URTEIL DES GERICHTS (Dritte erweiterte Kammer)
14. Mai 1998 (1)
„Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 Gesamtschuldnerische Haftung
für die Zahlung der Geldbuße“
In den verbundenen Rechtssachen T-339/94, T-340/94, T-341/94 und T-342/94
Metsä-Serla Oy, Gesellschaft finnischen Rechts mit Sitz in Helsinki,
United Paper Mills Ltd, Gesellschaft finnischen Rechts mit Sitz in Valkeakoski
(Finnland),
Tampella Corporation, Gesellschaft finnischen Rechts mit Sitz in Tampere
(Finnland),
Oy Kyro AB, Gesellschaft finnischen Rechts mit Sitz in Kyröskoski (Finnland),
Prozeßbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte Hans Hellmann und Hans-Joachim
Voges, Köln, dann Rechtsanwälte Hans Hellmann, Köln, und Hans-Joachim
Hellmann, Karlsruhe, Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Loesch &
Wolter, 11, rue Goethe, Luxemburg,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, zunächst vertreten durch Bernd
Langeheine und Richard Lyal, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, dann durch
Richard Lyal im Beistand von Rechtsanwalt Dirk Schroeder, Köln,
Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre
Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 94/601/EG der Kommission vom 13. Juli
1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833 Karton, ABl.
L 243, S. 1)
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten B. Vesterdorf sowie des Richters C. P. Briët, der
Richterin P. Lindh und der Richter A. Potocki und J. D. Cooke,
Kanzler: J. Palacio González, Verwaltungsrat
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom
8. Juli 1997,
folgendes
Urteil
Sachverhalt
- 1.
- Die vorliegenden Rechtssachen betreffen die Entscheidung 94/601/EG der
Kommission vom 13. Juli 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag
(IV/C/33.833 Karton, ABl. L 243, S. 1), die vor ihrer Veröffentlichung durch eine
Entscheidung der Kommission vom 26. Juli 1994 (K[94] 2135 endg.) berichtigt
wurde (im folgenden: Entscheidung). In der Entscheidung wurden gegen 19
Kartonhersteller und -lieferanten aus der Gemeinschaft wegen Verstößen gegen
Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages Geldbußen festgesetzt.
- 2.
- Mit Schreiben vom 22. November 1990 legte die British Printing Industries
Federation (BPIF), eine Branchenorganisation der Mehrzahl der britischen
Kartonbedrucker, bei der Kommission eine informelle Beschwerde ein. Sie machte
geltend, daß die das Vereinigte Königreich beliefernden Kartonhersteller eine
Reihe gleichzeitiger und einheitlicher Preiserhöhungen vorgenommen hätten, und
ersuchte die Kommission, das Vorliegen eines Verstoßes gegen die
Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft zu prüfen. Um ihr Vorgehen publik zu
machen, gab die BPIF eine Pressemitteilung heraus. Deren Inhalt wurde von der
Fachpresse im Dezember 1990 verbreitet.
- 3.
- Am 12. Dezember 1990 reichte die Fédération française du cartonnage bei der
Kommission ebenfalls eine informelle Beschwerde mit Behauptungen betreffend
den französischen Kartonmarkt ein, die ähnlich wie die BPIF-Beschwerde lautete.
- 4.
- Am 23. und 24. April 1991 nahmen Beamte der Kommission gemäß Artikel 14
Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste
Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962,
Nr. 13, S. 204), in den Geschäftsräumen verschiedener Unternehmen und
Branchenorganisationen des Kartonsektors ohne Vorankündigung gleichzeitig
Nachprüfungen vor.
- 5.
- Im Anschluß an diese Nachprüfungen richtete die Kommission an alle Adressaten
der Entscheidung Auskunftsverlangen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 und
ersuchte um die Vorlage von Dokumenten.
- 6.
- Aufgrund der im Rahmen dieser Nachprüfungen und Ersuchen um Auskünfte und
Vorlage von Dokumenten erlangten Informationen kam die Kommission zu dem
Ergebnis, daß sich die betreffenden Unternehmen von etwa Mitte 1986 bis (in den
meisten Fällen) mindestens April 1991 an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85
Absatz 1 des Vertrages beteiligt hätten.
- 7.
- Sie beschloß daher, ein Verfahren gemäß dieser Bestimmung einzuleiten. Mit
Schreiben vom 21. Dezember 1992 richtete sie eine Mitteilung der
Beschwerdepunkte an alle fraglichen Unternehmen. Sämtliche Adressaten
antworteten darauf schriftlich. Neun Unternehmen baten um eine mündliche
Anhörung. Ihre Anhörung fand vom 7. bis zum 9. Juni 1993 statt.
- 8.
- Am Ende des Verfahrens erließ die Kommission die Entscheidung, die folgende
Bestimmungen enthält:
„Artikel 1
Buchmann GmbH, Cascades S.A., Enso-Gutzeit Oy, Europa Carton AG, Finnboard
the Finnish Board Mills Association, Fiskeby Board AB, Gruber & Weber GmbH
& Co. KG, Kartonfabriek .De Eendracht' NV (unter der Firma BPB de
Eendracht handelnd), NV Koninklijke KNP BT NV (ehemals Koninklijke
Nederlandse Papierfabrieken NV), Laakmann Karton GmbH & Co. KG, Mo Och
Domsjö AB (MoDo), Mayr-Melnhof Gesellschaft mbH, Papeteries de Lancey S.A.,
Rena Kartonfabrik A/S, Sarrió SpA, SCA Holding Ltd (ehemals Reed Paper &
Board (UK) Ltd), Stora Kopparbergs Bergslags AB, Enso Española S.A. (früher
Tampella Española S.A.) und Moritz J. Weig GmbH & Co. KG haben gegen
Artikel 85 Absatz 1 des EG-Vertrages verstoßen, indem sie sich
im Falle von Buchmann und Rena von etwa März 1988 bis mindestens
Ende 1990,
im Falle von Enso Española von mindestens März 1988 bis mindestens
Ende April 1991 und
im Falle von Gruber & Weber von mindestens 1988 bis Ende 1990,
in den [übrigen] Fällen von Mitte 1986 bis mindestens April 1991,
an einer seit Mitte 1986 bestehenden Vereinbarung und abgestimmten
Verhaltensweise beteiligten, durch die die Kartonanbieter in der Gemeinschaft
sich regelmäßig an einer Reihe geheimer und institutionalisierter Sitzungen
zwecks Erörterung und Festlegung eines gemeinsamen Branchenplans zur
Einschränkung des Wettbewerbs trafen;
sich über regelmäßige Preiserhöhungen für jede Kartonsorte in jeder
Landeswährung verständigten;
gleichzeitige und einheitliche Preiserhöhungen für die gesamte Gemeinschaft
planten und durchführten;
sich vorbehaltlich gelegentlicher Änderungen über die Aufrechterhaltung
konstanter Marktanteile der führenden Hersteller verständigten;
in zunehmendem Maße ab Anfang 1990 abgestimmte Maßnahmen zur
Kontrolle des Kartonangebots in der Gemeinschaft trafen, um die
Durchsetzung der vorerwähnten abgestimmten Preiserhöhungen
sicherzustellen;
als Absicherung der vorgenannten Maßnahmen Geschäftsinformationen
(über Lieferungen, Preise, Abstellzeiten, Auftragsbestände und
Kapazitätsauslastung) austauschten.
...
Artikel 3
Gegen die nachstehenden Unternehmen werden für den in Artikel 1 festgestellten
Verstoß folgende Geldbußen festgesetzt:
...
v) gegen Finnboard the Finnish Board Mills Association eine Geldbuße in
Höhe von 20 000 000 ECU, für die Oy Kyro AB bis zu einem Betrag von
3 000 000 ECU, Metsä-Serla Oy bis zu einem Betrag von 7 000 000 ECU,
Tampella Corp. bis zu einem Betrag von 5 000 000 ECU und United Paper
Mills Ltd bis zu einem Betrag von 5 000 000 ECU gesamtschuldnerisch mit
Finnboard haften;
...“
- 9.
- Die Klägerinnen, die zu den Adressaten der Entscheidung gehören, sind finnische
Kartonhersteller. Sie vermarkten ihre Erzeugnisse in der Gemeinschaft und auf
anderen Märkten über die Finnish Board Mills Association Finnboard (im
folgenden: Finnboard). Finnboard ist eine Wirtschaftsvereinigung finnischen Rechts,
die 1991 sechs Mitglieder hatte, darunter die Klägerinnen.
- 10.
- Gemäß Randnummer 174 der Entscheidung setzte die Kommission gegen
Finnboard eine Geldbuße fest, da an dem Kartell weniger die Klägerinnen als
Finnboard selbst aktiv und unmittelbar teilgenommen hätten. Sie machte die
Klägerinnen jedoch gesamtschuldnerisch mit Finnboard für die Zahlung des Teils
der Geldbuße haftbar, der annähernd ihrem jeweiligen Anteil an den
Kartonverkäufen von Finnboard entsprach.
Verfahren
- 11.
- Mit Klageschriften, die am 14. Oktober 1994 bei der Kanzlei des Gerichts
eingegangen sind, haben die Klägerinnen Metsä-Serla Oy, United Paper Mills Ltd,
Tampella Corporation und Oy Kyro AB ihre Klagen erhoben. Sie sind unter den
Aktenzeichen T-339/94, T-340/94, T-341/94 und T-342/94 in das Register
eingetragen worden.
- 12.
- Durch Beschluß des Präsidenten der Zweiten erweiterten Kammer des Gerichts
vom 30. März 1995 sind die vier Rechtssachen zu gemeinsamem schriftlichen und
mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.
- 13.
- Durch Beschluß des Gerichts vom 19. September 1995 ist der Berichterstatter der
Dritten erweiterten Kammer zugeteilt worden, der die Rechtssache deshalb
zugewiesen wurde.
- 14.
- Gegen die Entscheidung wurden von allen übrigen Adressaten mit Ausnahme der
Rena Kartonfabrik AS und der Papeteries de Lancey SA siebzehn weitere Klagen
erhoben (Rechtssachen T-295/94, T-301/94, T-304/94, T-308/94, T-309/94, T-310/94,
T-311/94, T-317/94, T-319/94, T-327/94, T-334/94, T-337/94, T-338/94, T-347/94,
T-348/94, T-352/94 und T-354/94). Die Klägerin in der Rechtssache T-301/94, die
Laakmann Karton GmbH, hat ihre Klage jedoch mit Schreiben, das am 10. Juni
1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, zurückgenommen; durch
Beschluß vom 18. Juli 1996 in der Rechtssache T-301/94 (Laakmann
Karton/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) ist diese
Rechtssache im Register des Gerichts gestrichen worden.
- 15.
- Schließlich hat der Verband CEPI-Cartonboard, der nicht zu den Adressaten der
Entscheidung gehört, Klage erhoben. Er hat sie jedoch mit Schreiben, das am 8.
Januar 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, zurückgenommen; durch
Beschluß vom 6. März 1997 in der Rechtssache T-312/94 (CEPI-Cartonboard/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) ist diese
Rechtssache im Register des Gerichts gestrichen worden.
- 16.
- Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte erweiterte Kammer)
beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und hat prozeßleitende
Maßnahmen getroffen, indem es die Klägerinnen ersucht hat, einige schriftliche
Fragen zu beantworten und bestimmte Dokumente vorzulegen. Die Klägerinnen
sind diesen Ersuchen nachgekommen.
- 17.
- Die Parteien haben in der Sitzung, die am 8. Juli 1997 stattfand, mündlich
verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.
Anträge der Parteien
- 18.
- Die Klägerinnen beantragen,
die Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie sie betrifft;
hilfsweise, die Geldbuße herabzusetzen;
der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
- 19.
- Die Kommission beantragt,
die Klagen abzuweisen;
die Klägerinnen zu verurteilen, die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gegenstand des Rechtsstreits
- 20.
- Die vorliegenden Klagen richten sich nur gegen Artikel 3 Ziffer v der
Entscheidung, mit dem die Klägerinnen für die Zahlung der gegen Finnboard
festgesetzten Geldbuße von 20 Millionen ECU gesamtschuldnerisch mit Finnboard
haftbar gemacht werden, und zwar Metsä-Serla Oy bis zu einem Betrag von
7 000 000 ECU, United Paper Mills Ltd bis zu einem Betrag von 5 000 000 ECU,
Tampella Corporation bis zu einem Betrag von 5 000 000 ECU und Oy Kyro AB
bis zu einem Betrag von 3 000 000 ECU.
Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung
Zum einzigen Klagegrund: Verletzung von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17
und von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages
Vorbringen der Parteien
- 21.
- Die Klägerinnen machen geltend, Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17
ermächtige die Kommission nicht zum Erlaß einer Entscheidung, mit der ein
Unternehmen zur Zahlung einer Geldbuße verpflichtet werde, die gegen ein
anderes Unternehmen verhängt worden sei. Diese Bestimmung erlaube nur die
Festsetzung von Geldbußen gegen Unternehmen, die selbst gegen die
Wettbewerbsregeln verstoßen hätten. In Artikel 1 der Entscheidung habe die
Kommission aber bestandskräftig festgestellt, daß die Klägerinnen nicht gegen
Artikel 85 des Vertrages verstoßen hätten. Auch die angebliche Zuwiderhandlung
von Finnboard gegen diesen Artikel werde ihnen in der Entscheidung nicht
zugerechnet.
- 22.
- Im vorliegenden Fall sei die Kommission von einer Haftung für eine fremde Schuld
ausgegangen, die sich von der Haftung für eigene Schuld unterscheide. Im
Gegensatz zu dieser sei die Haftung für eine fremde Schuld nur eine abgeleitete
Haftung.
- 23.
- Die Kommission sei zu Unrecht der Ansicht, daß die Feststellung einer
Zuwiderhandlung der Klägerinnen gegen die Wettbewerbsregeln nicht erforderlich
sei, um sie neben Finnboard für die Zahlung der Geldbuße haftbar zu machen. Die
Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom
22. März 1961 in den Rechtssachen 42/59 und 49/59, Snupat/Hohe Behörde, Slg.
1961, 111) und der Rechtssicherheit verlangten, daß die Kommission ihre
Entscheidung auf eine Ermächtigungsgrundlage stütze. Die Behauptung der
Kommission, daß sie auch gegen die Klägerinnen eine Geldbuße hätte verhängen
können, stehe im übrigen in Widerspruch zu ihrer eigenen Feststellung in
Randnummer 174 der Entscheidung.
- 24.
- Die Kommission sei auch nicht berechtigt gewesen, sie wegen des Bestehens einer
wirtschaftlichen Einheit gesamtschuldnerisch für die Zahlung der Geldbuße haftbar
zu machen.
- 25.
- Erstens sei das Urteil des Gerichtshofes vom 6. März 1974 in den Rechtssachen
6/73 und 7/73 (Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial
Solvents/Kommission, Slg. 1974, 223) entgegen dem Vorbringen der Kommission
in der Entscheidung nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. In dieser
Rechtssache habe der Gerichtshof anerkannt, daß die Muttergesellschaft und ihre
Tochtergesellschaft gemeinsam gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen hätten und
aus diesem Grund gesamtschuldnerisch für die Zuwiderhandlung hafteten. Daher
sei gegen jedes Unternehmen eine Geldbuße festgesetzt worden (vgl. auch Urteil
des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, ICI/Kommission, Slg.
1972, 619). Im vorliegenden Fall habe die Kommission aber nicht angenommen,
daß Finnboard zusammen mit einzelnen oder gar allen Mitgliedsunternehmen eine
wirtschaftliche Einheit im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages darstelle.
Die einschlägige Rechtsprechung zu Konzernen betreffe im übrigen die
Zurechnung von Marktverhalten im Konzern, der durch eine „hierarchische“
Struktur und die Verfolgung des gleichen wirtschaftlichen Zieles gekennzeichnet sei.
- 26.
- Zweitens sei die Auffassung, daß jede der Klägerinnen mit Finnboard eine
wirtschaftliche Einheit bilde, unbegründet. Die Klägerinnen kontrollierten
Finnboard nicht und könnten sie auch nicht kontrollieren. Die
Mitgliedsunternehmen seien am Kapital von Finnboard nicht beteiligt und als
solche im Board of Directors, dessen Mitglieder von allen Mitgliedsunternehmen
gewählt würden, nicht vertreten; schließlich lege der Board of Directors zwar
allgemeine Richtlinien fest, sei aber nicht befugt, dem Managing Director von
Finnboard spezielle Weisungen zu erteilen. Das Fehlen einer Kontroll- oder
Weisungsbefugnis sei in der Rechtsprechung als bedeutsam angesehen worden (vgl.
Urteil ICI/Kommission).
- 27.
- Dem Vorbringen der Kommission sei entgegenzuhalten, daß Finnboard ihre
Betriebskosten mit den Einkünften aus den Kommissionsgeschäften selbst bestreite;
diese Kosten würden entgegen der Behauptung der Kommission nicht von den
Mitgliedsunternehmen getragen.
- 28.
- Schließlich könne die Kommission ihre Entscheidung auch nicht damit
rechtfertigen, daß Finnboard „in Vertretung und im Interesse“ der Klägerinnen
gehandelt habe. Aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juli 1984 in der
Rechtssache 170/83 (Hydrotherm, Slg. 1984, 2999) gehe hervor, daß eine hier
nicht vorhandene Interessengleichheit nicht ausreiche, um auf das Vorliegen einer
wirtschaftlichen Einheit zwischen ihnen und Finnboard schließen zu können (siehe
auch Urteil Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission,
und Urteil des Gerichts vom 12. Januar 1995 in der Rechtssache T-102/92,
Viho/Kommission, Slg. 1995, II-17, insbesondere Randnrn. 48 bis 50). Die einzelnen
Mitgliedsunternehmen von Finnboard verfolgten ihr eigenes wirtschaftliches Ziel,
das dem von Finnboard verfolgten Ziel nicht gleichgesetzt werden könne.
- 29.
- Einer Haftung aus Geschäftsführung ohne Auftrag stehe entgegen, daß damit die
Voraussetzungen von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 nicht erfüllt
wären, da diese Bestimmung verlange, daß die Adressaten der Entscheidung die
Zuwiderhandlung als Täter oder Mittäter begangen hätten. Selbst wenn Finnboard
im vermeintlichen Interesse der Mitgliedsunternehmen an einem Kartell
teilgenommen hätte, würden sie selbst dadurch nicht Mitglieder des Kartells.
- 30.
- Schließlich seien weder die Befürchtung, daß Finnboard die Geldbuße nicht zahlen
werde, noch Praktikabilitätserwägungen (vgl. Randnr. 174 der Entscheidung) eine
Rechtfertigung dafür, daß die Kommission Unternehmen gesamtschuldnerisch
haftbar mache.
- 31.
- Die Kommission ist der Ansicht, daß die Geldbuße zu Recht auf Artikel 15
Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 gestützt worden sei; diese Bestimmung sei eine
ausreichende Rechtsgrundlage für eine gesamtschuldnerische Haftung der
Klägerinnen für die Zahlung der gegen Finnboard verhängten Geldbuße.
- 32.
- Die Klägerinnen hätten nicht über Verkaufsabteilungen zum Absatz ihrer Produkte
verfügt. Diese seien daher ausschließlich über Finnboard vertrieben worden. Dabei
seien die Kaufverträge für die betreffenden Produkte zwischen den Erwerbern und
Finnboard geschlossen worden, die Berechnung gegenüber dem Kunden sei im
Auftrag des jeweiligen Herstellers erfolgt, und das Eigentum an der Ware sei
unmittelbar vom Mitgliedsunternehmen von Finnboard auf den Erwerber
übergegangen. Die Preispolitik für die einzelnen Produkte sei von den
Mitgliedsunternehmen im Rahmen von Finnboard festgelegt worden.
- 33.
- Finnboard habe außerdem den Weisungen der Klägerinnen in bezug auf Mengen
und Preise der von ihr abgesetzten Produkte unterlegen. Sie habe zwar die Preise
und Verkaufsbedingungen in gewissen Grenzen aushandeln können, aber dies
entspreche der Aufgabenverteilung zwischen der Verkaufsabteilung und der
Geschäftsleitung ein und desselben Unternehmens. Da die Klägerinnen Finnboard
mit dem Verkauf ihrer gesamten Produktion betraut hätten, könne diese als
Hilfsorgan aller Klägerinnen angesehen werden (vgl. hierzu Urteil des
Gerichtshofes vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73,
54/73, 55/73, 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie u. a./Kommission, Slg.
1975, 1663).
- 34.
- Die Mitgliedsunternehmen seien in der Lage gewesen, die Tätigkeit von Finnboard
zu kontrollieren, so daß diese ihr Marktverhalten nicht autonom habe bestimmen
können. Neben den Weisungen, die die Mitgliedsunternehmen in bezug auf den
Absatz ihrer Produkte gegeben hätten, hätten sie auch ihren eigenen Vertreter in
den Board of Directors von Finnboard entsandt. Es sei im übrigen undenkbar, daß
die Klägerinnen ihre Produktion einer Organisation überlassen hätten, die von
ihnen nicht kontrolliert werde und die nach eigenem Gutdünken Preise und
Verkaufsbedingungen festsetzen könne, ohne ihren Weisungen unterworfen zu sein.
Darüber hinaus hätten die Mitgliedsunternehmen die Betriebskosten von Finnboard
getragen.
- 35.
- Unter diesen Umständen und angesichts der Tatsache, daß Finnboard für die
Klägerinnen gehandelt habe, habe sie mit jeder der Klägerinnen eine wirtschaftliche
Einheit in bezug auf deren Verkäufe gebildet.
- 36.
- Diese Einschätzung werde durch das einheitliche Marktverhalten von Finnboard
und der Klägerinnen bestätigt (vgl. Urteil Viho/Kommission, Randnr. 50). Die
Annahme, daß Finnboard beim Absatz der Produkte der Klägerinnen nicht in
deren Interesse gehandelt habe, wäre abwegig. Sie habe, wie in der Entscheidung
festgestellt werde, in deren Vertretung gehandelt.
- 37.
- Obwohl die Klägerinnen und Finnboard eigene Rechtspersönlichkeiten seien, könne
das Finnboard zur Last gelegte Verhalten nach der Rechtsprechung jeder einzelnen
Klägerin zugerechnet werden (vgl. Urteile ICI/Kommission, Randnrn. 132 ff., und
Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission, Randnrn.
36 ff., Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in den Rechtssachen T-68/89, T-77/89
und T-78/89, SIV u. a./Kommission, Slg. 1992, II-1403, Randnr. 357, und Urteil
Viho/Kommission, Randnr. 47).
- 38.
- Da angesichts einer wirtschaftlichen Einheit im Sinne der Rechtsprechung der
Erlaß einer eigenständigen Bußgeldentscheidung gegen jede Klägerin zulässig
gewesen wäre, müsse die Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung erst recht
zulässig sein. Die ausdrückliche Feststellung einer Zuwiderhandlung der
Klägerinnen in Artikel 1 der Entscheidung sei nicht erforderlich gewesen, da ihnen
das Verhalten von Finnboard habe zugerechnet werden können. Es treffe daher
nicht zu, daß die Kommission von einer Haftung für eine fremde Schuld
ausgegangen sei.
- 39.
- Die Grundsätze, die sich aus der im Rahmen von Konzernen in bezug auf Mutter-
und Tochtergesellschaften entwickelten Rechtsprechung ergäben, seien hier
anzuwenden, da sich die fraglichen Unternehmen andernfalls den
Wettbewerbsregeln einfach dadurch entziehen könnten, daß sie rechtlich
selbständige Verkaufsgesellschaften errichteten, von deren Verhalten sie sich
distanzierten, obwohl diese Gesellschaften weisungsabhängig seien.
- 40.
- Schließlich seien den Klägerinnen, die eine Mitteilung der Beschwerdepunkte
erhalten hätten, in denen eine gesamtschuldnerische Haftung angesprochen worden
sei, durch die Vorgehensweise der Kommission keine Rechte beschnitten worden.
Würdigung durch das Gericht
- 41.
- In Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 heißt es:
„Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen
durch Entscheidung Geldbußen in Höhe von eintausend bis einer Million
Rechnungseinheiten oder über diesen Betrag hinaus bis zu zehn vom Hundert des
von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten
Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig:
a) gegen Artikel 85 Absatz (1) ... verstoßen ...“
- 42.
- In dieser Bestimmung wird nicht ausdrücklich gesagt, ob ein Unternehmen, das für
die von der Kommission festgestellte Zuwiderhandlung nicht unmittelbar und
förmlich zur Verantwortung gezogen wird, mit einem anderen Unternehmen, das
die festgestellte Zuwiderhandlung begangen hat und dafür mit einer Sanktion
belegt wird, gesamtschuldnerisch für die Zahlung einer gegen dieses Unternehmen
festgesetzten Geldbuße haftbar gemacht werden kann.
- 43.
- Die Bestimmung ist jedoch dahin auszulegen, daß ein Unternehmen
gesamtschuldnerisch mit einem anderen Unternehmen, das vorsätzlich oder
fahrlässig eine Zuwiderhandlung begangen hat, für die Zahlung einer gegen dieses
Unternehmen festgesetzten Geldbuße haftbar gemacht werden kann, sofern die
Kommission im selben Rechtsakt darlegt, daß die Zuwiderhandlung auch bei dem
Unternehmen, das gesamtschuldnerisch für die Geldbuße haften soll, hätte
festgestellt werden können.
- 44.
- Im vorliegenden Fall ist zwar Finnboard das Unternehmen, das für die
Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages unmittelbar und
förmlich zur Verantwortung gezogen wird (Artikel 1 der Entscheidung) und gegen
das daher in Artikel 3 Ziffer v der Entscheidung eine Geldbuße festgesetzt wird;
alle Klägerinnen werden jedoch gesamtschuldnerisch mit Finnboard für die Zahlung
eines Teils dieser Geldbuße haftbar gemacht, da Finnboard nach Ansicht der
Kommission in ihrer Vertretung und in ihrem Interesse handelte (Randnr. 174
Absatz 2 der Entscheidung).
- 45.
- Somit ist zu prüfen, ob zwischen Finnboard und den Klägerinnen wirtschaftliche
und rechtliche Bindungen bestanden, aufgrund deren die Kommission jede der
Klägerinnen unmittelbar und förmlich für die Zuwiderhandlung hätte zur
Verantwortung ziehen können.
- 46.
- Insoweit geht aus der Entscheidung hervor, daß die Klägerinnen nach Ansicht der
Kommission für das Handeln von Finnboard hafteten (Randnr. 174 Absatz 2).
- 47.
- Bei der Beurteilung der Richtigkeit dieser Behauptung sind die wesentlichen
Auskünfte zu berücksichtigen, die sich aus den Akten und insbesondere aus der
Antwort der Klägerinnen auf schriftliche Fragen des Gerichts nach der
Arbeitsweise von Finnboard und nach den rechtlichen und tatsächlichen
Beziehungen zwischen Finnboard und ihren Mitgliedsunternehmen, insbesondere
den Klägerinnen, ergeben.
- 48.
- Gemäß ihrer Satzung vom 1. Januar 1987 (§ 2) ist Finnboard eine Vereinigung, die
den von den Klägerinnen hergestellten Karton sowie die von anderen Mitgliedern
hergestellten Papiererzeugnisse vermarktet.
- 49.
- Nach den §§ 10 und 11 der Satzung nominiert jedes Mitglied einen Vertreter für
den „Board of Directors“, der u. a. die Aufgabe hat, Richtlinien für die Tätigkeit
der Vereinigung zu beschließen, den Etat, den Finanzierungsplan und dieGrundsätze für die Verteilung der Ausgaben auf die Mitglieder zu genehmigen
sowie den „Managing Director“ zu bestellen.
- 50.
- § 20 der Satzung lautet:
„Die Mitglieder haften für Verpflichtungen, die im Namen der Vereinigung
eingegangen werden, gesamtschuldnerisch wie für eigene Schulden.
Die Schulden und Verpflichtungen werden im Verhältnis der Nettorechnungen der
Mitglieder im laufenden Jahr und in den beiden Vorjahren aufgeteilt.“
- 51.
- Zum Verkauf der Kartonprodukte geht aus der Antwort der Klägerinnen auf
schriftliche Fragen des Gerichts hervor, daß sie Finnboard im maßgeblichen
Zeitraum mit der Abwicklung ihrer gesamten Kartonverkäufe betraut hatten;
ausgenommen waren nur Verkäufe der Klägerinnen an Gesellschaften ihrer
eigenen Gruppe und der Verkauf kleinerer Mengen an gelegentliche Kunden in
Finnland (siehe auch § 14 der Satzung von Finnboard). Außerdem legte Finnboard
für die Klägerinnen einheitliche Preise fest und gab diese bekannt.
- 52.
- Ferner führen die Klägerinnen aus, die einzelnen Verkaufsvorgänge seien so
abgelaufen, daß die Kunden Finnboard die Aufträge erteilt und dabei im
allgemeinen das gewünschte Werk angegeben hätten; derartige Wünsche seien vor
allem mit Qualitätsunterschieden zwischen den Erzeugnissen der Klägerinnen zu
erklären. Sei kein Wunsch geäußert worden, so seien die Aufträge gemäß § 15 der
Satzung unter den Mitgliedsunternehmen von Finnboard aufgeteilt worden; dieser
lautet:
„Die eingehenden Aufträge sind gerecht und gleichmäßig zur Ausführung durch die
Mitglieder zu verteilen; dabei sind die Produktionskapazität jedes Mitglieds sowie
die vom Board of Directors festgelegten Grundsätze für die Verteilung zu
berücksichtigen.“
- 53.
- Finnboard sei berechtigt gewesen, mit jedem potentiellen Kunden die
Verkaufsbedingungen einschließlich des Preises auszuhandeln; für diese
individuellen Verhandlungen hätten die Klägerinnen allgemeine Richtlinien
aufgestellt. Jede Bestellung habe jedoch der betreffenden Klägerin vorgelegt
werden müssen, die über ihre Annahme entschieden habe.
- 54.
- Der Ablauf der einzelnen Verkaufsvorgänge und die dabei angewandten
Buchungsgrundsätze werden in einer Erklärung des Wirtschaftsprüfers von
Finnboard vom 4. Juni 1997 wie folgt beschrieben:
„Finnboard handelt als Kommissionär für die Kommittenten und stellt die
Rechnungen .im eigenen Namen für den jeweiligen Kommittenten'.
1. Jeder Auftrag wird vom Werk des Kommittenten bestätigt.
2. Zum Zeitpunkt der Auslieferung durch das Werk stellt dieses Finnboard
einen Ausgangsbetrag in Rechnung (.Werksrechnung'). Die Rechnung wird
in das Kommittentenkonto als Forderung und in das Lieferantenbuch von
Finnboard als Schuld gegenüber dem Werk aufgenommen.
3. Die Werksrechnung (abzüglich der geschätzten Transport-, Lagerungs-, Liefer- und Finanzierungskosten) wird von Finnboard innerhalb eines vereinbarten
Zeitraums (1990/91 waren dies 10 Tage) im voraus bezahlt. Finnboard
finanziert somit die Lagerbestände im Ausland und die Kundenforderungen
des Werkes, ohne das Eigentum an der gelieferten Ware zu erwerben.
4. Zum Zeitpunkt der Auslieferung an den Kunden erstellt Finnboard für das
Werk eine Kundenrechnung. Die Rechnung wird im Kommittentenkonto als
Verkauf und im Debitorenbuch von Finnboard als Forderung verbucht.
5. Zahlungen der Kunden werden in den Konten der Kommittenten
verzeichnet, und etwaige Unterschiede zwischen den geschätzten und den
tatsächlichen Preisen und Kosten (siehe oben, 3) werden über das
Kommittentenkonto ausgeglichen.“
- 55.
- Daraus ist erstens zu ersehen, daß Finnboard zwar berechtigt war, mit den
Endabnehmern unter Beachtung der von den Klägerinnen festgelegten Richtlinien
die Preise und sonstigen Verkaufsbedingungen auszuhandeln; ohne vorherige
Genehmigung des Preises und der sonstigen Verkaufsbedingungen durch die
betreffende Klägerin konnte jedoch kein Verkauf getätigt werden.
- 56.
- Zweitens ist unstreitig, daß das Eigentum unmittelbar von der betreffenden
Klägerin auf den Endabnehmer überging.
- 57.
- Schließlich decken die von Finnboard bezogenen Kommissionen, die als Umsatz in
ihren Jahresberichten erscheinen, nur die Kosten wie z. B. Transport- oder
Finanzierungskosten im Zusammenhang mit den Verkäufen, die sie für Rechnung
ihrer Mitgliedsunternehmen getätigt hat. Folglich hatte Finnboard kein eigenes
wirtschaftliches Interesse daran, sich an der Preisabsprache zu beteiligen, denn die
Preiserhöhungen, die von den in den Gremien der PG Karton vertretenen
Unternehmen angekündigt und durchgeführt wurden, konnten ihr keinen Gewinn
bringen. Dagegen war die Beteiligung von Finnboard an dieser Absprache für die
Klägerinnen von unmittelbarem wirtschaftlichem Interesse.
- 58.
- Unter den Umständen des vorliegenden Falles waren die wirtschaftlichen und
rechtlichen Bindungen zwischen Finnboard und den einzelnen Klägerinnen daher
so ausgestaltet, daß Finnboard bei der Vermarktung des Kartons für die
Klägerinnen nur als ihr Hilfsorgan handelte. Angesichts dieser Bindungen und der
Tatsache, daß Finnboard die Weisungen jeder Klägerin zu befolgen hatte und sich
auf dem Markt nicht unabhängig von ihnen verhalten konnte, bildete Finnboard de
facto mit jedem ihr angehörenden Kartonhersteller eine wirtschaftliche Einheit (vgl.
analog dazu Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnrn. 538 bis 540).
- 59.
- Die Kommission ist daher in der Begründung der Entscheidung zu Recht davon
ausgegangen, daß die Klägerinnen für die wettbewerbswidrigen Handlungen von
Finnboard verantwortlich waren, so daß bei jeder von ihnen ein vorsätzlicher
Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages hätte festgestellt werden können.
Sie konnte sich daher, statt unmittelbar gegen jede Klägerin eine Geldbuße
festzusetzen, dafür entscheiden, sie gesamtschuldnerisch mit Finnboard für die
Zahlung eines Teils der gegen diese Wirtschaftsvereinigung verhängten Geldbuße
haftbar zu machen.
- 60.
- Angesichts dessen ist der Klagegrund zurückzuweisen.
Zum Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße
- 61.
- Gemäß Artikel 44 § 1 der Verfahrensordnung muß die Klageschrift eine kurze
Darstellung der Klagegründe enthalten. Die Unzulässigkeit, die ein Verstoß gegen
diese Bestimmung zur Folge hat, kann von Amts wegen festgestellt werden (vgl.
u. a. Urteil des Gerichts vom 10. Juli 1990 in der Rechtssache T-64/89,
Automec/Kommission, Slg. 1990, II-367, Randnrn. 73 und 74).
- 62.
- Da die Klägerinnen zur Stützung ihrer Anträge auf Herabsetzung der Geldbuße
keinen Klagegrund geltend gemacht haben, sind diese Anträge für unzulässig zu
erklären.
- 63.
- Nach alledem sind die Klagen abzuweisen.
Kosten
- 64.
- Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf
Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen mit ihrem
Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen entsprechend dem Antrag der Kommission
die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klagen werden als unbegründet abgewiesen, soweit sie auf die
Nichtigerklärung der Entscheidung 94/601/EG der Kommission vom 13.
Juli 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833
Karton) gerichtet sind.
2. Die Klagen werden als unzulässig abgewiesen, soweit sie auf die
Herabsetzung der in Artikel 3 dieser Entscheidung festgesetzten Geldbuße
gerichtet sind.
3. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.
VesterdorfBriët
Lindh
Potocki Cooke
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Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Mai 1998.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
B. Vesterdorf