Language of document : ECLI:EU:T:2016:722

URTEIL DES GERICHTS (Vierte erweiterte Kammer)

13. Dezember 2016(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Europäischer Markt für Standardumschläge nach Katalog und bedruckte Spezialumschläge – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV festgestellt wird – Koordinierung der Verkaufspreise und Aufteilung der Kunden – Vergleichsverfahren – Geldbußen – Grundbetrag – Außergewöhnliche Anpassung – Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes – Art. 23 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Begründungspflicht – Gleichbehandlung“

In der Rechtssache T‑95/15

Printeos, SA mit Sitz in Alcalá de Henares (Spanien),

Tompla Sobre Exprés, SL mit Sitz in Alcalá de Henares,

Tompla Scandinavia AB mit Sitz in Stockholm (Schweden),

Tompla France SARL mit Sitz in Fleury-Mérogis (Frankreich),

Tompla Druckerzeugnisse Vertriebs GmbH mit Sitz in Leonberg (Deutschland),

Prozessbevollmächtigte: H. Brokelmann und P. Martínez-Lage Sobredo, Rechtsanwälte,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch F. Castilla Contreras, F. Jimeno Fernández und C. Urraca Caviedes als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV, mit der die teilweise Nichtigerklärung des Beschlusses C(2014) 9295 final der Kommission vom 10. Dezember 2014 in einem Verfahren nach Artikel [101 AEUV] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache AT.39780 – Umschläge) und, hilfsweise, die Herabsetzung der den Klägerinnen auferlegten Geldbuße begehrt wird,

erlässt

DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Prek, der Richterin I. Labucka, des Richters J. Schwarcz, der Richterin V. Tomljenović und des Richters V. Kreuschitz (Berichterstatter),

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

auf das schriftliche Verfahren und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2016

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1        In ihrem Beschluss C(2014) 9295 final vom 10. Dezember 2014 in einem Verfahren nach Artikel [101 AEUV] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache AT.39780 – Umschläge) (im Folgenden: angefochtener Beschluss) stellte die Kommission fest, dass insbesondere die Klägerinnen, die Gesellschaften Printeos SA, Tompla Sobre Exprés SL, Tompla Scandinavia AB, Tompla France SARL und Tompla Druckerzeugnisse Vertriebs GmbH gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verstoßen hätten, indem sie im Zeitraum vom 8. Oktober 2003 bis 22. April 2008 an der Bildung und Umsetzung eines Kartells auf dem europäischen Markt für Standardumschläge nach Katalog und bedruckte Spezialumschläge in Dänemark, Deutschland, Frankreich, Schweden, dem Vereinigten Königreich und Norwegen mitgewirkt hätten. Ziel dieses Kartells seien Preisabsprachen, Kundenaufteilung und Austausch vertraulicher Geschäftsinformationen gewesen. Neben den Klägerinnen seien an dem Kartell die Gruppe Bong (im Folgenden: Bong), die Gruppe GPV France SAS and Heritage Envelopes Ltd (im Folgenden: GPV), die Gruppe Holdham SA (im Folgenden: Hamelin) und die Gruppe Mayer-Kuvert (im Folgenden: Mayer-Kuvert) beteiligt gewesen, an die der Beschluss ebenfalls gerichtet war.

2        Der angefochtene Beschluss wurde im Rahmen eines Vergleichsverfahrens nach Art. 10a der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel [101 und 102 AEUV] durch die Kommission (ABl. 2004, L 123, S. 18) und der Mitteilung der Kommission über die Durchführung von Vergleichsverfahren bei dem Erlass von Entscheidungen nach Artikel 7 und Artikel 23 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates in Kartellfällen (ABl. 2008, C 167, S. 1, im Folgenden: Mitteilung über Vergleichsverfahren) erlassen.

3        Wegen der festgestellten Zuwiderhandlung (Art. 1 Abs. 5 des angefochtenen Beschlusses) verhängte die Kommission gegen die Klägerinnen als Gesamtschuldnerinnen eine Geldbuße in Höhe von 4 729 000 Euro (Art. 2 Abs. 1 Buchst. e des angefochtenen Beschlusses).

4        Das Verwaltungsverfahren, das zum Erlass des angefochtenen Beschlusses führte, war von der Kommission von Amts wegen aufgrund von Informationen und Unterlagen eines Informanten eröffnet worden. Am 14. September 2010 führte sie bei den Klägerinnen und anderen an dem Kartell beteiligten Unternehmen in Dänemark, Spanien, Frankreich und Schweden Nachprüfungen gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates zur Durchführung der in den Artikeln [81 und 82 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) durch. Am 1. Oktober 2010 und 31. Januar 2011 folgten weitere Nachprüfungen in Deutschland (Rn. 16 des angefochtenen Beschlusses).

5        Am 22. Oktober 2010 stellten die Klägerinnen bei der Kommission einen Antrag auf Ermäßigung der Geldbuße nach der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2006, C 298, S. 17, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) (Rn. 17 des angefochtenen Beschlusses) sowie einen entsprechenden Antrag bei der Comisión Nacional de la Competencia, später umbenannt in Comisión Nacional de los Mercados y la Competencia (Wettbewerbsbehörde, Spanien, im Folgenden: CNC).

6        Am 15. März 2011 eröffnete die CNC ein Verfahren zur Untersuchung eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV und die entsprechenden spanischen Wettbewerbsregeln insbesondere durch Tompla Sobre Exprés einschließlich ihrer spanischen Filialen nur hinsichtlich des Marktes für Papierumschläge in Spanien (Sache S/0316/10, Sobres de papel [Papierumschläge]). Zum Abschluss dieses Verfahrens erließ die CNC am 25. März 2013 eine Entscheidung, mit der sie gegen diese Unternehmen eine Geldbuße von insgesamt 10 141 530 Euro verhängte, weil diese im Zeitraum von 1977 bis 2010 auf dem spanischen Markt an Kartellen beteiligt gewesen seien, die die Festsetzung von Preisen und die Zuteilung der von der spanischen Verwaltung ausgeschriebenen Aufträge im Bereich der Lieferung vorbedruckter Umschläge für Wahlen und Referenden auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene, die Zuteilung des Auftrags für vorbedruckte Umschläge für gewerbliche Großkunden, Preisabsprachen hinsichtlich unbedruckter Umschläge und die Beschränkung der Technologie zum Ziel gehabt hätten.

7        Nachdem alle beteiligten Parteien ihr Interesse an Vergleichsgesprächen bekundet hatten, leitete die Kommission am 10. Dezember 2013 das Verfahren nach Art. 10a der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 ein, im Rahmen dessen sie bilaterale Vergleichsgespräche mit jeder beteiligten Partei führte (Rn. 19 und 20 des angefochtenen Beschlusses).

8        In einer Sitzung am 21. Januar 2014 legte die Kommission den Klägerinnen eine Gesamtübersicht über das Kartell einschließlich der Analyse der ihr zur Verfügung stehenden Beweise vor.

9        Am 24. Februar 2014 übermittelten die Klägerinnen ein als „Non-Paper“ bezeichnetes informelles Dokument, in dem sie die Kommission aufforderten, bei der Festlegung der Geldbußen Folgendes zu berücksichtigen: erstens die von der CNC verhängte Geldbuße, weil diese Geldbuße an sich bereits 10 % ihres Gesamtumsatzes im Jahr 2012 ausmache, zweitens die Tatsache, dass die Klägerinnen eine „Monoprodukt“-Gruppe (d. h. eine auf ein einziges Erzeugnis ausgerichtete Gruppe) seien, und drittens Ziff. 37 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien), nach der es der Kommission erlaubt sei, in Anbetracht der besonderen Umstände des konkreten Falles von der Methode für die Berechnung der Geldbußen oder der in Ziff. 21 dieser Leitlinien festgelegten Obergrenze abzuweichen.

10      Statt eine zweite Sitzung abzuhalten, legte die Kommission mit Einverständnis der Klägerinnen mit E‑Mail vom 17. Juni 2014 eine Gesamtübersicht über die bei der Festlegung der Geldbuße zu berücksichtigenden wesentlichen Umstände vor, wie den Wert der von den Klägerinnen im Jahr 2007 erzielten Verkaufserlöse, nämlich 143 316 000 Euro, und ihren Umsatz im Jahr 2013, nämlich [vertraulich](1) Euro, die Dauer ihrer Teilnahme an der Zuwiderhandlung usw. In ihrer Antwort‑E‑Mail vom 18. Juni 2014 bestätigten die Klägerinnen den von der Kommission festgelegten Wert der Verkaufserlöse sowie den Umsatz und teilten mit, dass sie hierzu keine substanziellen Anmerkungen hätten.

11      In einer Sitzung am 24. Oktober 2014 informierte die Kommission die Klägerinnen über die Methoden und Parameter zur Berechnung der Geldbuße, nämlich erstens den Anteil (15 %) des Verkaufswerts (143 316 000 Euro im Jahr 2007) für die Ermittlung des Grundbetrags der Geldbuße, zweitens die Dauer der Zuwiderhandlung der Klägerinnen (vier Jahre und sechs Monate), drittens den zusätzlichen Betrag von 15 %, viertens das Fehlen mildernder oder erschwerender Umstände, fünftens die Nichtanwendung eines Multiplikationsfaktors, sechstens die maximal zulässige Geldbuße von [vertraulich] Euro (10 % des Gesamtumsatzes der Klägerinnen im Jahr 2013), siebtens eine außergewöhnliche Ermäßigung der Geldbuße gemäß Ziff. 37 der Leitlinien aufgrund der besonderen Umstände des Falles einschließlich der Tatsache, dass die Grundbeträge aller am Kartell Beteiligten die in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehene Obergrenze von 10 % übersteigen, achtens eine zusätzliche Ermäßigung, weil die Klägerinnen eine „Monoprodukt“-Gruppe seien, neuntens, dass es nicht möglich sei, eine Ermäßigung wegen der von der CNC auferlegten Geldbuße zu gewähren, weil diese ein anderes als das von der Kommission geprüfte Kartell betroffen habe, das unabhängig und nach den insoweit anwendbaren Regeln, die andere als die von der Kommission angewandten seien, zu ahnden sei, zehntens eine geplante Ermäßigung um 50 % gemäß den Ziff. 24 und 25 der Mitteilung über Zusammenarbeit, elftens eine geplante Ermäßigung um 10 % gemäß Ziff. 32 der Mitteilung über Vergleichsverfahren und schließlich den Rahmen der Geldbuße, der von 4 610 000 bis 4 848 000 Euro reiche, innerhalb dessen die Klägerinnen in ihren Vergleichsvorschlägen den Höchstbetrag akzeptieren müssten.

12      Am 7. November 2014 reichten die Klägerinnen ihre Vergleichsausführungen ein, in denen sie den Wert der Verkaufserlöse und die Umsatzzahlen, die die Kommission festgelegt hatte, sowie den Höchstbetrag der Geldbuße von 4 848 000 Euro akzeptierten.

13      Am 18. November 2014 erließ die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte.

14      Am 20. November 2014 bestätigten die Klägerinnen gemäß Ziff. 26 der Mitteilung über Vergleichsverfahren, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte den Inhalt ihrer Vergleichsausführungen zutreffend wiedergebe und sie an ihrer Zusage festhielten, das Vergleichsverfahren anzunehmen.

15      In dem angefochtenen Beschluss legte die Kommission zur Festsetzung der Geldbußen den Grundbetrag für jedes beteiligte Unternehmen gemäß der folgenden Tabelle fest (Rn. 71 und 84 des angefochtenen Beschlusses):

Unternehmen

Verkäufe (Wert) EUR

Schwere-faktor

Laufzeit

Zusatzbetrag

Grundbetrag EUR

Bong

140 000 000

15 %

4,5

15 %

115 500 000

[…] GPV

125 086 629

15 %

4,5

15 %

103 196 000

Hamelin

185 521 000

15 %

4,416

15 %

150 717 000

Mayer-Kuvert

70 023 181

15 %

4,5

15 %

57 769 000

Printeos […]

143 316 000

15 %

4,5

15 %

118 235 000


16      In den Rn. 85 bis 87 des angefochtenen Beschlusses befand die Kommission außerdem, dass die Grundbeträge nicht gemäß den Ziff. 28 und 29 der Leitlinien anzupassen seien, außer für Mayer-Kuvert, der wegen ihrer geringfügigen Beteiligung an den Zuwiderhandlungen eine Ermäßigung von 10 % gewährt werden sollte.

17      Unter dem Titel „Anpassung der Grundbeträge“ stellte die Kommission fest, dass angesichts der Tatsache, dass die Umsätze der Mehrheit der betroffenen Beteiligten auf einem einzigen Markt erzielt worden seien, auf dem sie sich während mehrerer Jahre an einem Kartell beteiligt hätten, praktisch alle Beträge der Geldbußen die Obergrenze von 10 % erreichen könnten und die Anwendung dieser Obergrenze eher die Regel als die Ausnahme darstelle (Rn. 88 des angefochtenen Beschlusses). Hierzu verwies die Kommission auf die Rechtsprechung des Gerichts, wonach ein solcher Ansatz mit Blick auf den Grundsatz der individuellen Zumessung von Strafen und Sanktionen insoweit problematisch sein könne, als er unter Umständen dazu führen könne, dass sich keine Differenzierung nach der Schwere oder wegen mildernder Umstände mehr auf die Höhe einer Geldbuße niederschlagen könne (Urteil vom 16. Juni 2011, Putters International/Kommission, T‑211/08, EU:T:2011:289, Rn. 75). In Anbetracht der besonderen Umstände des vorliegenden Falles hielt es die Kommission für angemessen, ihren Ermessensspielraum auszuüben und Ziff. 37 der Leitlinien anzuwenden, der es ihr erlaubt, von der in den Leitlinien festgelegten Methode abzuweichen (Rn. 89 und 90 des angefochtenen Beschlusses).

18      Die Rn. 91 und 92 des angefochtenen Beschlusses lauten:

„(91)      Im vorliegenden Fall wird der Grundbetrag unter Berücksichtigung des mit den vom Kartell betroffenen Produkten erzielten Umsatzes im Verhältnis zum Gesamtumsatz sowie der unterschiedlichen Kartellbeteiligung der einzelnen Parteien angepasst. Insgesamt werden die Geldbußen auf ein Niveau festgesetzt, das der Zuwiderhandlung angemessen ist und hinreichend abschreckende Wirkung hat.

(92)      Daher werden die Geldbußen für alle Beteiligten ermäßigt. Unter den besonderen Umständen des Falles wird in Anbetracht dessen, dass alle Beteiligten in unterschiedlichem, aber erheblichem Maß im Verkauf von Standardumschlägen nach Katalog und bedruckten Spezialumschlägen tätig waren, vorgeschlagen, eine Ermäßigung der wegen der Zuwiderhandlung verhängten Geldbuße gegen GPV um [vertraulich] %, gegen Tompla um [vertraulich] %, gegen Bong und Mayer-Kuvert um [vertraulich] % sowie gegen Hamelin um [vertraulich] % vorzunehmen.“

19      Das Ergebnis dieser Anpassung lässt sich wie folgt zusammenfassen (vgl. auch die Tabelle in Rn. 93 des angefochtenen Beschlusses):

Unternehmen

Grundbetrag vor Anpassung EUR

Ermäßigung %

Grundbetrag nach Anpassung EUR

Bong

115 500 500

[vertraulich]

[vertraulich]

GPV

103 196 000

[vertraulich]

[vertraulich]

Hamelin

150 717 000

[vertraulich]

[vertraulich]

Mayer-Kuvert

57 769 000

[vertraulich]

[vertraulich]

Printeos

118 235 000

[vertraulich]

[vertraulich]


20      Außerdem gewährte die Kommission den Klägerinnen zusätzliche Ermäßigungen der Geldbußen um 50 % gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit und um 10 % gemäß Rn. 32 der Mitteilung über Vergleichsverfahren (Rn. 99, 102 und 103 des angefochtenen Beschlusses), deren Rechtmäßigkeit im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht bestritten wird. Gemäß den entsprechenden einschlägigen Bestimmungen wurde Hamelin und Mayer-Kuvert jeweils eine Ermäßigung ihrer Geldbußen um 25 % bzw. 10 % (Zusammenarbeit) und um 10 % (Vergleich) gewährt (Rn. 100 bis 103 des angefochtenen Beschlusses).

21      Schließlich ergibt sich aus den Rn. 104 bis 108 des angefochtenen Beschlusses unter der Überschrift „Zahlungsfähigkeit“, dass die Kommission infolge substantiierter Anträge von [vertraulich] und [vertraulich] nach Ziff. 35 der Leitlinien die Beträge ihrer Geldbußen auf [vertraulich] bzw. [vertraulich] Euro ermäßigt hat. Die Klägerinnen haben weder einen entsprechenden Antrag bei der Kommission gestellt noch eine Ermäßigung nach dieser Ziff. 35 erhalten.

 Verfahren und Anträge der Parteien

22      Mit Klageschrift, die am 20. Februar 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben.

23      Auf Vorschlag der Vierten Kammer hat das Gericht beschlossen, die Rechtssache nach Art. 28 seiner Verfahrensordnung an einen größeren Spruchkörper zu verweisen.

24      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Vierte erweiterte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und den Beteiligten im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung schriftliche Fragen hinsichtlich der vertraulichen Behandlung bestimmter im Sitzungsbericht dargelegter Zahlen gegenüber der Öffentlichkeit gestellt. Die Beteiligten haben diese Fragen innerhalb der gesetzten Frist beantwortet.

25      Die Parteien haben in der Sitzung vom 4. Juli 2016 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

26      Die Klägerinnen beantragen,

–        Art. 2 Abs. 1 Buchst. e des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, in einem ersten Schritt die ihnen auferlegte Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen, der mindestens 55 % unter der in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Obergrenze von 10 % liegt, oder andernfalls auf einen Prozentsatz, den das Gericht für angemessen erachtet, um das Gleichgewicht dieser Geldbuße im Verhältnis zu den gegen Bong und Hamelin verhängten Geldbußen wiederherzustellen, und in einem zweiten Schritt diesen Betrag weiter um mindestens 33 % oder andernfalls um den Prozentsatz zu ermäßigen, den das Gericht für angemessen erachtet, um die von der CNC mit ihrer Entscheidung vom 25. März 2013 verhängte Geldbuße zu berücksichtigen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

27      Die Kommission beantragt,

–        den dritten Klagegrund für unzulässig zu erklären;

–        in jedem Fall die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen;

–        in jedem Fall den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Gegenstand der Klage und Zusammenfassung der Klagegründe

28      Die Klägerinnen tragen vor, dass sie weder ihre Beteiligung an der in Art. 1 des angefochtenen Beschlusses genannten Zuwiderhandlung noch den Tatbestand der Zuwiderhandlung, noch deren rechtliche Bewertung bestreiten wollen. Sie beschränken sich darauf, die Nichtigerklärung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. e des angefochtenen Beschlusses zu beantragen, soweit dieser ihnen eine Geldbuße auferlegt, deren Höhe, wie sie vor den Ermäßigungen nach den Mitteilungen über Zusammenarbeit und über Vergleichsverfahren festgesetzt worden ist, sie entgegentreten.

29      Mit ihrem ersten Klagegrund werfen die Klägerinnen der Kommission vor, gegen ihre Begründungspflicht bezüglich der Anpassung des Grundbetrags der Geldbußen gemäß Ziff. 37 der Leitlinien und des auf jedes Unternehmen anzuwendenden Prozentsatzes der Ermäßigung verstoßen zu haben; in der Erwiderung rügen sie einen Ermessensmissbrauch durch die Kommission.

30      Mit ihrem zweiten Klagegrund machen die Klägerinnen einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu ihrem Nachteil im Rahmen der außergewöhnlichen Anpassung des Grundbetrags der Geldbußen nach Ziff. 37 der Leitlinien geltend.

31      Mit ihrem dritten Klagegrund machen die Klägerinnen geltend, dass die Kommission bei der Festsetzung des Betrags der Geldbuße gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung verstoßen habe, indem sie die zuvor von der CNC verhängte Geldbuße nicht berücksichtigt habe.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht bezüglich der Anpassung des Grundbetrags der Geldbußen gemäß Ziff. 37 der Leitlinien und des auf jedes Unternehmen anzuwendenden Prozentsatzes der Ermäßigung sowie Ermessensmissbrauch

 Vorbringen der Parteien

32      Nach Auffassung der Klägerinnen sind in den Rn. 88 bis 92 des angefochtenen Beschlusses die Gründe für die Entscheidung der Kommission, die Grundbeträge der den betreffenden Unternehmen auferlegten Geldbußen ausnahmsweise nach Ziff. 37 der Leitlinien anzupassen und sie in unterschiedlichem Maße zu ermäßigen, nämlich um jeweils 85 %, 88 %, 90 % und 98 %, nicht hinreichend dargelegt. Insbesondere seien die Gründe nicht nachvollziehbar, aus denen die Kommission Hamelin eine Ermäßigung um [vertraulich] % gewährt habe. Diese unzureichende Begründung sei umso schwerwiegender und die Begründungspflicht umgekehrt umso ausgeprägter, als die Kommission im vorliegenden Fall von der in den Leitlinien vorgesehenen allgemeinen Methodik zur Festsetzung der Geldbußen abgewichen sei. In der Erwiderung führen die Klägerinnen im Wesentlichen aus, dass die Kommission die tatsächlichen Motive für diese Anpassung der Grundbeträge der Geldbußen erstmals in der Klagebeantwortung erläutert habe. Diese verspätete Erläuterung könne jedoch den Begründungsmangel, mit dem die angefochtene Entscheidung behaftet sei, nicht heilen; sie zeige vielmehr, dass in der Vornahme dieser Anpassung auch ein Ermessensmissbrauch durch die Kommission liege. In den Rn. 28, 64 und 65 der Klagebeantwortung habe die Kommission vorgetragen, dass der Hamelin betreffende Grundbetrag, obwohl diese kein „,Monoprodukt‘-Unternehmen ist, ebenfalls gemäß Ziff. 37 der Leitlinien und aus Billigkeitsgründen nach der gleichen Methode angepasst werden [muss], um ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen und das Gleichgewicht im Verhältnis zu den den verschiedenen Unternehmen nach den genannten Anpassungen verhängten Geldbußen herzustellen“. Die Überlegung, dass die gegen Hamelin verhängte Geldbuße in Wirklichkeit aus Billigkeitsgründen und nicht deswegen, weil diese ein „Monoprodukt“‑Unternehmen sei, ermäßigt worden sei, gehe aus Rn. 92 des angefochtenen Beschlusses jedoch nicht hervor.

33      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen und beantragt, den vorliegenden Klagegrund zurückzuweisen.

34      Hinsichtlich der Berechnung der Geldbußen und insbesondere der Festsetzung des Grundbetrags im angefochtenen Beschluss trägt die Kommission vor, dass der vorliegende Fall aufgrund der Tatsache, dass die betroffenen Unternehmen mit Ausnahme von Hamelin „Monoprodukt“-Unternehmen seien, außergewöhnliche Umstände aufweise, wie dies in den Rn. 88 bis 95 des angefochtenen Beschlusses dargelegt worden sei. Da der Grundbetrag die Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes überschritten habe, habe die „Gefahr [bestanden], dass die Geldbuße nur aufgrund der Gesamtumsatzzahlen verhängt und weder die Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung noch die Besonderheiten des Falls berücksichtigt würden“. Also habe die Anwendung des Schwerekoeffizienten und des Multiplikationsfaktors, wie in Rn. 89 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt worden sei, „keinen praktischen Nutzen für die Berechnung der Geldbuße“ gehabt. Die Kommission habe der Tatsache Rechnung getragen, dass die Berücksichtigung dieser Umstände nicht zu einer Verringerung des Endbetrags der Geldbuße führen könne. Die Berücksichtigung eines mildernden Umstands zugunsten von Mayer-Kuvert aufgrund ihrer geringeren Beteiligung an der Zuwiderhandlung (vgl. Rn. 87 des angefochtenen Beschlusses) habe keine Auswirkungen auf den Endbetrag der Geldbuße gehabt, weil die Ermäßigung vor der Anwendung der Obergrenze von 10 % vorgenommen worden sei. In der Gegenerwiderung erklärt die Kommission, dass der Überschreitungssatz vor der Anpassung der Grundbeträge 38,98 % für Bong, 441,83 % für GPV, 30,04 % für Hamelin, 36,71 % für Mayer-Kuvert und 97,13 % für die Klägerinnen betragen habe.

35      Die Kommission habe somit auf jedes Unternehmen die notwendige Ermäßigung angewandt, um den Grundbetrag der Geldbuße unterhalb der Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes im Jahr 2013 zu halten. Hierfür sei der Grundbetrag proportional nach Maßgabe der Monoprodukt-Ratio der Unternehmen reduziert worden. Bezüglich Hamelin sei sie der Ansicht gewesen, dass, „auch wenn diese kein ‚Monoprodukt‘‑Unternehmen ist, … der Grundbetrag ebenfalls nach Ziff. 37 der Leitlinien aus Billigkeitsgründen nach der gleichen Methode angepasst werden [muss], um ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen und das Gleichgewicht im Verhältnis zu den gegenüber den verschiedenen Unternehmen nach den genannten Anpassungen verhängten Geldbußen herzustellen“. Die Kommission habe die Ermäßigung nicht linear vorgenommen, sondern unter Berücksichtigung der Obergrenze von 10 % sichergestellt, dass die sich ergebende Geldbuße in Anbetracht der Schwere und der Dauer des Verstoßes eine hinreichend abschreckende Wirkung habe. Nach der in Rn. 91 des angefochtenen Beschlusses beschriebenen Methode habe sie die Grundbeträge somit folgendermaßen ermäßigt: um [vertraulich] % für Bong, [vertraulich] % für GPV, [vertraulich] % („Billigkeit“) für Hamelin, [vertraulich] % für Mayer-Kuvert und [vertraulich] % für die Klägerinnen.

36      Nach Auffassung der Kommission muss das Gericht sich auf die Prüfung der Frage beschränken, ob die Begründungspflicht eingehalten worden sei, und zwar allein gegenüber den Klägerinnen und nicht gegenüber den anderen Unternehmen, die beim Gericht keine Klage eingereicht hätten und denen gegenüber die Begründung im angefochtenen Beschluss bestandskräftig geworden sei. Die Klägerinnen könnten sich im vorliegenden Fall somit nicht auf eine angeblich fehlende Begründung hinsichtlich der Ermäßigung der Geldbußen berufen, die den anderen Unternehmen, an die dieser Beschluss gerichtet sei, auferlegt worden seien. Jedenfalls sei diese Begründung ausreichend, da sie den Klägerinnen erlaubt habe, die Gründe für die Anpassung der sie betreffenden Geldbuße – die ihnen bekannt gewesen seien, da sie die Ermäßigung selbst beantragt hätten – zu kennen, und dem Gericht erlaube, seine gerichtliche Kontrolle auszuüben.

37      Da der angefochtene Beschluss zum Abschluss eines Vergleichsverfahrens erlassen worden sei, in dem die Beteiligten in bilateralen Gesprächen über alle relevanten Umstände, darunter die behaupteten Tatsachen, die Einstufung dieser Tatsachen, die Schwere und die Dauer der vorgeworfenen Zuwiderhandlung, die Zurechnung der Haftung und die ungefähre Höhe der in Betracht kommenden Geldbußen, informiert worden seien, könne ihre Begründung wesentlich kürzer ausfallen als in anderen nach den Art. 7 und 23 der Verordnung Nr. 1/2003 erlassenen Beschlüssen. Die bilateralen Gespräche zwischen der Kommission und den Klägerinnen hätten es diesen somit erlaubt, jeden dieser Umstände und die zur Berechnung der Geldbußen vorgesehene Methode zu kennen, um frei zu entscheiden, ob sie einen Vergleichsvorschlag vorlegen wollten oder nicht. Unter diesen Umständen sei die Begründung des angefochtenen Beschlusses völlig ausreichend.

38      Die für die Bestimmung von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung und für die Berechnung der Geldbuße berücksichtigten Faktoren seien nämlich im Wortlaut des angefochtenen Beschlusses bereits detailliert dargelegt. In dessen Rn. 72 bis 84 sei die zur Berechnung des Grundbetrags verwendete Methode erläutert, die die Klägerinnen nicht in Frage stellten. Dort seien noch andere Einzelheiten dargelegt, wie die bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbußen berücksichtigten Verkaufsmengen der betreffenden Unternehmen (vgl. Tabelle Nr. 1 in Rn. 75), die unterschiedlichen Multiplikationsfaktoren aufgrund der Dauer (vgl. Tabelle Nr. 2 in Rn. 81) und die einzelnen Grundbeträge der Geldbußen vor ihrer Anpassung (vgl. Tabellen Nrn. 3 und 4 in Rn. 84 und 93). Somit sei dem Begründungserfordernis hinsichtlich der Umstände, die es ermöglichten, die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung zu bemessen, Genüge getan.

39      Außerdem habe die Kommission den Klägerinnen in der Sitzung vom 24. Oktober 2014 eine detaillierte Beschreibung der Methode zur Berechnung des Betrags der gegen sie vorgesehenen Geldbuße einschließlich der zur Berechnung des Grundbetrags herangezogenen Verkaufswerte, der Dauer ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung, des zusätzlichen Betrags zu Zwecken der Abschreckung (Multiplikationsfaktor), des Fehlens erschwerender oder mildernder Umstände, der aufgrund der Mitteilungen über Vergleichsverfahren und über Zusammenarbeit vorgenommenen Ermäßigungen sowie der nach Ziff. 37 der Leitlinien vorgenommenen Ermäßigung geliefert. Die Klägerinnen hätten diese Erklärungen sehr wohl verstanden und in ihrem Vergleichsvorschlag den Höchstbetrag der gegen sie möglicherweise zu verhängenden Geldbuße nach der vorgeschlagenen Bandbreite akzeptiert.

40      Hinsichtlich der nach Ziff. 37 der Leitlinien vorgenommenen Ermäßigung des Grundbetrags ist die Kommission der Auffassung, dass die Gründe, aus denen sie eine Anpassung des Grundbetrags für erforderlich gehalten habe, in den Rn. 88 bis 92 des angefochtenen Beschlusses hinreichend dargelegt seien. Die Besonderheiten, die zur Anpassung gegenüber den Klägerinnen geführt hätten, seien schon in der Sitzung vom 24. Oktober 2014, also vor der Vorlage ihres Vergleichsvorschlags, der Zusendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte und dem Erlass des angefochtenen Beschlusses geprüft worden. In dieser Sitzung habe die Kommission erklärt, dass die für alle Unternehmen berechneten Grundbeträge die Obergrenze von 10 % wegen eines Zusammentreffens von Faktoren überstiegen, wie Wert des von der Zuwiderhandlung betroffenen prozentualen Verkaufsvolumens, lange Dauer des Kartells und „Monoprodukt“‑Ratio der Unternehmen (berechnet als Verhältnis zwischen dem Verkaufsvolumen an Umschlägen und dem Gesamtverkaufsvolumen des betreffenden Unternehmens). Die in der Sitzung am 24. Oktober 2014 aufgetretenen Unklarheiten darüber, wie sich die auf die „Monoprodukt“‑Ratio gestützte Ermäßigung auf den Endbetrag der Geldbuße auswirke, seien im Lauf dieser Sitzung ausgeräumt worden, in deren Folge die Klägerinnen den genannten Vergleichsvorschlag vorgelegt hätten.

41      Zudem seien es die Klägerinnen selbst gewesen seien, die die Kommission in ihrem „Non-Paper“ vom 24. Februar 2014 (siehe oben, Rn. 9) aufgefordert hätten, eine Ermäßigung der Geldbuße nach Ziff. 37 der Leitlinien vorzunehmen. Die Klägerinnen hätten erklärt, dass die zeitliche Begrenzung der Dauer der Zuwiderhandlung aufgrund des „Monoprodukt“-Charakters ihrer Gruppe keinen Einfluss auf den Betrag der ihr auferlegten Geldbuße habe. Da der Verkauf von Umschlägen mehr als 90 % ihres Gesamtverkaufsvolumens ausmache, würde die Anwendung eines Zuschlags von über 10 % aus Abschreckungszwecken bereits zu einem Betrag der Geldbuße führen, der die in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehene Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes übersteige. Angesichts dieser Umstände und insbesondere der entsprechenden Begründung in Rn. 91 des angefochtenen Beschlusses kommt die Kommission im vorliegenden Fall zu dem Schluss, dass eine detailliertere Begründung nicht erforderlich gewesen sei.

42      Hinsichtlich der genauen Ermäßigungssätze, die jedem der betroffenen Unternehmen gewährt worden seien, verweist die Kommission auf die Rn. 91 und 92 des angefochtenen Beschlusses, in denen die Faktoren, die sie bei der Festsetzung dieser Ermäßigungen berücksichtigt habe, ausdrücklich genannt seien und die durch Rn. 87 dieses Beschlusses ergänzt würden, wonach Mayer-Kuvert eine unterschiedliche Rolle gespielt habe und an der Zuwiderhandlung in einem geringeren Maß beteiligt gewesen sei. Die in den Rn. 84 und 93 enthaltenen Tabellen Nrn. 3 und 4 führten somit die Grundbeträge für jedes Unternehmen vor und nach ihrer Anpassung auf, und eine einfache arithmetische Berechnung ergebe den auf jede Geldbuße angewandten genauen Anpassungsbetrag. Für die Klägerinnen habe der auf sie wegen ihres „Monoprodukt“‑Charakters angewandte Anpassungssatz, dessen Anwendung die Klägerinnen selbst verlangt hätten, [vertraulich] % betragen. Außerdem sei es nach der Rechtsprechung nicht erforderlich, eine arithmetische Berechnung vorzulegen oder alle Umstände anzuführen, die zur Festsetzung eines genauen Betrags der Geldbuße beigetragen haben könnten. Zu der gegenüber Hamelin „aus Billigkeitsgründen“ gewährten Ermäßigung erklärt die Kommission in der Erwiderung, dass diese, wie in Rn. 90 des angefochtenen Beschlusses dargelegt, durch die Notwendigkeit, die besonderen Umstände des Falles zu berücksichtigen, gerechtfertigt gewesen sei.

 Würdigung durch das Gericht

43      Mit ihrem ersten Klagegrund rügen die Klägerinnen im Wesentlichen eine unzureichende Begründung in den Rn. 88 bis 92 des angefochtenen Beschlusses. Dort seien die Gründe, die die Kommission dazu veranlasst hätten, die Grundbeträge der den betroffenen Unternehmen auferlegten Geldbußen ausnahmsweise nach Ziff. 37 der Leitlinien anzupassen und in diesem Zusammenhang unterschiedliche Ermäßigungen auf sie anzuwenden, insbesondere Hamelin eine solche um [vertraulich] % zu gewähren, nicht genannt. Außerdem stelle dieses Vorgehen einen Ermessensmissbrauch dar. Insbesondere habe die Kommission erstmals in diesem Verfahren vorgetragen, dass Hamelin kein „Monoprodukt“‑Unternehmen und die Anpassung des sie betreffenden Grundbetrags nach Ziff. 37 der Leitlinien insbesondere aus Billigkeitsgründen gerechtfertigt sei, was aus Rn. 92 des angefochtenen Beschlusses nicht hervorgehe.

44      Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich bei der in Art. 296 Abs. 2 AEUV vorgesehenen Begründungspflicht um ein wesentliches Formerfordernis, das von der Frage der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört. Unter diesem Blickwinkel muss die vorgeschriebene Begründung dem Wesen des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und die Gemeinschaftsgerichte ihre Kontrollaufgabe wahrnehmen können. Was insbesondere die Begründung von Einzelentscheidungen angeht, hat die Pflicht zur Begründung solcher Entscheidungen neben der Ermöglichung einer gerichtlichen Überprüfung den Zweck, den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob die Entscheidung eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht (vgl. Urteile vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, EU:C:2011:620, Rn. 146 bis 148 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 11. Juli 2013, Ziegler/Kommission, C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 114 und 115 und die dort angeführte Rechtsprechung und vom 5. Dezember 2013, Solvay/Kommission, C‑455/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:796, Rn. 89 und 90 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Außerdem ist das Begründungserfordernis nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Anforderungen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts, sondern auch seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet zu beurteilen ist (Urteile vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, EU:C:2011:620, Rn. 150, vom 11. Juli 2013, Ziegler/Kommission, C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 116, und vom 5. Dezember 2013, Solvay/Kommission, C‑455/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:796, Rn. 91).

46      Nach der Rechtsprechung ist die Begründung dem Betroffenen daher grundsätzlich gleichzeitig mit der ihn beschwerenden Entscheidung mitzuteilen. Das Fehlen der Begründung kann nicht dadurch geheilt werden, dass der Betroffene die Gründe für die Entscheidung während des Verfahrens vor den Unionsinstanzen erfährt (Urteile vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, EU:C:2011:620, Rn. 149, vom 19. Juli 2012, Alliance One International und Standard Commercial Tobacco/Kommission, C‑628/10 P und C‑14/11 P, EU:C:2012:479, Rn. 74).

47      Entgegen dem Vorbringen der Kommission gelten angesichts der in Rn. 41 der Mitteilung über Vergleichsverfahren aufgeführten Anforderungen des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union in Verbindung mit Art. 263 AEUV einerseits und Art. 261 AEUV und Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 andererseits (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission, C‑386/10 P, EU:C:2011:815, Rn. 52 bis 67) diese Grundsätze sinngemäß auch für die Pflicht der Kommission nach Art. 296 Abs. 2 AEUV, den Beschluss zur Verhängung von Geldbußen zu begründen, den sie zum Abschluss eines Vergleichsverfahrens erlässt, in dessen Rahmen nur der vorgeschlagene Höchstbetrag der Geldbuße als vom betroffenen Unternehmen akzeptiert gilt. Der Gerichtshof hat unter Hinweis auf die vorgenannten Bestimmungen des Primär- und Sekundärrechts die besondere Bedeutung hervorgehoben, die der Pflicht der Kommission, ihre Beschlüsse, mit denen auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts Geldbußen verhängt werden, zu begründen und u. a. darzulegen, wie sie die berücksichtigten Faktoren bei der Festsetzung des Geldbußenbetrags gewichtet und bewertet hat, und der Pflicht des Richters zukommt, das Vorliegen einer Begründung von Amts wegen zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission, C‑386/10 P, EU:C:2011:815, Rn. 61).

48      Beschließt die Kommission, von der in den Leitlinien dargelegten allgemeinen Methodik, durch die sie sich in der Ausübung ihres Ermessens bei der Festsetzung der Höhe von Geldbußen selbst gebunden hat, abzuweichen, indem sie sich, wie im vorliegenden Fall, auf Ziff. 37 der Leitlinien stützt, sind diese Begründungserfordernisse umso strenger zu beachten. Die Leitlinien stellen nach ständiger Rechtsprechung Verhaltensnormen dar, die einen Hinweis auf die zu befolgende Verwaltungspraxis enthalten, von der die Kommission im Einzelfall nicht ohne Angabe von Gründen abweichen kann, die insbesondere mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. Mai 2013, Quinn Barlo u. a./Kommission, C‑70/12 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:351, Rn. 53, und vom 11. Juli 2013, Ziegler/Kommission, C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Begründung muss umso genauer sein, als Ziff. 37 der Leitlinien sich nur vage auf die „besonderen Umstände eines Falles“ bezieht und der Kommission einen weiten Ermessensspielraum einräumt, um wie im vorliegenden Fall eine ausnahmsweise Anpassung der Grundbeträge der Geldbußen der betroffenen Unternehmen vorzunehmen. In einem solchen Fall kommt der Beachtung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährt, wozu auch die Begründungspflicht gehört, eine umso größere Bedeutung zu (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, EU:C:1991:438, Rn. 14).

49      Daraus folgt, dass die Kommission im vorliegenden Fall verpflichtet war, hinreichend klar und genau zu erläutern, wie sie ihr Ermessen auszuüben gedachte, einschließlich der tatsächlichen und rechtlichen Umstände, die sie zu diesem Zweck berücksichtigt hatte. Im Einzelnen umfasst diese Begründungspflicht wegen der Pflicht der Kommission, bei der Festsetzung der Geldbußen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten, dessen Verletzung zu ihrem Nachteil die Klägerinnen (mit ihrem zweiten Klagegrund) rügen, sämtliche relevanten Umstände, damit beurteilt werden kann, ob die betroffenen Unternehmen, für die die Grundbeträge der Geldbußen angepasst worden sind, sich in einer vergleichbaren Situation befanden, ob die Sachverhalte gleich oder unterschiedlich behandelt wurden und ob eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt war (vgl. Urteil vom 12. November 2014, Guardian Industries und Guardian Europe/Kommission, C‑580/12 P, EU:C:2014:2363, Rn. 51 und 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Für die Prüfung, ob die Kommission ihrer Pflicht zur Begründung des angefochtenen Beschlusses genügt hat, sind die unterschiedlichen Berechnungsschritte zu betrachten, die sie nach Ziff. 37 der Leitlinien zur Festsetzung und Anpassung der Grundbeträge der den betroffenen Unternehmen auferlegten Geldbußen vorgenommen hat. Die im angefochtenen Beschluss hierzu dargelegten Gründe lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Unternehmen

Verkäufe (Wert) EUR im Jahr 2007

Schwere-
faktor %

Laufzeit (Jahre)

Zusatz-betrag

Grundbetrag
EUR

Anpassung Herabsetzung %

Angenommener
Grundbetrag

Bong

140 000 000

15 %

4,5

15 %

115 500 000

[vertraulich] %

[vertraulich]

[…] GPV

125 086 629

15 %

4,5

15 %

103 196 000

[vertraulich] %

[vertraulich]

Hamelin

185 521 000

15 %

4,416

15 %

150 717 000

[vertraulich] %

[vertraulich]

Mayer-Kuvert

70 023 181

15 %

4,5

15 %

57 769 000

[vertraulich] %

[vertraulich]

Printeos […]

143 316 000

15 %

4,5

15 %

118 235 000

[vertraulich] %

[vertraulich]


51      Außerdem hat die Kommission zum einen in den Rn. 88 und 89 des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen hervorgehoben, dass die meisten der betroffenen Unternehmen ihre Verkäufe auf einem einzigen Markt getätigt hätten, so dass praktisch alle Geldbußen die in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehene Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes erreichen könnten, dass die Anwendung dieser Obergrenze eher die Regel als die Ausnahme darstelle und dass jede Differenzierung nach der Schwere der Zuwiderhandlung oder wegen mildernder Umstände sich nicht mehr auf die Höhe der Geldbußen niederschlagen könne (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juni 2011, Putters International/Kommission, T‑211/08, EU:T:2011:289, Rn. 75). Zum anderen hat die Kommission in den Rn. 90 bis 92 des angefochtenen Beschlusses die Anwendung der Ziff. 37 der Leitlinien und die Anpassung der Geldbußen zugunsten „aller Beteiligten“ unter Bezugnahme auf „den Wert der Verkäufe des vom Kartell erfassten Produkts im Verhältnis zum Gesamtumsatz und die Unterschiede zwischen den Beteiligten nach ihrer individuellen Beteiligung an der Zuwiderhandlung“ sowie damit begründet, dass „alle Beteiligten in unterschiedlichem, aber erheblichem Maß im Verkauf von [Umschlägen] tätig waren“. Anschließend hat die Kommission angesichts der besonderen Umstände des Falles und der Tatsache, dass „alle Beteiligten in unterschiedlichem, aber erheblichem Maß im Verkauf von Standardumschlägen nach Katalog und bedruckten Spezialumschlägen tätig waren, eine Ermäßigung der wegen der Zuwiderhandlung zu verhängenden Geldbuße für GPV um [vertraulich] %, für die Klägerinnen um [vertraulich] %, für Bong und Mayer-Kuvert um [vertraulich] % sowie für Hamelin um [vertraulich] %“ gewährt.

52      Erstens ist, wie die Klägerinnen geltend machen, festzustellen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss, insbesondere in Rn. 92, nicht ausführt, warum sie den betroffenen Unternehmen diese unterschiedlichen Ermäßigungssätze gewährt hat. Diese Unterschiede lassen sich insbesondere nicht allein damit erklären, dass die Kommission bereits in diesem Zwischenstadium der Berechnung der Geldbußen alle Grundbeträge im Sinne von Rn. 75 des Urteils vom 16. Juni 2011, Putters International/Kommission (T‑211/08, EU:T:2011:289), auf einen unter der Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes jedes Unternehmens im Sinne von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 liegenden Prozentsatz herabsetzen wollte. Wie die Klägerinnen im Rahmen ihres zweiten Klagegrundes zu Recht geltend machen, liegen diese angepassten Grundbeträge in ganz unterschiedlichem Maß prozentual unter der Obergrenze von 10 %, nämlich um insbesondere 4,5 % bzw. 4,7 % für Hamelin und Bong und um 9,7 % im Fall der Klägerinnen.

53      Die Kommission kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Klägerinnen im Verwaltungsverfahren über das von ihr ins Auge gefasste Vorgehen hinreichend informiert worden seien oder dessen Zusammenhang gekannt hätten, da dieses Vorbringen in den Akten keine Grundlage findet. Auf eine Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung hat die Kommission den summarischen und knappen Charakter der Begründung des angefochtenen Beschlusses eingeräumt und sich im Wesentlichen darauf beschränkt, geltend zu machen, dass sie im Vergleichsverfahren eine weniger weit gehende Begründungspflicht habe, da den Parteien die Akten einschließlich der Umstände, die die Kommission in Erwägung ziehen wollte, bekannt seien und sie sich freiwillig an den bilateralen Vergleichsgesprächen beteiligt hätten. Im Übrigen hat das Gericht die Parteien hinsichtlich der Anwendung der in Rn. 92 des angefochtenen Beschlusses genannten unterschiedlichen Ermäßigungssätze auf seine Pflicht hingewiesen, gegebenenfalls von Amts wegen zu prüfen, ob die Begründung hinreichend im Sinne von Art. 296 Abs. 2 AEUV ist, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist.

54      Zweitens ist in Rn. 92 des angefochtenen Beschlusses offensichtlich nicht erwähnt, was die Kommission erst verspätet, ohne dass dies eine fehlende oder unzureichende Begründung heilen könnte, im laufenden Verfahren mit einer ergänzenden substanziellen Begründung vorgetragen hat (vgl. die oben in Rn. 46 angeführte Rechtsprechung), dass nämlich Hamelin im Unterschied zu den anderen betroffenen Unternehmen nicht als „Monoprodukt“‑Unternehmen wirtschaftlich tätig sei, die Anpassung des sie betreffenden Grundbetrags aber gleichwohl aus Billigkeitsgründen und zur Herstellung eines Gleichgewichts zwischen den verschiedenen Geldbußen gerechtfertigt sei (siehe oben, Rn. 34 und 35). Angesichts dieser zusätzlichen Erläuterungen und entgegen dem Eindruck, den Rn. 91 des angefochtenen Beschlusses erwecken könnte, war das entscheidende Element, auf das die Kommission bei der Anpassung der Grundbeträge abgestellt hat, nicht die Tatsache, dass „Unterschiede zwischen den Beteiligten nach ihrer individuellen Beteiligung an der Zuwiderhandlung“ bestehen, die im Fall von Hamelin mit einer Dauer der Beteiligung von 4,416 Jahren nur geringfügig kürzer war als die 4,5 Jahre im Fall der anderen betroffenen Unternehmen. Außerdem kann diese Randnummer entgegen dem, was die Klägerinnen ihr entnommen zu haben scheinen, auch nicht auf die nur geringfügige Beteiligung von Mayer-Kuvert an den Zuwiderhandlungen abzielen, da diese bereits zu einer Ermäßigung um 10 % wegen mildernder Umstände im Sinne von Ziff. 29 der Leitlinien geführt hat (Rn. 85 und 87 des angefochtenen Beschlusses), also bevor die beanstandeten, in den Rn. 88 ff. des angefochtenen Beschlusses dargelegten Anpassungen der Grundbeträge vorgenommen wurden.

55      Daraus folgt, dass auf der Grundlage dieser Begründung des angefochtenen Beschlusses weder die Klägerinnen in der Lage waren, die Begründetheit des Vorgehens der Kommission im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz sachdienlich in Frage zu stellen, noch das Gericht seine volle Rechtmäßigkeitskontrolle hinsichtlich der Einhaltung dieses Grundsatzes hätte ausüben können (vgl. den zweiten Klagegrund). Genauer gesagt lässt sich anhand der Rn. 91 und 92 des angefochtenen Beschlusses nicht erkennen und beurteilen, ob Hamelin und die anderen betroffenen Unternehmen sich in vergleichbarer oder unterschiedlicher Lage befunden haben und ob die Kommission sie gleich oder unterschiedlich behandelt hat. Auf dieser Grundlage lässt sich umso weniger überprüfen, ob eine mögliche Gleichbehandlung unterschiedlicher Situationen der betroffenen Unternehmen nach Ziff. 37 der Leitlinien, die im Wesentlichen dadurch, dass ihre wirtschaftliche Tätigkeit die eines „Monoprodukt“‑Unternehmens ist, und zum Teil durch Billigkeitserwägungen motiviert ist, oder eine mögliche Ungleichbehandlung vergleichbarer Situationen, insbesondere die Anwendung unterschiedlicher Ermäßigungssätze, objektiv gerechtfertigt war. Die in Rn. 92 dargelegte summarische Prüfung konnte im Gegenteil den Eindruck erwecken, dass der Hauptgrund für die horizontale Anpassung der Beträge zugunsten der betroffenen Unternehmen darin lag, dass diese sich alle wegen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit als „Monoprodukt“‑Unternehmen zumindest in vergleichbarer Lage befanden. Dies war jedoch bei Hamelin nicht der Fall, wie die Kommission im Verfahren eingeräumt hat.

56      Da Rn. 84 der Mitteilung der Beschwerdepunkte noch vagere Informationen über die geplante Methode zur Anpassung der Grundbeträge und die zugrunde liegenden Begründungen enthielt, kann sich die Kommission auch nicht darauf berufen, dass die Klägerinnen im Verwaltungsverfahren hierzu hinreichende Informationen erhalten oder über ausreichende Kenntnisse der relevanten Gegebenheiten verfügt hätten. Jedenfalls enthalten die Akten auch keinen sonstigen Beleg dafür, dass dies trotzdem der Fall gewesen wäre, und die Kommission vermag nicht darzutun, dass sie den Klägerinnen diese Umstände, etwa in der Sitzung vom 24. Oktober 2014, mitgeteilt hätte.

57      Aus den vorstehenden Erwägungen ist somit zu schließen, dass der angefochtene Beschluss an einem Begründungsmangel leidet und dem ersten Klagegrund zu folgen ist, soweit er auf einer Verletzung der Begründungspflicht nach Art. 296 Abs. 2 AEUV beruht.

58      Daher ist Art. 2 Abs. 1 Buchst. e des angefochtenen Beschlusses aufzuheben, ohne dass die Rüge eines Ermessensmissbrauchs und der zweite und der dritte Klagegrund sowie die Zulässigkeit des dritten Klagegrundes geprüft zu werden brauchen. Auch über den hilfsweise gestellten zweiten Antrag braucht nicht entschieden zu werden.

 Kosten

59      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Art. 2 Abs. 1 Buchst. e des Beschlusses C(2014) 9295 final vom 10. Dezember 2014 in einem Verfahren nach Artikel [101 AEUV] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache AT.39780 – Umschläge) wird für nichtig erklärt.

2.      Die Europäische Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

Prek

Labucka

Schwarcz

Tomljenović

 

Kreuschitz

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. Dezember 2016.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Spanisch.


1 Nicht wiedergegebene vertrauliche Angaben.