Language of document : ECLI:EU:C:2016:209

Verbundene Rechtssachen C‑186/14 P und C‑193/14 P

ArcelorMittal Tubular Products Ostrava a.s. u. a.

gegen

Hubei Xinyegang Steel Co. Ltd

und

Rat der Europäischen Union

gegen

Hubei Xinyegang Steel Co. Ltd

„Rechtsmittel – Dumping – Verordnung (EG) Nr. 384/96 – Art. 3 Abs. 5, 7 und 9 – Art. 6 Abs. 1 – Verordnung (EG) Nr. 926/2009 – Einfuhren bestimmter nahtloser Rohre aus Eisen oder Stahl aus China – Endgültiger Antidumpingzoll – Feststellung einer drohenden Schädigung – Berücksichtigung von Daten aus der Zeit nach dem Untersuchungszeitraum“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 7. April 2016

1.        Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Ermessen der Organe – Gerichtliche Kontrolle – Grenzen

2.        Rechtsmittel – Gründe – Fehlerhafte Tatsachen- und Beweiswürdigung – Unzulässigkeit – Überprüfung der Tatsachen- und Beweiswürdigung durch den Gerichtshof – Ausschluss außer bei Verfälschung

(Art. 256 AEUV; Satzung des Gerichtshofs, Art. 58 Abs. 1)

3.        Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Schädigung – Feststellung des Kausalzusammenhangs – Verpflichtungen der Organe – Berücksichtigung von Faktoren, die nicht mit dem Dumping zusammenhängen

(Verordnung des Rates Nr. 384/96, Art. 3 Abs. 7)

4.        Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Einführung von Antidumpingzöllen – Voraussetzungen – Schädigung – Drohende bedeutende Schädigung – Beweis – Berücksichtigung von Daten aus der Zeit nach dem Untersuchungszeitraum – Gerichtliche Kontrolle

(Verordnung des Rates Nr. 384/96, Art. 3 Abs. 9 und 6 Abs. 1)

1.        Die Unionsorgane verfügen im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik, besonders im Bereich handelspolitischer Schutzmaßnahmen, wegen der Komplexität der von ihnen zu prüfenden wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Sachverhalte über ein weites Ermessen. Die gerichtliche Kontrolle einer entsprechenden Beurteilung ist daher auf die Prüfung der Fragen zu beschränken, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, ob der Sachverhalt, der der beanstandeten Entscheidung zugrunde gelegt wurde, zutreffend festgestellt ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Beurteilung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmissbrauch vorliegen.

Die vom Gericht vorgenommene Kontrolle der Beweise, auf die die Unionsorgane ihre Feststellungen stützen, stellt jedoch keine die Beurteilung der Organe ersetzende neue Beurteilung des Sachverhalts dar. Sie greift nicht in das weite Ermessen der Organe im Bereich der Handelspolitik ein, sondern ist auf die Feststellung beschränkt, ob die Beweise geeignet waren, die von den Organen gezogenen Schlussfolgerungen zu stützen.

(vgl. Rn. 34, 35)

2.        Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 38-48)

3.        Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 54-56)

4.        Nach Art. 6 Abs. 1 der Antidumping-Grundverordnung Nr. 384/96 werden Daten aus der Zeit nach einem Untersuchungszeitraum bei der Untersuchung des Dumpings und der Schädigung grundsätzlich nicht berücksichtigt. Jedoch wollte der Unionsgesetzgeber eine solche Berücksichtigung nicht völlig ausschließen.

Die Unionsorgane sind daher befugt, unter bestimmten Voraussetzungen Daten aus der Zeit nach einem Untersuchungszeitraum zu berücksichtigen, zumal bei Untersuchungen, mit denen nicht festgestellt werden soll, dass eine Schädigung vorliegt, sondern, dass eine solche droht. Solche Untersuchungen basieren naturgemäß auf einer Prognose. Wie eine Schädigung ist aber auch eine drohende Schädigung zum Zeitpunkt des Erlasses einer Antidumpingmaßnahme nachzuweisen. Und nach Art. 3 Abs. 9 der Grundverordnung muss die Feststellung, dass eine bedeutende Schädigung droht, auf Tatsachen beruhen und darf sich nicht lediglich auf Behauptungen, Vermutungen oder entfernte Möglichkeiten stützen und muss das Eintreten von Umständen, unter denen das Dumping eine Schädigung verursachen würde, klar vorauszusehen sein und unmittelbar bevorstehen. Unter diesen Voraussetzungen dürfen Daten aus der Zeit nach dem Untersuchungszeitraum herangezogen werden, um die Prognosen in der vorläufigen Verordnung zu bestätigen oder zu entkräften und im ersten Fall die Verhängung eines endgültigen Antidumpingzolls zu ermöglichen.

Ein solcher Rückgriff auf Daten aus der Zeit nach dem Untersuchungszeitraum darf aber nicht der Kontrolle des Unionsrichters entzogen sein. Der Unionsrichter muss dabei das weite Ermessen der Unionsorgane im Bereich handelspolitischer Schutzmaßnahmen beachten. Das Gericht überschreitet allerdings nicht die Grenzen dieser Kontrolle, wenn es überprüft, ob die Beweismittel, auf die die Unionsorgane ihre Feststellungen stützen, die von ihnen gezogenen Schlussfolgerungen stützen.

(vgl. Rn. 70-74)