aus dem 13. Erwägungsgrund des Beschlusses 2012/35, der den Beschluss 2010/413 abändert, durch den dieses Tatbestandsmerkmal in Art. 20 Abs. 1 Buchst. c des Beschlusses 2010/413 eingefügt wurde, dass der Rat der Ansicht ist, dass die Unterstützung der iranischen Regierung die proliferationsrelevanten nuklearen Tätigkeiten oder die Entwicklung von Trägersystemen für Kernwaffen begünstigen kann, und dass er deshalb die Kriterien für die Aufnahme in die Listen erweitern wollte, indem er den Erlass von Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern auf Personen und Einrichtungen ausdehnte, die die iranische Regierung unterstützen, ohne dabei zu verlangen, dass diese Unterstützung eine unmittelbare oder mittelbare Verbindung mit diesen Tätigkeiten aufweist.

Der Zusammenhang zwischen der Unterstützung der iranischen Regierung und der Fortführung der proliferationsrelevanten Tätigkeiten wird durch die einschlägige Regelung also ausdrücklich hergestellt. Vor diesem Hintergrund ist das Tatbestandsmerkmal der Unterstützung der iranischen Regierung dahin zu verstehen, dass es jede Unterstützung erfasst, die die weitere Entwicklung der nuklearen Proliferation, auch wenn sie keinen unmittelbaren oder mittelbaren Bezug zu dieser Entwicklung aufweist, aufgrund ihrer quantitativen oder qualitativen Bedeutung begünstigen kann, indem der iranischen Regierung Ressourcen oder insbesondere materielle, finanzielle oder logistische Mittel zur Verfügung gestellt werden. Folglich braucht der Rat nicht nachzuweisen, dass zwischen dem Verhalten, das eine Unterstützung darstellt, und der Erleichterung der proliferationsrelevanten Tätigkeiten eine Verbindung besteht, da diese Verbindung durch die geltenden allgemeinen Vorschriften hergestellt wird.

(vgl. Rn. 49-54)

2.      Aus dem Beschluss 2010/413 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und der Verordnung Nr. 267/2012 über die die Durchführung restriktiver Maßnahmen gegen Iran ergibt sich, dass restriktive Maßnahmen gegenüber Personen oder Einrichtungen erlassen werden können, die sich an der Beschaffung von verbotenen Gütern und Technologien in militärischen oder militärisch relevanten Bereichen durch die Islamische Republik Iran beteiligen oder technische Hilfe im Zusammenhang mit diesen Gütern und diesen Technologien leisten. Die Verbindung zwischen den Letztgenannten und der nuklearen Proliferation ist nämlich vom Unionsgesetzgeber in den allgemeinen Bestimmungen der anwendbaren Regelung hergestellt worden.

Insbesondere Art. 1 Abs. 1 Buchst. c des Beschlusses 2010/413 verbietet die Lieferung, den Verkauf oder die Weitergabe von Rüstungsgütern und sonstigem Wehrmaterial jeder Art, einschließlich Militärfahrzeugen und ausrüstung, an die Islamische Republik Iran. Nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 267/2012 ist es zudem verboten, für iranische Personen, Organisationen oder Einrichtungen oder zur Verwendung in Iran unmittelbar oder mittelbar technische Hilfe im Zusammenhang mit den Gütern und Technologien, die in der vom Rat angenommenen Gemeinsamen Militärgüterliste der Europäischen Union aufgeführt sind, oder im Zusammenhang mit der Bereitstellung, Herstellung, Wartung und Verwendung der in dieser Liste aufgeführten Güter zu erbringen. Durch dieses Verbot bezüglich bestimmter Militärausrüstungen im Rahmen der Verordnung Nr. 267/2012 hat der Gesetzgeber daher eine Verbindung zwischen der Beschaffung dieser Art von Ausrüstungen durch die Islamische Republik Iran und der Fortführung der proliferationsrelevanten nuklearen Tätigkeiten bzw. der Entwicklung von Trägersystemen für Kernwaffen durch die iranische Regierung hergestellt.

Diese Auslegung wird durch die Resolutionen 1737 (2006) und 1929 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen bestätigt, die im ersten und im vierten Erwägungsgrund des Beschlusses 2012/35 zur Änderung des Beschlusses 2010/413 angeführt werden. Die allgemeinen Bestimmungen der Union über den Erlass restriktiver Maßnahmen sind im Licht des Wortlauts und des Ziels der Resolutionen des Sicherheitsrats auszulegen, die sie umsetzen sollen. Die beiden vorstehend genannten Resolutionen beziehen sich auf den Erlass von Maßnahmen, die die Entwicklung sensibler Technologien durch die Islamische Republik Iran zur Unterstützung ihrer Nuklear- und Trägerraketenprogramme verhindern können. Insbesondere in den Listen für Ausrüstungsgegenstände und Technologien, deren Lieferung an die Islamische Republik Iran aufgrund der genannten Resolutionen verboten ist – vor allem die Resolution 1929 verweist auf diese Listen –, sind u. a. Satelliten und unbemannte Luftfahrzeuge angeführt.

Die Unterstützung der iranischen Regierung in Bezug auf Forschung und Technologieentwicklung in militärischen oder militärisch relevanten Bereichen erfüllt daher das in Art. 20 Abs. 1 Buchst. c des Beschlusses 2010/413 und Art. 23 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 267/2012 genannte Tatbestandsmerkmal der Unterstützung der iranischen Regierung, wenn sie sich auf in der Gemeinsamen Militärgüterliste aufgeführte Ausrüstungen oder Technologien bezieht, deren Beschaffung durch die Islamische Republik Iran verboten ist.

(vgl. Rn. 61-65)

3.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 109, 110)

4.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 120, 121)