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Verbundene Rechtssachen T-349/06, T-371/06, T-14/07, T-15/07 und Rechtssache T-332/07

Bundesrepublik Deutschland

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„EFRE – Kürzung der finanziellen Beteiligung – Änderung der Finanzierungspläne ohne Zustimmung der Kommission – Begriff der erheblichen Veränderung – Art. 24 der Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 – Nichtigkeitsklage“

Leitsätze des Urteils

1.      Wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt – Strukturinterventionen – Gemeinschaftsfinanzierung – Gewährung einer finanziellen Beteiligung

(Verordnung Nr. 4253/88 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 2082/93 geänderten Fassung, Art. 24 und 25 Abs. 5)

2.      Gemeinschaftsrecht – Auslegung –Vorschriften in mehreren Sprachen

3.      Wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt – Strukturinterventionen – Gemeinschaftsfinanzierung – Zahlung einer finanziellen Beteiligung

(Verordnung Nr. 4253/88 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 2082/93 geänderten Fassung, Art. 24)

1.      Jede finanzielle Beteiligung der Strukturfonds muss entsprechend der Entscheidung über ihre Bewilligung und insbesondere entsprechend der Finanztabelle im Anhang zu dieser Entscheidung eingesetzt werden, da diese ein Instrument der Programmplanung ist, das den von der Kommission und den nationalen Behörden einvernehmlich festgelegten Standpunkt widerspiegelt. Änderungen an einem von der Kommission gebilligten Finanzierungsplan, die ohne deren Zustimmung vorgenommen werden, haben grundsätzlich die Kürzung der Beteiligung zur Folge, die für das fragliche Programm gewährt wird, und zwar unabhängig von ihrer qualitativen oder quantitativen Bedeutung.

In diesem Zusammenhang sind die Leitlinien für den Finanzabschluss der operationellen Maßnahmen (1994–1999) der Strukturfonds – die es erlauben, zwischen verschiedenen Maßnahmen eines Programms, für das eine finanzielle Beteiligung gewährt wurde, Mittel zu übertragen, sofern sich der Gesamtbetrag des Unterprogramms, der in dem geltenden Finanzierungsplan angegeben ist, nicht erhöht – so zu verstehen, dass sie den Abschluss der Programme in dem Sinne erleichtern sollen, dass die Kommission aufgrund des Ermessens, das ihr Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88 zur Durchführung der Verordnung Nr. 2052/88 hinsichtlich der Koordinierung der Interventionen der verschiedenen Strukturfonds einerseits und zwischen diesen und den Interventionen der Europäischen Investitionsbank und der sonstigen vorhandenen Finanzinstrumente andererseits in der durch die Verordnung Nr. 2082/93 geänderten Fassung hinsichtlich der Entscheidung einräumt, ob eine Kürzung oder Aussetzung einer Gemeinschaftsbeteiligung angezeigt ist oder nicht, eine gewisse Flexibilität akzeptieren werde und folglich Änderungen, die die vorgesehenen Voraussetzungen erfüllten, keine Kürzung zur Folge haben würden, auch wenn sie der Kommission nicht zur Zustimmung unterbreitet worden sein sollten. Punkt 6.2 der Leitlinien, mit dem die vorgenannte Flexibilitätsklausel geschaffen worden ist, ist demzufolge eng auszulegen. Die Verordnung Nr. 4253/88 sieht in ihrem Artikel 25 Abs. 5 nämlich ein förmliches Verfahren für die Änderung der Finanzpläne vor, das sowohl von den Mitgliedstaaten als auch von der Kommission einzuhalten ist, so dass die Zahl der Fälle, in denen die Mitgliedstaaten von der Einhaltung dieses Verfahrens befreit werden können, ohne Gefahr zu laufen, dass die Beteiligung gekürzt wird, möglichst gering sein sollte.

(vgl. Randnrn. 60, 64, 72)

2.      Bei der grammatikalischen Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts ist zu berücksichtigen, dass Gemeinschaftsrechtstexte in mehreren Sprachen abgefasst werden und die verschiedenen Sprachfassungen gleichermaßen verbindlich sind, so dass die Auslegung einer solchen Vorschrift einen Vergleich der Sprachfassungen impliziert. Denn die Notwendigkeit einheitlicher Auslegung der Gemeinschaftsrechtsvorschriften schließt eine isolierte Betrachtung einer ihrer Textfassungen aus und gebietet, sie bei Zweifeln im Licht der Fassungen in den anderen Amtssprachen auszulegen und anzuwenden, auch wenn dies bedeutet, dass die fragliche Vorschrift – den Erfordernissen der Rechtssicherheit zuwider – in einer Weise ausgelegt wird und angewandt werden muss, die zu der natürlichen oder gewöhnlichen Bedeutung der Begriffe, die in einer oder mehreren Sprachfassungen enthalten sind, im Widerspruch steht.

(vgl. Randnr. 67)

3.      Bei dem mit der Gemeinschaftsregelung errichteten Subventionssystem genügt der Nachweis, dass ein Vorhaben durchgeführt worden ist, nicht, um die Zahlung einer finanziellen Beteiligung beanspruchen zu können. Dieses System beruht nämlich insbesondere darauf, dass der Begünstigte eine Reihe von Verpflichtungen erfüllt, von denen der Anspruch auf den vorgesehenen Zuschuss abhängt. Erfüllt der Begünstigte diese Verpflichtungen – darunter die Verpflichtung, den rechtlichen und finanziellen Rahmen einzuhalten – nicht oder nicht vollständig, ermächtigt Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88 zur Durchführung der Verordnung Nr. 2052/88 hinsichtlich der Koordinierung der Interventionen der verschiedenen Strukturfonds einerseits und zwischen diesen und den Interventionen der Europäischen Investitionsbank und der sonstigen vorhandenen Finanzinstrumente andererseits in der durch die Verordnung Nr. 2082/93 geänderten Fassung die Kommission, den Umfang ihrer Verpflichtungen, die sich aus der Entscheidung über die Bewilligung der betreffenden Beteiligungen ergeben, zu überdenken. Ein Verstoß gegen die Verpflichtungen, deren Einhaltung für das ordnungsgemäße Funktionieren eines Gemeinschaftssystems von grundlegender Bedeutung ist, kann mit dem Verlust eines durch die Gemeinschaftsregelung verliehenen Anspruchs geahndet werden, ohne dass dadurch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt würde.

(vgl. Randnr. 77)