URTEIL DES GERICHTS (Dritte erweiterte Kammer)
16. Juli 1998 (1)
„Beamte Hilfskräfte Hilfssitzungsdolmetscher des Europäischen Parlaments
Gemeinschaftssteuerpflicht“
In der Rechtssache T-109/96
Gilberte Gebhard, Konferenzdolmetscherin mit Wohnsitz in Heidelberg
(Deutschland), Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Thierry Schmitt und Pierre
Soler-Couteaux, Straßburg,
gegen
Europäisches Parlament, vertreten durch Abteilungsleiter Manfred Peter sowie
Didier Petersheim und João Sant'Anna, beide Juristischer Dienst, als
Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Generalsekretariat des Europäischen
Parlaments, Luxemburg-Kirchberg,
wegen Erstattung der Gemeinschaftssteuer, die zweimal bei der Auszahlung der
Bezüge an die Klägerin einbehalten wurde
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin V. Tiili sowie der Richter C. P. Briët,
K. Lenaerts, A. Potocki und J. D. Cooke,
Kanzler: A. Mair, Verwaltungsrat
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5.
Mai 1998,
folgendes
Urteil
Rechtlicher Rahmen des Rechtsstreits
- 1.
- Artikel 24 Absatz 1 Unterabsatz 2 des Vertrages vom 8. April 1965 zur Einsetzung
eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen
Gemeinschaften (Fusionsvertrag) bestimmt, daß der Rat auf Vorschlag der
Kommission und nach Anhörung der anderen beteiligten Organe mit qualifizierter
Mehrheit das Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden:
Statut) und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der
Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: BSB) erläßt.
- 2.
- Artikel 13 des Protokolls vom 8. April 1965 über die Vorrechte und Befreiungen
der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend: Protokoll) sieht folgendes vor:
„Von den Gehältern, Löhnen und anderen Bezügen, welche die Gemeinschaften
ihren Beamten und sonstigen Bediensteten zahlen, wird zugunsten der
Gemeinschaften eine Steuer gemäß den Bestimmungen und dem Verfahren
erhoben, die vom Rat auf Vorschlag der Kommission festgelegt werden.
Die Beamten und sonstigen Bediensteten sind von innerstaatlichen Steuern auf die
von den Gemeinschaften gezahlten Gehälter, Löhne und Bezüge befreit.“
- 3.
- Die am 5. März 1968 in Kraft getretenen BSB gelten gemäß ihrem Artikel 1 Absatz
1, geändert durch Artikel 3 der Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68
des Rates vom 29. Februar 1968 (ABl. L 56, S. 1), für jeden Bediensteten, der von
den Gemeinschaften durch Vertrag eingestellt wird. Nach Artikel 3 der BSB ist
Hilfskraft ein Bediensteter, der eingestellt wird, um bei einem Organ in Teil- oder
Vollbeschäftigung nach Artikel 52 eine Tätigkeit auszuüben.
- 4.
- Artikel 52 Buchstabe b steht in den BSB im Titel III Hilfskräfte und bestimmt,
daß die gesamte Beschäftigungszeit einer Hilfskraft einschließlich der Zeit einer
möglichen Verlängerung ihres Vertrages die Dauer eines Jahres nicht übersteigen
darf.
- 5.
- Artikel 78 der BSB schließlich lautet:
„Abweichend von den Vorschriften dieses Titels unterliegen die vom Europäischen
Parlament für die Dauer der Arbeiten seiner Sitzungsperioden eingestellten
Hilfskräfte den Einstellungs- und Vergütungsbestimmungen, die in dem Abkommen
zwischen diesem Organ, dem Europarat und der Versammlung der
Westeuropäischen Union über die Einstellung dieses Personals vorgesehen sind.
Die Bestimmungen dieses Abkommens sowie jede spätere Änderung dieser
Bestimmungen werden den für die Feststellung des Haushaltsplans zuständigen
Organen einen Monat vor ihrem Inkrafttreten zur Kenntnis gebracht.“
- 6.
- Nach Artikel 2 erster Gedankenstrich der (später geänderten) Fassung der
Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 260/68 des Rates vom 29. Februar 1968
zur Festlegung der Bestimmungen und des Verfahrens für die Erhebung der Steuer
zugunsten der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 56, S. 8) unterliegen
Hilfskräfte der Gemeinschaftssteuer.
- 7.
- Das Präsidium des Parlaments erließ durch Beschluß vom 16. Februar 1983 in
Anwendung des Artikels 78 BSB eine interne Regelung für „freiberuflich tätige
Konferenzdolmetscher“ (im folgenden: interne Regelung), die am 1. März 1983 in
Kraft trat.
- 8.
- 1984 trat das Parlament den fünfjährigen Rahmenvereinbarungen bei, die seit 1970
zwischen der Kommission und dem Internationalen Verband der
Konferenzdolmetscher (im folgenden: AIIC) geschlossen wurden, um die
Arbeitsbedingungen und die Bezüge der von der Kommission auf Kosten der
Gemeinschaftsorgane eingesetzten Freelance-Konferenzdolmetscher festzulegen.
- 9.
- Die Rahmenvereinbarungen gelten gemäß ihrem Artikel 1 Absatz 1 für Freelance-Konferenzdolmetscher, die von der Kommission unter den Bedingungen eingesetzt
werden, die in der Regelung für Konferenzdolmetscher des Organs festgelegt sind,
bei dem sie ihren Dienst leisten. Diese Dolmetscher werden kurzfristig per Telefon
oder Telefax für eine im allgemeinen auf einige Tage beschränkte Dauer engagiert.
Der förmliche Vertrag folgt danach in Form einer schriftlichen Bestätigung.
- 10.
- Darin wird darauf hingewiesen, daß das Arbeitsverhältnis der Regelung des Organs
unterliegt, für das der Betreffende tätig wird, und daß den vom Parlament
eingestellten Dolmetschern bei jeder ihr Arbeitsverhältnis betreffenden Streitigkeit
die in Titel VII des Statuts vorgesehenen Rechtsmittel gegeben sind.
- 11.
- Artikel 33 bestimmt, daß jedes Organ seine Regelung über Freelance-Konferenzdolmetscher an die geltende Rahmenvereinbarung anpaßt.
- 12.
- Die interne Regelung des Parlaments wurde daher an die am 15. September 1994
für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 1998 getroffene fünfjährige
Rahmenvereinbarung angepaßt. Der Generalsekretär des Parlaments übermittelte
dem Europarat und der Parlamentarischen Versammlung der WEU mit Schreiben
vom 31. März 1995 den Entwurf einer internen Regelung und wies darauf hin, daß
die neuen Vorschriften, sofern die beiden Adressaten keine Einwände hätten, am
17. April 1995 in Kraft treten würden. Die neue interne Regelung mit dem Titel
„Regelung betreffend Hilfssitzungsdolmetscher“ wurde vom Generalsekretär des
Parlaments am 17. April 1995 unterzeichnet.
- 13.
- Diese Regelung, die gemäß ihrem Artikel 1 in Anwendung des Artikels 78 BSB
erlassen wurde, gilt im Rahmen seines Vertrages für jeden Dolmetscher, der
eingestellt wird, um in Plenarsitzungen sowie in Sitzungen der Ausschüsse oder
anderer Organe des Parlaments in Teilbeschäftigung seine Dienste zu erbringen.
- 14.
- Artikel 2 bestimmt, daß diese Hilfssitzungsdolmetscher vom Europäischen
Parlament in Einklang mit Artikel 78 BSB und von der Kommission im Namen der
Europäischen Gemeinschaften gemäß Artikel 1 der geltenden Rahmenvereinbarung
eingestellt werden.
- 15.
- Artikel 3 sieht u. a. vor, daß die Einstufung, die Bezüge, die Reisekostenvergütung
und die Indexierungen, die den Hilfssitzungsdolmetschern gewährt werden, sich
vorbehaltlich der in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Regelungen nach
der Rahmenvereinbarung richten.
- 16.
- Artikel 4.1 bestimmt, daß die in den Artikeln 5 und 7 der Rahmenvereinbarung
vorgesehenen Bezüge und die Reisekostenvergütung der Bediensteten im Sinne der
internen Regelung der nach Maßgabe des Artikels 13 des Protokolls durch die
Verordnung Nr. 260/68 des Rates festgelegten Gemeinschaftssteuer unterliegen.
- 17.
- Schließlich verweist Artikel 8 bezüglich aller in der internen Regelung und in der
Rahmenvereinbarung nicht enthaltenen Fragen auf die Vorschriften der BSB und
die sonstigen für sämtliche Bediensteten geltenden Regelungen.
Sachverhalt
- 18.
- Die Klägerin wurde vom Parlament seit 1976 im Rahmen einer Reihe kurzfristiger
Verträge als Konferenzdolmetscherin beschäftigt.
- 19.
- Zwei dieser Verträge, nämlich für die Zeit vom 6. bis 9. November 1995 und vom
11. bis 14. Dezember 1995, wurden vom Parlament mit Schreiben vom 10.
November 1995 bzw. vom 8. Dezember 1995 bestätigt.
- 20.
- Mit Schreiben vom 29. Februar 1996 an das Parlament rügte die Klägerin, von
ihren Bezügen für diese beiden Verträge sei Gemeinschaftssteuer in Höhe von
477,61 ECU einbehalten worden, und machte geltend, Freelance-Dolmetscher
unterlägen gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 260/68 nicht dieser Steuer.
- 21.
- Das Parlament antwortete der Klägerin mit Schreiben vom 10. Juni 1996, daß es
gemäß Artikel 78 BSB Hilfskräfte für kurze Zeiträume einstellen könne, um den
zusätzlichen Personalbedarf decken zu können, der aufgrund der parlamentarischen
Tätigkeiten zu bestimmten Zeitpunkten auftrete. Artikel 78 BSB stehe in Titel III
Hilfskräfte , so daß Bedienstete, die nach dieser Vorschrift eingestellt würden,
gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 260/68 genauso wie die anderen Hilfskräfte
der Gemeinschaftssteuer unterlägen.
Verfahren
- 22.
- Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 17. Juli 1996 bei der Kanzlei des Gerichts
eingegangen ist, die vorliegende Klage auf Erstattung der Gemeinschaftssteuer
erhoben.
- 23.
- Durch Beschluß des Gerichts vom 4. Februar 1998 ist die Rechtssache, die
ursprünglich der Dritten Kammer zugewiesen war, gemäß Artikel 14 in Verbindung
mit Artikel 51 der Verfahrensordnung an die Dritte erweiterte Kammer verwiesen
worden.
- 24.
- Das Gericht (Dritte erweiterte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters
beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Es hat das Parlament im
Rahmen prozeßleitender Maßnahmen aufgefordert, ihm einige Informationen zu
übermitteln.
- 25.
- In der Sitzung vom 5. Mai 1998 sind die Parteien gehört worden und haben
mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.
Anträge der Parteien
- 26.
- Die Klägerin beantragt,
die Klage für zulässig zu erklären;
die Entscheidung, mit der ihre Beschwerde zurückgewiesen wurde, für
nichtig zu erklären;
die Befreiung von der Gemeinschaftssteuer und die Erstattung der Steuer
zuzüglich der gesetzlichen Zinsen anzuordnen;
dem Parlament die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
- 27.
- Das Parlament beantragt,
die Klage für unzulässig zu erklären;
festzustellen, daß die Einbehaltung der Gemeinschaftssteuer von den
Bezügen der Klägerin berechtigt ist;
die Kostenentscheidung nach der Verfahrensordnung des Gerichts zu
treffen.
Zur Zulässigkeit
- 28.
- Das Parlament bestreitet erstens das Rechtsschutzinteresse der Klägerin; diese
beschränke sich darauf, einen steuerlichen Kompetenzkonflikt zwischen der
deutschen Verwaltung und dem Parlament geltend zu machen, ohne darzulegen,
daß ihre Bezüge auch der nationalen Besteuerung unterlegen hätten.
- 29.
- Die Klägerin trägt vor, Anlaß für ihre Klage sei ihr ungewisser steuerlicher Status,
denn die Behörden der Bundesrepublik Deutschland, ihrem Wohnsitzland,
bestritten schon seit langem, daß die vom Parlament eingestellten Dolmetscher der
Gemeinschaftssteuer unterlägen.
- 30.
- Streitgegenstand ist die Erstattung der einbehaltenen Gemeinschaftssteuer; darin
liegt ein offenkundiges Rechtsschutzinteresse der Klägerin.
- 31.
- Zweitens macht das Parlament geltend, die Klage sei verspätet, da die Klägerin es
versäumt habe, bei früheren Verträgen die Einbehaltung der Gemeinschaftssteuern
anzufechten; drittens könne sie kaum ihre Eigenschaft als Hilfskraft bestreiten und
gleichzeitig die in Titel III der BSB vorgesehenen Rechtsmittel für sich
beanspruchen.
- 32.
- Es ist zweckmäßig, die Begründetheit der Klage vor diesen beidenUnzulässigkeitseinreden zu prüfen, denn um deren Begründetheit zu beurteilen,
kommt es auf die Beantwortung der materiell-rechtlichen Frage an, ob die Klägerin
rechtmäßig als Hilfskraft im Sinne von Titel III der BSB eingestellt wurde.
Zur Begründetheit
- 33.
- Die Klägerin stellt mit den von ihr geltend gemachten drei Nichtigkeitsgründen die
Rechtmäßigkeit der internen Regelung des Parlaments in Frage, auf die das
Parlament die Einbehaltung der streitigen Gemeinschaftssteuer gestützt habe.
Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 78 BSB und gegen Artikel 2 der
Verordnung Nr. 260/68
Vorbringen der Parteien
- 34.
- Die Klägerin macht geltend, sie dürfe der Gemeinschaftssteuer nicht unterworfen
werden, denn sie unterliege nicht den BSB und aufgrund ihrer spezifischen
Beschäftigungssituation auch nicht den in Anwendung des Artikels 78 BSB
erlassenen besonderen Bestimmungen.
- 35.
- Ihre einzelnen Verträge seien zwar jeweils kurzfristig gewesen, hätten sich aber seit
1976 jahrelang häufig wiederholt. Die effektive Dauer der Tätigkeit einer Hilfskraft
dürfe indes die Dauer eines Jahres nicht übersteigen.
- 36.
- Die in den Artikeln 1 bis 7 BSB enthaltenen allgemeinen Vorschriften sollten den
persönlichen Anwendungsbereich der BSB festlegen; sie sähen in bezug auf die
Definition einer Hilfskraft keine spezielle Ausnahmeregelung für Artikel 78 vor, die
eine Abweichung von Artikel 52 bedeuten würde. Artikel 78 lasse eine Ausnahme
von Titel III der BSB nur für die in dem genannten Abkommen vorgesehenen
Einstellungs- und Vergütungsbedingungen für Hilfskräfte zu, die das Parlament für
die Dauer seiner Sitzungsperioden beschäftigte; daher sei eine Ausnahme nur bei
den Kapiteln 3 Einstellungsbedingungen und 5 Bezüge und Kostenerstattung
des Titels III der BSB möglich
- 37.
- Das Parlament ist der Auffassung, auch Artikel 52 BSB sei aufgrund der in
Artikel 78 BSB vorgesehenen Ausnahmeregelung nicht auf Hilfssitzungskräfte
anwendbar. Die in diesem Artikel festgelegte zeitliche Begrenzung sei nicht
einschlägig; wollte man sie auf Hilfssitzungskräfte anwenden, käme dies einer
Aufhebung der in Artikel 78 vorgesehenen Ausnahmeregelung gleich; dieser Artikel
sehe jedoch ausdrücklich vor, daß das Parlament sich die Rechtsgrundlagen und die
Verfahren schaffe, um das zur Unterstützung der parlamentarischen Tätigkeiten
erforderliche zusätzliche Personal zu verwalten.
Würdigung des Gerichts
- 38.
- Aus den Akten ergibt sich, daß die Klägerin als Konferenzdolmetscherin für eine
Reihe von Beschäftigungsperioden eingestellt wurde, die jeweils nur einige Tage
dauerten; die Einstellung kam durch formlose Kontakte zustande und wurde später
schriftlich bestätigt.
- 39.
- Zwar hat der Gerichtshof festgestellt, daß Aushilfsdolmetscher, die von der
Kommission auf der Grundlage kurzfristiger Verträge eingestellt wurden, die wie
im Fall der Klägerin häufig jahrelang erneuert werden, nicht Bedienstete der
Gemeinschaften im Sinne der BSB sind; er hat jedoch die Frage der Anwendung
der vom Parlament aufgrund von Artikel 78 BSB erlassenen internen Regelung
ausdrücklich offengelassen (Urteil vom 11. Juli 1985 in der Rechtssache 43/84,
Maag/Kommission, Slg. 1985, 2581, Randnrn. 22 und 23).
- 40.
- Dieser Artikel ermächtigt nämlich das Parlament, in Abweichung von den
Bestimmungen des Titels III der BSB die Vertragsdauer der für die Abhaltung
seiner Tagungen erforderlichen Hilfskräfte auf die Dauer dieser Tagungen zu
beschränken. Hierzu verweist er auf die Bestimmungen über die Einstellung des zur
Unterstützung der parlamentarischen Tätigkeiten erforderlichen zusätzlichen
Personals, die zuvor von drei europäischen Organen bzw. Einrichtungen, die in
dieser Hinsicht ein spezifisches Interesse haben, vereinbart wurden.
- 41.
- Artikel 78 BSB hat also zum Ziel, dem Europäischen Parlament zu ermöglichen,
den zu bestimmten Zeitpunkten massiv auftretenden zusätzlichen Personalbedarf
zu decken, der für den ordnungsgemäßen Ablauf der Tagungen seiner
verschiedenen beratenden Organe erforderlich ist.
- 42.
- Daraus folgt, daß die in Artikel 52 Buchstabe b BSB für die Einstellung von
Hilfskräften festgelegte zeitliche Begrenzung für diese Aushilfsbediensteten
definitionsgemäß ohne jede Bedeutung ist, denn das Wesen ihrer Verträge der
regelmäßige Neuabschluß und die begrenzte Dauer entspricht im Gegenteil
gerade dem Begriff der Einstellung im Sinne des Artikels 78 BSB.
- 43.
- Das Parlament ist also nicht über den Rahmen der Ausnahmeregelung
hinausgegangen, die ihm der Rat in Artikel 78 BSB eingeräumt hat, indem es
aufgrund dieser Vorschrift die interne Regelung für Sitzungsdolmetscher erlassen
hat, denn diese Regelung gilt gemäß ihrem Artikel 1 nur für freiberufliche
Dolmetscher, die vom Parlament eingestellt werden, um in den Plenarsitzungen
sowie in Sitzungen der Ausschüsse oder anderer Organe des Parlaments in
Teilbeschäftigung ihre Dienste zu erbringen.
- 44.
- Die Einstellung der Klägerin als Bedienstete im Sinne von Artikel 78 BSB hatte
daher ohne weiteres zur Folge, daß sie Hilfskraft im Sinne des Titels III der BSB
war.
- 45.
- Da Hilfskräfte gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 260/68 der
Gemeinschaftssteuer unterliegen, hat das Parlament also dadurch, daß es in
Anwendung seiner internen Regelung die streitigen Gemeinschaftssteuern
einbehalten hat, nicht gegen diese Vorschrift verstoßen.
- 46.
- Der erste Klagegrund der Klägerin ist daher als unbegründet zurückzuweisen.
Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 24 Absatz 1 Unterabsatz 2 des
Fusionsvertrages
Vorbringen der Parteien
- 47.
- Nach Auffassung der Klägerin inkorporiert der Titel III der BSB aufgrund der
Verweisung auf das vor der Veröffentlichung der BSB zwischen dem Parlament,
dem Europarat und der Versammlung der Westeuropäischen Union geschlossene
Abkommen in Artikel 78 BSB ausschließlich die in diesem Abkommen enthaltenen
spezifischen Einstellungs- und Vergütungsbedingungen für Hilfssitzungskräfte.
- 48.
- Jede Änderung der spezifischen Bedingungen habe also automatisch eine Änderung
des Titels III der BSB zur Folge. Das Parlament habe deshalb zwangsläufig
dadurch gegen die in Artikel 24 Absatz 1 Unterabsatz 2 des Fusionsvertrags
festgelegte ausschließliche Kompetenz des Rates zum Beschluß der BSB verstoßen,
daß es gestützt auf Artikel 78 eine eigenständige interne Regelung für
Hilfssitzungsdolmetscher erlassen habe.
- 49.
- Außerdem habe das Parlament nicht nachgewiesen, daß es seine interne Regelung
vor ihrem Inkrafttreten den beiden anderen betroffenen Parteien zur Zustimmung
vorgelegt habe.
- 50.
- Zudem sei die interne Regelung nicht als Abkommen im Sinne des Artikels 78 BSB
aufzufassen, denn in ihrem Artikel 3.1, der die Vergütung der
Hilfssitzungsdolmetscher betreffe, werde auf eine Rahmenvereinbarung verwiesen,
die auf den Europarat und die Versammlung der Westeuropäischen Union nicht
anwendbar sei.
- 51.
- Da im übrigen keine dieser beiden Parteien des Abkommens im Sinne von
Artikel 78 ihre Dolmetscher einer Quellenbesteuerung unterwerfe, entspreche die
Erhebung der in der internen Regelung vorgesehenen Gemeinschaftssteuer nicht
dem Ziel dieses Abkommens.
- 52.
- Das Parlament trägt vor, es habe sich darauf beschränkt, unter Einhaltung der in
Artikel 78 vorgesehenen Modalitäten eine interne Regelung für als
Hilfssitzungsdolmetscher eingestellte Dolmetscher aufzustellen; diese Regelung
habe es vor ihrem Inkrafttreten den beiden anderen betroffenen Parteien zur
Zustimmung vorgelegt.
Würdigung des Gerichts
- 53.
- Wie sich aus der Prüfung des ersten Klagegrundes ergibt, ist das Vorbringen der
Klägerin, jede Änderung der spezifischen Bedingungen für Hilfssitzungskräfte habe
automatisch eine Änderung des Titels III der BSB zur Folge, nicht begründet. Im
Gegenteil ermächtigt Artikel 78 Absatz 2 die Parteien des Abkommens, dessen
Vorschriften zu ändern.
- 54.
- Weiter sind, was die Modalitäten der Annahme der geltenden internen Regelung
angeht, den Akten keine Einwände des Europarats oder der Versammlung der
Westeuropäischen Union gegen den Entwurf der internen Regelung zu entnehmen,
die der Generalsekretär des Parlaments ihnen mit Schreiben vom 31. März 1995
übermittelte, um sie gemäß Artikel 78 BSB um ihre Zustimmung zu ersuchen.
- 55.
- Damit ist die interne Regelung in Kraft getreten. Daß ihre materiellen Vorschriften
über den Rahmen der durch das Abkommen im Sinne von Artikel 78 BSB
festgelegten Einstellungs- und Vergütungsbedingungen hinausgegangen wären, ist
nicht nachgewiesen.
- 56.
- Insbesondere konnte das Abkommen, wie das Parlament vorgetragen hat, zum Ziel
haben, allein eine Gehaltstabelle nach Maßgabe der jeweiligen Sachzwänge der drei
am Abkommen beteiligten Parteien zu vereinbaren, nicht aber eine in jeder
Hinsicht gleiche Vergütung herbeizuführen.
- 57.
- Artikel 4.1 der internen Regelung schließlich führt nur Artikel 2 erster
Gedankenstrich der Verordnung Nr. 260/68 im Hinblick auf die Betroffenen durch,
indem er bestimmt, daß die Vergütung der Hilfssitzungsdolmetscher in Anwendung
des Artikels 78 BSB der Gemeinschaftssteuer unterliegt.
- 58.
- Damit ist das Vorbringen der Klägerin, die Erhebung der in der internen Regelung
vorgesehenen Gemeinschaftssteuer entspreche nicht dem Ziel des Abkommens im
Sinne von Artikel 78 BSB, gegenstandslos.
- 59.
- Demzufolge ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.
Zum Verstoß gegen Artikel 13 des Protokolls
- 60.
- Die Klägerin macht geltend, die BSB gälten nicht für freiberufliche
Konferenzdolmetscher; daher könne das Parlament sie nicht der
Gemeinschaftssteuer unterwerfen, ohne gegen die dem Rat in Artikel 13 des
Protokolls zugewiesenen Zuständigkeiten zu verstoßen.
- 61.
- Da die vom Parlament als Hilfssitzungsdolmetscher eingestellten
Konferenzdolmetscher als Hilfskräfte im Sinne des Titels III der BSB anzusehen
sind, beruht dieser Klagegrund auf einer falschen Prämisse; er ist daher
zurückzuweisen.
- 62.
- Aus diesen Gründen ist die Klage als unbegründet abzuweisen, ohne daß es einer
Prüfung der vom Parlament geltend gemachten zweiten und dritten
Unzulässigkeitseinrede bedürfte.
Kosten
- 63.
- Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag
zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 88 der Verfahrensordnung
tragen in den Streitsachen zwischen den Gemeinschaften und deren Bediensteten
die Organe ihre Kosten selbst.
- 64.
- Der auf Artikel 87 § 3 Absatz 2 der Verfahrensordnung gestützte Antrag des
Parlaments, die Klägerin zu verurteilen, ihm die böswillig verursachten Kosten zu
erstatten, ist in Anbetracht der schwierigen Rechtslage des vorliegenden
Rechtsstreits abzulehnen. Demnach trägt gemäß Artikel 88 der Verfahrensordnung
jede Partei ihre eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
- 1.
- Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
- Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.
TiiliBriët
Lenaerts
Potocki Cooke
|
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. Juli 1998.
Der Kanzler
Die Präsidentin
H. Jung
V. Tiili