Language of document : ECLI:EU:T:2012:296

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

13. Juni 2012(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke CERATIX – Ältere nationale Wortmarke CERATOFIX – Ernsthafte Benutzung der älteren Marke – Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑312/11

Süd-Chemie AG mit Sitz in München (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Baron W. von der Osten‑Sacken und A. Wenninger‑Lenz,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch G. Schneider als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin vor dem Gericht:

Byk‑Cera BV mit Sitz in Deventer (Niederlande), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J. Kroher und A. Hettenkofer,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 8. April 2011 (Sache R 1585/2010‑4) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Süd‑Chemie AG und der Byk‑Cera BV

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten L. Truchot, der Richterin M. E. Martins Ribeiro (Berichterstatterin) und des Richters A. Popescu,

Kanzler: S. Spyropoulos, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 14. Juni 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 11. Oktober 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des HABM,

aufgrund der am 30. September 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2012

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 2. November 2007 meldete die Streithelferin, die Byk‑Cera BV, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in ihrer geänderten Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen CERATIX.

3        Die Waren, für die die Eintragung beantragt wurde, gehören zu Klasse 1 im Sinne des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung und entsprechen folgender Beschreibung: „Chemische Zusätze zur Verbesserung der Oberflächen- und Aufbringungseigenschaften von Farben, Lacken, Druckertinten und verwandten Produkten, insbesondere von Wachsdispersionen auf Lösungsmittelbasis“.

4        Die Gemeinschaftsmarkenanmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 10/2008 vom 3. März 2008 veröffentlicht.

5        Am 3. Juni 2008 erhob die Klägerin, die Süd-Chemie AG, gemäß Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009) Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die in Randnr. 3 des vorliegenden Urteils genannten Waren.

6        Der Widerspruch wurde auf die ältere, in Deutschland am 4. September 2000 angemeldete und am 27. September 2000 unter der Nr. 30066136 für folgende Waren der Klasse 1 eingetragene Wortmarke CERATOFIX gestützt: „Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, insbesondere Alumosilicate als Zusätze bei der Herstellung von feuerfesten Materialien und Formkörpern sowie Glasuren“.

7        Als Widerspruchsgrund wurde das Eintragungshindernis des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) geltend gemacht.

8        Am 5. Februar 2009 verlangte die Streithelferin im Widerspruchsverfahren den Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke, woraufhin die Widerspruchsabteilung die Klägerin aufforderte, diesen Nachweis zu erbringen.

9        Am 17. Juni 2009 legte die Klägerin verschiedene Unterlagen zum Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke im Sinne von Art. 43 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009) vor.

10      Mit Entscheidung vom 29. Juli 2010 stellte die Widerspruchsabteilung fest, dass die Klägerin die ernsthafte Benutzung der älteren Marke nachgewiesen habe. Darüber hinaus bestehe angesichts der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der älteren Marke, der Identität der Waren und des Umstands, dass die Marken visuell und phonetisch zu einem mittleren Grad ähnlich seien, Verwechslungsgefahr. Die Widerspruchsabteilung gab deshalb dem Widerspruch statt.

11      Am 16. August 2010 legte die Streithelferin gemäß den Art. 57 bis 62 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009) beim HABM Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein.

12      Mit Entscheidung vom 8. April 2011 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) gab die Vierte Beschwerdekammer der Beschwerde statt und wies den Widerspruch zurück. Sie stellte fest, dass die von der Klägerin eingereichten Unterlagen als Nachweis der ernsthaften Benutzung im Sinne von Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 nicht ausreichten. Insbesondere heißt es in Randnr. 21 der angefochtenen Entscheidung, dass es für die Beschwerdekammer nicht erkennbar sei, auf welche Waren sich die urkundlichen Nachweise über die ältere Marke betreffende Benutzungshandlungen bezögen.

 Anträge der Verfahrensbeteiligten

13      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

14      Das HABM und die Streithelferin beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

15      Die Klägerin führt als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 15 und Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 an und trägt vor, dass entgegen der Entscheidung der Beschwerdekammer die von ihr im Verwaltungsverfahren vorgelegten urkundlichen Nachweise als Nachweis für die ernsthafte Benutzung der älteren Marke ausgereicht hätten.

16      Aus dem zehnten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 207/2009 ergibt sich, dass der Schutz älterer Marken nach Auffassung des Verordnungsgebers nur berechtigt ist, soweit diese Marken tatsächlich benutzt werden. Im Einklang mit diesem Erwägungsgrund sieht Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 vor, dass der Anmelder einer Gemeinschaftsmarke den Nachweis verlangen kann, dass die ältere Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Markenanmeldung, gegen die sich der Widerspruch richtet, in ihrem Schutzgebiet ernsthaft benutzt worden ist (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2002, Kabushiki Kaisha Fernandes/HABM – Harrison [HIWATT], T‑39/01, Slg. 2002, II‑5233, Randnr. 34; vgl. auch Urteil des Gerichts vom 27. September 2007, La Mer Technology/HABM – Laboratoires Goëmar [LA MER], T‑418/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17      Der Nachweis der Benutzung hat sich auf Ort, Zeit, Umfang und Art der Benutzung der Widerspruchsmarke zu beziehen (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, Sunrider/HABM – Espadafor Caba [VITAFRUIT], T‑203/02, Slg. 2004, II‑2811, Randnr. 37, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil des Gerichtshofs vom 11. Mai 2006, Sunrider/HABM, C‑416/04 P, Slg. 2006, I‑4237, und Urteil LA MER, oben in Randnr. 16 angeführt, Randnr. 52).

18      Dagegen zielt Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 weder auf eine Bewertung des kommerziellen Erfolgs noch auf eine Überprüfung der Geschäftsstrategie eines Unternehmens oder darauf ab, den Markenschutz nur umfangreichen Verwertungen von Marken vorzubehalten (Urteile des Gerichts VITAFRUIT, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 38, und vom 10. September 2008, Boston Scientific/HABM – Terumo [CAPIO], T‑325/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 28).

19      Wie sich aus dem Urteil des Gerichtshofs vom 11. März 2003, Ansul (C‑40/01, Slg. 2003, I‑2439, Randnr. 43), ergibt, wird eine Marke ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion, d. h. der Garantierung der Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, benutzt wird, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, wobei die Fälle ausgeschlossen sind, in denen die Marke nur symbolisch benutzt wird, um die durch sie begründeten Rechte zu wahren. Weiter wird mit der Bedingung einer ernsthaften Benutzung der Marke verlangt, dass die Marke so, wie sie in dem fraglichen Gebiet geschützt ist, öffentlich und nach außen benutzt wird (vgl. Urteil CAPIO, oben in Randnr. 18 angeführt, Randnr. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Die Frage, ob die Benutzung der Marke ernsthaft ist, ist anhand sämtlicher Umstände zu prüfen, die belegen können, dass die Marke tatsächlich geschäftlich verwertet wird; dazu gehören insbesondere Verwendungen, die im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen werden, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder zu gewinnen, die Art dieser Waren oder Dienstleistungen, die Merkmale des Marktes sowie der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der Marke (vgl. Urteil CAPIO, oben in Randnr. 18 angeführt, Randnr. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21      Bezüglich des Umfangs der Benutzung der älteren Marke sind insbesondere das Handelsvolumen aller Benutzungshandlungen sowie die Länge des Zeitraums, in dem Benutzungshandlungen erfolgt sind, und die Häufigkeit dieser Handlungen zu berücksichtigen (vgl. Urteil CAPIO, oben in Randnr. 18 angeführt, Randnr. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Bei der Prüfung der Ernsthaftigkeit der Benutzung einer älteren Marke im konkreten Fall ist eine umfassende Beurteilung unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Diese Beurteilung impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den berücksichtigten Faktoren. So kann ein geringes Volumen von unter der Marke vertriebenen Waren durch eine große Häufigkeit oder zeitliche Konstanz der Benutzungshandlungen dieser Marke ausgeglichen werden und umgekehrt. Außerdem können der erzielte Umsatz und die Menge der unter der älteren Marke verkauften Waren nicht absolut beurteilt werden, sondern müssen im Zusammenhang mit anderen relevanten Umständen wie dem Umfang der Geschäftstätigkeit, den Produktions- oder Vertriebskapazitäten oder dem Grad der Diversifizierung des Unternehmens, das die Marke verwertet, sowie den Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen auf dem betreffenden Markt gesehen werden. Der Unionsrichter hat daher entschieden, dass die Benutzung der älteren Marke nicht immer umfangreich zu sein braucht, um als ernsthaft eingestuft zu werden. Selbst eine geringfügige Benutzung kann also als ernsthaft eingestuft werden, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen wird, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder zu gewinnen (vgl. Urteil CAPIO, oben in Randnr. 18 angeführt, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Der Gerichtshof hat in Randnr. 72 des Urteils Sunrider/HABM (oben in Randnr. 17 angeführt) außerdem festgestellt, dass es nicht möglich ist, von vornherein und abstrakt zu bestimmen, ab welcher mengenmäßigen Grenze eine Benutzung als ernsthaft anzusehen ist, weshalb kein Mindestmaß der Benutzung, das das HABM oder auf eine entsprechende Klage hin das Gericht daran hindern würde, sämtliche Umstände des ihnen unterbreiteten Streitfalls zu würdigen, festgesetzt werden kann.

24      Das Gericht hat klargestellt, dass sich die ernsthafte Benutzung einer Marke nicht mit Wahrscheinlichkeitsannahmen oder Vermutungen nachweisen lässt, sondern auf konkreten und objektiven Umständen beruhen muss, die eine tatsächliche und ausreichende Benutzung der Marke auf dem betreffenden Markt belegen (Urteile des Gerichts vom 6. Oktober 2004, Vitakraft-Werke Wührmann/HABM – Krafft [VITAKRAFT], T‑356/02, Slg. 2004, II‑3445, Randnr. 28, und CAPIO, oben in Randnr. 18 angeführt, Randnr. 34).

25      Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die Beschwerdekammer in Randnr. 25 der angefochtenen Entscheidung zu Recht angenommen hat, dass die eingetragene Marke nicht im Sinne von Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 ernsthaft benutzt worden sei.

26      Da die Gemeinschaftsmarkenanmeldung der Streithelferin am 3. März 2008 veröffentlicht wurde, erstreckt sich der in Art. 43 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 genannte Zeitraum von fünf Jahren, wie die Beschwerdekammer in Randnr. 13 der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt hat, vom 3. März 2003 bis zum 2. März 2008.

27      Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, dass die Klägerin im Verwaltungsverfahren zum Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke folgende Unterlagen vorgelegt hat:

–      eine Erklärung von Dr. S., Leiter der Produktgruppe Spezialitäten der Klägerin, vom 2. Juni 2009,

–        Abbildungen von Verpackungen oder Säcken mit der Aufschrift CERATOFIX,

–        104 Rechnungen an Abnehmer in Deutschland aus den Jahren 2004 bis 2008,

–        die Kopie einer Seite aus der Broschüre „‚SCnews‘ 04/2007“.

28      Die Klägerin trägt vor, die Beschwerdekammer habe der Erklärung von Dr. S. nicht den Beweiswert zuerkannt, der dieser aufgrund der Position des Erklärenden in ihrem Unternehmen zukomme. Sie macht in diesem Zusammenhang geltend, dass Dr. S. als Produktverantwortlicher für die Gruppe „Spezialitäten“ nicht nur aufgrund seiner fachlichen Kompetenz, sondern auch wegen seines Zugriffs auf die relevanten Informationen die am besten geeignete Person sei, um sich zur Benutzung der älteren Marke zu äußern. Die in der Erklärung enthaltenen Angaben seien durch weitere Unterlagen bestätigt worden.

29      Dazu ist festzustellen, dass bei der Beurteilung des Beweiswerts eines Dokuments zunächst die Wahrscheinlichkeit der darin enthaltenen Information zu prüfen ist. Zu berücksichtigen ist also, woher das Dokument stammt, unter welchen Umständen es erstellt wurde, an wen es gerichtet ist und ob es seinem Inhalt nach vernünftig und glaubhaft erscheint (Urteile des Gerichts vom 7. Juni 2005, Lidl Stiftung/HABM – REWE-Zentral [Salvita], T‑303/03, Slg. 2005, II‑1917, Randnr. 42, und CAPIO, oben in Randnr. 18 angeführt, Randnr. 40).

30      Aus der Rechtsprechung ergibt sich ferner zum einen, dass einer Erklärung, auch wenn sie im Sinne von Art. 76 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 40/94 von einem leitenden Mitarbeiter der Klägerin erstellt wurde, nur dann Beweiskraft zukommen kann, wenn sie durch andere Beweismittel gestützt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts Salvita, oben in Randnr. 29 angeführt, Randnr. 43, und vom 13. Mai 2009, Schuhpark Fascies/HABM – Leder & Schuh [jello SCHUHPARK], T‑183/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 39). Zum anderen kann der Umstand allein, dass die Erklärung von einem Angestellten der Klägerin stammt, ihr nicht jeden Wert nehmen (Urteil des Gerichts vom 16. November 2011, Buffalo Milke Automotive Polishing Products/HABM – Werner & Mertz [BUFFALO MILKE Automotive Polishing Products], T‑308/06, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 59).

31      Im vorliegenden Fall enthält die Erklärung von Dr. S. zwar Angaben sowohl zur Menge als auch zur Verwendung von Waren, für die die ältere Marke benutzt worden war; sie stammt jedoch von einem Angestellten der Klägerin, so dass die Beschwerdekammer der in Randnr. 30 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung entsprechend in Randnr. 18 der angefochtenen Entscheidung zutreffend davon ausgegangen ist, dass ihr nur dann Beweiswert zukommen könne, wenn sie durch andere Beweismittel gestützt werde.

32      Daraus folgt, dass zur Bestimmung des Beweiswerts der Erklärung zu prüfen ist, ob die Beschwerdekammer in Randnr. 21 der angefochtenen Entscheidung zu Recht angenommen hat, dass die übrigen von der Klägerin vorgelegten Unterlagen den Inhalt der Erklärung nicht stützten.

33      Somit sind die weiteren von der Klägerin für die ernsthafte Benutzung der älteren Marke angeführten Beweismittel zu prüfen.

34      Erstens wirft die Klägerin der Beschwerdekammer vor, sie habe die Besonderheit des Sektors der chemischen Erzeugnisse, die regelmäßig als Pulver oder als Flüssigkeit abgegeben würden, nicht berücksichtigt. Darüber hinaus erschließe sich die Art solcher Produkte – anders als bei anderen Waren wie Kleidungsstücken oder Nahrungsmitteln – nicht aus ihrer äußeren Erscheinung, was die Möglichkeit des Benutzungsnachweises durch selbsterklärende Produktabbildungen und die Möglichkeit, von einem unabhängigen, nicht weiter mit dem Produkt vertrauten Dritten eine sachdienliche Erklärung einzuholen, erheblich einschränke.

35      Es kann dahingestellt bleiben, ob beim Benutzungsnachweis in Bezug auf chemische Additive andere Kriterien zu berücksichtigen sind; insoweit genügt die Feststellung, dass, wie die Streithelferin geltend gemacht hat, chemische Additive in der Regel nicht als unmarkierte Gebinde in den Verkehr gebracht werden, da, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung im Übrigen ausgeführt hat, die Verpackungen, in denen die Produkte – wenn sie nicht lose verkauft werden – in den Verkehr gebracht werden, mit Informationen versehen sind, insbesondere mit einer Artikelnummer. Aus dieser Artikelnummer ließe sich, u. a. durch Bezugnahme auf eine Liste von Produkten, denen diese Nummern zugewiesen sind, auf die Art des verkauften Produkts schließen.

36      Es ist daher nicht richtig, wenn – wie die Klägerin dies getan hat – behauptet wird, dass für den Sektor der chemischen Erzeugnisse besondere Schwierigkeiten bestünden, die von der Beschwerdekammer im Rahmen des Nachweises der ernsthaften Benutzung hätten berücksichtigt werden müssen.

37      Zweitens rügt die Klägerin, die Beschwerdekammer habe nicht berücksichtigt, dass der Hersteller chemischer Additive Rechnungen nur an seine direkten Abnehmer ausstelle, so dass beweiskräftigere Rechnungen von Vertriebspartnern als Dritten an die Endabnehmer aufgrund des Fehlens einer solchen Vertriebsstufe regelmäßig nicht zur Verfügung stünden. Darüber hinaus sei es unüblich, dass die chemische Formulierung der betreffenden Produkte in den Rechnungen benannt werde.

38      Hierzu ist festzustellen, dass in den Rechnungen, die die Klägerin dem HABM übermittelt hat, nur die Wortmarke, die Art der Verpackung und die Artikelnummer angegeben ist, nicht aber die Art der jeweiligen Ware, so dass sich daraus nicht ergibt, welches Produkt verkauft wurde.

39      Anhand dieser Rechnungen – allein oder durch einen Vergleich der Informationen mit Katalogen oder anderen Unterlagen – lässt sich nämlich nicht bestimmen, welche Art von Waren Gegenstand des Geschäfts waren, für das die Klägerin die Rechnung ausgestellt hat (vgl. hierzu Urteil LA MER, oben in Randnr. 16 angeführt, Randnr. 66).

40      Da Angaben, anhand deren sich die Art der betreffenden Waren feststellen lässt, oder, wie die Beschwerdekammer in Randnr. 23 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, Referenzlisten fehlen, die es ermöglichten, über die Artikelnummer die verkauften Waren zu ermitteln, ist festzustellen, dass es nicht möglich ist, eine Verbindung zwischen dieser Marke und den Waren herzustellen, die damit bezeichnet worden sein sollen.

41      Zudem ist nicht ersichtlich, dass der Benutzungsnachweis schwerer zu erbringen wäre, wenn die Rechnungen unmittelbar vom Hersteller an die Industrieunternehmen statt von Vertriebspartnern an Endabnehmer ausgestellt werden, oder dass den Beweisen im letztgenannten Fall ein höherer Beweiswert zukäme.

42      Gleichgültig, ob die Waren an Industrieunternehmen oder an Endabnehmer verkauft werden, müssen die Rechnungen nämlich, um den Nachweis der ernsthaften Benutzung zu erbringen, jedenfalls Angaben enthalten, anhand deren sich – zumindest indirekt – die Art der Ware feststellen lässt, die Gegenstand des betreffenden Geschäfts war.

43      Drittens ist in Bezug auf die Abbildungen der Verpackungen mit der Aufschrift der älteren Marke festzustellen, dass sie keine direkten oder auch nur indirekten Rückschlüsse auf die Art der in diesen Verpackungen enthaltenen Waren zulassen. Diese Abbildungen, bezüglich deren nicht geprüft zu werden braucht, welche Folgen ihre fehlende Übermittlung an die Streithelferin – da die an diese gesandten Fotografien nichts erkennen ließen – hat, enthalten in vier Fällen lediglich die Angaben „CERATOFIX R 25 KG“ und „06/2009“ sowie die Angabe „LW: 1744“. Die letzte Abbildung zeigt mehrere aufeinandergestapelte Säcke, die in einer transparenten Folie gebündelt sind, die folgende Aufschrift erkennen lässt: „CERATOFIX WGA M9106 24,5 KG“.

44      Keine dieser Angaben verweist auf ein Dokument oder auf irgendetwas anderes, das es erlaubte, die Art der in diesen Säcken enthaltenen Ware festzustellen.

45      Viertens ist in Bezug auf die Kopie einer Seite aus der Broschüre „‚SCnews‘ 04/2007“ festzustellen, dass diese Broschüre Informationen über die Einführung einer neuen Produktreihe „CERATOFIX“, d. h. von Spezialadditiven für Trennmittel bei der Produktion von Reifen und Kunststoffen, enthält.

46      Zwar hat der Gerichtshof, wie die Klägerin hervorgehoben hat, in Randnr. 37 des Urteils Ansul (oben in Randnr. 19 angeführt) entschieden, dass sich die Benutzung der Marke auf Waren und Dienstleistungen beziehen muss, die bereits vertrieben werden oder deren Vertrieb von dem Unternehmen zur Gewinnung von Kunden insbesondere im Rahmen von Werbekampagnen vorbereitet wird und unmittelbar bevorsteht.

47      Nach Ansicht der Klägerin kann daher die Benutzung einer Marke als ernsthaft angesehen werden, wenn diese Marke nicht benutzt wird, um die Waren zu vertreiben, sondern um neue Absatzmärkte zu erschließen, was mit der genannten Broschüre, die eine Werbemaßnahme sei, belegt werde.

48      Diese Broschüre enthält jedoch, wie das HABM zutreffend festgestellt hat, keine Angaben zur Vermarktung oder zum Verkauf von Produkten, sondern lediglich den Hinweis auf „aussichtsreiche Gespräche“ mit potenziellen Kunden, was in diesem Stadium lediglich eine Mutmaßung darstellt. Die Broschüre kann somit für sich allein nicht mit einer Werbekampagne gleichgesetzt werden, die eine unmittelbar bevorstehende Vermarktung spezifischer Erzeugnisse erkennen ließe.

49      Aus den Randnrn. 34 bis 48 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass die Beschwerdekammer, da die Erklärung von Dr. S. nicht durch weitere Beweismittel gestützt wird, zu Recht angenommen hat, dass diese Erklärung allein die ernsthafte Benutzung der älteren Marke nicht beweisen kann.

50      Nach alledem ist der einzige Klagegrund zurückzuweisen und die Klage damit in vollem Umfang abzuweisen.

 Kosten

51      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen des HABM und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Süd-Chemie AG trägt die Kosten.

Truchot

Martins Ribeiro

Popescu

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. Juni 2012.

Unterschriften


*Verfahrenssprache: Deutsch.