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Klage, eingereicht am 7. Oktober 2022 – Sberbank Europe/EZB

(Rechtssache T-632/22)

Verfahrenssprache: Englisch

Parteien

Klägerin: Sberbank Europe AG (Wien, Österreich) (vertreten durch Rechtsanwalt O. Behrends)

Beklagte: Europäische Zentralbank

Anträge

Die Klägerin beantragt,

den Beschluss der EZB vom 27. Juli 2022 für nichtig zu erklären, mit dem diese der Klägerin den Zugang zu einer von der EZB am 27. Februar 2022 vorgenommenen Beurteilung nach Art. 18 der SRM-Verordnung1 , wonach die Tochtergesellschaft der Klägerin in Slowenien, die Sberbank banka d.d., ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt, verweigerte;

der EZB die Kosten der Klägerin aufzuerlegen.

Klagegründe und wesentliche Argumente

Die Klägerin stützt ihre Klage auf drei Gründe.

Die EZB habe Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union unrichtig ausgelegt und angewendet, indem sie fehlerhafterweise angenommen habe, dass das Recht jeder Person auf Zugang zu den sie betreffenden Akten nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta darauf beschränkt sei, die Akte überprüfen zu können, um in der Lage zu sein, das Recht auf Anhörung im Hinblick auf eine spezifische anfechtbare Entscheidung im Sinne von Art. 263 AEUV auszuüben, die von dem relevanten Organ gerade in Erwägung gezogen werde. Das Recht nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta kodifiziere den weiter zu verstehenden Grundsatz, dass die Verwaltung für die von der Verwaltung Betroffenen transparent sein sollte; dies werde durch den Umstand widergespiegelt, dass Art. 41 Abs. 2 Buchst. b anders als Art. 41 Abs. 2 Buchst. a und Art. 41 Abs. 2 Buchst. c nicht durch die Bezugnahme auf eine Entscheidung qualifiziert werde.

Die EZB habe Art. 22 Abs. 2 der SSM-Verordnung1 und Art. 32 Abs. 1 der SSM-Rahmenverordnung2 unrichtig ausgelegt und angewendet. Die Klägerin führt u. a. aus, dass der Begriff der Akte in Art. 22 Abs. 2 Satz 2 der SSM-Verordnung nicht eng dahin definiert sei, dass sie nur aus den Dokumenten bestehe, die die EZB zum Zweck einer spezifischen Entscheidung, die sie gerade in Erwägung ziehe, zusammenstelle, und dass die Definition der Akte nach Art. 32 Abs. 2 der SSM-Rahmenverordnung sämtliche Dokumente im Zusammenhang mit der Aufsicht über das maßgebliche von der EZB beaufsichtigte Unternehmen umfasse. Jedenfalls könne Art. 32 Abs. 1 der SSM-Rahmenverordnung nicht dahin ausgelegt werden, dass er den Umfang des Rechts nach Art. 22 Abs. 2 der SSM-Verordnung beschränke; Art. 22 Abs. 2 der SSM-Verordnung und Art. 32 Abs. 1 der SSM-Rahmenverordnung könnten nicht dahin ausgelegt werden, dass sie den Umfang des Rechts nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta beschränkten. Vorsorglich macht die Klägerin geltend, dass beide Vorschriften, wären sie so auszulegen, rechtswidrig wären, weil sie mit höherrangigem Recht nicht im Einklang stünden.

Der angefochtene Beschluss sei selbst auf der Grundlage der fehlerhaft engen Auffassung der EZB hinsichtlich des Rechts auf Zugang zu den Akten rechtswidrig, weil die EZB außer Acht gelassen habe, dass der Beschluss der EZB aus Gründen der Transparenz, insbesondere auf der Basis des Beschlusses der EZB vom 4. März 2004 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der EZB (EZB/2004/258/EG)1 , der zum Zeitpunkt des angefochtenen Beschluss in Erwägung gezogen worden sei, eine anfechtbare Entscheidung im Sinne von Art. 263 AEUV darstelle.

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1 Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 225, S. 1).

1 Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (ABl. 2013, L 287, S. 63).

1 Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank vom 16. April 2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM-Rahmenverordnung) (ABl. 2014, L 141, S. 1).

1 2004/258/EG: Beschluss der Europäischen Zentralbank vom 4. März 2004 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der Europäischen Zentralbank (ABl. 2004, L 80, S. 42).