Language of document : ECLI:EU:T:2018:90

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

21. Februar 2018(*)

„Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in der Ukraine – Einfrieren von Geldern – Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen, deren Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren werden – Beibehaltung des Namens des Klägers auf der Liste – Begründungspflicht – Rechtsgrundlage – Tatsachengrundlage – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Verteidigungsrechte – Eigentumsrecht – Recht auf Schutz des guten Rufs – Verhältnismäßigkeit – Grundrechtsschutz, der dem in der Union gewährleisteten entspricht – Einrede der Rechtswidrigkeit“

In der Rechtssache T‑731/15

Sergiy Klyuyev, wohnhaft in Donetsk (Ukraine), Prozessbevollmächtigte: R. Gherson und T. Garner, Solicitors, sowie B. Kennelly, QC, und J. Pobjoy, Barrister,

Kläger,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch Á. de Elera-San Miguel Hurtado und J.‑P. Hix als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung erstens des Beschlusses (GASP) 2015/1781 des Rates vom 5. Oktober 2015 zur Änderung des Beschlusses 2014/119/GASP über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine (ABl. 2015, L 259, S. 23) und der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1777 des Rates vom 5. Oktober 2015 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 208/2014 über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine (ABl. 2015, L 259, S. 3), zweitens des Beschlusses (GASP) 2016/318 des Rates vom 4. März 2016 zur Änderung des Beschlusses 2014/119/GASP über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine (ABl. 2016, L 60, S. 76) und der Durchführungsverordnung (EU) 2016/311 des Rates vom 4. März 2016 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 208/2014 über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine (ABl. 2016, L 60, S. 1) sowie drittens des Beschlusses (GASP) 2017/381 des Rates vom 3. März 2017 zur Änderung des Beschlusses 2014/119/GASP über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine (ABl. 2017, L 58, S. 34) und der Durchführungsverordnung (EU) 2017/374 des Rates vom 3. März 2017 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 208/2014 über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine (ABl. 2017, L 58, S. 1), soweit der Name des Klägers auf der Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen belassen wurde, die diesen restriktiven Maßnahmen unterliegen,

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten G. Berardis (Berichterstatter) sowie der Richter D. Spielmann und Z. Csehi,

Kanzler: L. Grzegorczyk, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2017

folgendes

Urteil(1)

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die vorliegende Rechtssache fügt sich in den Rahmen der restriktiven Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen ein, die angesichts der Lage in der Ukraine nach der Unterdrückung der Demonstrationen auf dem Platz der Unabhängigkeit in Kiew (Ukraine) ergriffen wurden.

2        Am 5. März 2014 erließ der Rat der Europäischen Union den Beschluss 2014/119/GASP über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine (ABl. 2014, L 66, S. 26). Am selben Tag erließ der Rat die Verordnung (EU) Nr. 208/2014 über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine (ABl. 2014, L 66, S. 1).

3        Der Kläger, Herr Sergiy Klyuyev, ist ein ukrainischer Geschäftsmann und Bruder des ehemaligen Leiters des ukrainischen Präsidialamts, Herrn Andriy Klyuyev. Ferner ist er Mitglied der Verkhovna Rada (ukrainisches Parlament).

4        Die Erwägungsgründe 1 und 2 des Beschlusses 2014/119 lauten:

„(1)      Der Rat hat am 20. Februar 2014 jede Gewaltanwendung in der Ukraine auf das Schärfste verurteilt. Er forderte die sofortige Beendigung der Gewalt in der Ukraine und die uneingeschränkte Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten. Er rief die Regierung der Ukraine zu größter Zurückhaltung auf und appellierte an die Oppositionsführer, sich von denjenigen zu distanzieren, die zu radikalen Handlungen, einschließlich Gewaltanwendung, übergehen.

(2)      Der Rat hat am 3. März 2014 beschlossen, im Hinblick auf die Stärkung und Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit sowie die Achtung der Menschenrechte in der Ukraine restriktive Maßnahmen für das Einfrieren und die Einziehung von Vermögenswerten auf Personen, die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich identifiziert wurden, sowie auf für Menschenrechtsverletzungen verantwortliche Personen zu konzentrieren.“

5        In Art. 1 Abs. 1 und 2 des Beschlusses 2014/119 heißt es:

„(1)      Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die im Besitz oder im Eigentum der Personen, die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich identifiziert wurden, sowie der für Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine verantwortlichen Personen und der mit ihnen verbundenen, in der Liste im Anhang aufgeführten, natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen stehen oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren.

(2)      Den im Anhang aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen.“

6        Die Modalitäten des Einfrierens sind in den weiteren Absätzen dieses Artikels festgelegt.

7        Die Verordnung Nr. 208/2014 schreibt entsprechend dem Beschluss 2014/119 den Erlass von Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern vor und regelt die Modalitäten hierfür mit im Wesentlichen demselben Wortlaut wie der genannte Beschluss.

8        Die Namen der von dem Beschluss 2014/119 und der Verordnung Nr. 208/2014 betroffenen Personen stehen auf einer für beide Rechtsakte identischen Liste, die sich im Anhang des Beschlusses 2014/119 und im Anhang I der Verordnung Nr. 208/2014 befindet (im Folgenden: Liste) und in der die Gründe für die Eintragung angegeben werden.

9        Der Name des Klägers wurde mit den Identifizierungsinformationen „Geschäftsmann, Bruder von [Andriy Klyuyev]“ und folgender Begründung in die Liste aufgenommen:

„Person ist in der Ukraine Gegenstand von Ermittlungen wegen der Beteiligung an Straftaten im Zusammenhang mit der Veruntreuung öffentlicher Gelder der Ukraine und des illegalen Transfers dieser Gelder in das Ausland.“

10      Mit Klageschrift, die am 12. Mai 2014 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob der Kläger eine unter dem Aktenzeichen T‑341/14 in das Register eingetragene Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses 2014/119 und der Verordnung Nr. 208/2014, soweit sie ihn betrafen.

11      Am 29. Januar 2015 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2015/143 zur Änderung des Beschlusses 2014/119 (ABl. 2015, L 24, S. 16) und die Verordnung (EU) 2015/138 zur Änderung der Verordnung Nr. 208/2014 (ABl. 2015, L 24, S. 1).

12      Mit dem Beschluss 2015/143 wurden mit Wirkung ab dem 31. Januar 2015 die Benennungskriterien für die vom Einfrieren von Geldern betroffenen Personen präzisiert. Dabei wurde Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2014/119 durch folgenden Text ersetzt:

„(1)      Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die im Besitz oder im Eigentum der Personen, die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich identifiziert wurden, sowie der für Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine verantwortlichen Personen und der mit ihnen verbundenen, in der Liste im Anhang aufgeführten, natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen stehen oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren.

Für die Zwecke dieses Beschlusses zählen zu Personen, die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich erklärt wurden, Personen, die Gegenstand von Untersuchungen der ukrainischen Behörden sind

a)      wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte der Ukraine oder wegen Beihilfe hierzu oder

b)      wegen Amtsmissbrauchs als Inhaber eines öffentlichen Amtes, um sich selbst oder einer dritten Partei einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen und wodurch ein Verlust staatlicher Gelder oder Vermögenswerte der Ukraine verursacht wird, oder wegen Beihilfe hierzu.“

13      Mit der Verordnung 2015/138 wurde die Verordnung Nr. 208/2014 entsprechend dem Beschluss 2015/143 geändert.

14      Der Beschluss 2014/119 und die Verordnung Nr. 208/2014 wurden später durch den Beschluss (GASP) 2015/364 des Rates vom 5. März 2015 (ABl. 2015, L 62, S. 25) und die Durchführungsverordnung (EU) 2015/357 des Rates vom 5. März 2015 zur Durchführung der Verordnung Nr. 208/2014 (ABl. 2015, L 62, S. 1) geändert. Der Beschluss 2015/364 änderte Art. 5 des Beschlusses 2014/119 dahin, dass die restriktiven Maßnahmen gegen den Kläger bis zum 6. Juni 2015 verlängert wurden. Die Durchführungsverordnung 2015/357 ersetzte dementsprechend Anhang I der Verordnung Nr. 208/2014.

15      Mit dem Beschluss 2015/364 und der Durchführungsverordnung 2015/357 wurde der Name des Klägers mit den Identifizierungsinformationen „Bruder von [Andriy Klyuyev], Geschäftsmann“ und mit folgender neuer Begründung auf der Liste belassen:

„Person ist Gegenstand von Untersuchungen seitens der ukrainischen Behörden wegen der Beteiligung an der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte und an dem Amtsmissbrauch als Inhaber eines öffentlichen Amtes, um sich selbst oder einer dritten Partei einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen und wodurch ein Verlust staatlicher Gelder oder Vermögenswerte der Ukraine verursacht wird. Person ist verbunden mit einer benannten Person [(Andriy Petrovych Klyuyev)], die Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung seitens der ukrainischen Behörden wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte ist.“

16      Am 5. Juni 2015 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2015/876 zur Änderung des Beschlusses 2014/119 (ABl. 2015, L 142, S. 30) und die Durchführungsverordnung (EU) 2015/869 zur Durchführung der Verordnung Nr. 208/2014 (ABl. 2015, L 142, S. 1). Der Beschluss 2015/876 ersetzte zum einen Art. 5 des Beschlusses 2014/119, indem die restriktiven Maßnahmen gegen den Kläger bis zum 6. Oktober 2015 verlängert wurden, und änderte zum anderen den Anhang des Beschlusses 2014/119. Die Durchführungsverordnung 2015/869 änderte dementsprechend Anhang I der Verordnung Nr. 208/2014.

17      Mit dem Beschluss 2015/876 und der Durchführungsverordnung 2015/869 wurde der Name des Klägers mit den Identifizierungsinformationen „Bruder von [Andriy Klyuyev], Geschäftsmann“ und mit folgender neuer Begründung auf der Liste belassen:

„Person ist Gegenstand von Ermittlungen seitens der ukrainischen Behörden wegen der Beteiligung an der Veruntreuung öffentlicher Gelder. Person ist verbunden mit einer benannten Person ([Andriy Petrovych Klyuyev]), die Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung seitens der ukrainischen Behörden wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte ist.“

18      Mit Schreiben vom 31. Juli 2015 übersandte der Rat dem Kläger ein auf den 26. Juni 2015 datiertes Schreiben, [vertraulich](2). In diesem Schreiben informierte der Rat den Kläger darüber, dass er beabsichtige, die restriktiven Maßnahmen in Bezug auf ihn beizubehalten, und teilte ihm die Frist zur Abgabe einer Stellungnahme mit. Mit Schreiben vom 31. August 2015 nahm der Kläger Stellung.

19      Am 5. Oktober 2015 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2015/1781 zur Änderung des Beschlusses 2014/119 (ABl. 2015, L 259, S. 23) und die Durchführungsverordnung (EU) 2015/1777 zur Durchführung der Verordnung Nr. 208/2014 (ABl. 2015, L 259, S. 3) (im Folgenden zusammen: Rechtsakte vom Oktober 2015). Der Beschluss 2015/1781 ersetzte zum einen Art. 5 des Beschlusses 2014/119, indem die restriktiven Maßnahmen gegen den Kläger bis zum 6. März 2016 verlängert wurden, und änderte zum anderen den Anhang des Beschlusses 2014/119. Die Durchführungsverordnung 2015/1777 änderte dementsprechend Anhang I der Verordnung Nr. 208/2014.

20      Mit dem Beschluss 2015/1781 und der Durchführungsverordnung 2015/1777 wurde der Name des Klägers mit den Identifizierungsinformationen „Bruder von [Andriy Klyuyev], Geschäftsmann“ und mit folgender neuer Begründung auf der Liste belassen:

„Person ist Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung seitens der ukrainischen Behörden wegen der Beteiligung an der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte. Person ist verbunden mit einer benannten Person ([Andriy Petrovych Klyuyev]), die Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung seitens der ukrainischen Behörden wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte ist.“

21      Mit Schreiben vom 6. Oktober 2015 übermittelte der Rat den Rechtsanwälten des Klägers eine Kopie der Rechtsakte vom Oktober 2015, teilte ihnen mit, dass der Name des Klägers auf der Liste belassen werde, und beantwortete ihre Stellungnahme vom 31. August 2015. Außerdem fügte der Rat diesem Schreiben als Anlage ein weiteres, auf den 3. September 2015 datiertes Schreiben [vertraulich] bei.

 Ereignisse nach Erhebung der vorliegenden Klage

22      Mit Schreiben vom 15. Dezember 2015 übersandte der Rat dem Kläger ein auf den 1. Dezember 2015 datiertes Schreiben [vertraulich], in dem er ihm die Frist zur Abgabe einer Stellungnahme mitteilte.

23      Mit Urteil vom 28. Januar 2016, Klyuyev/Rat (T‑341/14, EU:T:2016:47), erklärte das Gericht den Beschluss 2014/119 und die Verordnung Nr. 208/2014, soweit sie den Kläger betrafen, für nichtig.

24      Am 4. März 2016 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2016/318 zur Änderung des Beschlusses 2014/119 (ABl. 2016, L 60, S. 76) und die Durchführungsverordnung (EU) 2016/311 zur Durchführung der Verordnung Nr. 208/2014 (ABl. 2016, L 60, S. 1) (im Folgenden zusammen: Rechtsakte vom März 2016).

25      Durch die Rechtsakte vom März 2016 wurden die restriktiven Maßnahmen u. a. gegen den Kläger bis zum 6. März 2017 verlängert, ohne dass die Begründung für seine Benennung gegenüber der in den Rechtsakten vom Oktober 2015 enthaltenen Begründung geändert wurde.

26      Mit Schreiben vom 7. März 2016 unterrichtete der Rat den Kläger, dass die gegen ihn getroffenen restriktiven Maßnahmen aufrechterhalten blieben. Ferner beantwortete der Rat die in den vorangegangenen Schreiben enthaltenen Stellungnahmen des Klägers und übermittelte ihm die Rechtsakte vom März 2016.

27      Mit Schreiben vom 12. Dezember 2016 teilte der Rat den Rechtsanwälten des Klägers mit, dass er beabsichtige, die restriktiven Maßnahmen gegen den Kläger zu verlängern, und fügte als Anlage zwei Schreiben [vertraulich] vom 25. Juli 2016 und vom 16. November 2016 (im Folgenden: Schreiben vom 25. Juli 2016 und vom 16. November 2016) bei, wobei er auf die Frist zur Stellungnahme im Hinblick auf die jährliche Überprüfung der restriktiven Maßnahmen hinwies. Mit Schreiben vom 12. Januar 2017 nahm der Kläger gegenüber dem Rat Stellung.

28      Am 3. März 2017 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2017/381 zur Änderung des Beschlusses 2014/119 (ABl. 2017, L 58, S. 34) und die Durchführungsverordnung (EU) 2017/374 zur Durchführung der Verordnung Nr. 208/2014 (ABl. 2017, L 58, S. 1) (im Folgenden zusammen: Rechtsakte vom März 2017).

29      Durch die Rechtsakte vom März 2017 wurden die restriktiven Maßnahmen u. a. gegen den Kläger bis zum 6. März 2018 verlängert, ohne dass die Begründung für seine Benennung gegenüber der in den Rechtsakten vom Oktober 2015 und vom März 2016 enthaltenen Begründung geändert wurde.

30      Mit Schreiben vom 6. März 2017 unterrichtete der Rat den Kläger, dass die gegen ihn getroffenen restriktiven Maßnahmen aufrechterhalten blieben. Außerdem beantwortete der Rat die in den vorangegangenen Schreiben enthaltenen Stellungnahmen des Klägers und übermittelte ihm die Rechtsakte vom März 2017. Ferner teilte er ihm die Frist zur Abgabe einer Stellungnahme vor der Entscheidung über die etwaige Beibehaltung seines Namens auf der Liste mit.

 Verfahren und Anträge der Parteien

31      Der Kläger hat mit Klageschrift, die am 12. Dezember 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

32      Der Rat hat am 9. März 2016 die Klagebeantwortung eingereicht. Am selben Tag hat er gemäß Art. 66 der Verfahrensordnung des Gerichts einen begründeten Antrag gestellt, den Inhalt bestimmter Anlagen zur Klageschrift sowie den Inhalt einer Anlage zur Klagebeantwortung in den öffentlich zugänglichen Unterlagen der vorliegenden Rechtssache nicht zu zitieren.

33      Am 29. April 2016 ist die Erwiderung eingegangen.

34      Am 13. Mai 2016 hat der Kläger auf der Grundlage von Art. 86 der Verfahrensordnung einen ersten Anpassungsschriftsatz eingereicht, um auch die Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2016 zu beantragen, soweit sie ihn betrafen.

35      Am 27. Juni 2016 ist die Gegenerwiderung eingegangen.

36      Der Rat hat am 5. Juli 2016 zum ersten Anpassungsschriftsatz Stellung genommen.

37      Das schriftliche Verfahren ist am 11. Juli 2016 abgeschlossen worden.

38      Mit Schriftsatz, der am 26. Juli 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger beantragt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

39      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Sechsten Kammer zugeteilt worden, der deshalb die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist.

40      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Sechste Kammer) beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen.

41      Mit Schreiben vom 24. Februar 2017 hat der Kläger eine Vertagung der für den 6. April 2017 anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt. Am 1. März 2017 hat der Präsident der Sechsten Kammer des Gerichts diesem Antrag stattgegeben und beschlossen, die mündliche Verhandlung auf den 18. Mai 2017 zu vertagen.

42      Am 4. Mai 2017 hat der Kläger einen zweiten Anpassungsschriftsatz eingereicht, um die Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2017 zu beantragen, soweit sie ihn betrafen.

43      Der Rat hat mit am 8. Mai 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schreiben zum einen eine Verlängerung der Frist für die Einreichung einer Stellungnahme zum zweiten Anpassungsschriftsatz und zum anderen gegebenenfalls die Vertagung der für den 18. Mai 2017 anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt. Am 10. Mai 2017 hat der Präsident der Sechsten Kammer des Gerichts beschlossen, die mündliche Verhandlung auf den 28. Juni 2017 zu vertagen.

44      Der Rat hat am 14. Juni 2017 zum zweiten Anpassungsschriftsatz Stellung genommen.

45      Der Kläger hat mit am 15. Juni 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schreiben gemäß Art. 85 Abs. 3 der Verfahrensordnung beantragt, eine Kopie der Entscheidung [vertraulich] vom 5. März 2016, [vertraulich] auszusetzen, in die Akte aufzunehmen.

46      Am 16. Juni 2017 hat der Rat einen dem oben in Rn. 32 aufgeführten Antrag entsprechenden Antrag gestellt, den Inhalt bestimmter Anlagen zum zweiten Anpassungsschriftsatz sowie den Inhalt der Stellungnahme zu diesem Schriftsatz in den öffentlich zugänglichen Unterlagen der vorliegenden Rechtssache nicht zu zitieren.

47      Mit Schreiben, das am 23. Juni 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Rat die Unzulässigkeit des Beweisangebots des Klägers wegen Verspätung geltend gemacht.

48      In der Sitzung vom 28. Juni 2017 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

49      In Anbetracht des ersten und des zweiten Anpassungsschriftsatzes beantragt der Kläger,

–        die Rechtsakte vom Oktober 2015, vom März 2016 und vom März 2017 für nichtig zu erklären, soweit sie ihn betreffen;

–        dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

50      Nach den in der mündlichen Verhandlung in Beantwortung von Fragen des Gerichts vorgetragenen Erläuterungen beantragt der Rat,

–        die Klage abzuweisen;

–        hilfsweise, sofern die Rechtsakte vom März 2017, soweit sie den Kläger betreffen, für nichtig erklärt werden sollten, anzuordnen, dass die Wirkungen des Beschlusses 2017/381 bis zum Wirksamwerden der teilweisen Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung 2017/374 fortbestehen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Rechtsakte vom Oktober 2015 und vom März 2016, soweit sie den Kläger betreffen

51      Der Kläger stützt seine Nichtigkeitsklage in der Klageschrift auf fünf Gründe, mit denen er erstens eine fehlende Rechtsgrundlage, zweitens einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, drittens eine Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, viertens das Fehlen einer angemessenen Begründung sowie fünftens eine Verletzung des Eigentumsrechts und des Rechts auf Schutz des guten Rufs rügt. Im Rahmen des ersten Anpassungsschriftsatzes hat er gegen die Rechtsakte vom März 2016 einen von ihm als neu eingestuften Klagegrund geltend gemacht, der einen Verstoß gegen die Rechte aus Art. 6 EUV in Verbindung mit den Art. 2 und 3 EUV sowie aus den Art. 47 und 48 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) betrifft.

52      Hilfsweise erhebt der Kläger eine Einrede der Rechtswidrigkeit gemäß Art. 277 AEUV im Hinblick auf das Benennungskriterium in Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2014/119 in der durch den Beschluss 2015/143 geänderten Fassung und in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 208/2014 in der durch die Verordnung 2015/138 geänderten Fassung (im Folgenden: maßgebliches Kriterium). Er macht geltend, das maßgebliche Kriterium habe keine geeignete Rechtsgrundlage oder sei gemessen an den Zielen der in Rede stehenden Rechtsakte unverhältnismäßig und sei daher in Bezug auf ihn für unanwendbar zu erklären.

53      Zuerst ist der vierte Klagegrund, dann der erste und die übrigen Klagegründe in der in der Klageschrift angegebenen Reihenfolge, anschließend der in der ersten Anpassung der Klageschrift geltend gemachte Klagegrund und schließlich die vom Kläger hilfsweise erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit zu prüfen.

[nicht wiedergegeben]

 Zum zweiten Klagegrund, mit dem im Wesentlichen ein offensichtlicher Beurteilungsfehler gerügt wird

86      Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, dem Rat sei ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, als er davon ausgegangen sei, dass das maßgebliche Kriterium in seinem Fall erfüllt sei. Die Erklärungen [vertraulich], die der Rat ohne vorherige Prüfung und ohne Berücksichtigung der vom Kläger hervorgehobenen Unrichtigkeiten akzeptiert habe, bildeten keine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage für seine Benennung, obwohl der Rat unter Berücksichtigung seiner Stellungnahme und der von ihm vorgelegten entlastenden Beweismittel die Stichhaltigkeit der gegen den Kläger angeführten Begründung hätte nachweisen müssen. Der Rat sei verpflichtet gewesen, zusätzliche Überprüfungen vorzunehmen und den Drittstaat um Übermittlung zusätzlicher Beweismittel zu ersuchen. Dies gelte umso mehr, wenn es um die Verlängerung restriktiver Maßnahmen gehe. Außerdem gebe es keinerlei Beweis dafür, dass der Kläger in irgendeiner Weise mit seinem Bruder, Herrn Andriy Klyuyev, „verbunden“ sei und dass dieser als für eine Veruntreuung öffentlicher Gelder verantwortlich identifiziert worden sei. Der Umstand, dass er ein Mitglied seiner Familie sei, reiche nicht aus. Ferner habe der Rat den Kläger einer Reihe restriktiver Maßnahmen von ungewöhnlich kurzer Dauer unterworfen, was auf Bedenken des Rates im Hinblick auf die zur Rechtfertigung längerer Maßnahmen erforderlichen Beweise hinweise.

87      Zunächst seien die Schreiben vom 26. Juni und 3. September 2015 – in Bezug auf die Rechtsakte vom Oktober 2015 – sowie das Schreiben vom 1. Dezember 2015 – in Bezug auf die Rechtsakte vom März 2016 – [vertraulich] die einzigen vom Rat vorgelegten Beweise, und sie seien ihrerseits nicht durch andere genaue und konkrete Beweise gestützt. Außerdem sei der Rat auch den Nachweis schuldig geblieben, dass die in diesen Schreiben behaupteten Tatsachen [vertraulich] geeignet seien, die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine in Frage zu stellen.

88      Zwar könne nach der Rechtsprechung das Vorliegen einer von nationalen Behörden eines Drittstaats durchgeführten Untersuchung wegen Veruntreuung für die Erfüllung des Benennungskriteriums ausreichen. Diese Untersuchung müsse jedoch in einem gerichtlichen Kontext durchgeführt werden. Insoweit könne [vertraulich] nicht als Justizbehörde angesehen werden. Wäre dieses Kriterium weiter auszulegen, würden zum einen der betroffenen Person die wesentlichen mit der Prüfung durch eine Justizbehörde verbundenen Garantien vorenthalten, und zum anderen würde dies darauf hinauslaufen, dass den nationalen ukrainischen Behörden die Befugnis übertragen würde, die Personen, die von den in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen erfasst werden sollten, nach ihrem Gutdünken auszuwählen.

89      Zum Nachweis dafür, dass die im Schreiben vom 3. September 2015 enthaltenen Angaben, die sich nicht von den im Schreiben vom 26. Juni 2015 enthaltenen unterschieden, unzulänglich seien, stützt sich der Kläger auf ein Rechtsgutachten eines Professors der Rechtswissenschaften der Universität Kiew, wonach die gegen den Kläger eingeleitete Strafverfolgung nicht gerechtfertigt sei. Unter Bezugnahme auf ein von einem anderen Professor der Rechtswissenschaften erstelltes weiteres Rechtsgutachten macht der Kläger ferner eine schwerwiegende Verletzung seiner Verfahrensrechte durch [vertraulich] im Rahmen [vertraulich] geltend. Gemäß der ukrainischen Strafprozessordnung könne er daher nicht als Person, gegen die „eine strafrechtliche Verfolgung“ eingeleitet worden sei, angesehen werden. Diese Gutachten enthalten nach Ansicht des Klägers objektive und detaillierte Beweise, die vom Rat ohne Mühe hätten überprüft werden können.

90      Sodann weist der Kläger auf mehrere, von [vertraulich] geäußerte Ungenauigkeiten und falsche Aussagen in Bezug auf die ihn betreffenden Untersuchungen hin, was Zweifel an dessen Glaubwürdigkeit hervorrufe. In einem Beschluss vom 11. Dezember 2014 habe das Oberlandesgericht Wien in einem das Einfrieren von Vermögenswerten des Klägers in Österreich betreffenden Verfahren festgestellt, dass die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen nicht hinreichend belegt gewesen seien und auf Vermutungen zu beruhen schienen. Dies sei durch ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Wien vom 4. April 2016, in dem die Einstellung des Strafverfahrens gegen den Kläger mitgeteilt worden sei, bestätigt worden.

91      Außerdem würden alle von [vertraulich] geäußerten Anschuldigungen in einem Bericht über eine unabhängige Untersuchung der Geschäftstätigkeit des Klägers und der von dem Strafverfahren betroffenen Gesellschaft widerlegt. Auch ergebe sich aus einem von der Staatlichen Finanzaufsicht (SFA) der Ukraine für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 17. Juni 2014 erstellten Auditbericht vom 28. Juli 2014 über die finanziellen und geschäftlichen Tätigkeiten dieser Gesellschaft keinerlei Rechtsverstoß oder Fehlverhalten durch diese Gesellschaft.

92      Weiterhin habe der Rat nicht den Umstand berücksichtigt, dass die neue Regierung der Ukraine selbst die Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte – sowohl speziell in Bezug auf den Kläger als auch allgemein – beeinträchtige.

93      Hinsichtlich seiner besonderen Situation macht der Kläger geltend, er sei Opfer politischer Verfolgung gewesen, da die ukrainischen Behörden ungerechtfertigte und missbräuchliche Ermittlungen gegen ihn eingeleitet und gegen sein Recht auf Unschuldsvermutung verstoßen hätten. Dieser Verstoß werde durch die Schreiben [vertraulich], auf die sich der Rat stütze, bewiesen, da nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) auch [vertraulich] diesen Grundsatz zu beachten und davon Abstand zu nehmen hätten, strafrechtlich verfolgte Personen öffentlich zu beschuldigen.

94      Ferner erläutert der Kläger die verschiedenen, dem Beschluss der Verkhovna Rada über die Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität vorangegangenen Etappen und macht – u. a. unter Berufung auf ein Rechtsgutachten eines anderen Professors der Rechtswissenschaften – geltend, dass jedes Stadium des Verfahrens zur Aufhebung seiner Immunität durch Unregelmäßigkeiten geprägt gewesen sei und der abschließende Beschluss rechtswidrig sei.

95      Zur allgemeinen Lage in der Ukraine macht der Kläger geltend, die neue Regierung habe konkrete Maßnahmen ergriffen, die die geordnete Rechtspflege in diesem Land untergraben und die Rechtsstaatlichkeit beeinträchtigt hätten. Wie der mit der Beobachtung der Menschenrechte in der Ukraine beauftragte Hohe Kommissar der Vereinten Nationen (im Folgenden: Hoher Kommissar) in einem Bericht für den Zeitraum vom 16. Februar bis zum 15. Mai 2015 bestätigt habe, seien die ukrainischen Richter nicht unabhängig und Bedrohungen ausgesetzt, die ihre Unparteilichkeit beeinträchtigten, insbesondere im Hinblick auf die Verfolgung von Beamten der vorangegangenen Regierung. Ähnliche Feststellungen seien in einem Bericht des State Department (Außenministerium) der Vereinigten Staaten von Amerika zur Lage in der Ukraine im Jahr 2015 getroffen worden. Die Tatsache allein, dass die Ukraine eine Vertragspartei der EMRK sei, gewährleiste nicht, dass die Grundrechte in diesem Land geachtet würden.

96      Der Kläger bezieht sich außerdem auf ein ukrainisches Gesetz vom Oktober 2014, das sogenannte „Lustrationsgesetz“, wonach bestimmte Personen, darunter Richter und Staatsanwälte, wegen ihres früheren Verhaltens, insbesondere dann, wenn dieses für den ehemaligen Präsidenten, Herrn Viktor Yanukovych, günstig gewesen sei, ihrer Ämter innerhalb der Verwaltung enthoben werden könnten. Die schwerwiegenden Unzulänglichkeiten dieses Gesetzes seien in einer vorläufigen Stellungnahme der Venedig-Kommission vom 16. Dezember 2014 festgestellt worden. Diese Kommission habe zudem in einer zusammen mit der Direktion für Menschenrechte des Europarates erstellten Stellungnahme vom 23. März 2015 ihre Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der Richter in der Ukraine zum Ausdruck gebracht.

97      Das Bestehen systemimmanenter Probleme innerhalb [vertraulich] werde durch den Rücktritt des Generalstaatsanwalts, Herrn Viktor Shokin, bestätigt, zu dem es am 19. Februar 2016 auf Druck des Präsidenten, Herrn Petro Porochenko, im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen gekommen sei, wobei dieser Rücktritt u. a. vom Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika begrüßt worden sei.

98      Schließlich weist der Kläger darauf hin, dass es in Anbetracht zum einen des Zeitraums, über den der Rat verfügt habe, um Beweise und Informationen zur Rechtfertigung der Beibehaltung seines Namens auf der in Rede stehenden Liste vorzulegen oder zu überprüfen, und in Anbetracht zum anderen der vom Kläger sowohl vor dem Gericht als auch vor dem Rat vorgelegten Beweise für die Unzulänglichkeiten der vom Rat herangezogenen Beweise gerade im vorliegenden Fall erforderlich gewesen sei, dass der Rat eine strenge, umfassende und eingehende Überprüfung vornehme und sich vergewissere, dass jede Entscheidung über den Erlass einer restriktiven Maßnahme auf der Grundlage einer hinreichend gesicherten Tatsachengrundlage erfolge.

99      Der Rat tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

100    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Rat zwar in Bezug auf die allgemeinen Kriterien, die beim Erlass restriktiver Maßnahmen zu berücksichtigen sind, über ein weites Ermessen verfügt. Die durch Art. 47 der Charta garantierte Wirksamkeit der gerichtlichen Kontrolle erfordert jedoch, dass der Unionsrichter, wenn er die Rechtmäßigkeit der Begründung prüft, die der Entscheidung zugrunde liegt, den Namen einer bestimmten Person in die Liste der restriktiven Maßnahmen unterliegenden Personen aufzunehmen oder darin zu belassen, sich vergewissert, dass diese Entscheidung, die eine individuelle Betroffenheit dieser Person begründet, auf einer hinreichend gesicherten tatsächlichen Grundlage beruht. Dies setzt eine Überprüfung der Tatsachen voraus, die in der Begründung dieser Entscheidung angeführt werden, so dass sich die gerichtliche Kontrolle nicht auf die Beurteilung der abstrakten Wahrscheinlichkeit der angeführten Gründe beschränkt, sondern auf die Frage erstreckt, ob diese Gründe – oder zumindest einer von ihnen, der für sich genommen als ausreichend angesehen wird, um die betreffende Entscheidung zu stützen – hinreichend genau und konkret belegt sind (vgl. Urteil vom 15. September 2016, Klyuyev/Rat, T‑340/14, EU:T:2016:496, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

101    Nach der Rechtsprechung ist der Rat nicht verpflichtet, von Amts wegen und systematisch eigene Untersuchungen oder Nachprüfungen zur Erlangung ergänzender Informationen durchzuführen, wenn er für den Erlass restriktiver Maßnahmen gegenüber Personen, die aus einem Drittstaat stammen und dort Gegenstand gerichtlicher Verfahren sind, bereits über von den Behörden dieses Drittstaats vorgelegte Beweise verfügt (Urteil vom 30. Juni 2016, Al Matri/Rat, T‑545/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:376, Rn. 57).

102    Insoweit ist festzustellen, dass es sich bei der Generalstaatsanwaltschaft (GSA) um eine der höchsten Justizbehörden der Ukraine handelt. Sie wirkt in diesem Land als Staatsanwaltschaft an der Strafrechtspflege mit und führt im Rahmen von Strafverfahren im Zusammenhang u. a. mit der Veruntreuung öffentlicher Gelder Voruntersuchungen durch (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. September 2016, Yanukovych/Rat, T‑346/14, EU:T:2016:497, Rn. 45 und 111).

103    Zwar lässt sich aus der Rechtsprechung zu im Rahmen der Terrorismusbekämpfung erlassenen restriktiven Maßnahmen im Wege der Analogie ableiten, dass der Rat im vorliegenden Fall die Beweise, die ihm die ukrainischen Behörden, [vertraulich], übermittelt hatten, im Licht insbesondere der Stellungnahme des Klägers und der ihr gegebenenfalls beigefügten entlastenden Beweismittel sorgfältig und unparteiisch prüfen musste. Im Übrigen ist der Rat beim Erlass restriktiver Maßnahmen verpflichtet, den Grundsatz der guten Verwaltung im Sinne von Art. 41 der Charta zu wahren, der nach ständiger Rechtsprechung die Verpflichtung des zuständigen Organs umfasst, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (vgl. entsprechend Urteil vom 30. Juni 2016, Al Matri/Rat, T‑545/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:376, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

104    Aus der Rechtsprechung ergibt sich jedoch außerdem, dass bei der Beurteilung der Natur, der Art und der Intensität des Beweises, der vom Rat verlangt werden kann, die Natur und der konkrete Umfang der restriktiven Maßnahmen sowie ihr Zweck zu berücksichtigen sind (vgl. Urteil vom 30. Juni 2016, Al Matri/Rat, T‑545/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:376, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

105    Der Beschluss 2014/119 fügt sich, wie sich aus seinen Erwägungsgründen 1 und 2 ergibt, in den allgemeineren Rahmen einer Politik der Union zur Unterstützung der ukrainischen Behörden ein, die die politische Stabilisierung der Ukraine begünstigen soll. Er entspricht somit den Zielen der GASP, die u. a. in Art. 21 Abs. 2 Buchst. b EUV definiert sind, wonach sich die Union für eine internationale Zusammenarbeit einsetzt, um Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die Menschenrechte und die Grundsätze des Völkerrechts zu festigen und zu fördern (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 30. Juni 2016, Al Matri/Rat, T‑545/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:376, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

106    In diesem Rahmen sehen die streitigen restriktiven Maßnahmen das Einfrieren der Gelder und Vermögenswerte u. a. von Personen vor, die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich identifiziert wurden. Die Erleichterung der Wiedererlangung dieser Vermögenswerte ermöglicht es nämlich, die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine zu stärken und zu fördern (siehe oben, Rn. 76 bis 80)

107    Folglich sollen die streitigen restriktiven Maßnahmen weder ein Fehlverhalten der betroffenen Personen ahnden noch diese durch Zwang von einem Fehlverhalten abbringen. Diese Maßnahmen bezwecken allein, den ukrainischen Behörden die Feststellung der begangenen Veruntreuungen öffentlicher Gelder zu erleichtern und die Möglichkeit zu erhalten, die veruntreuten Beträge wiedereinzuziehen. Sie haben somit reinen Sicherungscharakter (vgl. entsprechend Urteil vom 30. Juni 2016, Al Matri/Rat, T‑545/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:376, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

108    Die streitigen restriktiven Maßnahmen, die der Rat aufgrund der ihm durch die Art. 21 und 29 EUV verliehenen Befugnisse verhängt hat, haben somit keine strafrechtliche Konnotation. Sie können daher nicht einer Entscheidung über das Einfrieren von Vermögenswerten gleichgesetzt werden, die eine nationale Justizbehörde eines Mitgliedstaats im Rahmen des einschlägigen Strafverfahrens und unter Beachtung der entsprechenden Verfahrensgarantien erlässt. Die für den Rat geltenden Anforderungen an die Beweise, auf die die Aufnahme einer Person in die Liste der Personen, deren Vermögenswerte eingefroren werden, gestützt ist, können daher nicht dieselben sein wie die, die für die nationale Justizbehörde in dem vorgenannten Fall gelten (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 30. Juni 2016, Al Matri/Rat, T‑545/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:376, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

109    Im vorliegenden Fall muss der Rat zum einen prüfen, inwieweit sich mit den Schreiben [vertraulich], auf die er sich gestützt hat, nachweisen lässt, dass der Kläger, wie in der oben in den Rn. 18 und 20 wiedergegebenen Begründung für die Aufnahme seines Namens in die betreffende Liste ausgeführt wird, insbesondere Gegenstand von Ermittlungen oder strafrechtlicher Verfolgung seitens der ukrainischen Behörden wegen Tatsachen ist, die möglicherweise eine Veruntreuung öffentlicher Gelder darstellen, und zum anderen, ob diese Ermittlungen oder die strafrechtliche Verfolgung ermöglichen, die Handlungen des Klägers gemäß dem maßgeblichen Kriterium einzustufen. Nur wenn der Rat dabei nicht zu diesem Ergebnis gelangt, muss er gemäß dem oben in Rn. 103 angeführten Rechtsprechungsgrundsatz zusätzliche Überprüfungen vornehmen (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 30. Juni 2016, Al Matri/Rat, T‑545/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:376, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

110    Im Übrigen ist es im Rahmen der durch die in Rede stehenden Rechtsakte geregelten Zusammenarbeit (siehe oben, Rn. 105) grundsätzlich nicht Aufgabe des Rates, selbst zu prüfen und zu beurteilen, ob die Anhaltspunkte, auf die sich die ukrainischen Behörden stützen, um den Kläger wegen Tatsachen strafrechtlich zu verfolgen, die sich als Veruntreuung öffentlicher Gelder einstufen lassen, zutreffend und einschlägig sind. Wie oben in Rn. 107 ausgeführt worden ist, will der Rat mit dem Erlass der in Rede stehenden Maßnahmen die Veruntreuung öffentlicher Gelder, derentwegen die ukrainischen Behörden ermitteln, nämlich nicht selbst ahnden, sondern den ukrainischen Behörden die Möglichkeit erhalten, diese Veruntreuungen festzustellen und zugleich die veruntreuten Beträge wiederzuerlangen. Es obliegt daher den ukrainischen Behörden, im Rahmen der Strafverfolgungsmaßnahmen die Anhaltspunkte, auf die sie sich stützen, zu überprüfen und gegebenenfalls daraus die Konsequenzen für den Ausgang der Strafverfahren zu ziehen. Wie aus der vorstehenden Rn. 108 hervorgeht, können außerdem die Verpflichtungen des Rates im Zusammenhang mit den in Rede stehenden Rechtsakten nicht denen einer nationalen Justizbehörde eines Mitgliedstaats im Rahmen eines Strafverfahrens zum Einfrieren von Geldern gleichgesetzt werden, das im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen eingeleitet worden ist (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 30. Juni 2016, Al Matri/Rat, T‑545/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:376, Rn. 66).

111    Diese Auslegung wird durch die Rechtsprechung bestätigt, wonach der Rat nicht die Begründetheit der gegen die betroffene Person eingeleiteten Ermittlungen, sondern nur die Begründetheit des Beschlusses über das Einfrieren der Gelder in Anbetracht des von den nationalen Behörden vorgelegten Dokuments zu überprüfen hat (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 5. März 2015, Ezz u. a./Rat, C‑220/14 P, EU:C:2015:147, Rn. 77).

112    Zwar darf der Rat nicht unter allen Umständen von den Feststellungen der ukrainischen Justizbehörden ausgehen, die in den von diesen übermittelten Dokumenten enthalten sind. Ein solches Vorgehen stünde weder mit dem Grundsatz der guten Verwaltung noch allgemein mit der den Unionsorganen nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV in Verbindung mit Art. 51 Abs. 1 der Charta obliegenden Pflicht im Einklang, bei der Anwendung des Unionsrechts die Grundrechte zu beachten (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 30. Juni 2016, Al Matri/Rat, T‑545/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:376, Rn. 67).

113    Der Rat hat jedoch anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob es notwendig ist, zusätzliche Überprüfungen durchzuführen, insbesondere die ukrainischen Behörden um die Übermittlung ergänzender Beweise zu ersuchen, wenn sich die bereits vorgelegten Beweise als unzureichend oder inkohärent erweisen. Es lässt sich nämlich nicht ausschließen, dass Anhaltspunkte, die dem Rat entweder durch die ukrainischen Behörden selbst oder auf andere Weise zur Kenntnis gebracht worden sind, ihm zu Zweifeln Anlass geben, dass die von diesen Behörden bislang vorgelegten Beweise ausreichend sind. Im Übrigen können die betroffenen Personen im Rahmen der ihnen einzuräumenden Möglichkeit, zu den Gründen Stellung zu nehmen, die der Rat der Beibehaltung ihrer Namen auf der betreffenden Liste zugrunde zu legen beabsichtigt, solche Anhaltspunkte und sogar entlastende Beweismittel nennen, die es erforderlich machen, dass der Rat zusätzliche Überprüfungen durchführt. Insbesondere lässt sich – auch wenn es nicht Sache des Rates ist, seine Beurteilung an die Stelle der Beurteilung der ukrainischen Justizbehörden zu setzen, was die Begründetheit der in den Schreiben [vertraulich] erwähnten Strafverfahren betrifft – nicht ausschließen, dass der Rat vor allem in Anbetracht der Stellungnahme des Klägers gehalten ist, die ukrainischen Behörden um nähere Informationen zu den Anhaltspunkten zu ersuchen, auf die diese Verfahren gestützt werden (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 30. Juni 2016, Al Matri/Rat, T‑545/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:376, Rn. 68).

114    Im vorliegenden Fall ist vorab festzustellen, dass die Schreiben, auf die sich der Rat gestützt hat [vertraulich], unstreitig auf den Kläger betreffende Strafverfahren Bezug nehmen, für die im Allgemeinen das Datum der Einleitung des Verfahrens, das Aktenzeichen und die Artikel des ukrainischen Strafgesetzbuchs, gegen die angeblich verstoßen wurde, angegeben wurden.

115    Der Kläger rügt hauptsächlich, dass die Schreiben [vertraulich] vom 26. Juni, 3. September und 1. Dezember 2015 keine ausreichenden oder keine hinreichend genauen Informationen enthielten.

116    Insoweit ist erstens festzustellen, dass das Schreiben [vertraulich] vom 26. Juni 2015 – einer der Hauptbeweise, auf den der Rat beim Erlass der Rechtsakte vom Oktober 2015 die Beibehaltung des Namens des Klägers auf der Liste gestützt hat – u. a. die folgenden Informationen enthält:

–        [vertraulich]

–        [vertraulich]

117    Zweitens ist festzustellen, dass im Schreiben [vertraulich] vom 3. September 2015 – der andere Beweis, auf den der Rat beim Erlass der Rechtsakte vom Oktober 2015 die Beibehaltung des Namens des Klägers auf der Liste gestützt hat – ähnliche Informationen enthalten sind und außerdem angegeben wird, dass [vertraulich] (siehe oben, Rn. 82).

118    Drittens wird im Schreiben [vertraulich] vom 1. Dezember 2015 – der Hauptbeweis, auf den der Rat beim Erlass der Rechtsakte vom März 2016 die Beibehaltung des Namens des Klägers auf der Liste gestützt hat – neben der Bestätigung der im Schreiben vom 3. September 2015 enthaltenen Informationen im Hinblick auf dieselben Tatsachen erstmals auf einen Verstoß gegen Art. [vertraulich] des ukrainischen Strafgesetzbuchs [vertraulich] Bezug genommen.

119    Daraus folgt, dass die oben in den Rn. 115 bis 118 aufgeführten Schreiben [vertraulich] Informationen enthalten, denen zum einen klar zu entnehmen ist, dass der Kläger Gegenstand von Ermittlungen ist, die sich u. a. auf einen Verstoß gegen Art. [vertraulich] des ukrainischen Strafgesetzbuchs beziehen, mit dem die Veruntreuung öffentlicher Gelder unter Strafe gestellt wird, und zum anderen, dass [vertraulich]. Obwohl die Beschreibung der diesen Verstößen zugrunde liegenden Tatsachen nur allgemein gefasst ist und nicht in detaillierter Form die Mechanismen beschreibt, derentwegen der Kläger verdächtigt wird, Gelder des ukrainischen Staates veruntreut zu haben, ergibt sich aus diesen Schreiben mit hinreichender Deutlichkeit, dass die dem Kläger vorgeworfenen Tatsachen die Veruntreuung von [vertraulich] betreffen. Ein solches Verhalten ist geeignet, den Verlust von Geldern des ukrainischen Staates zu verursachen, und entspricht somit dem Begriff der Veruntreuung öffentlicher Gelder, auf den das maßgebliche Kriterium Bezug nimmt.

120    Insoweit ist zum Vortrag des Klägers, das maßgebliche Kriterium sei nicht erfüllt, weil sein Name nicht aufgrund gerichtlicher Strafverfolgung oder von Gerichtsverfahren, sondern aufgrund einer Voruntersuchung in die Liste aufgenommen worden sei, festzustellen, dass die praktische Wirksamkeit des Beschlusses über das Einfrieren von Geldern in Frage gestellt wäre, wenn der Erlass restriktiver Maßnahmen von der strafrechtlichen Verurteilung der Personen abhinge, die im Verdacht stehen, öffentliche Gelder veruntreut zu haben, da diese Personen in der Zwischenzeit über die erforderliche Zeit verfügen würden, um ihre Vermögenswerte in Staaten zu transferieren, die keine Kooperation mit den Behörden des Staates unterhalten, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie wohnen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. März 2015, Ezz u. a./Rat, C‑220/14 P, EU:C:2015:147, Rn. 71). Außerdem kann, wenn feststeht, dass – wie im vorliegenden Fall – die ukrainischen Justizbehörden gegen die betreffende Person Ermittlungen im Rahmen eines Strafverfahrens wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder führen, das genaue Stadium, in dem sich dieses Verfahren befindet, keinen Gesichtspunkt darstellen, der den Ausschluss dieser Person von der Kategorie der betroffenen Personen rechtfertigen könnte (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 14. April 2016, Ben Ali/Rat, T‑200/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:216, Rn. 124).

121    In Anbetracht der oben in Rn. 120 angeführten Rechtsprechung und des Ermessens, über das die Justizbehörden eines Drittstaats hinsichtlich der Modalitäten der Strafverfolgung verfügen, ist der Umstand, dass gegen den Kläger eine Voruntersuchung [vertraulich] durchgeführt wurde, als solcher nicht geeignet, zu der Feststellung zu führen, dass die in Rede stehenden Rechtsakte rechtswidrig sind, weil der Rat unter solchen Umständen zusätzliche Überprüfungen seitens der ukrainischen Behörden in Bezug auf die dem Betroffenen zur Last gelegten Handlungen hätte verlangen müssen, da der Kläger – wie nachstehend dargelegt wird – keine Anhaltspunkte vorgetragen hat, die die Begründung der ukrainischen Behörden für die gegen ihn wegen spezifischer Tatsachen erhobenen Anschuldigungen in Frage stellen oder beweisen könnten, dass seine besondere Situation durch die angeblichen Probleme der ukrainischen Gerichtsbarkeit beeinträchtigt worden ist. Der Umstand, dass ein ukrainischer Staatsanwalt nach Korruptionsvorwürfen zurückgetreten ist, hat im Übrigen keine Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit [vertraulich].

122    Der Rat hat somit keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als er den Namen des Klägers mit den Rechtsakten vom Oktober 2015 und vom März 2016 auf der Grundlage der in den Schreiben [vertraulich] vom 26. Juni, 3. September und 1. Dezember 2015 enthaltenen Informationen insbesondere hinsichtlich der Veruntreuung öffentlicher Gelder, die [vertraulich] das Vorliegen einer Untersuchung gegen den Kläger rechtfertigten, auf der Liste beließ. Die Rüge des Klägers, es sei nicht bewiesen worden, dass er mit seinem Bruder, Herrn Andriy Klyuyev, verbunden sei, geht dabei ins Leere. Der Name des Klägers wurde nicht ausschließlich wegen der familiären Verbindungen zu seinem Bruder in die Liste aufgenommen, sondern auch, weil die ukrainischen Behörden den Kläger selbst wegen seiner persönlichen Beteiligung an Handlungen, die als Veruntreuung öffentlicher Gelder qualifiziert werden können, strafrechtlich verfolgten.

123    Dieses Ergebnis kann weder durch die vom Kläger vorgelegten entlastenden Beweismittel noch durch sein sonstiges Vorbringen in Frage gestellt werden.

124    Was erstens die Rechtsgutachten betrifft, die der Kläger seiner Klageschrift beigefügt hat, ist nach der Rechtsprechung zur Beurteilung des Beweiswerts eines Dokuments die Wahrscheinlichkeit der darin enthaltenen Information zu untersuchen. Dabei sind insbesondere die Herkunft des Dokuments, die Umstände seiner Ausarbeitung und sein Adressat zu berücksichtigen, und es ist die Frage zu beantworten, ob es seinem Inhalt nach vernünftig und glaubhaft erscheint (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 2012, Shell Petroleum u. a./Kommission, T‑343/06, EU:T:2012:478, Rn. 161 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall ist mit dem Rat darauf hinzuweisen, dass diese Gutachten zum Zweck der Verteidigung des Klägers erstellt wurden und ihnen daher nur ein begrenzter Beweiswert zukommt. Sie können jedenfalls nicht den Umstand in Frage stellen, [vertraulich], dass der Kläger Gegenstand einer Voruntersuchung wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder ist. Diese Gutachten betreffen nämlich im Wesentlichen Fragen im Zusammenhang mit der Begründetheit dieser Untersuchung, die grundsätzlich von den ukrainischen Behörden zu beurteilen ist.

125    Was zweitens die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien anbelangt, ist mit dem Rat festzustellen, dass sich diese Entscheidung nicht auf nationale Maßnahmen bezüglich des Einfrierens von Vermögenswerten bezog, sondern auf eine Anordnung der Staatsanwaltschaft Wien vom 26. Juli 2014 betreffend die Auskunftserteilung zu Konten und Bankgeschäften im Rahmen von Ermittlungen gegen zahlreiche Personen, darunter den Kläger, die im Verdacht stehen, Verbrechen oder Vergehen der Geldwäsche im Sinne des österreichischen Strafrechts und des Sanktionengesetzes begangen zu haben. Diese Entscheidung, die andere Straftaten betraf als die, mit denen die streitigen restriktiven Maßnahmen begründet wurden, geht nur inzidenter auf die den Gegenstand der Untersuchung [vertraulich] bildenden Tatsachen ein. Daraus folgt, dass eine solche Entscheidung, obwohl sie von einer Justizbehörde eines Mitgliedstaats erlassen wurde, keine berechtigten Zweifel hinsichtlich des Ergebnisses der Untersuchung oder der Zuverlässigkeit der [vertraulich] übermittelten Informationen wecken konnte. Zur Entscheidung der Staatsanwaltschaft Wien vom 4. April 2016, mit der die Einstellung des Strafverfahrens gegen den Kläger mitgeteilt wurde, genügt der Hinweis, dass dieses Schreiben irrelevant ist, da es nach den Rechtsakten vom März 2016 erstellt wurde. Die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses über das Einfrieren von Geldern ist nämlich anhand der Informationen zu beurteilen, über die der Rat zum Zeitpunkt seines Erlasses verfügen konnte (Urteil vom 28. Mai 2013, Trabelsi u. a./Rat, T‑187/11, EU:T:2013:273, Rn. 115).

126    Was drittens zum einen den von der SFA auf Ersuchen [vertraulich] erstellten Auditbericht vom 28. Juli 2014 über die finanziellen und geschäftlichen Tätigkeiten der PJSC Semiconductor Plant, [vertraulich], und zum anderen den von einem Team von Prüfern und unabhängigen Anwälten erstellten unabhängigen Prüfungsbericht vom 16. Oktober 2014 über die maßgeblichen geschäftlichen Tätigkeiten des Klägers und dieser Gesellschaft (im Folgenden: Pepper-Hamilton-Bericht) anbelangt, ist der Kläger die Erklärung schuldig geblieben, inwiefern diese beiden Berichte den in [vertraulich] enthaltenen Informationen widersprechen könnten, da sowohl ein Bericht über die geschäftlichen Tätigkeiten des Klägers und der Gesellschaft, deren Aktionär er ist, als auch ein Auditbericht über die wirtschaftlichen Tätigkeiten der Gesellschaft nicht notwendigerweise Informationen zum Vorliegen einer Veruntreuung öffentlicher Gelder enthalten. [vertraulich]. Zum anderen ist im Hinblick auf den Pepper-Hamilton-Bericht mit dem Rat festzustellen, dass er auf Ersuchen einer von dem Kläger und seinem Bruder gehaltenen Gesellschaft angefertigt und an diese Gesellschaft gerichtet wurde und dass diesem Bericht im Licht der oben in Rn. 124 angeführten Rechtsprechung daher nur ein begrenzter Beweiswert zukommt.

127    Diese entlastenden Beweismittel können somit für sich genommen keine zusätzlichen Überprüfungen durch den Rat rechtfertigen.

128    Viertens wirken sich die Unregelmäßigkeiten, mit denen der Beschluss der Verkhovna Rada über die Aufhebung der parlamentarischen Immunität des Klägers behaftet sein soll, nicht auf die Rechtmäßigkeit der Beibehaltung seines Namens auf der Liste aus, da die Aufhebung der parlamentarischen Immunität keine Vorbedingung für den Erlass einer restriktiven Maßnahme gegenüber einer natürlichen Person darstellt und jede Unregelmäßigkeit dieser Art im Rahmen des ukrainischen Systems zu behandeln ist.

129    Fünftens ist zu dem Argument, es sei keine Verdachtsmitteilung gemäß den in der ukrainischen Strafprozessordnung vorgesehenen Modalitäten an den Kläger gerichtet worden, festzustellen, dass sich der Kläger nur auf ein Gutachten eines Professors der Rechtswissenschaften stützt. Unabhängig davon, dass einem solchen Gutachten, wie oben in Rn. 124 klargestellt wurde, nur ein begrenzter Beweiswert zukommt, ergibt sich aus diesem Gutachten, wie auch der Kläger in seinen Schriftsätzen vorträgt, dass die Verdachtsmitteilung mit rein formellen Unregelmäßigkeiten behaftet ist.

130    Sollte die Verdachtsmitteilung tatsächlich mangelhaft sein und dies zur Folge haben, dass [vertraulich] eine neue, ordnungsgemäße Verdachtsmitteilung erlassen werden muss, so bedeutet dies nicht, dass das Strafverfahren, zu dem diese Mitteilung gehört, nicht mehr im Gange ist.

131    Sollte außerdem der Kläger aufgrund eines Formmangels der Verdachtsmitteilung nicht als Verdächtiger im Sinne von Art. 42 der ukrainischen Strafprozessordnung angesehen werden können, bedeutet dies nicht, dass er nicht Gegenstand von Untersuchungen seitens der ukrainischen Behörden im Sinne des maßgeblichen Kriteriums ist. Der Umstand, dass [vertraulich] aufgrund einer mangelhaften Mitteilung eine neue Mitteilung erlassen muss, hat nämlich keinen Einfluss darauf, dass dieser davon ausging, über ausreichende Anhaltspunkte zu verfügen, um den Kläger einer Veruntreuung öffentlicher Gelder zu verdächtigen.

132    Die auf die formellen Unregelmäßigkeiten der Verdachtsmitteilung gestützte Rüge des Klägers geht somit ins Leere.

133    Was sechstens den Vorwurf der Verletzung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung anbelangt, die insbesondere [vertraulich] begangen worden sei, beschränkt sich der Kläger auf das Argument, die ukrainischen Behörden hätten ihn als der die ihm vorgeworfenen Verstöße schuldig definiert, obwohl er von keinem Gericht für schuldig befunden worden sei.

134    Hierzu ist zu bemerken, dass in den Schreiben [vertraulich] trotz einiger ungeschickter Formulierungen stets auf laufende Strafverfahren gegen den Kläger Bezug genommen wird, was den Schluss zulässt, dass [vertraulich] der Kläger nur verdächtigt wird, die betreffenden Verstöße begangen zu haben, und dass er nur dann als schuldig angesehen werden kann, wenn die Strafverfahren zu einer gerichtlichen Verurteilung führen. In ihrem Kontext gelesen, verstoßen die [vertraulich] enthaltenen Ausführungen somit nicht gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung. Selbst wenn man annähme, dass solche Ausführungen einen Verstoß gegen diesen Grundsatz darstellen, genügt jedenfalls der Hinweis, dass sie nicht die Rechtmäßigkeit und erst recht nicht das Vorhandensein der Strafverfahren, aufgrund deren der Rat davon ausging, dass der Kläger das maßgebliche Kriterium erfüllte, in Frage stellen können, und auch nicht rechtfertigen können, dass der Rat sich zu bemühen hätte, ergänzende Informationen [vertraulich] zu erhalten.

135    Siebtens ist zu dem Argument, die neue Regierung der Ukraine beeinträchtige selbst die Rechtsstaatlichkeit, vorab festzustellen, dass die Ukraine seit 1995 ein Mitgliedstaat des Europarats ist und die EMRK ratifiziert hat. Außerdem wurde die neue ukrainische Regierung von der Union und von der internationalen Gemeinschaft als rechtmäßig anerkannt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. September 2016, Klyuyev/Rat, T‑340/14, EU:T:2016:496, Rn. 93).

136    Diese Umstände genügen für sich allein nicht, um sicherzustellen, dass die Rechtsstaatlichkeit von der neuen ukrainischen Regierung unter allen Umständen gewahrt wird.

137    Nach der Rechtsprechung hat jedoch der Unionsrichter im Rahmen seiner gerichtlichen Kontrolle restriktiver Maßnahmen dem Rat ein weites Ermessen hinsichtlich der Festlegung der allgemeinen Kriterien zur Eingrenzung des Personenkreises, der Gegenstand solcher Maßnahmen sein kann, zuzugestehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. November 2013, Rat/Manufacturing Support & Procurement Kala Naft, C‑348/12 P, EU:C:2013:776, Rn. 120, und vom 21. April 2015, Anbouba/Rat, C‑605/13 P, EU:C:2015:248, Rn. 41).

138    Daraus folgt, dass der Kläger die politische Entscheidung des Rates, die neue ukrainische Regierung zu unterstützen, grundsätzlich nicht in Frage stellen kann, ohne unwiderlegbare Beweise für Grundrechtsverletzungen durch die neuen ukrainischen Behörden vorzulegen.

139    Die vom Kläger angeführten Gesichtspunkte enthalten zwar Kritikpunkte und weisen auf bestimmte Mängel der ukrainischen Behörden, insbesondere der Justizbehörden, hin, lassen jedoch nicht den Schluss zu, dass die neue Regierung nicht von der Union unterstützt werden könnte.

140    Im Übrigen ist festzustellen, dass die Mängel, die in den vom Kläger angeführten Unterlagen genannt werden, im Licht der vom Rat in seinen Schriftsätzen zitierten und dem Gericht vorgelegten Unterlagen, in denen mehrere von der neuen Regierung eingeführte Verbesserungen aufgezeigt werden, erheblich geringer erscheinen.

141    Zur Prüfung des „Lustrationsgesetzes“ durch die Venedig-Kommission ist nämlich festzustellen, dass es sich bei der vom Kläger angeführten Stellungnahme der Venedig-Kommission vom 16. Dezember 2014 nur um eine vorläufige Stellungnahme dieser Kommission handelt, da ihr von den ukrainischen Behörden kein Zugang zu allen für ihre Prüfung erforderlichen Unterlagen gewährt worden war. Nachdem die ukrainischen Behörden jedoch in einen konstruktiven Dialog im Hinblick auf die Verbesserung des „Lustrationsgesetzes“ eingetreten sind und seitdem Zugang zu dem für die Durchführung des Überwachungsauftrags der Venedig-Kommission erforderlichen Material gewährt haben, hat diese am 19. Juni 2015 eine abschließende Stellungnahme zu dem Gesetz abgegeben. In dieser Stellungnahme wird ausgeführt, dass ein umfangreicher Meinungsaustausch stattgefunden hat und die ukrainischen Behörden Änderungen des „Lustrationsgesetzes“ vorgeschlagen haben. Die Venedig-Kommission erachtet die Ziele dieses Gesetzes, nämlich der Schutz der Gesellschaft vor Personen, die eine Bedrohung für die neue demokratische Regierung darstellen können, und die Korruptionsbekämpfung, für legitim. Zwar hebt die Venedig-Kommission bestimmte zu verbessernde und zu überwachende Aspekte hervor, sie weist jedoch zugleich auf insbesondere im Anschluss an die Abgabe ihrer vorläufigen Stellungnahme vorgenommene Verbesserungen des Gesetzes hin.

142    Was die Berichte des Hohen Kommissars für die Menschenrechtslage in der Ukraine anbelangt, erwähnt der den Zeitraum vom 16. Februar bis zum 15. Mai 2015 betreffende Bericht in der Passage, auf die der Kläger Bezug nimmt, zwar Bedenken im Hinblick auf Bedrohungen, denen bestimmte ukrainische Richter ausgesetzt seien. Mit dem Rat ist jedoch klarzustellen, dass diese Passage ausschließlich das von einem Unabhängigkeitskonflikt betroffene Gebiet im Osten der Ukraine betrifft, wo die Bedrohungen von politischen Aktivisten ausgehen, die die Einheit der Ukraine unterstützen. Der Bericht erwähnt im Übrigen auch die Reform des Gerichtssystems, die zwar nicht vollkommen sei, jedoch „positive Aspekte mit sich bringt“. Außerdem ergeben sich aus den nachfolgenden Berichten für das Jahr 2015 und für den Anfang des Jahres 2016 kontinuierliche Verbesserungen im Bereich der Menschenrechte, insbesondere durch die Ausarbeitung und die am 23. November 2015 erfolgte Annahme der ersten nationalen Strategie für Menschenrechte im Anschluss an die für verschiedene Bereiche ausgesprochenen Empfehlungen des Hohen Kommissars und der Venedig-Kommission. Wie im Bericht des Hohen Kommissars für den Zeitraum vom 16. Februar bis zum 16. Mai 2016 festgestellt wurde, hat die ukrainische Regierung darüber hinaus offiziell ein nationales Ermittlungsbüro eingerichtet, das damit betraut ist, wegen Straftaten zu ermitteln, die von hohen Amtsträgern, Angehörigen der Strafverfolgungsbehörden, Richtern und Angehörigen des nationalen Büros zur Bekämpfung der Korruption und der Spezialdienststelle zur Bekämpfung der Korruption innerhalb der Generalstaatsanwaltschaft begangen wurden.

143    Diese Fortschritte bedeuten zwar nicht, dass das ukrainische System bei der Achtung der Grundrechte keine Schwachstellen mehr aufweist; in Anbetracht des dem Rat zustehenden weiten Ermessens (siehe oben, Rn. 137) kann der Unionsrichter unter diesen Umständen jedoch die politische Entscheidung des Rates, die neue ukrainische Regierung durch den Erlass restriktiver Maßnahmen zu unterstützen, die u. a. auf Mitglieder der früheren Regierung Anwendung finden, gegen die Strafverfahren wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder anhängig sind, nicht als offensichtlich falsch bewerten.

144    Was achtens das Vorbringen des Klägers angeht, er sei Opfer einer politischen Verfolgung, die den gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren zugrunde liege, ist festzustellen, dass er sich auf Behauptungen beschränkt, die nicht ausreichen, um die Glaubhaftigkeit der Informationen [vertraulich] hinsichtlich der Beschuldigungen, die gegen den Kläger wegen spezifischer Handlungen der Veruntreuung öffentlicher Gelder erhoben worden sind, in Frage zu stellen. Sie reichen auch nicht als Nachweis dafür aus, dass die besondere Situation des Klägers durch die Probleme des ukrainischen Gerichtssystems während der gegen ihn eingeleiteten Verfahren beeinträchtigt worden wäre (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 15. September 2016, Yanukovych/Rat, T‑346/14, EU:T:2016:497, Rn. 113 und 114).

145    Was neuntens das Argument des Klägers betrifft, der Rat habe über einen langen Zeitraum verfügt, um eine umfassende und eingehende Überprüfung der Beweismittel, auf die er sich gestützt habe, vorzunehmen, genügt die Feststellung, dass der Rat, wie den vorstehenden Ausführungen zu entnehmen ist, seinen Verpflichtungen nachgekommen ist. Der Umfang dieser Verpflichtungen wird nicht durch die dem Rat zur Verfügung stehende Zeit bestimmt.

146    Nach alledem ist der zweite Klagegrund in vollem Umfang zurückzuweisen.

[nicht wiedergegeben]

 Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2017, soweit sie den Kläger betreffen

216    Mit seinem zweiten Anpassungsschriftsatz hat der Kläger seine Klage dahin erweitert, dass sie auch gegen die Rechtsakte vom März 2017 gerichtet ist, soweit sie ihn betreffen.

217    Der Kläger stützt seinen Antrag auf Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2017 auf sechs Gründe, nämlich auf die fünf Klagegründe, die er in der Klageschrift zur Stützung des Antrags auf Nichtigerklärung der Rechtsakte vom Oktober 2015 vorgebracht hat (siehe oben, Rn. 51), sowie auf den im Rahmen seines ersten Anpassungsschriftsatzes zur Stützung des Antrags auf Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2016 geltend gemachten neuen Klagegrund (siehe oben, Rn. 192).

218    Zunächst ist der zweite Klagegrund zu prüfen, mit dem ein offensichtlicher Beurteilungsfehler geltend gemacht wird.

219    Nach einem Hinweis darauf, dass zur Stützung der Beibehaltung seines Namens auf der Liste derselbe Grund angeführt worden sei wie in den Rechtsakten vom Oktober 2015 und vom März 2016 und dass der Rat im Schreiben vom 6. März 2017, in dem die Verlängerung seiner Benennung gerechtfertigt worden sei, bestätigt habe, dass er sich ausschließlich auf [vertraulich] gestützt habe, macht der Kläger geltend, dass dies die Benennungskriterien aus zwei Gründen nicht erfüllen könne.

220    Erstens sei der Kläger nur Gegenstand einer Voruntersuchung, was nicht ausreichend sei, um das maßgebliche Kriterium zu erfüllen. Die Untersuchung sei jedenfalls rechtswidrig, da dem Kläger im [vertraulich] keine schriftliche Verdachtsmitteilung in wirksamer Form zugestellt worden sei. Zum Zeitpunkt der Verlängerung seiner Benennung sei der Kläger von keiner laufenden Voruntersuchung betroffen gewesen, da die Untersuchung in diesem Verfahren seit dem 5. Oktober 2015 formell ausgesetzt sei. [vertraulich]. Im Übrigen seien die in den Schreiben [vertraulich] enthaltenen Informationen nicht zuverlässig. Zum einen werde in dem Schreiben [vertraulich] vom 25. Juli 2016 ausgeführt, dass [vertraulich], obwohl die österreichische Staatsanwaltschaft ebenso wie die österreichischen Gerichte es abgelehnt hätten, die Vermögenswerte des Klägers zu beschlagnahmen, was [vertraulich] absolut bewusst gewesen sei und wovon der Rat in Kenntnis gesetzt worden sei. Zum anderen enthalte das Schreiben [vertraulich] vom 16. November 2016 keinerlei Bezugnahme auf [vertraulich]. Jedenfalls ändere das angebliche Vorliegen [vertraulich] im Rahmen der Voruntersuchung in [vertraulich] nichts daran, dass diese Untersuchung seit dem 5. Oktober 2015 formell ausgesetzt worden sei.

221    Zweitens seien die Schreiben [vertraulich] vom 25. Juli und 16. November 2016, auf die der Rat seine Entscheidung, den Namen des Klägers auf der Liste zu belassen, angeblich gestützt habe, durch keine Beweise untermauert und enthielten keine ausreichend detaillierten Angaben zu den von der Untersuchung betroffenen Handlungen und der angeblichen persönlichen Verantwortlichkeit des Klägers. Darüber hinaus seien sie sachlich falsch. Insbesondere seien sie widersprüchlich in Bezug auf [vertraulich].

222    Jedenfalls habe der Rat nicht dargetan, inwiefern die Behauptungen [vertraulich] das maßgebliche Kriterium erfüllen könnten, da sich dieses Kriterium ausschließlich auf eine Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte beziehe, die in Anbetracht des Betrags oder der Art der veruntreuten Gelder oder Vermögenswerte oder aber des Kontextes, in dem die Tat begangen worden sei, die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine beeinträchtigen könnte.

223    Der Kläger weist insoweit darauf hin, dass es der Rat trotz der erheblichen Anzahl der ihm übermittelten entlastenden Beweismittel, die er in Anbetracht des politischen Kontextes in der Ukraine und des Umstands, dass er sich ausschließlich auf eine ausgesetzte Voruntersuchung gestützt habe, sorgfältig und unparteiisch hätte prüfen müssen, systematisch abgelehnt habe, diesbezüglich auch nur die geringste Untersuchung oder zusätzliche Überprüfungen durchzuführen.

224    Letztlich habe der Rat keine konkreten Beweise und ausreichenden Informationen zur Rechtfertigung der Beibehaltung des Namens des Klägers auf der Liste vorgelegt.

225    Der Rat hält dem zum einen entgegen, dass die Gründe für die Benennung des Klägers den Benennungskriterien entsprächen und auf einer hinreichend gesicherten Tatsachengrundlage beruhten, und zum anderen, dass er keine offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, als er sich insbesondere auf die Schreiben [vertraulich] vom 25. Juli und 16. November 2016 gestützt habe.

226    Erstens weist der Rat darauf hin, dass diese Schreiben [vertraulich]. Dem Rechtsgutachten, auf das der Kläger seinen Vortrag stütze, dass ihm die Verdachtsmitteilung nicht wirksam zugestellt worden sei, komme nur ein begrenzter Beweiswert zu.

227    Zweitens könne der Umstand, dass [vertraulich] zum Zeitpunkt der erneuten Benennung des Klägers formell ausgesetzt gewesen sei, nicht im Sinne von Art. 280 der ukrainischen Strafprozessordnung belegen, dass die gegen ihn geführte Voruntersuchung eingestellt worden sei.

228    Drittens seien die in den Schreiben [vertraulich] enthaltenen Informationen verlässlich.

229    Viertens hätten die Art und die Detailliertheit der in den Schreiben [vertraulich] enthaltenen Informationen mehr als genügt, um zu dem Schluss zu gelangen, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsakte vom März 2017 Gegenstand eines Strafverfahrens wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte gewesen und mit dem in diesen Rechtsakten seinerseits benannten Andriy Klyuyev verbunden gewesen sei.

230    Fünftens widerspricht der Rat dem Argument des Klägers, dass die Schreiben [vertraulich] „sachlich falsch“ seien. Die Informationen, auf die sich der Kläger beziehe, beträfen nämlich nicht [vertraulich]. Jedenfalls sei der Umstand, Gegenstand [vertraulich] zu sein, kein Benennungskriterium.

231    Sechstens ergebe sich aus den Schreiben [vertraulich]. Die Straftaten, derentwegen der Kläger verfolgt werde, könnten daher als eine Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte, die die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine beeinträchtigen könne, qualifiziert werden.

232    Was siebtens das Argument anbelangt, der Rat habe sich nicht mit den Entlastungsbeweisen auseinandergesetzt, weist dieser darauf hin, dass er nach ständiger Rechtsprechung nicht verpflichtet sei, eine zusätzliche unabhängige Bewertung oder eine eingehende Prüfung der den Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen in dem betreffenden Drittstaat bildenden Tatsachen vorzunehmen. Die Prüfung, ob eine Untersuchung gerechtfertigt sei, betreffe Fragen, die nur im Rahmen der betreffenden Strafverfahren von den nationalen Behörden und – im Fall der Ukraine – im Rahmen von Verfahren vor dem EGMR wirklich geprüft werden könnten. Speziell zur Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien weist der Rat darauf hin, dass diese Entscheidung nur die Auskunftserteilung zu Konten und Bankgeschäften betroffen habe und die Schlussfolgerungen dieses Gerichts kein Beweis dafür seien, dass die in den Schreiben [vertraulich] enthaltenen Informationen offensichtlich falsch oder verzerrt seien. Zwar habe das Oberlandesgericht Wien das den österreichischen Behörden im Zeitraum 2010 bis 2014 übermittelte Material für spärlich erachtet, dies könne aber sicherlich nicht belegen, dass die Schreiben [vertraulich] für die Zwecke der Verfahren des Rates, die zum Erlass der Rechtsakte vom März 2017 geführt hätten, unzureichend gewesen seien. Mithin seien diesbezüglich keine zusätzlichen Überprüfungen erforderlich gewesen.

233    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das maßgebliche Kriterium zum einen besagt, dass restriktive Maßnahmen gegen Personen ergehen, die „als“ für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte „verantwortlich identifiziert“ wurden – was Personen einschließt, die „Gegenstand von Untersuchungen der ukrainischen Behörden“ wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte der Ukraine sind (siehe oben, Rn. 12) – und zum anderen dahin auszulegen ist, dass es nicht abstrakt jede Veruntreuung öffentlicher Vermögenswerte erfasst, sondern nur solche Veruntreuungen öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte, die die Achtung der Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine beeinträchtigen könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. September 2016, Klyuyev/Rat, T‑340/14, EU:T:2016:496, Rn. 91).

234    Im vorliegenden Fall wurde der Name des Klägers durch die Rechtsakte vom März 2017 mit der folgenden Begründung auf der Liste belassen:

„Person ist Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung seitens der ukrainischen Behörden wegen der Beteiligung an der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte. Person ist verbunden mit einer benannten Person ([Andriy Petrovych Klyuyev]), die Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung seitens der ukrainischen Behörden wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte ist.“

235    Es ist unstreitig, dass der Rat seine Entscheidung in den Rechtsakten vom März 2017, den Namen des Klägers auf der Liste beizubehalten, auf die Schreiben [vertraulich] gestützt hat. Im Übrigen hat der Rat keine Beweise [vertraulich] im Zusammenhang mit der Benennung von Herrn Andriy Kliuiev – mit dem der Kläger als „verbunden“ identifiziert wurde – als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortliche Person im Sinne des maßgeblichen Kriteriums beigebracht.

236    Der Rat hat somit den zweiten Grund für die Beibehaltung des Namens des Klägers auf der Liste, nämlich dass er mit einer Person, die Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder sei, im Sinne des maßgeblichen Kriteriums „verbunden“ sei, nicht hinreichend genau und konkret belegt. Mithin bleiben der erste Grund für die Beibehaltung des Namens des Klägers auf der Liste, nämlich dass er eine Person sei, die Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung seitens der ukrainischen Behörden wegen der Beteiligung an der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte sei, sowie die vom Rat vorgenommene Beurteilung der ihm vorliegenden Beweismittel zu prüfen.

237    Eine solche Beurteilung ist auf der Grundlage der oben in den Rn. 100 bis 113 dargelegten Rechtsprechungsgrundsätze vorzunehmen.

238    Es ist darauf hinzuweisen, dass es sich im vorliegenden Fall um eine Entscheidung über die Beibehaltung des Namens einer Person auf der Liste handelt und dass der Rat unter diesen Umständen, wenn die betroffene Person zu der Begründung Stellung nimmt, verpflichtet ist, die Stichhaltigkeit der angeführten Gründe im Licht dieser Stellungnahme und der ihr gegebenenfalls beigefügten entlastenden Unterlagen und Gesichtspunkte sorgfältig und unparteiisch zu prüfen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus der in Art. 41 der Charta verankerten Verpflichtung zur Wahrung des Grundsatzes der guten Verwaltung (siehe oben, Rn. 100 bis 113).

239    Insbesondere muss der Rat – wie oben in Rn. 109 hervorgehoben wurde – zum einen prüfen, inwieweit sich mit den Beweismitteln, auf die er sich gestützt hat, nachweisen lässt, dass die Situation des Klägers dem Grund für die Beibehaltung seines Namens auf der Liste entspricht, und zum anderen, ob diese Beweismittel ermöglichen, die Handlungen des Klägers gemäß dem maßgeblichen Kriterium einzustufen. Nur wenn der Rat dabei nicht zu diesem Ergebnis gelangt, muss er gemäß dem oben in Rn. 103 angeführten Rechtsprechungsgrundsatz zusätzliche Überprüfungen vornehmen.

240    Insoweit kann nicht ausgeschlossen werden, dass Anhaltspunkte, die dem Rat entweder durch die ukrainischen Behörden selbst, durch von den restriktiven Maßnahmen betroffene Personen oder auf andere Weise zur Kenntnis gebracht worden sind, ihm zu Zweifeln Anlass geben, dass die von diesen Behörden bislang vorgelegten Beweise ausreichend sind. Im vorliegenden Fall ist es zwar nicht Sache des Rates, seine Beurteilung an die Stelle der Beurteilung der ukrainischen Justizbehörden zu setzen, was die Begründetheit der in den Schreiben [vertraulich] erwähnten Voruntersuchung betrifft, doch kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Rat vor allem in Anbetracht der Stellungnahme des Klägers gehalten ist, die ukrainischen Behörden um nähere Informationen zu den Anhaltspunkten zu ersuchen, auf die diese Untersuchung gestützt wird.

241    Der Kläger räumt im vorliegenden Fall ein, dass die Schreiben [vertraulich] insbesondere auf ein Strafverfahren Bezug nehmen, in dessen Rahmen eine ihn betreffende Voruntersuchung durchgeführt wird. Mithin ist zu prüfen, ob der Rat ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, zu der Ansicht gelangen konnte, dass die [vertraulich] übermittelten Informationen hinsichtlich dieses Verfahrens den Grund für die Benennung des Klägers weiterhin untermauern konnten.

242    Vorab ist klarzustellen, dass es nicht darum geht, ob der Rat in Anbetracht der ihm zur Kenntnis gebrachten Anhaltspunkte verpflichtet war, den Namen des Klägers von der Liste zu streichen, sondern nur darum, ob er verpflichtet war, diese Beweismittel zu berücksichtigen und gegebenenfalls zusätzliche Überprüfungen vorzunehmen oder die ukrainischen Behörden um nähere Informationen zu ersuchen. Dabei genügt, dass diese Beweismittel geeignet sind, berechtigte Zweifel hinsichtlich zum einen des Ergebnisses der Untersuchung und zum anderen der Zuverlässigkeit und der Aktualität der [vertraulich] übermittelten Informationen aufkommen zu lassen.

243    In seinem Schreiben vom 6. März 2017, in dem er auf die Stellungnahme des Klägers vom 12. Januar 2017 geantwortet hat, beschränkt sich der Rat auf die Feststellung, dass er den Standpunkt des Klägers nicht teile und beabsichtige, die restriktiven Maßnahmen gegen ihn zu bestätigen. Zudem stellt er nicht klar, welche Beweismittel er für die Schlussfolgerung, dass er den Standpunkt des Klägers nicht teile, berücksichtigt hat, und er bestätigt, dass er sich neben den dem Kläger bereits vorliegenden Schreiben [vertraulich] vom 25. Juli und 16. November 2016 auf keine weiteren Beweismittel gestützt habe.

244    Als Erstes ist festzustellen, dass diese Schreiben eine Reihe von Unstimmigkeiten und Ungenauigkeiten aufweisen. Erstens führt [vertraulich] im Schreiben vom 25. Juli 2016 erstmals aus, ohne im Übrigen die Gründe dafür anzugeben, dass [vertraulich] von [vertraulich] getrennt worden sei, obwohl diese Trennung – wie sich aus dem Schreiben selbst ergibt – am [vertraulich] erfolgt war. Zweitens besteht eine Unstimmigkeit zwischen den beiden Schreiben [vertraulich]. Drittens nimmt das Schreiben [vertraulich] vom 25. Juli 2016 u. a. Bezug auf [vertraulich], während die Staatsanwaltschaft Wien das Strafverfahren gegen den Kläger am 4. April 2016 eingestellt hat.

245    Obwohl diese Unstimmigkeiten für sich genommen nicht geeignet sind, berechtigte Zweifel hinsichtlich des Ergebnisses der Untersuchung aufkommen zu lassen, deuten sie doch auf einen gewissen Grad an Ungenauigkeit [vertraulich] hin, die geeignet ist, die Zuverlässigkeit und die Aktualität der Informationen [vertraulich] zu mindern.

246    Als Zweites ist festzustellen, dass in dem Schreiben vom 16. November 2016, [vertraulich].

247    Als Drittes ergibt sich aus dem Schreiben der Staatsanwaltschaft Wien vom 4. April 2016, dass diese nach Prüfung der im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens [vertraulich] übermittelten Nachweise sowie auf der Grundlage des Pepper-Hamilton-Berichts, auf den sie sich ausdrücklich bezieht, davon ausgegangen ist, dass diese Unterlagen die [vertraulich] erhobenen Anschuldigungen nicht stützten und dass die in den Medien berichteten Anschuldigungen, wonach der Kläger und sein Bruder in der Ukraine strafbare Handlungen begangen hätten, die zahlreichen in Österreich gemeldeten Verdachtsfällen der Geldwäsche zugrunde lägen, nicht bestätigt werden könnten, obwohl mehrere Ermittlungen zur Sachverhaltsaufklärung durchgeführt worden seien.

248    Zwar fallen die restriktiven Maßnahmen entsprechend dem Vorbringen des Rates nicht unter das Strafrecht. Im vorliegenden Fall ist jedoch Voraussetzung für die Beibehaltung des Namens einer Person auf der Liste, dass die Person als u. a. für die Veruntreuung öffentlicher Gelder verantwortlich identifiziert wurde, wobei eine Person dann als hierfür verantwortlich angesehen wird, wenn sie Gegenstand von Untersuchungen seitens der ukrainischen Behörden ist. Folglich muss der Rat, wenn er davon in Kenntnis gesetzt wird, dass die Staatsanwaltschaft eines Mitgliedstaats der Union, wie im vorliegenden Fall, ernsthafte Zweifel daran äußert, dass die Untersuchung der ukrainischen Behörden, die der Entscheidung des Rates, den Namen des Klägers auf der Liste zu belassen, zugrunde lag, auf hinreichende Beweise gestützt war, zusätzliche Überprüfungen bei diesen Behörden durchführen oder diese zumindest um nähere Informationen ersuchen, um festzustellen, ob die ihm vorliegenden Beweise, d. h. recht vage Informationen, die lediglich eine den Kläger betreffende Voruntersuchung bestätigen, weiterhin eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage bilden, um die Beibehaltung des Namens des Klägers auf der Liste zu rechtfertigen.

249    Als Viertes hat [vertraulich] in den beiden oben in den Rn. 246 und 247 aufgeführten Schreiben nicht darauf hingewiesen, dass [vertraulich] ausgesetzt worden war, wovon der Rat vom Kläger in der am 12. Januar 2017 im Hinblick auf die jährliche Überprüfung der ihn betreffenden Maßnahmen eingereichten Stellungnahme in Kenntnis gesetzt worden ist.

250    Vorab ist festzustellen, dass der Rat die Unzulässigkeit des vom Kläger vor der mündlichen Verhandlung gemäß Art. 85 Abs. 3 der Verfahrungsordnung unterbreiteten Beweisangebots, nämlich die Entscheidung [vertraulich] vom 5. März 2016, [vertraulich] auszusetzen, mit der Begründung geltend gemacht hat, das Beweisangebot sei verspätet und die verspätete Unterbreitung sei nicht gerechtfertigt. Dagegen bestreitet der Rat zum einen nicht, dass ihn der Kläger innerhalb der Frist für die Abgabe der Stellungnahme im Hinblick auf die jährliche Überprüfung der restriktiven Maßnahmen von der Aussetzung in Kenntnis gesetzt hat, und behauptet zum anderen nicht, dass er diese Information bei der Überprüfung nicht berücksichtigt habe, weil er sie für nicht hinreichend untermauert oder glaubhaft gehalten habe. Daraus folgt, dass nicht über die Zulässigkeit dieses Dokuments zu befinden ist, da dessen Prüfung für die Feststellung, ob der Rat die ukrainischen Behörden um Informationen zur Aussetzung des Verfahrens hätte ersuchen müssen, nicht erforderlich ist.

251    Zwar kann der Umstand, dass [vertraulich] formell ausgesetzt ist, entsprechend dem Vorbringen des Rates nicht belegen, dass die Voruntersuchung gegen den Kläger eingestellt wurde, jedoch wurde der Rat zum einen vom Kläger in Kenntnis gesetzt, [vertraulich], dass dieses Verfahren nicht formell im Gange war, und zum anderen war dieser Umstand für die Entscheidung des Rates über die Beibehaltung einer restriktiven Maßnahme nicht unerheblich, da der Rat anderenfalls eine solche Maßnahme ohne Kenntnis des Klägers unbegrenzt verlängern könnte, was dem vorläufigen Charakter restriktiver Maßnahmen zuwiderlaufen würde. Außerdem mindert der Umstand, dass sich [vertraulich] von Beginn an darauf beschränkt hat, ständig dieselben Informationen zur Voruntersuchung zu wiederholen, ohne die neuen Informationen zu ihrem Fortgang – im vorliegenden Fall ihre Aussetzung – mitzuteilen, die Zuverlässigkeit der [vertraulich] übermittelten Informationen sowie deren Aktualität.

252    Folglich hätte der Rat für die Feststellung, ob das maßgebliche Kriterium im vorliegenden Fall noch erfüllt war, die ukrainischen Behörden um nähere Informationen zu den Gründen für die Aussetzung des Verfahrens und zu deren Dauer ersuchen müssen.

253    Aus alledem folgt, dass die in den Schreiben [vertraulich] enthaltenen Informationen hinsichtlich [vertraulich] derart lückenhaft und unstimmig sind, dass sie den Rat hätten veranlassen müssen, daran zu zweifeln, dass die ihm vorliegenden Beweismittel ausreichend waren.

254    Dagegen waren die vom Kläger vor dem Erlass der Rechtsakte vom März 2017 geltend gemachten Beweismittel, zumal im Zusammenhang mit den in den oben in den Rn. 125 und 126 erwähnten entlastenden Beweismitteln, insbesondere der Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien, dem von der SFA erstellten Auditbericht und dem Pepper-Hamilton-Bericht, geeignet, berechtigte Zweifel seitens des Rates aufkommen zu lassen, die gerechtfertigt hätten, dass er zusätzliche Überprüfungen bei den ukrainischen Behörden durchführt.

255    Nach der insbesondere oben in Rn. 113 angeführten Rechtsprechung hätte der Rat somit in Anbetracht zum einen der unzureichenden Tatsachengrundlage, auf die er sich gestützt hat, und zum anderen der vom Kläger geltend gemachten entlastenden Beweismittel zusätzliche Überprüfungen bei den ukrainischen Behörden durchführen und diese um nähere Informationen ersuchen müssen.

256    Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass der Rat mit der Annahme, dass er weder dazu verpflichtet gewesen sei, die vom Kläger vorgelegten Beweismittel und die von ihm vorgebrachten Argumente zu berücksichtigen, noch dazu, zusätzliche Überprüfungen bei den ukrainischen Behörden vorzunehmen, obwohl diese Beweismittel und Argumente geeignet waren, berechtigte Zweifel hinsichtlich der Zuverlässigkeit der [vertraulich] übermittelten Informationen zu wecken, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

257    Der vom Kläger in seinem zweiten Anpassungsschriftsatz geltend gemachte Klagegrund ist somit begründet. Daher ist der Klage insoweit stattzugeben, als mit ihr die Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2017, soweit sie den Kläger betreffen, erwirkt werden soll, ohne dass es erforderlich wäre, die anderen vom Kläger zur Stützung des Antrags auf Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2017 geltend gemachten Klagegründe oder die hilfsweise erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit zu prüfen.

 Zur Aufrechterhaltung der Wirkungen des Beschlusses 2017/381

258    Der Rat beantragt hilfsweise für den Fall, dass das Gericht die Durchführungsverordnung 2017/374 teilweise für nichtig erklärt, aus Gründen der Rechtssicherheit festzustellen, dass die Wirkungen des Beschlusses 2017/381 bis zum Wirksamwerden der teilweisen Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung 2017/374 fortbestehen.

259    Nach Art. 60 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union haben Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung. Art. 60 Abs. 2 der Satzung sieht allerdings vor, dass abweichend von Art. 280 AEUV die Entscheidungen des Gerichts, in denen eine Verordnung für nichtig erklärt wird, erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist oder, wenn innerhalb dieser Frist ein Rechtsmittel eingelegt worden ist, nach dessen Zurückweisung wirksam werden.

260    Im vorliegenden Fall hat die Durchführungsverordnung 2017/374 die Rechtsnatur einer Verordnung, da sie vorsieht, dass sie in allen ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt, was den Wirkungen einer Verordnung entspricht, wie sie in Art. 288 AEUV vorgesehen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. April 2016, Rat/Bank Saderat Iran, C‑200/13 P, EU:C:2016:284, Rn. 121).

261    Art. 60 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs ist somit auf den vorliegenden Fall anwendbar (Urteil vom 21. April 2016, Rat/Bank Saderat Iran, C‑200/13 P, EU:C:2016:284, Rn. 122).

262    Was schließlich die zeitlichen Wirkungen der Nichtigerklärung des Beschlusses 2017/381 betrifft, kann das Gericht nach Art. 264 Abs. 2 AEUV, falls es dies für notwendig hält, diejenigen der Wirkungen der für nichtig erklärten Handlung bezeichnen, die als fortgeltend zu betrachten sind.

263    Im vorliegenden Fall kann das Bestehen eines Unterschieds zwischen dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung 2017/374 und demjenigen des Beschlusses 2017/381 eine ernsthafte Beeinträchtigung der Rechtssicherheit herbeiführen, da mit beiden Rechtsakten gegen den Kläger identische Maßnahmen verhängt werden. Die Wirkungen des Beschlusses 2017/381 sind daher in Bezug auf den Kläger bis zum Wirksamwerden der Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung 2017/374 aufrechtzuerhalten.

 Kosten

264    Wenn mehrere Parteien unterliegen, entscheidet nach Art. 134 Abs. 2 der Verfahrensordnung das Gericht über die Verteilung der Kosten.

265    Im vorliegenden Fall sind dem Kläger, da er hinsichtlich der in der Klageschrift und im ersten Anpassungsschriftsatz gestellten Nichtigkeitsanträge unterlegen ist, entsprechend dem Antrag des Rates die mit diesen Anträgen zusammenhängenden Kosten aufzuerlegen. Da der Rat hinsichtlich des im zweiten Anpassungsschriftsatz gestellten Antrags auf teilweise Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2017 unterlegen ist, sind ihm entsprechend dem Antrag des Klägers die mit diesem Antrag zusammenhängenden Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Beschluss (GASP) 2017/381 des Rates vom 3. März 2017 zur Änderung des Beschlusses 2014/119/GASP über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine und die Durchführungsverordnung (EU) 2017/374 des Rates vom 3. März 2017 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 208/2014 über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine werden für nichtig erklärt, soweit der Name von Herrn Sergiy Klyuyev auf der Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen, die diesen restriktiven Maßnahmen unterliegen, belassen wurde.

2.      Die Wirkungen des Art. 1 des Beschlusses 2017/381 und des Art. 1 der Durchführungsverordnung 2017/374 werden gegenüber Herrn Klyuyev bis zum Ablauf der in Art. 56 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union vorgesehenen Rechtsmittelfrist oder, wenn innerhalb dieser Frist ein Rechtsmittel eingelegt wird, bis zur Zurückweisung des Rechtsmittels aufrechterhalten.

3.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4.      Hinsichtlich der in der Klageschrift und im ersten Anpassungsschriftsatz gestellten Nichtigkeitsanträge trägt Herr Klyuyev neben seinen eigenen Kosten die Kosten des Rates der Europäischen Union.

5.      Hinsichtlich des im zweiten Anpassungsschriftsatz gestellten Antrags auf teilweise Nichtigerklärung des Beschlusses 2017/381 und der Durchführungsverordnung 2017/374 trägt der Rat neben seinen eigenen Kosten die Kosten von Herrn Klyuyev.

Berardis

Spielmann

Csehi

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. Februar 2018.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis



*      Verfahrenssprache: Englisch.


1      Es werden nur die Randnummern des Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.


2 Nicht wiedergegebene vertrauliche Daten.