Language of document : ECLI:EU:C:2024:254

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

21. März 2024(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2014/26/EU – Kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten – Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung – Unabhängige Verwertungseinrichtungen – Aufnahme einer Tätigkeit zur Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten – Richtlinie 2000/31/EG – Sachlicher Anwendungsbereich – Art. 3 Abs. 3 – Richtlinie 2006/123/EG – Sachlicher Anwendungsbereich – Art. 17 Nr. 11 – Art. 56 AEUV“

In der Rechtssache C‑10/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale ordinario di Roma (Gericht Rom, Italien) mit Entscheidung vom 5. Januar 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Januar 2022, in dem Verfahren

Liberi editori e autori (LEA)

gegen

Jamendo SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter M. Ilešič (Berichterstatter), I. Jarukaitis, A. Kumin und D. Gratsias,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: C. Di Bella, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Februar 2023,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Liberi editori e autori (LEA), vertreten durch D. Malandrino, A. Peduto und G. M. Riccio, Avvocati,

–        der Jamendo SA, vertreten durch M. Dalla Costa, G. Donà und A. Ferraro, Avvocati,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von R. Guizzi, Avvocato dello Stato,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch, J. Schmoll, G. Kunnert und F. Parapatits als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Di Bucci und J. Samnadda als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Mai 2023

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2014/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt (ABl. 2014, L 84, S. 72).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Liberi editori e autori (LEA) (Freie Verleger und Autoren) und der Jamendo SA wegen der von der Jamendo SA im italienischen Hoheitsgebiet ausgeübten Vermittlertätigkeit im Bereich von Urheber- und verwandten Schutzrechten.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 2000/31/EG

3        Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. 2000, L 178, S. 1) bestimmt:

„Diese Richtlinie soll einen Beitrag zum einwandfreien Funktionieren des Binnenmarktes leisten, indem sie den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft zwischen den Mitgliedstaaten sicherstellt.“

4        Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31 lautet:

„Die Mitgliedstaaten dürfen den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat nicht aus Gründen einschränken, die in den koordinierten Bereich fallen.“

5        Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 sieht u. a. vor, dass deren Art. 3 Abs. 2 keine Anwendung auf die im Anhang dieser Richtlinie aufgeführten Bereiche findet.

6        Nach diesem Anhang findet Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/31 keine Anwendung auf folgende „Bereiche …: Urheberrecht, verwandte Schutzrechte, Rechte im Sinne der Richtlinie 87/54/EWG [des Rates vom 16. Dezember 1986 über den Rechtsschutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen (ABl. 1987, L 24, S. 36)] und der Richtlinie 96/9/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken (ABl. 1996, L 77, S. 20)] sowie gewerbliche Schutzrechte“.

 Richtlinie 2006/123/EG

7        Art. 1 („Gegenstand“) Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36) bestimmt:

„Diese Richtlinie enthält allgemeine Bestimmungen, die bei gleichzeitiger Gewährleistung einer hohen Qualität der Dienstleistungen die Wahrnehmung der Niederlassungsfreiheit durch Dienstleistungserbringer sowie den freien Dienstleistungsverkehr erleichtern sollen.“

8        Art. 3 („Verhältnis zu geltendem Gemeinschaftsrecht“) Abs. 1 der Richtlinie 2006/123 sieht vor:

„Widersprechen Bestimmungen dieser Richtlinie einer Bestimmung eines anderen Gemeinschaftsrechtsaktes, der spezifische Aspekte der Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in bestimmten Bereichen oder bestimmten Berufen regelt, so hat die Bestimmung des anderen Gemeinschaftsrechtsaktes Vorrang und findet auf die betreffenden Bereiche oder Berufe Anwendung. …“

9        Art. 16 („Dienstleistungsfreiheit“) Abs. 1 der Richtlinie 2006/123 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten achten das Recht der Dienstleistungserbringer, Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ihrer Niederlassung zu erbringen.

…“

10      In Art. 17 („Weitere Ausnahmen von der Dienstleistungsfreiheit“) der Richtlinie 2006/123 heißt es:

„Artikel 16 findet keine Anwendung auf:

11.      die Urheberrechte, die verwandten Schutzrechte …“

 Richtlinie 2014/26

11      In den Erwägungsgründen 2 bis 4, 7 bis 9, 15, 16, 19 und 55 der Richtlinie 2014/26 wird ausgeführt:

„(2)      Die Verbreitung von urheberrechtlich oder durch verwandte Rechte geschützten Inhalten wie Büchern, audiovisuellen Produktionen oder Tonträgern und die Erbringung von damit zusammenhängenden Leistungen erfordern die Einräumung der Nutzungsrechte durch die Inhaber der Urheber- oder verwandten Schutzrechte, d. h. der Schöpfer der Werke, der ausübenden Künstler, der Produzenten oder der Verleger. Im Regelfall kann der Rechtsinhaber zwischen individueller und kollektiver Rechtewahrnehmung wählen, es sei denn, die Mitgliedstaaten haben – unter Einhaltung des Unionsrechts und der internationalen Verpflichtungen der [Europäischen] Union und ihrer Mitgliedstaaten – etwas anderes bestimmt. Die Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten beinhaltet die Vergabe von Lizenzen an Nutzer, die Prüfung der Rechnungen der Nutzer, die Überwachung der Nutzung der Rechte, die Durchsetzung von Urheber- und verwandten Schutzrechten, die Einziehung der Einnahmen aus der Rechteverwertung und die Verteilung der den Rechtsinhabern zustehenden Beträge. Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung ermöglichen es Rechtsinhabern, Vergütungen für die Nutzung ihrer Rechte – auch auf ausländischen Märkten – zu erhalten, die sie selbst sonst nicht überwachen oder durchsetzen könnten.

(3)      Gemäß Artikel 167 [AEUV] ist die Union verpflichtet, bei ihrer Tätigkeit der kulturellen Vielfalt Rechnung zu tragen und einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedstaaten unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt und der gleichzeitigen Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen Erbes zu leisten. Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung spielen als Förderer der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen eine wichtige Rolle, und sollten dies auch weiterhin tun, da sie kleinsten und weniger populären Repertoires Zugang zum Markt verschaffen und im Interesse der Rechtsinhaber und der Öffentlichkeit soziale, kulturelle oder Bildungsleistungen erbringen.

(4)      In der Union ansässige Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung sollten bei der Vertretung für in einem anderen Mitgliedstaat wohnhaften oder ansässigen Rechtsinhabern oder bei der Vergabe von Lizenzen an in anderen Mitgliedstaaten wohnhafte oder ansässige Nutzer in den Genuss der in den Verträgen verankerten Freiheiten kommen.

(7)      Zum Schutz der Interessen der Mitglieder von Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung, Rechtsinhabern und Dritten sollten die gesetzlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten zu Urheber- und verwandten Schutzrechten und zur Erteilung länderübergreifender Lizenzen zur Nutzung von Online-Rechten an Musikwerken koordiniert werden, damit überall in der Union dieselben Schutzbestimmungen gelten. Die vorliegende Richtlinie sollte daher Artikel 50 Absatz 1 AEUV als Rechtsgrundlage haben.

(8)      Das Ziel dieser Richtlinie ist die Koordinierung nationaler Vorschriften, die sich auf die Aufnahme der Tätigkeit einer Organisation zur kollektiven Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten, die Modalitäten ihrer internen Funktionsweise und auf ihre Beaufsichtigung beziehen, und sollte daher auch Artikel 53 Absatz 1 AEUV als Rechtsgrundlage haben. Da es hierbei außerdem um Dienstleistungen geht, die in der gesamten Union angeboten werden, sollte die Richtlinie des Weiteren Artikel 62 AEUV als Rechtsgrundlage haben.

(9)      Das Ziel dieser Richtlinie ist es, Anforderungen an Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung festzulegen, um hohe Standards für die Leitungsstrukturen, das Finanzmanagement, die Transparenz und das Berichtswesen zu gewährleisten. Dies sollte die Mitgliedstaaten gleichwohl nicht daran hindern, für die in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung strengere Vorschriften als die in Titel II dieser Richtlinie beizubehalten oder festzulegen, sofern diese mit dem Unionsrecht vereinbar sind.

(15)      Die Rechtsinhaber sollten unabhängige Verwertungseinrichtungen mit der Wahrnehmung ihrer Rechte betrauen können. Bei diesen unabhängigen Verwertungseinrichtungen handelt es sich um kommerzielle Einrichtungen, die sich von Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung unter anderem dadurch unterscheiden, dass sie nicht im Eigentum der Rechtsinhaber stehen oder von diesen kontrolliert werden. Diese unabhängigen Verwertungseinrichtungen sollten allerdings insoweit, als sie die gleichen Tätigkeiten wie die Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung ausüben, verpflichtet sein, den von ihnen vertretenen Rechtsinhabern sowie Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung, Nutzern und der Öffentlichkeit bestimmte Informationen zur Verfügung zu stellen.

(16)      Produzenten von audiovisuellen Werken und Tonträgern sowie Sendeunternehmen vergeben Lizenzen an ihren eigenen Rechten, in manchen Fällen parallel zu Rechten, die ihnen beispielsweise von ausübenden Künstlern in individuellen Verträgen übertragen wurden, und handeln im eigenen Interesse. Verleger von Büchern, Musikwerken oder Zeitungen lizenzieren Rechte, die ihnen auf der Grundlage individueller Verträge übertragen wurden, und handeln im eigenen Interesse. Deshalb sollten die Produzenten von audiovisuellen Werken und Tonträgern, Sendeunternehmen sowie Verleger nicht zu den unabhängigen Verwertungseinrichtungen gezählt werden. Darüber hinaus sollten die Manager und Agenten von Urhebern und ausübenden Künstlern, die als Vermittler tätig sind und die Rechtsinhaber in ihren Beziehungen zu Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung vertreten, nicht zu den unabhängigen Verwertungseinrichtungen gezählt werden, da sie nicht mit der Wahrnehmung von Rechten im Sinne der Festlegung von Tarifen, der Vergabe von Lizenzen oder der Einziehung von Vergütungen bei Nutzern befasst sind.

(19)      In Anbetracht der im AEUV verankerten Grundfreiheiten sollte die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten dazu führen, dass es einem Rechtsinhaber möglich ist, eine Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung frei zu wählen, die seine Rechte – seien es Wiedergabe- oder Vervielfältigungsrechte – oder Kategorien von Rechten für bestimmte Nutzungsformen, beispielsweise die Sendung, Filmvorführung oder Vervielfältigung zur Verbreitung im Internet, wahrnimmt, sofern derartige Rechte oder Rechtekategorien von der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung, die der Rechtsinhaber wählen möchte, bereits wahrgenommen werden.

… [D]en Rechtsinhabern [sollte es] leicht möglich sein, der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung diese Rechte oder Rechtekategorien zu entziehen und sie selbst wahrzunehmen oder sie ganz oder teilweise einer anderen Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung oder anderen Einrichtungen anzuvertrauen oder zu übertragen, und zwar ungeachtet [des Mitgliedstaats] der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung, der anderen Einrichtung oder des Rechtsinhabers. Schreibt ein Mitgliedstaat im Einklang mit dem Unionsrecht und den internationalen Verpflichtungen der Union und ihrer Mitgliedstaaten die kollektive Rechtewahrnehmung zwingend vor, so beschränkt sich das Wahlrecht der Rechtsinhaber auf andere Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung.

(55)      Da die Ziele dieser Richtlinie, nämlich eine verbesserte Kontrolle der Tätigkeiten von Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung durch deren Mitglieder, die Gewähr eines hinreichenden Maßes an Transparenz und verbesserte länderübergreifende Lizenzierungsmöglichkeiten von Urheberrechten an Musikwerken für die Online-Nutzung, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs und ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 [EUV] niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das zur Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.“

12      Art. 1 („Gegenstand“) der Richtlinie 2014/26 lautet:

„Diese Richtlinie legt die Anforderungen fest, die erforderlich sind, um eine ordnungsgemäße Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten durch Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung sicherzustellen. Sie regelt darüber hinaus die Anforderungen an die Vergabe von Mehrgebietslizenzen durch Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung für Urheberrechte an Musikwerken für die Online-Nutzung.“

13      In Art. 2 („Geltungsbereich“) der Richtlinie 2014/26 heißt es:

„(1)      Die Titel I, II, IV und V mit Ausnahme der Artikel 34 Absatz 2 und Artikel 38 gelten für alle Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung mit Sitz in der Union.

(2)      Titel III und Artikel 34 Absatz 2 sowie Artikel 38 gelten für Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung mit Sitz in der Union, die Urheberrechte an Musikwerken für die gebietsübergreifende Online-Nutzung wahrnehmen.

(3)      Die einschlägigen Bestimmungen dieser Richtlinie gelten für Einrichtungen, die sich direkt oder indirekt, vollständig oder teilweise, im Eigentum einer Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung befinden oder direkt oder indirekt, vollständig oder teilweise, von einer solchen beherrscht werden, sofern diese Einrichtungen eine Tätigkeit ausüben, die, würde sie von einer Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung ausgeführt, den Bestimmungen dieser Richtlinie unterläge.

(4)      Artikel 16 Absatz 1, Artikel 18, Artikel 20, Artikel 21 Absatz 1 Buchstaben a, b, c, e, f und g, Artikel 36 und Artikel 42 gelten für alle unabhängigen Verwertungseinrichtungen mit Sitz in der Union.“

14      Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2014/26 bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a)      ‚Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung‘ jede Organisation, die gesetzlich oder auf der Grundlage einer Abtretungs‑, Lizenz- oder sonstigen vertraglichen Vereinbarung berechtigt ist und deren ausschließlicher oder hauptsächlicher Zweck es ist, Urheber- oder verwandte Schutzrechte im Namen mehrerer Rechtsinhaber zu deren kollektivem Nutzen wahrzunehmen und eine oder beide der folgenden Voraussetzungen erfüllt:

i)      sie steht im Eigentum ihrer Mitglieder oder wird von ihren Mitgliedern beherrscht;

ii)      sie ist nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet;

b)      ‚unabhängige Verwertungseinrichtung‘ jede Organisation, die gesetzlich oder auf der Grundlage einer Abtretungs‑, Lizenz- oder sonstigen vertraglichen Vereinbarung berechtigt ist und deren ausschließlicher oder hauptsächlicher Zweck es ist, Urheber- oder verwandte Schutzrechte im Namen mehrerer Rechtsinhaber zu deren kollektivem Nutzen wahrzunehmen und die

i)      weder direkt noch indirekt, vollständig oder teilweise im Eigentum der Rechtsinhaber steht noch direkt oder indirekt, vollständig oder teilweise von den Rechtsinhabern beherrscht wird; und

ii)      auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist;

j)      ‚Repräsentationsvereinbarung‘ jede Vereinbarung zwischen Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung, mit der eine Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung eine andere Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung beauftragt, die von ihr vertretenen Rechte wahrzunehmen, einschließlich Verträge gemäß Artikel 29 und 30;

…“

15      Art. 4 („Allgemeine Grundsätze“) der Richtlinie 2014/26 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung im besten Interesse der Rechtsinhaber handeln, deren Rechte sie repräsentieren, und diesen keine Pflichten auferlegen, die objektiv für den Schutz ihrer Rechte und Interessen oder für die wirksame Wahrnehmung dieser Rechte nicht notwendig sind.“

16      In Art. 5 („Rechte der Rechtsinhaber“) der Richtlinie 2014/26 heißt es:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Rechtsinhaber die in den Absätzen 2 bis 8 niedergelegten Rechte haben und dass diese Rechte in dem Statut oder den Mitgliedschaftsbedingungen der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung aufgeführt sind.

(2)      Die Rechtsinhaber haben das Recht, eine Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung ihrer Wahl mit der Wahrnehmung von Rechten, von Kategorien von Rechten oder von Arten von Werken und sonstigen Schutzgegenständen ihrer Wahl in den Gebieten ihrer Wahl ungeachtet des Mitgliedstaats der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder der Niederlassung der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung beziehungsweise des Rechtsinhabers zu beauftragen. Sofern die Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung die Rechtewahrnehmung nicht aus objektiv nachvollziehbaren Gründen ablehnen kann, ist sie verpflichtet, Rechte, Kategorien von Rechten oder Arten von Werken und sonstige Schutzgegenstände, die in ihren Tätigkeitsbereich fallen, wahrzunehmen.

(3)      Die Rechtsinhaber haben das Recht, Lizenzen für die nicht-kommerzielle Nutzung von Rechten, von Kategorien von Rechten oder von Arten von Werken und sonstigen Schutzgegenständen ihrer Wahl zu vergeben.

(4)      Die Rechtsinhaber haben das Recht, unter Einhaltung einer angemessenen Frist von höchstens sechs Monaten für die Gebiete ihrer Wahl den einer Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung gemäß Absatz 2 erteilten Auftrag zur Wahrnehmung von Rechten zu beenden oder der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung Rechte, Kategorien von Rechten oder Arten von Werken und sonstigen Schutzgegenständen ihrer Wahl gemäß Absatz 2 zu entziehen. Die Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung kann beschließen, dass eine solche Beendigung des Wahrnehmungsauftrags oder ein solcher Rechtsentzug nur zum Ende des Geschäftsjahres wirksam wird.

(5)      Stehen einem Rechtsinhaber Beträge aus Verwertungshandlungen zu, die erfolgt sind, bevor die Beendigung des Auftrags zur Wahrnehmung von Rechten oder der Rechtsentzug wirksam wurde, oder aus einer zuvor erteilten Lizenz, behält der Rechtsinhaber seine Rechte nach den Artikeln 12, 13, 18, 20, 28 und 33.

(6)      Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung dürfen die Ausübung von Rechten gemäß den Absätzen 4 und 5 nicht dadurch beschränken, dass sie als Bedingung für die Ausübung dieser Rechte verlangen, eine andere Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung mit der Wahrnehmung derjenigen Rechte oder Kategorien von Rechten oder Arten von Werken und sonstigen Schutzgegenständen zu betrauen, die entzogen wurden oder in Bezug auf die der Wahrnehmungsauftrag beendet wurde.

…“

17      Art. 6 („Mitgliedschaftsbedingungen von Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung“) Abs. 2 der Richtlinie 2014/26 führt aus:

„Die Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung nehmen Rechtsinhaber und Einrichtungen, die Rechtsinhaber vertreten, einschließlich andere Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung und Vereinigungen von Rechtsinhabern, als Mitglieder auf, wenn diese die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft erfüllen, die auf objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Kriterien beruhen. …“

18      In Art. 16 („Lizenzvergabe“) der Richtlinie 2014/26 heißt es:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung und Nutzer nach Treu und Glauben über die Lizenzierung von Nutzungsrechten verhandeln. …

(2)      Die Lizenzbedingungen sind auf objektive und diskriminierungsfreie Kriterien zu stützen. …

Die Rechtsinhaber erhalten eine angemessene Vergütung für die Nutzung ihrer Rechte. Tarife für ausschließliche Rechte und Vergütungsansprüche stehen in einem angemessenen Verhältnis unter anderem zu dem wirtschaftlichen Wert der Nutzung der Rechte unter Berücksichtigung der Art und des Umfangs der Nutzung des Werks und sonstiger Schutzgegenstände sowie zu dem wirtschaftlichen Wert der von der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung erbrachten Leistungen. …

(3)      Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung antworten unverzüglich auf Anfragen von Nutzern und teilen ihnen unter anderem mit, welche Angaben sie für ein Lizenzangebot benötigen.

Nach Eingang aller erforderlichen Angaben unterbreitet die Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung dem Nutzer unverzüglich entweder ein Lizenzangebot oder gibt ihm gegenüber eine begründete Erklärung ab, warum sie keine Lizenz für eine bestimmte Dienstleistung [zu] vergeben gedenkt.

…“

19      Art. 30 („Pflicht zur Repräsentation anderer Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung bei der Mehrgebietslizenzierung“) Abs. 1 der Richtlinie 2014/26 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass eine Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung, an die eine andere Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung, die keine Mehrgebietslizenzen für Online-Rechte an Musikwerken ihres eigenen Repertoires vergibt oder anbietet, den Antrag richtet, mit ihr eine Repräsentationsvereinbarung über die Repräsentation dieser Rechte zu schließen, diesen Antrag annehmen muss, wenn sie bereits Mehrgebietslizenzen für dieselbe Kategorie von Online-Rechten an Musikwerken aus dem Repertoire einer oder mehrerer anderer Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung vergibt oder anbietet.“

20      In Art. 36 („Einhaltung“) der Richtlinie 2014/26 heißt es:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Einhaltung der nach dieser Richtlinie erlassenen nationalen Bestimmungen durch die in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung durch die zu diesem Zweck benannten zuständigen Behörden überwacht wird.

(3)      Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die zu diesem Zweck benannten zuständigen Behörden befugt sind, bei Verstößen gegen nationales Recht, welches zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassen wurde, geeignete Sanktionen zu verhängen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Diese Sanktionen und Maßnahmen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

…“

21      Art. 39 („Meldung der Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung“) der Richtlinie 2014/26 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten stellen der [Europäischen] Kommission bis zum 10. April 2016 auf der Grundlage der ihnen vorliegenden Angaben eine Aufstellung der in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet ansässigen Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung zur Verfügung.

Die Mitgliedstaaten melden der Kommission unverzüglich jegliche Änderungen dieser Aufstellung.

Die Kommission veröffentlicht diese Angaben und hält sie auf dem aktuellen Stand.“

22      Art. 41 („Sachverständigengruppe“) der Richtlinie 2014/26 bestimmt:

„Hiermit wird eine Sachverständigengruppe gegründet. Sie setzt sich aus Vertretern der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zusammen. Die Sachverständigengruppe wird von einem Vertreter der Kommission geleitet und tritt entweder auf Initiative des Vorsitzes oder auf Antrag der Delegation eines Mitgliedstaats zusammen. Die Gruppe hat folgende Aufgaben:

a)      Prüfung der Auswirkungen der Umsetzung dieser Richtlinie auf die Arbeitsweise von Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung und unabhängigen Verwertungseinrichtungen im Binnenmarkt und Aufzeigen von Schwierigkeiten,

…“

 Italienisches Recht

23      In Art. 180 der Legge n. 633 – Protezione del diritto d’autore e di altri diritti connessi al suo esercizio (Gesetz Nr. 633 über den Schutz des Urheberrechts und weiterer mit seiner Ausübung verbundener Rechte) vom 22. April 1941 (GURI Nr. 166 vom 16. Juli 1941) in der durch das Decreto legge n. 148 – Disposizioni urgenti in materia finanziaria e per esigenze indifferibili (Decreto legge Nr. 148 über Sofortmaßnahmen im Finanzwesen und für unaufschiebbare Bedürfnisse) vom 16. Oktober 2017 (GURI Nr. 242 vom 16. Oktober 2017) geänderten Fassung (im Folgenden: Gesetz über den Schutz des Urheberrechts) heißt es:

„Jegliche Vermittlertätigkeit ist, in welcher direkten oder indirekten Form der Beteiligung, Vermittlung, Bevollmächtigung, Vertretung oder auch Abtretung zur Wahrnehmung der Aufführungs‑, Vortrags‑, Vorführungs- und Senderechte, einschließlich der öffentlichen Wiedergabe durch Satellitenübertragung, sowie der Rechte zur mechanischen oder kinematografischen Vervielfältigung von geschützten Werken auch immer sie ausgeübt wird, ausschließlich der Società italiana degli autori ed editori [(Italienische Gesellschaft der Autoren und Verleger, im Folgenden: SIAE)] und den anderen Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung im Sinne des [Decreto legislativo n. 35 – Attuazione della direttiva 2014/26/UE sulla gestione collettiva dei diritti d’autore e dei diritti connessi e sulla concessione di licenze multiterritoriali per i diritti su opere musicali per l’uso online nel mercato interno (Decreto legislativo Nr. 35 zur Umsetzung der [Richtlinie 2014/26/EU]) vom 15. März 2017 (GURI Nr. 72 vom 27. März 2017, im Folgenden: Decreto legislativo Nr. 35/2017)] vorbehalten.

Ausgeübt wird diese Tätigkeit zur:

1)      Erteilung von Lizenzen und Genehmigungen zur Verwertung von geschützten Werken auf Rechnung und im Interesse der Rechtsinhaber;

2)      Einziehung der Einnahmen aus diesen Lizenzen und Genehmigungen;

3)      Verteilung dieser Einnahmen unter den Rechtsinhabern.

Die Tätigkeit der [SIAE] wird nach den in der Verordnung festgelegten Vorschriften auch in jenen ausländischen Staaten ausgeübt, in denen diese Gesellschaft über eine eingerichtete Vertretung verfügt.

Die oben genannte ausschließliche Befugnis lässt das Recht des Urhebers, seiner Erben oder der Rechtsnachfolger zur direkten Wahrnehmung der ihnen durch dieses Gesetz zuerkannten Rechte unberührt.

…“

24      Art. 4 Abs. 2 des Decreto legislativo Nr. 35/2017 lautet:

„Vorbehaltlich der Bestimmungen in Art. 180 des [Gesetzes über den Schutz des Urheberrechts] in Bezug auf die Tätigkeit der Vermittlung von Urheberrechten können die Rechtsinhaber ungeachtet des Mitgliedstaats der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder der Niederlassung der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung, der unabhängigen Verwertungseinrichtung bzw. des Rechtsinhabers eine Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung oder eine unabhängige Verwertungseinrichtung ihrer Wahl mit der Wahrnehmung ihrer Rechte, von Kategorien von Rechten oder von Arten von Werken und sonstigen Schutzgegenständen in den von ihnen angegebenen Gebieten beauftragen.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

25      LEA ist eine Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung, die italienischem Recht unterliegt und in Italien zur Vermittlung von Urheberrechten berechtigt ist.

26      Jamendo, eine Gesellschaft luxemburgischen Rechts, ist eine seit dem Jahr 2004 in Italien tätige unabhängige Verwertungseinrichtung.

27      LEA stellte beim vorlegenden Gericht, dem Tribunale ordinario di Roma (Gericht Rom, Italien), einen Unterlassungsantrag gegen Jamendo, der darauf gerichtet war, Jamendo aufzugeben, ihre in Italien ausgeübte Vermittlertätigkeit im Bereich des Urheberrechts einzustellen. Zur Stützung dieses Antrags macht LEA geltend, dass Jamendo diese Tätigkeit in Italien rechtswidrig ausübe, da sie erstens nicht in die Liste der in Italien zur Vermittlung von Urheberrechten berechtigten Organisationen eingetragen sei, zweitens die spezifischen Anforderungen des Decreto legislativo Nr. 35/2017 nicht erfülle und drittens unter Verstoß gegen Art. 8 dieses Decreto legislativo das Ministerium für Telekommunikation nicht vor der Aufnahme ihrer Tätigkeit in Kenntnis gesetzt habe.

28      Vor dem vorlegenden Gericht stützt sich Jamendo darauf, dass die Richtlinie 2014/26 nicht ordnungsgemäß in italienisches Recht umgesetzt worden sei, da es der italienische Gesetzgeber unterlassen habe, den unabhängigen Verwertungseinrichtungen die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechte einzuräumen.

29      Insofern weist Jamendo darauf hin, dass gemäß Art. 180 des Gesetzes über den Schutz des Urheberrechts die Vermittlertätigkeit ausschließlich der SIAE und den anderen Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung im Sinne dieser Bestimmung vorbehalten sei, was dazu führe, dass es unabhängigen Verwertungseinrichtungen verwehrt sei, im Bereich der Vermittlung von Urheberrechten tätig zu werden, und diese zwinge, mit der SIAE oder anderen Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung Repräsentationsvereinbarungen abzuschließen.

30      Hilfsweise macht Jamendo geltend, dass ihre Tätigkeit nicht unter die kollektive, sondern unter die direkte Wahrnehmung von Urheberrechten falle, wobei sie sich insoweit auf den 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/26 beruft, wonach Einrichtungen, die Lizenzen für Rechte gewährten, die ihnen auf der Grundlage „individueller“ Verträge übertragen worden seien, nicht unter den Begriff „unabhängige Verwertungseinrichtung“ im Sinne von Art. 3 Buchst. b dieser Richtlinie fielen.

31      Das vorlegende Gericht ist zum einen der Ansicht, dass die Tätigkeit von Jamendo nicht als „direkte Rechtewahrnehmung“ eingestuft werden könne, da Jamendo Lizenzen und Unterlizenzen gewähre, eine Vergütung erhebe, die sich nach der Anzahl der Nutzungen des Werks richte, und eine Gebühr einbehalte, die sich nach einem Prozentsatz der vereinnahmten Beträge bemesse. Die Verträge, die Jamendo ihren Mitgliedern vorgebe, stellten sich auch nicht als das Ergebnis individueller Verhandlungen dar. Zudem sei die Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten nicht geeignet, die Einstufung dieser Verträge als „Standardverträge“ in Frage zu stellen, was dagegen spreche, die einzelnen Verträge als Ergebnis spezifischer Verhandlungen anzusehen.

32      Zum anderen weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass Art. 180 des Gesetzes über den Schutz des Urheberrechts unabhängigen Verwertungseinrichtungen nicht erlaube, eine Vermittlertätigkeit zur Wahrnehmung der Aufführungs‑, Vortrags‑, Vorführungs- und Senderechte, einschließlich der öffentlichen Wiedergabe durch Satellitenübertragung, sowie der Rechte zur mechanischen oder kinematografischen Vervielfältigung von geschützten Werken auszuüben.

33      Unter diesen Umständen hat das Tribunale ordinario di Roma (Gericht Rom) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist die Richtlinie 2014/26 dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die den Zugang zum Markt der Vermittlung von Urheberrechten oder jedenfalls die Vergabe von Lizenzen an die Nutzer allein den Personen vorbehält, die nach der Definition dieser Richtlinie als Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung eingestuft werden können, und die, sei es in diesem Staat, sei es in anderen Mitgliedstaaten errichtete unabhängige Verwertungseinrichtungen ausschließt?

 Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

34      In der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof hat die italienische Regierung geltend gemacht, dass das Vorabentscheidungsersuchen unzulässig sei, da der Ausgangsrechtsstreit fiktiv sei.

35      Als Beleg für den künstlichen Charakter des Ausgangsverfahrens genügt der italienischen Regierung zufolge der Umstand, dass die Parteien des Ausgangsverfahrens vor dem Gerichtshof übereinstimmende Standpunkte verträten, die im Wesentlichen auf die Feststellung gerichtet seien, dass die italienischen Rechtsvorschriften, wonach die Aufnahme einer Vermittlertätigkeit im Bereich des Urheberrechts unter Ausschluss der unabhängigen Verwertungseinrichtungen allein den Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung vorbehalten sei, mit dem Unionsrecht unvereinbar seien.

36      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen ihm und den nationalen Gerichten allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, ist, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 12. Oktober 2023, INTER CONSULTING, C‑726/21, EU:C:2023:764, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Folglich spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen zum Unionsrecht. Der Gerichtshof kann das Ersuchen eines nationalen Gerichts zur Entscheidung über eine Vorlagefrage nur dann zurückweisen, wenn die erbetene Auslegung oder Prüfung der Gültigkeit einer Regelung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 12. Oktober 2023, INTER CONSULTING, C‑726/21, EU:C:2023:764, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38      Im vorliegenden Fall ist zwar festzustellen, dass LEA vor dem vorlegenden Gericht beantragt, Jamendo aufzugeben, ihre in Italien ausgeübte Vermittlertätigkeit im Bereich des Urheberrechts einzustellen, da die Ausübung dieser Tätigkeit gegen die im Ausgangsverfahren in Rede stehende italienische Regelung verstoße, während LEA in ihren beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen im Wesentlichen geltend macht, dass diese italienische Regelung nicht mit dem Unionsrecht vereinbar sei.

39      Unter Berücksichtigung der in den Rn. 36 und 37 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ändern dieser Umstand sowie der Umstand, dass die Parteien des Ausgangsverfahrens über die Auslegung des Unionsrechts einig sind, nichts daran, dass der Ausgangsrechtsstreit tatsächlich besteht und folglich das Vorabentscheidungsersuchen zulässig ist, da es keinen offensichtlichen Hinweis darauf gibt, dass dieser Rechtsstreit einen konstruierten oder fiktiven Charakter hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. November 2005, Mangold, C‑144/04, EU:C:2005:709, Rn. 37 bis 39, sowie vom 19. Juni 2012, Chartered Institute of Patent Attorneys, C‑307/10, EU:C:2012:361, Rn. 31 bis 34).

40      Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht in seiner Vorlagefrage auf „sei es in diesem Staat, sei es in anderen Mitgliedstaaten“ errichtete unabhängige Verwertungseinrichtungen Bezug nimmt. Jamendo hat ihren Sitz in Luxemburg, und die dem Gerichtshof vorliegenden Akten enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Ausgangsrechtsstreit irgendeine unabhängige Verwertungseinrichtung mit Sitz in Italien beträfe. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Vorlagefrage, soweit sie sich auf die unabhängigen Verwertungseinrichtungen mit Sitz in diesem Mitgliedstaat bezieht, hypothetischen Charakter hat.

41      Daher ist das Vorabentscheidungsersuchen gemäß der in Rn. 37 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung für unzulässig zu erklären, soweit es sich auf unabhängige Verwertungseinrichtungen mit Sitz in Italien bezieht.

 Zur Vorlagefrage

42      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 2014/26 dahin auszulegen ist, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, die für die unabhängigen Verwertungseinrichtungen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat generell und kategorisch die Möglichkeit ausschließen, im erstgenannten Mitgliedstaat ihre Dienstleistungen der Wahrnehmung von Urheberrechten zu erbringen.

43      Wie sich aus den Erwägungsgründen 7, 8 und 55 der Richtlinie 2014/26 ergibt, zielt diese darauf ab, die nationalen Vorschriften, die sich auf die Aufnahme der Tätigkeit einer Organisation zur kollektiven Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten, die Modalitäten ihrer internen Funktionsweise und auf ihre Beaufsichtigung beziehen, sowie die Bedingungen länderübergreifender Lizenzierungsmöglichkeiten von Urheberrechten an Musikwerken für die Online-Nutzung zum Schutz der Interessen der Mitglieder von Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung, Rechtsinhabern und Dritten zu koordinieren, indem sichergestellt wird, dass überall in der Union dieselben Schutzbestimmungen gelten.

44      Zu diesem Zweck sieht Art. 1 der Richtlinie 2014/26 im Licht ihres neunten Erwägungsgrundes vor, dass die Richtlinie u. a. Anforderungen an Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung festlegt, um hohe Standards für die Leitungsstrukturen, das Finanzmanagement, die Transparenz und das Berichtswesen zu gewährleisten.

45      Da der Unionsgesetzgeber, wie im 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/26 ausgeführt, der Ansicht war, dass die unabhängigen Verwertungseinrichtungen – obwohl es sich bei ihnen um kommerzielle Einrichtungen handelt, die sich von Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung unter anderem dadurch unterscheiden, dass sie nicht im Eigentum der Rechtsinhaber stehen oder von diesen kontrolliert werden – die gleichen Tätigkeiten ausüben wie Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung, befand er, dass den unabhängigen Verwertungseinrichtungen aufgegeben werden sollte, bestimmte Informationen zu übermitteln.

46      Zu diesem Zweck erklärt Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie 2014/26 bestimmte spezifische Bestimmungen dieser Richtlinie über die Übermittlung von Informationen an die von diesen Einrichtungen vertretenen Rechtsinhaber, an Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung, an Nutzer und die Öffentlichkeit, für auf unabhängige Verwertungseinrichtungen anwendbar.

47      Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2014/26, der den Rechtsinhabern das Recht einräumt, die mit ihrer Vertretung betraute Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung zu wählen, und zwar ungeachtet des Mitgliedstaats der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder der Niederlassung der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung oder des Rechtsinhabers, gehört indessen nicht zu den in Art. 2 Abs. 4 dieser Richtlinie aufgeführten Bestimmungen.

48      Außerdem regelt, wie der Generalanwalt in Nr. 38 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, keine andere Bestimmung der Richtlinie 2014/26 die Aufnahme der Tätigkeit dieser Einrichtungen zur Wahrnehmung von Urheberrechten.

49      Zwar heißt es im 19. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/26 u. a., dass es den Rechtsinhabern leicht möglich sein sollte, der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung diese Rechte oder Rechtekategorien zu entziehen und sie selbst wahrzunehmen oder sie ganz oder teilweise einer anderen Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung oder anderen Einrichtungen anzuvertrauen oder zu übertragen, und zwar ungeachtet des Mitgliedstaats der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung, der anderen Einrichtung oder des Rechtsinhabers.

50      Zum einen geht jedoch die in Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2014/26 vorgesehene Möglichkeit für die Rechtsinhaber, einer Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung die Wahrnehmung dieser Rechte zu entziehen, nicht mit einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten einher, dafür Sorge zu tragen, dass diese Rechtsinhaber das Recht haben, eine unabhängige Verwertungseinrichtung ihrer Wahl ungeachtet des Mitgliedstaats der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder der Niederlassung dieser Einrichtung mit der Wahrnehmung ihrer Rechte zu beauftragen.

51      Zum anderen kann der 19. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/26 nicht zu einer Auslegung von Art. 2 Abs. 4 und Art. 5 Abs. 2 dieser Richtlinie führen, die mit dem Wortlaut dieser Bestimmungen unvereinbar wäre. Denn nach ständiger Rechtsprechung können die Erwägungsgründe eines Unionsrechtsakts zwar den Inhalt der Bestimmungen dieses Rechtsakts präzisieren und Auslegungselemente liefern, die Erläuterungen zum Willen des Urhebers dieses Rechtsakts bereithalten, sie sind jedoch rechtlich nicht verbindlich und können weder geltend gemacht werden, um von den Bestimmungen dieses Rechtsakts abzuweichen, noch, um diese Bestimmungen in einem Sinn auszulegen, der ihrem Wortlaut zuwiderliefe (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. März 2021, Balgarska Narodna Banka, C‑501/18, EU:C:2021:249, Rn. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52      In Anbetracht dessen, dass Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie 2014/26 die für unabhängige Verwertungseinrichtungen geltenden Bestimmungen abschließend aufzählt, kann Art. 5 Abs. 1, 2 und 4 dieser Richtlinie in Verbindung mit deren 19. Erwägungsgrund demnach nicht dahin ausgelegt werden, dass er die Mitgliedstaaten verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die Rechtsinhaber das Recht haben, eine unabhängige Verwertungseinrichtung ihrer Wahl ungeachtet des Mitgliedstaats der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder der Niederlassung der unabhängigen Verwertungseinrichtung bzw. des Inhabers der betreffenden Rechte mit der Wahrnehmung ihrer Rechte zu beauftragen.

53      Da die Richtlinie 2014/26 keine solche Verpflichtung und ganz allgemein keine Bestimmung über die Aufnahme der Tätigkeit dieser Einrichtungen zur Wahrnehmung von Urheberrechten enthält, ist davon auszugehen, dass diese Richtlinie die Voraussetzungen für eine solche Aufnahme nicht harmonisiert und damit Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die für die unabhängigen Verwertungseinrichtungen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat generell und kategorisch die Möglichkeit ausschließen, ihre Dienstleistungen der Wahrnehmung von Urheberrechten im erstgenannten Mitgliedstaat zu erbringen.

54      Allerdings lässt sich hieraus nicht ableiten, dass eine solche nationale Regelung dem Unionsrecht gänzlich entzogen ist, und erst recht nicht, dass sie mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

55      Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass der Ausgangsrechtsstreit durch eine Situation gekennzeichnet ist, die einen Zusammenhang mit dem Handel zwischen den Mitgliedstaaten aufweist, da Jamendo, eine Gesellschaft luxemburgischen Rechts, nach italienischem Recht daran gehindert ist, als unabhängige Verwertungseinrichtung in Italien Dienstleistungen der Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten zu erbringen. Diese Gesichtspunkte machen deutlich, dass der Gerichtshof in Anbetracht des Gegenstands des Ausgangsrechtsstreits weitere Bestimmungen des Unionsrechts auszulegen hat, um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben.

56      Sofern solche Rechtsvorschriften Situationen regeln, die einen Zusammenhang mit dem Handel zwischen den Mitgliedstaaten aufweisen, können sie nämlich in den Anwendungsbereich der Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Grundfreiheiten fallen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. September 2019, VIPA, C‑222/18, EU:C:2019:751, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57      Hierbei ist zu beachten, dass es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof dessen Aufgabe ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Verfahrens zweckdienliche Antwort zu geben. Auch wenn das vorlegende Gericht seine Fragen der Form nach auf die Auslegung einer bestimmten Unionsrechtsvorschrift beschränkt hat, hindert dies demzufolge den Gerichtshof nicht daran, ihm alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können, und zwar unabhängig davon, ob es bei seiner Fragestellung darauf Bezug genommen hat oder nicht. Hierzu hat der Gerichtshof aus dem gesamten vom nationalen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. September 2019, VIPA, C‑222/18, EU:C:2019:751, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Außerdem ist eine nationale Regelung in einem Bereich, der auf Unionsebene abschließend harmonisiert wurde, anhand der Bestimmungen dieser Harmonisierungsmaßnahme und nicht anhand der Bestimmungen des Primärrechts zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. September 2019, VIPA, C‑222/18, EU:C:2019:751, Rn. 52).

59      Im vorliegenden Fall hat die Richtlinie 2014/26, wie sich aus Rn. 53 des vorliegenden Urteils ergibt, zwar keine Harmonisierung der Bedingungen für die Aufnahme der Tätigkeit unabhängiger Verwertungseinrichtungen zur Wahrnehmung von Urheberrechten vorgenommen. Wie der Generalanwalt in den Nrn. 40 und 41 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist jedoch weiter zu prüfen, ob die von einer unabhängigen Verwertungseinrichtung wie Jamendo erbrachten Dienstleistungen der Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/31 oder in denjenigen der Richtlinie 2006/123 fallen können.

60      Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die Richtlinie 2000/31 nach ihrem Art. 1 Abs. 1 speziell die Dienste der Informationsgesellschaft regelt. So findet die Richtlinie 2006/123 nach ihrem Art. 3 Abs. 1 dann keine Anwendung, wenn deren Bestimmungen einer Bestimmung eines anderen Unionsrechtsakts widersprechen, der spezifische Aspekte der Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in bestimmten Bereichen oder bestimmten Berufen regelt.

61      Daher ist zunächst zu prüfen, ob die von unabhängigen Verwertungseinrichtungen ausgeübte Tätigkeit der Wahrnehmung von Urheberrechten durch die Richtlinie 2000/31 geregelt wird, und, sollte dies nicht der Fall sein, ob diese Tätigkeit in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123 fällt.

 Zur Anwendbarkeit der Richtlinie 2000/31

62      Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31 verbietet es den Mitgliedstaaten, den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat einzuschränken.

63      Nach Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 findet Art. 3 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie jedoch keine Anwendung auf die „Bereiche“ im Anhang der Richtlinie, in dem namentlich das „Urheberrecht“ und „verwandte Schutzrechte“ genannt werden.

64      Die in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 vorgesehene Ausnahme ist weit gefasst und bezieht sich allgemein auf Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs, die in den „Bereich“ der Urheber- und verwandten Schutzrechte fallen.

65      Außerdem deutet nichts in der Richtlinie 2000/31 darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber, als er diese Ausnahme erließ, die Dienstleistungen der Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten vom Anwendungsbereich der Ausnahme hätte ausschließen wollen.

66      Folglich ist davon auszugehen, dass die Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten, die, wie sich aus dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/26 ergibt, u. a. die Vergabe von Lizenzen an Nutzer, die Überwachung der Nutzung der Rechte, die Durchsetzung von Urheber- und verwandten Schutzrechten, die Einziehung der Einnahmen aus der Rechteverwertung und die Verteilung der den Rechtsinhabern zustehenden Beträge umfasst, unter die Ausnahme in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 in Verbindung mit deren Anhang fällt.

67      Diese Auslegung kann nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 als Ausnahme von der allgemeinen Regel in Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie eng auszulegen ist. Soweit nämlich aus der ständigen Rechtsprechung hervorgeht, dass die von einer Grundfreiheit abweichenden Bestimmungen eng auszulegen sind, ist dennoch die praktische Wirksamkeit der so umrissenen Ausnahme zu wahren und ihre Zielsetzung zu beachten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a., C‑403/08 und C‑429/08, EU:C:2011:631, Rn. 162 und 163).

68      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2000/31 nicht auf Dienstleistungen der Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten anwendbar sind.

 Zur Anwendbarkeit der Richtlinie 2006/123

69      Nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123 soll diese u. a. bei gleichzeitiger Gewährleistung einer hohen Qualität der Dienstleistungen die Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs erleichtern.

70      Zu diesem Zweck sieht Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/123 vor, dass die Mitgliedstaaten das Recht der Dienstleistungserbringer achten, Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ihrer Niederlassung zu erbringen.

71      Nach Art. 17 Nr. 11 der Richtlinie 2006/123 findet Art. 16 dieser Richtlinie jedoch keine Anwendung auf Urheber- und verwandte Schutzrechte.

72      Der Gerichtshof hat diese Bestimmung dahin ausgelegt, dass die Tätigkeit der kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten vom Anwendungsbereich von Art. 16 der Richtlinie 2006/123 ausgeschlossen ist (Urteil vom 27. Februar 2014, OSA, C‑351/12, EU:C:2014:110, Rn. 65).

73      Diese Ausnahme ist nämlich ebenso wie diejenige in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 weit gefasst und bezieht sich allgemein auf Urheber- und verwandte Schutzrechte, so dass sich aus Art. 17 Nr. 11 der Richtlinie 2006/123 keine Absicht des Unionsgesetzgebers ableiten lässt, die Dienstleistungen der Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten vom Anwendungsbereich dieser Ausnahme auszuschließen.

74      Daraus folgt, dass Dienstleistungen der Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten nicht in den Anwendungsbereich von Art. 16 der Richtlinie 2006/123 fallen.

75      Da die Aufnahme der Tätigkeit unabhängiger Verwertungseinrichtungen zur Wahrnehmung von Urheberrechten, wie sich aus den Rn. 53, 68 und 74 des vorliegenden Urteils ergibt, nicht Gegenstand einer abschließenden Harmonisierung auf Unionsebene ist, sind die Mitgliedstaaten für den Erlass der Vorschriften in diesem Bereich vorbehaltlich der Beachtung der Bestimmungen des AEU-Vertrags, insbesondere derjenigen über die Grundfreiheiten, somit weiterhin zuständig (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. September 2019, VIPA, C‑222/18, EU:C:2019:751, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich ist eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende anhand der einschlägigen Bestimmungen des Primärrechts, hier Art. 56 AEUV, zu beurteilen.

 Zur Vereinbarkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Maßnahme mit dem in Art. 56 AEUV garantierten freien Dienstleistungsverkehr

76      Aus der ständigen Rechtsprechung ergibt sich, dass Art. 56 AEUV jeder nationalen Maßnahme entgegensteht, die zwar unterschiedslos anwendbar ist, jedoch geeignet ist, die Ausübung des durch diese Bestimmungen des AEU-Vertrags garantierten freien Dienstleistungsverkehrs zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Februar 2021, Katoen Natie Bulk Terminals und General Services Antwerp, C‑407/19 und C‑471/19, EU:C:2021:107, Rn. 58 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

77      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass eine nationale Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren, da sie es unabhängigen Verwertungseinrichtungen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat nicht erlaubt, in Italien ihre Dienstleistungen der Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten zu erbringen, und diese damit zum Abschluss von Repräsentationsvereinbarungen mit einer in diesem Mitgliedstaat zugelassenen Organisation für die kollektive Rechtewahrung zwingt, offensichtlich eine Beschränkung des in Art. 56 AEUV garantierten freien Dienstleistungsverkehrs darstellt.

78      Indessen kann diese Beschränkung gerechtfertigt sein, wenn sie zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entspricht, geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten, im Allgemeininteresse liegenden Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2014, OSA, C‑351/12, EU:C:2014:110, Rn. 70).

 Zum Vorliegen eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses, der die betreffende Beschränkung rechtfertigen kann

79      Nach ständiger Rechtsprechung stellt der Schutz von Rechten des geistigen Eigentums einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar (Urteil vom 27. Februar 2014, OSA, C‑351/12, EU:C:2014:110, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).

80      Daher kann eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende im Hinblick auf das Ziel des Urheberrechtsschutzes gerechtfertigt werden.

 Zur Verhältnismäßigkeit der Beschränkung

81      Was die Verhältnismäßigkeit der betreffenden Beschränkung betrifft, ist als Erstes zu prüfen, ob die Beschränkung, die darin besteht, die unabhängigen Verwertungseinrichtungen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat von der Vermittlertätigkeit im Bereich des Urheberrechts auszuschließen, geeignet ist, die Erreichung des mit einer solchen Maßnahme verfolgten, dem Allgemeininteresse dienenden Ziels des Urheberrechtsschutzes zu gewährleisten.

82      Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, dass eine nationale Regelung, durch die einer Verwertungsgesellschaft für die Wahrnehmung der Urheberrechte in Bezug auf eine bestimmte Kategorie geschützter Werke ein Monopol im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats eingeräumt wird, als zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums geeignet anzusehen ist, da sie eine wirksame Wahrnehmung des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte sowie eine wirksame Kontrolle ihrer Achtung im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats ermöglichen kann (Urteil vom 27. Februar 2014, OSA, C‑351/12, EU:C:2014:110, Rn. 72).

83      Im vorliegenden Fall räumt die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung einer Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung allerdings kein Monopol für die Tätigkeit der Wahrnehmung von Urheberrechten im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats ein. Art. 180 des Gesetzes über den Schutz des Urheberrechts erlaubt es nämlich, dass diese Tätigkeit im italienischen Hoheitsgebiet nicht nur von der SIAE, sondern auch von Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung im Sinne des Decreto legislativo Nr. 35/2017 ausgeübt wird, dessen Art. 4 Abs. 2 vorsieht, dass die Rechtsinhaber eine Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung oder eine unabhängige Verwertungseinrichtung ihrer Wahl mit der Wahrnehmung ihrer Rechte beauftragen können, und zwar „ungeachtet des Mitgliedstaats der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder der Niederlassung der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung, der unabhängigen Verwertungsgesellschaft oder des Rechtsinhabers“, wobei klargestellt wird, dass die Anwendung dieser Bestimmung vorbehaltlich derjenigen der Bestimmungen von Art. 180 des Gesetzes über den Schutz des Urheberrechts erfolgt.

84      Wie aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervorgeht, bewirkt diese Bestimmung, dass die unabhängigen Verwertungseinrichtungen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat daran gehindert werden, in Italien die Tätigkeit der Wahrnehmung von Urheberrechten auszuüben, wohingegen sie Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten die Ausübung einer solchen Tätigkeit erlaubt.

85      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine nationale Regelung nur dann geeignet ist, die Erreichung des angestrebten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (Urteil vom 3. Februar 2021, Fussl Modestraße Mayr, C‑555/19, EU:C:2021:89, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

86      Folglich ist zu prüfen, ob die Ungleichbehandlung, der die im Ausgangsverfahren in Rede stehende italienische Regelung die Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung einerseits und die unabhängigen Verwertungseinrichtungen andererseits unterwirft, diesem Erfordernis entspricht.

87      Im Unterschied zu den Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung, die Gegenstand einer umfassenden Harmonisierung in Bezug auf die Aufnahme einer Tätigkeit der Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten, die Modalitäten ihrer internen Funktionsweise und auf ihre Beaufsichtigung waren, unterliegen die unabhängigen Verwertungseinrichtungen, wie sich aus Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie 2014/26 ergibt, nur einer begrenzten Anzahl von Bestimmungen dieser Richtlinie, weshalb mehrere der in dieser Richtlinie vorgesehenen Anforderungen auf diese Einrichtungen nicht anwendbar sind.

88      Erstens wird nämlich nur den Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung die Verpflichtung auferlegt, Lizenzen auf der Grundlage objektiver und diskriminierungsfreier Kriterien nach Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2014/26 zu vergeben, die unabhängigen Verwertungseinrichtungen sind dagegen nur verpflichtet, im Einklang mit Art. 16 Abs. 1 dieser Richtlinie nach Treu und Glauben über die Lizenzierung zu verhandeln und sich gegenseitig alle hierzu notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen. Nach Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie sind nur die Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung verpflichtet, den von ihnen vertretenen Rechtsinhabern als Gegenleistung für die Nutzung ihrer Rechte eine angemessene Vergütung zu gewähren. Die Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung sind zudem verpflichtet, Tarife anzuwenden, die in einem angemessenen Verhältnis unter anderem zu dem wirtschaftlichen Wert der Nutzung der Rechte unter Berücksichtigung der Art und des Umfangs der Nutzung des Werks und sonstiger Schutzgegenstände sowie zu dem wirtschaftlichen Wert der von der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung erbrachten Leistung stehen, während es den unabhängigen Verwertungseinrichtungen freisteht, beliebige Tarife anzuwenden.

89      Im Unterschied zu unabhängigen Verwertungseinrichtungen sind die Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung ferner nach Art. 16 Abs. 3 der Richtlinie 2014/26 verpflichtet, unverzüglich auf Anfragen von Nutzern zu antworten und ihnen ein Lizenzangebot zu unterbreiten oder ihnen gegenüber eine begründete Erklärung abzugeben, warum sie keine Lizenz für eine bestimmte Dienstleistung zu vergeben gedenken.

90      Zweitens sind unabhängige Verwertungseinrichtungen im Gegensatz zu Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung nicht verpflichtet, Rechtsinhaber als Mitglieder aufzunehmen, wenn diese die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft erfüllen, die gemäß Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2014/26 auf objektiven, transparenten und nicht diskriminierenden Kriterien beruhen müssen.

91      Drittens sind die unabhängigen Verwertungseinrichtungen, außer falls objektiv nachvollziehbare Gründe vorliegen, nicht verpflichtet, die Rechte der sie beauftragenden Rechtsinhaber wahrzunehmen, wenn deren Wahrnehmung in ihren Tätigkeitsbereich fällt, wie es Art. 5 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2014/26 den Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung vorschreibt, was bedeutet, dass es ihnen freisteht, die finanziell rentabelsten Kategorien von Rechten zu wählen und den Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung die Wahrnehmung der übrigen Rechte zu überlassen. Diese Einrichtungen unterliegen auch nicht der in Art. 5 Abs. 4 dieser Richtlinie vorgesehenen Pflicht, die Freiheit der Rechtsinhaber zu wahren, den Auftrag zur Wahrnehmung ihrer Rechte, Kategorien von Rechten oder Arten von Werken zu beenden oder ihnen Rechte für bestimmte Gebiete zu entziehen.

92      Viertens sind unabhängige Verwertungseinrichtungen im Gegensatz zu Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung weder an die Bestimmungen über die Mitgliedschaftsbedingungen, die Modalitäten ihrer internen Funktionsweise und ihre Beaufsichtigung sowie über die in den Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2014/26 aufgeführten Interessenkonflikte noch an die in den Art. 33 bis 35 dieser Richtlinie aufgeführten Bestimmungen über Beschwerde- und Streitbeilegungsverfahren gebunden.

93      Fünftens unterliegen diese Einrichtungen nicht den in den Art. 11 bis 15 der Richtlinie 2014/26 vorgesehenen Anforderungen an die Verwaltung der Einnahmen aus den Rechten, was es ihnen ermöglicht, ihren Gewinn zu maximieren.

94      Sechstens sind, was die spezifischen Transparenzanforderungen der Richtlinie 2014/26 betrifft, nur Art. 20 und einige Bestimmungen von deren Art. 21 auf unabhängige Verwertungseinrichtungen anwendbar. Insbesondere unterliegen unabhängige Verwertungseinrichtungen im Gegensatz zu Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung nicht den in Kapitel 5 dieser Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen, vor allem nicht der Verpflichtung zur Erstellung eines jährlichen Transparenzberichts nach Art. 22 der Richtlinie.

95      Siebtens schließlich ist auch Titel III der Richtlinie 2014/26, der die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Online-Rechte an Musikwerken betrifft, nicht auf unabhängige Verwertungseinrichtungen anwendbar.

96      In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist davon auszugehen, dass die durch die in Rede stehende nationale Regelung bewirkte Ungleichbehandlung unabhängiger Verwertungseinrichtungen im Vergleich zu Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung dem Anliegen gerecht wird, das Ziel des Urheberrechtsschutzes in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen, da die Richtlinie 2014/26 an unabhängige Verwertungseinrichtungen geringere Anforderungen stellt als an Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung, und zwar insbesondere in Bezug auf die Aufnahme der Tätigkeit zur Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten, die Vergabe von Lizenzen, die Modalitäten ihrer internen Funktionsweise und auf ihre Beaufsichtigung. Unter diesen Umständen kann eine solche Ungleichbehandlung als geeignet angesehen werden, die Verwirklichung dieses Ziels zu gewährleisten.

97      Was jedoch als Zweites die Frage betrifft, ob die Beschränkung, die darin besteht, unabhängige Verwertungseinrichtungen von der Tätigkeit der Vermittlung von Urheberrechten auszuschließen, nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um die Erreichung des im Allgemeininteresse liegenden Ziels des Urheberrechtsschutzes zu gewährleisten, ist darauf hinzuweisen, dass eine den freien Dienstleistungsverkehr weniger beeinträchtigende Maßnahme insbesondere darin bestehen könnte, die Dienstleistungen der Vermittlung von Urheberrechten in dem betreffenden Mitgliedstaat von besonderen regulatorischen Anforderungen abhängig zu machen, die im Hinblick auf das Ziel des Urheberrechtsschutzes gerechtfertigt wären.

98      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung, soweit sie darin besteht, alle unabhängigen Verwertungseinrichtungen, gleich welchen regulatorischen Anforderungen sie nach dem nationalen Recht des Mitgliedstaats unterliegen, in dem sie ihren Sitz haben, kategorisch daran zu hindern, eine durch den AEU-Vertrag garantierte Grundfreiheit auszuüben, über das hinausgeht, was zum Schutz des Urheberrechts erforderlich ist.

99      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 56 AEUV in Verbindung mit der Richtlinie 2014/26 dahin auszulegen ist, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, die für die unabhängigen Verwertungseinrichtungen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat generell und kategorisch die Möglichkeit ausschließen, im erstgenannten Mitgliedstaat ihre Dienstleistungen der Wahrnehmung von Urheberrechten zu erbringen.

 Kosten

100    Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 56 AEUV in Verbindung mit der Richtlinie 2014/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt

ist dahin auszulegen, dass

er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, die für die unabhängigen Verwertungseinrichtungen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat generell und kategorisch die Möglichkeit ausschließen, im erstgenannten Mitgliedstaat ihre Dienstleistungen der Wahrnehmung von Urheberrechten zu erbringen.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Italienisch.