Language of document : ECLI:EU:C:2023:111

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

16. Februar 2023(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Agrarpolitik – Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums – Zahlungen für Agrarumweltmaßnahmen – Verordnung (EG) Nr. 1974/2006 – Hinderung des Begünstigten an der weiteren Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen – Begriffe ‚Flurbereinigungsverfahren‘ und ‚Bodenordnungsverfahren‘ – Fehlen der erforderlichen Vorkehrungen, um die Verpflichtungen des Begünstigten an die neue Lage des Betriebs anzupassen – Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 – Begriff ‚Höhere Gewalt und außergewöhnliche Umstände‘“

In der Rechtssache C‑343/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Varhoven administrativen sad (Oberstes Verwaltungsgericht, Bulgarien) mit Entscheidung vom 19. Mai 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Juni 2021, in dem Verfahren

PV

gegen

Zamestnik izpalnitelen direktor na Darzhaven fond „Zemedelie“

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters N. Piçarra in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten sowie der Richter N. Jääskinen und M. Gavalec (Berichterstatter),

Generalanwältin: L. Medina,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juni 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von PV, vertreten durch S. Angelova, Advokat,

–        des Zamestnik izpalnitelen direktor na Darzhaven fond „Zemedelie“, vertreten durch I. Boyanov, P. Slavcheva und I. B. Zareva,

–        der bulgarischen Regierung, vertreten durch T. Mitova, E. Petranova und L. Zaharieva,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Aquilina, G. Koleva und A. Sauka als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 15. September 2022

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 45 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1974/2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) (ABl. 2006, L 368, S. 15) und von Art. 31 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates vom 19. Januar 2009 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1290/2005, (EG) Nr. 247/2006, (EG) Nr. 378/2007 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 (ABl. 2009, L 30, S. 16).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen PV, einem Landwirt, und dem Zamestnik izpalnitelen direktor na Darzhaven fond „Zemedelie“ (stellvertretender Exekutivdirektor des Staatlichen Landwirtschaftsfonds, Bulgarien) wegen einer Entscheidung, mit der PV die Rückzahlung von 20 % einer Finanzierung auferlegt wurde, die er im Rahmen der Maßnahme 214 „Zahlungen für Agrarumweltmaßnahmen“ des Programms zur Entwicklung des ländlichen Raums 2007–2013 (im Folgenden: Maßnahme 214) für die Landwirtschaftsjahre 2013 bis 2016 erhalten hatte.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Verordnung (EG) Nr. 1698/2005

3        Der 35. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) (ABl. 2005, L 277, S. 1) lautete:

„(35)      Die Zahlungen für Agrarumweltmaßnahmen sollten weiterhin eine herausragende Rolle bei der Förderung der nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums und bei der Befriedigung der steigenden gesellschaftlichen Nachfrage nach Umweltdienstleistungen spielen. Sie sollten ferner die Landwirte und andere Landbewirtschafter weiterhin ermutigen, im Dienste der gesamten Gesellschaft Produktionsverfahren einzuführen bzw. beizubehalten, die mit dem Schutz und der Verbesserung der Umwelt, des Landschaftsbildes und des ländlichen Lebensraums, der natürlichen Ressourcen, der Böden und der genetischen Vielfalt vereinbar sind. In diesem Zusammenhang sollte der Erhaltung genetischer Ressourcen in der Landwirtschaft besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Nach dem Verursacherprinzip sollten diese Beihilfen nur für die Verpflichtungen gewährt werden, die über die einschlägigen verbindlichen Grundanforderungen hinausgehen.“

4        Art. 36 („Maßnahmen“) der Verordnung Nr. 1698/2005 bestimmte:

„Die Beihilfen dieses Abschnitts betreffen folgende Maßnahmen:

a)      Maßnahmen zur Förderung der nachhaltigen Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen:

iv)      Zahlungen für Agrarumweltmaßnahmen,

…“

5        Art. 39 („Zahlungen für Agrarumweltmaßnahmen“) der Verordnung Nr. 1698/2005 sah vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten bieten die Beihilfen gemäß Artikel 36 Buchstabe a Ziffer iv in ihrem gesamten Hoheitsgebiet entsprechend den spezifischen Bedürfnissen an.

(2)      Zahlungen für Agrarumweltmaßnahmen werden Landwirten gewährt, die freiwillig eine Agrarumweltverpflichtung eingehen. …

(3)      …

Diese Verpflichtungen sind in der Regel für einen Zeitraum von fünf bis sieben Jahren einzugehen. …

(4)      Die Zahlungen werden jährlich gewährt und dienen zur Deckung der zusätzlichen Kosten und der Einkommensverluste infolge der eingegangenen Verpflichtungen. Gegebenenfalls können auch Transaktionskosten gedeckt werden.

…“

 Verordnung Nr. 1974/2006

6        Der 23. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1974/2006 lautete:

„Bei der Förderung von Agrarumwelt- und Tierschutzmaßnahmen sollte die Festlegung der Mindestanforderungen, die von den Begünstigten im Rahmen der verschiedenen Agrarumwelt- und Tierschutzverpflichtungen einzuhalten sind, eine ausgewogene Durchführung dieser Maßnahmen im Hinblick auf ihre Ziele sicherstellen und somit zu einer nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums beitragen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass eine Methode für die Berechnung der zusätzlichen Kosten, Einkommensverluste und etwaigen Transaktionskosten infolge der eingegangenen Verpflichtungen festgelegt wird. Bei Agrarumweltverpflichtungen, die auf Begrenzungen des Einsatzes von Betriebsmitteln basieren, sollten Beihilfen nur gewährt werden, wenn solche Begrenzungen auf eine Weise bewertet werden können, die eine angemessene Gewähr für die Einhaltung der Verpflichtungen bietet.“

7        Art. 45 der Verordnung Nr. 1974/2006 lautete:

„(1)      Vergrößert ein Begünstigter während der Laufzeit der als Voraussetzung für die Gewährung der Beihilfe eingegangenen Verpflichtung seine Betriebsfläche, so kann der Mitgliedstaat vorsehen, dass gemäß Absatz 2 die zusätzliche Fläche für den restlichen Verpflichtungszeitraum in die Verpflichtung einbezogen oder dass gemäß Absatz 3 die ursprüngliche Verpflichtung des Begünstigten durch eine neue Verpflichtung ersetzt wird.

Diese Ersetzung ist auch in Fällen möglich, in denen die in eine Verpflichtung einbezogenen Flächen innerhalb des Betriebs vergrößert werden.

(2)      Die in Absatz 1 genannte Einbeziehung ist nur unter folgenden Voraussetzungen möglich:

a)      sie bringt Vorteile für die betreffende Maßnahme mit sich;

b)      sie ist gerechtfertigt durch die Art der Verpflichtung, die Länge des restlichen Zeitraums und die Größe der zusätzlichen Fläche;

c)      sie beeinträchtigt nicht die wirksame Überprüfung der Einhaltung der Gewährungsvoraussetzungen.

(3)      Die in Absatz 1 genannte neue Verpflichtung wird für die gesamte Fläche eingegangen und umfasst Bedingungen, die mindestens genauso strikt sind wie die der ursprünglichen Verpflichtung.

(4)      Ist der Begünstigte infolge von Flurbereinigungsverfahren oder anderweitigen, öffentlichen oder von den zuständigen Behörden anerkannten Bodenordnungsverfahren an der Erfüllung seiner eingegangenen Verpflichtungen gehindert, so treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorkehrungen, um die Verpflichtungen an die neue Lage des Betriebs anzupassen. Erweist sich eine solche Anpassung als unmöglich, so endet die Verpflichtung, ohne dass für den tatsächlichen Verpflichtungszeitraum eine Rückzahlung gefordert wird.“

 Verordnung Nr. 73/2009

8        Art. 31 („Höhere Gewalt und außergewöhnliche Umstände“) der Verordnung Nr. 73/2009 bestimmte:

„Im Sinne dieser Verordnung werden als höhere Gewalt oder außergewöhnliche Umstände von der zuständigen Behörde unter anderem anerkannt:

a)      Tod des Betriebsinhabers;

b)      länger andauernde Berufsunfähigkeit des Betriebsinhabers;

c)      eine schwere Naturkatastrophe, die die landwirtschaftliche Fläche des Betriebs erheblich in Mitleidenschaft zieht;

d)      unfallbedingte Zerstörung von Stallgebäuden des Betriebs;

e)      Seuchenbefall des ganzen oder eines Teils des Tierbestands des Betriebsinhabers.“

 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009

9        Art. 75 („Höhere Gewalt und außergewöhnliche Umstände“) der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 der Kommission vom 30. November 2009 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates hinsichtlich der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, der Modulation und des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems im Rahmen der Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe gemäß der genannten Verordnung und mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 hinsichtlich der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen im Rahmen der Stützungsregelung für den Weinsektor (ABl. 2009, L 316, S. 65) sah vor:

„(1)      Konnte ein Betriebsinhaber infolge höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände im Sinne des Artikels 31 der Verordnung … Nr. 73/2009 seinen Verpflichtungen nicht nachkommen, so bleibt der Beihilfeanspruch für die bei Eintritt der höheren Gewalt oder der außergewöhnlichen Umstände beihilfefähige Fläche bzw. beihilfefähigen Tiere bestehen. Betrifft der Verstoß aufgrund höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände die Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, so wird außerdem die entsprechende Kürzung nicht angewendet.

(2)      Fälle von höherer Gewalt und außergewöhnlichen Umständen im Sinne des Artikels 31 der Verordnung … Nr. 73/2009 sind der zuständigen Behörde mit den von ihr anerkannten Nachweisen innerhalb von zehn Arbeitstagen nach dem Zeitpunkt, ab dem der Betriebsinhaber hierzu in der Lage ist, schriftlich mitzuteilen.“

 Verordnung (EU) Nr. 65/2011

10      Art. 18 („Kürzungen und Ausschlüsse bei Nichterfüllung sonstiger Förderkriterien, Verpflichtungen und damit verbundener Auflagen“) der Verordnung (EU) Nr. 65/2011 der Kommission vom 27. Januar 2011 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates hinsichtlich der Kontrollverfahren und der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen bei Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums (ABl. 2011, L 25, S. 8) sah in seinem Abs. 1 vor:

„…

Bei mehrjährigen Verpflichtungen gelten die Beihilfekürzungen, ‑ausschlüsse und ‑rückforderungen auch für die Beträge, die in den Vorjahren bereits für die betreffende Verpflichtung gezahlt wurden.“

 Bulgarisches Recht

 ZSPZZ

11      Art. 37c des Zakon za sobstvenostta i polzvaneto na zemedelskite zemi (Gesetz über das Eigentum und die Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen) (DV Nr. 17 vom 1. März 2001, im Folgenden: ZSPZZ) bestimmt:

„(1)      Flurbereinigungen zum Zweck der Nutzung landwirtschaftlicher Flächen erfolgen durch eine Vereinbarung zwischen den Eigentümern und/oder den Nutzern. Der Abschluss der Vereinbarung unterliegt der Aufsicht einer Kommission, die durch Anordnung des Direktors der Regionaldirektion ‚Landwirtschaft‘ bis zum 5. August des betreffenden Jahres für jede Gemarkung des Gemeindegebiets eingesetzt wird. …

(2)      Die Vereinbarung wird auf der Grundlage eines vom Minister für Landwirtschaft, Ernährung und Forstwirtschaft festgelegten Musters geschlossen. … Die Vereinbarung wird bis zum 30. August jedes Jahres für das folgende Wirtschaftsjahr im Sinne von § 2 Nr. 3 der Ergänzenden Bestimmungen des Zakon za arendata v zemedelieto (Gesetz über die Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen) geschlossen und aktualisiert. Sie darf sich nicht auf innerhalb ihrer tatsächlichen Grenzen für die Landwirtschaft ausgewiesene Grundstücke oder auf dauerhaft als Weiden, Grünland oder Wiesen genutzte Grundstücke erstrecken. Die Vereinbarung wird wirksam, wenn sie sich auf mindestens zwei Drittel der Gesamtfläche der zum Zweck der Nutzung flurbereinigten Fläche in der betreffenden Gemarkung erstreckt.

(3)      Soweit die Nutzer sich unter den in Abs. 1 genannten Umständen nicht auf eine Vereinbarung einigen können oder soweit Flächen in die Vereinbarung nicht einbezogen sind, wird von der Kommission bis zum 15. September des betreffenden Jahres ein Entwurf für die Zuordnung der zum Zweck der Nutzung flurbereinigten Flächen in folgender Weise erstellt:

1.      Das Nutzungsrecht für die einzelne flurbereinigte Fläche wird dem Nutzer mit dem größten Anteil eigener und/oder gepachteter landwirtschaftlicher Fläche in der flurbereinigten Fläche gewährt.

2.      Die landwirtschaftlichen Flächen, für die keine Vereinbarungen abgeschlossen und für die von ihren Eigentümern keine Erklärungen nach Art. 37b abgegeben wurden, werden den Nutzern im Verhältnis zu der Fläche und entsprechend der Art und Weise der dauerhaften Nutzung der eigenen und/oder gepachteten landwirtschaftlichen Flächen in der betreffenden Gemarkung zugeordnet.

(4)      Die Kommission erstellt einen Bericht für den Direktor der Regionaldirektion ‚Landwirtschaft‘, der die geschlossene Vereinbarung, die Zuordnung der zum Zweck der Nutzung flurbereinigten Flächen sowie Informationen über die in Abs. 3 Nr. 2 genannten Flächen hinsichtlich ihrer Eigentümer und der geschuldeten Pachtzahlungen enthält und auf dessen Grundlage der Direktor der Regionaldirektion ‚Landwirtschaft‘ vor dem 1. Oktober des betreffenden Jahres eine Anordnung über die Zuordnung der flurbereinigten Flächen in der Gemarkung erlässt.

(14)      Die Vereinbarung zur Bildung oder die Zuordnung von zum Zweck der Nutzung flurbereinigten Flächen ist jeweils eine Rechtsgrundlage im Sinne des Zakon za podpomagane na zemedelskite proizvoditeli (Gesetz über die Förderung von Landwirten) und stellt eine Rechtsgrundlage in dem Teil dar, der Flächen im Sinne von Abs. 3 betrifft, sofern für diese Flächen eine Zahlung erfolgt ist.

(15)      Die Zuordnung landwirtschaftlicher Flächen, die in zum Zweck der Nutzung flurbereinigte Flächen einbezogen sind und für die eine Beihilfe im Rahmen der Maßnahme ‚Zahlungen für Agrarumweltmaßnahmen‘ des Programms zur Entwicklung des ländlichen Raums 2007–2013 und/oder im Rahmen der Maßnahme ‚Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen‘ und ‚Ökologischer/biologischer Landbau‘ des Programms zur Entwicklung des ländlichen Raums 2014–2020 genehmigt wurde, erfolgt ohne Änderung der Standorte der Personen, für die nach der Maßnahme eine Genehmigung erteilt wurde, wenn:

1.      die von ihnen nach Art. 37b für die Teilnahme am Verfahren zur Verfügung gestellten Grundstücke eine Fläche aufweisen, die größer oder gleich der für die Beihilfe im Rahmen der Maßnahme genehmigten Fläche ist, und

2.      die Eigentümer und Nutzer, deren Grundstücke den Personen zur Verfügung gestellt wurden, für die die Genehmigung im Rahmen der Maßnahme erteilt wurde, ihren Wunsch geäußert haben, mit diesen Grundstücken an dem Flurbereinigungsverfahren nach diesem Artikel teilzunehmen.

…“

 Verordnung Nr. 11/2009

12      Die Naredba no 11 za uslovyata i reda za prilagane na myarka 214 „Agroekologichni plashtania“ ot Programata za razvitie na selskite rayoni za perioda 2007–2013 (Verordnung Nr. 11 über die Voraussetzungen und die Modalitäten zur Anwendung der Maßnahme 214 „Zahlungen für Agrarumweltmaßnahmen“ des Programms zur Entwicklung des ländlichen Raums für den Zeitraum 2007–2013) vom 6. April 2009 (DV Nr. 29 vom 17. April 2009, im Folgenden: Verordnung Nr. 11/2009), die vom Minister für Landwirtschaft und Ernährung erlassen wurde, enthält einen Art. 18, der Folgendes bestimmt:

„(3)      Der Darzhaven fond ‚Zemedelie‘ [(Staatlicher Landwirtschaftsfonds, Bulgarien)] löst die Agrarumweltverpflichtung auf, und die Begünstigten zahlen die für den betreffenden Teil des Programms erhaltene finanzielle Förderung gemäß Abs. 4 zurück, wenn

3.      die Anforderungen von Art. 24 Abs. 2 nicht eingehalten wurden;

(4)      Die Begünstigten erstatten die bis dahin erhaltene finanzielle Unterstützung zuzüglich gesetzlicher Zinsen ab dem Jahr, in dem die ursprüngliche Genehmigung der Maßnahme erteilt wurde, bis zum Jahr der Auflösung der Agrarumweltverpflichtung wie folgt:

c)      bis zum Ende des fünften Jahres – 20 %;

(5)      Wird festgestellt, dass die für die betreffenden Teile des Programms geltenden Verwaltungsanforderungen gemäß Art. 26 nicht eingehalten wurden, so ist die finanzielle Unterstützung in Höhe des nach den in Art. 16 genannten Modalitäten berechneten Betrags zurückzuzahlen.

(6)      In Fällen höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände wird die Agrarumweltverpflichtung aufgelöst, und die teilweise oder vollständige Rückzahlung der dem Betriebsinhaber gewährten finanziellen Unterstützung wird nicht gefordert.

(7)      Fälle höherer Gewalt oder außergewöhnliche Umstände sind von dem Betriebsinhaber oder einer anderen von ihm beauftragten Person oder von seinen Rechtsnachfolgern innerhalb von 10 Werktagen ab dem Zeitpunkt, zu dem der Betriebsinhaber oder eine andere von ihm oder seinen Rechtsnachfolgern beauftragte Person dazu in der Lage war, unter Beifügung entsprechender Nachweise (von der zuständigen Verwaltungsbehörde ausgestellte Dokumente) in schriftlicher Form an den [Staatlichen Landwirtschaftsfonds] – RA (Zahlstelle) zu übermitteln.“

13      Art. 24 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 11/2009 bestimmt:

„(1)      Die Agrarumweltmaßnahmen oder die Teile des Agrarumweltprogramms im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Nrn. 2, 3 und 4 werden auf ein und derselben landwirtschaftlichen Fläche für ein und denselben landwirtschaftlichen Betriebsblock für einen Zeitraum von fünf Jahren ab Eingehen der Agrarumweltverpflichtung durchgeführt.

(2)      Die zur Durchführung der Agrarumweltmaßnahmen oder der Teile des Agrarumweltprogramms im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Nrn. 2, 3 und 4 genehmigte landwirtschaftliche Fläche kann um höchstens 10 % verringert werden, wobei sich jährlich in geografischer Hinsicht mindestens 90 % der Fläche, die unter den betreffenden Teil des Programms fällt, mit der Fläche überschneiden, auf die sich die Agrarumweltverpflichtung bezieht.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

14      Im Jahr 2013 stellte PV einen Beihilfeantrag im Rahmen der Maßnahme 214.

15      Im Rahmen dieses Antrags verpflichtete sich PV, einer Agrarumweltverpflichtung nach den in der Verordnung Nr. 11/2009 festgelegten Modalitäten und Bedingungen nachzukommen. Eine der Anforderungen, zu deren Erfüllung sich PV hiermit verpflichtete, bestand darin, die Tätigkeiten für den betreffenden Teil des Programms auf ein und derselben landwirtschaftlichen Fläche während eines Zeitraums von fünf aufeinanderfolgenden Jahren auszuüben.

16      Diesem Antrag wurde stattgegeben. PV wurde zur Teilnahme an der Maßnahme 214 mit 857 ha landwirtschaftlichen Flächen zugelassen, die er auf der Grundlage von im Jahr 2012 für das Wirtschaftsjahr 2012/13 geschlossenen Vereinbarungen pachtete und bewirtschaftete. Diese Vereinbarungen wurden gemäß Art. 37c Abs. 1 ZSPZZ mit den Eigentümern und/oder Nutzern von landwirtschaftlichen Flächen für die Dauer eines Jahres geschlossen.

17      Ähnliche Vereinbarungen wurden für die folgenden drei Wirtschaftsjahre 2013/2014, 2014/2015 und 2015/2016 geschlossen. In diesen Jahren wurde PV allen obligatorischen Verwaltungskontrollen sowie Vor-Ort-Kontrollen unterzogen und erhielt insgesamt 1 063 317,54 bulgarische Leva (BGN) (etwa 544 000 Euro) im Rahmen der Maßnahme 214.

18      Im Jahr 2016 ist es den Eigentümern und Nutzern der in Rede stehenden landwirtschaftlichen Flächen jedoch nicht gelungen, solche Vereinbarungen nach Art. 37c Abs. 1 ZSPZZ für das Wirtschaftsjahr 2016/2017 zu schließen. Zwar wollte PV diese Vereinbarungen schließen, doch teilten ihm die anderen an den früheren Vereinbarungen Beteiligten mit, dass sie diese Flächen in diesem Wirtschaftsjahr innerhalb der tatsächlichen Grundstücksgrenzen bewirtschaften wollten, was die Möglichkeit ausschloss, eine Vereinbarung nach dieser Bestimmung zu treffen. PV war somit in Bezug auf dieses Wirtschaftsjahr an der Bewirtschaftung der Flächen, mit denen er die in Rn. 15 des vorliegenden Urteils genannte Umweltverpflichtung eingegangen war, und somit an der Erfüllung der in Art. 37c ZSPZZ vorgesehenen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Zahlungen für Agrarumweltmaßnahmen gehindert.

19      Da gemäß Art. 37c Abs. 2 ZSPZZ die Vereinbarungen zwischen Eigentümern und/oder Nutzern jedes Jahr vor dem 30. August geschlossen werden müssen, war PV bereits Anfang August 2016 bewusst, dass er an der Weiterbewirtschaftung derselben Flächen im Wirtschaftsjahr 2016/2017 gehindert sein würde.

20      Am 29. Mai 2017 teilte PV dem Staatlichen Landwirtschaftsfonds mit, dass er beabsichtige, seine Agrarumweltverpflichtung mit der Begründung aufzulösen, dass die Rechtsgrundlage für die Bewirtschaftung der Flächen, mit denen er an der Maßnahme 214 teilgenommen habe, weggefallen sei.

21      Am 23. Januar 2018 wurde PV über die Einleitung eines Verfahrens zur Auflösung der mehrjährigen Verpflichtung wegen Nichterfüllung der in Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 11/2009 aufgestellten Anforderung informiert, wonach sich jährlich mindestens 90 % der landwirtschaftlichen Fläche, die an der Maßnahme 214 beteiligt ist, mit der Fläche, auf die sich die Agrarumweltverpflichtung bezieht, überschneiden muss. Das Fehlen von Vereinbarungen für das Landwirtschaftsjahr 2016/2017 führte dazu, dass dieser Überschneidungsprozentsatz nur noch 76,18 % betrug.

22      Am 17. August 2018 wurde PV die Auflösung seiner Agrarumweltverpflichtung im Rahmen der Maßnahme 214 mitgeteilt. Dieser Rechtsakt wurde nicht angefochten und hat Bestandskraft erlangt.

23      Mit Schreiben des stellvertretenden Exekutivdirektors des Staatlichen Landwirtschaftsfonds, das PV am 7. Dezember 2018 erhielt, wurde er über die Einleitung eines Verfahrens zum Erlass eines Rechtsakts zur Feststellung einer öffentlichen Forderung des Staates informiert, in dessen Rahmen er aufgefordert wurde, gemäß Art. 18 Abs. 4 Buchst. c der Verordnung Nr. 11/2009 20 % des erhaltenen Gesamtbetrags, d. h. einen Betrag von 212 663,51 BGN (etwa 109 000 Euro), zurückzuzahlen.

24      PV erhob Einspruch gegen die Einleitung dieses Verfahrens und machte geltend, dass es zahlreiche Eigentümer und/oder Nutzer nach einer Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen im Oktober 2015 abgelehnt hätten, eine Vereinbarung nach Art. 37c ZSPZZ zu schließen, was ihn an der Erfüllung der in Rn. 15 des vorliegenden Urteils genannten Verpflichtung gehindert habe. Da es sich um Umstände handele, die er zum Zeitpunkt des Eingehens dieser Verpflichtung nicht habe vorhersehen können und die daher einen Fall höherer Gewalt im Sinne von Art. 18 Abs. 6 der Verordnung Nr. 11/2009 darstellten, brauche er diesen Betrag nicht zurückzuzahlen.

25      Mit Bescheid vom 14. November 2019 stellte der stellvertretende Exekutivdirektor des Staatlichen Landwirtschaftsfonds das Bestehen einer öffentlichen Forderung des Staates in Höhe von 212 663,51 BGN (etwa 109 000 Euro) fest, was 20 % der im Rahmen der Maßnahme 214 für die Landwirtschaftsjahre 2013 bis 2016 gewährten Beihilfe entspricht.

26      PV erhob gegen diesen Bescheid Klage beim Administrativen sad (Verwaltungsgericht, Bulgarien) Targovishte, der die Klage abwies. Dieses Gericht entschied im Wesentlichen, dass dieser Bescheid gültig sei, und wies das Vorbringen von PV, es liege ein Fall höherer Gewalt vor, zurück. PV habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Eigentümer und/oder Nutzer der landwirtschaftlichen Flächen, mit denen er Vereinbarungen nach Art. 37c ZSPZZ geschlossen habe, diese Vereinbarungen für das Wirtschaftsjahr 2016/2017 verlängern würden. Im Übrigen habe PV, selbst wenn die Umstände als „höhere Gewalt“ eingestuft werden könnten, nicht die Mitteilungsfrist eingehalten, die vorgesehen sei, um die zuständige Verwaltungsbehörde davon in Kenntnis zu setzen, bei der es sich um eine Ausschlussfrist handele.

27      PV legte gegen diese Entscheidung eine Kassationsbeschwerde beim Varhoven administrativen sad (Oberstes Verwaltungsgericht, Bulgarien), dem vorlegenden Gericht, ein und machte zum einen geltend, dass die am 20. Oktober 2015 in Kraft getretene Änderung der Verordnung Nr. 11/2009 durch die Einführung neuer strengerer Anforderungen einen Teil der Eigentümer und/oder Nutzer davon abgehalten habe, Vereinbarungen nach Art. 37c ZSPZZ zu schließen, und dass diese Änderung einen Fall höherer Gewalt oder einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 18 Abs. 6 dieser Verordnung darstelle. Zum anderen habe das erstinstanzliche Gericht gegen Art. 45 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1974/2006 verstoßen.

28      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist Art. 45 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1974/2006 dahin auszulegen, dass der betreffende Mitgliedstaat im Fall von Flurbereinigungsverfahren oder anderweitigen, öffentlichen oder von den zuständigen Behörden anerkannten Bodenordnungsverfahren, die den Begünstigten an der Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen hindern, die erforderlichen Vorkehrungen treffen muss, um die Verpflichtungen an die neue Lage des Betriebs anzupassen. Andernfalls müsse die Verpflichtung enden, ohne dass für den tatsächlichen Verpflichtungszeitraum eine Rückzahlung gefordert werde.

29      Für den Fall, dass dieser Auslegung nicht gefolgt wird, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine Situation wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht unter höhere Gewalt oder außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 31 der Verordnung Nr. 73/2009 fallen könnte, die den Begünstigten von der Verpflichtung zur Rückzahlung der betreffenden Beträge entbinden könnten. Insoweit zögert das vorlegende Gericht, eine solche Subsumtion vorzunehmen. Der Begünstigte habe nämlich bei seinem Beihilfeantrag im Rahmen der Maßnahme 214 gewusst, dass die in Art. 37c ZSPZZ vorgesehenen Vereinbarungen für die Bewirtschaftung von Grundstücken, die Dritten gehörten, eine Laufzeit von einem Jahr hätten und dass die Eigentümer und/oder Nutzer den Entschluss fassen könnten, keine Vereinbarung für die folgenden Wirtschaftsjahre zu schließen.

30      Vor diesem Hintergrund hat der Varhoven administrativen sad (Oberstes Verwaltungsgericht) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Lässt es die Auslegung von Art. 45 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1974/2006 zu, anzunehmen, dass in einem Fall wie dem vorliegenden ein „Flurbereinigungsverfahren“ oder ein „Bodenordnungsverfahren“ gegeben ist, infolge dessen der Begünstigte an der Erfüllung seiner eingegangenen Verpflichtungen gehindert ist?

2.      Falls die erste Frage bejaht wird, berechtigt die Tatsache, dass ein Mitgliedstaat nicht die erforderlichen Vorkehrungen getroffen hat, um die Verpflichtungen des Begünstigten an die neue Lage des Betriebs anzupassen, dazu, keine Rückzahlung der Mittel für den tatsächlichen Verpflichtungszeitraum zu fordern?

3.      Falls die erste Frage verneint wird, wie ist Art. 31 der Verordnung Nr. 73/2009 unter Berücksichtigung des festgestellten Sachverhalts im Ausgangsverfahren auszulegen und welcher Natur ist die Mitteilungsfrist nach Art. 75 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1122/2009?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

31      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 45 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1974/2006 dahin auszulegen ist, dass er zur Anwendung kommt, wenn ein Landwirt im letzten Jahr, in dem von ihm eingegangene Agrarumweltverpflichtungen zu erfüllen sind, an der weiteren Erfüllung dieser Verpflichtungen gehindert ist und diese Hinderung auf dem Fehlen von Vereinbarungen zwischen diesem Landwirt und anderen Eigentümern oder Nutzern von landwirtschaftlichen Flächen über deren Nutzung beruht.

32      Zur Beantwortung dieser Frage ist darauf hinzuweisen, dass Art. 45 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1974/2006 den Fall erfasst, dass der Begünstigte infolge von Flurbereinigungsverfahren oder anderweitigen, öffentlichen oder von den zuständigen Behörden anerkannten Bodenordnungsverfahren an der Erfüllung seiner eingegangenen Verpflichtungen gehindert ist.

33      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass weder diese Bestimmung noch irgendeine andere Bestimmung dieser Verordnung noch die Verordnungen Nrn. 73/2009 und 1122/2009 definieren, was unter Flurbereinigungsverfahren und anderweitigen, öffentlichen oder von den zuständigen Behörden anerkannten Bodenordnungsverfahren zu verstehen ist.

34      Außerdem sind die Begriffe dieser Wendung, da Art. 45 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1974/2006 hierfür nicht auf das nationale Recht verweist, autonom auszulegen, also so, dass sie in der Europäischen Union einheitlich angewandt werden (vgl. entsprechend Urteil vom 22. April 2021, Austrian Airlines, C‑826/19, EU:C:2021:318, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Bedeutung und Tragweite von Begriffen, die das Unionsrecht nicht definiert, entsprechend ihrem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie verwendet werden, und der mit der Regelung, zu der sie gehören, verfolgten Ziele zu bestimmen sind (Urteil vom 18. März 2021, Kuoni Travel, C‑578/19, EU:C:2021:213, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Erstens bezieht sich der Begriff „Flurbereinigungsverfahren“ nach seinem üblichen Sinn im gewöhnlichen Sprachgebrauch auf Maßnahmen, die in der Neueinteilung landwirtschaftlicher Parzellen bestehen, um eine wirtschaftlichere Bodennutzung sicherzustellen. Der Ausdruck „Bodenordnungsverfahren“ bezieht sich, wie die Generalanwältin in den Nrn. 36 und 37 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, allgemeiner auf Maßnahmen mit dem Zweck einer Umgestaltung landwirtschaftlicher Parzellen, die mit der Bereitstellung der erforderlichen Infrastruktur für die betreffende Flächenentwicklung verbunden ist. Zusammen betrachtet beziehen sich die Begriffe „Flurbereinigungsverfahren“ und „Bodenordnungsverfahren“ im Sinne von Art. 45 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1974/2006 auf Maßnahmen zur Neueinteilung und Umgestaltung landwirtschaftlicher Parzellen, um landwirtschaftliche Betriebe zu bilden, die bei der Bodennutzung wirtschaftlicher sind.

37      Zweitens verlangt diese Bestimmung, wie die Generalanwältin in den Nrn. 38 bis 40 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, in den meisten Sprachfassungen, dass sowohl das Flurbereinigungsverfahren als auch die in dieser Bestimmung genannten anderweitigen Bodenordnungsverfahren öffentlich oder von den zuständigen Behörden anerkannt worden sein müssen.

38      Hierzu ist festzustellen, dass in dieser Bestimmung lediglich allgemein auf die Verbindung der Behörde zu diesen Verfahren – entweder durch eigene Entscheidung oder durch Anerkennung – verwiesen wird, ohne nähere Angaben zu den Verfahrenseinzelheiten der Beteiligung der Behörde an den Flurbereinigungsmaßnahmen oder anderweitigen Bodenordnungsverfahren zu machen.

39      Daher kann unter die Wendung der „Flurbereinigungsverfahren oder anderweitigen, öffentlichen oder von den zuständigen Behörden anerkannten Bodenordnungsverfahren“ jeder Vorgang fallen, der auf die Neueinteilung oder Umgestaltung landwirtschaftlicher Parzellen gerichtet ist, um landwirtschaftliche Betriebe zu bilden, die bei der Bodennutzung wirtschaftlicher sind, und bei dem es sich um einen öffentlichen oder von den zuständigen Behörden anerkannten Vorgang handelt.

40      Diese Auslegung wird durch den Zusammenhang, in den Art. 45 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1974/2006 eingebettet ist, sowie allgemeiner durch die Ziele, die mit der Regelung über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) verfolgt werden, untermauert.

41      Zum einen stellen die Zahlungen für Agrarumweltmaßnahmen gemäß Art. 36 Buchst. a Ziff. iv und Art. 39 der Verordnung Nr. 1698/2005 Beihilfen dar, die einem Landwirt, der freiwillig eine Agrarumweltverpflichtung eingegangen ist, jährlich gewährt werden und zur Deckung der zusätzlichen Kosten und der Einkommensverluste infolge solcher Verpflichtungen dienen. Wie im 35. Erwägungsgrund dieser Verordnung hervorgehoben wird, spielen diese Zahlungen eine herausragende Rolle bei der Förderung der nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums und beim Umweltschutz, da sie die Empfänger ermutigen, mehrjährige Verpflichtungen einzugehen, die über die Erfüllung der verbindlichen Grundanforderungen des Agrarrechts der Union und die in den nationalen Rechtsvorschriften festgelegten besonderen Anforderungen hinausgehen.

42      Zum anderen geht aus dem 23. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1974/2006 hervor, dass der Unionsgesetzgeber einer ausgewogenen Durchführung der Unionsmaßnahmen mittels Zahlungen für Agrarumweltmaßnahmen den Vorzug geben wollte, um zum Ziel einer nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums beizutragen.

43      Wie die Generalanwältin in Nr. 43 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, macht es die Verfolgung dieser Ziele daher erforderlich, dass die Landwirte nicht deswegen davon abgehalten werden, mehrjährige Agrarumweltverpflichtungen einzugehen, weil während des Zeitraums der Erfüllung dieser Verpflichtungen möglicherweise eine Flurbereinigungsmaßnahme oder ein anderweitiges Bodenordnungsverfahren durchgeführt wird und sie an der Erfüllung dieser Verpflichtungen hindert. In diesem Zusammenhang soll Art. 45 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1974/2006 für den Fall des Eintritts solcher Ereignisse während dieses Zeitraums Abhilfe schaffen.

44      Diese Bestimmung kommt jedoch nicht zur Anwendung, wenn eine solche Hinderung daraus resultiert, dass keine Vereinbarungen zwischen einem Landwirt und anderen Eigentümern oder Nutzern von landwirtschaftlichen Flächen über deren Nutzung geschlossen wurden. In einem solchen Fall beruht die Hinderung des Landwirts an der Erfüllung dieser Verpflichtungen nämlich nicht unmittelbar auf öffentlichen oder von den zuständigen Behörden anerkannten Verfahren, die Einfluss auf die Struktur des betreffenden Betriebs haben.

45      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 45 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1974/2006 dahin auszulegen ist, dass er zur Anwendung kommt, wenn ein Landwirt im letzten Jahr, in dem von ihm eingegangene Agrarumweltverpflichtungen zu erfüllen sind, an der weiteren Erfüllung dieser Verpflichtungen gehindert ist und diese Hinderung unmittelbar auf einer Flurbereinigungsmaßnahme oder anderweitigen, öffentlichen oder von den zuständigen Behörden anerkannten Bodenordnungsverfahren beruht, die Einfluss auf die Struktur des landwirtschaftlichen Betriebs haben, der Gegenstand dieser Verpflichtungen ist. Dagegen ist diese Bestimmung nicht anwendbar, wenn diese Hinderung aus dem Wegfall des Rechts resultiert, einen Teil der Fläche dieses Betriebs während der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu nutzen.

 Zur zweiten Frage

46      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 45 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1974/2006 dahin auszulegen ist, dass der Umstand, dass ein Mitgliedstaat nicht die erforderlichen Vorkehrungen trifft, um die Agrarumweltverpflichtungen eines Begünstigten an die neue Lage seines landwirtschaftlichen Betriebs anzupassen, die sich aus einem Flurbereinigungs- oder anderweitigen Bodenordnungsverfahren im Sinne dieser Bestimmung ergibt, dem entgegensteht, von diesem Begünstigten die Rückzahlung der während des Zeitraums der Erfüllung dieser Verpflichtungen bezogenen Gelder zu fordern.

47      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 65/2011 bei mehrjährigen Verpflichtungen die Beihilfekürzungen, ‑ausschlüsse und ‑rückforderungen auch für die Beträge gelten, die in den Vorjahren bereits für die betreffende Verpflichtung gezahlt wurden.

48      Art. 45 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1974/2006 sieht jedoch vor, dass die Mitgliedstaaten, wenn der Begünstigte infolge von Flurbereinigungsverfahren oder anderweitigen, öffentlichen oder von den zuständigen Behörden anerkannten Bodenordnungsverfahren an der Erfüllung seiner eingegangenen Verpflichtung gehindert ist, die erforderlichen Vorkehrungen treffen, um diese Verpflichtung an die neue Lage des Betriebs anzupassen. Erweist sich eine solche Anpassung als unmöglich, so endet die Verpflichtung, ohne dass für den tatsächlichen Verpflichtungszeitraum eine Rückzahlung gefordert wird.

49      Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung geht klar hervor, dass zum einen die Durchführung oder die Anerkennung eines Flurbereinigungs- oder anderweitigen Bodenordnungsverfahrens durch die zuständigen Behörden, die die Möglichkeit eines Begünstigten beschneidet, eine eingegangene Agrarumweltverpflichtung weiter zu erfüllen, eine Verpflichtung des betreffenden Mitgliedstaats begründet, diese Verpflichtung an die neue Lage des betreffenden landwirtschaftlichen Betriebs anzupassen.

50      Zum anderen gilt nur dann, wenn sich eine solche Anpassung als unmöglich erweist, dass die Verpflichtung endet, ohne dass für den tatsächlichen Verpflichtungszeitraum eine Rückzahlung gefordert wird.

51      Wie in Rn. 42 des vorliegenden Urteils ausgeführt, geht nämlich aus dem 23. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1974/2006 hervor, dass der Unionsgesetzgeber bei der Förderung von Agrarumweltmaßnahmen eine ausgewogene Durchführung der Unionsmaßnahmen vorsehen wollte, um zu einer nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums beizutragen.

52      Im vorliegenden Fall obliegt es – unter der Annahme, dass die Verringerung der Fläche des landwirtschaftlichen Betriebs des Begünstigten, die ihn daran hindert, die eingegangene Agrarumweltverpflichtung einzuhalten, auf einem Flurbereinigungs- oder anderweitigen Bodenordnungsverfahren im Sinne von Art. 45 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1974/2006 beruht – dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob die zuständigen nationalen Behörden die erforderlichen Vorkehrungen getroffen haben, um diese Verpflichtung an die neue Lage dieses Betriebs anzupassen. Gelangt dieses Gericht zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall ist, hat es sodann davon auszugehen, dass diese Verpflichtung geendet hat, ohne dass von diesem Begünstigten für den tatsächlichen Verpflichtungszeitraum eine Rückzahlung gefordert werden darf.

53      Nach alledem ist Art. 45 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1974/2006 dahin auszulegen, dass der Umstand, dass ein Mitgliedstaat nicht die erforderlichen Vorkehrungen trifft, um die Agrarumweltverpflichtungen eines Begünstigten an die neue Lage seines landwirtschaftlichen Betriebs anzupassen, die sich aus einem Flurbereinigungs- oder anderweitigen Bodenordnungsverfahren im Sinne dieser Bestimmung ergibt, dem entgegensteht, von diesem Begünstigten die Rückzahlung der während des Zeitraums der Erfüllung dieser Verpflichtungen bezogenen Gelder zu fordern.

 Zur dritten Frage

54      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 31 der Verordnung Nr. 73/2009 dahin auszulegen ist, dass es unter „höhere Gewalt“ im Sinne dieser Vorschrift fällt und daher der zuständigen Behörde innerhalb der in Art. 75 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1122/2009 vorgesehenen Frist von zehn Arbeitstagen mitzuteilen ist, wenn ein Begünstigter daran gehindert ist, einer mehrjährigen Agrarumweltverpflichtung im letzten Jahr dieser Verpflichtung weiter nachzukommen, weil keine Vereinbarungen mit anderen Eigentümern oder Nutzern von landwirtschaftlichen Flächen über deren Nutzung geschlossen wurden.

55      Hierzu ist festzustellen, dass Art. 31 Buchst. a bis e der Verordnung Nr. 73/2009 verschiedene Ereignisse aufzählt, die als höhere Gewalt angesehen werden können.

56      Zu diesen Ereignissen gehört jedoch nicht die Situation eines von der Unionsfinanzierung aufgrund einer mehrjährigen Agrarumweltverpflichtung Begünstigten, der mangels Vereinbarungen mit anderen Eigentümern oder Nutzern von landwirtschaftlichen Flächen über deren Nutzung an der Erfüllung dieser Verpflichtung gehindert war.

57      Allerdings ergibt sich aus der Wendung „unter anderem“ in Art. 31 der Verordnung Nr. 73/2009, dass dieser Artikel keine erschöpfende Liste der Ereignisse enthält, die als höhere Gewalt angesehen werden können.

58      Außerdem stellt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs jedes Ereignis, das auf außerhalb der Sphäre des Wirtschaftsteilnehmers liegenden, ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Umständen beruht, deren Folgen trotz aller von ihm aufgewandten Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können, einen Fall höherer Gewalt dar (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Dezember 1970, Internationale Handelsgesellschaft, 11/70, EU:C:1970:114, Rn. 23, und vom 17. Dezember 2015, Szemerey, C‑330/14, EU:C:2015:826, Rn. 58).

59      Daher kann es zwar grundsätzlich einen Fall höherer Gewalt darstellen, wenn der Begünstigte an der weiteren Erfüllung einer Agrarumweltverpflichtung aufgrund fehlender Vereinbarungen mit anderen Eigentümern oder Nutzern von landwirtschaftlichen Flächen über deren Nutzung gehindert ist, doch gilt dies nur unter der Voraussetzung, dass diese Hinderung auf außerhalb der Sphäre dieses Begünstigten liegenden, ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Umständen beruht, deren Folgen trotz aller von ihm aufgewandten Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

60      Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 31 der Verordnung Nr. 73/2009 dahin auszulegen ist, dass es zwar grundsätzlich einen Fall höherer Gewalt darstellen kann, wenn der Begünstigte an der weiteren Erfüllung einer Agrarumweltverpflichtung aufgrund fehlender Vereinbarungen mit anderen Eigentümern oder Nutzern von landwirtschaftlichen Flächen über deren Nutzung gehindert ist, dass dies jedoch nur unter der Voraussetzung gilt, dass diese Hinderung auf außerhalb der Sphäre dieses Begünstigten liegenden, ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Umständen beruht, deren Folgen trotz aller von ihm aufgewandten Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

 Kosten

61      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 45 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1974/2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER)

ist dahin auszulegen, dass

er zur Anwendung kommt, wenn ein Landwirt im letzten Jahr, in dem von ihm eingegangene Agrarumweltverpflichtungen zu erfüllen sind, an der weiteren Erfüllung dieser Verpflichtungen gehindert ist und diese Hinderung unmittelbar auf einer Flurbereinigungsmaßnahme oder anderweitigen, öffentlichen oder von den zuständigen Behörden anerkannten Bodenordnungsverfahren beruht, die Einfluss auf die Struktur des landwirtschaftlichen Betriebs haben, der Gegenstand dieser Verpflichtungen ist. Dagegen ist diese Bestimmung nicht anwendbar, wenn diese Hinderung aus dem Wegfall des Rechts resultiert, einen Teil der Fläche dieses Betriebs während der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu nutzen.

2.      Art. 45 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1974/2006

ist dahin auszulegen, dass

der Umstand, dass ein Mitgliedstaat nicht die erforderlichen Vorkehrungen trifft, um die Agrarumweltverpflichtungen eines Begünstigten an die neue Lage seines landwirtschaftlichen Betriebs anzupassen, die sich aus einem Flurbereinigungs- oder anderweitigen Bodenordnungsverfahren im Sinne dieser Bestimmung ergibt, dem entgegensteht, von diesem Begünstigten die Rückzahlung der während des Zeitraums der Erfüllung dieser Verpflichtungen bezogenen Gelder zu fordern.

3.      Art. 31 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates vom 19. Januar 2009 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1290/2005, (EG) Nr. 247/2006, (EG) Nr. 378/2007 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003

ist dahin auszulegen, dass

es zwar grundsätzlich einen Fall höherer Gewalt darstellen kann, wenn der Begünstigte an der weiteren Erfüllung einer Agrarumweltverpflichtung aufgrund fehlender Vereinbarungen mit anderen Eigentümern oder Nutzern von landwirtschaftlichen Flächen über deren Nutzung gehindert ist, dass dies jedoch nur unter der Voraussetzung gilt, dass diese Hinderung auf außerhalb der Sphäre dieses Begünstigten liegenden, ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Umständen beruht, deren Folgen trotz aller von ihm aufgewandten Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Bulgarisch.