URTEIL DES GERICHTS (Erste erweiterte Kammer)
24. Oktober 1997 (1)
„EGKS Nichtigkeitsklage Staatliche Beihilfen Einzelfallentscheidungen
über die Genehmigung der Gewährung staatlicher Beihilfen an
Stahlunternehmen Unvereinbarkeit mit den Bestimmungen des Vertrages
Rückwirkung Artikel 4 Buchstaben b und c und 95 Absätze 1 und 2 des
Vertrages“
In der Rechtssache T-239/94
Association des aciéries européennes indépendantes (EISA), Vereinigung belgischen
Rechts, Brüssel, Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Alexandre Vandencasteele,
Brüssel, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Ernest Arendt, 8-10, rue
Mathias Hardt, Luxemburg,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Michel Nolin und
Ben Smulders, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter:
Carlos Gómez de la Cruz, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
unterstützt durch
Rat der Europäischen Union, vertreten durch Direktor Rüdiger Bandilla und
Verwaltungsrat Stephan Marquardt, beide Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
Zustellungsbevollmächtigter: Alessandro Morbilli, Generaldirektor der Direktion
für Rechtsfragen der Europäischen Investitionsbank, 100, boulevard Konrad
Adenauer, Luxemburg,
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Ernst Röder, Ministerialrat im
Bundesministerium für Wirtschaft, und Bernd Kloke, Oberregierungsrat im selben
Ministerium, als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Deutsche Botschaft, 20-22,
avenue Émile Reuter, Luxemburg,
Italienische Republik, vertreten durch Umberto Leanza, Leiter des Servizio del
contenzioso diplomatico des Außenministeriums, als Bevollmächtigten, Beistand:
Avvocato dello Stato Pier Giorgio Ferri, Zustellungsanschrift: Italienische Botschaft,
5, rue Marie-Adélaïde, Luxemburg,
und
ILVA Laminati Piani SpA, Gesellschaft italienischen Rechts, Rom,
Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Aurelio Pappalardo, Trapani, und Massimo
Merola, Rom, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Alain Lorang, 51,
rue Albert 1er, Luxemburg,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidungen 94/256/EGKS bis 94/261/EGKS der
Kommission vom 12. April 1994 über Beihilfevorhaben verschiedener
Mitgliedstaaten zugunsten von in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassenen
Stahlunternehmen (ABl. L 112, S. 45, 52, 58, 64, 71 und 77)
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Erste erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten A. Saggio, des Richters A. Kalogeropoulos, der
Richterin V. Tiili sowie der Richter A. Potocki und R. M. Moura Ramos,
Kanzler: H. Jung
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25.
Februar 1997,
folgendes
Urteil
Rechtlicher Rahmen
- 1.
- Der Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und
Stahl (nachstehend: Vertrag) verbietet grundsätzlich staatliche Beihilfen an
Stahlunternehmen, indem er in seinem Artikel 4 Buchstabe c bestimmt, daß „von
den Staaten bewilligte Subventionen oder Beihilfen oder von ihnen auferlegte
Sonderlasten, in welcher Form dies auch immer geschieht“, als unvereinbar mit
dem gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl gemäß den Bestimmungen dieses
Vertrages untersagt werden.
- 2.
- Artikel 95 Absätze 1 und 2 des Vertrages lautet:
„In allen in diesem Vertrag nicht vorgesehenen Fällen, in denen eine Entscheidung
oder Empfehlung der Kommission erforderlich erscheint, um eines der in Artikel
2, 3 und 4 näher bezeichneten Ziele der Gemeinschaft auf dem gemeinsamen
Markt für Kohle und Stahl gemäß Artikel 5 zu erreichen, kann diese Entscheidung
oder Empfehlung mit einstimmiger Zustimmung des Rates und nach Anhörung des
Beratenden Ausschusses ergehen.
Die gleiche, in derselben Form erlassene Entscheidung oder Empfehlung bestimmt
gegebenenfalls die anzuwendenden Sanktionen.“
- 3.
- Um den Erfordernissen einer Umstrukturierung der Eisen- und Stahlindustrie
gerecht zu werden, erließ die Kommission auf der Grundlage der zitierten
Bestimmungen des Artikels 95 des Vertrages zu Beginn der achtziger Jahre eine
gemeinschaftliche Beihilferegelung, mit der in bestimmten, abschließend
aufgezählten Fällen staatliche Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie genehmigt
wurden. Diese Regelung wurde später mehrfach geändert, um den konjunkturellen
Schwierigkeiten der Eisen- und Stahlindustrie zu begegnen. Daher ist der im
entscheidungserheblichen Zeitraum geltende gemeinschaftliche Kodex über
Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie, der durch die Entscheidung Nr.
3855/91/EGKS der Kommission vom 27. November 1991 zur Einführung
gemeinschaftlicher Vorschriften über Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie
(ABl. L 362, S. 57; nachstehend: Beihilfenkodex) erlassen wurde, bereits der fünfte
seiner Art. Aus seinen Begründungserwägungen ergibt sich, daß mit ihm ebenso wie
mit seinen Vorgängern ein Gemeinschaftssystem eingeführt wurde, das für
allgemeine oder besondere Beihilfen gelten sollte, die die Mitgliedstaaten, in
welcher Form auch immer, gewähren. Nach diesem Kodex waren Betriebs- oder
Investitionshilfen mit Ausnahme der Schließungsbeihilfen untersagt.
Sachverhalt
- 4.
- Angesichts der Verschlechterung der wirtschaftlichen und finanziellen Situation im
Stahlsektor legte die Kommission in ihrer an den Rat und das Europäische
Parlament gerichteten Mitteilung SEK(92) 2160 endg. vom 23. November 1992 mit
dem Titel „Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Stahlindustrie: Die
Notwendigkeit einer erneuten Umstrukturierung“ einen Umstrukturierungsplan vor.
Dieser Plan ging von der Feststellung einer fortbestehenden strukturellen
Überkapazität aus und sollte auf der Grundlage einer freiwilligen Beteiligung der
Stahlunternehmen in erster Linie zu einem erheblichen endgültigen Abbau der
Produktionskapazitäten in der Größenordnung von mindestens 19 Millionen
Tonnen führen. Zu diesem Zweck waren ein Bündel von Begleitmaßnahmen im
sozialen Bereich sowie finanzielle Anreize einschließlich Gemeinschaftsbeihilfen
vorgesehen. Parallel dazu beauftragte die Kommission einen unabhängigen
Sachverständigen, nämlich den ehemaligen Generaldirektor in der Generaldirektion
Industrie der Kommission, Herrn Braun, mit einer Untersuchung, die im
wesentlichen in einer Aufstellung der beabsichtigten Schließungen von
Unternehmen des Stahlsektors in dem in der vorgenannten Mitteilung erwähnten
Zeitraum der Jahre 1993 bis 1995 bestand. Herr Braun legte seinen Bericht „Die
laufenden oder beabsichtigten Umstrukturierungen in der Stahlindustrie“ am 29.
Januar 1993 vor, nachdem er mit den Leitern von ungefähr 70 Unternehmen
Kontakt aufgenommen hatte.
- 5.
- In seinen Schlußfolgerungen vom 25. Februar 1993 stimmte der Rat den
Grundlinien des von der Kommission im Anschluß an den Braun-Bericht
vorgelegten Programms für einen drastischen Abbau der Produktionskapazitäten
zu. Die dauerhafte Umstrukturierung des Stahlsektors sollte „unter strikter
Befolgung der Regeln für die Kontrolle der staatlichen Beihilfen“ durch „ein Paket
von befristeten Begleitmaßnahmen“ erleichtert werden, wobei die Kommission
hinsichtlich der staatlichen Beihilfen ihre Haltung bekräftigt habe, „daß der
Beihilfenkodex strikt und objektiv angewandt werden muß, und [sie] ... dafür Sorge
tragen [werde], daß etwaige Ausnahmen, die dem Rat nach Artikel 95
vorgeschlagen werden könnten, die notwendige Gesamtanstrengung zur
Verringerung der Kapazitäten in vollem Umfang unterstützen. Der Rat wird rasch
nach objektiven Kriterien über die Vorschläge befinden.“
- 6.
- In diesem Zusammenhang äußerten sich der Rat und die Kommission in ihrer
gemeinsamen Erklärung im Ratsprotokoll vom 17. Dezember 1993 unter Hinweis
auf das globale Einvernehmen innerhalb des Rates hinsichtlich der Zustimmung
nach Artikel 95 Absätze 1 und 2 des Vertrages zu den staatlichen Beihilfen für die
öffentlichen Unternehmen Sidenor (Spanien), Sächsische Edelstahlwerke GmbH
(Deutschland), Corporación de la Siderurgia Integral (CSI, Spanien), ILVA
(Italien), EKO Stahl AG (Deutschland) und Siderurgia Nacional (Portugal) dahin,
daß sie „der Auffassung [sind], daß der einzige Weg zu einer gesunden
Stahlindustrie in der EG, die auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig ist, darin
besteht, die staatliche Unterstützung für die Stahlindustrie endgültig einzustellen
und unwirtschaftliche Kapazitäten zu schließen. Gleichzeitig mit seiner
einstimmigen Zustimmung zu den vorliegenden Vorschlägen gemäß Artikel 95
bekräftigt der Rat, daß er den ... Beihilfe-Kodex ... streng einhalten und, wenn
keine Genehmigung gemäß dem Kodex vorliegt, Artikel 4 c des EGKS-Vertrags
anwenden wird. Unbeschadet des Rechts aller Mitgliedstaaten, eine Entscheidung
nach Artikel 95/EGKS zu beantragen, verpflichtet sich der Rat entsprechend seinen
Schlußfolgerungen vom 25. Februar 1993 ausdrücklich, alle weiteren
Ausnahmeregelungen gemäß Artikel 95 zugunsten einzelner Unternehmen zu
vermeiden.“
- 7.
- Der Rat stimmte am 22. Dezember 1993 nach Artikel 95 Absätze 1 und 2 des
Vertrages der Gewährung der genannten Beihilfen zu, die die Umstrukturierung
oder Privatisierung der betroffenen öffentlichen Unternehmen begleiten sollten.
- 8.
- In diesem rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhang erließ die Kommission zur
Erleichterung einer erneuten Umstrukturierung der Stahlindustrie am 12. April
1994 im Anschluß an die vorerwähnte Zustimmung des Rates sechs auf Artikel 95
Absätze 1 und 2 des Vertrages gestützte Einzelfallentscheidungen, mit denen sie
die Gewährung staatlicher Beihilfen genehmigte, die nicht die Kriterien erfüllten,
die nach dem Beihilfenkodex eine Ausnahme von Artikel 4 Buchstabe c des
Vertrages ermöglichten. Die Kommission genehmigte in diesen sechs
Entscheidungen das Beihilfevorhaben von Deutschland zugunsten des
Stahlunternehmens EKO Stahl AG, Eisenhüttenstadt (Entscheidung 94/256/EGKS,
ABl. L 112, S. 45), die geplanten Beihilfen Portugals an das Stahlunternehmen
Siderurgia Nacional (Entscheidung 94/257/EGKS, ABl. L 112, S. 52), das
Beihilfevorhaben von Spanien zugunsten des öffentlichen spanischen
Stahlunternehmens Corporación de la Siderurgia Integral (CSI) (Entscheidung
94/258/EGKS, ABl. L 112, S. 58), die Gewährung von Beihilfen an die
staatseigenen Stahlunternehmen Italiens (Stahlkonzern ILVA) (Entscheidung
94/259/EGKS, ABl. L 112, S. 64), das Beihilfevorhaben von Deutschland zugunsten
des Stahlunternehmens Sächsische Edelstahlwerke GmbH, Freital/Sachsen
(Entscheidung 94/260/EGKS, ABl. L 112, S. 71), und das Beihilfevorhaben von
Spanien zugunsten des Edelstahlherstellers Sidenor (Entscheidung 94/261/EGKS,
ABl. L 112, S. 77).
- 9.
- Diese Genehmigungen wurden gemäß der Zustimmung des Rates „mit
Verpflichtungen versehen ..., die einem Nettokapazitätsabbau von mindestens 2
Mio. t Rohstahl und höchstens 5,4 Mio. t Warmwalzkapazität entsprechen (mit
Ausnahme des etwaigen Baus einer Breitbandstraße in Sestão und einer Erhöhung
der Kapazität von EKO-Stahl über 0.9 Mio. t hinaus nach Mitte 1999)“, wie aus
der Mitteilung der Kommission vom 13. April 1994 an den Rat und das
Europäische Parlament (KOM[94] 125 endg.) hervorgeht, in der eine
Zwischenbilanz der Umstrukturierung in der Stahlindustrie gezogen werden sollte
und Vorschläge für eine Konsolidierung dieses Prozesses im Sinne der
Schlußfolgerungen des Rates vom 25. Februar 1993 gemacht werden sollten.
Verfahren
- 10.
- Unter diesen Umständen hat die Association des aciéries européennes
indépendantes (EISA) mit Klageschrift, die am 6. Juni 1994 bei der Kanzlei des
Gerichts eingegangen ist, nach Artikel 33 des Vertrages die Nichtigerklärung der
vorgenannten sechs Entscheidungen vom 12. April 1994 beantragt.
- 11.
- Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag in das Register der Kanzlei des
Gerichts eingetragen worden ist, hat die Klägerin außerdem nach Artikel 39 des
Vertrages die Aussetzung des Vollzugs des Artikels 1 der angefochtenen
Entscheidungen beantragt, soweit sie die fraglichen Beihilfen für mit dem
ordnungsgemäßen Funktionieren des Gemeinsamen Marktes vereinbar erklärten
und damit genehmigten. Dieser Antrag ist mit Beschluß des Präsidenten des
Gerichts vom 15. Juli 1994 in der Rechtssache T-239/94 R (EISA/Kommission, Slg.
1994, II-703) zurückgewiesen worden.
- 12.
- Parallel dazu sind zwei weitere Klagen erhoben worden, und zwar von der British
Steel plc gegen die Entscheidungen 94/258 und 94/259 vom 12. April 1994, mit
denen die Gewährung staatlicher Beihilfen an das Unternehmen CSI und den
Stahlkonzern ILVA genehmigt wurde (Rechtssache T-243/94), und von der
Wirtschaftsvereinigung Stahl sowie den Unternehmen Thyssen Stahl AG, Preussag
Stahl AG und Hoogovens Groep BV gegen die Entscheidung 94/259, mit der die
Gewährung staatlicher Beihilfen an den Stahlkonzern ILVA genehmigt wurde
(Rechtssache T-244/94).
- 13.
- In der vorliegenden Rechtssache haben die Bundesrepublik Deutschland, der Rat,
die Italienische Republik und die ILVA Laminati Piani SpA (nachstehend: ILVA)
mit Schriftsätzen, die am 14., 24. und 28. Oktober sowie am 2. November 1994 bei
der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, ihre Zulassung als Streithelfer zur
Unterstützung der Anträge der Beklagten beantragt. Mit Beschlüssen vom 25. und
28. November sowie vom 15. Dezember 1994 hat der Präsident der Zweiten
erweiterten Kammer des Gerichts diesen Streithilfeanträgen stattgegeben.
- 14.
- Am 21. Dezember 1994 hat die Kommission mit der Entscheidung 94/1075/EGKS
über ein Beihilfevorhaben von Deutschland zugunsten des Stahlunternehmens EKO
Stahl GmbH, Eisenhüttenstadt (ABl. L 386, S. 18) die dieses Unternehmen
betreffende Entscheidung 94/256 aufgehoben.
- 15.
- Am 3. Dezember 1996 hat das Gericht gemäß Artikel 64 § 3 der
Verfahrensordnung an die Kommission Fragen gerichtet, die sie innerhalb der
gesetzten Frist beantwortet hat.
- 16.
- Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche
Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Die
Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 25. Februar 1997 mündlich
verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet.
Anträge der Verfahrensbeteiligten
- 17.
- Die Klägerin beantragt,
die genannten Entscheidungen 94/256 bis 94/261 vom 12. April 1994 für
nichtig zu erklären;
der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
- 18.
- Die Beklagte, unterstützt durch den Rat und die Italienische Republik, beantragt,
die Klage abzuweisen;
der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
- 19.
- Die Bundesrepublik Deutschland beantragt,
die Klage abzuweisen, soweit sie auf Nichtigerklärung der Entscheidungen
94/256 und 94/260 vom 12. April 1994 gerichtet ist.
- 20.
- ILVA beantragt,
die zulässige Klage als unbegründet abzuweisen;
der Klägerin sämtliche Kosten einschließlich der Kosten von ILVA
aufzuerlegen.
Zulässigkeit der Klage
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
- 21.
- Für die Zulässigkeit ihrer Klage trägt die Klägerin vor, sie sei entgegen dem
Vorbringen der deutschen Regierung durch die angefochtenen Entscheidungen
betroffen im Sinne von Artikel 33 Absatz 2 des Vertrages (vgl. Urteile des
Gerichtshofes vom 19. September 1985 in den Rechtssachen 172/83 und 226/83,
Hoogovens/Kommission, Slg. 1985, 2831, und vom 6. Dezember 1990 in der
Rechtssache C-180/88, Wirtschaftsvereinigung Eisen- und
Stahlindustrie/Kommission, Slg. 1990, I-4413). Außerdem stünde die Erzeugung
mehrerer ihrer Mitglieder in unmittelbarem Wettbewerb mit der Erzeugung der
beiden deutschen beihilfebegünstigten Unternehmen und der ihrer Erwerber.
- 22.
- Die Bundesrepublik Deutschland stellt die Klagebefugnis mit der Begründung in
Frage, die Klägerin habe nicht dargetan, durch die angegriffenen Entscheidungen
in eigenen Rechten oder in Rechten der von ihr vertretenen Unternehmen verletzt
zu sein. Insbesondere stünden die Mitglieder der EISA nicht im Wettbewerb mit
den Unternehmen EKO Stahl und Sächsische Edelstahlwerke, da nicht ersichtlich
sei, daß sie die gleichen Erzeugnisse herstellten.
Würdigung durch das Gericht
- 23.
- Vor der Untersuchung der Begründetheit des von der Bundesrepublik Deutschland
geltend gemachten Unzulässigkeitsgrundes ist die Zulässigkeit dieses Vorbringens
nach den Verfahrensbestimmungen zu prüfen.
- 24.
- Die Beklagte hat diesen Unzulässigkeitsgrund nicht im schriftlichen Verfahren
geltend gemacht. Mit den Anträgen einer Beitrittserklärung können aber nur die
Anträge einer Partei unterstützt werden (Artikel 34 Absatz 2 und 46 Absatz 1 der
EGKS-Satzung des Gerichtshofes). Außerdem muß der Streithelfer den Rechtsstreit
in der Lage annehmen, in der dieser sich zur Zeit des Beitritts befindet (Artikel
116 § 3 der Verfahrensordnung).
- 25.
- Daraus folgt, daß die Streithelferin Bundesrepublik Deutschland die Zulässigkeit
der Klage nicht bestreiten kann und das Gericht somit nicht verpflichtet ist, auf die
von ihr insoweit vorgebrachten Gründe einzugehen (vgl. Urteil des Gerichtshofes
vom 24. März 1993 in der Rechtssache C-313/90, CIRFS u. a./Kommission, Slg.
1993, I-1125).
- 26.
- Das Gericht kann jedoch nach Artikel 113 der Verfahrensordnung jederzeit von
Amts wegen prüfen, ob unverzichtbare Prozeßvoraussetzungen einschließlich der
von den Streithelfern geltend gemachten fehlen (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom
11. Juli 1990 in den Rechtssachen C-305/86 und C-160/87, Neotype
Techmashexport/Kommission und Rat, Slg. 1990, I-2945, und vom 15. Juni 1993 in
der Rechtssache C-225/91, Matra/Kommission, Slg. 1993, I-3203).
- 27.
- Im vorliegenden Fall ist die von der Bundesrepublik Deutschland geltend gemachte
Prozeßvoraussetzung unverzichtbar, da sie die Klagebefugnis und die
Rechtsschutzmöglichkeiten der Klägerin betrifft, und kann daher nach der
genannten Rechtsprechung vom Gericht von Amts wegen geprüft werden.
- 28.
- In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß nach ständiger
Rechtsprechung Verbände im Sinne des Artikels 48 des Vertrages, deren
Mitglieder Unternehmen der Stahlindustrie sind und die den Zweck verfolgen, die
gemeinsamen Belange ihrer Mitglieder zu vertreten, von Entscheidungen betroffen
sind im Sinne von Artikel 33 Absatz 2 des Vertrages , durch die die Zahlung von
staatlichen Beihilfen an konkurrierende Unternehmen genehmigt wird (vgl. Urteil
Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie/Kommission, a. a. O., Randnr. 23).
- 29.
- Die EISA ist eine Vereinigung, deren Mitglieder unabhängige europäische
Stahlwerke sind, was die Annahme erlaubt, daß die öffentlichen Stahlunternehmen,
denen die mit den streitigen Entscheidungen genehmigten Beihilfen zugute
kommen, konkurrierende Unternehmen der Mitgliedsunternehmen der EISA sind.
Wie die Klägerin vorträgt, ist weder von den Beklagten noch von den Streithelfern
mit Ausnahme der Bundesrepublik Deutschland bestritten worden, daß die von
der EISA vertretenen Unternehmen tatsächlich im Wettbewerb mit den
öffentlichen Stahlunternehmen stehen, die die mit den streitigen Entscheidungen
genehmigten Beihilfen erhalten haben. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich
auf den Vortrag beschränkt, daß „es ... nicht ersichtlich [ist]“, daß die Mitglieder
der EISA die gleichen Erzeugnisse herstellten wie EKO Stahl und die Sächsischen
Edelstahlwerke, ohne ausreichend Argumente vorzutragen, um die
Konkurrenteneigenschaft der von der EISA vertretenen Unternehmen in Frage zu
stellen.
- 30.
- Daraus folgt, daß die Klage der EISA zulässig ist.
Zum Gegenstand des Nichtigkeitsantrags
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
- 31.
- Bezüglich des Antrags auf Nichtigerklärung der Entscheidung 94/256 betreffend die
EKO Stahl AG (im folgenden: EKO) trägt die Bundesrepublik Deutschland vor,
der Antrag sei gegenstandslos geworden, da die Kommission diese Entscheidung
mit der Entscheidung 94/1075 vom 21. Dezember 1994 aufgehoben habe.
- 32.
- Die Klägerin bemerkt, selbst wenn die Entscheidung 94/256 betreffend EKO von
der Kommission aufgehoben worden sei, sei der Antrag auf Nichtigerklärung dieser
Entscheidung deshalb nicht gegenstandslos, da die Klägerin ein Interesse an der
Feststellung der Rechtswidrigkeit der Einzelfallentscheidungen habe, mit denen die
Gewährung staatlicher Betriebsbeihilfen auf der Grundlage von Artikel 95 Absätze
1 und 2 des Vertrages genehmigt werde, um etwaige Wiederholungen dieser Praxis
zu verhindern.
- 33.
- Die Kommission bekräftigt, daß sie mit ihrer Entscheidung 94/1075 vom 21.
Dezember 1994 ihre Entscheidung 94/256 „zurückgenommen/aufgehoben“ habe,
weshalb das Gericht, da die Nichtigkeitsklage in bezug auf die Entscheidung 94/256
gegenstandslos geworden sei, hierüber nicht zu entscheiden brauche.
Würdigung durch das Gericht
- 34.
- Das Gericht ist der Auffassung, daß die Ansicht der Klägerin nicht begründet ist.
Nach gefestigter Rechtsprechung ist eine Nichtigkeitsklage für erledigt zu erklären,
wenn die angefochtene Entscheidung aufgehoben worden und dadurch
unanwendbar geworden ist (vgl. z. B. Beschluß des Gerichtshofes vom 19. Oktober
1983 in der Rechtssache 75/83, Ferriere San Carlo/Kommission, Slg. 1983, 3123).
Es steht aber fest, daß die streitige Entscheidung aufgehoben wurde und damit
unanwendbar geworden ist. Die Nichtigkeitsklage der EISA gegen die Entscheidung
94/256 ist somit gegenstandslos geworden, ohne daß die Gründe zu prüfen sind, die
die Kommission zur Aufhebung dieser Entscheidung veranlaßt haben.
- 35.
- Daher braucht über den auf Nichtigerklärung der Entscheidung 94/256 gerichteten
Teil der Klage nicht entschieden zu werden.
Begründetheit der Klage
- 36.
- Die Klägerin stützt ihren Nichtigkeitsantrag auf zwei Klagegründe, mit denen sie
einerseits einen Verstoß gegen den Vertrag und den Beihilfenkodex sowie einen
Ermessensmißbrauch und andererseits den angeblich rückwirkenden Charakter der
streitigen Entscheidungen geltend macht.
Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen den Vertrag und den Beihilfenkodex sowie
Ermessensmißbrauch
- 37.
- Im Rahmen dieses ersten Klagegrundes macht die Klägerin erstens einen Verstoß
gegen das Verbot staatlicher Beihilfen, das im Vertrag und im Beihilfenkodex
aufgestellt sein soll, sowie einen Ermessensmißbrauch, zweitens einen Verstoß
gegen die Anwendungsvoraussetzungen des Artikels 95 Absatz 1 des Vertrages und
drittens einen Verstoß gegen das im Vertrag verankerte Diskriminierungsverbot
geltend.
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
- 38.
- Die Klägerin trägt zunächst vor, in den angefochtenen Entscheidungen räume die
Kommission ausdrücklich ein, daß die fraglichen Beihilfen mit dem Vertrag und
dem Beihilfenkodex unvereinbar seien. Die Kommission sei nicht berechtigt
gewesen, von dem sich aus diesen Vorschriften ergebenden Verbot von Beihilfen
unter Rückgriff auf Artikel 95 Absätze 1 und 2 des Vertrages abzuweichen. Der
Erlaß der streitigen Entscheidungen bedeute nämlich eine echte Änderung des
Vertrages und hätte einer vorherigen Vertragsänderung nach dem in Artikel N des
Vertrages über die Europäische Union vorgesehenen Verfahren bedurft, nachdem
Artikel 96 EGKS-Vertrag durch Artikel H Nr. 21 des Vertrages über die
Europäische Union mit Wirkung vom 1. November 1993 aufgehoben worden sei.
- 39.
- Indem die Kommission eine Reihe individueller Ausnahmen gewährt habe, ohne
die Umstände näher anzugeben, die sie veranlaßt hätten, zugunsten der fünf
Unternehmen, für die die streitigen Entscheidungen bestimmt seien, von den
Vorschriften des Beihilfenkodex abzuweichen, habe sie sich eine zu vage und zu
allgemeine Befugnis angemaßt, die über eine sowohl in Absatz 1 als auch in den
Absätzen 3 und 4 des Artikels 95 beabsichtigte Anpassung des Vertrages
hinausgehe und jedenfalls nicht die Nachprüfung erlaube, ob die
Anwendungsvoraussetzungen dieser Vorschriften erfüllt seien.
- 40.
- Insbesondere bezögen sich die angefochtenen Entscheidungen nicht auf einen im
Vertrag nicht vorgesehenen Fall, da der Vertrag im Gegenteil staatliche Beihilfen
in Artikel 4 Buchstabe c ausdrücklich untersage. Die Klägerin weist das Vorbringen
der Kommission zurück, mit den streitigen Entscheidungen würden keine nach
Artikel 4 Buchstabe c des Vertrages verbotenen staatlichen Beihilfen, sondern
Gemeinschaftsbeihilfen genehmigt. Sie trägt insoweit vor, aus den angefochtenen
Entscheidungen ergebe sich ausdrücklich, daß mit ihnen staatliche Beihilfen und
keine Gemeinschaftsbeihilfen genehmigt würden. Es sei offensichtlich, daß sich die
Maßnahme der Kommission darauf beschränke, die betroffenen Mitgliedstaaten
unter bestimmten Voraussetzungen zu ermächtigen, ihren Unternehmen eine
Beihilfe zu gewähren, deren Betrag und Modalitäten sie außerhalb jedes
gemeinschaftlichen Rahmens selbst festgelegt hätten. Indem die angefochtenen
Entscheidungen so das im Vertrag aufgestellte Verbot staatlicher Beihilfen
unangewendet ließen auch wenn dies angeblich im Einklang mit den Zielen des
Vertrages geschehe , verletzten sie den Grundsatz der Rechtsgemeinschaft.
- 41.
- In diesem Zusammenhang ist die Klägerin der Ansicht, daß der individuelle
Charakter der mit den angefochtenen Entscheidungen gewährten Ausnahmen von
dem im Vertrag angeordneten Verbot staatlicher Beihilfen zeige, daß mit ihnen
nicht die Lösung eines im Vertrag nicht vorgesehenen Falles bezweckt werde, um
die im Vertrag näher bezeichneten Ziele zu erreichen, sondern die Lösung der
Schwierigkeiten, die sich für bestimmte Unternehmen stellten, wenn sie den
Vorschriften des Vertrages nachkämen, deren Einhaltung von ihren Konkurrenten
verlangt werde. Diese Entscheidungen zielten nämlich darauf ab, bestimmte
staatliche Beihilfen zu legalisieren, die nicht in dem durch den Vertrag festgelegten
gesetzlichen Rahmen erfolgen könnten. Außerdem stelle es, auch wenn das in Rede
stehende Problem ein im Vertrag nicht vorgesehener Fall sei, was die Klägerin
bestreitet, einen Ermessensmißbrauch dar, wenn zur Lösung eines allgemeinen
Problems Einzelfallentscheidungen nach Artikel 95 Absätze 1 und 2 des Vertrages
erlassen würden. Dies laufe nämlich einem der grundlegenden Ziele des Vertrages,
und zwar der Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer, zuwider.
- 42.
- Die Klägerin trägt sodann vor, die Anwendungsvoraussetzungen von Artikel 95
Absatz 1 des Vertrages seien bei den streitigen Entscheidungen nicht erfüllt. Da
mit diesen Entscheidungen Betriebsbeihilfen genehmigt würden, erfolgten sie nicht
im Rahmen des Funktionierens des gemeinsamen Stahlmarktes und zielten nicht
auf die Erreichung eines der Ziele der Gemeinschaft ab. Außerdem seien sie zur
Erreichung der verfolgten Ziele nicht erforderlich.
- 43.
- Die Klägerin macht in erster Linie geltend, die angefochtenen Entscheidungen
erfolgten nicht im Rahmen des Funktionierens des gemeinsamen Stahlmarktes und
zielten nicht, wie Artikel 95 Absatz 1 des Vertrages dies verlange, auf die
Erreichung eines der Ziele der Gemeinschaft ab, wie sie in den Artikeln 2, 3 und
4 näher bezeichnet seien. Die Entscheidungen bezweckten nämlich,
Überschußproduktionen durch Betriebsbeihilfen künstlich aufrechtzuerhalten. Zur
Begründung weist die Klägerin zunächst darauf hin, daß die angefochtenen
Entscheidungen nicht die Angaben enthielten, die erforderlich seien, um die
Durchführbarkeit der von den betreffenden Mitgliedstaaten vorgelegten
Umstrukturierungspläne zu bejahen. Die Klägerin äußert außerdem Zweifel am
Wert der Erklärungen, wonach die fraglichen Beihilfen die letzten Betriebsbeihilfen
seien, die genehmigt würden, weil sich die Kommission in der Vergangenheit
bereits zur Rücknahme solcher Zusagen veranlaßt gesehen habe. Der Rat habe in
seinen Schlußfolgerungen vom 17. Dezember 1993 eigens angegeben, daß er sich
unbeschadet des Rechts aller Mitgliedstaaten, eine Entscheidung nach Artikel 95
zu beantragen, verpflichte, alle weiteren Ausnahmeregelungen zugunsten einzelner
Unternehmen zu vermeiden. Die Klägerin weist auf die Schwierigkeiten die schon
von der Einreichung der ersten Berichte der Mitgliedstaaten an aufgetreten seien,
wie sich aus der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische
Parlament vom 21. Juni 1994 mit dem Titel „Wiederankurbelung des
Umstrukturierungsprozesses in der Eisen- und Stahlindustrie der Gemeinschaft“
ergebe hin, auf die die Kommission stoße, wenn sie die Einhaltung der in den
angefochtenen Entscheidungen gemachten Auflagen kontrolliere.
- 44.
- Unter diesen Umständen liefen die angefochtenen Entscheidungen der Erreichung
der meisten der in den genannten Artikeln des Vertrages bezeichneten Ziele
zuwider, indem sie nicht lebensfähige Unternehmen künstlich aufrechterhielten, was
die durch Überkapazität gekennzeichnete Lage weiterbestehen lasse, die Ursache
einer Strukturkrise sei, die den gesamten Wirtschaftszweig betreffe. Auf diese
Weise erlaubten die Entscheidungen nicht die Aufstellung von Voraussetzungen,
die die in Artikel 2 Absatz 2 des Vertrages genannte rationellste Verteilung der
Erzeugung gewährleisteten. Außerdem führten die fraglichen Beihilfen aufgrund
einer Politik der Produktions- und/oder Preissubventionierung zu einer
Verbesserung der Stellung der begünstigten Unternehmen auf dem Markt. Diese
Beihilfen trügen zu einer künstlichen Verfälschung der Wettbewerbsbedingungen
bei und seien daher nicht geeignet, ein Preisniveau zu sichern, das die
erforderlichen Abschreibungen und eine normale Verzinsung der
hereingenommenen Kapitalien ermögliche (Artikel 3 Buchstabe c des Vertrages),
sowie den Erhalt der Voraussetzungen, die einen Anreiz für die Unternehmen
böten, ihr Produktionspotential auszubauen und zu verbessern (Artikel 3 Buchstabe
d), die Angleichung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter (Artikel 3
Buchstabe e), die Entwicklung des zwischenstaatlichen Austausches (Artikel 3
Buchstabe f) oder die geordnete Ausweitung und Modernisierung der Erzeugung
und die Verbesserung der Qualität (Artikel 3 Buchstabe g). Die Gewährung von
Beihilfen an bestimmte Stahlunternehmen stelle ernstlich die Lebensfähigkeit der
anderen Unternehmen in Frage, weil die Tätigkeit ihrer Konkurrenten künstlich
aufrechterhalten werde. Zwar habe der Beihilfenkodex, der in der Zeit von 1980
bis 1985 gegolten habe, die Möglichkeit der Gewährung von Betriebsbeihilfen
vorgesehen, doch seien damals die Auswirkungen solcher Beihilfen auf die
Wettbewerbssituation der Unternehmen strikt beschränkt gewesen durch die
Kontrolle der Produktion und der Preise, die die Kommission von 1980 bis 1988 im
Rahmen der in Artikel 58 des Vertrages genannten Regelung einer offensichtlichen
Krisensituation eingeführt habe.
- 45.
- Sodann seien die streitigen Entscheidungen für die Erreichung der verfolgten Ziele
nicht erforderlich, wie Artikel 95 Absatz 1 des Vertrages dies verlange. Die
Klägerin weist insoweit das Vorbringen der Kommission zurück, wonach diese
Entscheidungen im Rahmen einer allgemeinen Politik des mit Begleitmaßnahmen
flankierten Kapazitätsabbaus gemäß dem Braun-Bericht vom 29. Januar 1993
erfolgten. Eine solche allgemeine Politik könne mit den vorhandenen gesetzlichen
Instrumenten verwirklicht werden. Da der Beihilfenkodex ausdrücklich
Schließungsbeihilfen genehmige, hätte ein Kapazitätsabbau mit sozialen
Begleitmaßnahmen zur Verringerung der Belastungen der Unternehmen im Fall
der Schließung erreicht werden können. Dies sei im übrigen die Lösung, die im
Braun-Bericht vorgeschlagen worden sei, der auf die schädlichen Folgen hinweise,
die sich aus ähnlichen finanziellen Eingriffen der Staatsorgane wie den vorliegend
mit den angefochtenen Entscheidungen genehmigten ergäben. Außerdem sei die
Klägerin nie in die Ausarbeitung des vom Rat genehmigten Umstrukturierungsplans
eingebunden gewesen, der entgegen den Behauptungen des Rates nicht
„gemeinsam mit der Stahlindustrie“ ausgearbeitet worden sei.
- 46.
- Schließlich hätten die angefochtenen Entscheidungen eine Diskriminierung von
Erzeugern zur Folge, was gegen Artikel 4 Buchstabe b des Vertrages verstoße. Die
Klägerin bestreitet zunächst, daß die in Artikel 3 der streitigen Entscheidungen
genannte Stillegung von Produktionskapazitäten durch die beihilfebegünstigten
Unternehmen zeige, daß es keine Diskriminierung zwischen diesen Unternehmen
und den anderen Erzeugern des Stahlsektors gebe. Insbesondere sei der in den
streitigen Entscheidungen angewandte Kapazitätsabbau um 750 000 Jahrestonnen
für jede Milliarde ECU an gewährter Beihilfe besonders vorteilhaft, wenn man ihn
mit dem Abbau um 516 000 t für die erst nach Schließung zu zahlenden 400 000
ECU vergleiche, der im Rahmen der Verhandlungen zwischen der Kommission und
Bresciani, einem privaten italienischen Stahlunternehmen, angesetzt worden sei.
Überdies ergebe sich im vorliegenden Fall aus der von der Kommission vorgelegten
Tabelle zu den in den angefochtenen Entscheidungen vorgesehenen
Kapazitätskürzungen, daß die meisten Schließungen für das Ende des Zeitraums
geplant seien, in dem die Beihilfen gewährt würden. Während dieses Zeitraums
werde so die Wettbewerbsfähigkeit der begünstigten Unternehmen künstlich
gestärkt. Hinzu komme, daß bestimmte Kürzungen durch Neuinvestitionen
weitgehend ausgeglichen würden. Diese führten zu einer Kapazitätserhöhung um
900 000 t sowohl für CSI als auch für Siderurgia Nacional. Außerdem beträfen
andere Kürzungen eher nominelle als tatsächliche Kapazitäten. Dies sei bei ILVA
der Fall, und zwar mindestens in Höhe von 300 000 t.
- 47.
- Ferner bemerkt die Klägerin, daß die Diskriminierung auch darauf beruhe, daß die
durch die fraglichen Beihilfen begünstigten Unternehmen ihre Zinsbelastung
anläßlich der Umstrukturierung auf ein Niveau von mindestens 3,5 % des
Jahresumsatzes verringern könnten, was dem Durchschnitt der Stahlunternehmen
in der Gemeinschaft entspreche (Artikel 4 der Entscheidung 94/256 und Artikel 3
der anderen streitigen Entscheidungen). Die angefochtenen Entscheidungen
ermöglichten somit, die Zinsbelastungen von Unternehmen, die nicht lebensfähig
seien und die deswegen einen deutlich höheren Verschuldungsgrad aufwiesen,
künstlich auf den Gemeinschaftsdurchschnitt zu senken. Hinzu komme, daß diese
Diskriminierung nicht, wie die Kommission behaupte, den betreffenden
Mitgliedstaaten zugerechnet werden könne, auch wenn die fraglichen Beihilfen von
ihnen gewährt würden. Die Kommission sei, bevor sie eine Entscheidung auf der
Grundlage von Artikel 95 Absätze 1 und 2 treffe, verpflichtet, zu prüfen, ob diese
Entscheidung keine den in Artikel 4 Buchstabe b des Vertrages genannten Zielen
zuwiderlaufende Diskriminierung mit sich bringe.
- 48.
- Die Kommission, unterstützt durch die Streithelfer, bestreitet, daß die mit den
fraglichen Entscheidungen genehmigten Beihilfen mit dem Vertrag unvereinbar
seien. Diese Beihilfen, wie sie von den betreffenden Mitgliedstaaten angemeldet
worden seien, seien zwar als nationale Beihilfen nach Artikel 4 Buchstabe c des
Vertrages und nach dem Beihilfenkodex mit dem Vertrag unvereinbar, da sie nicht
in den Geltungsbereich dieser Entscheidung fielen. Jedoch seien die betreffenden
Beihilfen „vergemeinschaftlicht“ worden durch die streitigen Entscheidungen, mit
denen sie auf der Grundlage von Artikel 95 Absätze 1 und 2 genehmigt würden,
nachdem sie mit strengen Auflagen verknüpft worden seien, so daß diese Beihilfen
als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden könnten.
- 49.
- Die Kommission führt aus, sie sei zum Erlaß der angefochtenen Entscheidungen
auf der Grundlage von Artikel 95 Absätze 1 und 2 des Vertrages befugt gewesen.
Trotz des Erlasses immer strengerer Stahlbeihilfenkodizes erlebe die Stahlindustrie
der Gemeinschaft seit dem Beginn der neunziger Jahre „ihre größten
Schwierigkeiten seit der ersten Hälfte der achtziger Jahre“, wie aus den
Begründungserwägungen der fünf angefochtenen Entscheidungen hervorgehe. Der
Gerichtshof habe im Urteil vom 3. Oktober 1985 in der Rechtssache 214/83
(Deutschland/Kommission, Slg. 1985, 3053) anerkannt, daß eine Krisensituation
eine im Vertrag nicht vorgesehene Situation sei, die ein Eingreifen nach Artikel 95
Absätze 1 und 2 des Vertrages rechtfertigen könne. Die einzige Grenze, die der
Gerichtshof dem Handeln der Kommission gesetzt habe, bestehe darin, daß die
Kommission „Beihilfen nicht genehmigen [darf], deren Gewährung eine
offensichtlich diskriminierende Unterscheidung zwischen dem öffentlichen und dem
privaten Sektor bewirken könnte. In einem solchen Fall würde die
Beihilfegewährung nämlich in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden
Weise zu Wettbewerbsverzerrungen führen“ (vgl. Urteil vom 24. Februar 1987 in
der Rechtssache 304/85, Falck/Kommission, Slg. 1987, 871, Randnr. 27). Im
vorliegenden Fall führten die mit den streitigen Entscheidungen genehmigten
Beihilfen zu keiner Diskriminierung, insbesondere da die Kommission diese
Genehmigungen von der Bedingung abhängig gemacht habe, daß die Netto-Zinsbelastung der begünstigten Unternehmen nicht unter 3,5 % (3,2 % beim
Unternehmen AST) des Jahresumsatzes liege, was dem gegenwärtigen Durchschnitt
der Stahlunternehmen in der Gemeinschaft entspreche. Außerdem seien die
angefochtenen Entscheidungen, indem sie die Genehmigung der betreffenden
Beihilfen von entsprechenden Ausgleichsmaßnahmen in Form bedeutender
Kapazitätskürzungen abhängig gemacht hätten, Teil eines Planes zur
Gesamtumstrukturierung, der auch im Interesse der privaten Unternehmen
durchgeführt werde.
- 50.
- Die Klägerin habe nicht bestritten, daß Gemeinschaftsbeihilfen auf der Grundlage
von Artikel 95 des Vertrages im Rahmen allgemeiner Entscheidungen gewährt
werden könnten. Fraglich sei somit allein, ob Beihilfen zur Teilschließung, die nach
dem Beihilfenkodex nicht zulässig seien, Gegenstand individueller
Genehmigungsentscheidungen auf der Grundlage dieser Bestimmungen sein
könnten. Eine Ad-hoc-Genehmigung nach dem Verfahren des Artikels 95 sei
möglich, wenn sie den gleichen Zweck verfolge und an die gleichen Bedingungen
geknüpft sei wie die im Rahmen der verschiedenen Kodizes genehmigten Beihilfen.
Dies sei vorliegend der Fall, da in den angefochtenen Entscheidungen die drei
wesentlichen Bedingungen angeordnet würden, mit denen die Gewährung
staatlicher Beihilfen im Stahlsektor nach der ständigen Praxis der Kommission seit
1980 verbunden sei. Insbesondere habe sich die Kommission anhand von
Gutachten, die in der Mehrzahl der Fälle von unabhängigen Sachverständigen
erstellt worden seien, davon überzeugt, daß die genehmigten Beihilfen die
finanzielle Lebensfähigkeit des begünstigten Unternehmens gewährleisteten. Der
Betrag der Beihilfe sei auf das unbedingt Erforderliche begrenzt worden.
Schließlich sei die Beihilfe mit einer Gegenleistung in Form von im Verhältnis zur
Höhe der Beihilfe stehenden Kapazitätskürzungen verbunden worden, damit sie mit
dem gemeinsamen Interesse in Einklang stehe.
- 51.
- Unter diesen Umständen bestreitet die Kommission, daß die Befugnis, die sie beim
Erlaß der streitigen Entscheidungen ausgeübt habe, zu vage und zu allgemein
gewesen sei, um von Artikel 95 des Vertrages gedeckt zu sein. Sie räumt ein,
worauf die Klägerin hinweist, daß „die angefochtenen Entscheidungen keinen
rechtlichen Rahmen bilden, der es jedem Unternehmen, das sich in der in der
Regelung beschriebenen objektiven Lage befindet, ermöglichen würde, eine
Ausnahme vom Verbot des Artikels 4 Buchstabe c des Vertrages zu erhalten“.
Diese Einzelfallentscheidungen führten jedoch den gleichen Grundgedanken fort
wie die verschiedenen Kodizes, die seit 1980 eingeführt worden seien; sie stellten
hinreichend klare und genaue Voraussetzungen auf, so daß die Rügen der Klägerin
jeder Grundlage entbehrten.
- 52.
- Entgegen dem Vorbringen der Klägerin zielten die angefochtenen Entscheidungen
insbesondere auf die Erreichung der Ziele der Gemeinschaft ab, wie Artikel 95
Absätze 1 und 2 des Vertrages dies verlange. Die Kommission habe auf der
Grundlage des Braun-Berichts zwei parallele und sich gegenseitig ergänzende
Vorgehensweisen vorgesehen, die zum einen in der Ausarbeitung eines Programms
zum Kapazitätsabbau um mindestens 19 Mio. t und zum anderen in der Einführung
begleitender Maßnahmen bestanden hätten, die den sozialen Bereich, die
Strukturverbesserung sowie die Stabilisierung des Marktes und der
Außenbeziehungen auf der Grundlage der bestehenden Vorschriften, insbesondere
des Beihilfenkodex und der Artikel 46, 53 Buchstabe a und 56 des Vertrages,
betroffen hätten (Anlage 9 zur Klagebeantwortung), um die Durchführung diesesProgramms zu erleichtern. Die angefochtenen Entscheidungen hätten die in den
Artikeln 2 und 3 des Vertrages bezeichneten Ziele verfolgt, indem sie auf die
geplante Beseitigung von Überkapazitäten im Rahmen eines Gesamtplans, auf die
Sanierung der betroffenen Unternehmen und damit auf die Erhaltung Tausender
Arbeitsplätze abgezielt hätten.
- 53.
- Die Kommission weist auch die Kritik der Klägerin am Überwachungsmechanismus
zurück. Insbesondere seien die Berichte der Mitgliedstaaten im vorliegenden Fall
nicht relevant, da die Gültigkeit einer Entscheidung durch Handlungen, die auf
ihren Erlaß folgten, nicht beeinträchtigt werden könne.
- 54.
- Der Rat weist darauf hin, daß die angefochtenen Entscheidungen einen
wesentlichen Teil des Umstrukturierungsplans darstellten, der von der Kommission
angesichts der im Stahlsektor neu aufgetretenen Schwierigkeiten in Absprache mit
der Stahlindustrie ausgearbeitet worden sei. Die angefochtenen Entscheidungen
bezögen sich auf Beihilfen, die, auch wenn sie im Vertrag nicht vorgesehen seien,
zur Erreichung seiner Ziele beitrügen, insbesondere zu einer Gesundung des
Marktes durch Teilstillegungen von Produktionsanlagen im Rahmen eines
Programms zur endgültigen Reduzierung von Kapazitäten. Diese Beihilfen müßten
daher als Gemeinschaftsbeihilfen angesehen werden, die nach Artikel 4 Buchstabe
c des Vertrages, der staatliche Beihilfen nur aus dem Grund untersage, daß solche
Beihilfen grundsätzlich zu mit den Zielen des Vertrages unvereinbaren
Wettbewerbsverzerrungen führen könnten, nicht verboten seien. Im vorliegenden
Fall stehe diese Vorschrift daher der Genehmigung der fraglichen Beihilfen nach
Artikel 95 Absatz 1 des Vertrages nicht entgegen. Die Kommission habe mit dem
Erlaß der angefochtenen Entscheidungen ihre Befugnisse aus diesem Artikel nicht
überschritten.
- 55.
- Die Bundesrepublik Deutschland weist darauf hin, daß die angefochtenen
Entscheidungen im Rahmen des aktuellen Restrukturierungsprogramms für die
Stahlindustrie der Gemeinschaft ergangen seien, das der Rat in seinen
Schlußfolgerungen vom 25. Februar 1993 verabschiedet habe. Sie seien zutreffend
auf Artikel 95 Absätze 1 und 2 des Vertrages gestützt worden, da sie eine Situation
zum Gegenstand hätten, die weder vom Vertrag noch vom Beihilfenkodex
vorgesehen sei, und dies nicht nur wegen der Verschlechterung der Situation auf
dem Stahlmarkt, sondern auch, weil die betroffenen deutschen Unternehmen vor
Ende 1990 einer zentral geplanten Kommandowirtschaft unterstanden hätten. Die
deutsche Regierung weist auch auf die Parallelität zwischen dem Beihilfenkodex
und den angefochtenen Entscheidungen bei der Verfolgung der grundlegenden
Ziele des Vertrages hin. In beiden Fällen sei es Sache des Mitgliedstaats, nach den
nationalen Vorschriften über die Gewährung von Beihilfen aus nationalen
Haushaltsmitteln zu entscheiden und die begünstigten Unternehmen auszuwählen,
auch wenn die Beihilfen nach dem Beihilfenkodex gewährt würden. Was den in den
angefochtenen Entscheidungen angeordneten Kapazitätsabbau angehe, so
entspreche dieser dem gewöhnlichen Verhältnis von 750 000 t für jede Milliarde
ECU an Beihilfe. Auch führten die Entscheidungen zu keiner Besserstellung der
begünstigten Unternehmen gegenüber konkurrierenden Unternehmen, da sie die
Höhe der genehmigten Beihilfen auf das absolut Notwendige beschränkten, die
schuldenentlastende Wirkung auf nicht weiter als das Branchenübliche begrenzten
und eine angemessene Eigenfinanzierung durch die privaten Investoren vorsähen.
- 56.
- Die Italienische Republik trägt vor, die fraglichen Beihilfen seien nicht mit dem
gemeinsamen Stahlmarkt unvereinbar, da sie zur Erreichung der in den Artikeln
2, 3 und 4 des Vertrages bezeichneten Ziele der Gemeinschaft erforderlich seien.
Mit staatlichen Mitteln finanzierte Eingriffe seien nicht für sich mit dem Vertrag
unvereinbar, wenn sie die dort festgelegten Ziele verfolgten. Insbesondere
untersage Artikel 4, der staatliche Beihilfen auf eine Stufe mit Zöllen und
mengenmäßigen Beschränkungen stelle, nur die Gewährung staatlicher Beihilfen
im Rahmen einer staatlichen Politik des Schutzes der inländischen Unternehmen.
Dafür, daß es kein generelles Verbot staatlicher Beihilfen gebe, spreche auch, daß
nach Artikel 5 des Vertrages auch finanzielle Unterstützungsmaßnahmen zu den
Mitteln gehörten, derer sich die Gemeinschaft bei der Erfüllung ihrer Aufgabe
bedienen könne. Das Kriterium, anhand dessen sich bestimmen lasse, ob eine
Beihilfe erlaubt sei, liege nicht darin, ob sie aus staatlichen oder gemeinschaftlichen
Quellen finanziert werde, sondern darin, ob sie mit den Zielen des Vertrages in
Einklang stehe. Im vorliegenden Fall hätten die schweren Krisen der europäischen
Stahlindustrie ein Tätigwerden der Kommission erforderlich gemacht, um sowohl
die Produktion als auch die Arbeitsplätze zu retten. Vor diesem Hintergrund sei
die Kommission, da im Vertrag keine besondere Regelung vorgesehen sei, befugt
gewesen, sich auf Artikel 95 Absatz 1 des Vertrages zu stützen, um die fraglichen
Beihilfen zu genehmigen.
- 57.
- ILVA trägt vor, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes bezwecke Artikel 95
Absatz 1 die Einführung eines Systems besonderer Ausnahmen vom EGKS-Vertrag, um es der Kommission zu ermöglichen, unvorhergesehenen Situationen
zu begegnen, die punktuelle und vorübergehende Anpassungen des Vertrages
rechtfertigten, sei es in Form einer einzigen individuellen Maßnahme oder in Form
einer Entscheidung, die einen rechtlichen Rahmen für eine unbestimmte Zahl von
Anwendungen schaffe. Der Erlaß eines allgemeinen rechtlichen Rahmens sei
jedoch nicht erforderlich, wenn die Situation dies nicht gebiete, da Artikel 95
Absatz 1 keine dahin gehende Bestimmung enthalte. Im vorliegenden Fall bildeten
jedenfalls die Schlußfolgerungen des Rates vom 25. Februar 1993 einen solchen
Rahmen. Dementsprechend könne der Beihilfenkodex keinen abschließenden
Charakter haben. Er diene nur dazu, die grundlegenden Voraussetzungen
festzulegen, unter denen bestimmte Kategorien ganz spezieller Beihilfen mit dem
Vertrag vereinbar seien. Keineswegs stehe er dem Erlaß ergänzender
Entscheidungen entgegen, mit denen Beihilfen genehmigt würden, die diesen
Kategorien nicht entsprächen oder nicht die vorgesehenen Voraussetzungen
erfüllten, wenn die Kommission nach eingehender Prüfung dieser Beihilfen der
Ansicht sei, daß sie auf die Erreichung eines der Ziele des Vertrages abzielten und
daß die anderen Anwendungsvoraussetzungen von Artikel 95 Absatz 1 erfüllt seien.
- 58.
- Im vorliegenden Fall ermöglichten die fraglichen Beihilfen eine Umstrukturierung
der betroffenen Unternehmen und einen Abbau von Produktionskapazitäten. Sie
zielten somit darauf ab, gemäß Artikel 2 Absatz 2 des Vertrages zu vermeiden, daß
es im Wirtschaftsleben der Mitgliedstaaten zu anhaltenden und tiefgreifenden
Störungen komme. Außerdem erlaube die Sanierung der betroffenen Unternehmen
gemäß den Artikeln 2 Absatz 2 und 3 Buchstabe e des Vertrages, Tausende von
Arbeitsplätzen zu erhalten und die Leistungsfähigkeit ihrer Produktionsmittel zu
maximieren, was in Artikel 3 Buchstaben d und g als Ziel genannt sei, und dies
unter Beachtung der in Artikel 3 Buchstabe c aufgeführten Grundsätze einer
ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung.
- 59.
- Schließlich bestreitet ILVA den diskriminierenden Charakter der fraglichen
Beihilfen. Die Situation der Unternehmen, die die mit den angefochtenen
Entscheidungen genehmigten Beihilfen erhielten, unterscheide sich hinreichend von
der ihrer Konkurrenten im Zeitpunkt der Genehmigung der Beihilfen, was nach
gefestigter Rechtsprechung jede Diskriminierung ausschließe (vgl. Urteil
Deutschland/Kommission, a. a. O.). Außerdem gehe eine solche Diskriminierung
jedenfalls nicht auf die Kommission zurück, sondern auf die Mitgliedstaaten, die die
Kommission um Genehmigung der Beihilfen ersucht hätten (vgl. Urteil
Falck/Kommission, a. a. O.).
Würdigung durch das Gericht
Zum behaupteten Verstoß gegen das Verbot staatlicher Beihilfen und zum
Ermessensmißbrauch
- 60.
- Die Klägerin trägt im wesentlichen vor, die Kommission habe, indem sie die
fraglichen Beihilfen in den streitigen Einzelfallentscheidungen genehmigt habe, von
ihren Befugnissen aus Artikel 95 Absätze 1 und 2 des Vertrages Gebrauch
gemacht, um das im Vertrag und im Beihilfenkodex aufgestellte Verbot staatlicher
Beihilfen zu umgehen. Ihre Auffassung beruht auf der Prämisse, daß dieser Kodex
dessen Gültigkeit sie nicht ausdrücklich in Frage stellt verbindlich und
abschließend die genehmigungsfähigen Kategorien staatlicher Beihilfen festlege.
- 61.
- Insoweit ist vorab auf den rechtlichen Kontext der angefochtenen Entscheidungen
hinzuweisen. Nach Artikel 4 Buchstabe c des Vertrages sind staatliche Beihilfen
innerhalb der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl grundsätzlich
untersagt, da sie die Verwirklichung der im Vertrag festgelegten wesentlichen Ziele
der Gemeinschaft, insbesondere die Einführung eines Systems des freien
Wettbewerbs, beeinträchtigen können. Nach dieser Vorschrift „[werden als]
unvereinbar mit dem gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl ... innerhalb der
Gemeinschaft gemäß den Bestimmungen dieses Vertrags aufgehoben und
untersagt: ... c) von den Staaten bewilligte Subventionen oder Beihilfen ..., in
welcher Form dies auch immer geschieht ...“
- 62.
- Das Vorhandensein eines solchen Verbotes bedeutet jedoch nicht, daß jede
staatliche Beihilfe im EGKS-Bereich als mit den Zielen des Vertrages unvereinbar
anzusehen wäre. Artikel 4 Buchstabe c ausgelegt im Lichte sämtlicher Ziele des
Vertrages, wie sie in dessen Artikeln 2 bis 4 festgelegt sind soll nicht die
Gewährung staatlicher Beihilfen verhindern, die zur Erreichung der Ziele des
Vertrages beitragen können. Er behält den Gemeinschaftsorganen im Bereich des
Vertrages die Befugnis vor, die Vereinbarkeit mit dem Vertrag zu beurteilen und
gegebenenfalls die Gewährung solcher Beihilfen zu genehmigen. Diese Feststellung
wird durch das Urteil vom 23. Februar 1961 in der Rechtssache 30/59 (De
Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Hohe Behörde, Slg. 1961, 3) bestätigt,
in dem der Gerichtshof entschieden hat, daß, ebenso wie bestimmte nichtstaatliche
finanzielle Zuwendungen an Montanunternehmen, die nach den Artikeln 55 § 2
und 58 § 2 des Vertrages zulässig sind, nur durch die Kommission oder mit deren
ausdrücklicher Genehmigung gewährt werden können, auch Artikel 4 Buchstabe
c dahin auszulegen ist, daß er den Gemeinschaftsorganen innerhalb der
Gemeinschaft auf dem Gebiet der Beihilfen eine ausschließliche Zuständigkeit
einräumt (a. a. O., 47).
- 63.
- Nach der Systematik des Vertrages steht es somit nicht im Widerspruch zu Artikel
4 Buchstabe c, wenn die Kommission auf der Grundlage des Artikels 95 Absätze
1 und 2 von den Mitgliedstaaten geplante Beihilfen, die mit den Zielen des
Vertrages vereinbar sind, ausnahmsweise genehmigt, um unvorhergesehenen
Situationen zu begegnen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juli 1962 in der
Rechtssache 9/61, Niederlande/Hohe Behörde, Slg. 1962, 435).
- 64.
- Die vorgenannten Bestimmungen des Artikels 95 ermächtigen die Kommission, in
allen im Vertrag nicht vorgesehenen Fällen, in denen eine Entscheidung oder
Empfehlung erforderlich erscheint, um eines der in den Artikeln 2, 3 und 4 näher
bezeichneten Ziele der Gemeinschaft auf dem gemeinsamen Markt für Kohle und
Stahl gemäß Artikel 5 zu erreichen, mit einstimmiger Zustimmung des Rates und
nach Anhörung des Beratenden Ausschusses der EGKS diese Entscheidung oder
Empfehlung zu erlassen. Die gleiche, in derselben Form erlassene Entscheidung
oder Empfehlung bestimmt gegebenenfalls die anzuwendenden Sanktionen. Da also
der EGKS-Vertrag anders als der EG-Vertrag der Kommission oder dem Rat keine
spezifische Befugnis zur Genehmigung staatlicher Beihilfen verleiht, ist die
Kommission nach Artikel 95 Absätze 1 und 2 ermächtigt, alle erforderlichen
Maßnahmen zu treffen, um die Ziele des Vertrages zu erreichen, und somit nach
dem in dieser Vorschrift vorgesehenen Verfahren die Beihilfen zu genehmigen, die
ihr zur Erreichung dieser Ziele erforderlich erscheinen.
- 65.
- Die Kommission ist demnach bei Fehlen besonderer Vertragsbestimmungen befugt,
jede allgemeine oder individuelle Entscheidung zu erlassen, die zur Erreichung der
Ziele des Vertrages erforderlich ist. Artikel 95 Absätze 1 und 2, der ihr diese
Befugnis verleiht, enthält keine näheren Angaben zur Tragweite der
Entscheidungen, zu deren Erlaß sie ermächtigt ist. Sie hat in jedem Einzelfall zu
prüfen, welche der beiden Arten von Entscheidungen allgemeine oder individuelle
am geeignetsten ist, das oder die verfolgten Ziele zu erreichen.
- 66.
- Im Bereich der staatlichen Beihilfen hat die Kommission vom rechtlichen
Instrument des Artikels 95 Absätze 1 und 2 des Vertrages in zweierlei Weise
Gebrauch gemacht. Sie hat zum einen allgemeine Entscheidungen die
Beihilfenkodizes erlassen, die für bestimmte Kategorien von Beihilfen eine
allgemeine Ausnahme vom Verbot staatlicher Beihilfen vorsehen. Zum anderen hat
sie Einzelfallentscheidungen erlassen, mit denen ausnahmsweise ganz bestimmte
Beihilfen genehmigt wurden.
- 67.
- Im vorliegenden Fall besteht das Problem folglich darin, den Gegenstand und die
Tragweite des Beihilfenkodex und der streitigen Einzelfallentscheidungen zu
bestimmen.
- 68.
- Der zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidungen anwendbare
Beihilfenkodex wurde durch die Entscheidung Nr. 3855/91 der Kommission vom 27.
November 1991 eingeführt. Es handelte sich um den fünften Beihilfenkodex, der
gemäß seinem Artikel 9 am 1. Januar 1992 in Kraft trat und bis zum 31. Dezember
1996 galt. Gestützt auf Artikel 95 Absätze 1 und 2 des Vertrages, stand dieser
Kodex ausdrücklich auf einer Stufe mit den vorangegangenen Kodizes (vgl.
insbesondere Entscheidungen der Kommission Nr. 3484/85/EGKS vom 27.
November 1985 und Nr. 322/89/EGKS vom 1. Februar 1989 zur Einführung
gemeinschaftlicher Vorschriften über Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie,ABl. 1985, L 340, S. 1, und ABl. 1989, L 38, S. 8), weshalb er im Zusammenhang
mit diesen Kodizes ausgelegt werden kann. Aus seiner Begründung (vgl. Abschnitt
I der Begründung der Entscheidung Nr. 3855/91) geht hervor, daß „der Eisen- und
Stahlindustrie ... vor allem nicht die Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen und
diejenigen Beihilfen entzogen werden [sollten], mit deren Hilfe sie ihre Anlagen an
die neuen Umweltschutznormen anpassen kann“. Zur Verringerung der
Überkapazitäten bei der Produktion und zur Wiederherstellung des
Marktgleichgewichts waren außerdem unter bestimmten Voraussetzungen „soziale
Beihilfen [genehmigt], um die teilweise Schließung von Stahlwerksanlagen zu
fördern, und Beihilfen, um die endgültige Einstellung der EGKS-Tätigkeit der am
wenigsten konkurrenzfähigen Unternehmen zu finanzieren“. Ausdrücklich untersagt
waren schließlich Betriebs- oder Investitionsbeihilfen mit Ausnahme der „regionalen
Investitionsbeihilfen ... für bestimmte Mitgliedstaaten“. Solche regionalen Beihilfen
konnten Unternehmen erhalten, die im Hoheitsgebiet Griechenlands, Portugals
oder der ehemaligen DDR niedergelassen waren.
- 69.
- Die fünf streitigen Entscheidungen wurden von der Kommission auf der Grundlage
von Artikel 95 Absätze 1 und 2 des Vertrages erlassen, um wie es in den
Begründungen heißt die Umstrukturierung von sich in erheblichen
Schwierigkeiten befindenden öffentlichen Stahlunternehmen in den betreffenden
Mitgliedstaaten zu ermöglichen, in denen sich der Stahlsektor damals aufgrund der
sich ständig verschlechternden Lage der Stahlindustrie in der Gemeinschaft in
seiner schwersten Krise befand. Wesentliches Ziel der fraglichen Beihilfen war es,
die begünstigten Unternehmen zu sanieren. Die Kommission stellte in den
angefochtenen Entscheidungen klar, daß sich die sehr schwierige Konjunktur, mit
der die Stahlindustrie der Gemeinschaft konfrontiert war, mit weitgehend
unvorhersehbaren wirtschaftlichen Faktoren erklären lasse. Sie glaubte daher, es
mit einer Ausnahmesituation zu tun zu haben, die im Vertrag nicht speziell
vorgesehen sei (Abschnitt IV der Begründung).
- 70.
- Ein Vergleich zwischen dem Fünften Beihilfenkodex und den streitigen
Entscheidungen ergibt somit, daß diese verschiedenen Handlungen alle auf dieselbe
Rechtsgrundlage, nämlich Artikel 95 Absätze 1 und 2 des Vertrages, gestützt sind
und daß sie Ausnahmen von dem in Artikel 4 Buchstabe c des Vertrages
aufgestellten Grundsatz des allgemeinen Verbotes der Beihilfen einführen. Ihr
Anwendungsbereich ist verschieden, da sich der Kodex allgemein auf bestimmte
Kategorien von Beihilfen bezieht, die als mit dem Vertrag vereinbar angesehen
werden, während die streitigen Entscheidungen aus außergewöhnlichen Gründen
für ein Mal Beihilfen genehmigen, die grundsätzlich nicht als mit dem Vertrag
vereinbar angesehen werden könnten.
- 71.
- Unter diesem Gesichtspunkt kann der Auffassung, die Kommission sei nicht befugt,
durch Einzelfallentscheidungen von dem nicht nur in Artikel 4 Buchstabe c des
Vertrages, sondern auch im Beihilfenkodex vorgesehenen Verbot staatlicher
Beihilfen abzuweichen, nicht gefolgt werden. Der Kodex stellt nämlich nur für die
Beihilfen, die zu den darin aufgezählten Kategorien mit dem Vertrag zu
vereinbarender Beihilfen gehören, einen verbindlichen rechtlichen Rahmen dar. In
diesem Bereich führt er eine umfassende Regelung ein, die eine einheitliche
Behandlung aller in die festgelegten Kategorien fallenden Beihilfen im Rahmen
eines einzigen Verfahrens gewährleisten soll. Die Kommission ist durch diese
Regelung nur gebunden, wenn sie die Vereinbarkeit von Beihilfen, für die der
Kodex gilt, mit dem Vertrag beurteilt. Sie darf daher solche Beihilfen nicht unter
Verstoß gegen die allgemeinen Vorschriften des Kodex durch eine
Einzelfallentscheidung genehmigen (vgl. „Kugellager“-Urteile des Gerichtshofes
vom 29. März 1979 in der Rechtssache 113/77, NTN Toyo Bearing u. a./Rat, Slg.
1979, 1185, in der Rechtssache 118/77, ISO/Rat, Slg. 1979, 1277, in der Rechtssache
119/77, Nippon Seiko u. a./Rat und Kommission, Slg. 1979, 1303, in der
Rechtssache 120/77, Koyo Seiko u. a./Rat und Kommission, Slg. 1979, 1337, und in
der Rechtssache 121/77, Nachi Fujikoshi u. a./Rat, Slg. 1979, 1363, sowie die Urteile
des Gerichtshofes vom 21. Februar 1984 in den Rechtssachen 140/82, 146/82,
221/82 und 226/82, Walzstahl-Vereinigung und Thyssen/Kommission, Slg. 1984, 951,
vom 14. Juli 1988 in den Rechtssachen 33/86, 44/86, 110/86, 226/86 und 285/86,
Stahlwerke Peine-Salzgitter und Hoogovens/Kommission, Slg. 1988, 4309 und
CIRFS u. a./Kommission, a. a. O.).
- 72.
- Dagegen kann bei Beihilfen, die nicht zu den speziell von den Vorschriften des
Kodex erfaßten Kategorien gehören, eine individuelle Ausnahme von diesem
Verbot gewährt werden, wenn die Kommission im Rahmen der Ausübung ihres
Ermessens nach Artikel 95 des Vertrages der Ansicht ist, daß solche Beihilfen zur
Erreichung der Ziele des Vertrages erforderlich sind. Der Beihilfenkodex bezweckt
nämlich nur, zugunsten bestimmter, abschließend aufgezählter Kategorien von
Beihilfen allgemein unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen vom Verbot
der Beihilfen zu genehmigen. Die Kommission ist nach Artikel 95 Absätze 1 und
2 des Vertrages, der nur auf die im Vertrag nicht vorgesehenen Fälle abstellt (vgl.
Urteil Niederlande/Hohe Behörde, a. a. O., Randnr. 2), nicht befugt, bestimmte
Kategorien von Beihilfen zu verbieten, da ein solches Verbot bereits im Vertrag
selbst, nämlich in Artikel 4 Buchstabe c, vorgesehen ist. Die Beihilfen, die nicht zu
den Kategorien gehören, die der Kodex von diesem Verbot ausnimmt, fallen somit
weiterhin ausschließlich unter Artikel 4 Buchstabe c. Erweisen sich also derartige
Beihilfen zur Erreichung der Ziele des Vertrages gleichwohl als erforderlich, so
kann die Kommission von Artikel 95 des Vertrages Gebrauch machen, um dieser
unvorhergesehenen Situation gegebenenfalls durch eine Einzelfallentscheidung zu
begegnen (siehe oben, Randnrn. 32 bis 36).
- 73.
- Vorliegend fallen die streitigen Entscheidungen mit denen staatliche Beihilfen
genehmigt werden, um die Umstrukturierung großer staatseigener Stahlkonzerne
zu ermöglichen nicht in den Anwendungsbereich des Beihilfenkodex. Dieser führt
unter bestimmten Voraussetzungen allgemein geltende Ausnahmen vom Verbot
staatlicher Beihilfen ein, jedoch ausschließlich in bezug auf Forschungs- und
Entwicklungsbeihilfen, Umweltschutzbeihilfen, Schließungsbeihilfen und regionale
Beihilfen für Stahlunternehmen, die im Hoheitsgebiet oder in einem Teil des
Hoheitsgebiets bestimmter Mitgliedstaaten niedergelassen sind. Die fraglichen Betriebs- und Umstrukturierungsbeihilfen fallen offensichtlich in keine der vorgenannten
Beihilfenkategorien. Folglich unterliegen die mit den angefochtenen
Entscheidungen genehmigten Ausnahmen nicht den Bedingungen des
Beihilfenkodex und haben daher gegenüber dem Kodex ergänzenden Charakter im
Hinblick auf die Verfolgung der im Vertrag festgelegten Ziele (siehe unten,
Randnrn. 77 bis 83).
- 74.
- Unter diesen Umständen können die streitigen Entscheidungen nicht als
ungerechtfertigte Ausnahmen vom Fünften Beihilfenkodex angesehen werden,
sondern stellen Handlungen dar, die ebenso wie dieser ihre Quelle in Artikel 95
Absätze 1 und 2 des Vertrages haben.
- 75.
- Somit entbehrt die Ansicht der Klägerin jeder Grundlage, daß die angefochtenen
Entscheidungen erlassen worden seien, um die beihilfebegünstigten Unternehmen
durch eine verschleierte Änderung des Beihilfenkodex zu begünstigen. Die
Kommission konnte nämlich keinesfalls durch den Erlaß des Beihilfenkodex auf
ihre Befugnis aus Artikel 95 des Vertrages verzichten, zur Bewältigung
unvorhergesehener Situationen Einzelfallentscheidungen zu erlassen. Da im
vorliegenden Fall die wirtschaftliche Situation, die die Kommission zum Erlaß der
streitigen Entscheidung veranlaßt hat, nicht in den Anwendungsbereich des Kodex
fiel, konnte sich die Kommission auf Artikel 95 des Vertrages stützen, um die
fraglichen Beihilfen zu genehmigen, sofern sie die Anwendungsvoraussetzungen
dieser Vorschrift beachtete.
- 76.
- Aus all diesen Gründen ist die Rüge des Verstoßes gegen das Verbot staatlicher
Beihilfen und des Ermessensmißbrauchs zurückzuweisen.
Zum behaupteten Verstoß gegen Artikel 95 Absatz 1 des Vertrages
- 77.
- Wie bereits entschieden worden ist, ist die Kommission nach Artikel 95 Absätze 1
und 2 des Vertrages befugt, immer dann staatliche Beihilfen innerhalb der
Gemeinschaft zu genehmigen, wenn die Wirtschaftslage im Stahlsektor den Erlaß
derartiger Maßnahmen zur Erreichung eines der Ziele der Gemeinschaft
erforderlich macht.
- 78.
- Diese Voraussetzung ist vor allem dann erfüllt, wenn der betreffende Sektor mit
außergewöhnlichen Krisensituationen konfrontiert ist. Unter diesem Gesichtspunkt
hat der Gerichtshof im Urteil Deutschland/Kommission (a. a. O.) auf „den engen
Zusammenhang hingewiesen ..., der im Rahmen der Anwendung des
EGKS-Vertrags in Krisenzeiten zwischen der Gewährung von Beihilfen für die
Stahlindustrie und den dieser Industrie auferlegten Umstrukturierungsbemühungen
besteht“ (Randnr. 30). Die Kommission beurteilt im Rahmen dieser Anwendung
nach ihrem Ermessen, ob die Beihilfen, die die Umstrukturierungsmaßnahmen
begleiten sollen, mit den Grundprinzipien des Vertrages vereinbar sind.
- 79.
- Im vorliegenden Fall ist unstreitig, daß die europäische Stahlindustrie zu Beginn der
neunziger Jahre unvermittelt in eine schwere Krise geriet, wozu mehrere Faktoren
beitrugen, wie die internationale Wirtschaftsrezession, die Schließung traditioneller
Exportwege, der steile Anstieg der Konkurrenz durch Stahlunternehmen der
Entwicklungsländer und die rasche Zunahme der Gemeinschaftseinfuhren von
Stahlerzeugnissen aus Mitgliedsländern der Organisation der Erdöl exportierenden
Länder (OPEC). Vor diesem Krisenhintergrund ist zu beurteilen, ob die fraglichen
Beihilfen, wie Artikel 95 Absätze 1 und 2 des Vertrages es verlangt, erforderlich
waren, um bestimmte grundlegende Ziele des Vertrages zu erreichen.
- 80.
- Die streitigen Entscheidungen sagen in Abschnitt IV ihrer Begründung eindeutig,
daß sie auf die Sanierung des Stahlsektors in den betreffenden Mitgliedstaaten
abzielen, um zur Verwirklichung der in den Artikeln 2 und 3 des Vertrages
bezeichneten Ziele beizutragen. Zu diesem Zweck sind sie darauf gerichtet, den
durch sie beihilfebegünstigten Unternehmen eine gesunde und lebensfähige
Struktur zu verleihen.
- 81.
- In diesem Zusammenhang ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, die
bezweifelt, daß die streitigen Entscheidungen tatsächlich die Wiederherstellung der
Lebensfähigkeit der begünstigten Unternehmen bezwecken, weil sie nicht die
Angaben enthielten, die erforderlich seien, um zu dem Schluß zu kommen, daß die
von den betreffenden Mitgliedstaaten übermittelten Umstrukturierungspläne hierfür
geeignet seien, und weil nicht gewährleistet sei, daß die Kommission nicht später
die Gewährung neuer Beihilfen an eben diese Unternehmen genehmigen werde,
wie dies in der Vergangenheit bereits geschehen sei.
- 82.
- Die Entstehungsgeschichte und die Begründung der streitigen Entscheidungen
belegen nämlich, daß die gegenwärtige Krisensituation der europäischen
Stahlindustrie und die geeignetsten Mittel zu ihrer Bewältigung eingehend analysiert
worden sind. Die Kommission hatte einen unabhängigen Sachverständigen, Herrn
Braun, mit einer Untersuchung beauftragt, die in der Aufstellung der beabsichtigten
Schließungen von Unternehmen des Stahlsektors bestand; sein Bericht wurde am
29. Januar 1993 vorgelegt. Dieser Bericht bestätigte die Angaben in der Mitteilung
der Kommission vom 23. November 1992 an den Rat und das Europäische
Parlament (siehe oben, Randnr. 4). Ferner ergibt sich aus den Akten, daß die
Kommission die Umstrukturierungspläne, die die Beihilfevorhaben der betreffenden
Mitgliedstaaten begleiteten, mit Unterstützung externer Sachverständiger ganz
genau daraufhin untersucht hat, ob sie die Lebensfähigkeit des begünstigten
Unternehmens herzustellen vermochten (Abschnitt III der Begründung der
streitigen Entscheidungen). Hinzu kommt, daß in den Mitteilungen der Kommission
an den Rat, die während des zum Erlaß der streitigen Entscheidungen führenden
Verfahrens erfolgten, die Voraussetzungen für die Lebensfähigkeit des
Unternehmens, das die betreffende Beihilfe erhält, ebenfalls eingehend untersucht
wird.
- 83.
- Außerdem werden in den angefochtenen Entscheidungen klar die Hauptaspekte
der Umstrukturierungspläne angegeben, die mit der Gewährung der betreffenden
Beihilfen durchgeführt werden sollen. Daraus ergibt sich, daß die Beihilfen die
Privatisierung der begünstigten öffentlichen Unternehmen oder bestimmter Anlagen
dieser Unternehmen, die Schließung unrentabler Werke, die Reduzierung
bestimmter Überkapazitäten und den Abbau von Arbeitsplätzen gegebenenfalls
begleitet von sozialen Maßnahmen, um ein Gleichgewicht zwischen den sozialen
Erwägungen und den mit der künftigen Rentabilität der betroffenen Unternehmen
in Zusammenhang stehenden Erfordernissen zu gewährleisten erleichtern sollen.
Diese verschiedenen Gesichtspunkte werden genau und im einzelnen dargelegt
(siehe Abschnitt II der Begründung der streitigen Entscheidungen). Aufgrund all
dieser Aspekte zielen die streitigen Entscheidungen darauf ab, die betroffenen
Unternehmen mit einer gesunden und rentablen Struktur zu versehen.
- 84.
- Unter diesen Umständen stellt die Behauptung, daß die fraglichen Beihilfen es
wahrscheinlich nicht ermöglichten, die erwarteten Ergebnisse zu erreichen, die
nur auf die Unwirksamkeit bestimmter früherer Beihilfen gestützt wird, ohne daß
die konkreten Umstrukturierungsmaßnahmen geprüft werden, die in den streitigen
Entscheidungen zur Sicherung der Lebensfähigkeit der begünstigten Unternehmen
vorgesehen sind nichts anderes als eine rein spekulative und hypothetische
Prognose dar. Was das Vorbringen der Klägerin in bezug auf Umstände betrifft,die nach dem Erlaß der angefochtenen Entscheidungen eingetreten sind und
insbesondere in der Mitteilung vom 21. Juni 1994 erwähnt werden, so ist dieses
jedenfalls selbst wenn es zutreffend sein sollte, was nicht feststeht für die
Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen, die durch nach ihrem Erlaß
eingetretene Umstände nicht beeinträchtigt werden kann, irrelevant.
- 85.
- Nachdem somit feststeht, daß die streitigen Entscheidungen tatsächlich darauf
abzielen, die Lebensfähigkeit der vorliegend begünstigten Unternehmen zu
gewährleisten, ist zu prüfen, ob diese Zielsetzung im Kontext der Krise, von der die
Stahlindustrie betroffen war (siehe oben, Randnrn. 77 bis 79), an den in den
Artikeln 2 und 3 des Vertrages bezeichneten Zielen ausgerichtet ist, auf die in der
Begründung der Entscheidungen ausdrücklich Bezug genommen wird.
- 86.
- Vorab ist darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung die Rolle der
Kommission in Anbetracht der Verschiedenartigkeit der im Vertrag festgelegten
Ziele darin besteht, diese verschiedenen Ziele ständig miteinander in Einklang zu
bringen, wobei sie von ihrem Ermessen Gebrauch macht, um zu einer Wahrung des
gemeinsamen Interesses zu gelangen (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 13. Juni
1958 in der Rechtssache 9/56, Meroni/Hohe Behörde, Slg. 1958, 11, 43, vom 21.
Juni 1958 in der Rechtssache 8/57, Groupement des hauts fourneaux et aciéries
belges/Hohe Behörde, Slg. 1958, 233, 252, und vom 29. September 1987 in den
Rechtssachen 351/85 und 360/85, Fabrique de fer de Charleroi und Dillinger
Hüttenwerke/Kommission, Slg. 1987, 3639, Randnr. 15). Insbesondere im Urteil
vom 18. März 1980 in den Rechtssachen 154/78, 205/78, 206/78, 226/78, 227/78,
228/78, 263/78, 264/78, 31/79, 39/79, 83/79 und 85/79 (Valsabbia u. a./Kommission,
Slg. 1980, 907, Randnr. 55) hat der Gerichtshof ausgeführt: „Wenn sich ein
Kompromiß zwischen den verschiedenen Zielen schon bei einer gewöhnlichen
Marktlage als notwendig erweist, so erst recht in einer Krisensituation, die zu
außerordentlichen Maßnahmen berechtigt, durch die von den normalen
Funktionsgesetzen des gemeinsamen Stahlmarktes abgewichen wird und die es
offensichtlich mit sich bringen, daß bestimmte Ziele des Artikels 3, und sei es nur
dasjenige des Buchstabens c, wonach auf die Bildung niedrigster Preise zu achten
ist, außer acht gelassen werden.“
- 87.
- Im vorliegenden Fall stellt das Gericht fest, daß die streitigen Entscheidungen
verschiedene Ziele des Vertrages miteinander in Einklang bringen, um wichtige
Interessen zu wahren. Die in den Entscheidungen genannten Maßnahmen der
Rationalisierung der europäischen Stahlindustrie durch Sanierung bestimmter
Konzerne, der Stillegung der veralteten oder wenig wettbewerbsfähigen Anlagen,
der Reduzierung der Überkapazitäten, der Privatisierung bestimmter Unternehmen,
um deren Lebensfähigkeit zu sichern, und des Abbaus von Arbeitsplätzen in einem,
wie es die Kommission ausdrückt, „vertretbaren“ Maß tragen nämlich zur
Erreichung der Ziele des Vertrages bei, berücksichtigt man die Sensibilität des
Stahlsektors und den Umstand, daß bei Fortbestand, wenn nicht Verschärfung der
Krise die Gefahr bestanden hätte, daß im Wirtschaftsleben der betreffenden
Mitgliedstaaten außergewöhnlich schwere und anhaltende Störungen hervorgerufen
worden wären. Es ist unstreitig, daß diesem Sektor in mehreren Mitgliedstaaten
wegen des Standorts der Stahlanlagen in Regionen, die durch Unterbeschäftigung
gekennzeichnet sind, und des Umfangs der in Frage stehenden wirtschaftlichen
Interessen wesentliche Bedeutung zukommt. In diesem Kontext hätten
Entscheidungen über Stillegungen und den Abbau von Arbeitsplätzen sowie die
Übernahme der Kontrolle über die betreffenden Unternehmen durch ausschließlich
nach marktwirtschaftlichen Gesetzen handelnde private Gesellschaften ohne
unterstützende behördliche Maßnahmen sehr ernste Schwierigkeiten für die
öffentliche Ordnung hervorrufen können, insbesondere durch eine Verschärfung
des Problems der Arbeitslosigkeit und die Gefahr der Schaffung einer größeren
wirtschaftlichen und sozialen Krisensituation.
- 88.
- Somit zielen die streitigen Entscheidungen, die derartige Schwierigkeiten durch die
Sanierung der betreffenden Stahlkonzerne lösen wollen, unbestreitbar darauf ab,
dafür zu sorgen, daß „keine Unterbrechung in der Beschäftigung eintritt“, und zu
vermeiden, „daß im Wirtschaftsleben der Mitgliedstaaten tiefgreifende und
anhaltende Störungen hervorgerufen werden“, wie es Artikel 2 Absatz 2 des
Vertrages verlangt. Außerdem verfolgen die Entscheidungen die in Artikel 3
verankerten Ziele u. a. in bezug auf die „[Erhaltung von] Voraussetzungen ..., die
einen Anreiz für die Unternehmen bieten, ihr Produktionspotential auszubauen und
zu verbessern“ (Buchstabe d), und die Förderung der „geordnete[n] Ausweitung
und Modernisierung der Erzeugung sowie [der] Verbesserung der Qualität in einer
Weise ..., die jede Schutzmaßnahme gegen Konkurrenzindustrien ausschließt“
(Buchstabe g). Sie zielen nämlich darauf ab, die europäische Stahlindustrie
insbesondere durch die endgültige Stillegung veralteter oder wenig
wettbewerbsfähiger Anlagen und durch die unwiederbringliche Kürzung der
Kapazitäten zur Produktion bestimmter Erzeugnisse zu rationalisieren, um die
durch Überkapazität gekennzeichnete Lage zu meistern (vgl. Artikel 2 der
streitigen Entscheidungen). Sie sind Teil eines Gesamtprogramms zur dauerhaften
Umstrukturierung des Stahlsektors und zur Reduzierung der
Produktionskapazitäten in der Gemeinschaft (siehe oben, Randnrn. 4 bis 6).
Dementsprechend besteht die Zielsetzung der fraglichen Beihilfen nicht darin, das
bloße Überleben des begünstigten Unternehmens zu sichern was mit dem
gemeinsamen Interesse unvereinbar wäre , sondern mit ihr soll dessen
Lebensfähigkeit wiederhergestellt werden, wobei die Auswirkung der Beihilfe auf
den Wettbewerb auf ein Mindestmaß beschränkt wird und auf die Einhaltung der
Grundsätze eines lauteren Wettbewerbs geachtet wird.
- 89.
- Daraus folgt, daß sich die streitigen Entscheidungen darauf beziehen, im Einklang
mit den Zielen des Vertrages das gemeinsame Interesse zu schützen. Die Ansicht
der Klägerin, die Entscheidungen seien mit den meisten der in den Artikeln 2 und
3 des Vertrages bezeichneten Zielen unvereinbar, ist daher zurückzuweisen.
- 90.
- Dem Vorbringen der Klägerin, die fraglichen Beihilfen seien für die Erreichung der
mit ihnen verfolgten Ziele nicht erforderlich, kann ebenfalls nicht gefolgt werden.
Aus den Akten ergibt sich nämlich, daß die fünf streitigen Entscheidungen Teil
eines Gesamtprogramms zur Umstrukturierung der Stahlindustrie und zur
Reduzierung der Produktionskapazität in der Gemeinschaft sind (siehe oben,
Randnrn. 4 bis 6). Der Kommission kann nicht vorgeworfen werden, im Rahmen
dieses Programms nicht auf andere Mittel zurückgegriffen zu haben, die angeblich
geringere Wettbewerbsverzerrungen als die betreffenden Beihilfen zur Folge hätten,
um die Lebensfähigkeit der betroffenen Unternehmen wiederherzustellen. Selbst
wenn Alternativlösungen denkbar und in der Praxis anwendbar gewesen wären, was
nicht feststeht, würde das Vorhandensein solcher Wahlmöglichkeiten für sich allein
nicht ausreichen, um darzutun, daß die fraglichen Beihilfen nicht erforderlich im
Sinne von Artikel 95 Absatz 1 des Vertrages sind, und um die Ungültigkeit der
streitigen Entscheidungen herbeizuführen, da bei der von der Kommission
gewählten Lösung weder ein offensichtlicher Beurteilungsfehler noch ein
Ermessensmißbrauch vorliegt. Es ist nämlich nicht Sache des Gerichts, die
Zweckmäßigkeit der von der Kommission getroffenen Wahl zu überprüfen, da das
Gericht andernfalls die Sachverhaltsbeurteilung der Kommission durch seine eigene
Beurteilung ersetzen würde.
- 91.
- Aus dem Vorstehenden folgt, daß die Klägerin kein überzeugendes Argument
vorbringt, das Zweifel daran wecken könnte, daß die streitigen Entscheidungen in
Einklang mit den in Artikel 95 Absätze 1 und 2 des Vertrages aufgestellten
Voraussetzungen erlassen worden sind.
Zum behaupteten Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot
- 92.
- Nach Ansicht der Klägerin ergibt sich der diskriminierende Charakter der streitigen
Entscheidungen insbesondere daraus, daß diese keinen ausreichenden
Kapazitätsabbau als Gegenleistung für die betreffenden Beihilfen vorschrieben und
es erlaubten, die Verschuldung der beihilfebegünstigten Unternehmen zu
verringern.
- 93.
- Was zunächst den Kapazitätsabbau betrifft, so muß nach der Rechtsprechung des
Gerichtshofes keine „genaue mengenmäßige Relation zwischen den
Beihilfebeträgen und den abzubauenden Produktionskapazitäten“ festgelegt werden
(vgl. Urteil Deutschland/Kommission, a. a. O., Randnr. 33). Im Gegenteil sind als
Faktoren, die die genauen Beträge der zu genehmigenden Beihilfen beeinflussen
können, „nicht nur die Anzahl der Tonnen abzubauender Produktionskapazität zu
berücksichtigen; es kommen vielmehr noch andere Elemente hinzu, die von einer
Region der Gemeinschaft zur anderen unterschiedlich sind“, wie z. B. die
Umstrukturierungsbemühungen, die durch die Krise der Stahlindustrie
hervorgerufenen regionalen und sozialen Probleme, die technische Entwicklung
sowie die Anpassung der Unternehmen an die Markterfordernisse (a. a. O.,
Randnr. 34). Daraus folgt, daß die Beurteilung der Kommission keiner
Nachprüfung unterzogen werden kann, die sich nur auf wirtschaftliche Kriterien
stützt. Die Kommission kann im Rahmen der Ausübung ihres Ermessens nach
Artikel 95 des Vertrages einem weiten Spektrum politischer, wirtschaftlicher oder
sozialer Erwägungen Rechnung tragen.
- 94.
- Im vorliegenden Fall ist festzustellen, daß die Kommission in den fünf streitigen
Entscheidungen ausdrücklich darauf hinweist, daß die fraglichen Beihilfen auf den
erforderlichen Mindestbetrag begrenzt werden müssen, damit die
Wettbewerbsbedingungen nicht in einem Maß geändert werden, das mit dem
gemeinsamen Interesse unvereinbar ist. Sie folgert daraus, daß Gegenleistungen
vorgesehen werden müßten, die im Hinblick auf die Höhe der ausnahmsweise
genehmigten Beihilfen angemessen seien, um einen wichtigen Beitrag zu den in
diesem Sektor durchzuführenden Strukturanpassungen zu leisten.
- 95.
- Demgemäß legt sie in Abschnitt V der Begründung der angefochtenen
Entscheidungen die Höhe, die Modalitäten und den Zeitplan der den begünstigten
Unternehmen auferlegten Stillegungen von Anlagen und Kapazitätskürzungen fest,
wobei sie gegebenenfalls auf den von dem betreffenden Mitgliedstaat mitgeteilten
Umstrukturierungsplan Bezug nimmt. In diesem Zusammenhang ist darauf
hinzuweisen, daß die Klägerin nichts dafür vorträgt, daß diese Stillegungen oder
Kapazitätskürzungen im Hinblick auf die Höhe der genehmigten Beihilfen und die
verfolgten Ziele nicht ausreichend sind.
- 96.
- Insbesondere ist der von der Klägerin vorgenommene Vergleich zwischen dem in
den streitigen Entscheidungen angewandten Kapazitätsabbau von 750 000
Jahrestonnen je Milliarde ECU an gewährter Beihilfe und dem bei Verhandlungen
zwischen der Kommission und dem öffentlichen italienischen Stahlunternehmen
Bresciani angesetzten Abbau von 516 000 t für 400 000 ECU an Beihilfen
irrelevant, weil er nicht die besondere Situation der vorliegend beihilfebegünstigten
Unternehmen und die Spezifität der streitigen Entscheidungen berücksichtigt, die,
wie bereits entschieden worden ist (siehe oben, Randnrn. 87 und 89), erlassen
wurden, um auf der Grundlage von Artikel 95 Absatz 1 des Vertrages einer
außergewöhnlichen Krisensituation zu begegnen. In diesem Zusammenhang ist die
Rüge, die meisten Stillegungen seien in diesen Entscheidungen für das Ende des
Zahlungszeitraums der Beihilfen vorgesehen worden, nicht begründet. Die
Kommission konnte nämlich bei der Festsetzung der Stillegungsfrist die Zielsetzung
dieser Beihilfen berücksichtigen, die auf die Wiederherstellung der Lebensfähigkeit
der betreffenden Unternehmen abzielten. Außerdem wurden die verlangten
Stillegungen nach den von der Kommission vorgelegten und von der Klägerin nicht
bestrittenen näheren Angaben jedenfalls z. B. von Sidenor vollständig und von
ILVA zu zwei Dritteln durchgeführt, obwohl erst ein sehr bescheidener Betrag der
Beihilfe gezahlt war.
- 97.
- Bezüglich des Vorbringens zur Kapazitätssteigerung von CSI, die aus
Neuinvestitionen resultiere, stellt das Gericht fest, daß diese Steigerung, die mit der
vorgeschlagenen Schaffung einer Warmwalzkapazität in Sestao zusammenhängt, auf
die sich die Klägerin bezieht, wenn sie die Kapazitätssteigerung von CSI geltend
macht, von dem Umstrukturierungsplan getrennt ist, der mit der Beihilfe
unterstützt wird, die in der dieses Unternehmen betreffenden streitigen
Entscheidung genehmigt wird (Abschnitt V erster Absatz der Begründung dieser
Entscheidung). Was die Kapazitätssteigerung von Siderurgia Nacional angeht, so
ergibt sich aus Artikel 2 der betreffenden Entscheidung entsprechend den
Erklärungen der Kommission, daß die Ersetzung des Hochofens im Werk von
Seixal durch einen Lichtbogenofen mit einer Kapazität von 900 000 t keine
Auswirkung auf die Verpflichtung dieses Unternehmens zum Abbau seiner
Produktionskapazität um 140 000 t warmgewalzte Erzeugnisse hat.
- 98.
- Schließlich ist auch das Argument zurückzuweisen, der Kapazitätsabbau von ILVA
sei in Höhe von 300 000 Jahrestonnen rein theoretisch. Insoweit ergibt sich aus den
Angaben der Kommission, daß sie für die Schließung des Werkes Bagnoli das
über eine höchste Erzeugung von 1,25 Mio. Jahrestonnen verfügte einen
Kapazitätsabbau von 300 000 Jahrestonnen angesetzt hat, weil die Produktion dort
eingestellt worden war. Mangels irgendeines gegenteiligen Anzeichens kann nicht
davon ausgegangen werden, daß es sich hierbei nicht um einen wirklichen
Kapazitätsabbau handelt, da der Abbau nicht anhand der tatsächlich vorhandenen
Produktion des Unternehmens, die konjunkturabhängig ist, sondern anhand dertatsächlichen Produktionskapazität zu bestimmen ist, die schnell und mit geringem
Kostenaufwand mobilisiert werden kann.
- 99.
- Unter diesen Umständen erlaubt nichts die Annahme, daß der in den streitigen
Entscheidungen angeordnete Kapazitätsabbau keine angemessene Gegenleistung
für die Gewährung der fraglichen Beihilfen darstellt, berücksichtigt man zum einen
die Höhe der Beihilfen und zum anderen sowohl die mit den Entscheidungen
verfolgten wirtschaftlichen und sozialen Ziele als auch das Erfordernis des Abbaus
der Produktionskapazität im Rahmen des bereits genannten, vom Rat genehmigten
Gesamtprogramms zur Umstrukturierung der Stahlindustrie.
- 100.
- Was sodann die Auswirkung der fraglichen Beihilfen auf den Wettbewerb betrifft,
so kann zwar jede Beihilfe ein Unternehmen gegenüber einem anderen
begünstigen, doch darf die Kommission Beihilfen nicht genehmigen, die „in einer
dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise zu
Wettbewerbsverzerrungen“ führen (vgl. Urteil Falck/Kommission, a. a. O.,
Randnr. 27). Konkret bedeutet die Verpflichtung der Kommission, im gemeinsamen
Interesse zu handeln, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht, daß sie
„ausnahmslos im Interesse aller zu handeln hat; denn sie ist nicht gehalten, in
Erfüllung ihrer Aufgabe nur dann zu handeln, wenn keinerlei Interessen
beeinträchtigt werden. Vielmehr muß sie bei ihrem Vorgehen die verschiedenen
Interessen abwägen und nachteilige Auswirkungen vermeiden, soweit es die zu
erlassende Entscheidung vernünftigerweise ermöglicht. Die Kommission kann von
ihrer Befugnis zum Erlaß von Entscheidungen im gemeinsamen Interesse so
Gebrauch machen, wie die Umstände es erfordern, selbst wenn bestimmte
Einzelinteressen hierdurch beeinträchtigt werden“ (Urteil Valsabbia
u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 49).
- 101.
- Vorliegend stellt das Gericht fest, daß die streitigen Entscheidungen die Gewährung
von Beihilfen genehmigen, die insbesondere der Überschuldung der betreffenden
Unternehmen abhelfen sollen, damit diese in die Lage versetzt werden, ihre
Lebensfähigkeit wiederzuerlangen (siehe Abschnitt II der Begründung der streitigen
Entscheidungen). Sie begrenzen die finanziellen Umstrukturierungsmaßnahmen auf
die erforderlichen Mindestbeträge, um nicht „die Handelsbedingungen in der
Gemeinschaft insbesondere angesichts der derzeitigen Schwierigkeiten auf dem
Stahlmarkt der Gemeinschaft ... in einer dem gemeinsamen Interesse
zuwiderlaufenden Weise“ zu beeinträchtigen (Abschnitt IV der Begründung der
streitigen Entscheidungen). Um den begünstigten Unternehmen nicht ungerechte
Vorteile gegenüber anderen Unternehmen des Sektors zu verschaffen, trägt die
Kommission in den angefochtenen Entscheidungen insbesondere dafür Sorge, daß
diese Unternehmen nicht von vornherein Nettozinslasten unterhalb von 3,5 % des
Jahresumsatzes (3,2 % bei AST, Acciai Speciali Terni) haben, was nach den
übereinstimmenden Angaben der Parteien der durchschnittlichen Verschuldung der
Stahlunternehmen in der Gemeinschaft entspricht. Allgemein stellen die streitigen
Entscheidungen in Artikel 2 eine Reihe von Bedingungen auf, die gewährleisten
sollen, daß die Finanzierungsbeihilfe auf das unbedingt Erforderliche begrenzt wird.
- 102.
- Unter diesen Umständen kann es nicht als mit dem gemeinsamen Interesse
unvereinbar angesehen werden, wenn die Verschuldung der begünstigten
Unternehmen auf ein Niveau verringert wird, das der durchschnittlichen
Verschuldung der Stahlunternehmen in der Gemeinschaft entspricht. Die
Kommission hat nämlich im Rahmen ihrer Beurteilung der verschiedenen
betroffenen Interessen die Erfordernisse berücksichtigt, die mit der für die
Wiederherstellung der Lebensfähigkeit der betreffenden Unternehmen notwendigen
finanziellen Sanierung in Zusammenhang stehen, wobei sie nachteilige
Auswirkungen für die anderen Wirtschaftsteilnehmer insoweit vermieden hat, als
der Gegenstand und die Zielsetzung der streitigen Entscheidung dies erlaubten.
- 103.
- Daraus folgt, daß die Rüge des Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot
unbegründet ist.
- 104.
- Daher ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.
Zum zweiten Klagegrund: der behauptete rückwirkende Charakter der streitigen
Entscheidungen
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
- 105.
- Die Klägerin trägt vor, die angefochtenen, am 12. April 1994 erlassenen und am
3. Mai 1994 veröffentlichten Entscheidungen hätten rückwirkenden Charakter, da
die Genehmigung der betreffenden Beihilfen im Anschluß an die vom Rat am 17.
Dezember 1993 erteilte Zustimmung als erteilt angesehen worden sei und die
betroffenen Mitgliedstaaten ihre Beihilfenprogramme von diesem Tag an
durchgeführt hätten. Dies werde insbesondere durch die Tatsache belegt, daß in
den Entscheidungen vorgesehen sei, daß jeder dieser Mitgliedstaaten am 15. März
1994 den ersten Bericht über das begünstigte Unternehmen und seine
Umstrukturierung vorlege. Diese Rückwirkung, für die die Kommission keine
befriedigende Rechtfertigung geliefert habe, beeinträchtige die Verteidigungsrechte,
da die Klägerin erst mit viermonatiger Verzögerung Klage habe erheben können.
Da außerdem Nichtigkeitsklagen gemäß Artikel 39 des Vertrages keine
aufschiebende Wirkung hätten, könnten sich die betroffenen Mitgliedstaaten auf
den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen, um sich einem
Rückerstattungsverlangen zu widersetzen.
- 106.
- Die Kommission entgegnet, die Verzögerung vom 17. Dezember 1993 bis zum 12.
April 1994 sei allein auf administrative Gründe zurückzuführen, was das auf 15.
März 1994 festgesetzte Datum für den ersten Bericht der betroffenen
Mitgliedstaaten erkläre, das in den Entscheidungsvorschlägen enthalten gewesen
sei, die dem Rat im Dezember 1993 vorgelegt worden seien. Außerdem habe der
Umstand, daß die Entscheidungen erst am 12. April 1994 ergangen seien, für die
Klägerin keine Folgen gehabt, da sie die Möglichkeit gehabt habe, die
Rechtmäßigkeit der Entscheidungen zu bestreiten, indem sie sich vor den
nationalen Gerichten auf die unmittelbare Wirkung von Artikel 4 Buchstabe c des
Vertrages berufe (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 23. April 1956 in den
Rechtssachen 7/54 und 9/54, Groupement des industries sidérurgiques
luxembourgeoises/Hohe Behörde, Slg. 1955, 55). Die Kommission macht weiter
geltend, daß sie, wenn die angefochtenen Entscheidungen vom Gericht für nichtig
erklärt würden, verpflichtet sei, die Rückerstattung der betreffenden Beihilfen zu
verlangen, um gemäß Artikel 34 des Vertrages die praktische Wirksamkeit des
Urteils des Gerichts zu gewährleisten (vgl. Urteil CIRFS u. a./Kommission,
a. a. O.). Jedenfalls habe der Klagegrund der Rechtswidrigkeit des rückwirkenden
Charakters der angefochtenen Entscheidungen keinen Bezug zur vorliegenden
Klage, die nur die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen und nicht eine etwaige
Haftung der Kommission betreffe.
Würdigung durch das Gericht
- 107.
- Es ist unstreitig, daß sich der Erlaß der streitigen Entscheidungen nach der
Zustimmung des Rates deutlich verzögert hat: Der Rat stimmte am 22. Dezember
1993 zu, während die Entscheidungen am 12. April 1994 erlassen wurden. Die
Kommission beschränkt sich darauf, „administrative Gründe“ geltend zu machen,
ohne dies genau zu begründen.
- 108.
- Daher ist festzustellen, ob diese Verzögerung die Rechte der Klägerin
beeinträchtigt hat.
- 109.
- Die EISA macht insoweit geltend, sie habe aufgrund dieser Verzögerung ihre
Nichtigkeitsklage gegen die streitigen Entscheidungen erst einreichen können,
nachdem die Beihilfen von den Mitgliedstaaten im Anschluß an die Zustimmung
des Rates wahrscheinlich bereits gewährt worden seien. Selbst wenn die Beihilfen
schon nach der Zustimmung des Rates gezahlt worden wären, was nicht feststeht,
wäre dieser Umstand jedoch nicht geeignet, der Klägerin einen angemessenen
Schutz ihrer Rechte zu nehmen. Denn wie die Kommission zutreffend bemerkt, hat
der Gerichtshof seit langem die unmittelbare Wirkung des in Artikel 4 Buchstabe
c des Vertrages aufgestellten Verbotes staatlicher Beihilfen anerkannt (vgl. Urteil
Groupement des industries sidérurgiques luxembourgeoises/Hohe Behörde, a. a. O.,
90 f.); die Klägerin hätte sich vor den nationalen Gerichten darauf berufen können,
um die Rechtswidrigkeit der Gewährung staatlicher Beihilfen vor ihrer
Genehmigung durch die Kommission feststellen zu lassen. Außerdem hat der
einzelne nach der Gemeinschaftsrechtsprechung die Möglichkeit, Schadensersatz
zu erhalten, wenn seine Rechte durch Verstoß eines Mitgliedstaats gegen das
Gemeinschaftsrecht verletzt worden sind, auch wenn es sich um Vorschriften mit
unmittelbarer Wirkung handelt (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 5. März 1996
in den Rechtssachen C-46/93 und C-48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame,
Slg. 1996, I-1029, Randnrn. 20 bis 36, und vom 8. Oktober 1996 in den
Rechtssachen C-178/94, C-179/94, C-188/94, C-189/94 und C-190/94, Dillenkofer
u. a., Slg. 1996, I-4845, Randnrn. 20 bis 29). Die Klägerin verfügte somit über einen
angemessenen Rechtsschutz.
- 110.
- Überdies ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, die behauptete Zahlung
der betreffenden Beihilfen vor Erlaß der streitigen Entscheidungen habe bei den
begünstigten Unternehmen ein berechtigtes Vertrauen in die Vereinbarkeit dieser
Beihilfen mit dem Vertrag hervorgerufen, auf das sie sich berufen könnten, wenn
die Kommission im Anschluß an die etwaige Nichtigerklärung der streitigen
Entscheidungen durch das Gericht von den Mitgliedstaaten die Rückforderung der
Beihilfen verlange. Dieses Vorbringen ist vorliegend irrelevant, da es in keinem
Zusammenhang mit der Rechtmäßigkeit der streitigen Entscheidungen steht.
- 111.
- Daraus folgt, daß die streitigen Entscheidungen nicht wegen des verzögerten
Erlasses durch die Kommission rechtswidrig sind.
- 112.
- Nach alledem ist die Klage bezüglich des Antrags auf Nichtigerklärung der
Entscheidung 94/256 gegenstandslos und im übrigen abzuweisen.
Kosten
- 113.
- Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag
zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Aus dem Vorstehenden folgt, daß die EISA
mit alleiniger Ausnahme des gegenstandslos gewordenen Antrags auf
Nichtigerklärung der Entscheidung 94/256 mit ihrem auf Nichtigerklärung der
streitigen Entscheidungen gerichteten Vorbringen unterlegen ist. Da die
Kommission und ihre Streithelferin ILVA einen entsprechenden Antrag gestellt
haben, wären der EISA grundsätzlich deren Kosten aufzuerlegen.
- 114.
- Bezüglich des Antrags auf Nichtigerklärung der Entscheidung 94/256 hat das
Gericht die Hauptsache teilweise für erledigt erklärt. Gemäß Artikel 87 § 6 der
Verfahrensordnung kann das Gericht nach freiem Ermessen über die Kosten
entscheiden, unter Berücksichtigung insbesondere des Umstands, daß zum einen
die angefochtene Entscheidung von der Beklagten nach Einreichung der
Nichtigkeitsklage aufgehoben wurde und zum anderen die Klägerin nicht die
Zwecklosigkeit einer Fortführung der Klage in diesem Punkt erkannt und, da sie
die Klage insoweit nicht zurückgenommen hat, nicht beantragt hat, die Kosten
wegen des Verhaltens der Kommission zum Teil dieser aufzuerlegen (siehe Artikel
87 § 5 Absatz 1 der Verfahrensordnung).
- 115.
- Ausgehend von der Annahme, daß die sechs angefochtenen Entscheidungen für die
Klägerin von gleicher Bedeutung waren, ist diese demnach zur Tragung von 5/6 der
Kosten der beklagten Kommission und der gesamten Kosten von ILVA zu
verurteilen.
- 116.
- Nach Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die
Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.
Folglich haben der Rat, die Bundesrepublik Deutschland und die Italienische
Republik als Streithelfer ihre eigenen Kosten zu tragen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Über den Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung 94/256/EGKS der
Kommission vom 12. April 1994 über ein Beihilfevorhaben von Deutschland
zugunsten des Stahlunternehmens EKO Stahl AG, Eisenhüttenstadt,
braucht nicht entschieden zu werden.
2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Klägerin wird zur Tragung von 5/6 der Kosten der Beklagten und der
gesamten Kosten der Streithelferin ILVA Laminati Piani SpA verurteilt.
4. Der Rat, die Bundesrepublik Deutschland und die Italienische Republik
tragen ihre eigenen Kosten.
SaggioKalogeropoulos
Tiili
Potocki Moura Ramos
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Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 24. Oktober 1997.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
A. Saggio