URTEIL DES GERICHTS (Fünfte erweiterte Kammer)
15. Oktober 1998 (1)
„Antidumping Verordnung (EWG) Nr. 2423/88 Calciummetall
Wiederaufnahme einer Antidumpinguntersuchung Verfahrensrechte
Gleichartiges Erzeugnis Schädigung Interesse der Gemeinschaft
Begründung Ermessensmißbrauch Antidumpingverordnung, die einem
Importeur nicht entgegengehalten werden kann“
In der Rechtssache T-2/95
Industrie des poudres sphériques, Gesellschaft französischen Rechts, Annemasse
(Frankreich), vertreten durch Rechtsanwältin Chantal Momège, Paris,
Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Alex Schmitt, 7, val Sainte-Croix,
Luxemburg,
gegen
Rat der Europäischen Union, zunächst vertreten durch die Rechtsberater Ramón
Torrent und Jorge Monteiro, dann durch die Rechtsberater Ramón Torrent und
Yves Cretien, schließlich durch Rechtsberater Ramón Torrent und Antonio Tanca,
Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Beistand: Barrister Philip Bentley, Lincoln's
Inn, Zustellungsanschrift: Generaldirektor Alessandro Morbilli, Direktion für
Rechtssachen der Europäischen Investitionsbank, 100, boulevard Konrad Adenauer,
Luxemburg,
unterstützt durch
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Nicholas Khan
und Xavier Lewis, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre
Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
Péchiney électrométallurgie, Gesellschaft französischen Rechts, Courbevoie
(Frankreich),
und
Chambre syndicale de l'électrométallurgie et de l'électrochimie, Vereinigung
französischen Rechts, Paris,
zunächst vertreten durch Rechtsanwälte Jacques-Philippe Gunther und Hubert de
Broca, Paris, später nur durch Rechtsanwalt Gunther, Zustellungsanschrift: Kanzlei
der Rechtsanwälte Loesch und Wolter, 11, rue Goethe, Luxemburg,
wegen Nichtigerklärung der Verordnung (EG) Nr. 2557/94 des Rates vom 19.
Oktober 1994 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren
von Calciummetall mit Ursprung in der Volksrepublik China und Rußland (ABl.
L 270, S. 27), hilfsweise wegen Erklärung, daß diese Verordnung der Klägerin nicht
entgegengehalten werden kann,
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi sowie der Richter B. Vesterdorf,
R. García-Valdecasas, R. M. Moura Ramos und M. Jaeger,
Kanzler: B. Pastor, Hauptverwaltungsrätin, und A. Mair, Verwaltungsrat
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2.
Dezember 1997,
folgendes
Urteil
Sachverhalt
A Die Rechtssache Extramet
- 1.
- Im Juli 1987 erhob die Chambre syndicale de l'électrométallurgie et de
l'électrochimie (Berufskammer), eine Vereinigung französischen Rechts, im Namen
der Firma Péchiney électrométallurgie (PEM), einer Gesellschaft französischen
Rechts, bei der Kommission eine Beschwerde, in der sie den Erlaß von
Antidumpingmaßnahmen gegen Einfuhren von Calziummetall mit Ursprung in der
Volksrepublik China und der Sowjetunion begehrte.
- 2.
- Am 26. Januar 1988 eröffnete die Kommission gemäß der Verordnung (EWG) Nr.
2176/84 des Rates vom 23. Juli 1984 über den Schutz gegen gedumpte oder
subventionierte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
gehörenden Ländern (ABl. L 201, S. 1) ein Antidumpingverfahren.
- 3.
- Mit der Verordnung (EWG) Nr. 707/89 der Kommission vom 17. März 1989 zur
Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von
Calciummetall mit Ursprung in der Volksrepublik China und der Sowjetunion (ABl.
L 78, S. 10) setzte die Kommission für das streitige Erzeugnis einen vorläufigen
Antidumpingzoll von 10,7 % fest.
- 4.
- Nach einer Verlängerung des vorläufigen Zolles führte der Rat mit der Verordnung
(EWG) Nr. 2808/89 des Rates vom 18. September 1989 zur Einführung eines
endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Calcium-Metall mit Ursprung
in der Volksrepublik China und der Sowjetunion und zur endgültigen
Vereinnahmung der vorläufigen Antidumpingzölle auf diese Einfuhren (ABl. L 271,
S. 1) einen endgültigen Antidumpingzoll in Höhe von 21,8 % bzw. 22 % ein.
- 5.
- Am 27. November 1989 erhob die Klägerin, die damals die Firma Extramet
Industrie SA führte, eine Klage auf Nichtigerklärung dieser Verordnung.
- 6.
- Die Klage wurde mit Urteil des Gerichtshofes vom 16. Mai 1991 in der
Rechtssache C-358/89 (Extramet Industrie, Slg. 1991, I-2501; Urteil Extramet I) für
zulässig erklärt. Mit Urteil vom 11. Juni 1992 in der Rechtssache C-358/89
(Extramet Industrie, Slg. 1992, I-3813; Urteil Extramet II) hat der Gerichtshof die
angefochtene Verordnung Nr. 2808/89 mit der Begründung für nichtig erklärt, die
Gemeinschaftsorgane hätten die Frage, ob der Gemeinschaftshersteller des von der
Verordnung erfaßten Erzeugnisses, nämlich die PEM, durch seine
Verkaufsverweigerung nicht selbst zu der Schädigung beigetragen habe, nicht
tatsächlich geprüft und festgestellt, daß die festgestellte Schädigung nicht auf die
von der Klägerin angeführten Faktoren zurückgehe, so daß sie bei der Feststellung
der Schädigung nicht ordnungsgemäß vorgegangen seien (Randnrn. 19 und 20 des
Urteils Extramet II).
- 7.
- Mit Entscheidung vom 31. März 1992 verurteilte der französische Conseil de la
concurrence die PEM, weil die Société électrométallurgique du Planet (SEMP), die
die PEM im Dezember 1985 übernommen hatte, in der Zeit von Oktober 1982 bis
Ende 1984 eine beherrschende Stellung mißbraucht hatte.
- 8.
- Mit Urteil vom 14. Januar 1993 hat die Cour d'appel Paris diese Entscheidung
aufrechterhalten, dabei aber festgehalten, aus den Akten ergebe sich nicht, daß der
PEM nach 1984 noch wettbewerbswidriges Verhalten vorgeworfen werden könne.
B Das Erzeugnis
- 9.
- Roh-Calciummetall ist ein chemisches Element, das in Form von Stücken und
Spänen entweder aus Calciumoxid (Kalk) oder aus Calciumchlorid hergestellt wird.
- 10.
- Es wird in fünf Ländern hergestellt, in Frankreich (durch die PEM), China,
Rußland, Kanada und den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Hersteller
verwenden zwei unterschiedliche Herstellungsverfahren, das elektrolytische
Verfahren und das aluminothermische Verfahren.
- 11.
- Das elektrolytische Verfahren wird in China und Rußland eingesetzt und besteht
aus zwei Stufen: die Elektrolyse des Calciumchlorids, in deren Verlauf sich das
Calcium an einer Kupferkathode absetzt, was zu einer Kupfer-Calciumlegierung
führt, und die Destillation dieser Legierung, mit der die beiden Metalle getrennt
werden.
- 12.
- Das aluminothermische Verfahren ist ein einstufiges Verfahren; hier wird
Calciumoxid mit Aluminium reduziert; die Calciumdämpfe werden kondensiert.
Dieses Verfahren, dessen Anwendung relativ tolerant ist, wird von allen westlichen
Erzeugern eingesetzt, weil die Investitions- und Betriebskosten geringer sind.
- 13.
- In beiden Verfahren erhält man Roh-Calciummetall, das als solches in der Blei-,
der Calciumblei- und der Eisenlegierungsindustrie eingesetzt wird (40 % des
Gesamtverbrauchs von Calcium). Im übrigen wird es als Rohstoff für die
Herstellung von Calcium, das granuliert von der eisenverarbeitenden Industrie
verwendet wird (46 % des Gesamtverbrauchs), und für die
Hochtemperaturbehandlung mit Calcium (ungefähr 11 % des Gesamtverbrauchs)
verwendet.
- 14.
- Für die Granulierung des Roh-Calciummetalls gibt es zwei Verfahren:
das mechanische Zerkleinern der Späne oder Stücke von
Roh-Calciummetall, das die PEM und die anderen
Gemeinschaftsverarbeiter einsetzen, um granuliertes Calciummetall zu
erzeugen;
die Granulierung durch Umschmelzen und Zerstäubung des Flüssigmetalls
unter Druck eines Edelgases (Argon); dieses Verfahren setzt die Klägerin
ein, um Calciummetall in Pulverform als reaktives Metallgranulat zu
erzeugen.
C Die klägerische Industrie des poudres sphériques
- 15.
- Die Klägerin, die früher die Firma Extramet Industrie führte, hat ihren Sitz in
Annemasse (Frankreich); sie ist auf die Herstellung von Calciummetall in Form
reaktiven Metallgranulats aus Calciummetall spezialisiert. Sie wurde 1982 in der
Folge der Entdeckung eines Granulierungsverfahrens im Jahre 1980 gegründet.
- 16.
- Um Calciummetall zu beziehen, hat sie sich zunächst an den
Gemeinschaftshersteller, nämlich die Société électrométallurgique du Planet, nach
deren 1985 erfolgter Fusion mit der PEM an diese gewandt.
D Verwaltungsverfahren
- 17.
- In Anschluß an das Urteil Extramet II hat die PEM am 1. Juli 1992 ein Schreiben,
in dem sie um die Wiedereröffnung der Untersuchung ersuchte, und einen
technischen Vermerk über die Schädigung der Gemeinschaftsindustrie an die
Kommission gesandt.
- 18.
- Die Kommission ging davon aus, daß die Untersuchung von selbst weitergehe; sie
hat die Klägerin mit Schreiben vom 17. Juli 1992 aufgefordert, zur Schädigung der
Gemeinschaftsindustrie Stellung zu nehmen, und mitgeteilt, sie habe die PEM
aufgefordert, zur selben Frage Stellung zu nehmen.
- 19.
- Mit Schreiben vom 14. August 1992 bestritt die Klägerin die Auffassung der
Kommission über die rechtliche Möglichkeit einer Wiederaufnahme der
Untersuchung. Sie verlangte eine ordnungsgemäße, gerichtlich anfechtbare
Entscheidung.
- 20.
- Mit Schreiben vom 21. August 1992 hat sie diesen Antrag wiederholt.
- 21.
- Am 14. Oktober 1992 übersandte ihr die Kommission den Vermerk der PEM vom
1. Juli 1992 über die Schädigung.
- 22.
- Am 14. November 1992 veröffentlichte die Kommission eine Mitteilung über das
Antidumpingverfahren betreffend die Einfuhren von Calcium-Metall mit Ursprung
in der Volksrepublik China und Rußland (ABl. C 298, S. 3).
- 23.
- Mit Schreiben vom 18. November 1992 unterrichtete die Kommission die Klägerin
von der Veröffentlichung dieser Mitteilung und forderte sie auf, ihr binnen 30
Tagen Fragebögen zurückzusenden. Die neue Untersuchungsperiode umfasse den
Zeitraum vom 1. Juli 1991 bis zum 31. Oktober 1992.
- 24.
- Mit Schreiben vom 23. Dezember 1992 nahm die Klägerin zum Vermerk der PEM
vom 1. Juli 1992 über die Schädigung Stellung.
- 25.
- Mit Schreiben vom 29. Juli 1993 forderte die Kommission die Klägerin auf, ihr alle
erheblichen Umstände insbesondere zur Schädigung mitzuteilen. Mit Schreiben vom
12. August 1993 antwortete die Klägerin, sie habe hierzu nichts Neues vorzutragen,
da sich die Lage seit ihrem Schreiben vom 23. Dezember 1992 kaum verändert
habe.
- 26.
- Am 21. April 1994 erließ die Kommission die Verordnung (EG) Nr. 892/94 zur
Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von
Calciummetall mit Ursprung in der Volksrepublik China und Rußland (ABl. L 104,
S. 5; vorläufige Verordnung). Der Zoll wurde auf 2 074 ECU je Tonne
Calciummetall mit Ursprung in China und auf 2 120 ECU je Tonne Calciummetall
mit Ursprung in Rußland festgesetzt.
- 27.
- Am 31. Mai 1994 nahm die Klägerin zu der vorläufigen Verordnung Stellung, gegen
die sie zahlreiche Vorbehalte anmeldete. Hierauf hat die Kommission mit
Schreiben vom 14. Juni 1994 geantwortet.
- 28.
- Am 11. August 1994 teilte die Kommission der Klägerin die wesentlichen Tatsachen
und Erwägungen mit, auf deren Grundlage sie die Einführung eines endgültigen
Antidumpingzolls auf Einfuhren von Calciummetall mit Ursprung in China und
Rußland vorzuschlagen beabsichtige.
- 29.
- Am 19. Oktober 1994 erließ der Rat auf Vorschlag der Kommission die
Verordnung (EG) Nr. 2557/94 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls
auf die Einfuhren von Calciummetall mit Ursprung in der Volksrepublik China und
Rußland (ABl. L 270, S. 27; streitige Verordnung). Der in der vorläufigen
Verordnung festgesetzte Zollsatz wurde darin beibehalten. Auch den in der
vorläufigen Verordnung eingeführten Antidumpingzoll hat der Rat bestätigt.
Verfahren vor dem Gericht
- 30.
- Mit Schriftsatz, der am 9. Januar 1995 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht
wurde, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.
- 31.
- Am selben Tag hat sie einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der streitigen
Verordnung gestellt. Diesen Antrag hat der Präsident des Gerichts mit Beschluß
vom 24. Februar 1995 in der Rechtssache T-2/95 R (Industrie des poudres
sphériques/Rat, Slg. 1995, II-485) zurückgewiesen.
- 32.
- Mit Beschluß vom 28. April 1995 hat der Präsident der Vierten erweiterten
Kammer des Gerichts die Kommission als Streithelferin zur Unterstützung der
Anträge des Beklagten zugelassen.
- 33.
- Mit Beschluß vom 28. November 1995 hat der Präsident der Fünften erweiterten
Kammer des Gerichts die PEM und die Berufskammer als Streithelferinnen zur
Unterstützung der Anträge des Beklagten zugelassen und einem Antrag auf
vertrauliche Behandlung der in den Randnummern 9, 10, 14 und 15 des Beschlusses
angegebenen Angaben stattgegeben.
- 34.
- Am 16. April 1996 haben die PEM und die Berufskammer ihren
Streithilfeschriftsatz eingereicht. Am 17. Juni 1996 hat die Klägerin Erklärungen
zum Streithilfeschriftsatz der PEM und der Berufskammer abgegeben.
- 35.
- Mit Beschluß vom 20. November 1996 hat der Präsident der Fünften erweiterten
Kammer des Gerichts einem zweiten Antrag auf vertrauliche Behandlung
gegenüber denselben Streithelferinnen entsprochen, was die Angaben in
Randnummer 4 des Beschlusses betrifft.
- 36.
- Das Gericht (Fünfte erweiterte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters die
mündliche Verhandlung eröffnet.
- 37.
- Die Parteien haben in der Sitzung vom 2. Dezember 1997 mündlich verhandelt und
Fragen des Gerichts beantwortet.
Anträge der Parteien
- 38.
- Die Klägerin beantragt,
die streitige Verordnung für nichtig zu erklären;
hilfsweise zu erklären, daß sie der Klägerin nicht entgegengehalten werden
könne;
den Rat in die Kosten zu verurteilen.
- 39.
- Der Rat beantragt,
die Klage abzuweisen;
die Klägerin in die Kosten zu verurteilen.
- 40.
- Die Kommission beantragt als Streithelferin,
die Klage abzuweisen;
die Klägerin in die Kosten zu verurteilen.
- 41.
- Die PEM und die Berufskammer beantragen als Streithelferinnen,
die Klage abzuweisen;
die Klägerin in die durch die Streithilfe verursachten Kosten zu verurteilen.
Zulässigkeit
Parteivorbringen
- 42.
- Der Rat erhebt in der Klagebeantwortung eine Einrede der Unzulässigkeit. Nach
ständiger Rechtsprechung könne ein Importeur im allgemeinen nicht die
Nichtigerklärung einer Verordnung beantragen, die Antidumpingzölle auferlege.
Zwar habe der Gerichtshof in bestimmten Fällen entschieden, daß eine solche
Verordnung bestimmte Wirtschaftsteilnehmer individuell betreffe; diese hätten
daher eine Nichtigkeitsklage erheben können. Jedoch sei die Zulässigkeit der
vorliegenden Klage zweifelhaft, da die Klägerin hilfsweise beantrage, zu erklären,
daß die angefochtene Verordnung ihr nicht entgegengehalten werden könne. Mit
diesem Hilfsantrag gestehe die Klägerin ein, daß die Bürger sich nur dann auf
Artikel 173 EG-Vertrag berufen könnten, wenn die angefochtene Handlung ihnen
gegenüber eine Entscheidung sei.
- 43.
- Eine Verordnung über die Auferlegung von Antidumpingzöllen habe
möglicherweise gegenüber einem Exporteur den Charakter einer Entscheidung,
soweit sie die Einfuhr seines Erzeugnisses mit einem Antidumpingzoll belege, nicht
aber gegenüber einem Importeur. In ihrem Hilfsantrag gehe die Klägerin davon
aus, daß der Rat eine Entscheidung hätte erlassen können, die sie von der
Anwendung der streitigen Verordnung ausgenommen hätte.
- 44.
- Da die Verordnung keine Ausnahmeregelung zugunsten der Klägerin hätte
vorsehen können, sei sie ihr gegenüber keine Entscheidung. Ließe man den
Hauptantrag zu, so würde man zu Unrecht zugestehen, daß eine generelle Norm
auf Antrag eines Bürgers für nichtig erklärt werden könnte, der nur in seiner
objektiven Eigenschaft als Importeur betroffen wäre. Damit würde der
Gemeinschaftsindustrie die Wiederherstellung lauterer Wettbewerbsbedingungen
gegenüber allen Wirtschaftsteilnehmern auf Antrag eines einzigen Importeurs
genommen.
- 45.
- Die Kommission macht geltend, die Merkmale einer besonderen Situation, die die
Klägerin von allen anderen Wirtschaftsteilnehmern unterschieden, wie sie im Urteil
Extramet I dargelegt worden seien, lägen im vorliegenden Fall nicht vor. Die
Klägerin habe eine solche Sondersituation nicht belegt.
- 46.
- Die Klagebefugnis eines unabhängigen Importeurs sei kein Recht, dessen Inhaber
eine Person oder eine Firma sei, sondern ein Recht, das sich aus einer
Sondersituation ergebe, wie aus dem Urteil Extramet I folge. Die Klägerin dürfe
sich daher nicht mit einem Verweis auf dieses Urteil begnügen. Daß die Klage der
früheren Firma Extramet gegen die Verordnung Nr. 2808/89 in der Rechtssache
C-358/89 für zulässig erklärt worden sei, habe nicht ohne weiteres zur Folge, daß
die Klage der Klägerin, die der Extramet nachgefolgt sei, in der vorliegenden
Rechtssache zulässig sei.
- 47.
- Die Lage der Extramet habe sich gegenüber derjenigen anderer unabhängiger
Importeure in anderen Rechtssachen dadurch unterschieden, daß die Extramet in
den Worten des fraglichen Urteils (Randnr. 17) „Schwierigkeiten hat, sich [das
fragliche Erzeugnis] bei dem einzigen Hersteller der Gemeinschaft zu beschaffen,
der zudem noch ihr Hauptmitbewerber für das Verarbeitungserzeugnis ist“. So
verhalte es sich im vorliegenden Fall nicht. Nach der Entscheidung des
französischen Conseil de la concurrence vom 31. März 1992 könne der PEM seit
1984 kein wettbewerbswidriges Verhalten mehr vorgeworfen werden. Die derzeitige
Lage stelle sich weit mehr als eine Kaufverweigerung der Klägerin denn als eine
Verkaufsverweigerung der PEM dar.
- 48.
- Die Klägerin meint, die Zulässigkeit der Klage könne nach dem Urteil Extramet I
nicht mehr in Frage gestellt werden, das zudem mit Beschluß des Präsidenten des
Gerichts vom 24. Februar 1995 bestätigt worden sei.
Rechtliche Würdigung
- 49.
- Nach dem Urteil Extramet I des Gerichtshofes hängt die Zulässigkeit nur von der
unmittelbaren und individuellen Betroffenheit des Klägers ab. In Randnummer 13
führt der Gerichtshof aus, zwar hätten die Verordnungen, mit denen
Antidumpingzölle eingeführt würden, wenn man die Kriterien des Artikels 173
Absatz 2 EG-Vertrag anlege, aufgrund ihrer Rechtsnatur und ihrer Tragweite
tatsächlich normativen Charakter, da sie auf alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer
Anwendung fänden, jedoch sei nicht ausgeschlossen, daß ihre Bestimmungen
bestimmte Wirtschaftsteilnehmer unmittelbar und individuell betreffen könnten.
Folglich könnten die Handlungen, durch die Antidumpingzölle eingeführt würden,
unter bestimmten Umständen bestimmte Wirtschaftsteilnehmer individuell
betreffen, ohne ihren normativen Charakter zu verlieren, so daß diese befugt seien,
eine Klage auf Nichtigerklärung dieser Handlungen zu erheben (Randnr. 14 des
Urteils Extramet I). Der Gerichtshof stellte fest, die Klägerin habe das Vorliegen
einer Reihe von Umständen nachgewiesen, die eine besondere, sie im Hinblick auf
die fragliche Maßnahme aus dem Kreis aller übrigen Wirtschaftsteilnehmer
heraushebende Situation begründeten.
- 50.
- Daher ist das Vorbringen des Rates zurückzuweisen, das auf den
Verordnungscharakter der angefochtenen Handlung gegenüber Importeuren und
darauf gestützt ist, daß keine Sonderregelung mit Entscheidungscharakter zugunsten
eines Importeurs geschaffen werden könne.
- 51.
- Auch dem Vorbringen der Kommission zur Stützung ihrer Einrede der
Unzulässigkeit ist nicht zu folgen.
- 52.
- Entgegen ihrem Vorbringen hat der Gerichtshof nämlich in der Rechtssache
C-358/89 die Zulässigkeit der Klage nicht ausschließlich auf die Schwierigkeiten der
Extramet gestützt, sich bei dem einzigen Gemeinschaftshersteller zu versorgen.
Vielmehr hat er sich auf die folgenden Umstände gestützt, die eine besondere,
Extramet im Hinblick auf die fragliche Maßnahme aus dem Kreis aller übrigen
Wirtschaftsteilnehmer heraushebende Situation begründeten (Randnr. 17 des
Urteils Extramet I): Sie sei der größte Importeur des Erzeugnisses, das Gegenstand
der Antidumpingmaßnahme sei, und zugleich Endverbraucher dieses Erzeugnisses;
außerdem hingen ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten sehr weitgehend von diesen
Einfuhren ab und seien von der streitigen Verordnung erheblich betroffen, da nur
wenige Produzenten das fragliche Erzeugnis herstellten und die Klägerin
Schwierigkeiten habe, es sich bei dem einzigen Hersteller der Gemeinschaft zu
beschaffen, der zudem noch ihr Hauptmitbewerber für das Verarbeitungserzeugnis
sei.
- 53.
- Im übrigen hat die Kommission nicht bestritten, daß die PEM nicht in der Lage ist,
Roh-Calciummetall von Standardqualität zu liefern, das die von der Klägerin
gewünschten Eigenschaften aufweist; das zeigt sehr gut, daß diese weiterhin
tatsächliche Schwierigkeiten hat, sich das Material bei der PEM zu beschaffen.
- 54.
- Da die Umstände, die zur Zulässigkeit der Klage in der Rechtssache C-358/89
führten (siehe oben, Randnr. 52), nach wie vor vorliegen, ist die Klage für zulässig
zu erklären.
Begründetheit
I Der Antrag auf Nichtigerklärung der streitigen Verordnung
- 55.
- Die Klägerin stützt ihre Klage auf sieben Klagegründe: Erstens: Verstoß gegen die
Artikel 5 und 7 Absatz 9 der Verordnung (EWG) Nr. 2423/88 des Rates vom 11.
Juli 1988 (ABl. L 209, S. 1; Grundverordnung), Mißachtung der Rechtskraft und
Verkennung der Voraussetzungen der Behebung von Mängeln einer
Verwaltungshandlung; zweitens: Verstoß gegen die Artikel 7 und 8 der
Grundverordnung sowie gegen die Verfahrensrechte; drittens: Verstoß gegen
Artikel 4 Absatz 4 und Artikel 2 Absatz 12 der Grundverordnung und
offenkundiger Beurteilungsfehler hinsichtlich der Gleichartigkeit der Erzeugnisse;
viertens: Verstoß gegen Artikel 4 der Grundverordnung und offenkundiger
Beurteilungsfehler hinsichtlich der Schädigung der Gemeinschaftsindustrie; fünftens:
Verstoß gegen Artikel 12 der Grundverordnung und offenkundiger
Beurteilungsfehler; sechstens: Verstoß gegen Artikel 190 EG-Vertrag; siebtens:
Ermessensmißbrauch.
Erster Klagegrund: Verstoß gegen die Artikel 5 und 7 Absatz 9 der Grundverordnung,
Mißachtung der Rechtskraft und Verkennung der Voraussetzungen der Behebung von
Mängeln einer Verwaltungshandlung
Parteivorbringen
- 56.
- Die Klägerin bringt vor, das Urteil Extramet II stehe einer Wiederaufnahme des
für rechtswidrig befundenen Verfahrens entgegen, zumal die Kommission eine
Änderung des Untersuchungszeitraums beabsichtigt habe. Es wäre der Kommission
nicht verboten gewesen, infolge einer neuen Beschwerde ein neues
Untersuchungsverfahren über den Markt von Standard-Calciummetall zu eröffnen,
das sich auf einen späteren Zeitraum bezogen hätte. Hingegen habe die
Kommission nicht das Verfahren wieder aufgreifen dürfen, wie sie es in der
vorliegenden Sache getan habe.
- 57.
- Der erste Klagegrund zerfällt in drei Teile. Zum einen beruhe die Wiederaufnahme
der Untersuchung auf keiner Rechtsgrundlage, da sie in der Grundverordnung nicht
vorgesehen sei. Zum anderen mißachte sie die Rechtskraft, da sie entgegen dem
Grundsatz der Rechtssicherheit auf die Behebung von Mängeln eines vom
Gerichtshof für nichtig erklärten Verfahrens abziele. Zum dritten lägen die
Voraussetzungen der Wiederaufnahme einer Untersuchung, also einer
Mängelbehebung, nicht vor, sollte eine solche gemeinschaftsrechtlich zulässig sein.
Erster Teil: Verstoß gegen die Artikel 5 und 7 Absatz 9 der Grundverordnung
- 58.
- Die Klägerin macht zum einen geltend, die Kommission könne ihre Befugnisse im
Antidumpingverfahren nur in dem von der Grundverordnung genau festgelegten
rechtlichen Rahmen ausüben; zum anderen habe die Kommission die Untersuchung
ohne jede Rechtsgrundlage wiederaufgenommen. Die Grundverordnung enthalte
nur Bestimmungen über die Eröffnung und den Abschluß einer Untersuchung. Was
die Eröffnung einer Untersuchung betreffe, habe die Kommission niemalsbehauptet, sie sei mit einer neuen Beschwerde befaßt worden, die die Eröffnung
eines neuen Verfahrens gerechtfertigt hätte. Ganz im Gegenteil beziehe sich die
am 14. November 1992 veröffentlichte Mitteilung ausdrücklich auf das Urteil
Extramet II. Das Schreiben, das die PEM am 1. Juli 1992 vorgelegt habe, sei keine
Beschwerde, sondern ein Schriftsatz im Hinblick auf die Wiedereröffnung der
Untersuchung.
- 59.
- Artikel 7 Absatz 9 Buchstabe a der Grundverordnung betreffe nur den Abschluß
einer Untersuchung. Die ursprüngliche Untersuchung sei in Anwendung dieser
Bestimmung durch den Erlaß der endgültigen Maßnahme, nämlich der Verordnung
Nr. 2808/89, abgeschlossen worden, die dann durch das Urteil Extramet II für
nichtig erklärt worden sei.
- 60.
- Die Kommission könne sich schließlich nicht auf Artikel 14 der Grundverordnung
berufen, wonach eine Überprüfung der endgültigen Antidumpingzölle bei
veränderten Umständen möglich sei. Dieses Überprüfungsverfahren komme nur im
Rahmen ordnungsgemäß eingeführter endgültiger Antidumpingzölle in Betracht.
- 61.
- Unter Berufung auf Artikel 176 EG-Vertrag trägt der Rat vor, die Nichtigerklärung
der Verordnung Nr. 2808/89 habe nur die Verpflichtung zur Folge, die erhobenen
Zölle zurückzuerstatten.
- 62.
- Die Untersuchung sei im Anschluß an das Urteil Extramet II und den Schriftsatz
der PEM vom 1. Juli 1992 wiederaufgenommen worden. Mit der Durchführung der
Untersuchung habe die Kommission die Rechte des Gemeinschaftsherstellers
beachten wollen, der eine Beschwerde eingereicht habe, die hinreichende Belege
enthalten habe, und der diese mit einem Schreiben zur Wiedereröffnung der
Untersuchung sowie einem Vermerk über die Schädigung auf den neuesten Stand
gebracht habe. Im übrigen habe die Kommission die Rechte der anderen
Betroffenen beachten wollen, indem sie sie in die Lage versetzt habe, Daten zu den
Einfuhren und zum Verkauf von Calciummetall in der Gemeinschaft vorzulegen
und Erklärungen abzugeben.
- 63.
- Damit habe sie die Untersuchung von Anfang an wiederaufgenommen, da diese
wegen der Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 2808/89 nicht abgeschlossen
gewesen sei. Gegenüber den Betroffenen habe diese Wiederaufnahme die Wirkung
einer neuen Untersuchung auf der Grundlage einer Beschwerde gehabt, die durch
das Schreiben vom 1. Juli 1992 und den Vermerk im Anhang auf den neuesten
Stand gebracht worden sei.
- 64.
- Unter Berufung auf Artikel 7 Absatz 9 Buchstabe a der Grundverordnung fügt der
Rat an, eine Untersuchung werde entweder durch Einstellung oder durch
endgültige Maßnahmen abgeschlossen. Eine ausdrückliche Einstellung liege nicht
vor. Da die erste endgültige Maßnahme vom Gerichtshof für nichtig erklärt worden
sei, gelte sie als nicht geschehen. Daher habe die Untersuchung
wiederaufgenommen werden dürfen.
Zweiter Teil: Mißachtung der Rechtskraft
- 65.
- Die Klägerin macht geltend, mit der Wiederaufnahme der Untersuchung habe die
Kommission die Rechtskraft mißachtet und die Bedeutung des Urteils Extramet II
verfälscht.
- 66.
- Mit der Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 2808/89 habe der Gerichtshof nicht
nur die Schlußphase des Antidumpingverfahrens, also die Verordnung über die
endgültigen Zölle, rückwirkend vernichtet. Er habe vielmehr das gesamte Verfahren
der Kommission über den Markt von Standard-Calciummetall für den Zeitraum
vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1987 einschließlich der Phasen vernichtet, die
dem Erlaß der endgültigen Verordnung vorausgegangen seien. Da die
Nichtigerklärung normative Wirkung habe, sei die Untersuchung nicht ausgesetzt
worden, sondern als nicht geschehen zu betrachten. Habe sich die Kommission also
mit den Akten erneut befassen wollen, hätte sie ein neues, formgerechtes
Verfahren eröffnen müssen. Sollten Dumpingpraktiken nach dem Erlaß der für
nichtig erklärten Verordnung, mit der die erste Untersuchung abgeschlossen
worden sei, fortgesetzt worden sein, so hätte die Eröffnung einer neuen
Untersuchung auf der Grundlage einer neuen Beschwerde die einzig zulässige
Verfahrenslösung dargestellt.
- 67.
- Könnte die Kommission ihre Verfahrensfehler nach Bedarf heilen, könnten die
Verfahren jahrelang dauern, ohne daß die Unternehmen irgendeine
Rechtssicherheit genössen.
- 68.
- Der Rat führt aus, die Kommission habe es allen Betroffenen ermöglicht, ihre
Rechte so auszuüben, als ob ein neues Verfahren eingeleitet worden wäre. Im
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften sei eine Mitteilung veröffentlicht
worden, an die Betroffenen seien Fragebögen versandt worden und ein neuer
Referenzzeitraum sei verwendet worden. Die Kommission habe Überprüfungen bei
den Parteien vorgenommen, die an der Untersuchung mitgewirkt hätten, die
Betroffenen hätten die nicht vertraulichen Teile der Akten einsehen können und
die Kommission habe die Parteien auf Antrag gehört.
- 69.
- Die neuen endgültigen Zölle, die ab 22. Oktober 1994, dem Tag nach der
Veröffentlichung der streitigen Verordnung im Amtsblatt, erhoben worden seien,
beruhten auf einer neuen Untersuchung hinsichtlich eines Zeitraums, der nach dem
Datum der für nichtig erklärten Verordnung liege. Es handele sich nicht um eine
Behebung von Mängeln, sondern um den Ausgleich von Dumpingpraktiken, die
nach dem Erlaß der für nichtig erklärten Verordnung fortgesetzt worden seien.
- 70.
- Hilfsweise trägt der Rat vor, das gesamte Vorbringen der Klägerin beruhe darauf,
daß sie von einer „Wiederaufnahme“ der Untersuchung ausgehe, während es sich
nach dem Vorbringen der Kommission um die „Einleitung“ einer neuen
Untersuchung handele. Die Klägerin habe nicht gezeigt, inwiefern eine Einstufung
als „Einleitung“ einer Untersuchung deren Ablauf ihr gegenüber beeinflußt hätte
(Urteile des Gerichtshofes vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 30/78, Distillers
Company/Kommission, Slg. 1980, 2229, Randnr. 26, und vom 27. Juni 1991 in der
Rechtssache C-49/88, Al-Jubail Fertilizer und Saudi Arabian Fertilizer/Rat, Slg.
1991, I-3187, Randnrn. 23 und 24).
- 71.
- PEM und die Berufskammer bringen vor, die Mehrzahl der Handlungen, die in
einem Antidumpingverfahren der Verwaltung einer Entscheidung vorhergingen, die
den förmlichen Abschluß des Verfahrens darstelle, erzeugten keine
Rechtswirkungen und könnten daher nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein.
Das gelte namentlich für die Einleitung des Verfahrens. Da sie nicht Gegenstand
einer Nichtigkeitsklage sein könnten, könnten sie auch nicht für nichtig erklärt
werden.
- 72.
- Hilfsweise sei zu sagen, daß die Feststellung der Nichtigkeit kraft der Rückwirkung,
die Nichtigkeitsurteile hätten, auf den Tag zurückwirke, an dem der für nichtig
erklärte Text wirksam geworden sei. Die Verordnung Nr. 2808/89 sei am 22. März
1989 wirksam geworden, an dem die Verordnung Nr. 707/89 vom 17. März 1989
in Kraft getreten sei; Handlungen, die vor dem 22. März 1989 gelegen hätten,
würden durch das Urteil Extramet II nicht berührt. Das gelte namentlich für die
Mitteilung über die Einleitung der Antidumpinguntersuchung vom 26. Januar 1988.
Der Gerichtshof habe daher das mit dieser Mitteilung eröffnete Verfahren nicht
für nichtig erklärt. Daher habe die Kommission die Untersuchung im Rahmen
dieses Verfahrens wiederaufnehmen dürfen (in diesem Sinne Urteil des
Gerichtshofes vom 26. April 1988 in den Rechtssachen 97/86, 99/86, 193/86 und
215/86, Asteris u. a./Kommission, Slg. 1988, 2181, Randnr. 30).
- 73.
- Nach Auffassung der Klägerin verkennt die PEM die Wirkungen der Unzulässigkeit
einer Klage gegen Vorbereitungshandlungen grundlegend. Die Rechtsprechung
habe es einem Unternehmen niemals verwehrt, die Rechtswidrigkeit von
Vorbereitungshandlungen im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gegen die endgültigen
Entscheidungen geltend zu machen (siehe Urteile des Gerichtshofes vom 31. März
1993 in den Rechtssachen C-89/85, C-104/85, C-114/85, C-116/85, C-117/85 und
C-125/85 bis C-129/85, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1307,
und des Gerichts vom 23. Februar 1994 in den Rechtssachen T-39/92 und T-40/92,
CB und Europay/Kommission, Slg. 1994, II-49). Die Klägerin bestreitet im übrigen
die Behauptung der PEM, das der für nichtig erklärten Handlung vorausgehende
Verfahren erzeuge weiter Wirkungen, da die Nichtigerklärung nicht über den Tag
des Erlasses der angefochtenen Handlung hinaus wirke. Diese Auffassung führte
dazu, daß Mängel jederzeit behoben werden könnten und die Nichtigkeitsklage
ihren Sinn verliere.
Dritter Teil: Verkennung der Voraussetzungen der Behebung von Mängeln einer
Verwaltungshandlung
- 74.
- Nach Auffassung der Klägerin hat die Kommission die Voraussetzungen verkannt,
unter denen die Mängel einer nichtigen Handlung behoben werden könnten.
Unterstellt, die gemeinschaftsrechtlichen Prinzipien verböten eine Mängelbehebung
nicht, hätten doch deren Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Das sei nicht der
Fall gewesen. Zum einen sei auf dem fraglichen Gebiet eine Mängelbehebung nicht
zulässig. Zum anderen seien die Modalitäten der Mängelbehebung mißachtet
worden.
- 75.
- Eine Mängelbehebung sei nicht zulässig gewesen, weil der Gerichtshof die
Verordnung Nr. 2808/89 nicht aus Formgründen für nichtig erklärt habe, sondern
wegen Fehlern bei der Bestimmung der Schädigung der Gemeinschaftsindustrie. Es
handele sich somit um eine Nichtigerklärung wegen materiell irriger Bewertung
einer der Grundvoraussetzungen der Verhängung von Antidumpingzöllen.
- 76.
- Formfehler könnten sicherlich behoben werden. Hingegen sei eine
Mängelbehebung nach einer Verletzung materiellen Rechts kaum zulässig. Der
Gerichtshof habe in seinem Urteil die übrigen Klagegründe der Klägerin nicht
geprüft, obwohl diese sich auf die materiellen Voraussetzungen der Verordnung,
namentlich eine mangelnde Gleichartigkeit der Erzeugnisse bezogen hätten. Unter
diesen Umständen könne niemand, nicht einmal die Kommission, sagen, wie der
Gerichtshof über die übrigen Klagegründe entschieden hätte.
- 77.
- Die Kommission habe auch die Modalitäten einer Mängelbehebung verkannt, da
sie den Untersuchungszeitraum geändert habe: Nach der Wiederaufnahme der
Untersuchung sei diese vom 1. Juli 1991 bis zum 31. Oktober 1992 gelaufen,
während sie ursprünglich den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1987
erfaßt habe.
- 78.
- Sei aber beabsichtigt gewesen, neue Zölle für einen anderen Referenzzeitraum zu
verhängen, so sei ein neues Verfahren erforderlich gewesen.
- 79.
- Das Vorbringen des Rates, der PEM und der Berufskammer, dieser
Verfahrensfehler habe keine Folgen gehabt, so daß er eine Nichtigerklärung nicht
rechtfertige, treffe nicht zu. Daß die Kommission die Untersuchung
wiederaufgenommen, nicht aber eine neue eingeleitet habe, habe die Stellung der
Klägerin berührt. Es lasse sich nicht sagen, daß die Kommission so gehandelt habe,
wie wenn sie ein neues Verfahren eingeleitet hätte.
- 80.
- Deshalb lasse sich auch nicht sagen, daß das Verfahren der Wiederaufnahme der
Untersuchung die Klägerin nicht beschwert habe. Die Einleitung eines neuen
Verfahrens hätte die Einreichung einer Beschwerde zur Voraussetzung gehabt.
Eine Beschwerde hätte nur von der PEM, dem einzigen Gemeinschaftshersteller,
eingereicht werden können. Die PEM habe aber keine Beschwerde eingereicht. Zur
fraglichen Zeit habe der französische Conseil de la concurrence die PEM gerade
am 31. März 1992 wegen Mißbrauchs einer beherrschenden Stellung verurteilt
gehabt; Klagen gegen diese Entscheidung waren anhängig; in deren Rahmen habe
die Klägerin vorgetragen, die PEM habe ihre beherrschende Stellung durch
Einreichung einer Antidumpingbeschwerde mißbraucht.
- 81.
- Da das erste Antidumpingverfahren eben durch ein Urteil des Gerichtshofes
abgeschlossen worden sei, das die endgültige Verordnung für nichtig erklärt habe,
wäre es daher besonders unangebracht gewesen, wenn PEM sofort eine neue
Beschwerde eingereicht hätte und damit der Cour d'appel Paris Gesichtspunkte
geliefert hätte, die die Auffassung der Klägerin gestützt hätten.
- 82.
- Der Rat bringt vor, es habe sich nicht um eine Behebung der Mängel für nichtig
erklärter Zölle gehandelt, sondern um die Verhängung neuer Zölle ab Inkrafttreten
der streitigen Verordnung. Die Auffassung der Klägerin, der Gerichtshof habe die
Verordnung Nr. 2808/89 nicht aus Formgründen für nichtig erklärt, werde nicht
geteilt. Aus den Randnummern 20 und 21 des Urteils Extramet II gehe klar hervor,
daß es sich um einen Form-, nicht um einen materiellen Fehler gehandelt habe.
Selbst wenn es sich um einen materiellen Fehler gehandelt haben sollte, so habe
die Kommission doch das Verfahren von Anfang an wiederaufgenommen und
daher neue Antidumpingzölle verhängen können.
- 83.
- Der Gerichtshof habe weder die Einleitung des Verfahrens noch die Einleitung der
Untersuchung für nichtig erklärt, sondern nur die Verordnung, die der Rat im
Rahmen des Verfahrens erlassen habe.
- 84.
- Die PEM und die Berufskammer bringen vor, nach Artikel 176 EG-Vertrag müsse
das betroffene Organ die Rechtsfolgen der für nichtig erklärten Handlung
beseitigen. Diesem Erfordernis sei dadurch genügt worden, daß im Anschluß an das
Urteil des Gerichshofes die erhobenen endgültigen und vorläufigen
Antidumpingzölle gemäß Artikel 16 der Grundverordnung zurückerstattet worden
seien.
- 85.
- Nach dem Urteil Asteris u. a./Kommission dürfe sich das Organ, dem das für
nichtig erklärte Handeln zur Last falle, nicht darauf beschränken, die Folgen der
rechtswidrigen Handlung für die Vergangenheit zu beseitigen. Es müsse das
Nichtigkeitsurteil auch bei seinem künftigen Handeln berücksichtigen und darauf
achten, daß die vom Gemeinschaftsrichter festgestellte Nichtigkeit sich nicht in der
Handlung wiederfinde, die an die Stelle der für nichtig erklärten Handlung treten
solle. Die zuständigen Stellen hätten die Frage des Kausalzusammenhangs zwischen
dem Dumping und der Schädigung gründlich geprüft; sie hätten damit das Urteil
des Gerichtshofes in vollem Umfang durchgeführt.
- 86.
- Ein Verfahrensmangel führe nur dann zur Nichtigerklärung, wenn die angefochtene
Entscheidung ohne diesen Mangel anders hätte ausfallen können (Urteile des
Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und
218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnr. 47, und vom
23. April 1986 in der Rechtssache 150/84, Bernardi/Parlament, Slg. 1986, 1375,
Randnr. 28). Daß die Kommission die Untersuchung im Rahmen des am 26. Januar
1988 eingeleiteten Verfahrens fortgeführt und kein neues Verfahren eröffnet habe,
habe sich auf den Inhalt der endgültigen Entscheidung der zuständigen Organe
nicht ausgewirkt, da die Klägerin in derselben, wenn nicht in einer besseren
Situation gewesen sei, als wenn die Kommission ein neues Verfahren eröffnet hätte.
Rechtliche Würdigung
- 87.
- Nach der Grundverordnung umfaßt das Antidumpingverfahren mehrere Phasen,
u. a. die Untersuchung. Im Rahmen eines Verfahrens können mehrere
Untersuchungen stattfinden.
- 88.
- Nach Artikel 7 Absatz 9 Buchstabe b der Grundverordnung wird ein Verfahren
abgeschlossen, indem die Untersuchung ohne die Festsetzung von Zöllen und ohne
die Annahme von Verpflichtungen nach Artikel 9 der Grundverordnung eingestellt
wird oder indem solche Zölle auslaufen oder aufgehoben werden, oder in dem
solche Verpflichtungen gemäß Artikel 14 oder 15 der Grundverordnung für erledigt
erklärt werden.
- 89.
- Die eingeleitete Untersuchung wird gemäß Artikel 7 Absatz 9 Buchstabe a der
Grundverordnung nur abgeschlossen, wenn endgültige Maßnahmen ergriffen oder
die Untersuchung eingestellt wird, ohne daß deswegen das Verfahren entfiele.
- 90.
- Solange das Verfahren fortdauert, können Rückerstattungsanträge nach Artikel 16
der Grundverordnung gestellt werden; auch kann die Untersuchung wiedereröffnet
werden, um die endgültigen Maßnahmen zu überprüfen.
- 91.
- Entgegen dem Vorbringen der Klägerin folgt aus dem Fehlen von besonderen
Bestimmungen über die Rechtsfolgen eines Nichtigkeitsurteils in der
Grundverordnung nicht, daß die Organe keine Möglichkeit hätten, Untersuchung
wie Verfahren wiederaufzunehmen, in deren Rahmen die für nichtig erklärten
endgültigen Maßnahmen ergriffen worden waren. Nach Artikel 176 EG-Vertrag hat
das betroffene Organ die sich aus dem Nichtigkeitsurteil ergebenden Maßnahmen
zu ergreifen. Die Nichtigerklärung einer Handlung, die ein Verwaltungsverfahren
abschließt, das mehrere Phasen umfaßt, hat nicht notwendig und unabhängig von
den materiellen oder formellen Gründen des Nichtigkeitsurteils die Nichtigkeit des
gesamten Verfahrens zur Folge, auf dem die angefochtene Handlung beruht (in
diesem Sinne Urteile des Gerichtshofes Asteris u. a./Kommission, Randnr. 30, und
vom 13. November 1990 in der Rechtssache C-331/88, Fedesa u. a., Slg. 1990,
I-4023, Randnr. 34; Urteile des Gerichts vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache
T-38/89, Hochbaum/Kommission, Slg. 1990, II-43, Randnr. 13, und vom 15. Juli
1993 in den Rechtssachen T-17/90, T-28/91 und T-17/92, Camara Alloisio
u. a./Kommission, Slg. 1993, II-841, Randnr. 79).
- 92.
- Nach diesen Grundsätzen ist es rechtsirrig, aus der Nichtigerklärung einer
Verordnung über die Einführung von Antidumpingzöllen als notwendige Folge die
Nichtigerklärung des gesamten Verwaltungsverfahrens abzuleiten, auf dem die
Verordnung beruht, wie es die Klägerin tut.
- 93.
- Um die Begründetheit des Klagegrundes der Klägerin zu würdigen, sind die Folgen
der vom Gerichtshof im Urteil Extramet II festgestellten Rechtswidrigkeit zu
bestimmen. Hinzuweisen ist darauf, daß das Organ dem Nichtigkeitsurteil nur dann
nachkommt und es nur dann voll durchführt, wenn es gemäß Artikel 176
EG-Vertrag nicht nur den Tenor des Urteils beachtet, sondern auch die Gründe,
die zu diesem geführt haben und die ihn tragen (Urteil Asteris u. a./Kommission,
Randnr. 27).
- 94.
- Im Urteil Extramet II hat der Gerichtshof die Verordnung Nr. 2808/89 mit der
Begründung für nichtig erklärt, die Gemeinschaftsorgane hätten die Frage, ob der
Gemeinschaftshersteller, also die PEM, durch seine Verkaufsverweigerung nicht
selbst zu der Schädigung beigetragen habe, nicht tatsächlich geprüft und festgestellt,
daß die festgestellte Schädigung nicht auf die von der Klägerin angeführten
Faktoren zurückgehe. Damit hätten die Organe das Vorliegen einer Schädigung
nicht ordnungsgemäß festgestellt (Randnr. 19 des Urteils Extramet II).
Vorbereitende Maßnahmen, die der Untersuchung vorhergingen, namentlich die
Einleitung des Verfahrens nach Artikel 7 Absatz 1 der Grundverordnung, sind
daher von der vom Gerichtshof festgestellten Rechtswidrigkeit nicht betroffen.
- 95.
- Folglich hätte die Kommission, um eine Untersuchung über den Referenzzeitraum
durchzuführen, den die (mit Urteil Extramet II für nichtig erklärte) Verordnung Nr.
2808/89 berücksichtigte, das Verfahren wiederaufnehmen und sich dabei auf alle
Verfahrenshandlungen stützen können, die von der vom Gerichtshof festgestellten
Nichtigkeit nicht betroffen waren, nämlich die Beschwerde der PEM vom Juli 1987,
die Anhörung des Beratenden Ausschusses und die Entscheidung über die
Einleitung des Verfahrens, wobei diese Untersuchung auf die Frage beschränkt
gewesen wäre, ob die PEM durch ihre Verkaufsverweigerung nicht selbst zur
Schädigung der Gemeinschaftsindustrie beigetragen habe. Die Kommission hat sich
jedoch für eine neue Untersuchung entschieden, die sich auf einen anderen
Referenzzeitraum bezog. Damit stellt sich die Frage, ob sie insoweit die
Grundverordnung beachtet hat.
- 96.
- Zunächst verfügen die Organe im Rahmen eines Antidumpingverfahrens bei der
Bestimmung des Zeitraums, den sie für die Feststellung einer Schädigung
berücksichtigen wollen, über ein weites Ermessen (Urteile des Gerichshofes vom
28. November 1989 in der Rechtssache C-121/86, Epicheiriseon Metalleftikon
Viomichanikon kai Naftiliakon u. a./Rat, Slg. 1989, 3919, Randnr. 20, und vom 7.
Mai 1991 in der Rechtssache C-69/89, Nakajima/Rat, Slg. 1991, I-2069, Randnr. 86).
- 97.
- Nach Artikel 7 Absatz 1 der Grundverordnung ist es erforderliche und
hinreichende Voraussetzung eines Tätigwerdens der Gemeinschaft auf dem Gebiet
des Dumpings, insbesondere der Einleitung einer Untersuchung, daß Beweismittel
für Dumpingpraktiken vorliegen, die die Gemeinschaftsindustrie schädigen.
- 98.
- Im vorliegenden Fall hatte die Kommission keinen Grund zu der Annahme, die
Dumpingpraktiken hätten aufgehört oder die Gemeinschaftsindustrie werde nicht
mehr geschädigt. Im Gegenteil hatte die Kommission das Schreiben der PEM, in
dem sich diese für die Wiedereröffnung der Untersuchung aussprach, sowie einen
Vermerk über die Schädigung der Gemeinschaftsindustrie erhalten. In diesem
Vermerk vom 1. Juli 1992 brachte die PEM die in ihrer Beschwerde vom Juli 1987
enthaltenen Daten auf den neuesten Stand und legte eine detaillierte Untersuchung
der einzelnen Gesichtspunkte vor, die für die Einführung von
Antidumpingmaßnahmen sprächen, nämlich den Normalwert, den Exportpreis, den
Preisvergleich, die Dumpingmarge und die Schädigung für die Zeit von 1987 bis
zum Dezember 1991, also für den letzten Zeitraum, für den bezifferte Angaben zur
Verfügung standen.
- 99.
- Da das ursprüngliche Verfahren durch das Urteil Extramet II nicht für nichtig
erklärt worden war und die Dumpingpraktiken fortbestanden, hat die Kommission
unter diesen Umständen ihr Ermessen nicht überschritten, als sie das bereits 1989
eingeleitete Verfahren fortsetzte und eine neue Untersuchung auf der Grundlage
eines anderen Referenzzeitraums durchführte.
- 100.
- Daher ist der Klagegrund, die Kommission habe für die Wiederaufnahme der
Untersuchung keine Rechtsgrundlage gehabt, die Rechtskraft mißachtet, die
Bedeutung des Urteils des Gerichtshofes verfälscht und zumindest die
Voraussetzungen der Behebung der Mängel von Verwaltungshandlungen verkannt,
nicht begründet.
- 101.
- Zudem hat die Änderung des Untersuchungszeitraums die Rechte nicht verletzt,
die die Klägerin aus der Einleitung des Verfahrens im Jahre 1989 zog. Die
Kommission hat die Klägerin nämlich von ihrer Absicht unterrichtet, die
Untersuchung wiederaufzunehmen, und sie am 17. Juli 1992 aufgefordert, zur Frage
der Schädigung Stellung zu nehmen. Weiter hat die Kommission der Klägerin am
14. Oktober 1992 den Vermerk der PEM über die Schädigung mitgeteilt und nach
Konsultation des Beratenden Ausschusses in der im Amtsblatt vom 14. November
1992 veröffentlichten Mitteilung, in der sie das Erzeugnis und die betroffenen
Ländern angab, eine Zusammenfassung der erhaltenen Informationen gab und
dazu aufforderte, ihr alle sachdienlichen Mitteilungen zu machen, die Fortsetzung
des Verfahrens angekündigt. Sie hat die bekanntermaßen betroffenen Exporteure
und Importeure offiziell unterrichtet und auch eine Frist gesetzt, binnen derer die
Betroffenen ihre Ansicht schriftlich geltend machen und eine mündliche Anhörung
verlangen konnten. Schließlich ergibt sich aus der vierten bis siebten
Begründungserwägung der vorläufigen Verordnung klar, daß die Untersuchung sich
sowohl auf das Dumping wie auch die Schädigung bezog und daß die
Untersuchungsperiode den Zeitraum vom 1. Juli 1991 bis zum 31. Oktober 1992
erfaßte.
- 102.
- Daher ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.
Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen die Artikel 7 und 8 der Grundverordnung
- 103.
- Der zweite Klagegrund zerfällt in drei Teile. Erstens: Verletzung der
Verfahrensrechte; der Vermerk über die Schädigung, den die PEM am 1. Juli 1992
eingereicht habe, sei der Klägerin erst am 14. Oktober 1992 mitgeteilt worden.
Zweitens: Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 4 der Grundverordnung und Mißachtung
von deren Artikel 8; die Kommission habe der Klägerin gewisse von der PEM
vorgelegte Unterlagen nicht übermittelt. Drittens: Verstoß gegen Artikel 7 Absatz
4 der Grundverordnung und Verletzung der Verfahrensrechte; die Kommission
habe sich geweigert, der Klägerin bestimmte Angaben zu machen, die für deren
Stellungnahme wesentlich gewesen wären.
Erster Teil: Verletzung der Verfahrensrechte im Zusammenhang mit der
verspäteten Mitteilung des von der PEM am 1. Juli 1992 eingereichten Vermerks
Parteivorbringen
- 104.
- Die Klägerin führt aus, zwischen dem 10. Juli 1992, an dem sie von der
Wiederaufnahme der Untersuchung verständigt worden sei, und dem 18. November
1992, als diese Information in der Folge der Veröffentlichung einer entsprechenden
Mitteilung im Amtsblatt bestätigt worden sei, seien drei Monate verstrichen,
während derer die Kommission die Verfahrensrechte der Klägerin mißachtet habe.
Sie habe zwar am 10. Juli 1992 von dem Vermerk über die Schädigung erfahren,
den die PEM am 1. Juli 1992 eingereicht habe. Sie sei jedoch aufgefordert worden,
zur Frage der Schädigung bis zum 17. August 1992 Stellung zu nehmen, ohne daß
dieser Vermerk ihr mitgeteilt worden wäre. Sie habe ihn schließlich nach der
Einreichung ihrer eigenen Erklärungen am 14. Oktober 1992 erhalten.
- 105.
- Es stelle sich nicht die Frage, ob die „Wiederaufnahme“ einer Untersuchung eine
Anhörung voraussetze. Träfe die Auffassung von Rat, PEM und Berufskammer zu,
die 1989 eingeleitete Untersuchung sei nicht abgeschlossen gewesen, so folgte
daraus zwingend, daß es für eine Phase, die der Einleitung der Untersuchung
vorausgehe, keinen Raum mehr gebe. Man habe sich also in der zweiten Phase
befunden, die Artikel 7 der Grundverordnung betreffe. Daher sei seit der
Wiederaufnahme der Untersuchung eine Anhörung erforderlich gewesen.
- 106.
- Der Rat führt aus, die Kommission habe die Klägerin mit Schreiben vom 17. Juli
1992, also zwei Monate vor der Veröffentlichung der Mitteilung im Amtsblatt,
aufgefordert, zur Frage der Schädigung Stellung zu nehmen, die die Einfuhren des
fraglichen Erzeugnisses verursacht hätten; hierauf habe die Klägerin mit Schreiben
vom 14. August 1992 geantwortet. Die Klägerin mache nicht geltend, sie habe zu
dem Vermerk der PEM vom 1. Juli 1992 nicht Stellung nehmen können. Vielmehr
habe sie mit Schreiben an die Kommission vom 23. Dezember 1992 Stellung
genommen.
- 107.
- Zur Frage, ob die Kommission eine Untersuchung fortsetzen solle, bedürfe es
keiner Anhörung, da es Ziel der Untersuchung sei, festzustellen, ob die
Voraussetzungen für den Erlaß von Antidumpingmaßnahmen gegeben seien. Nach
der Rechtsprechung (Urteil des Gerichtshofes vom 11. November 1981 in der
Rechtssache 60/81, IBM/Kommission, Slg. 1981, 2639) sei die Wiederaufnahme
einer Untersuchung keine mit der Klage anfechtbare Handlung, da sie die Stellung
der Betroffenen nicht berühre.
- 108.
- Die PEM und die Berufskammer machen geltend, durch Darstellung ihrer eigenen
Auffassung insbesondere zur Frage des Kausalzusammenhangs hätte die Klägerin
möglicherweise hoffen können, eine Wiederaufnahme der Untersuchung zu
vermeiden. Trotz ausdrücklicher Aufforderung in dem Schreiben der Kommission
vom 17. Juli 1992 habe sich die Klägerin geweigert, vor der Veröffentlichung der
Mitteilung über die Wiederaufnahme der Untersuchung am 14. November 1992 zur
Frage der Schädigung Stellung zu nehmen. Sie habe damit darauf verzichtet, sich
gegen diese Wiederaufnahme zu wenden. Daher stelle es keine Verletzung der
Verfahrensrechte der Klägerin dar, daß ihr die Note der PEM vom 1. Juli 1992
nicht mitgeteilt worden sei.
Rechtliche Würdigung
- 109.
- Das Schreiben der Kommission vom 17. Juli 1992 verfolgte zwei Zwecke. Zum
einen unterrichtete es die Klägerin davon, daß die Untersuchung nach dem Erlaß
des Urteils Extramet II, mit dem die endgültige Verordnung Nr. 2808/89 für nichtig
erklärt worden war, ohne weiteres wiederaufgenommen werde, zum anderen
forderte es die Klägerin auf, zur Frage der Schädigung der Gemeinschaftsindustrie
Stellung zu nehmen.
- 110.
- Was den ersten Zweck betrifft, so konnte die Klägerin in ihren Schreiben vom 14.
und vom 21. August 1992 die Auffassung der Kommission bestreiten. Wie die
Klägerin in der Sitzung in Beantwortung einer Frage des Gerichts anerkannt hat,
war die Kenntnis des Inhalts des Vermerks der PEM vom 1. Juli 1992, der
wesentlich technischen Inhalts war, hierzu nicht erforderlich; ihr Fehlen hat sie
nicht daran gehindert, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob die Kommission die
Untersuchung wiederaufnehmen durfte. Insoweit hat die Übermittlung des
Vermerks der PEM am 14. Oktober 1992 ihre Verfahrensrechte nicht verletzt.
- 111.
- Was den zweiten Zweck des Schreibens vom 17. Juli 1992 betrifft, so konnte die
Klägerin spätestens am 17. Juli 1992, allerspätestens aber am 14. Oktober 1992, als
sie den Vermerk der PEM vom 1. Juli 1992 erhielt, und somit einen Monat vor der
Veröffentlichung der Mitteilung über das Antidumpingverfahren am 14. November
1992, zu den materiellen Voraussetzungen für die Wiederaufnahme der
Untersuchung Stellung nehmen, wie sie es zunächst am 23. Dezember 1992 und
dann während des gesamten Verwaltungsverfahrens bis zur Konsultation des
Beratenden Ausschusses getan hat.
- 112.
- Somit hat die Übermittlung des von der PEM am 1. Juli 1992 eingereichten
Vermerks am 14. Oktober 1992 die Verfahrensrechte der Klägerin nicht verletzt.
- 113.
- Im übrigen läßt sich den Akten nicht entnehmen, daß die Klägerin die Kommission
schriftlich um Kenntnis vom Schreiben der PEM vom 1. Juli 1992 ersucht hätte,
obwohl sie von dessen Existenz seit dem 10. Juli 1992 Kenntnis hatte. In
Ermangelung eines solchen Antrags, der nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a der
Grundverordnung hätte gestellt werden können, war die Kommission nach dieser
Bestimmung nicht verpflichtet, der Klägerin den Inhalt des Schreibens zur Kenntnis
zu geben.
- 114.
- Der erste Teil des Klagegrundes ist damit zurückzuweisen.
Zweiter Teil: Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 4 der Grundverordnung, da die
Kommission der Klägerin gewisse von der PEM eingereichte Papiere nicht
übermittelt habe, und Mißachtung von deren Artikel 8
Parteivorbringen
- 115.
- Die Klägerin bringt vor, die Kommission habe die Vertraulichkeit bestimmter
Papiere falsch eingeschätzt.
- 116.
- Deshalb habe sie die Mitteilung folgender Unterlagen zu Unrecht verweigert:
eines Schreibens der PEM an die Kommission vom 19. August 1993, dem
ein Schreiben der PEM vom 19. August 1993 an ihren Anwalt Rambaud,
ein Protokoll der Besichtigung des Vertreters der PEM, Plasse, in der
Fabrik der Klägerin vom 17. August 1993, das deren Präsident
gegengezeichnet habe, und fünf zwischen der PEM und der Klägerin in der
Zeit vom 10. bis zum 17. August 1993 ausgetauschte Schreiben beigelegen
hätten;
eines Schreiben der PEM an die Kommission vom 11. August 1993, dem ein
Schreiben der Klägerin an die PEM vom 4. August 1993 beigelegen habe;
eines Schreibens der PEM an die Kommission vom 5. August 1993, dem ein
dreizehn Stücke umfassender Schriftwechsel zwischen der PEM und der
Klägerin aus der Zeit vom 26. April bis zum 4. August 1993 beigelegen
habe;
des Vermerks über die technischen Arbeiten in der Fabrik der PEM in La
Roche de Rame, der dem Schreiben der PEM an die Kommission vom 5.
August 1993 beigelegen habe.
- 117.
- Alle diese Papiere seien von der PEM im Laufe der Untersuchung vorgelegt
worden, ohne daß die Klägerin hierüber jemals unterrichtet worden wäre und ohne
daß die Voraussetzung des Artikels 8 Absätze 2 und 3 der Grundverordnung erfüllt
gewesen wären. Erst am 29. September 1993 habe sie erfahren, daß eine Reihe
vertraulicher Unterlagen zu den Akten gereicht worden seien. Daraufhin habe sie
wiederholt die Übermittlung dieser Aktenstücke beantragt.
- 118.
- Entgegen Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b der Grundverordnung sei den genannten
Stücken, insbesondere dem Schreiben der PEM an die Kommission vom 5. August
1993 über die technischen Arbeiten in ihrer Fabrik in La Roche de Rame, den
Vermerken der PEM sowie dem Schreiben der PEM vom 19. August 1993 an
Rechtsanwalt Rambaud keine nichtvertrauliche Zusammenfassung der
Informationen beigefügt worden.
- 119.
- Namentlich beim Schreiben vom 5. August 1993 lasse sich nicht sagen, daß die fünf
einleitenden Zeilen eine nichtvertrauliche Zusammenfassung im Sinne der
Grundverordnung darstellten, da dieses Papier ein technischer Vermerk von 18
Seiten sei.
- 120.
- Selbst wenn dieser technische Vermerk oder bestimmte Teile sich nicht in
nichtvertraulicher Weise hätten zusammenfassen lassen sollen, hätte die Beachtung
der Verfahrensrechte verlangt, daß dieses Schreiben in der Liste der von der PEM
der Kommission vorgelegten Anlagen mit dem Zusatz „vertraulich, nicht
übermittelt“ genannt worden wäre.
- 121.
- Im übrigen sei die Übermittlung dieses technischen Vermerks an die Klägerin
Ergebnis von deren Beharrlichkeit gewesen; sie entspreche keinem der Kriterien
nach Datum, Verfasser oder Bedeutung.
- 122.
- Erst nach zahlreichen Beschwerden bei der Kommission wie bei der PEM und
ihrem Anwalt habe die Klägerin schließlich am 21. Mai 1994 und damit am Tag,
an dem die Frist für die Einreichung ihrer Bemerkungen zur vorläufigen
Verordnung abgelaufen sei, den technischen Vermerk erhalten. Die Klägerin habe
dann heftig protestieren müssen, damit die Kommission ihr eine Zusatzfrist von
einigen Tagen eingeräumt habe, was erkläre, daß ihr Schriftsatz am 27. Mai 1994
eingereicht worden sei.
- 123.
- Obwohl die Kommission zur Mitteilung verpflichtet gewesen sei, habe sich
schließlich die PEM trotz der Weigerung ihres Anwalts bereit gefunden, ihr das
Papier zu übermitteln. Die Kommission habe somit ihre Aufgabe, die
Vertraulichkeit der Unterlagen gänzlich objektiv zu beurteilen, nicht erfüllt.
- 124.
- Was den Inhalt der Übermittlung angehe, so seien ihr drei sehr vertrauliche
Gesichtspunkte nicht übermittelt worden: der Plan für den Ofen der Fabrik, ein
Schriftwechsel über Schweißdraht und die Rechnung eines örtlichen Handwerkers.
- 125.
- Die Übermittlung des technischen Vermerks sei unabdingbar gewesen, da er
erlaube, zu beurteilen, ob sich PEM wirklich bemüht habe, die Klägerin zu
beliefern.
- 126.
- Der Rat führt aus, die Klägerin habe von diesen Papieren gewußt, da sie in Anlage
53 ihrer Klageschrift eine Liste vorgelegt habe, die die Kommission ihr mitgeteilt
habe.
- 127.
- Aufgrund der nichtvertraulichen Unterlagen habe die Klägerin vom Inhalt dieser
Papiere genügend gewußt, um ihre Verfahrensrechte wahrzunehmen. Der
technische Vermerk vom 5. August 1993 sei der Klägerin am 21. Mai 1994 mit
Ausnahme dreier sehr vertraulicher Teile, nämlich des Planes der Ofenfabrik in La
Roche de Rame, des Schriftwechsels über Schweißdraht und die Rechnung eines
örtlichen Handwerkers, mitgeteilt worden; diese Teile hätten nicht in
nichtvertraulicher Weise zusammengefaßt werden können. Darüber hinaus habe die
Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 27. Mai 1994 anläßlich ihrer Erklärungen zur
Verordnung über die vorläufigen Zölle auch Erklärungen zum technischen
Vermerk abgegeben.
- 128.
- Im übrigen bestreite die Klägerin nicht, daß die Unterlagen gegenüber den
Exporteuren und den anderen Importeuren vertraulich seien.
- 129.
- Die PEM und die Berufskammer schließen sich dem Vorbringen des Rates an.
Rechtliche Würdigung
- 130.
- Die Klägerin wirft der Kommission zum einen vor, eine Reihe von Papieren zu
Unrecht, zumindest ihr gegenüber, als vertraulich eingestuft zu haben, zum anderen
ihr eine Reihe von Verfahrensstücken nicht mitgeteilt zu haben und ihr bestimmte
vertrauliche Aktenstücke, was die Akteneinsicht betrifft, verspätet mitgeteilt zu
haben, sowie ihr keine nichtvertrauliche Fassung oder Zusammenfassung einiger
dieser Aktenstücke übermittelt zu haben.
- 131.
- Diese drei Rügen betreffen im wesentlichen die vier Papiere, die in der in
Randnummer 116 erwähnten Liste der vertraulichen Papiere enthalten sind, die die
Kommission der Klägerin übersandt hat.
- 132.
- Die Klägerin behauptet nicht, daß diese Papiere gegenüber Dritten nicht
vertraulich gewesen seien. Sie behauptet nur, daß sie ihr gegenüber nicht
vertraulich gewesen seien.
- 133.
- Hinsichtlich der unterbliebenen oder verspäteten Mitteilung bestimmter Papiere
sowie des Fehlens einer nichtvertraulichen Fassung als vertraulich eingestufter
Papiere ist zwischen den Papieren, die auf der von der Kommission der Klägerin
übermittelten Liste angegeben und dieser bekannt waren, und denjenigen zu
unterscheiden, die zwar auf den der Klägerin übermittelten Listen angegeben,
dieser aber nicht bekannt waren.
- 134.
- Die folgenden Papiere waren der Klägerin bekannt: das Protokoll des Besuchs von
Plasse bei der Klägerin am 17. August 1993, die fünf zwischen der PEM und der
Klägerin in der Zeit vom 10. bis 17. August 1993 ausgetauschten Schreiben, die
dem Schreiben der PEM an die Kommission vom 19. August 1993 beilagen, das
Schreiben der Klägerin an die PEM vom 4. August 1993, das dem Schreiben der
PEM an die Kommission vom 11. August 1993 beilag, die 13 Schreiben, die dem
Schreiben der PEM an die Kommission vom 5. August 1993 beilagen, und das
Schreiben der Klägerin an die PEM vom 19. November 1992.
- 135.
- Da die Kommission diese Papiere als vertraulich einstufte und der Klägerin eine
Liste übermittelt hatte und da diese über die Originale oder eine Abschrift dieser
Schreiben verfügte, war die Kommission zumindest was die Klägerin angeht
weder verpflichtet, eine Abschrift dieser Papiere zu übermitteln, noch eine
nichtvertrauliche Fassung zu erstellen. Mit der Übermittlung der Liste des
Schriftwechsels zwischen der PEM und der Klägerin, die die PEM der Kommission
vorgelegt hatte, hat diese die Klägerin in die Lage versetzt, ihre Auffassung
darzulegen und ihre Verfahrensrechte in vollem Umfang auszuüben.
- 136.
- Hinsichtlich der der Klägerin nicht bekannten Papiere, also des Schreibens der
PEM vom 19. August 1993 an ihren Anwalt Rambaud, der Übermittlungsschreiben
der PEM an die Kommission vom 5., 11. und 19. August 1993 und des Schreibens
der PEM vom 5. August 1993 über die in ihrer Fabrik in La Roche de Rame
ausgeführten technischen Arbeiten war die Kommission gemäß Artikel 8 Absatz 4
der Grundverordnung gehalten, von der PEM eine nichtvertrauliche Fassung zu
verlangen, soweit die Erstellung einer nichtvertraulichen Zusammenfassung nicht
möglich war.
- 137.
- Die unterbliebene Übermittlung nichtvertraulicher Zusammenfassung könnte
jedoch nur dann eine Verletzung der Verfahrensrechte darstellen, die die
Nichtigerklärung der streitigen Verordnung rechtfertigte, wenn die Klägerin keine
hinreichende Kenntnis vom wesentlichen Inhalt des oder der fraglichen Papiere
hatte und deshalb sich zu deren Vorliegen oder Erheblichkeit nicht sinnvoll äußern
konnte.
- 138.
- So verhält es sich aber nicht.
- 139.
- Namentlich für die Schreiben der PEM an die Kommission vom 5., 11. und 19.
August 1993 hat die Klägerin keinen schriftlichen Übermittlungsantrag gemäß
Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a der Grundverordnung gestellt. Die Kommission war
somit nicht gehalten, sie zu übermitteln. In ihrem Schreiben vom 5. Oktober 1993
hatte die Klägerin nämlich angegeben, daß sie von der Liste der Verfahrensstücke,
die die PEM an die Kommission gerichtet hatte, Kenntnis genommen habe und daß
eine Reihe dieser Stücke ihr bekannt gewesen seien, weil es sich um einen
Schriftwechsel zwischen ihr und der PEM gehandelt habe. Damit beschränkte sie
ihren Antrag auf Zugang zur vertraulichen Akte der Kommission auf die folgenden
drei Stücke: das Schreiben der PEM an Rechtsanwalt Rambaud vom 19. August
1993, das Protokoll des Besuchs von Plasse bei der Klägerin am 17. August 1993
und das Schreiben der PEM an die Kommission über die technischen Arbeiten in
ihrer Fabrik in La Roche de Rame vom 5. August 1993.
- 140.
- Im übrigen hat die Kommission in der Sitzung in Beantwortung von Fragen des
Gerichts bestätigt, daß die Schreiben der PEM an die Kommission vom 5., 11. und
19. August 1993 nur schlichte Schreiben zur Übermittlung des Schriftwechsels
zwischen der Klägerin und der PEM gewesen seien. Selbst wenn die Kommission
also verpflichtet gewesen sein sollte, diese Verfahrensstücke auch ohne
entsprechenden schriftlichen Antrag zu übermitteln, hat die unterbliebene
Übermittlung doch keine Verletzung der Verfahrensrechte der Klägerin zur Folge.
- 141.
- Hinsichtlich des Schreibens der PEM an ihren Anwalt vom 19. August 1993 hat die
Klägerin selbst in der Sitzung anerkannt, daß es angesichts des Urteils des
Gerichtshofes vom 18. Mai 1982 in der Rechtssache 155/79 (AM & S
Europe/Kommission, Slg. 1982, 1575, Randnrn. 21 bis 23, 25 und 28) über den
Schutz der Kommunikation zwischen Mandant und Anwalt offenkundig vertraulich
sei.
- 142.
- Der Vermerk der PEM vom 5. August 1993 über die technischen Arbeiten in ihrer
Fabrik in La Roche de Rame ist zu Recht als vertraulich im Sinne des Artikels 8
der Grundverordnung eingestuft worden, da er vertrauliche Informationen über das
Herstellungsverfahren der PEM enthielt. Gleichwohl ist festzustellen, daß die
Kommission ihren Verpflichtungen zur Gewährung von Akteneinsicht nicht
nachgekommen ist. Zunächst hat sie nur mit erheblicher Verspätung auf die
legitimen Anträge der Klägerin reagiert. Außerdem hat sie keine wirkliche
nichtvertrauliche Zusammenfassung des fraglichen Schreibens gegeben. Schließlich
hat sie nicht alle erforderlichen Anstrengungen unternommen, um eine
nichtvertrauliche Fassung dieses Vermerks zu erhalten. Letztlich hat die PEM auf
Ersuchen der Klägerin, nicht der Kommission, der Klägerin am 21. Mai 1994 das
streitige Papier übersandt.
- 143.
- Trotz all dieser Unregelmäßigkeiten konnte die Klägerin ihre Bemerkungen zu
diesem Papier am 27. Mai 1994 und damit rechtzeitig vor dem Erlaß der streitigen
Verordnung abgegeben. Damit haben diese Unregelmäßigkeiten die Klägerin nicht
daran gehindert, zum Vorliegen oder zur Erheblichkeit dieses Papiers Stellung zu
nehmen.
- 144.
- Was die drei vertraulichen Teile des technischen Vermerks der PEM vom 5.
August 1993 angeht, die der Klägerin nicht mitgeteilt und auch nicht für sie
zusammengefaßt wurden, nämlich den Plan des Fabrikofens der PEM, den
Schriftwechsel über Schweißdraht und eine Rechnung eines örtlichen Handwerkers,
so bestreitet die Klägerin zum einen nicht ihre Vertraulichkeit und zum anderen
nicht, daß die Erstellung einer nichtvertraulichen Zusammenfassung unmöglich
gewesen sei, wie die Kommission geltend macht. Schließlich behauptet die Klägerin
nicht, sie habe wegen der unterbliebenen Mitteilung dieser drei vertraulichen Teile
zu dem technischen Vermerk nicht Stellung nehmen können.
- 145.
- Damit ist auch der zweite Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.
Dritter Teil: Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 4 der Grundverordnung und
Verletzung der Verfahrensrechte insofern, als die Kommission sich geweigert habe,
der Klägerin bestimmte Angaben zu machen, die für deren Stellungnahme
wesentlich gewesen wären
Parteivorbringen
- 146.
- Die Klägerin macht geltend, sie sei nicht in der Lage gewesen, bestimmte
Gesichtspunkte zu erörtern, mit denen die Einführung der streitigen Zölle
gerechtfertigt worden sei. Während der gesamten Untersuchung habe sie eine
Reihe von Gesichtspunkten bestritten, auf die die Kommission sich gestützt habe,
um Antidumpingzölle zu verhängen, namentlich, daß die Vereinigten Staaten als
Referenzland gewählt worden seien und daß die Produktionskapazitäten der PEM
nicht ausgelastet worden seien, ohne daß sie jemals erfahren habe, worauf sich die
Kommission gestützt habe. An dieser Verletzung ihrer Verfahrensrechte hätte es
nichts geändert, wenn sie der Form nach ihre Ansicht zu den streitigen Punkten der
Akten hätte geltend machen können.
- 147.
- Die Klägerin habe die Kommission wiederholt aufgefordert, zu erklären, aufgrund
welcher Unterlagen sie die Vereinigten Staaten als Referenzland gewählt habe, da
sich in den Akten kein Anhaltspunkt finde. Sie werfe der Kommission nicht vor, ihr
die Akteneinsicht verwehrt zu haben, sondern ihr keine Angaben gemacht zu
haben, die die Entscheidung für die Vereinigten Staaten als Referenzland
rechtfertigten. Diese Anhaltspunkte wären besonders wichtig gewesen, da die
Kommission auf der Grundlage der Berechnung amerikanischer Preise zu
exorbitanten Margen und zu Antidumpingzöllen gelangt sei, die die
Monopolposition des Gemeinschaftsherstellers hätten verstärken müssen. Bereits
bei der ersten Untersuchung habe die Klägerin die Wahl dieses Landes
angefochten und beantragt, daß der rechnerisch ermittelte Wert von Calciummetall
als Grundlage gewählt werde.
- 148.
- Die Kommission hätte ihr entweder eine Liste der Kunden des amerikanischen
Erzeugers mitteilen können, damit sie hätte überprüfen können, welche Art von
Erzeugnis dieser verkaufe, oder ihr den Umfang seines Absatzes an Rohmaterial
im Verhältnis zu seinem Absatz an Schweißdraht mitteilen können. Dieser letztere
Gesichtspunkt allein hätte keine Vertraulichkeitsprobleme begründet und der
Klägerin erlaubt zu prüfen, ob der amerikanische Markt, wie die Kommission
behaupte, als Referenzmarkt habe gewählt werden dürfen.
- 149.
- Die Klägerin habe auch während der gesamten Untersuchung den Auslastungsgrad
der PEM bestritten, der sich nach deren Aussagen auf etwas über 50 % stabilisiert
habe. Sie habe während der Untersuchung erfahren, daß in Wirklichkeit einige
Kunden von der PEM nicht hätten beliefert werden können.
- 150.
- Der Rat könne ihr nicht vorwerfen, keine Zahlen vorgelegt zu haben, um dem von
der Kommission festgesetzten Satz von 50 % zu widersprechen. Vielmehr wäre es
Sache der Kommission gewesen, ihr Unterlagen mitzuteilen, aufgrund deren sie
hätte überprüfen können, ob die Kommission die festgestellten Tatsachen richtig
gewürdigt habe.
- 151.
- Die Kommission habe ihr zu den angeblichen Bemühungen der PEM und zu den
Investitionen, die diese mit dem Ziel vorgenommen haben wolle, die Klägerin
beliefern zu können, keine Informationen zukommen lassen. Sie frage sich, wie die
Kommission selbst habe überprüfen können, ob die PEM hinreichende Belege für
die Ausrüstungsinvestitionen vorgelegt habe, da diese Daten technischen Charakters
seien und ihr damit die Kompetenz fehle.
- 152.
- Der Rat macht geltend, der Schriftwechsel zwischen dem Anwalt der Klägerin und
der Kommission vom 12. August 1993 bis 22. August 1994 zeige, daß die Klägerin
die von ihr angeführten Gesichtspunkte tatsächlich erörtert habe.
- 153.
- Die Kommission brauche im übrigen nur diejenigen Gesichtspunkte mitzuteilen, die
ein Betroffener beantrage, und diese nur dann, wenn der Betroffene sie für die
Vertretung seiner Interessen benötige und dem Antrag entsprochen werden könne,
ohne den Grundsatz der Vertraulichkeit zu verletzen. Zumindest habe die Klägerin
tatsächlich die für ihre Rechtsvertretung erforderlichen Gesichtspunkte erörtert.
- 154.
- Zum Referenzland führen die PEM und die Berufskammer aus, Artikel 8 der
Grundverordnung über die vertrauliche Behandlung von Informationen gelte auch
für Informationen von Unternehmen des Referenzlandes. Da es sich um Auskünfte
handele, die für die Bestimmung des Normalwerts verwendet würden, seien sie
offenkundig im wesentlichen vertraulicher Art.
Rechtliche Würdigung
- 155.
- Festzustellen ist, ob die Klägerin hinreichend genau über die Tatsachen und
Erwägungen unterrichtet wurde, auf deren Grundlage die Einführung endgültiger
Maßnahmen auf die Einfuhren von Calciummetall mit Ursprung in China und
Rußland vorgeschlagen werden sollte.
- 156.
- Die Klägerin hat die nichtvertraulichen Akten der Kommission bei fünf
Gelegenheiten, nämlich am 27. April 1993, am 4. Oktober 1993, am 7. Mai 1994,
am 8. Juli 1994 und am 26. Juli 1994 eingesehen.
- 157.
- Weiter hat die Kommission dem Anwalt der Klägerin mit Schreiben vom 11.
August 1994 gemäß Artikel 7 Absatz 4 Buchstaben b und c der Grundverordnung
die wesentlichen Tatsachen und Erwägungen mitgeteilt, auf deren Grundlage sie
beabsichtigte, die Einführung endgültiger Antidumpingmaßnahmen auf Einfuhren
mit Calciummetall mit Ursprung in China und Rußland vorzuschlagen.
- 158.
- Was die Wahl der Vereinigten Staaten als Referenzland betrifft, so hat die
Kommission in der zwölften bis achtzehnten Begründungserwägung der vorläufigen
Verordnung detailliert die Gründe angegeben, aus denen sie die Vereinigten
Staaten als angemessene und nicht unvertretbare Wahl im Sinne des Artikels 2
Absatz 5 der Grundverordnung betrachtete.
- 159.
- Zudem geht aus der fünfzehnten Begründungserwägung der streitigen Verordnung
hervor, daß die Organe die Kritik der Klägerin an der Wahl des Referenzlandes
unter dem Gesichtspunkt des repräsentativen Charakters der Verkäufe des
Herstellers der Vereinigten Staaten und der Gleichartigkeit der Erzeugnisse geprüft
haben.
- 160.
- Damit hat die Klägerin von der Kommission hinsichtlich der Kriterien, die für die
Wahl der Vereinigten Staaten als Referenzland entscheidend waren, hinreichende
Angaben erhalten.
- 161.
- Der Kommission könnte nur vorgeworfen werden, der Klägerin keine Belege dafür
vorgelegt zu haben, daß die Calciummetallverkäufe des Herstellers der Vereinigten
Staaten für die Berechnung des Normalwerts in seinem Heimatmarkt
repräsentativen Charakter hatten.
- 162.
- Der Umfang der Verkäufe dieses Herstellers auf seinem Heimatmarkt stellt jedoch
eine vertrauliche Angabe dar, wie die Klägerin nicht bestreitet. Daher war die
Kommission nicht verpflichtet, ihn mitzuteilen.
- 163.
- Auch konnte die Kommission nicht auf die beiden anderen
Mitteilungsmöglichkeiten zurückgreifen, auf die sich die Klägerin beruft (vgl. oben,
Randnr. 148), weil sie diese früher niemals vorgeschlagen hat.
- 164.
- Darüber hinaus hätte die Mitteilung der Kundenliste des Herstellers der
Vereinigten Staaten, die es der Klägerin hätte ermöglichen sollen, zu prüfen,
welche Art von Erzeugnis dieser verkauft, die Mitteilung vertraulicher Daten
vorausgesetzt, was diese selbst anerkennt.
- 165.
- Zum anderen hat die Klägerin nicht dargetan, daß die Mitteilung des Umfangs des
nicht verarbeiteten Absatzes des amerikanischen Herstellers im Verhältnis zum
Absatz von Schweißdraht es ihr nicht mittelbar erlaubt hätte, den Umfang des
Calciummetallabsatzes des fraglichen Herstellers auf seinem Heimatmarkt zu
ermitteln.
- 166.
- Schließlich hat sie nicht gezeigt, inwiefern die Geheimhaltung dieser Daten die
Vertretung ihrer Interessen oder den Ausgang des Verfahrens berührt haben
könnte, zumal sie, wie der Rat zu Recht hervorhebt, niemals eine Alternative zur
Wahl der Vereinigten Staaten als Referenzland vorgeschlagen hat.
- 167.
- Daher ist die Rüge betreffend die Wahl der Vereinigten Staaten als Referenzland
zurückzuweisen.
- 168.
- Was die unterbliebene Mitteilung seitens der Kommission von Informationen
betrifft, die der Klägerin erlaubt hätten, die Begründetheit der Bewertung des
Auslastungsgrads der Produktionskapazitäten der PEM zu beurteilen, so enthält die
vorläufige Verordnung folgende Hinweise (neunundzwanzigste bis einunddreißigste
Begründungserwägung):
Ab 1989 investierte der Gemeinschaftshersteller in neue Öfen und
erweiterte seine Produktionskapazität geringfügig (Index 1990 gleich 103,
1991 gleich 107, 1992 gleich 111 gegenüber 1989 gleich 100);
die Produktion blieb konstant: 1990 gleich 88; 1991 gleich 94; 1992 gleich
101 gegenüber 1989 gleich 100;
die Kapazitätsauslastungsrate spiegelte die günstigen Auswirkungen der
Antidumpingzölle im Jahr 1989 wider und stabilisierte sich dann auf einem
etwas niedrigeren Niveau von etwas mehr als 50 %.
- 169.
- In der zwanzigsten Begründungserwägung der streitigen Verordnung hält der Rat
fest, daß er die Einwände der Klägerin und die Prüfungen erwogen habe, aufgrund
derer die Kommission zu dem Ergebnis gekommen sei, daß die
Kapazitätsauslastung der PEM niedrig geblieben sei und im Untersuchungszeitraum
zwischen 50 % und 60 % gelegen habe.
- 170.
- Somit hat die Kommission die Kriterien angegeben, aufgrund derer sie zu dem
Schluß kam, daß die Kapazitätsauslastung der PEM, also das Verhältnis zwischen
tatsächlicher Produktion und Produktionskapazität der PEM, im
Untersuchungszeitraum zwischen 50 % und 60 % gelegen habe. Ebenso zeigt es
sich, daß sie die Frage erneut geprüft hat, als nach dem Erlaß der vorläufigen
Verordnung ohne jeden Beleg behauptet worden war, bestimmte Kunden könnten
von der PEM nicht beliefert werden.
- 171.
- Daher ist die Rüge der Klägerin, die Kommission habe ihr keine Informationen
geliefert, die es ihr erlaubt hätten, die Würdigung des Auslastungsgrads der
Kapazitäten der PEM zu beurteilen, zurückzuweisen.
- 172.
- Weiter war die Kommission gemäß Artikel 8 der Grundverordnung nicht gehalten,
die Papiere, auf deren Grundlage die erwähnten Rechnungen durchgeführt wurden,
der Klägerin zugänglich zu machen, da diese vertraulich waren, was die Klägerin
nicht bestreitet, und eine nichtvertrauliche Zusammenfassung nicht möglich war.
- 173.
- Zudem hat die Klägerin nicht nachgewiesen, inwiefern die Geheimhaltung dieser
Papiere ihr die Vertretung ihrer Interessen erschwert oder den Ausgang des
Verfahrens beeinflußt haben könnte, zumal sie niemals Belege dafür vorlegte, daß
die Berechnungen der Kommission irrig gewesen seien.
- 174.
- Auch die Rüge, ihr seien keine Informationen über die Bemühungen der PEM und
die Investitionen zugegangen, die diese mit dem Ziel vorgenommen haben wolle,
die Klägerin beliefern zu können, ist aus den in Randnummern 142 bis 144 im
Rahmen des zweiten Teils des Klagegrundes genannten Gründen zurückzuweisen.
- 175.
- Was die Frage betrifft, ob die Klägerin sich zu den Tatsachen und Erwägungen
äußern konnte, auf deren Grundlage die Verhängung endgültiger Maßnahmen auf
die Einfuhren von Calciummetall mit Ursprung in China und Rußland
vorgeschlagen werden sollte, hat die Klägerin gemäß Artikel 7 Absatz 5 der
Grundverordnung beantragt, gehört zu werden. Die Anhörung fand am 4. Mai 1993
statt.
- 176.
- Im übrigen hat die Klägerin die Kommission während der gesamten Untersuchung
von ihrer Auffassung unterrichtet, wie sich aus dem Schriftwechsel zwischen dem
Anwalt der Klägerin und der Kommission ergibt, den der Rat wie folgt
zusammenfaßt:
Schreiben vom 31. Mai 1994 (Anhang 40 der Klageschrift): Die Klägerin
gibt nichtvertrauliche Erklärungen zur vorläufigen Verordnung ab; darin
wendet sie sich gegen die Wahl der Vereinigten Staaten als Referenzland,
den Auslastungsgrad von 50 % der Kapazitäten des
Gemeinschaftsherstellers, die Nützlichkeit der Investitionen der PEM und
den Reinheitsgrad von 96 %, von dem die Kommission ausgeht; die
Kommission hat hierauf mit Schreiben vom 14. Juni 1994 geantwortet;
Schreiben vom 11. Juli 1994 (Anhang 42 der Klageschrift): Die Klägerin
antwortet auf das Schreiben der Kommission vom 14. Juni 1994 und hält an
den Einwänden fest, die sie in ihrem Schreiben vom 31. Mai 1994 dargelegt
hatte;
Schreiben vom 22. August 1994 (Anhang 62 der Klageschrift): Die Klägerin
nimmt zu dem Schreiben vom 11. August 1994 Stellung, in dem die
Kommission die wesentlichen Tatsachen und Erwägungen dargelegt hat, auf
deren Grundlage sie die Verhängung endgültiger Maßnahmen vorzuschlagen
beabsichtigte; die Erklärungen der Klägerin beziehen sich namentlich auf
die Wahl des Referenzlandes, den Auslastungsgrad der Kapazitäten der
PEM, den Reinheitsgrad des Calciums und die Bemühungen der PEM, ein
geeignetes Erzeugnis zu liefern zu versuchen.
- 177.
- Somit hatte die Klägerin reichlich Gelegenheit, sich zur Wahl des Referenzlandes,
die Bestimmung des Auslastungsgrads der Kapazitäten der Fabrik der PEM sowie
zu den Informationen über die Investitionen der PEM mit dem Ziel, die Klägerin
beliefern zu können, zu äußern.
- 178.
- Daher ist der dritte Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.
- 179.
- Folglich ist der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.
Dritter Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 4 Absatz 4 und Artikel 2 Absatz 12 der
Grundverordnung und offenkundiger Beurteilungsfehler
Parteivorbringen
- 180.
- Die Klägerin bringt vor, Rat und Kommission seien zu Unrecht zu dem Ergebnis
gelangt, Calciummetall mit Ursprung in China und Rußland einerseits und von der
PEM hergestelltes Calciummetall andererseits seien in ihrer Verwendung
substituierbar und daher gleichartig im Sinne des Artikels 2 Absatz 12 der
Grundverordnung. Der Begriff der Gleichartigkeit entspreche demjenigen der
Substituierbarkeit. Die Gleichartigkeit der fraglichen Erzeugnisse sei daher anhand
ihrer physikalischen und technischen Merkmale und ihrer Verwendungen zu
beurteilen.
- 181.
- Das Standardcalcium mit Ursprung in China oder Rußland und das von der PEM
hergestellte Standardcalcium hätten nicht dieselben physikalischen Merkmale. Die
Darstellungsform des ersteren seien glänzende, homogene Späne, während
diejenige des letzteren ganz unterschiedliche Stücke faserigen und porösen
Aussehens mit stets matter Oberfläche sei.
- 182.
- Auch die technischen Merkmale der Erzeugnisse unterschieden sich grundlegend.
Chemische Analysen über den Gehalt an Aluminium und Magnesium zeigten, daß
es sich nicht um dasselbe Erzeugnis handele. Gemeinschaftscalcium habe einen
wesentlich höheren Sauerstoffgehalt als Calcium mit Ursprung in China oder
Rußland. Als Ergebnis des unterschiedlichen Sauerstoffgehalts sei der
Oxidationsgrad des Calciums der PEM vier- bis fünfmal höher.
- 183.
- Die Klägerin könne das Calcium der PEM wegen dessen im Vergleich zu dem
Calcium anderer Hersteller der Welt starker Oxidation nicht verwenden. Der zu
hohe Sauerstoffgehalt führe zu Kalkablagerungen in den Öfen, die die
Einrichtungen der Klägerin störten. Im übrigen erkenne die PEM an, daß ihr
Calcium sehr viel mehr Sauerstoff enthalte.
- 184.
- Dieses Merkmal des Calciums der PEM sei von grundlegender Bedeutung. Da es
sich um ein Industrieerzeugnis handele, das zur Herstellung eines abgeleiteten
Erzeugnisses bestimmt sei, nicht aber um ein Erzeugnis, das für den
Endverbraucher bestimmt sei, bestimmten sich danach die
Verwendungsmöglichkeiten des Erzeugnisses; das Merkmal habe erheblichen
Einfluß auf das Herstellungsverfahren und die Herstellungskosten. Die
wirtschaftlichen Auswirkungen der Unterschiede im Sauerstoffgehalt seien
erheblich.
- 185.
- Das Vorbringen der PEM, der Unterschied zwischen den beiden Erzeugnissen liege
nicht im Calcium selbst, sondern in dem spezifischen, von der Klägerin
angewandten Verfahren, sei aus Rechts- wie aus Sachgründen nicht zulässig.
- 186.
- Daß andere Verwender das Calciummetall der PEM verwenden könnten, beweise
nur, daß ein und dasselbe Erzeugnis zu unterschiedlichen Zwecken und unter
unterschiedlichen Bedingungen verwendet werden könne. Standard-Calciummetall
könne verschiedenen Märkten angehören. Es könne von der Blei- und der
Eisenlegierungsindustrie verwendet werden oder als Rohstoff für die Herstellung
von Calciumgranulat. Im ersten Fall sei der Reinheitsgrad ebenso wie der
Sauerstoffgehalt ohne Interesse. Hingegen sei der Sauerstoffgehalt im zweiten Fall,
der einen erheblichen Anteil an der Verwendung von Calcium habe, von
grundlegender Bedeutung.
- 187.
- Calciummetall sei ein Rohstoff, der für die Verwendung in den folgenden drei
Sektoren verarbeitet werde: Bleiindustrie (340 Tonnen, 40 % der Verwendung des
Calciums); Stahlbehandlung (570 Tonnen, 46 % der Verwendung des Calciums);
Hochtemperaturbehandlung mit Calcium (100 Tonnen, 11 % der Verwendung des
Calciums). Das Standardcalcium der PEM könne ohne weiteres für die
Bleiindustrie verwendet werden, sei aber für die gesamte
Hochtemperaturbehandlung mit Calcium und für nahezu die Hälfte der
Erzeugnisse, die zur Stahlbehandlung dienten, unbrauchbar.
- 188.
- Das Vorbringen der PEM sei fehlerhaft. Man könne nicht vom Rohstoff
Calciummetall zu den Endverwendungen des abgeleiteten Erzeugnisses dieses
Rohstoffs gelangen, ohne die Zwischenverwendung für die Herstellung von
granuliertem Calciummetall zu berücksichtigen. Nur im Verhältnis zu diesem
Zwischenmarkt seien die Verwendungsmöglichkeiten zu beurteilen, da es nur um
die Einfuhr von Standard-Calciummetall und nicht von Calciumgranulat gehe.
- 189.
- Angesichts all dessen und des erheblichen Anteils, den die Stahlbehandlung an der
Verwendung des Calciums habe, könne man nicht sagen, daß die
Verwendungsunterschiede von geringer Bedeutung oder gar marginal seien. Im
Gegenteil sei das Standardcalcium der PEM und das Standardcalcium chinesischen
oder russischen Ursprungs nur für eine der drei Verwendungen die Bleiindustrie
gleichartig. Bei den beiden anderen Verwendungen müsse PEM auf destilliertes
Calcium zurückgreifen. Daher könnten die beiden Erzeugnisse von den
Gemeinschaftsbehörden nicht als gleichartig betrachtet werden.
- 190.
- Sie seien daher nicht austauschbar.
- 191.
- Nach Auffassung des Rates schafft ein Unternehmen, wie das der Klägerin, das ein
neues Verfahren entwickele, um ein bestimmtes Erzeugnis zu granulieren, nicht
zwei unterschiedliche Erzeugnisse im Sinne der Grundverordnung allein deswegen,
weil sein Verfahren anders als bestehende Verfahren für bestimmte Unreinheiten
besonders empfindlich ist. Qualitäts- oder Verwendungsunterschiede genügten nicht
für sich allein, um zwei Erzeugnisse zu unterscheiden. Es müsse geprüft werden,
ob die Qualitäts- oder Verwendungsunterschiede vom Markt im allgemeinen so
aufgefaßt würden, daß zwei unterschiedliche Erzeugnisse vorlägen.
- 192.
- Die Klägerin könne das Erzeugnis der PEM durchaus verwenden, was allerdings
zu zusätzlichen Kosten führe.
- 193.
- Die Klägerin könne sich nicht auf die unterschiedlichen Kosten bei ihrer
Verwendung berufen, ohne zu berücksichtigen, daß die chinesischen und russischen
Erzeugnisse in einem Elektrolyseverfahren gewonnen würden, das in einer
Marktwirtschaft höhere Produktionskosten hätte.
- 194.
- Die Frage der Identität des chemischen Elements oder der chemischen Verbindung
dürfe nicht mit der Frage der Verunreinigungen vermengt werden. Ein
unterschiedlicher Grad von Verunreinigungen berühre nicht unbedingt die
Gleichartigkeit der Erzeugnisse. Das von der PEM erzeugte Calciummetall sei
dasselbe chemische Element wie das von China und Rußland erzeugte
Calciummetall. Der unterschiedliche Grad von Verunreinigungen habe nach
Ansicht der Organe keinen Einfluß auf die Verwendung des Standarderzeugnisses
der PEM für andere Verarbeiter als die Klägerin.
- 195.
- Das aus China oder Rußland eingeführte Calciummetall könne in allen Sektoren
an die Stelle des von der PEM hergestellten Calciummetalls treten, weil für 86 %
der industriellen Verwendung von Calciummetall (Blei-, Eisenlegierungs- und
Stahlindustrie) das durch die Aluminothermie und erst recht durch die Elektrolyse
erhaltene Calcium den technischen Anforderungen entspreche. 11 % der
industriellen Verwender (Hochtemperaturbehandlung mit Calcium) zögen
elektrolytisches Calcium vor, wie es die PEM liefern könnte, wenn sie ihr
Standarderzeugnis destilliere. Für 3 % der industriellen Verwender
(Nuklearindustrie) sei ein hochreines Erzeugnis erforderlich, das die PEM mit
ihrem Calcium von Nuklearqualität ebenfalls liefern könne.
- 196.
- Unter Berufung auf die Entscheidungspraxis der Kommission machen die PEM und
die Berufskammer geltend, daß gleichartige Erzeugnisse bereits dann vorlägen,
wenn die Gemeinschaftserzeugnisse und die Erzeugnisse mit Ursprung in
Drittländern gemeinsame physikalische und technische Grundmerkmale sowie
dieselben grundlegenden Verwendungsfunktionen und -möglichkeiten aufwiesen,
so daß sie weithin austauschbar seien, selbst wenn Unterschiede in den Merkmalen,
der Erscheinung oder der Qualität den Grad der Austauschbarkeit senken könnten.
- 197.
- Gemeinschaftliches Calciummetall und Calciummetall mit Ursprung in China oder
Rußland seien gleichartige Erzeugnisse.
- 198.
- Trotz geringerer Unterschiede im Reinheitsgrad und dementsprechend imSauerstoffgehalt nach Maßgabe des verwendeten Herstellungsverfahrens hätten
gemeinschaftliches Calciummetall und chinesisches oder russisches Calciummetall
physikalische und chemische Merkmale, die sich hinreichend nahe stünden, um als
gleichartige Erzeugnisse betrachtet zu werden.
- 199.
- Die beiden Erzeugnisse hätten auch dieselben Endverbraucher.
- 200.
- Schließlich erlaubten beide Herstellungsverfahren, ein Rohcalcium zu erlangen, das
sogenannte Standardcalcium, das hauptsächlich entweder in der Blei- und
Eisenlegierungsindustrie in massiver Form oder in Form von Granulat verwendet
werde.
- 201.
- Für die Verwendung des Calciummetalls in massiver Form (das entspreche 40 %
des Bedarfs) seien gemeinschaftliches Calciummetall und chinesisches oder
russisches Calciummetall in vollem Umfang austauschbar. Für die Verwendung von
Calciummetall in Form von Granulat in der Herstellung calciumthermischer
Reaktionen werde Calcium von höherem Reinheitsgrad benötigt. Solches
Calciummetall könne sowohl von den Herstellern in China und Rußland geliefert
werden, die das elektrolytische Verfahren verwendeten, wie von denen, die, wie die
PEM, das aluminothermische Verfahren verwendeten. Auch dieses Verfahren
erlaube, hochreines Calcium zu erzeugen, wobei der einzige Unterschied im Preis
liege: Chinesisches oder russisches Calcium sei hochrein und wegen des
Dumpings billiger. Gemeinschaftliches Calciummetall und importiertes
Calciummetall hätten schließlich dieselben grundlegenden Funktionen und
Verwendungsmöglichkeiten für 86 % der Anwendungen, wobei die höhere Reinheit
von Calciummetall, das zu 11 % des Bedarfs in der Hochtemperaturbehandlung mit
Calcium verwendet werde, sowohl bei der PEM wie bei den Erzeugern in China
und Rußland gefunden werden könne. Diese Erzeugnisse seien daher gleichartig
im Sinne der Grundverordnung.
Rechtliche Würdigung
- 202.
- Artikel 4 Absätze 1 und 4 der Grundverordnung lauten wie folgt:
„Das Vorliegen einer Schädigung kann nur festgestellt werden, wenn die
gedumpten oder subventionierten Einfuhren wegen des Dumpings oder der
Subventionierung eine Schädigung hervorrufen, d. h. eine bedeutende Schädigung
eines bestehenden Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft verursachen oder zu
verursachen drohen oder die Errichtung eines Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft
erheblich verzögern ...
...
Die Auswirkungen der gedumpten oder subventionierten Einfuhren werden an der
Erzeugung der gleichartigen Waren in der Gemeinschaft gemessen ...“
- 203.
- In Artikel 2 Absatz 12 der Grundverordnung heißt es:
„.Gleichartige Ware' [bedeutet] eine Ware, die mit der betreffenden Ware
identisch ist, d. h. ihr in jeder Hinsicht gleich ist, oder wenn es eine solche Ware
nicht gibt, eine andere Ware, die charakteristische Merkmale aufweist, die denen
der betreffenden Ware stark ähneln“.
- 204.
- Die Organe verfügen bei der Würdigung komplexer wirtschaftlicher Sachverhalte
über einen weiten Beurteilungsspielraum (vgl. etwa Urteil des Gerichts vom 28.
September 1995 in der Rechtssache T-164/94, Ferchimex/Rat, Slg. 1995, II-2681,
Randnr. 66); die Bestimmung der „gleichartigen Erzeugnisse“ fällt in diesen
Rahmen (Urteil des Gerichts vom 25. September 1997 in der Rechtssache
T-170/94, Shanghai Bicycle/Rat, Slg. 1997, II-1383, Randnr. 63).
- 205.
- Daher ist zu prüfen, ob die Organe einen Sachfehler oder Rechtsirrtum oder einen
offenkundigen Fehler bei der Sachverhaltswürdigung begangen haben, der zu einer
fehlerhaften Einschätzung der Gleichartigkeit der Erzeugnisse führt (in diesem
Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1988 in der Rechtssache 188/85,
Fediol/Kommission, Slg. 1988, 4193, Randnr. 6).
- 206.
- Bei der Prüfung der Gleichartigkeit der Erzeugnisse hat der Rat die physikalischen
wie technischen Unterschiede zwischen dem Erzeugnis der PEM und dem aus
China oder Rußland eingeführten Erzeugnis sowie die Auswirkung dieser
Unterschiede auf die Zwischenerzeuger wie die Klägerin berücksichtigt.
- 207.
- Die Gemeinschaftsorgane können ein Gemeinschaftserzeugnis und ein gedumptes
Erzeugnis als gleichartig betrachten, auch wenn physikalische oder technische sowie
andere Unterschiede bestehen, die die Möglichkeiten der Verwendung durch den
Endverbraucher beschränken. So hat der Gerichtshof zu Antidumpingzöllen auf
Normalpapierkopierer mit Ursprung in Japan entschieden (vgl. etwa Urteile des
Gerichtshofes vom 10. März 1992 in der Rechtssache C-171/87, Canon/Rat, Slg.
1992, I-1237, Randnrn. 47, 48 und 52, in der Rechtssache C-174/87, Ricoh/Rat, Slg.
1992, I-1335, Randnrn. 35, 36 und 40, und in der Rechtssache C-179/87, Sharp
Corporation/Rat, Slg. 1992, I-1635, Randnrn. 25, 26 und 30), daß die
Gemeinschaftsorgane mit der Annahme, die Kopiererproduktion insgesamt mit
Ausnahme derjenigen, bei der es keine Gemeinschaftserzeugung gebe, sei als die
„Erzeugung der gleichartigen Ware in der Gemeinschaft“ zu betrachten, für die
Beurteilung der Schädigung der Gemeinschaftsindustrie trotz technischer
Unterschiede zwischen den einzelnen Kopierern keinen Beurteilungsfehler
begangen hätten.
- 208.
- In der elften und zwölften Begründungserwägung der streitigen Verordnung hat der
Rat festgehalten, ohne daß die Klägerin dem widersprochen hätte, daß von der
PEM hergestelltes und aus China oder Rußland eingeführtes
Standard-Calciummetall für die Verwendungen in der Metallurgie (der Blei- und
der Eisenlegierungsindustrie) und der Stahlindustrie in vollem Umfang austauschbar
und damit gleichartig im Sinne des Artikels 2 Absatz 12 der Grundverordnung
seien.
- 209.
- Diese Gleichartigkeit der betroffenen Erzeugnisse betrifft 86 % des
Gemeinschaftsmarktes an Calciummetall, da die Blei- und die
Eisenlegierungsindustrie 40 % und die Stahlindustrie 46 % dieses Marktes
darstellen.
- 210.
- Hinsichtlich der Stahlindustrie nimmt die Klägerin jedoch an, daß zur Beurteilung
der Gleichartigkeit der Erzeugnisse nicht die Endverbraucher, sondern die
Zwischenkäufer zu betrachten seien, also die Unternehmen, die Calciummetall
granulierten. Als solches Unternehmen könne die Klägerin das von der PEM
hergestellte Calciummetall von Standardqualität nicht verwenden. Daher könnten
dieses Erzeugnis und jenes mit Ursprung in China oder Rußland nicht als
gleichartig betrachtet werden.
- 211.
- Dem ist nicht zu folgen.
- 212.
- Wenn die Gemeinschaftsorgane Kommission und Rat zu dem Ergebnis
gelangen, daß die fraglichen Einfuhren gedumpt seien, müssen sie gemäß Artikel
4 Absatz 4 der Grundverordnung die Auswirkungen dieser Einfuhren auf
gleichartige Waren in der Gemeinschaft messen.
- 213.
- Die Gleichartigkeit der Grunderzeugnisse (Rohstoffe), also ihre Austauschbarkeit,
ist namentlich unter Berücksichtigung der Präferenzen der Endverbraucher zu
messen, da die Nachfrage der Verarbeitungsfirmen nach dem Grunderzeugnis eine
Funktion der Nachfrage der Endverbraucher ist.
- 214.
- Hingegen genügt es nicht, die Präferenzen der Verarbeitungsunternehmen zu
untersuchen, die aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen ein Grunderzeugnis
einem anderen vorziehen mögen.
- 215.
- Zu prüfen ist auch, ob die Erzeugnisse, die aus dem Grunderzeugnis gewonnen
werden, untereinander in Wettbewerb stehen, namentlich wenn der mit der
Verarbeitung des Grunderzeugnisses gewonnene Mehrwert im Verhältnis zum Preis
des Enderzeugnisses relativ niedrig ist.
- 216.
- In einem solchen Fall kann eine Erhöhung der Nachfrage nach dem
Grunderzeugnis Calciummetall chinesischen oder russischen Ursprungs infolge
einer Dumpingpraxis zu einem Rückgang des Preises des Verarbeitungserzeugnisses
des granulierten Calciums der Klägerin führen. Das kann wiederum zu einem
Rückgang der Nachfrage nach dem anderen Verarbeitungserzeugnis, dem
granulierten Calcium der PEM, führen, der seinerseits zu einem Rückgang der
Nachfrage nach dem anderen Grunderzeugnis, dem von der PEM erzeugten
Calciummetall, führen kann.
- 217.
- Der Erzeuger dieses letzteren Grunderzeugnisses, dessen Verwendung für den
Endverbraucher keine besonderen Probleme darstellt, ist also geschädigt.
- 218.
- Die Verarbeitungsunternehmen, die das Grunderzeugnis der PEM verwenden,
können nämlich vom Kauf dieses Erzeugnisses abgehalten werden, das
definitionsgemäß teurer als das Grunderzeugnis mit Ursprung in China oder
Rußland ist. Sie können sich dann den Herstellern dieser Drittländer zuwenden,
oder, wenn sie, wie die PEM, vertikal integriert sind, ihre Preise senken, damit ihre
Rentabilität verringern und wahrscheinlich Verluste, also eine Schädigung im Sinne
des Artikels 4 der Grundverordnung, erleiden (siehe Urteil des Gerichts vom 14.
Juli 1995 in der Rechtssache T-166/94, Koyo Seiko/Rat, Slg. 1995, II-2129, Randnrn.
2 bis 42 und insbesondere Randnrn. 35 und 36).
- 219.
- Damit haben die Organe weder einen Tatsachenfehler begangen noch gegen
Artikel 4 Absätze 1 und 4 und Artikel 2 Absatz 12 der Grundverordnung verstoßen,
noch sich eines offenkundigen Beurteilungsfehlers schuldig gemacht, als sie das von
der PEM erzeugte Calciummetall und das chinesische und russische Calciummetall
als gleichartige Erzeugnisse im Sinne des Artikels 2 Absatz 12 der
Grundverordnung betrachteten.
- 220.
- Für die Hochtemperaturbehandlung mit Calcium wird Calciummetall von höherem
Reinheitsgrad benötigt, als sie das granulierte Calciummetall von Standardqualität
des Gemeinschaftsherstellers aufweist. Diese Verwendungen stellen jedoch nur
einen kleineren Anteil (11 %) der Gesamtverwendungen dar, für die das fragliche
Erzeugnis in der Gemeinschaft verwendet wird. Daß granuliertes Calciummetall von
Standardqualität der PEM in diesem Gebiet nicht verwendet werden kann, ändert
damit nichts daran, daß der Schluß der Organe auf die Gleichartigkeit des
fraglichen Erzeugnisses zutrifft.
- 221.
- Folglich ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.
Vierter Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 4 Absatz 1 der Grundverordnung und
offenkundiger Beurteilungsfehler
- 222.
- Die Klägerin trägt vor, die PEM habe keine Schädigung im Sinne des Artikels 4
der Grundverordnung geltend machen können, weil sie sich zum einen nicht
bemüht habe, die Klägerin zu beliefern, weil sie zum anderen nicht behaupten
könne, die gedumpten Einfuhren hätten sie zur Senkung ihrer Preise für
granuliertes Calcium gezwungen und weil zum dritten der größte Teil der
Einfuhren erfolgt sei, weil die Klägerin sich nicht bei der PEM habe versorgen
können.
- 223.
- Die Klägerin bestreitet die Schädigung der Gemeinschaftsindustrie also nicht. Sie
bestreitet zum einen den Kausalzusammenhang zwischen den gedumpten Einfuhren
und dieser Schädigung, zum anderen deren Größe. Diese beiden Rügen sind zu
prüfen.
1. Der Kausalzusammenhang
- 224.
- Die Klägerin bestreitet den Kausalzusammenhang zwischen den gedumpten
Einfuhren und der Schädigung der Gemeinschaftsindustrie. Zum einen habe sich
die PEM nicht bemüht, ihr Roh-Calciummetall von Standardqualität zu liefern, zum
anderen sei die PEM für den Preisrückgang von Roh-Calciummetall verantwortlich,
der zu der Schädigung der Gemeinschaftsindustrie geführt habe.
a) Die PEM habe sich nicht bemüht, der Klägerin Calciummetall von
Standardqualität zu liefern
Parteivorbringen
- 225.
- Die Klägerin führt aus, nach zweijährigen Bemühungen sei die PEM immer noch
nicht in der Lage gewesen, ihr ein Erzeugnis zu liefern, das dem chinesischen oder
russischen Calciummetall entsprochen hätte, obwohl sie
von Beginn der Wiederaufnahme ihrer Beziehungen an den Grund der
Schwierigkeiten der Klägerin bei der Verwendung des von ihr hergestellten
Calciummetalls von Standardqualität gekannt habe;
erklärt habe, ein zufriedenstellendes Erzeugnis liefern zu können;
kanadische Erzeuger nur wenige Wochen gebraucht hätten, um ähnliche
technische Schwierigkeiten zu beheben;
die PEM behaupte, erhebliche Beträge in Forschung und Ausrüstung mit
dem Ziel investiert zu haben, die Klägerin beliefern zu können;
der Péchiney-Konzern ein großer Konzern sei, der erhebliche
Forschungsmittel habe.
- 226.
- Daß die PEM kein Standardcalcium habe liefern können, bestätige der Umstand,
daß sie den Versuch endgültig aufgegeben habe, da sich die letzten Versuche auf
Nuklearcalcium bezogen hätten.
- 227.
- In Wirklichkeit habe sich die PEM nicht bemüht, die Klägerin zu beliefern. Sie
habe im Gegenteil mit voller Absicht nicht geliefert, was die Chronologie der
Beziehungen zwischen der Klägerin und der PEM und die in der letzten
Randnummer erwähnten Tatsachen, darüber hinaus aber auch die folgenden
Punkte belegten:
Obwohl die PEM seit Dezember 1992 gewußt habe, daß ihr Erzeugniswegen seines hohen Sauerstoffgehalts für das Herstellungsverfahren der
Klägerin nicht geeignet sei, habe sie im August 1993 geschrieben, daß sie
ihre Calciumbarren in heißem Zustand aus dem Ofen nehme (was zur
Oxidation des Calciums beitrage);
der Vermerk der PEM vom 5. August 1993 über die in ihrer Fabrik in La
Roche de Rame durchgeführten technischen Arbeiten, der die zur
Verbesserung ihres Erzeugnisses vorgenommenen Investitionen beschreibe,
sei lange Zeit vertraulich geblieben;
die PEM habe während der gesamten Versuchsreihe von der Klägerin
sensible Daten erhalten, die es ihr erlaubt hätten, eine Festsetzung der
Antidumpingzölle in einer Höhe zu erreichen, die ihren Mitbewerber auf
dem Markt ausschalten würde (das zeige das Vorgehen der PEM kurz vor
der Verhängung der endgültigen Zölle ebenso wie der Mißbrauch einer
beherrschenden Stellung durch dieses Unternehmen, der in erster Linie in
einem Verfahrensmißbrauch bestehe siebter Klagegrund).
- 228.
- Die Klägerin habe im Laufe der Untersuchung wiederholt beantragt, daß ein
Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben werde, um zu beurteilen, welche
Anpassungen die PEM vorgenommen habe und ob diese geeignet seien, ihr
Erzeugnis zu verbessern. Dieses Gutachten sei immer abgelehnt worden. Die
Klägerin habe daraufhin den unabhängigen Sachverständigen Laurent um
Stellungnahme gebeten, der seinen Bericht am 19. Mai 1995 abgegeben habe. Nach
diesem Bericht habe die PEM von Anfang an die nachteiligen Auswirkungen des
Sauerstoffs in ihrem Calcium gekannt. Darüber hinaus habe sie in ihren eigenen
Fabriken über alle geeigneten Abhilfemöglichkeiten verfügt, ohne vorhersehbar
negative Versuche bei der Klägerin durchführen zu müssen. Schließlich habe sie die
offenkundigsten Feststellungen kompliziert und verzögert, da ein streng
methodisches Vorgehen, erforderlichenfalls unter Aufsicht unabhängiger
Sachverständiger, es erlaubt hätte, kostspielige Versuche zu vermeiden und
kurzfristig zu einem klaren Ergebnis zu gelangen.
- 229.
- Nach Ansicht des Rates enthält das Unvermögen der PEM, die Klägerin zu
beliefern, einen Sach- und einen rechtlichen Gesichtspunkt. Sachlich gehe es um
die Frage, ob die PEM nicht in der Lage gewesen sei, die Klägerin zu beliefern,
woran sich die Rechtsfrage anschließe, ob gleichwohl eine Schädigung vorliegen
könne. Der Rat gesteht zu, daß die PEM kein Erzeugnis von Standardqualität habe
liefern können, das den Anforderungen der Klägerin entsprochen habe. Jedoch
könne die Klägerin nicht behaupten, ihr Verhalten, wie es sich aus den Akten
ergebe, sei nur konstruktiv gewesen.
- 230.
- Zur angeblichen Weigerung der PEM, die erforderlichen Anpassungen
vorzunehmen, um die Klägerin beliefern zu können, macht der Rat geltend, aus
den Akten ergebe sich nicht, daß die PEM keine diesem Ziel angemessenen
Schritte unternommen hätte.
Rechtliche Würdigung
- 231.
- Das Vorbringen der Klägerin geht dahin, die PEM habe nicht den Versuch
unternommen, der Klägerin ein Calciummetall zu liefern, das deren Bedürfnissen
entsprochen hätte. Ob dieses Vorbringen sachlich begründet ist, läßt sich nur
aufgrund einer Untersuchung der Gesamtbeziehungen zwischen der Klägerin und
der PEM beurteilen.
- 232.
- Die Beziehungen zwischen der Extramet, nunmehr der Klägerin, und der PEM
waren jedenfalls für Calcium von 1985 bis 1991 unterbrochen.
- 233.
- Die Akten erlauben es, die Beziehungen zwischen der Klägerin und der PEM in
den Jahren 1991 bis 1994 nachzuzeichnen.
- 234.
- Im Juli 1991 bestellte die Klägerin bei der PEM 500 kg Calcium. Diese Ware
wurde im selben Monat zuzüglich einer Probe von 50 kg Calciummetall in Nadeln
geliefert. Die Klägerin selbst erkennt an, daß sie damals die Handelsbeziehungen
nicht fortsetzte, um das Verfahren vor dem Conseil de la concurrence nicht zu
beeinflussen, da der Anwalt der PEM diesen Auftrag zur Stützung seiner
Auffassung verwendet hatte. Am 19. November 1992, fünf Tage nach der
Veröffentlichung der Mitteilung vom 14. November 1992 über das
Antidumpingverfahren, kritisierte sie die Qualität des im Juli 1991 gelieferten
Calciums in einem Schreiben an die PEM.
- 235.
- Es läßt sich daher nicht sagen, daß die PEM während der Untersuchungsperiode
vom 1. Juli 1991 bis zum 31. Oktober 1992 ihre Schädigung selbst verschuldet habe.
Während dieses Zeitraums hat es die Klägerin nämlich einerseits nicht als opportun
betrachtet, Handelsbeziehungen mit der PEM aufzunehmen, und sich andererseits
trotz der Verhängung von Antidumpingzöllen mit Calciummetall aus China oder
Rußland versorgt.
- 236.
- Gleichwohl ergibt sich aus der Rechtsprechung (Urteil des Gerichts vom 11. Juli
1996 in der Rechtssache T-161/94, Sinochem Heilongjiang/Rat, Slg. 1996, II-695,
Randnr. 88), daß die Prüfung von Daten für einen Zeitraum nach der
Untersuchung erforderlich sein kann, wenn sich aus ihr neue Gesichtspunkte
ergeben, die die beabsichtigte Verhängung eines Antidumpingzolls als offenkundig
unangebracht erscheinen lassen.
- 237.
- Zu prüfen ist daher das Vorbringen der Klägerin, mit dem sie zeigen möchte, daß
die Entwicklungen nach Ende des Untersuchungszeitraums die Einführung der
streitigen Zölle als offensichtlich unangebracht erscheinen lassen.
- 238.
- Hierbei dürfen nur die Tatsachen berücksichtigt werden, die vor dem Erlaß der
streitigen Verordnung am 19. Oktober 1994 eintraten. Spätere Tatsachen, die die
Analyse der Organe über den Kausalzusammenhang bestätigen oder entkräften
könnten, sind hingegen außer Betracht zu lassen.
- 239.
- Am 21. September 1992 traf sich der bei der PEM für Calcium Verantwortliche mit
dem Präsidenten der Klägerin an deren Sitz.
- 240.
- Bei diesen Treffen kam es zu einer Verständigung über folgende Punkte:
Es wurde zugestanden, daß der Sauerstoffgehalt Grund der Schwierigkeiten
sein könne, auf die die Klägerin gestoßen war;
die PEM würde der Klägerin Posten von Calciummetall vorschlagen, um
Versuche zu unternehmen, den Sauerstoffgehalt zu senken;
es wurde auch zugestanden, daß die Messung des Sauerstoffs und die
Stichprobenentnahme ungewöhnlich schwierig durchzuführen seien und daß
die bisher erzielten Ergebnisse wenig verläßlich seien; daher müßten diese
beiden Aspekte entwickelt werden, um die Fortschritte der PEM bei der
Senkung des Sauerstoffgehalts im Calcium auf Dauer messen zu können.
- 241.
- Die beiden Unternehmen haben 1993 mehrere Versuche unternommen. Mit
Schreiben vom 26. April 1993 schlug die PEM der Klägerin angesichts der
Ergebnisse des ersten Versuchs einen ersten Entwurf über einen Liefervertrag vor.
- 242.
- Mit Fax vom 3. Mai 1993 (Anhang 15 zum Streithilfeschriftsatz der PEM) zeigte
die Klägerin an, daß der höchste Sauerstoffgehalt, der sich aus den Stichproben der
PEM ergebe, 0,36 % und nicht 0,4 % bzw. 0,5 % betrage, wie sich aus den ersten
Analysen ergeben hatte. 0,36 % seien das äußerste, was sie akzeptieren könnte.
Nach dem Vortrag der PEM war die Mindestreinheit, die die Klägerin damals
akzeptieren konnte, 97 %; die Schwierigkeit habe ausschließlich darin bestanden,
sehr genau und ohne Gefahr des Irrtums den Sauerstoffgehalt des Calciums
bestimmen zu können.
- 243.
- Mit demselben Fax vom 3. Mai 1993 schlug die Klägerin vor, dem Centre européen
de recherche en métallurgie des poudres (Cermep), Grenoble, einem
Analyselaboratorium, mit dem sie regelmäßig zusammenarbeitete, die Frage der
Erarbeitung einer Analysemethode für den Sauerstoff im Calcium vorzulegen. Am
4. Juni 1993 trafen sich die PEM und die Klägerin in diesem Laboratorium. Die
von der Klägerin vorgeschlagene Analysemethode wurde verworfen. Mehrere
Analysemethoden wurden erörtert. Die PEM und die Klägerin verständigten sich
schließlich auf eine Methode, nach der das gesamte Calcium der Metallstichprobe
oxidiert wurde, um den ursprünglichen Kalk- und damit Sauerstoffgehalt feststellen
zu können.
- 244.
- Am 6. Mai 1993 wurde ein Abkommen über die Lieferung von fünf Tonnen
Calcium in Nadeln (nicht in Stücken wie bei dem Versuch vom April 1993)
geschlossen. Ein zweiter Versuch mit den fünf Tonnen Nadeln lief im Juni 1993.
Er schlug fehl; die eingetretene Verschmutzung war doppelt so stark wie beim
ersten Versuch.
- 245.
- Mit Schreiben vom 2. Juli 1993 bestätigte die PEM der Klägerin ihren Willen, die
Handelsgespräche weiterzuführen, um zu einem Liefervertrag zu kommen, wobei
sie ihrer Beunruhigung über die Methode zur Kontrolle des Sauerstoffs im Calcium
Ausdruck gab. Sie teilte auch mit, sie beabsichtige, in ihrer Fabrik technische
Entwicklungen vorzunehmen, um den Kalkgehalt ihres Calciums spürbar zu senken.
Diese technischen Entwicklungen bestanden darin, die Öfen der Fabrik der PEM
mit einem Kühlsystem unter Argon auszurüsten.
- 246.
- Am 5. Juli 1993 teilte die Cermep ihre Analyseergebnisse der Klägerin mit. Danach
hatte das Calcium der PEM einen Sauerstoffgehalt derselben Größenordnung wie
das chinesische oder russische Calcium. Die PEM äußerte Zweifel an der
Verläßlichkeit der Methode der Cermep und schlug vor, eine Tonne unter Argon,
nicht an der offenen Luft abgekühltes Calcium zu liefern, um einen neuen Versuch
zu unternehmen. In einem Schreiben an die PEM vom 11. August 1993 teilte die
Klägerin deren Skepsis bezüglich der Analysen der Cermep und erklärte sich damit
einverstanden, diesem Laboratorium eine Probe zu Analysezwecken zu übersenden.
- 247.
- Vom 13. bis 16. September 1993 lief bei der Klägerin ein dritter Versuch mit einer
Menge von zwei Tonnen unter Argon abgekühlten Calciums. Dieser Versuch
scheiterte. Da jedoch das Personal der Klägerin bei der Leerung von deren
Einrichtungen die Thermoelemente zur Regulierung der oberen und niederen
Zonen des Fusionsofens vertauscht hatte, nahm die PEM an, daß die Einstellung
dieser Einrichtungen möglicherweise nicht dem entsprach, was für Calcium anderen
als chinesischen oder russischen Ursprungs notwendig sei. Die Klägerin räumte den
Irrtum ein, meinte aber, er habe sich auf das Ergebnis nicht ausgewirkt.
- 248.
- In der Zwischenzeit führte die Klägerin vergleichende Analysen von
Standardcalcium der PEM und des kanadischen Herstellers durch, die darauf
hindeuteten, daß das Problem der starken Oxidation des Calciums der Klägerin in
seiner mangelnden Kompaktheit liege. Daraufhin führte die PEM Analysen an
diesen beiden Arten von Calcium durch. Ihre Ergebnisse widersprachen denen der
Klägerin. Gleichwohl bemühte sie sich, die Kompaktheit ihrer Calciumbarren zu
erhöhen. Sie erzeugte sechs Tonnen kompakten Calciummetalls, die mittels einer
Kondensierung im Doppelkegel hergestellt wurden. Dieses Erzeugnis wurde der
Klägerin nicht angedient, weil die nachträgliche Bestimmung seines
Sauerstoffgehaltes 0,4 % bis 0,5 % und damit einen Prozentsatz ergab, der die
Toleranzgrenze des Ofens der Klägerin weit überstieg.
- 249.
- Ein vierter Versuch lief am 15. und 16. November 1993 mit Zustimmung der
Klägerin ab; er bezog sich auf fünf Tonnen unter Argon abgekühlten Calciums.
Auch dieser Versuch scheiterte. Die PEM gelangte daraufhin zu der Auffassung,
daß nützlichere Versuche bei der Klägerin mit ihrem Nuklearcalcium (Calcium N)
durchgeführt werden könnten (Protokoll der Besichtigung in der Fabrik der PEM
vom 28. November 1993).
- 250.
- Sie stellte daher für die Klägerin eine Partie von fünf Tonnen Calcium N mit einem
mittleren Gehalt von 0,22 % her, um bestätigt zu sehen, daß zwischen dem
Sauerstoffgehalt und der Verschmutzung des Ofens der Klägerin ein linearer
Zusammenhang bestehe. Diese Partie nahm die Klägerin erst im Februar 1995
anläßlich von Versuchen ab, die vom 28. Februar bis zum 3. März 1995
durchgeführt wurden, also nach Erlaß der streitigen Verordnung.
- 251.
- Parallel führte die PEM in der Zeit von Dezember 1993 bis zum April 1994 ihre
theoretischen Überlegungen über alle möglichen Ursachen der Oxidation des
Calciums fort (Dichte der Öfen, Restkarbonate im Kalk, Sauerstoffzufuhr durch
chemische Sekundärreaktionen nach Maßgabe des Vakuums und der Temperatur;
Wirkung des Aluminiumgehalts des Calciums auf den Sauerstoff). Die Klägerin
bestritt nicht, daß diese Schritte durchgeführt wurden, beschwerte sich aber, über
die Bedeutung und die Ergebnisse dieser Analysen und Versuche nicht hinreichend
unterrichtet worden zu sein.
- 252.
- Mit Schreiben vom 21. Juli 1994 (Anhang 113 zur Klageschrift) machte die PEM
der Klägerin einen neuen Vorschlag für einen Liefervertrag: Sie sei bereit, sich an
den Kosten eines Versuchs über fünf Tonnen Calcium zu beteiligen, das seit Ende
1993 bereit liege, und verpflichte sich, im Erfolgsfalle der Klägerin während fünf
Jahren jährlich 100 bis 150 Tonnen zu liefern. Angesichts dieses Umfangs räumte
sie der Klägerin besonders günstige Preisbedingungen für Calcium N ein. Nach dem
Vorbringen der Klägerin lagen diese Preisbedingungen jedoch immer noch weit
über denen von Standardcalcium, so daß sie sich nicht auf dem Markt hätte halten
können.
- 253.
- Bis Ende März 1994 setzte die PEM bei dem Versuch, den Bedürfnissen der
Klägerin zu entsprechen, 1,5 Millionen FF in folgenden Gebieten ein: 0,5 Millionen
FF Investitionen für Öfen; 0,1 Millionen FF Sauerstoffdosierungseinrichtungen; 0,9
Millionen FF fremde Forschungs- und Entwicklungskosten. Die Forschungs- und
Entwicklungskosten hätten 1993 8 % des Jahresansatzes „Analysen“ des zentralen
Forschungslabors der PEM ausgemacht, während die übrigen Kosten 25 % der
jährlichen Investitionen der PEM in ihrer Fabrik in La Roche de Rame ausgemacht
hätten.
- 254.
- Die Klägerin bringt im übrigen vor, nach den mündlichen Erklärungen von
Technikern der PEM könnten die Forschungs- und Entwicklungskosten den
allgemeinen Kosten gleichgestellt werden, die pauschal auf die unterschiedlichen
Tätigkeiten der Firma aufgeteilt würden. Sie bestreitet also nicht, daß diese Kosten
angefallen sind, sondern ohne jeden Beweis nur ihre Verteilung auf die
Haushaltsposten.
- 255.
- Damit steht fest, daß der Gemeinschaftshersteller PEM nicht unerhebliche
Anpassungsbemühungen unternommen hat, um den technischen Bedürfnissen der
Klägerin zu entsprechen.
- 256.
- Daher haben die Organe hinsichtlich der Bereitschaft der PEM, die Klägerin zu
beliefern, weder einen Tatsachenirrtum noch eine offenkundig falsche
Tatsachenwürdigung vorgenommen. Wollte man bestreiten, daß die Bemühungen
der PEM ihren Willen belegen, die Klägerin zu beliefern, und wollte man
demzufolge annehmen, daß der Kausalzusammenhang aufgrund des Verhaltens der
Gemeinschaftsindustrie unterbrochen sei, so würde die Verhängung von
Antidumpingzöllen auf die Einfuhr von gedumpten Rohstoffen unmöglich, wenn die
Gemeinschaftsindustrie wegen der Eigenart der Produktionsverfahren bestimmter
Importeure nicht in der Lage wäre, diese zu beliefern. Das wäre mit dem Ziel der
Grundverordnung unvereinbar, die Gemeinschaftsindustrie gegen unlautere
Preispraktiken von Drittländern zu schützen.
- 257.
- Dem steht das Vorbringen der Klägerin nicht entgegen.
- 258.
- Diese bringt zunächst vor, die in der Fabrik der PEM durchgeführten Investitionen
entsprächen einem besonderen Bedürfnis der PEM. Jedoch sollten sie auch den
Bedürfnissen der Klägerin genügen. Nach den eigenen Angaben der Klägerin war
die Entnahme der heißen Calciumbarren aus dem Ofen geeignet, zur Oxidation des
Calciums beizutragen. Auch wenn die PEM dieses Problem eher hätte lösen
können, so war doch die Kaltentnahme der Barren geeignet, wie die Klägerin selbst
vorträgt, das Problem der Oxidation des Calciummetalls der PEM zu lösen.
- 259.
- Die Klägerin verweist auch auf den Bericht des von ihr beauftragten
Sachverständigen Laurent vom 19. Mai 1995, der Inkonsistenzen und nutzlose
Verzweigungen in der Methode, die zur Lösung des Problems eingeschlagen wurde,
und einen klaren Willen der PEM aufgezeigt habe, offenkundige Feststellungen wie
diejenige der Quelle des Problems zu komplizieren und zu verzögern. Dieser
Bericht wurde jedoch nach dem Erlaß der streitigen Verordnung erstellt, so daß die
Organe ihn nicht mehr berücksichtigen konnten. Im übrigen ist er nicht
entscheidend, da der Bericht des von der PEM beauftragten Sachverständigen,
Professor Winand, ihm widerspricht.
- 260.
- Die Klägerin bringt vor, die Stellungnahme des letztgenannten Sachverständigen
vom 18. Dezember 1995 beruhe auf der Analyse eines einzigen Schreibens der
PEM an die Klägerin vom 20. Mai 1994, während diejenige des Sachverständigen
Laurent auf den gesamten Akten beruhe. Das von Professor Winand untersuchte
Schreiben der PEM greift jedoch alle für die Beziehungen zwischen den beiden
Firmen in der Zeit vom Dezember 1992 bis April 1994 wesentlichen
Gesichtspunkte auf. Daher kann dem Bericht von Professor Winand kein geringeres
Gewicht beigemessen werden als dem des Sachverständigen Laurent.
- 261.
- Die Klägerin kann der Kommission nicht vorwerfen, in diesem Zusammenhang
nicht auf einen unabhängigen Sachverständigen zurückgegriffen zu haben, um
beurteilen zu können, ob die PEM sich tatsächlich bemüht habe, der Klägerin ein
passendes Erzeugnis zu liefern. Einerseits erlegt die Grundverordnung der
Kommission keine entsprechende Verpflichtung auf, bevor sie endgültige
Maßnahmen vorschlägt. Zum anderen waren die Daten in den Akten Gegenstand
von Überprüfungen von Dienststellen der Kommission und einer streitigen
Erörterung zwischen der PEM und der Klägerin. Schließlich müssen die Organe
innerhalb bestimmter Fristen für den Erlaß endgültiger Maßnahmen handeln; es
obliegt ihnen stets, in letzter Instanz die von den Betroffenen in einem
Antidumpingverfahren angeführten Tatsachen zu beurteilen.
- 262.
- Daher hat die Kommission den ihr hier zustehenden Beurteilungsspielraum nicht
überschritten.
- 263.
- Diese Rüge ist also zurückzuweisen.
b) Die PEM sei für den Preisrückgang bei granuliertem Calciummetall
verantwortlich, der zu der Schädigung der Gemeinschaftsindustrie geführt habe
Parteivorbringen
- 264.
- Die Klägerin macht geltend, nach den Erklärungen, die sie der Kommission mit
Schreiben vom 25. August 1994 habe zukommen lassen, habe die PEM aus
eigenem Antrieb die Preise gesenkt, ohne hierzu gezwungen gewesen zu sein, da
die klägerischen Preise entgegen den Behauptungen der neunzehnten
Begründungserwägung der streitigen Verordnung immer noch über denen der PEM
gelegen hätten. Die Untersuchungen der Preise der PEM, die der Generaldirektion
Wettbewerb (GD IV) mitgeteilt worden seien, zeigten im Gegenteil, daß diese
versucht habe, die Klägerin vom Markt zu verdrängen, indem sie ihre Preise
systematisch 10 % bis 15 % unter denen der Klägerin gehalten habe, ohne jeweils
die realen Kosten zu berücksichtigen.
- 265.
- Der Rat macht geltend, die Preise der PEM seien nicht Preise, die die PEM
einfach mitteile, wie es die Klägerin gegenüber der GD IV getan habe, sondern
Buchhaltungsdaten, die die Kommission bei der PEM an Ort und Stelle überprüft
habe. Hingegen habe es die Klägerin abgelehnt, Angaben über ihre Verkaufspreise
zu machen; die Kommission habe daher die verfügbaren Daten verwenden müssen,
also den Umstand, daß die PEM ihre Preise um 17 % gesenkt habe. Damit habe
die Kommission auf der Grundlage des Artikels 7 Absatz 7 Buchstabe b der
Grundverordnung gehandelt.
- 266.
- Zu dem Vorbringen, sie habe ihre Verkaufspreise nicht mitgeteilt, macht die
Klägerin geltend, daß ihre Zahlen zur Verfügung gestanden hätten, da die GD IV
seit Einreichung der Beschwerden am 12. Juli 1994 darüber verfügt habe, und daß
auch der Rat darüber verfügt habe, da sie der Nichtigkeitsklage beigefügt gewesen
seien. Niemand habe ihr bisher nachgewiesen, daß diese Zahlen unrichtig seien.
- 267.
- Zum Schreiben der Klägerin an die GD IV vom 25. August 1994, auf das diese ihre
Behauptung stützt, die PEM habe als erste die Preise gesenkt, bemerkt der Rat,
dieses Schreiben sei an die GD IV der Kommission ohne Abschrift an die
Generaldirektion Auswärtige Beziehungen (GD I) gerichtet worden.
Rechtliche Würdigung
- 268.
- Artikel 7 Absatz 7 Buchstabe b der Grundverordnung lautet:
„Verweigern eine betroffene Partei oder ein Drittland den Zugang zu
Informationsquellen oder erteilen sie nicht innerhalb eines angemessenen
Zeitraums die erforderlichen Auskünfte oder behindern sie erheblich die
Untersuchung, so können vorläufige oder endgültige positive oder negative
Entscheidungen auf der Grundlage der verfügbaren Informationen getroffen
werden. Stellt die Kommission fest, daß eine betroffene Partei oder ein Drittland
unwahre oder irreführende Informationen vorgelegt hat, kann sie diese
Informationen unberücksichtigt lassen und damit zusammenhängende Anträge
zurückweisen.“
- 269.
- Die Klägerin stützt ihre Behauptung, die PEM habe als erste die Preise gesenkt
und damit ihre eigene Schädigung ausgelöst, auf ihr Schreiben vom 25. August 1994
an die GD IV, in dessen Anhang sich eine Liste der Preise fand, die die Klägerin
auf dem Markt von Calciumgranulat anwende.
- 270.
- Wie der Rat zu Recht bemerkt, hat sie diese Liste jedoch nicht der GD I
übermittelt, die für die Untersuchung von Antidumpingverfahren allein zuständig
war.
- 271.
- Damit war die Kommission nicht in der Lage, diese Auskünfte bei der Klägerin zu
erlangen, da diese es stets abgelehnt hat, Angaben über ihre Verkäufe auf dem
Markt von Calciumgranulat zu geben. Die Klägerin kann sich daher auf diese
Angaben im Verfahren gegen die streitige Verordnung nicht berufen.
- 272.
- Im übrigen wurde die fragliche Tabelle der GD IV ohne Beleg übersandt. Die von
der PEM auf dem Markt von Calciumgranulat angewandten Preise sind hingegen
von der Kommission an Ort und Stelle überprüfte Buchhaltungsangaben.
Angesichts der Weigerung der Klägerin, Angaben über ihre Verkaufspreise
vorzulegen, konnte die Kommission angesichts der verfügbaren Daten in
Anwendung des Artikels 7 Absatz 7 Buchstabe b der Grundverordnung zu Recht
zu der Auffassung gelangen, daß die Preise der PEM aufgrund der
Dumpingpraktiken der russischen und chinesischen Erzeuger um 17 % gesenkt
worden seien.
- 273.
- Damit ist diese Rüge zurückzuweisen.
2. Der Umfang der Schädigung
Parteivorbringen
- 274.
- Die Klägerin bringt vor, der größte Teil der fraglichen Einfuhren habe auf dem
Umstand beruht, daß sie sich nicht bei der PEM habe versorgen können. Von 1989
bis 1993 habe sie 62 % bis 97 % der Einfuhren der Erzeugnisse aus China und
Rußland in die Gemeinschaft durchgeführt, durchschnittlich also 70 %, während
des Untersuchungszeitraums 65,7 %, nicht aber 50 %, wie der Rat in der streitigen
Verordnung behaupte. Damit könne die PEM keine Schädigung aufgrund dieser
Einfuhren geltend machen, da sie Calcium zum selben Verwendungszweck nicht
habe herstellen können. Zumindest könne sich eine Schädigung der PEM nur auf
die 30 % beziehen, die von anderen Verwendern in der Gemeinschaft eingeführt
worden seien.
- 275.
- Der Rat bringt vor, die Schädigung könne nicht nur unter Berücksichtigung des
Absatzes des eingeführten Calciummetalls bestimmt werden, sondern auch des
Absatzes von Calciumgranulat. Andernfalls gelangte man zu der absurden
Folgerung, daß lautere Wettbewerbsverhältnisse nicht wiederhergestellt werden
könnten, wo ein gedumpt eingeführtes Erzeugnis vor dem Weiterverkauf stets
verarbeitet werde.
- 276.
- Selbst wenn die PEM nicht in der Lage wäre, die Klägerin mit einem
entsprechenden Erzeugnis zu versorgen, verursachten die Einfuhren der Klägerin
der PEM dennoch einen Schaden, da das eingeführte Erzeugnis in Granulatform
in Wettbewerb mit dem granulierten, von der PEM verkauften Calcium verkauft
werde. Die Dumpingpreise bei der Einfuhr wirken sich auf die Verkaufspreise des
(kugelförmigen) granulierten Calciums aus und verursachten der PEM damit einen
Schaden, die auch (nicht kugelförmiges) Calciumgranulat auf dem
Gemeinschaftsmarkt verkaufe. Zu Unrecht behaupte daher die Klägerin, daß die
Schädigung sich nur auf die Einfuhren durch andere Verwender in der
Gemeinschaft beziehen könne.
- 277.
- Zur Behauptung der Klägerin, sie habe 62 % bis 97 % der Erzeugnisse mit
Ursprung in China und Rußland eingeführt, nicht aber 50 %, wie in der streitigen
Verordnung angegeben, meint der Rat, wenn diese Zahlen wie nicht zuträfen,
wäre die Schädigung noch größer, da dann eine größere Menge als (kugelförmiges)
Calciumgranulat auf dem Markt verkauft worden wäre.
- 278.
- Was die Schädigung der PEM auf dem Markt für Calciumgranulat betreffe, so habe
die Klägerin nicht nachgewiesen, daß der Rat die Schädigung der
Gemeinschaftsindustrie offenkundig fehlerhaft beurteilt habe.
Rechtliche Würdigung
- 279.
- Das Vorbringen der Klägerin betrifft eine Sachfrage, den exakten Umfang der
Einfuhren der Klägerin, und eine Rechtsfrage, ob nämlich entsprechend der
Auffassung der Klägerin für die Bestimmung der Schädigung ihre Einfuhren außer
Ansatz zu lassen seien, weil die PEM sie nicht mit Calciummetall von
Standardqualität habe beliefern können. Da die Sachfrage für den
Entscheidungsrechtsstreit nur von Belang ist, wenn die Rechtsauffassung der
Klägerin zutrifft, ist diese zunächst zu prüfen.
- 280.
- Wie es in der neunzehnten Begründungserwägung der streitigen Verordnung heißt,
darf eine korrekte Untersuchung der Auswirkungen der gedumpten Einfuhren nicht
nur den Verkauf des unverarbeiteten eingeführten Calciummetalls berücksichtigen,
sondern auch den Verkauf des zu Granulat verarbeiteten Calciummetalls.
Andernfalls wäre es beispielsweise nicht möglich, den lauteren Wettbewerb in
Fällen wiederherzustellen, in denen ein gedumpt eingeführtes Erzeugnis vor dem
Weiterverkauf verarbeitet würde.
- 281.
- Die Einfuhren der Klägerin sind geeignet, die PEM zu schädigen, da das
eingeführte Erzeugnis zu Pulver verarbeitet und weiterverkauft wird und damit im
Wettbewerb zu dem von der PEM verkauften Calciumgranulat steht. Wie in den
Randnummern 212 bis 219 ausgeführt, wirkten sich die gedumpten Einfuhrpreise
auf den Weiterverkaufspreis des von der Klägerin hergestellten (kugelförmigen)
Calciumpulvers aus und schädigten damit die PEM, die (nicht kugelförmiges)
Calciumgranulat auf dem Gemeinschaftsmarkt verkauft, wobei sie
Roh-Calciummetall mit Gemeinschaftsursprung verwendet. Zu Unrecht behauptet
daher die Klägerin, daß im Zusammenhang mit ihren Einfuhren in die
Gemeinschaft keine Schädigung vorliegen könne.
- 282.
- Damit ist die Frage, ob die Zahlen über die Einfuhr von Calciummetall aus China
und Rußland zutreffen, für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich. Wenn
die Zahlen der Klägerin nämlich zuträfen, wäre die eingeführte Menge und damit
die Schädigung größer, da die eingeführte Menge in Form von (kugelförmigem)
Calciumpulver auf dem Gemeinschaftsmarkt weiterverkauft worden wäre.
- 283.
- Auch diese Rüge ist damit zurückzuweisen.
- 284.
- Damit ist der vierte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.
Fünfter Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 12 der Grundverordnung und offenkundiger
Beurteilungsfehler
A Einführung
Parteivorbringen
- 285.
- Die Klägerin macht geltend, der Rat sei zu Unrecht zu dem Schluß gelangt, im
Interesse der Gemeinschaft müßten endgültige Maßnahmen eingeführt werden. In
Wahrheit habe dieses Interesse die Einführung von Antidumpingzöllen nicht
verlangt; diese seien vielmehr geeignet gewesen, eine beherrschende Stellung der
PEM auf dem europäischen Markt für Roh-Calciummetall und Calciumgranulat zu
schaffen oder zu stärken und die Klägerin vom europäischen Markt für granuliertes
Calciummetall praktisch zu verdrängen.
- 286.
- Daß die beherrschende Stellung der PEM auf dem Markt für Calciummetall
geschaffen oder verstärkt werde, beruhe auf folgenden Umständen:
Einfuhren von chinesischem oder russischem Calciummetall würden
angesichts der Höhe und der spezifischen Natur der eingeführten Zölle, die
keine Wertzölle seien, unmöglich;
die Versorgung bei nordamerikanischen Herstellern sei unmöglich;
das von der PEM hergestellte Calciummetall von Nuklearqualität habe
einen prohibitiven Preis.
- 287.
- Unter diesen Umständen hätte eine Abwägung der Interessen innerhalb der
Gemeinschaft verlangt, daß der Rat prüft, ob die positiven Wirkungen der
Maßnahmen die negativen Wirkungen überwögen. Gegenüber der tatsächlichen
Stärkung der beherrschenden Stellung der PEM auf dem Markt von Calciummetall
und der ebenso reellen Verdrängung ihres Hauptkonkurrenten, nämlich der
Klägerin, von dem Markt für Calciumgranulat, seien die in der streitigen
Verordnung erwähnten positiven Wirkungen sehr schwach.
- 288.
- Unter Berufung auf die in der streitigen Verordnung angegebenen Kriterien ist der
Rat der Auffassung, daß im Interesse der Gemeinschaft die endgültigen
Antidumpingmaßnahmen einzuführen waren.
- 289.
- Eine beherrschende Stellung des Gemeinschaftsherstellers sei nicht nachgewiesen;
daher fehle dem klägerischen Vorbringen die sachliche Grundlage.
- 290.
- Die PEM und die Berufskammer treten dem Vorbringen des Rates bei. Sie machen
geltend, das Unterbleiben von Maßnahmen wäre für die Gemeinschaft sehr
schwerwiegend, da es den Fortbestand des einzigen Gemeinschaftsherstellers
unmittelbar gefährdet hätte. Ein solches Unterbleiben hätte die PEM aller
Wahrscheinlichkeit nach dazu veranlaßt, Calciummetall in China und in Rußland
zu kaufen und die Gemeinschaftserzeugung von Calciummetall einzustellen.
Kurzfristig stellte dies ein erhebliches Problem des Industriegeländes für PEM dar,
die ihre Fabrik in La Roche de Rame schließen müßte. Eine solche Schließung
hätte negative Folgen für eine ganze französische Region. Langfristig gebe das
Unterbleiben von Antidumpingzöllen den Herstellern in China und Rußland freie
Hand, dem Gemeinschaftsmarkt ihren Preis für Calciummetall aufzuzwingen. Das
beschwöre die Gefahr herauf, daß Calcium künstlich verknappt und es zu einer
Preissteigerung kommen würde, wie es 1993/94 bei Molybdän, Wolfram und
Antimon der Fall gewesen sei. Längerfristig würde damit den Herstellern in China
und Rußland der Markt für granuliertes Calciummetall überlassen, auf dem sie
bereits vertreten seien, was unvermeidlich eine Abhängigkeit derjenigen Firmen in
der Gemeinschaft zur Folge haben würde, die dieses Erzeugnis verarbeiteten und
verbrauchten.
Rechtliche Würdigung
- 291.
- Nach Artikel 12 Absatz 1 der Grundverordnung kann ein endgültiger
Antidumpingzoll nur festgesetzt werden, wenn „sich aus der endgültigen
Feststellung des Sachverhalts [ergibt], daß Dumping ... und eine dadurch
verursachte Schädigung vorliegen, und ... die Interessen der Gemeinschaft ein
gemeinschaftliches Eingreifen [erfordern]“.
- 292.
- Nach der Rechtsprechung setzt die Frage, ob die Interessen der Gemeinschaft ein
Eingreifen erfordern, die Würdigung komplexer wirtschaftlicher Sachverhalte
voraus. Die gerichtliche Kontrolle einer solchen Beurteilung ist dabei auf die
Prüfung der Frage zu beschränken, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten
wurden, ob der Sachverhalt, der der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt
wurde, zutreffend festgestellt ist und ob keine fehlerhafte Beurteilung dieses
Sachverhalts und kein Ermessensmißbrauch vorliegen (Urteil Sharp
Corporation/Rat, Randnr. 58).
- 293.
- Somit ist zunächst zu prüfen, ob die Organe einen Tatsachenirrtum begangen oder
den Sachverhalt offensichtlich fehlerhaft beurteilt haben, als sie zu dem Ergebnis
gelangten, die Einführung von Antidumpingzöllen habe auf dem Markt für
Calciummetall keine beherrschende Stellung der PEM geschaffen oder verstärkt.
B Die Stellung der PEM auf dem Markt für Calciummetall vor der Einführung
der streitigen Zölle
- 294.
- Zunächst stellt sich die Frage, ob die PEM vor der Einführung der streitigen Zölle
eine beherrschende Stellung innehatte.
- 295.
- Wie die Kommission ohne Widerspruch der Klägerin ausführt, ergibt sich aus der
vorläufigen Verordnung (sechsundzwanzigste und zweiunddreißigste
Begründungserwägung), daß die Marktanteile der Unternehmen auf dem Markt für
Roh-Calciummetall in der Gemeinschaft in den Jahren 1989 bis 1992 die folgenden
waren:
Jahr China und Rußland PEM andere
1989 35,3 % 50,2 % 14,5 %
1990 40,7 % 44,0 % 15,3 %
1991 48,8 % 34,7 % 16,5 %
1992 52,8 % 31,7 % 15,5 %
- 296.
- In der Zeit von 1989 bis 1992 hat die PEM also 18,5 % des Gemeinschaftsmarktes
verloren, die chinesischen und russischen Einfuhren haben 17,5 %, die übrigen
Quellen 1 % gewonnen. Während dieses Zeitraums konnte die PEM somit nicht
unabhängig von ihren Mitbewerbern handeln, da sie trotz der Einführung von
Antidumpingzöllen auf die chinesischen und russischen Einfuhren im Jahr 1989
einen erheblichen Teil ihres Anteils am Gemeinschaftsmarkt verlor.
- 297.
- Mangels anderer Belege hat der Rat damit keinen Tatsachenirrtum oder
Beurteilungsfehler begangen, als er annahm, daß die PEM vor der Einführung der
streitigen Zölle keine beherrschende Stellung auf dem gemeinschaftlichen Markt
für Calciummetall innehatte.
C Die Stellung der PEM auf dem Markt für Roh-Calciummetall und granuliertes
Calciummetall nach der Einführung der streitigen Zölle
- 298.
- Weiter stellt sich die Frage, ob die PEM in der Folge der Einführung der streitigen
Antidumpingzölle in die Lage versetzt wurde, nicht nur auf dem Markt für
Roh-Calciummetall, sondern auch auf den derivativen Märkten für Calciumgranulat
eine beherrschende Stellung zu erlangen.
- 299.
- Die streitige Verordnung (dreißigste und einunddreißigste Begründungserwägung)
schließt die Gefahr einer starken Verkürzung des tatsächlichen Wettbewerbs auf
dem Gemeinschaftsmarkt aus folgenden Gründen aus:
Die Verarbeitungsunternehmen könnten weiterhin chinesisches oder
russisches Calciummetall zu lauteren Preisen erwerben;
sie könnten Calciummetall bei nordamerikanischen Herstellern erwerben;
die Lage könne sechs Monate, spätestens aber ein Jahr nach der Einführung
der streitigen Zölle überprüft werden.
1. Die Stellung der PEM auf dem Markt von Roh-Calciummetall
a) Die Verarbeitungsunternehmen könnten sich mit Calciummetall aus China oder
Rußland versorgen
Parteivorbringen
- 300.
- Die Klägerin bringt vor, die Einfuhr eines spezifischen Antidumpingzolls, der kein
Wertzoll sei, müsse die beherrschende Stellung der PEM verstärken, da künftig
kein chinesisches oder russisches Calciummetall mehr in die Gemeinschaft
eingeführt würde. In der Folge der Einführung der streitigen Zölle seien die
Einfuhren von russischem Calcium im übrigen um 84 % (von 56,5 Tonnen/Monat
in den vier ersten Monaten 1994 auf 8,9 Tonnen/Monat in den acht folgenden
Monaten) zurückgegangen. Für China seien die Einfuhren um 98 %
zurückgegangen (von 29 Tonnen/Monat auf 0,6 Tonnen/Monat).
- 301.
- Der Rat führt aus, die Zölle seien als spezifische Zölle festgesetzt worden, um die
Gefahr einer Umgehung durch Preismanipulationen zu minimieren. Nach dem
Erlaß der Verordnung Nr. 2808/89 hätten die Erzeuger in China und Rußland
nämlich ihre Ausfuhrpreise gesenkt, um die mit dieser Verordnung eingeführten
Zölle zu absorbieren. Bei spezifischen Zöllen sinke der Betrag des erhobenen
Zolles nicht, wenn der Exporteur die Preise senke. Die Zölle seien nicht nach
Maßgabe des Schwellenpreises bei der Einfuhr festgesetzt worden, was die
Garantie eines Mindestpreises für Calcium in der Gemeinschaft zur Folge gehabt
habe.
- 302.
- Die Behauptung, die Einfuhren von Calciummetall aus China oder Rußland würden
unterbrochen, sei reine Spekulation, zumal nach den Einfuhrstatistiken in der Zeit
von Mai bis Dezember 1994 71 Tonnen russischen Calciums in den freien Verkehr
überführt worden seien. Im übrigen würden vorübergehende Einfuhren durch die
Zölle nicht berührt. Unter Berücksichtigung dieser vorübergehenden Einfuhren
seien in der Zeit von Mai bis Dezember 1994 298 Tonnen aus Rußland und
209 Tonnen aus China eingeführt worden, von denen 427 Tonnen (219 Tonnen +
208 Tonnen) nach Frankreich eingeführt worden seien.
- 303.
- Trotz der Einführung der Antidumpingzölle habe sich die Klägerin weiterhin in
China und Rußland versorgen können. Durch die Berechnung des Normalwerts auf
der Grundlage der heimischen Preise, die der amerikanische Hersteller anwende,
seien die alternativen Bezugsquellen in China und Rußland sozusagen durch die
Erhebung der Zölle in Bezugsquellen in einem Land mit Marktordnung überführt
worden.
Rechtliche Würdigung
- 304.
- Dem Vorbringen der Klägerin zu den Folgen der Einführung der spezifischen Zölle
ist nicht zu folgen. Wie der Rat zu Recht ausführt, erlaubt die Einführung eines
spezifischen Zolles im Gegensatz zur Festsetzung von Zöllen nach Maßgabe eines
Schwellenpreises bei der Einfuhr, die Gefahr einer Umgehung der Zölle durch
Preismanipulationen zu minimieren, da der Betrag der erhobenen Zölle nicht
zurückgeht, wenn die Exporteure ihre Preise senken. Dieses Vorgehen erlaubt es,
für das Calcium in der Gemeinschaft einen Mindestpreis zu gewährleisten,
gleichzeitig aber Einfuhren zu lauteren Preisen zu ermöglichen, also zu Preisen, die
dem Gemeinschaftshersteller eine angemessene Gewinnspanne ermöglichen.
- 305.
- Damit durfte der Rat annehmen, daß die Verhängung eines spezifischen Zolles als
solche die Einfuhren mit Ursprung in China und Rußland nicht verhindern würde.
- 306.
- Bei der Prüfung der Frage, ob die Organe einen Tatsachenirrtum begangen oder
den Sachverhalt offenkundig fehlerhaft beurteilt haben, als sie davon ausgingen, ein
Bezug aus China und Rußland sei weiterhin möglich, können die tatsächlichen
Ereignisse nach der Einführung der Antidumpingzölle nicht berücksichtigt werden.
Es ist nur die Frage zu erörtern, ob die Organe angesichts der ihnen bei Erlaß der
streitigen Verordnung vorliegenden Anhaltspunkte annehmen konnten, daß China
und Rußland nach der Einführung der Antidumpingzölle weiterhin eine
Bezugsquelle für europäische Verwender sein würden.
- 307.
- Das einzige, was gegen eine solche Annahme vorgebracht wurde, beruht auf der
Erhöhung der Einfuhrpreise nach der Einführung der streitigen Zölle. Dieses
Vorbringen kann jedoch die ursprüngliche Vorausschau des Rates nicht entkräften.
Schließlich steht fest, daß die Höhe der Zölle auf der Grundlage des mittleren
Produktionspreises des Gemeinschaftsherstellers, erhöht um eine Gewinnspanne
von 5 %, berechnet worden ist, was bedeutet, daß die Verarbeitungsunternehmen
als Konkurrenten der PEM einschließlich der Klägerin weiterhin in China und
Rußland mußten beziehen können, ohne damit einen Wettbewerbsnachteil auf den
Märkten der Verarbeitungsprodukte zu erleiden, soweit ihre Produktionskosten
nicht erheblich über denen der PEM lagen. Da die Klägerin der Kommission im
Verwaltungsverfahren vor der Einführung der streitigen Zölle ihre
Produktionskosten nicht mitgeteilt hat, kann den Gemeinschaftsorganen nicht
vorgeworfen werden, diesen Gesichtspunkt bei der Würdigung des
Gemeinschaftsinteresses außer acht gelassen zu haben.
- 308.
- Im übrigen wäre es mit der Erhaltung eines lauteren Wettbewerbs auf dem
Gemeinsamen Markt unvereinbar, Antidumpingzölle nur deshalb nicht zu
verhängen, weil ihre Verhängung zur Verdrängung der konkurrierenden
Unternehmen mit den höchsten Produktionskosten führen würde. Die Einführung
eines Systems, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor
Verfälschungen schützt, wie es Artikel 3 Buchstabe g EG-Vertrag vorsieht, hat
gerade das Hauptziel, eine korrekte Zuteilung der wirtschaftlichen Ressourcen zu
ermöglichen. Daher läßt sich die Verdrängung rentabler Unternehmen zugunsten
der Erhaltung von Unternehmen mit höheren Produktionskosten nicht
rechtfertigen.
- 309.
- Somit haben die Organe keinen Tatsachenirrtum und keinen offenkundigen
Beurteilungsfehler begangen, als sie annahmen, daß die gemeinschaftlichen
Verarbeitungsunternehmen weiterhin Calciummetall aus China und Rußland
beziehen könnten.
- 310.
- Daher ist diese Rüge zurückzuweisen.
b) Bezugsmöglichkeiten der Klägerin bei nordamerikanischen Lieferanten
Parteivorbringen
- 311.
- Die Klägerin macht geltend, nordamerikanische Lieferanten stellten keine
alternativen Bezugsquellen dar; das belegten die Schwierigkeiten, die ihr das
Bemühen bereitet habe, von ihnen zu beziehen,
- 312.
- Der amerikanische Hersteller stelle nämlich in erster Linie für seinen eigenen
Bedarf her und führe selbst beachtliche Mengen chinesischen oder russischen
Calciums ein. Er stelle auch Schweißdraht her dieses Erzeugnis enthalte Calcium
ohne Zusatz und führe einen Teil dieser Produktion nach Europa aus.
Schweißdraht und Calcium in Stücken fielen aber unter denselben Zollposten, was
die Statistiken hinsichtlich dieses letzteren Erzeugnisses regelwidrig erhöhe. Zudem
gebe es in den Vereinigten Staaten drei weitere Erzeuger von Schweißdraht, die
Calciumpulver verwendeten und nach Europa Endprodukte unter demselben
Zollposten wie Calciummetall wieder ausführten. Daher ließen sich die Statistiken
der nach Europa aus den Vereinigten Staaten eingeführten Erzeugnisse nicht
konkret aufschlüsseln. Im übrigen sei die Verfügbarkeit von Calcium in Stücken aus
den Vereinigten Staaten nicht bewertet. Die im Dezember 1994 aufgegebene
Bestellung der Klägerin sei erst im Dezember 1995 erfüllt worden.
- 313.
- Der kanadische Hersteller bemühe sich, sich auf sein Leiterzeugnis, Magnesium,
zu konzentrieren. Entgegen dem Vorbringen des Rates habe man im übrigen keine
Erhöhung gegenüber den Jahren vor der Einführung des Antidumpingzolls
festgestellt. Die Klägerin habe 47 Tonnen von den 1994 aus Kanada eingeführten
126 Tonnen eingeführt, um einen Bedarf von 700 Tonnen zu decken. Der Rest der
Einfuhren aus Kanada, nämlich 79 Tonnen, entspräche in etwa den 61 Tonnen, die
der Rat für 1992 angegeben habe. Anschließend habe dieser Hersteller seine
Lieferungen eingestellt. 1995 habe er trotz mehrerer Anfragen der Klägerin kein
Angebot gemacht. 1996 habe er 100 Tonnen angeboten, ohne einen Preis zu
nennen. Er bemühe sich damit konsequent, nur zu liefern, wenn ihm das nützlich
sei, und Magnesium gegenüber Calcium zu fördern. All das habe sie wiederholt der
GD IV vorgetragen.
- 314.
- Damit seien die Verwender und die Verarbeitungsunternehmen von
Roh-Calciummetall vom europäischen Hersteller vollständig abhängig.
- 315.
- Der Rat führt aus, die Statistiken von Eurostat zeigen eine deutliche Erhöhung der
Einfuhren aus den Vereinigten Staaten. 1994 seien 76 Tonnen in den freien
Verkehr überführt worden, 1993 18 Tonnen, 1992 49 Tonnen und 1991 60 Tonnen.
Dieselben Statistiken wiesen auch eine deutliche Erhöhung der Einfuhren aus
Kanada aus. 1994 seien 126 Tonnen Calciummetall in den freien Verkehr überführt
worden, 1992 61 Tonnen, 1991 30 Tonnen und 1988 49 Tonnen. Diese Zahlen
ließen die Behauptungen der Klägerin zweifelhaft erscheinen, daß zum einen der
amerikanische Erzeuger im wesentlichen für seinen eigenen Bedarf erzeuge und
zum anderen der kanadische Erzeuger sich auf Magnesium konzentrieren wolle.
Die Vereinigten Staaten und Kanada stellten damit zwei weitere Bezugsquellen dar.
Rechtliche Würdigung
- 316.
- Der Rat hat in der dreißigsten Begründungserwägung der streitigen Verordnung
ausgeführt, daß die gemeinschaftlichen Verarbeitungsunternehmen einschließlich
der Klägerin weiterhin aus den Vereinigten Staaten und Kanada beziehen könnten.
- 317.
- Wie in Randnummer 306 entschieden, darf nicht berücksichtigt werden, was nach
der Einführung der Antidumpingzölle geschah, um zu prüfen, ob die Organe einen
Tatsachenirrtum oder eine offenkundig fehlerhafte Beurteilung des Sachverhalts
begangen haben. Berücksichtigt werden dürfen allein die Gesichtspunkte, über die
die Organe beim Erlaß der streitigen Verordnung verfügten.
- 318.
- Die Klägerin trägt zur Stützung ihrer Rüge nur einen Gesichtspunkt vor: Nach der
Einführung der Antidumpingzölle habe sie Schwierigkeiten gehabt, bei den
nordamerikanischen Herstellern zu beziehen. Zum einen hat die Klägerin im Laufe
des Verwaltungsverfahrens vor Erlaß der streitigen Verordnung weder auf
Schwierigkeiten hinsichtlich der Qualität der nordamerikanischen Erzeugnisse noch
auf Schwierigkeiten hinsichtlich der von den nordamerikanischen Herstellern
angewandten Preise, noch auf Schwierigkeiten hinsichtlich von deren
Produktionskapazitäten hingewiesen. Zum anderen zeigen die Zahlen über die
Einfuhren von Calciummetall aus den Vereinigten Staaten und aus Kanada nach
der Einführung der ersten Antidumpingzölle im Jahre 1989, aber vor Erlaß der
streitigen Verordnung, daß etwa, wie die Klägerin selbst im Anhang 18 zu ihren
Erklärungen zum Interventionsschriftsatz der PEM anerkennt, die eingeführten
Mengen von 1990 (78 Tonnen) auf 90 Tonnen im Jahr 1991 und auf 110 Tonnen
im Jahr 1992 gestiegen, anschließend aber im Jahr 1993 auf 67 Tonnen gefallen
seien als Folge der gedumpten Ausfuhren der russischen und chinesischen
Erzeuger, die 1993 keinen Antidumpingzöllen unterlagen.
- 319.
- Damit durften die Organe davon ausgehen, daß die Einfuhren ebenso steigen
würden, sobald durch die Einführung der spezifischen Antidumpingzölle wieder
lautere Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft hergestellt sein würden.
- 320.
- Daher ist diese Rüge zurückzuweisen.
c) Die Marktsituation könne sechs Monate, spätestens aber ein Jahr nach der
Einführung der streitigen Zölle überprüft werden
Vorbringen der Klägerin
- 321.
- Die Klägerin bezweifelt den Wert der in der einunddreißigsten
Begründungserwägung der streitigen Verordnung angesprochenen Möglichkeit, die
Lage, wenn die Wettbewerbslage es erfordere, sechs Monate, andernfalls ein Jahr
nach deren Inkrafttreten zu überprüfen. wenn die Wettbewerbslage es erforderte.
Die Marktverhältnisse hätten sich seit Einführung der vorläufigen Zölle vollständig
verändert; sie sehe daher nicht, wann es zu einer Überprüfung kommen könne.
Rechtliche Würdigung
- 322.
- Durch die Begründungserwägung, die die fragliche Überprüfung vorsah, hat der
Rat ein Instrument geschaffen, das es erlaubt, die streitigen Zölle zu ändern oder
aufzuheben, wenn ihre Beibehaltung zu einer wesentlichen Verschlechterung der
Wettbewerbsverhältnisse in der Gemeinschaft führen sollte. Eine solche
Überprüfung vorzusehen, ist keinesfalls sachwidrig, bestätigt vielmehr, daß die
Gemeinschaftsorgane die Befürchtungen betreffend eine mögliche Verschlechterung
der Wettbewerbsverhältnisse in der Gemeinschaft nach der Einführung der
streitigen Zölle ernst genommen und bei der Interessenabwägung die Ziele der
gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik gebührend berücksichtigt haben.
- 323.
- Auch diese Rüge ist damit zurückzuweisen.
d) Schluß
- 324.
- Damit haben die Organe ihren Beurteilungsspielraum nicht überschritten, als sie
davon ausgingen, daß die Einführung der angefochtenen Antidumpingzölle nicht
geeignet war, eine beherrschende Stellung der PEM auf dem gemeinschaftlichen
Markt für Roh-Calciummetall zu schaffen oder zu verstärken.
2. Die Stellung der PEM auf dem Markt für zerkleinertes Calciummetall
Parteivorbringen
- 325.
- Die Klägerin macht geltend, die PEM sei ihr bedeutendster Konkurrent auf dem
Markt für granuliertes Calciummetall. Seit der Einführung der streitigen Zölle habe
die Klägerin 76 % ihres Marktanteils in der Gemeinschaft verloren. Die Einführung
dieser Zölle habe daher der PEM erlaubt, sich hier dieselbe beherrschende Stellung
zu erobern wie auf dem Markt für Rohcalcium, wobei der europäische Markt
angesichts der Zugangshindernisse, die mit der Einführung der Zölle geschaffen
worden seien, als geographischer Referenzmarkt betrachtet werden müsse.
- 326.
- Der Rat führt aus, es sei nicht ungewöhnlich, daß ein Importeur aufgrund der
Verhängung von Antidumpingzöllen Marktanteile verliere. Was die Behauptung,
die Klägerin sei praktisch vom Markt verschwunden, sowie diejenige betreffe, die
PEM habe eine beherrschende Stellung, verweist der Rat auf seine früheren
Äußerungen und ergänzt, daß ein erheblicher Teil der Geschäftstätigkeit der
Klägerin in der Granulierung von vorübergehend (ohne Zahlung von Zöllen)
eingeführtem Calcium bestehe; dieser Tätigkeit könne die PEM mit ihrem eigenen
Calcium nicht nachgehen. Nach den Eurostat-Statistiken sei dieser Teil der
Geschäftstätigkeit der Klägerin durch die Einführung der Zölle nicht berührt
worden, habe vielmehr zugenommen.
Rechtliche Würdigung
- 327.
- Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, daß der Rat angesichts der
Bezugsmöglichkeiten außerhalb der Gemeinschaft, die in der streitigen Verordnung
hervorgehoben werden, bei den seinerzeit verfügbaren Informationen hätte
vorhersehen können, daß die Einführung der Antidumpingzölle zu einer
beherrschenden Stellung der PEM auf dem Markt für Calciumgranulat führen
könne.
- 328.
- Sie behauptet nur, ohne dies zu belegen, daß sie seit Erlaß der streitigen
Verordnung 76 % ihres Marktanteils auf dem Markt für Calciumgranulat verloren
habe. Sie belegt auch nicht, daß dieser angebliche Verlust von Marktanteilen durch
die Einführung der streitigen Antidumpingzölle und nicht durch ihre Unfähigkeit
verursacht worden sei, zu wettbewerbsfähigen Preisen zu produzieren.
- 329.
- Damit haben die Organe ihren Beurteilungsspielraum nicht überschritten, als sie
davon ausgingen, daß die Einführung der angefochtenen Antidumpingzölle nicht
geeignet sei, eine beherrschende Stellung der PEM auf dem Markt für granuliertes
Calciummetall in der Gemeinschaft zu schaffen oder zu verstärken.
- 330.
- Daher ist diese Rüge zurückzuweisen.
D Die Berücksichtigung der Interessen der Verarbeiter einschließlich der
Klägerin, der Endverbraucher und des Verhaltens der PEM bei der Prüfung des
Interesses der Gemeinschaft an der Einführung der streitigen Zölle
- 331.
- Die Klägerin bringt vor, die Organe hätten eine Interessenabwägung durchführen
müssen. Sie hätten also prüfen müssen, ob die positiven Wirkungen der
Antidumpingmaßnahmen deren negative Wirkungen, nämlich die angeblich
beherrschende Stellung der PEM, überwögen. Was der Rat in der angefochtenen
Verordnung zur Begründung des Interesses der Gemeinschaft an der Einführung
der Antidumpingzölle ausgeführt habe a) die Klägerin könne im Rahmen des
aktiven Veredelungsverkehrs im Ausland verkaufen, b) die Wirkungen der
gedumpten Einfuhren auf die PEM, c) die Wirkungen des Antidumpingzolls auf die
Endverbraucher und die Verarbeitungsunternehmen, und d) die Auswirkungen der
mit der streitigen Verordnung eingeführten Zölle auf den Umsatz der PEM
gegenüber demjenigen der Klägerin seien zu berücksichtigen, nicht aber e) die
geringe Kapazitätsauslastung der PEM und der Umstand, daß dieser die
Preisrückgänge anzulasten seien , sei zu beanstanden.
- 332.
- Auch wenn bereits festgestellt wurde, daß die Einführung der Antidumpingzölle
nicht geeignet war, eine beherrschende Stellung der PEM auf den Märkten für
Roh-Calciummetall und granuliertes Calciummetall in der Gemeinschaft zu
schaffen oder zu verstärken (siehe oben, Randnrn. 324 und 329), ist auf diese
Beanstandungen der Klägerin doch noch einzugehen.
1. Die Klägerin könne im Rahmen des aktiven Veredelungsverkehrs Verkäufe in
Drittländern vornehmen
- 333.
- In der dreißigsten Begründungserwägung der streitigen Verordnung wird
angesprochen, daß die Klägerin im Rahmen des aktiven Veredelungsverkehrs
Verkäufe im Ausland vornehmen könne. Die Klägerin macht hierzu geltend, daß
sie ebenso wie die PEM stets auf ausländischen Märkten vertreten gewesen sei.
Dieses Vorbringen könne daher nicht zugunsten nur einer der Parteien verwendet
werden.
- 334.
- Der aktive Veredelungsverkehr ist definitionsgemäß nur auf Einfuhren von
Calciummetall, nicht aber auf die Gemeinschaftserzeugung anwendbar. Daß die
PEM auf den Ausfuhrmärkten vertreten sei, ändert daher nichts an dem vom Rat
in der streitigen Verordnung hervorgehobenen Umstand, daß die
Verarbeitungsunternehmen der Gemeinschaft weiterhin nicht nur chinesisches oder
russisches Calciummetall zu lauteren Preisen kaufen können, um es zu verarbeiten
und in der Gemeinschaft zu verkaufen, sondern solches Calcium auch zu
Dumpingpreisen ohne Auferlegung von Antidumpingzöllen kaufen können, um es
unter Zollverschluß zu verarbeiten und auf ausländischen Märkten zu verkaufen.
Dieser nicht unerhebliche Teil der Geschäftstätigkeit der Klägerin würde daher von
der Einführung der streitigen Zölle nicht berührt. Die Lage der Klägerin als
Importeur chinesischen oder russischen Calciummetalls und diejenige der PEM als
Gemeinschaftshersteller von Calciummetall unterschieden sich daher unter dem
Gesichtspunkt der Möglichkeit, auf den aktiven Veredelungsverkehr
zurückzugreifen. Diesen Unterschied durften die Organe bei der Würdigung des
Interesses der Gemeinschaft an der Einführung der streitigen Zölle berücksichtigen.
- 335.
- Diese Rüge ist daher zurückzuweisen.
2. Die Berücksichtigung der Wirkungen der gedumpten Einfuhren auf die PEM
- 336.
- In der achtundzwanzigsten Begründungserwägung der streitigen Verordnung führt
der Rat aus, die Antidumpingzölle könnten die Schließung der Fabrik der PEM
verhindern. Die Klägerin macht geltend, sie selbst habe ihren Sitz in derselben
französischen Region, die Anzahl ihrer Beschäftigten entspreche derjenigen der
Einheit der PEM, die sich mit Calcium beschäftige, sie sei niemals Teil eines
Staatskonzerns gewesen und sie kämpfe mit allen Kräften um die Entwicklung
neuer Erzeugnisse, um nicht schließen zu müssen.
- 337.
- Die Klägerin hebt nur eine Reihe von gemeinsamen Merkmalen zwischen ihrer
Fabrik und derjenigen der PEM sowie den Umstand hervor, daß sie niemals Teil
eines Staatskonzerns war, zeigt aber nicht, daß diese Umstände von den Organen
nicht berücksichtigt worden wären. In der dreißigsten Begründungserwägung der
streitigen Verordnung weist der Rat jedoch auf die Einwirkungen der streitigen
Zölle auf mehrere Kategorien von Verwendern einschließlich der Klägerin hin.
- 338.
- Diese Rüge ist daher zurückzuweisen.
3. Die Wirkungen des Antidumpingzolls auf die Endverbraucher und die
Verarbeitungsunternehmen
- 339.
- Was die Wirkungen des Antidumpingzolls auf die Endverbraucher und die
Verarbeitungsunternehmen angeht (dreißigste Begründungserwägung der streitigen
Verordnung), wirft die Klägerin dem Rat nur vor, die Verarbeitungsunternehmen
völlig außer acht gelassen zu haben, von denen einer praktisch vom europäischen
Markt verschwunden sei und der andere sich derartig verstärkt habe, daß er
nunmehr den Calciumpreis auf dem europäischen Markt sowohl für Calciummetall
wie für Calciumgranulat bestimme.
- 340.
- Auch könne sich der Rat nicht ohne weitere Erklärung auf die Aussage
beschränken, die Einführung der Zölle habe nur minimalen Einfluß auf die
Endverbraucher, weil die Kosten einer Tonne Blei nur um 0,3 % und die Kosten
einer Tonne Stahl vor dem Walzen um weniger als 0,2 % stiegen. Der Nettoertrag
der PEM 1993 habe 0,31 % ihres Umsatzes betragen. Hätte man sämtliche
Verkaufspreise für die Erzeugnisse der PEM um 0,3 % gesenkt, so hätte diese sich
1993 in den „roten Zahlen“ befunden.
- 341.
- Die Interessen der Verarbeitungsunternehmen hat der Rat berücksichtigt, wie in
den Randnummern 304 bis 310, 316 bis 320 und 333 bis 335 dargelegt, da sie
Calciummetall außerhalb der Gemeinschaft beziehen und im Rahmen des aktiven
Veredelungsverkehrs tätig werden können.
- 342.
- Was den Rückgang der Verkaufspreise für die Erzeugnisse der PEM um 0,3 %
betrifft, so hat die Klägerin nicht dargetan, inwiefern sie die Beurteilung des Rates
angreife, daß die Einführung der streitigen Zölle nur mininale Auswirkungen auf
die Endverbraucher habe, da die Kosten einer Tonne Blei nur 0,3 % und die
Kosten einer Tonne Stahl vor dem Walzen um weniger als 0,2 % stiegen.
- 343.
- Daher ist diese Rüge zurückzuweisen.
4. Die Auswirkungen der mit der streitigen Verordnung eingeführten Zölle auf den
Umsatz der PEM gegenüber demjenigen der Klägerin
- 344.
- Die Klägerin fragt sich, auf welche Kriterien der Rat seine Entscheidung gestützt
habe, es liege im Gemeinschaftsinteresse, einen Gemeinschaftshersteller zu Lasten
eines anderen zu schützen. Calciummetall mache 0,05 % des Umsatzes der PEM
aus, während Calciumgranulat 85 % des Umsatzes der Klägerin ausmache.
- 345.
- Jedoch lassen sich Dumpingpraktiken nicht mit der Erwägung rechtfertigen, daß
nur der Gemeinschaftshersteller seine Erzeugung durch Gewinne aus der
Herstellung anderer Erzeugnisse subventionieren könne; zudem ist es der Zweck
der Antidumpingregelung, lautere Wettbewerbsbedingungen für die verschiedenen
Produktionssektoren aufrechtzuerhalten, wenn sie durch gedumpte Einfuhren
geschädigt werden.
- 346.
- Daher ist diese Rüge zurückzuweisen.
5. Die mangelnde Berücksichtigung der geringen Kapazitätsauslastung der PEM
und des Umstands, daß der Preisrückgang dieser anzulasten sei
- 347.
- Nach Auffassung der Klägerin rechtfertigt die achtundzwangzigste
Begründungserwägung der streitigen Verordnung, die die „ohnehin schwierige
Situation des Gemeinschaftsherstellers“ und die „nachteiligen Auswirkungen“ einer
möglichen Produktionseinstellung auf den Wettbewerb anführten, die Einführung
der streitigen Zölle nicht, berücksichtige man den geringen Eifer und die
mangelnde Konsequenz der PEM bei ihrem angeblichen Bemühen, die Klägerin
zu beliefern, obwohl die von der Klägerin gewünschten Mengen die angebliche
Unterauslastung der Produktionskapazitäten der PEM bei weitem abgedeckt
hätten.
- 348.
- Außerdem habe die PEM einen Preiskrieg angezettelt, indem sie in den achtziger
Jahren die Preise gegenüber den Preisen für Erzeugnisse aus China und Rußland
systematisch gesenkt habe.
- 349.
- Mit solchen Argumenten zu behaupten, daß die Interessenabwägung zugunsten des
Erlasses von Antidumpingzöllen ausfalle, sei daher zumindest mißbräuchlich.
- 350.
- Diese Rügen sind aus den Gründen zurückzuweisen, die im Rahmen des vierten
Klagegrundes betreffend die Schädigung der Gemeinschaftsindustrie dargelegt
wurden (Randnrn. 231 bis 263 und 268 bis 273).
- 351.
- Nach alledem ist auch der fünfte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.
Sechster Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 190 EG-Vertrag
Parteivorbringen
- 352.
- Die Klägerin bringt vor, der Rat habe seiner Begründungspflicht im Hinblick auf
die Beschwerde nicht entsprochen, die sie am 12. Juli 1994 bei der Kommission
wegen des Mißbrauchs einer beherrschenden Stellung durch die PEM eingereicht
habe. In der streitigen Verordnung finde sich kein Hinweis auf diese Beschwerde.
Angesichts der Vorgeschichte dieser Rechtssache genüge diese Unterlassung, um
die Verordnung wegen der in einem wesentlichen Punkt fehlenden Begründung für
nichtig zu erklären. Es wäre schließlich Sache des Rates gewesen, sich zu dieser
Beschwerde zu erklären.
- 353.
- Die Beschwerde der Klägerin sei in hohem Maße belegt gewesen; zudem habe sie
einen Sachverständigenbericht über die Beziehungen zwischen der PEM und der
Klägerin in den Jahren 1992 bis 1995 beigelegt. In diesem Bericht würden die
Umstellungen der PEM, das Fehlen einer strengen Methode, die systematisch
vorzeitige Ankündigung falscher Hoffnungen durch die PEM, die voreilige Abgabe
einer Reihe von Vorschlägen für Lieferverträge ohne Garantie, daß diese konform
seien oder daß die Lieferkapazität genüge damit sei ohne Zweifel das Ziel
verfolgt worden, gegenüber einem Dritten die Fähigkeit zu begründen, den
klägerischen Ansprüchen zu genügen hervorgehoben.
- 354.
- Schließlich habe die GD IV der GD I ihre Vorbehalte gegen den Erlaß der
Antidumpingmaßnahmen wegen der in dieser Rechtssache aufgeworfenen
Wettbewerbsfragen mitgeteilt.
- 355.
- Der Rat bringt vor, er habe die Ziele der Wettbewerbspolitik berücksichtigt und
sei daher nicht gehalten gewesen, in der Begründung der streitigen Verordnung auf
die Beschwerde vom 12. Juli 1994 einzugehen, zumal er eine Überprüfung
vorgesehen habe.
- 356.
- Zudem habe die Klägerin in der Beschwerde nichts vorgebracht, was sie nicht
bereits im Rahmen der Antidumpinguntersuchung vorgebracht habe.
Rechtliche Würdigung
- 357.
- Nach ständiger Rechtsprechung muß die in Artikel 190 EG-Vertrag
vorgeschriebene Begründung die Überlegungen der Gemeinschaftsstelle, die den
angefochtenen Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen,
daß die Betroffenen die Gründe für die erlassene Maßnahme erkennen und damit
ihre Rechte wahrnehmen können und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrolle
ausüben kann. Es ist jedoch nicht erforderlich, daß in der Begründung von
Verordnungen die verschiedenen, manchmal sehr zahlreichen und komplexen
tatsächlichen und rechtlichen Einzelheiten dargelegt werden, die deren Gegenstand
sind, wenn diese Verordnungen sich im systematischen Rahmen des
Maßnahmebündels halten, zu dem sie gehören (Urteile des Gerichtshofes vom 26.
Juni 1986 in der Rechtssache 203/85, Nicolet Instrument, Slg. 1986, 2049, Randnr.
10, vom 7. Mai 1987 in der Rechtssache 240/84, NTN Toyo Bearing u. a./Rat, Slg.
1987, 1809, Randnr. 31, und in der Rechtssache 255/84, Nachi Fujikoshi/Rat, Slg.
1987, 1861, Randnr. 39, vom 13. Oktober 1992 in den Rechtssachen C-63/90 und
C-67/90, Portugal und Spanien/Rat, Slg. 1992, I-5073, Randnr. 16, und vom 14. Juli
1994 in der Rechtssache C-353/92, Griechenland/Rat, Slg. 1994, I-3411, Randnr. 19,
sowie Urteil des Gerichts vom 13. Juli 1995 in den Rechtssachen T-466/93,
T-469/93, T-473/93, T-474/94 und T-477/93, O'Dwyer u. a./Rat, Slg. 1995, II-2071,
Randnr. 67).
- 358.
- Namentlich in der Begründung von Verordnungen zur Einführung von
Antidumpingzöllen sind die Organe grundsätzlich nicht gehalten, auf Beschwerden
einzugehen, die Importeure des Erzeugnisses, auf das der Antidumpingzoll erhoben
wird, gemäß Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962,
Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl.1962, Nr. 13, S. 204), auf einen Verstoß gegen die Wettbewerbsbestimmungen des
EG-Vertrags durch Gemeinschaftshersteller gestützt haben. Es genügt, wenn die
Gedankenführung der Organe in den Verordnungen klar und eindeutig zum
Ausdruck kommt.
- 359.
- Die wesentlichen Aussagen der Beschwerde vom 12. Juli 1994 waren dem
Gemeinschaftsorgan im übrigen bekannt, da sie bereits im Rahmen der
Antidumpinguntersuchung vorgebracht und in der streitigen Verordnung behandelt
worden waren.
- 360.
- In der Beschwerde macht die Klägerin im wesentlichen nur mißbräuchliche
Praktiken der PEM geltend, die es einerseits abgelehnt habe, sie mit Calciummetall
von Standardqualität zu beliefern und die andererseits durch die Einreichung der
Antidumpingbeschwerde das Antidumpingverfahren mißbraucht habe.
- 361.
- Die angeblich mißbräuchlichen Praktiken der PEM die technischen Bemühungen,
die Suche nach einer Lösung der technischen Probleme der Klägerin überflüssig zu
erschweren und damit deren Belieferung mit Calciummetall von Standardqualität
zu verzögern hat der Rat in der dreiundzwanzigsten bis fünfundzwanzigsten
Begründungserwägung der streitigen Verordnung erörtert.
- 362.
- Hinsichtlich dieses Teils der Beschwerde liegt daher kein Begründungsmangel der
streitigen Verordnung vor.
- 363.
- Der Mißbrauch des Antidumpingverfahrens durch die PEM soll darin bestehen,
daß die Kommission während des Antidumpingverfahrens absichtlich getäuscht
worden sei, indem die PEM sie habe glauben machen, daß sie geschädigt worden
sei, und daß die PEM sich des Antidumpingverfahrens bedient habe, um Stellung
und Kosten ihrer Konkurrenten auf den fraglichen Märkten zu erfahren. Aus der
Beschreibung des Verfahrens in der ersten bis siebten Begründungserwägung der
vorläufigen Verordnung und der zweiten bis fünften Begründungserwägung der
streitigen Verordnung sowie deren Gesamtaufbau geht jedoch hervor, daß der Rat
weder in der Einreichung der Antidumpingbeschwerde noch im Verfahrensablauf
vor den Organen die Absicht gesehen hat, eine beherrschende Stellung auf dem
Calciummarkt zu schaffen oder zu verstärken.
- 364.
- In der ersten bis siebten Begründungserwägung der vorläufigen Verordnung hat die
Kommission festgehalten, daß sie die von der PEM und, soweit möglich, die von
der Klägerin gelieferten Daten überprüft und während des gesamten Verfahrens
bis zur Konsultation des Beratenden Ausschusses alle Betroffenen einschließlich der
Klägerin gehört habe.
- 365.
- Da die Klägerin schließlich weder einen Verstoß gegen die Bestimmungen der
Grundverordnung über die Vertraulichkeit der von ihr im Laufe des
Verwaltungsverfahrens gelieferten Daten noch einen offensichtlichen
Beurteilungsfehler bei der Bestimmung der Höhe der streitigen Zölle gerügt hatte,
brauchte der Rat auf diesen Teil der Beschwerde nicht ausdrücklich einzugehen.
- 366.
- Hinsichtlich des zweiten Teils der Beschwerde liegt daher keine mangelhafte
Begründung der streitigen Verordnung vor.
- 367.
- Daher ist der sechste Klagegrund zurückzuweisen.
Siebter Klagegrund: Ermessensmißbrauch
Parteivorbringen
- 368.
- Die Klägerin bringt vor, die Kommission habe an der Verwendung eines
Antidumpingverfahrens zu wettbewerbsfeindlichen Zwecken mitgewirkt.
- 369.
- Auf dem Rohstoffmarkt sei die PEM der einzige Gemeinschaftshersteller und stelle
damit die Gemeinschaftsindustrie dar. Sie sei auch auf sämtlichen abgeleiteten
Märkten, insbesondere auf dem Markt für Calciumgranulat tätig, wo die Klägerin
ihr bedeutendster Konkurrent sei. Seitdem die Klägerin auf den Markt getreten sei,
habe die PEM mit allen Mitteln versucht, sie auszuschalten.
- 370.
- In ihrer Beschwerde vom 12. Juli 1994 ebenso wie in ihren Erwiderungserklärungen
habe sie gezeigt, daß die PEM das Antidumpingverfahren zu dem einzigen Zweck
verwendet habe, ihre beherrschende Stellung zu verstärken und einen
Konkurrenten auszuschalten.
- 371.
- Aufgrund des Präzedenzfalls des Urteils Extramet II, in dem der Gerichtshof den
Organen vorgeworfen habe, bei der Beurteilung der Schädigung das
wettbewerbsfeindliche Verhalten der PEM nicht berücksichtigt zu haben, habe die
Klägerin gehofft, daß die Kommission in diesen neuen Antidumpingverfahren mit
größerer Umsicht vorgehen werde und ihr Vorbringen vollkommen objektiv
erörtern werde. Das Gegenteil sei der Fall gewesen. Die Art und Weise, wie dieses
Verfahren seit Juli 1992 abgelaufen sei, beweise ein kollusives Zusammenwirken
zwischen PEM und Kommission und deren Mitwirkung an dem
Verfahrensmißbrauch zur Genüge.
- 372.
- Die Klägerin beruft sich auf die Verfahrensunregelmäßigkeiten, die sie in ihrem
ersten und zweiten Klagegrund angeführt habe, namentlich die rechtswidrige
Wiederaufnahme der Untersuchung, die Schwierigkeiten, auf die die Erstattung der
für nichtig erklärten Zölle gestoßen sei, und die Schwierigkeiten bei der
Akteneinsicht. Außerdem habe die Kommission bei der Würdigung der sachlichen
Voraussetzungen Fehler begangen, die im dritten und im vierten Klagegrund
angeführt seien, was insbesondere die Möglichkeit betreffe, daß die Klägerin von
der PEM hergestelltes Calciummetall von Nuklearqualität verwende, weiter die
Bemühungen der PEM, ihre Einrichtungen anzupassen, die Wiedergabe
ausschließlich des technischen Vorbringens der PEM und die Weigerung, ein
Sachverständigengutachten über die Bemühungen anzufordern, die die PEM im
Hinblick auf die Belieferung der Klägerin unternommen habe. Schließlich seien die
mangelnde Berücksichtigung der Beschwerde, die sie am 12. Juli 1994 nach Artikel
86 EG-Vertrag eingereicht habe dies werde im sechsten Klagegrund gerügt
sowie das persönliche Vorstelligwerden einiger Beamter der GD I zu nennen, die
gleichzeitig mit der PEM bei einflußreichen Mitgliedern des
Antidumpingausschusses vorgesprochen hätten.
- 373.
- Der Rat bringt vor, im siebten Klagegrund fasse die Klägerin ihre übrigen
Klagegründe zusammen und schließe daraus, daß die Kommission an einem
Verfahrensmißbrauch mitgewirkt habe, den die PEM mit dem alleinigen Ziel der
Stützung ihrer angeblich beherrschenden Stellung vorgenommen habe. Darin liege
eine unbelegte erhebliche Beschuldigung der Organe.
- 374.
- Die Kommission hebt hervor, die Unterstellungen der Klägerin genügten nicht, um
dem Klagegrund Substanz zu geben.
- 375.
- Nach Artikel 12 Absatz 1 der Grundverordnung müsse sie „nach Konsultationen“
des Beratenden Ausschusses dem Rat die Einführung endgültiger Zölle
vorschlagen; nach Artikel 6 Absatz 1 der Grundverordnung führe sie im
Beratenden Ausschuß den Vorsitz. Im übrigen habe die Klägerin beim Ausschuß
Erklärungen eingereicht. Was das „persönliche Vorstelligwerden“ angehe, mit dem
die Klägerin möglicherweise unterstelle, daß das Verhalten von Beamten der
Kommission über die normale Ausübung ihrer Aufgaben hinausgegangen sei, so
könne man auf vage Unterstellungen ohne Hinweise auf den Zeitpunkt des
angeblichen Vorstelligwerdens, die betroffenen Personen oder die Art der
Vorwürfe nicht eingehen.
Rechtliche Würdigung
- 376.
- Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Entscheidung oder eine Handlung der
Gemeinschaft nur dann ermessensmißbräuchlich, wenn aufgrund objektiver,
schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, daß sie zu anderen als
den angegebenen Zwecken getroffen wurde (Urteil des Gerichtshofes vom 11. Juli
1990 in der Rechtssache C-323/88, Sermes, Slg. 1990, I-3027, Randnr. 33, und
Urteil des Gerichts vom 18. September 1995 in der Rechtssache T-167/94,
Nölle/Rat und Kommission, Slg. 1995, II-2589, Randnr. 66).
- 377.
- Der Rat hebt zu Recht hervor, daß die Klägerin in ihrem siebten Klagegrund nur
eine Zusammenfassung der übrigen Nichtigkeitsgründe anführt, ohne neue
Gesichtspunkte anzusprechen. Die in diesen Klagegründen enthaltenen Rügen
wurden bereits im Rahmen der Prüfung dieser Klagegründe zurückgewiesen; sie
sind auch im Rahmen der Prüfung des vorliegenden Klagegrundes zurückzuweisen.
- 378.
- Die Behauptung der Klägerin, Beamte der GD I seien gleichzeitig mit der PEM bei
bestimmten einflußreichen Mitgliedern des Antidumping-Ausschusses persönlich
vorstellig geworden, enthält keinen Hinweis auf den Zeitpunkt des angeblichen
Vorstelligwerdens, die betroffenen Personen oder die Art der Vorwürfe. Sie belegt
nicht, daß die Kommission an der Verwendung eines Antidumpingverfahrens zu
wettbewerbsfeindlichen Zielen mitgewirkt und damit einen Ermessensmißbrauch
begangen hätte.
- 379.
- Daher ist der siebte Klagegrund zurückzuweisen.
II Der Hilfsantrag auf Erklärung, daß die streitige Verordnung auf die Klägerin nicht
anwendbar sei
Parteivorbringen
- 380.
- Die Klägerin beantragt hilfsweise, zu erklären, daß die streitige Verordnung wegen
eines offenkundigen Beurteilungsfehlers nicht auf sie anwendbar sei. Dieser soll
darin liegen, daß der Rat Antidumpingzölle allgemein auf alle Einfuhren von
Calciummetall mit Ursprung in China und Rußland eingeführt habe.
- 381.
- Sie könne das Standardcalcium der PEM nicht verwenden, ohne ihre
Herstellungskosten um mehr als 70 % zu erhöhen, was belege, daß das
Calciummetall des Gemeinschaftsherstellers und das Calcium mit Ursprung in
China oder Rußland nicht gleichartig seien. Außerdem könne sich der
Gemeinschaftshersteller nicht auf eine Schädigung durch die klägerischen Einfuhren
berufen, die in den Jahren 1989 bis 1993 62 % bis 97 % der chinesischen und
russischen Einfuhren ausgemacht hätten. Selbst wenn die PEM sich auf eine
Schädigung berufen könnte, könnte diese nicht von den Einfuhren der Klägerin
herrühren.
- 382.
- Als Verarbeitungsunternehmen werde die Klägerin nur auf dem Markt von fein
granuliertem Calcium tätig. Die PEM habe einen Anteil von 48 % an diesem
Markt. Die Verarbeiter von aus China und Rußland eingeführtem Calciummetall
hätten nur einen Marktanteil von weniger als 13 %. Außerdem könnten diese
Verarbeiter ihren Lieferanten wählen. Es sei ihnen möglich, von der PEM zu
beziehen, um die Zahlung der Zölle zu vermeiden, was die Lieferantenstellung der
PEM weiter verstärke. Es lasse sich daher nicht sagen, daß die Klägerin einen
wettbewerbswidrigen Vorteil gegenüber diesen Verarbeitungsunternehmen habe.
Hingegen benachteiligten sie die Zölle im Wettbewerb gegen die PEM, was das von
dieser angestrebte Ziel sei.
- 383.
- Die Grundverordnung verbiete nicht ausdrücklich, einen bestimmten Importeur von
der Zahlung der Antidumpingzölle auszunehmen.
- 384.
- Angesichts des weiten Beurteilungsspielraums, den die Rechtsprechung den
Gemeinschaftsorganen bei der Durchführung der Antidumpingregelung eingeräumt
habe, spreche im übrigen nichts dagegen, daß die Klägerin eine Sonderbehandlung
erfahre.
- 385.
- Der Rat führt aus, wäre der Hilfsantrag wie nicht begründet, so hätte die
Klägerin selbst einen wettbewerbswidrigen Vorteil gegenüber den anderen
Verarbeitungsunternehmen von aus China und Rußland eingeführtem
Calciummetall; diese müßten die Zölle zahlen.
- 386.
- Der Antrag sei nicht begründet, weil die Grundverordnung dem Rat nicht erlaube,
einen bestimmten Importeur vom Anwendungsbereich einer Verordnung
auszunehmen, mit der Antidumpingzölle eingeführt würden. Die einzig mögliche
Ausnahme sei die, daß ein Lieferant, also ein Exporteur, eine Verpflichtung nach
Artikel 10 der Grundverordnung eingehe.
- 387.
- Zwar verbiete die Grundverordnung nicht ausdrücklich, einen bestimmten
Importeur von der Zahlung der Antidumpingzölle auszunehmen. Hingegen sehe
Artikel 8 Absatz 2 des Abkommens über die Durchführung des Artikels VI des
allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) vor, daß Antidumpingzölle
ohne Diskriminierung erhoben werden müßten. Der weite Beurteilungsspielraum,
über den die Organe verfügten, entbinde sie nicht von der Verpflichtung, diesen
Grundsatz zu beachten.
Rechtliche Würdigung
- 388.
- Die Grundverordnung verbietet nicht ausdrücklich, einem bestimmten Importeur
von der Zahlung von Antidumpingzöllen auszunehmen. Sowohl Artikel 8 Absatz
2 des Abkommens über die Durchführung des Artikels VI des GATT (ABl. 1980,
L 71, S. 90) wie die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts verbieten es
jedoch, Antidumpingzölle in diskriminierender Weise zu erheben. Der weite
Beurteilungsspielraum der Organe befreit diese nicht von der Verpflichtung, diesen
Grundsatz zu beachten.
- 389.
- Dem Vorbringen der Klägerin ist somit nicht zu folgen. Die Befreiung der Klägerin
von Antidumpingzöllen würde die PEM und die anderen
Verarbeitungsunternehmen diskriminieren. Könnte die Klägerin gedumpte
Einfuhren vornehmen, ohne Antidumpingzölle zahlen zu müssen, könnte die Fabrik
der PEM früher oder später zur Einstellung der Produktion gezwungen sein, wie
die streitige Verordnung hervorhebt, ohne daß die Klägerin dies ernstlich bestritte.
Das widerspräche den Zielen der Antidumpingregelung und der streitigen
Antidumpingzölle und würde zugleich die PEM und die anderen
Verarbeitungsunternehmen im Wettbewerb benachteiligen, da diese anders als die
Klägerin chinesisches oder russisches Calciummetall nicht zu Dumpingpreisen
kaufen könnten, um der Klägerin auf dem Markt granulierten Calciummetalls
Konkurrenz zu machen.
- 390.
- Den beiden anderen Argumenten der Klägerin sie könne das Standardcalcium
der PEM nicht verwenden; diese sei nicht geschädigt worden (vgl. oben,
Randnr. 381) ist aus den Gründen nicht zu folgen, die bei der Prüfung des dritten
und des vierten Klagegrundes dargelegt wurden, in deren Rahmen das Gericht
entschieden hat, die Organe hätten weder einen Tatsachenirrtum noch einen
Rechtsfehler noch einen offenkundigen Beurteilungsfehler begangen, als sie das
gleichartige Erzeugnis und die Schädigung der Gemeinschaftsindustrie feststellten
(Randnrn. 202 bis 221, 231 bis 263, 268 bis 273 und 279 bis 283).
- 391.
- Daher ist der Hilfsantrag zurückzuweisen.
- 392.
- Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.
Kosten
- 393.
- Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag
in die Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist,
ist sie gemäß dem Antrag des Rates in dessen Kosten einschließlich der Kosten des
Verfahrens der einstweiligen Anordnung zu verurteilen.
- 394.
- Die PEM und die Berufskammer als Streithelferinnen haben beantragt, die
Klägerin in die mit der Streithilfe verbundenen Kosten zu verurteilen.
- 395.
- Unter den gegebenen Umständen ist die Klägerin in die Kosten der PEM zu
verurteilen.
- 396.
- Die Berufskammer ist dem vorliegenden Verfahren nur als Vereinigung
beigetreten, die die allgemeinen Interessen der Gemeinschaftsindustrie vertritt,
nicht als Gemeinschaftshersteller, der von den Dumpingpraktiken der russischen
und chinesischen Hersteller direkt betroffen wäre. Damit ist es nicht gerechtfertigt,
die Klägerin die Kosten ihres Streitbeitritts tragen zu lassen. Die Berufskammer
trägt daher ihre eigenen Kosten.
- 397.
- Nach Artikel 87 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung tragen die Organe, wenn sie
einem Rechtsstreit beitreten, ihre eigenen Kosten. Daher trägt die Kommission ihre
eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Fünfte erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten, die Kosten des Rates einschließlich
derjenigen des Verfahrens der einstweiligen Anordnung sowie die Kosten
der Streithelferin Péchiney électrométallurgie.
3. Die Chambre syndicale de l'électrométallurgie et de l'électrochimie und die
Kommission tragen ihre eigenen Kosten.
AziziVesterdorf
García-Valdecasas
Moura Ramos Jaeger
|
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. Oktober 1998.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
J. Azizi
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt
II -
A Die Rechtssache Extramet
II -
B Das Erzeugnis
II -
C Die klägerische Industrie des poudres sphériques
II -
D Verwaltungsverfahren
II -
Verfahren vor dem Gericht
II -
Anträge der Parteien
II -
Zulässigkeit
II -
Parteivorbringen
II -
Rechtliche Würdigung
II -
Begründetheit
II -
I Der Antrag auf Nichtigerklärung der streitigen Verordnung
II -
Erster Klagegrund: Verstoß gegen die Artikel 5 und 7 Absatz 9 der
Grundverordnung, Mißachtung der Rechtskraft und Verkennung der
Voraussetzungen der Behebung von Mängeln einer
Verwaltungshandlung
II -
Parteivorbringen
II -
Erster Teil: Verstoß gegen die Artikel 5 und 7 Absatz 9 der
Grundverordnung
II -
Zweiter Teil: Mißachtung der Rechtskraft
II -
Dritter Teil: Verkennung der Voraussetzungen der Behebung von Mängeln
einer Verwaltungshandlung
II -
Rechtliche Würdigung
II -
Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen die Artikel 7 und 8 der
Grundverordnung
II -
Erster Teil: Verletzung der Verfahrensrechte im Zusammenhang mit der
verspäteten Mitteilung des von der PEM am 1. Juli 1992 eingereichten
Vermerks
II -
Parteivorbringen
II -
Rechtliche Würdigung
II -
Zweiter Teil: Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 4 der Grundverordnung, da die
Kommission der Klägerin gewisse von der PEM eingereichte Papiere
nicht übermittelt habe, und Mißachtung von deren Artikel 8
II -
Parteivorbringen
II -
Rechtliche Würdigung
II -
Dritter Teil: Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 4 der Grundverordnung und
Verletzung der Verfahrensrechte insofern, als die Kommission sich
geweigert habe, der Klägerin bestimmte Angaben zu machen, die für
deren Stellungnahme wesentlich gewesen wären
II -
Parteivorbringen
II -
Rechtliche Würdigung
II -
Dritter Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 4 Absatz 4 und Artike l2 Absatz
12 der Grundverordnung und offenkundiger Beurteilungsfehler
II -
Parteivorbringen
II -
Rechtliche Würdigung
II -
Vierter Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 4 Absatz 1 der Grundverordnung
und offenkundiger Beurteilungsfehler
II -
1. Der Kausalzusammenhang
II -
Parteivorbringen
II - 39
Rechtliche Würdigung
II - 41
Parteivorbringen
II - 46
Rechtliche Würdigung
II - 47
2. Der Umfang der Schädigung
II - 48
Parteivorbringen
II - 48
Rechtliche Würdigung
II - 49
Fünfter Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 12 der Grundverordnung und
offenkundiger Beurteilungsfehler
II - 50
A Einführung
II - 50
Parteivorbringen
II - 50
Rechtliche Würdigung
II - 51
B Die Stellung der PEM auf dem Markt für Calciummetall vor der
Einführung der streitigen Zölle
II - 51
C Die Stellung der PEM auf dem Markt für Roh-Calciummetall und
granuliertes Calciummetall nach der Einführung der streitigen
Zölle
II - 52
1. Die Stellung der PEM auf dem Markt von Roh-Calciummetall
II - 52
a) Die Verarbeitungsunternehmen könnten sich mit Calciummetall aus
China oder Rußland versorgen
II - 53
Parteivorbringen
II - 53
Rechtliche Würdigung
II - 53
b) Bezugsmöglichkeiten der Klägerin bei nordamerikanischen
Lieferanten
II - 55
Parteivorbringen
II - 55
Rechtliche Würdigung
II - 56
c) Die Marktsituation könne sechs Monate, spätestens aber ein Jahr
nach der Einführung der streitigen Zölle überprüft werden
II - 57
Vorbringen der Klägerin
II - 57
Rechtliche Würdigung
II - 57
d) Schluß
II - 57
2. Die Stellung der PEM auf dem Markt für zerkleinertes
Calciummetall
II - 57
Parteivorbringen
II - 57
Rechtliche Würdigung
II - 58
D Die Berücksichtigung der Interessen der Verarbeiter einschließlich
der Klägerin, der Endverbraucher und des Verhaltens der PEM bei
der Prüfung des Interesses der Gemeinschaft an der Einführung
der streitigen Zölle
II - 58
1. Die Klägerin könne im Rahmen des aktiven Veredelungsverkehrs
Verkäufe in Drittländern vornehmen
II - 59
2. Die Berücksichtigung der Wirkungen der gedumpten Einfuhren auf
die PEM
II - 59
3. Die Wirkungen des Antidumpingzolls auf die Endverbraucher und die
Verarbeitungsunternehmen
II - 60
4. Die Auswirkungen der mit der streitigen Verordnung eingeführten
Zölle auf den Umsatz der PEM gegenüber demjenigen der
Klägerin
II - 61
5. Die mangelnde Berücksichtigung der geringen Kapazitätsauslastung
der PEM und des Umstands, daß der Preisrückgang dieser
anzulasten sei
II - 61
Sechster Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 190 EG-Vertrag
II - 61
Parteivorbringen
II - 62
Rechtliche Würdigung
II - 62
Siebter Klagegrund: Ermessensmißbrauch
II - 64
Parteivorbringen
II - 64
Rechtliche Würdigung
II - 65
II Der Hilfsantrag auf Erklärung, daß die streitige Verordnung auf die Klägerin
nicht anwendbar sei
II - 66
Parteivorbringen
II - 66
Rechtliche Würdigung
II - 67
Kosten
II - 68