Language of document : ECLI:EU:C:2024:410

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

TAMARA ĆAPETA

vom 16. Mai 2024(1)

Rechtssache C188/23

Land Niedersachsen

gegen

Conti 11. Container Schiffahrts-GmbH & Co. KG MS „MSC Flaminia“

(Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts München, Deutschland)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung von gefährlichen Abfällen und ihrer Entsorgung – Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 – Anwendungsbereich – Infolge eines Chemikalienbrands und Explosionen auf hoher See anfallende Abfälle – Auslegung des Urteils vom 16. Mai 2019, Conti 11. Container Schiffahrt (C‑689/17, EU:C:2019:420)“






I.      Einleitung

1.        Es ist 5.42 Uhr am 14. Juli 2012. Die Flaminia, ein Containerschiff, ist auf einer Reise von Charleston (Vereinigte Staaten) nach Antwerpen (Belgien), als sich mitten auf dem Atlantik ein Chemikalienbrand entzündet und es in seiner Folge zu Explosionen kommt. Es entstehen schwere Schäden, und das Schiff wird mit gefährlichen und giftigen Rückständen kontaminiert. Mehrere Besatzungsmitglieder sterben. Der Brand und die Explosionen dauern über Tage an. Der nächstgelegene Hafen ist mehrere Hundert Seemeilen entfernt. Nach wochenlangen Bergungsversuchen und nachdem mehrere umliegende Häfen dem Schiff ein Einlaufen verweigert haben, wird das Schiff schließlich nach Wilhelmshaven (Deutschland) geschleppt.

2.        Die zuständigen deutschen Behörden des Landes Niedersachsen (im Folgenden: Land) ordneten an, das Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006(2) einzuleiten, bevor die Flaminia zur Entfernung (von Teilen) der gefährlichen und giftigen Abfälle und zur Reparatur des Schiffs weiter nach Mangalia (Rumänien) geschleppt werden durfte.

3.        Da sie das 2017 ergangene Urteil des Gerichtshofs Conti 11. Container Schiffahrt(3) dahin auslegt, dass das vorgenannte Verfahren nicht erforderlich sei, erhebt Conti, die Klägerin des Ausgangsverfahrens, gegen das Land Anspruch auf Schadensersatz für die hieraus entstandenen Kosten.

4.        Das Land macht im Wesentlichen geltend, es sei unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes nicht möglich gewesen, einem Schiff mit etwa 30 000 t giftigem Abwasser und anderen Materialien das Auslaufen von Wilhelmshaven nach Mangalia zu gestatten, ohne das betreffende Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren durchzuführen. Eine der Verpflichtungen aus dem Basler Übereinkommen(4), dem die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten als Vertragsparteien angehörten, bestehe darin, gerade für diese Verbringungen solcher gefährlicher Abfälle ein entsprechendes Verfahren vorzusehen. Sollte nach der Abfallverbringungsverordnung für diese Art von Verbringung eine Notifizierung nicht erforderlich gewesen sein, wie es dem vom Gericht des ersten Rechtszugs vertretenen Verständnis des Urteils Conti 11. Container Schiffahrt entspreche, verstieße die Europäische Union, so die Ansicht des Landes, gegen ihre Verpflichtungen aus dem Basler Übereinkommen.

5.        Die übergeordnete Frage im Verfahren vor dem Gerichtshof ist somit die nach der Auslegung des Urteils Conti 11. Container Schiffahrt: Wird die Abfallverbringungsverordnung infolge dieses Urteils möglicherweise mit den Verpflichtungen der Europäischen Union aus dem Basler Übereinkommen unvereinbar? Und wenn dies nicht der Fall ist, wurde Conti vom Land zu Recht zu dem Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren nach der Abfallverbringungsverordnung verpflichtet?

II.    Rechtlicher und tatsächlicher Kontext der vorliegenden Rechtssache und Vorlagefragen

6.        Conti ist eine deutsche Gesellschaft mit Sitz in Hamburg (Deutschland). Zum maßgeblichen Zeitpunkt war diese Gesellschaft, im Wege einer Gestaltung als Ein-Schiff-Zweckgesellschaft, Eigentümerin eines Containerschiffs, das unter dem Namen Flaminia fuhr.

7.        Die Flaminia wurde von Conti im November 2000 an MSC, eine schweizerische Gesellschaft mit Sitz in Genf (Schweiz), verchartert.

8.        Von etwa November 2000 bis Juni 2012 beförderte die Flaminia Tausende Frachtcontainer zwischen Häfen weltweit, darunter auch der Hafen von New Orleans (Vereinigte Staaten).

9.        Im Juni 2012 fragte ein amerikanischer Hersteller chemischer Stoffe die Verschiffung von drei Tankcontainern mit 80%igem Divinylbenzen (im Folgenden: DVB) aus New Orleans an. DVB ist eine chemische Verbindung, die bei der Reinigung von Wasser verwendet wird.

10.      DVB muss unterhalb einer bestimmten Temperatur gehalten werden, um den chemischen Prozess der sogenannten „Selbstpolymerisation“ zu vermeiden, bei dem es zu einem raschen Temperaturanstieg und zur Freisetzung entzündlicher Dämpfe kommt(5).

11.      Am 14. Juli 2012, als die Flaminia mitten auf dem Atlantik auf dem Weg von Charleston nach Antwerpen war, kam es in den Containern, in denen das DVB befördert wurde, zu einer Explosion, die zu einem großen Brand an Bord führte.

12.      Drei Besatzungsmitglieder verloren ihr Leben. Hunderte von Containern wurden zerstört, und es entstanden schwere Schäden am Schiff.

13.      Es ist unklar, was genau zu dem Brand und den Explosionen führte(6).

14.      Nachdem Besatzung und Passagiere das Schiff verlassen hatten, wurde die Flaminia mitten im Atlantik treibend zurückgelassen. Die Brände dauerten an(7). Es folgte eine weitere Explosion(8).

15.      Conti beauftragte ein Bergungsunternehmen. Um den Brand unter Kontrolle zu bringen und das Schiff und die Ladung zu bergen, sprühten die Bergungskräfte Seewasser auf das Schiff. Eine der Folgen dieses Vorgangs war, dass ca. 30 000 t mit gefährlichen und giftigen Rückständen kontaminiertes Löschwasser in den Laderäumen der Flaminia zurückblieb, nachdem der Brand unter Kontrolle gebracht worden war.

16.      Später stellte sich heraus, dass selbst nach Entladung des größten Teils des Löschwassers 30 500 t Abfallmaterial an Bord des Schiffs verblieben(9), das u. a. aus Schlämmen, brandbeschädigter fester Ladung, kontaminiertem Wasser und Metallschrott bestand.

17.      Zum Zeitpunkt der Explosion befand sich die Flaminia zwischen Kanada und dem Vereinigten Königreich, etwa 650 sm vom nächstgelegenen Hafen (San Miguel, Azoren, Portugal) entfernt auf Kurs Ost(10).

18.      Nach Vorlage eines Passageplans schleppte das Bergungsunternehmen die Flaminia durch den Ärmelkanal nach Wilhelmshaven, wo sich der einzige verfügbare Nothafen befand(11), wie die nachstehend wiedergegebene, von der deutschen Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung erstellte Karte(12) zeigt:

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19.      Das Schiff kam am 9. September 2012 im Hafen von Wilhelmshaven an(13).

20.      Mit Schreiben vom 30. November 2012 teilte das niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz (Deutschland) Conti mit, dass das an Bord befindliche Löschwasser sowie die Schlämme und der Stahlschrott als „Abfall“ im Sinne der Abfallverbringungsverordnung einzustufen seien. Daher sei das in dieser Verordnung vorgesehene Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren durchzuführen, bevor das Schiff nach Rumänien auslaufen könne.

21.      Trotz Einwänden von Conti verpflichtete das Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg sie am 4. Dezember 2012, für die Verbringung nach Rumänien das Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren durchzuführen. Zudem untersagte es, das Schiff vor Abschluss dieses Verfahrens und Vorlage eines prüffähigen Entsorgungskonzepts von seinem Standort zu entfernen.

22.      Die Klägerin musste zwei Notifizierungsverfahren durchführen.

23.      Das erste Notifizierungsverfahren bezog sich auf die Verbringung eines Teils des an Bord der Flaminia befindlichen Löschwassers von Wilhelmshaven nach Odense (Dänemark)(14).

24.      Das zweite Notifizierungsverfahren bezog sich auf die Verbringung des restlichen Abfalls der Flaminia von Wilhelmshaven nach Mangalia(15).

25.      Dieses zweite Verfahren liegt der beim vorlegenden Gericht anhängigen Klage von Conti zugrunde.

26.      Auch wenn dies aus dem Vorlagebeschluss nicht hervorgeht, haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass nicht das gesamte verbliebene Abfallmaterial in Mangalia entladen wurde. Stattdessen fand eine weitere Reise nach Aarhus (Dänemark) und dann nach Odense (Dänemark) statt, wo insgesamt ca. 28 400 t Abfallmaterial entfernt wurden(16).

27.      Wie in der mündlichen Verhandlung bestätigt, führte Conti das Notifizierungsverfahren für diese Reise bei den rumänischen Behörden durch.

28.      Nach Abschluss der Abfallentfernung in Dänemark lief die Flaminia von Odense nach Mangalia aus, wo Reparaturen durchgeführt wurden.

29.      Der Brand und die Explosionen an Bord der Flaminia führten zu mehreren Klagen vor Gerichten verschiedener Rechtsordnungen.

30.      Zum einen wurde eine Reihe von Klagen beim United States District Court for the Southern District of New York (Vereinigte Staaten) (US-Bundesbezirksgericht für den südlichen Bezirk von New York) erhoben. Dieses Gericht stellte im Juli 2018 fest, dass den Hersteller der Tanks und den Hersteller des DVB eine Haftung für den Brand an Bord der Flaminia treffe. Diese Entscheidung wurde im Juni 2023 vom United States Court of Appeals for the Second Circuit (US-Bundesberufungsgericht für den zweiten Bezirk) „in allen wesentlichen Punkten“ bestätigt(17).

31.      Zum anderen enthielt der Chartervertrag zwischen Conti und MSC eine Schiedsklausel, wonach über alle aus dem Vertrag entstehenden Streitigkeiten durch ein Schiedsverfahren in London (Vereinigtes Königreich) zu entscheiden war. Dementsprechend verfolgte Conti parallel zum Fortgang des Rechtsstreits in New York (Vereinigte Staaten) auch Ansprüche im Wege des Schiedsverfahrens nach dem Chartervertrag. Mit Schiedsspruch vom 30. Juli 2021, der am 1. September 2021 berichtigt wurde, entschied das nach diesem Vertrag gebildete Schiedsgericht, dass MSC gegen den Chartervertrag verstoßen habe und in Höhe von ca. 200 Mio. US-Dollar (USD) (184 Mio. Euro) hafte (im Folgenden: Schiedsspruch). Eine Klage auf Bestätigung dieses Schiedsspruchs nach dem Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche(18) (bekannt auch als „Übereinkommen von New York“) ist beim United States District Court for the Eastern District of Louisiana (Vereinigte Staaten) (US-Bundesbezirksgericht für den östlichen Bezirk von Louisiana) anhängig(19). Eine gesonderte Klage von MSC auf Begrenzung ihrer Haftung auf ca. 28,2 Mio. Pfund Sterling (GBP) (32,9 Mio. Euro) wurde vom High Court of Justice (England & Wales) (Hohes Gericht [England & Wales)] und vom Court of Appeal (England & Wales) (Berufungsgericht [England & Wales]) abgewiesen(20). Ein Rechtsmittel zum Supreme Court of the United Kingdom (Oberster Gerichtshof des Vereinigten Königreichs) wurde am 19. Dezember 2023 zugelassen(21); das letztgenannte Verfahren ist zum Zeitpunkt der Fertigstellung der vorliegenden Schlussanträge noch anhängig.

32.      Schließlich hat die Verwaltungsentscheidung, mit der das Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren angeordnet wurde, bevor Conti die Flaminia nach Rumänien verbringen konnte, zu dem vorliegenden Klageverfahren vor den deutschen Gerichten geführt. Im ersten Rechtszug hat das Landgericht München I (Deutschland) den Gerichtshof um Auslegung der Abfallverbringungsverordnung ersucht. Nach Erhalt der Antwort auf seine Frage mit dem Urteil Conti 11. Container Schiffahrt erkannte jenes Gericht Conti Schadensersatz zu, da das Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren nach der Abfallverbringungsverordnung nicht erforderlich gewesen sei. Gegen jenes erstinstanzliche Urteil wurde in der vorliegenden Rechtssache Rechtsmittel beim vorlegenden Gericht eingelegt.

33.      Zwischenzeitlich ist die Flaminia wieder im Dienst. Sie fährt derzeit unter dem Namen „CMA CGM San Francisco“ unter der Flagge Liberias.

34.      Vor dem vorstehend dargestellten Hintergrund hat in der Berufungsinstanz des Verfahrens über die von Conti erhobene Klage auf Schadensersatz wegen des in Rede stehenden, angeblich nicht erforderlichen Notifizierungsverfahrens das Oberlandesgericht München (Deutschland) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist die in Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung angeordnete Ausnahme von der Notifizierungspflicht wegen Verstoßes gegen die Vorschriften des Basler Übereinkommens ungültig, soweit die Ausnahme auch solche gefährlichen Abfälle von der Notifizierungspflicht ausnimmt, die auf eine Havarie an Bord eines Schiffes zurückzuführen sind und die nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 16. Mai 2019 in der Rechtssache C‑689/17 als Abfälle im Sinne dieser Ausnahmebestimmung anzusehen sind?

2.      Ist für den Fall, dass Frage 1. verneint wird, die in Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung angeordnete Ausnahme im Hinblick auf das Basler Übereinkommen dahin gehend einschränkend auszulegen, dass Rückstände in Form von Metallschrott und mit Schlämmen und Ladungsrückständen versetztem Löschwasser wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die auf eine Havarie an Bord von Schiffen zurückzuführen sind, nicht als Abfälle, die an Bord von Schiffen anfallen, im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sind?

35.      Das vorlegende Gericht hat dem Gerichtshof am 7. Februar 2024 mitgeteilt, dass es das bei ihm anhängige Verfahren auf übereinstimmenden Antrag sowohl von Conti als auch des Landes ausgesetzt habe. In einer späteren Mitteilung an die Kanzlei hat das vorgenannte Gericht jedoch auch klargestellt, dass das bei ihm anhängige Verfahren jederzeit wieder aufgenommen werden könne, so dass das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen nicht gegenstandslos geworden sei und die erbetene Auslegung weiterhin erforderlich sei.

36.      Conti, das Land, das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission haben beim Gerichtshof schriftliche Erklärungen eingereicht. Die vorgenannten Beteiligten und die französische Regierung haben in der Sitzung vom 27. Februar 2024 mündliche Ausführungen gemacht.

III. Würdigung

37.      Der wesentliche Anlass für das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen ist das Urteil des Gerichtshofs Conti 11. Container Schiffahrt oder vielmehr, wie diese Entscheidung vom Landgericht München I im Rahmen der Entscheidung über den vorliegenden Rechtsstreit im ersten Rechtszug verstanden und angewandt worden ist.

38.      Mit dem dem Urteil Conti 11. Container Schiffahrt zugrunde liegenden Vorabentscheidungsersuchen wurde um Auslegung des Ausdrucks „Abfälle, die an Bord von Schiffen anfallen“ im Sinne von Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung ersucht. Nach dieser Bestimmung gilt diese Verordnung nicht für „Abfälle, die in Fahrzeugen und Zügen sowie an Bord von Luftfahrzeugen und Schiffen anfallen, und zwar bis zum Zeitpunkt des Abladens dieser Abfälle zwecks Verwertung oder Beseitigung“.

39.      Der Gerichtshof hat festgestellt, dass dieser Ausdruck dahin auszulegen ist, dass er auch Abfälle umfasst, die auf eine Havarie an Bord eines Schiffs auf hoher See zurückzuführen sind(22). Demnach würde die Abfallverbringungsverordnung für Abfälle der Art, wie sie infolge von Brand und Explosionen an Bord der Flaminia entstanden sind, bis zum Zeitpunkt ihres Abladens zwecks Verwertung oder Beseitigung nicht gelten(23).

40.      Wird ein Sachverhalt unter Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung subsumiert, folgt daraus, dass das dieser Verordnung zugrunde liegende Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren keine Anwendung findet. Demnach ist in dieser Fallgestaltung das Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren, das diese Verordnung für die Verbringung von Abfällen, u. a. zwischen zwei Mitgliedstaaten, vorsieht, bis zum Zeitpunkt des Abladens dieser Abfälle zwecks Verwertung oder Beseitigung nicht vorgeschrieben. Diesem Gedanken folgend, hat das Landgericht München I festgestellt, dass dem von Conti geltend gemachten Anspruch auf Schadensersatz gegen das Land stattgegeben werden könne.

41.      Das vorlegende Gericht hält es jedoch für klärungsbedürftig, ob die sich daraus ergebende Nichtanwendung des Notifizierungs- und Zustimmungsverfahrens auf Verbringungen von Abfällen von einem deutschen Hafen in einen rumänischen Hafen gegen das Basler Übereinkommen verstoßen würde.

42.      Daher ersucht dieses Gericht den Gerichtshof mit seiner ersten Frage im Wesentlichen darum, Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung für ungültig zu erklären, soweit danach eine Abweichung von dem durch das Basler Übereinkommen eingeführten System zugelassen werde. Seiner Auffassung nach ist die Beantwortung dieser Frage, auch wenn der Gerichtshof hierauf in seinem Urteil Conti 11. Container Schiffahrt nicht eingegangen sei, für die Entscheidung über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit erheblich, da Conti nur dann Anspruch auf Schadensersatz habe, wenn die Ausnahme nach Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung zu ihren Gunsten Anwendung finde.

43.      Mit seiner zweiten Frage ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof im Wesentlichen um eine Auslegung von Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung im Einklang mit dem Basler Übereinkommen, die die erstgenannte Verordnung mit den Verpflichtungen der Europäischen Union aus dem letztgenannten Übereinkommen in Einklang bringt.

44.      Beide Fragen zielen demnach im Kern auf die Feststellung ab, dass das vom Land angeordnete Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren im Fall der Flaminia tatsächlich erforderlich war.

45.      In der Tat schreibt die Abfallverbringungsverordnung dieses Erfordernis meines Erachtens unter den konkreten Umständen der vorliegenden Rechtssache vor. Zu dieser Ansicht komme ich jedoch nicht deshalb, weil Art. 1 Abs. 3 Buchst. b dieser Verordnung ungültig wäre, sondern vielmehr, weil diese Bestimmung auf den in Rede stehenden Sachverhalt nicht anwendbar ist. Wie dargelegt werden wird, führt das Urteil Conti 11. Container Schiffahrt  zu keinem anderen Ergebnis.

46.      Meine Schlussanträge folgen folgendem Aufbau. Erstens werde ich erläutern, dass das Basler Übereinkommen auf den Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache anwendbar ist und die Einleitung des in Rede stehenden Notifizierungs- und Zustimmungsverfahrens verlangt. Die Abfallverbringungsverordnung wurde erlassen, um die Verbringung von Abfällen in der Europäischen Union so zu organisieren, dass sie u. a. mit dem Basler Übereinkommen im Einklang steht. Daher hat der Gerichtshof die Vorschriften der Abfallverbringungsverordnung im Einklang mit dem Basler Übereinkommen auszulegen (A).

47.      Zweitens führt, wie dargelegt werden wird, die im Urteil Conti 11. Container Schiffahrt vertretene Auslegung nicht dazu, dass Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung mit den Erfordernissen des Basler Übereinkommens unvereinbar wird. Meines Erachtens betraf die Antwort des Gerichtshofs in jener Rechtssache den ersten Abschnitt der Reise der Flaminia nach der Havarie, durch die die Abfälle angefallen sind – d. h. die Fahrt von hoher See nach Deutschland. Dass diese Fahrt vom Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren nach der Abfallverbringungsverordnung ausgenommen ist, ist, wie vom Gerichtshof im Urteil Conti 11. Container Schiffahrt erläutert, mit den Umweltzielen der Abfallverbringungsverordnung, die diese Verordnung und das Basler Übereinkommen gemeinsam haben, vereinbar (B).

48.      Drittens betrifft die vorliegende Rechtssache nicht die Fahrt der Flaminia von hoher See nach Deutschland. Sie betrifft vielmehr den zweiten Abschnitt ihrer Reise – nämlich denjenigen vom deutschen Hafen Wilhelmshaven zum rumänischen Hafen Mangalia. Wie dargelegt werden wird, findet Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung auf diese Verbringung von Abfällen keine Anwendung, auch wenn diese Abfälle „an Bord von … Schiffen anfallen“. Das Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren nach der Abfallverbringungsverordnung ist daher anwendbar (C).

49.      Schließlich ist vor der Fortsetzung der Prüfung zu betonen, dass unstreitig ist, dass Abfälle von der Art, wie sie an Bord der Flaminia von Deutschland nach Rumänien verbracht wurden, nämlich Rückstände in Form von Metallschrott und mit Schlämmen und Ladungsrückständen versetztem Löschwasser, von den Vorschriften der Abfallverbringungsverordnung und des Basler Übereinkommens erfasst sind(24). Im Rahmen meiner Würdigung wird daher von der sachlichen Anwendbarkeit dieser Instrumente ausgegangen.

A.      Abfallverbringungsverordnung und Basler Übereinkommen

50.      Warum ist die Auslegung des Basler Übereinkommens durch den Gerichtshof für die vorliegende Rechtssache erforderlich?

51.      Rechtsvorschriften der Union über die Verbringung gefährlicher Abfälle zwischen den Mitgliedstaaten bestehen seit 1984(25).

52.      Als die Union das Basler Übereinkommen 1989 unterzeichnete(26), war sie bestrebt, ihr bestehendes Recht mittels der Verordnung (EWG) Nr. 259/93(27) an dieses Übereinkommen anzugleichen.

53.      Durch die Abfallverbringungsverordnung, deren Auslegung Gegenstand der vorliegenden Rechtssache ist, wurde die Verordnung Nr. 259/93 im Jahr 2006 aufgehoben und ersetzt(28). Die Absicht, das Unionsrecht an das Basler Übereinkommen anzugleichen, wurde dadurch jedoch nicht aufgegeben.

54.      Im dritten Erwägungsgrund der Abfallverbringungsverordnung wird erläutert, dass sie „unter anderem darauf abziel[t], das bestehende Gemeinschaftssystem für die Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen mit den Vorschriften des Basler Übereinkommens in Einklang zu bringen“(29).

55.      Mit diesem Erwägungsgrund wollte der Unionsgesetzgeber deutlich machen, dass die Europäische Union ihren Verpflichtungen nach dem Basler Übereinkommen nachkommen wollte(30) und dass sie die darin niedergelegten Grundprinzipien, wie etwa die Verpflichtung, die Verbringung gefährlicher Abfälle auf ein Mindestmaß zu beschränken(31), und das Recht jeder Partei des Basler Übereinkommens, die Einfuhr gefährlicher Abfälle in sein Hoheitsgebiet zu verbieten, anerkennt(32).

56.      Die Abfallverbringungsverordnung und das Basler Übereinkommen haben das beiden gemeinsame Ziel, die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu schützen.

57.      So sieht der erste Erwägungsgrund der Abfallverbringungsverordnung vor, dass „[w]ichtigster und vorrangiger Zweck und Gegenstand“ der Abfallverbringungsverordnung „der Umweltschutz [ist]“ und Auswirkungen „auf den internationalen Handel … zweitrangig [sind]“(33).

58.      Ebenso wird im ersten Erwägungsgrund der Präambel des Basler Übereinkommens erläutert, dass seine Unterzeichner dieses Übereinkommen „im Bewusstsein des Risikos einer durch gefährliche Abfälle und andere Abfälle und ihre grenzüberschreitende Verbringung verursachten Schädigung der menschlichen Gesundheit und der Umwelt“ geschlossen haben(34).

59.      Mit dem Basler Übereinkommen soll somit ein globaler Rahmen für die Kontrolle der Verbringung gefährlicher Abfälle oder anderer Abfälle geschaffen werden, der bei der weitgehenden Vermeidung der Erzeugung solcher Abfälle beginnt und ihre umweltgerechte Behandlung fördert, insbesondere wenn diese Abfälle grenzüberschreitend befördert werden. Auf der Ebene des internationalen Umweltrechts ist dieses Übereinkommen somit Ausdruck des Gedankens, dass der Abfallerzeuger die endgültige Verantwortung für diese Abfälle von ihrer anfänglichen Erzeugung bis zu ihrer Entsorgung trägt, und zwar insgesamt mit Blick darauf, zu einer Gestaltung des Handels mit Abfall nach dem Grundsatz „von der Wiege bis zur Bahre“ zu gelangen(35).

60.      Der Impuls hin zu einer globalen Harmonisierung bestimmter Vorschriften im Bereich der Abfallverbringung dürfte wohl auf den Fall der Khian Sea zurückgehen. Dieses Schiff lud 1986 in Philadelphia (Vereinigte Staaten) giftige Asche, wurde auf den Bahamas abgewiesen, lud 4 000 t dieser Asche am Strand von Gonaives (Haiti) ab und kreuzte dann weitere 16 Monate auf den Weltmeeren, um letztlich die verbliebenen 10 000 t in den Atlantischen und in den Indischen Ozean zu versenken(36).

61.      Noch unter dem Eindruck dieser Ereignisse wurde das Basler Übereinkommen zur Regelung der „grenzüberschreitenden Verbringung“ „gefährlicher Abfälle“ geschlossen(37).

62.      Der Begriff „grenzüberschreitende Verbringung“ ist in Art. 2 Nr. 3 des Basler Übereinkommens definiert als „jede Verbringung gefährlicher Abfälle oder anderer Abfälle aus einem der Hoheitsgewalt eines Staates unterstehenden Gebiet in oder durch ein der Hoheitsgewalt eines anderen Staates unterstehendes Gebiet oder in oder durch ein nicht der Hoheitsgewalt eines Staates unterstehendes Gebiet; in die Verbringung müssen mindestens zwei Staaten einbezogen sein“(38).

63.      Bei einer Auslegung nach Treu und Glauben und in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen Bedeutung(39) sollte das Basler Übereinkommen mit dieser Definition, und insbesondere mit dem Wort „jede“, eindeutig die größtmögliche Bandbreite von Bewegungen in, aus, zwischen oder durch Unterzeichnerstaaten abdecken.

64.      Demnach fällt die Verbringung gefährlicher Abfälle und anderer Abfälle von Deutschland nach Rumänien, wie sie in der vorliegenden Rechtssache in Rede steht, in den räumlichen Geltungsbereich des Basler Übereinkommens.

65.      Allerdings sind vom Geltungsbereich des Basler Übereinkommens und damit auch von dem sich daraus ergebenden Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren nach Art. 1 des Übereinkommens zwei Arten der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und anderer Abfälle ausgenommen. Die erste dieser Verbringungen betrifft radioaktive Abfälle, die anderen internationalen Übereinkünften unterliegen (Art. 1 Abs. 3 des Übereinkommens). Die zweite Art von Verbringungen betrifft Abfälle, die durch den „üblichen“ Betrieb eines Schiffs entstehen, wenn das Einleiten dieser Abfälle durch eine andere internationale Übereinkunft geregelt ist (Art. 1 Abs. 4 des Übereinkommens)(40).

66.      Vorbehaltlich entsprechender Feststellungen handelt es sich bei den in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Abfällen weder um radioaktive Abfälle, noch sind sie durch den „üblichen“ Betrieb der Flaminia entstanden(41). Ihre Verbringung fällt daher in den Geltungsbereich des Basler Übereinkommens.

67.      Da die in Rede stehenden Abfälle in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallen, dürfen sie nicht ohne vorherige, nach entsprechender Unterrichtung erteilte Zustimmung des Einfuhrstaats von einem Staat in einen anderen Staat verbracht werden.

68.      Insoweit hat nach Art. 6 Abs. 1 des Basler Übereinkommens, der die grenzüberschreitende Verbringung von Abfällen zwischen den Vertragsparteien dieses Übereinkommens regelt, entweder der Ausfuhrstaat oder der Erzeuger oder Exporteur über die zuständige Behörde des Ausfuhrstaats der zuständigen Behörde der betroffenen Staaten eine solche Verbringung von Abfällen mitzuteilen. Eine solche Notifikation ist demnach dem Einfuhrstaat sowie denjenigen Staaten zu übermitteln, deren Hoheitsgebiet das Schiff durchfährt.

69.      Außerdem darf nach Art. 6 Abs. 3 des Basler Übereinkommens der Ausfuhrstaat erst dann erlauben, mit der grenzüberschreitenden Verbringung der betreffenden Abfälle zu beginnen, wenn er die schriftliche Bestätigung erhalten hat, dass der Einfuhrstaat seine Zustimmung zu dieser Verbringung erteilt hat, und wenn er die Bestätigung erhalten hat, dass mit dem Entsorger der Abfälle ein Vertrag vorhanden ist, in dem ihre umweltgerechte Behandlung ausdrücklich festgelegt ist.

70.      Zusammenfassend schreibt das Basler Übereinkommen vor, dass das Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren durchzuführen ist, bevor eine grenzüberschreitende Verbringung nicht von seinem Geltungsbereich ausgenommener Arten von Abfällen erfolgen darf.

71.      Dies gilt auch für die Verbringung der in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Art von Abfällen von Deutschland nach Rumänien.

72.      Für die Verbringung solcher Abfälle in die, aus der, innerhalb der und durch die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten wird das sich hieraus ergebende Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren durch die Abfallverbringungsverordnung geregelt(42).

73.      Die Europäische Union hat die Abfallverbringungsverordnung dem Sekretariat des Basler Übereinkommens als regionale „Vereinbarung“ nach Art. 11 Abs. 1 des Basler Übereinkommens notifiziert. Dort heißt es, soweit hier von Belang, dass „die Vertragsparteien zweiseitige, mehrseitige und regionale Übereinkünfte oder andere Vereinbarungen über die grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle oder anderer Abfälle mit Vertragsparteien oder Nichtvertragsparteien schließen [können], sofern diese Übereinkünfte oder anderen Vereinbarungen nicht von der in diesem Übereinkommen vorgeschriebenen umweltgerechten Behandlung gefährlicher Abfälle und anderer Abfälle abweichen“.

74.      Die Abfallverbringungsverordnung gilt räumlich für vier Arten von Abfallverbringungen: i) Verbringungen zwischen Mitgliedstaaten mit oder ohne Durchfuhr durch einen Drittstaat, ii) Einfuhren von Abfällen in die Europäische Union aus einem Drittstaat, iii) Ausfuhren von Abfällen aus der Europäischen Union in einen Drittstaat und iv) Verbringungen von Abfällen zwischen Drittstaaten mit Durchfuhr durch die Europäische Union(43).

75.      Da Verbringungen in verschiedene Kategorien unterteilt und damit die „Verfahren und Kontrollregelungen für die Verbringung von Abfällen“ u. a. je nach „Bestimmung [und] Transportweg“ unterschiedlich ausgestaltet sind, ist davon auszugehen, dass die Abfallverbringungsverordnung die Möglichkeit vorsieht, dass verschiedene Abschnitte der Reise eines Schiffs, das in den Geltungsbereich dieser Verordnung fallende Abfälle befördert, unterschiedlich behandelt werden(44).

76.      Aus Sicht der Abfallverbringungsverordnung stellt die Verbringung der in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Abfälle von Wilhelmshaven nach Mangalia eine unionsinterne Verbringung im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a dar, die in Titel II der Verordnung geregelt ist.

77.      In den Art. 4 bis 17 der Abfallverbringungsverordnung ist das Verfahren der vorherigen schriftlichen Notifizierung und Zustimmung, das bei der Verbringung von Abfällen sowohl zur Beseitigung als auch zur Verwertung einzuhalten ist, im Einzelnen geregelt.

78.      Nach diesem Verfahren muss der „Notifizierende“, eine natürliche oder juristische Person(45), wozu u. a. der „Besitzer“ gehören kann, also etwa der Erzeuger der Abfälle oder die Person, in deren Besitz sie sich befinden(46), ein Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren für die geplante Verbringung über die zuständige Behörde am Versandort und die für die Durchfuhr zuständige Behörde einleiten(47). Diese Person muss auch die mit oder ohne Auflagen erteilte Zustimmung der Behörden am Bestimmungsort dieser Verbringung einholen(48).

79.      Demnach war Conti als „Notifizierender“ vor Beginn der Reise von Wilhelmshaven nach Mangalia nach der Abfallverbringungsverordnung verpflichtet, das Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren über die zuständigen deutschen Behörden einzuleiten und die erforderliche Zustimmung der rumänischen Behörden einzuholen.

80.      Conti macht allerdings geltend, dass ihre Notifizierungspflicht infolge der Anwendung von Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung auf den in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Sachverhalt entfalle, da die Abfälle als „Abfälle, die in Fahrzeugen und Zügen sowie an Bord von Luftfahrzeugen und Schiffen anfallen, und zwar bis zum Zeitpunkt des Abladens dieser Abfälle zwecks Verwertung oder Beseitigung“, einzustufen seien.

81.      Wie in Nr. 71 der vorliegenden Schlussanträge erläutert, ist die Verbringung der in Rede stehenden Abfälle von Deutschland nach Rumänien nach dem Basler Übereinkommen nicht vom Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren ausgenommen.

82.      Eine mit dem Basler Übereinkommen konforme Auslegung der Abfallverbringungsverordnung, deren Notwendigkeit sich aus den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Europäischen Union im Sinne von Art. 216 Abs. 2 AEUV ergibt und die dem allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatz der Einhaltung vertraglicher Verpflichtungen (pacta sunt servanda)(49) entspricht, gebietet daher eine Auslegung dahin, dass Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung die in Rede stehende Verbringung nicht vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausnimmt.

83.      Da dem Gerichtshof kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass die Europäische Union beim Erlass der Abfallverbringungsverordnung von den im Wege des Basler Übereinkommens eingegangenen Verpflichtungen hätte abweichen wollen(50), sind die Bestimmungen dieser Verordnung so auszulegen, dass sie mit diesem Übereinkommen in Einklang gebracht wird(51).

84.      Für die vorliegende Rechtssache bedeutet dies, dass eine konforme Auslegung der Abfallverbringungsverordnung zu einer Auslegung dahin führen müsste, dass die Verbringung von Deutschland nach Rumänien nicht nach Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen ist.

85.      Dieses Ziel macht es erforderlich, dass ich mich dem Urteil Conti 11. Container Schiffahrt zuwende , um zu erläutern, warum dieses Urteil meines Erachtens einer solchen Auslegung im Fall der Anwendung auf den in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Sachverhalt nicht entgegensteht.

B.      Urteil Conti 11. Container Schiffahrt

86.      Das vorlegende Gericht erläutert in seinem Vorabentscheidungsersuchen, dass das Landgericht München I im Licht des Urteils Conti 11. Container Schiffahrt zu der Auffassung gekommen sei, dass das Land die Durchführung des Notifizierungs- und Zustimmungsverfahrens nach der Abfallverbringungsverordnung nicht hätte anordnen dürfen. Das letztgenannte Gericht habe jenes Urteil dahin ausgelegt, dass Abfälle und Rückstände, die infolge des Brands und der Explosionen an Bord der Flaminia angefallen seien, vom Anwendungsbereich der Abfallverbringungsverordnung ausgenommen seien. Demnach könnte Conti vom Land Entschädigung für die Kosten verlangen, die aus der ungerechtfertigten Anwendung der Abfallverbringungsverordnung entstanden seien.

87.      Dies ist meines Erachtens ein unzutreffendes Verständnis des Urteils des Gerichtshofs.

88.      Mit dem Urteil Conti 11. Container Schiffahrt sollte die in jener Rechtssache vorgelegte Frage beantwortet werden, mit der der Gerichtshof um Klarstellung ersucht wurde, ob „havariebedingte Rückstände in Form von Metallschrott und des mit Schlämmen und Ladungsrückständen versetzten Löschwassers an Bord eines Schiffes“ als „Abfälle, die … an Bord von … Schiffen anfallen“, im Sinne von Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung anzusehen sind.

89.      So, wie die Frage formuliert wurde, ersuchte das Landgericht München I somit nicht um Klärung der Frage, ob von dem Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren nach der Abfallverbringungsverordnung eine Ausnahme galt; es legte auch nicht näher dar, für welche Reise der Flaminia die erbetene Klärung gelten sollte.

90.      Im Kontext des ihm dargelegten Sachverhalts und angesichts dessen, wie die Frage gestellt wurde, antwortete der Gerichtshof, dass für Abfälle der im Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Art von der Auslegung auszugehen ist, dass sie unter den Begriff „Abfälle, die … an Bord von … Schiffen anfallen“ fallen und somit vom Anwendungsbereich der Abfallverbringungsverordnung ausgenommen sind, bis sie zwecks Verwertung oder Beseitigung abgeladen sind(52).

91.      Wie sich jedoch aus der für seine Feststellungen angeführten Begründung ergibt(53), hat der Gerichtshof diese Verordnung im Kontext des ersten Abschnitts der Reise der Flaminia ausgelegt, d. h. desjenigen von hoher See bis zum ersten Hafen, den sie nach der Havarie erreichte – das war der deutsche Hafen Wilhelmshaven. So hat der Gerichtshof beispielsweise betont, dass bei durch eine Havarie auf hoher See bedingten Abfällen der Verantwortliche höchstwahrscheinlich „nicht in der Lage [wäre], vor dem Anlegen in einem Hafen“(54) sämtliche für die Durchführung des Notifizierungs- und Zustimmungsverfahrens verlangten Informationen zu kennen. Dies könnte, so stellte der Gerichtshof unter Verweis auf die Schlussanträge des Generalanwalts weiter fest, „zu einer Verzögerung des Einlaufens des Schiffs in einen sicheren Hafen und so zu einer Erhöhung des Risikos der Verschmutzung der Meere führen“(55).

92.      Diese Auslegung des Urteils ergibt sich auch aus den Schlussanträgen des Generalanwalts. Er führte beispielsweise aus, dass „dieses Gericht den Gerichtshof mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen unbestreitbar ausschließlich zur sachlichen Anwendbarkeit von Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der [Abfallverbringungsverordnung] im Rahmen der Prüfung der Anwendbarkeit der Verordnung zwischen dem Ort der Havarie und Deutschland [fragt]“(56).

93.      Demzufolge kam der Gerichtshof, wie sich aus dem Urteil Conti 11. Container Schiffahrt ergibt, zu dem Schluss, dass das Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren für die Reise von hoher See bis zu einem Hafen eines Mitgliedstaats nicht gerechtfertigt ist, ausgehend von einer Auslegung von Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung anhand des Wortlauts und des Zusammenhangs, wenngleich auch stark beeinflusst durch eine teleologische Auslegung dieser Verordnung. Angesichts des mit ihr verfolgten Ziels des Umweltschutzes liefe es für diese Art der Reise dem Ziel dieser Verordnung zuwider, wenn für ein Schiff wie die Flaminia erst dieses Verfahren durchgeführt werden müsste, bevor es in den Hafen eines Mitgliedstaats geschleppt werden dürfte.

94.      Demnach ist Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung ausschließlich für diese Reise dahin auszulegen, dass das dort geregelte Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren keine Anwendung findet.

95.      Diese Auslegung steht nicht im Widerspruch zum Ziel des Basler Übereinkommens, da mit diesem, wie erläutert, ebenfalls der Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit angestrebt wird. Überdies werden Umstände wie die hier in Rede stehenden – wenn die Abfälle durch einen Unfall auf hoher See entstehen – im Basler Übereinkommen nicht ausdrücklich geregelt.

96.      Da das Basler Übereinkommen den Vertragsstaaten einen gewissen Spielraum dabei belässt, sicherzustellen, dass die grenzüberschreitende Verbringung und die Entsorgung von Abfällen unter Bedingungen erfolgen, die die menschliche Gesundheit und die Umwelt nicht gefährden(57), hatte der Gerichtshof nämlich keinen Grund, die Vereinbarkeit von Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung mit dem Basler Übereinkommen im Kontext des ihm zur Entscheidung vorliegenden Sachverhalts zu prüfen.

97.      Demzufolge hat der Gerichtshof im Urteil Conti 11. Container Schiffahrt nicht über eine Auslegung dahin gehend entschieden, dass die sich an das Erreichen des ersten sicheren Hafens in Deutschland anschließende Reise der Flaminia von einer Notifizierung und Zustimmung abhängig war, so dass hierüber noch keine Vorentscheidung ergangen ist.

98.      Mit anderen Worten muss der Gerichtshof erst noch dazu Stellung nehmen, ob das in der Abfallverbringungsverordnung vorgesehene Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren auf die Verbringung von Abfällen zwischen den Häfen zweier Mitgliedstaaten, wie etwa Wilhelmshaven und Mangalia, Anwendung findet, wenn die verbrachten Abfälle Folge einer Havarie auf hoher See sind(58).

99.      In Beantwortung der ersten Frage des vorlegenden Gerichts meine ich daher, dass Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung ausgehend von der vom Gerichtshof im Urteil Conti 11. Container Schiffahrt vorgenommenen Auslegung dieser Vorschrift nicht gegen das Basler Übereinkommen verstößt.

100. Wie im folgenden Abschnitt dargelegt werden wird, ist diese Vorschrift vielmehr meines Erachtens auf die Reise der Flaminia von Deutschland nach Rumänien gar nicht anwendbar.

C.      Das Land hat die Abfallverbringungsverordnung zutreffend ausgelegt

101. Wie bereits ausgeführt(59), unterliegt die Reise von Deutschland nach Rumänien nach der Abfallverbringungsverordnung einer von derjenigen, die im Urteil Conti 11. Container Schiffahrt Gegenstand der Prüfung war, gesonderten und unterschiedlichen Behandlung(60).

102. Zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens streitig und Gegenstand der Frage, um deren Beantwortung der Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache ersucht wird, ist, ob Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung Grundlage für eine Ausnahme der Verbringung zwischen den Häfen Wilhelmshaven und Mangalia vom Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren nach Titel II der Verordnung sein kann.

103. Dies ist meines Erachtens zu verneinen.

104. Auch wenn der Gerichtshof Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung im Urteil Conti 11. Container Schiffahrt dahin ausgelegt hat, dass er keine Regelungen zum Ursprung der Abfälle oder zur Art und Weise, wie sie angefallen sind, enthält(61), sieht diese Bestimmung doch für die Ausnahme hierunter fallender Abfälle offenbar ein zeitliches Element vor.

105. Der Wortlaut dieser Bestimmung legt nämlich nahe, dass sich die Ausnahme vom Anwendungsbereich der Abfallverbringungsverordnung nach Art.  1 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung auf einen Zeitraum „bis zum Zeitpunkt des Abladens dieser Abfälle zwecks Verwertung oder Beseitigung“ erstreckt(62).

106. Zwar kann, wie von Conti im Wesentlichen vorgetragen, dieser Wortlaut dahin verstanden werden, dass damit ein Zeitpunkt nach Ankunft eines Schiffs in einem Hafen eines Mitgliedstaats gemeint ist. Dies würde wiederum bedeuten, dass das bloße (vorübergehende) Anlegen des betreffenden Schiffs im Hafen eines Mitgliedstaats nicht zwangsläufig als Endpunkt der Aussetzung des Notifizierungs- und Zustimmungsverfahrens für Verbringungen gefährlicher Abfälle anzusehen wäre.

107. Dieses Argument ist jedoch angesichts der legislativen Entstehungsgeschichte und der Ziele der Abfallverbringungsverordnung meines Erachtens nicht überzeugend.

108. Wenn man sich die Vorarbeiten zur Abfallverbringungsverordnung anschaut, so hatte die Kommission in ihrem ursprünglichen Gesetzgebungsvorschlag von 2003 vorgeschlagen, den Anwendungsbereich von Art. 1 Abs. 3 Buchst. b auf „Abfälle, die an Bord ziviler Luftfahrzeuge beim Flug anfallen, für die Dauer des Fluges bis zur Landung“ zu begrenzen(63).

109. In den Trilog-Verhandlungen wurde diese Bestimmung dann zunächst dahin geändert, dass sie Abfälle erfassen sollte, die an Bord von Luftfahrzeugen anfallen, und zwar „bis zum Zeitpunkt des Abladens dieser Abfälle zwecks Verwertung oder Beseitigung“, und dann u. a. auf Abfälle, die an Bord von Schiffen anfallen, erweitert(64).

110. Auch wenn wir die Gründe nicht kennen, die zu dieser Änderung der Formulierung führten, wurde nach der Erläuterung des Berichterstatters(65), die auch von der Kommission akzeptiert wurde(66), in der Empfehlung für die zweite Lesung als Begründung angeführt, dass die Einbeziehung solcher Abfälle in den Anwendungsbereich der Abfallverbringungsverordnung, die anfallen, während ein Flugzeug in der Luft, ein Schiff auf See oder ein Zug in Betrieb ist, „unangemessen [wäre]“.

111. Die anderen von Art. 1 Abs. 3 der Abfallverbringungsverordnung erfassten Fälle regeln nämlich Fallgestaltungen, in denen durch ein anderes Rechtsinstrument ein bestimmtes Verfahren gewährleistet ist. Dementsprechend bestand keine Notwendigkeit, für diese Arten von Fallgestaltungen eine weitere Ebene von Verpflichtungen im Wege der Abfallverbringungsverordnung hinzuzufügen. Daher ist Art. 1 Abs. 3 nicht dahin zu verstehen, dass der Unionsgesetzgeber jede Art von Kontrolle über unionsinterne Abfallverbringungen in den dort aufgeführten Fallgestaltungen hätte ausnehmen wollen.

112. Ebenso wenig sollte mit Art. 1 Abs. 3 Buchst. b irgendeine Kontrolle von Abfallverbringungen ausgeschlossen werden. Wie vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission im Wesentlichen vorgetragen, wurde Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung vielmehr als „Auffang“-Regelung für Abfälle, die an Bord von Fahrzeugen, Zügen, Flugzeugen und Schiffen anfallen, für den Fall aufgenommen, dass Art. 1 Abs. 3 Buchst. a keine Anwendung findet und es „unangemessen“ wäre, vor dem Erreichen des ersten Halts des Fahrzeugs, Zugs, Flugzeugs oder Schiffs eine Notifizierung vorzunehmen.

113. Wenn die auf einem Schiff angefallenen Abfälle einen sicheren Hafen erreicht haben, werden sie jedoch entweder entladen oder weiterverbracht – damit entfallen die Gründe für eine Aussetzung des Notifizierungs- und Zustimmungsverfahrens. Von diesem Zeitpunkt an sollten derartige Abfälle nicht länger als „Abfälle, die … an Bord von … Schiffen anfallen“, im Sinne von Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung angesehen werden.

114. Diese Erwägungen stehen mit der Auslegung von Art. 1 Abs. 3 Buchst. b durch den Gerichtshof im Urteil Conti 11. Container Schiffahrt im Einklang. Wie der Gerichtshof dort ausgeführt hat, ist es im Fall von an Bord eines Schiffs anfallenden Abfällen nicht immer möglich, alle notwendigen Informationen im Einzelnen zu kennen und vorzulegen, um dem Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren nach der Abfallverbringungsverordnung zu genügen(67).

115. Gleichzeitig muss der Anwendungsbereich von Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung auf den allgemeinen Anwendungsbereich von Art. 1 Abs. 2 abgestimmt werden, der Verbringungen von Abfällen im weitestmöglichen Sinne in die, aus der und innerhalb der Europäischen Union erfasst(68). Der Zeitraum für die Nichtanwendung des Notifizierungs- und Zustimmungsverfahrens bis zum Zeitpunkt des „Abladens“ von Abfällen, die zwischen Häfen der Union befördert werden, der eine Abweichung vom allgemeinen Anwendungsbereich der Abfallverbringungsverordnung darstellt, ist dementsprechend eng auszulegen(69).

116. Bei dieser Auslegung muss die Aussetzung der Verpflichtung zur Durchführung des Notifizierungs- und Zustimmungsverfahrens, die sich aus dieser Bestimmung ergibt, auf den praktisch kürzestmöglichen Zeitraum nach Ankunft eines Schiffs im Hafen eines Mitgliedstaats begrenzt werden, um ein sich aus dieser Verbringung ergebendes mögliches Risiko für die Umwelt auf ein Minimum zu reduzieren.

117. Diese Art der Auslegung ist möglich, da weder den Vorarbeiten zu dieser Bestimmung noch dem Wortlaut oder ihrem Kontext irgendetwas dafür zu entnehmen ist, dass der Ausschluss der Verpflichtung zur Durchführung des Notifizierungs- und Zustimmungsverfahrens sich auf einen Zeitpunkt nach Ankunft des Flugzeugs, des Schiffs oder des Zugs in einem Mitgliedstaat erstrecken sollte.

118. Teleologisch betrachtet, entspräche diese Art der Auslegung auch am ehesten dem übergreifenden Ziel des Umweltschutzes, wenn Verbringungen gefährlicher Abfälle stattfinden, da es gerade dieser Hauptzweck ist, zu dem ein Überwachungs- und Kontrollsystem in der Abfallverbringungsverordnung besteht(70).

119. Angesichts dieses übergreifenden Ziels darf es nicht darauf ankommen, ob die gefährlichen Abfäll e nach der Ankunft eines Schiffs in einem Hafen eines Mitgliedstaats tatsächlich abgeladen werden(71).

120. Wie von der französische n Regierung in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, könnte andernfalls das Abladen gefährlicher Abfälle in einem Hafen der Europäischen Union selbst dann zwingend sein, wenn es aus Gründen der Infrastruktur, der Praktikabilität, des Zustands oder des Orts oder der Stelle, wo sich die Abfälle befinden (etwa wenn sie mit dem Schiffsrumpf verschmolzen oder darin eingeschlossen sind), in Wirklichkeit nicht umweltverträglich wäre.

121. Nach dem Vorbringen von Conti lag in der Tat in der Infrastruktur des Hafens von Wilhelmshaven, die das Abladen sämtlicher gefährlicher Abfälle an Bord dieses Schiffs praktisch nicht zugelassen habe, der Grund für ihre Entscheidung, die Flaminia zum Zweck der Verwertung und Beseitigung (eines Teils) der in Rede stehenden Abfälle in den Hafen von Mangalia zu verbringen.

122. Schließlich, und dies ist von ebenso großer Bedeutung, stände eine Auslegung , wonach Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung nicht für den in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Fall gilt, mit den Verpflichtungen der Europäischen Union aus dem Basler Übereinkommen im Einklang.

123. Aus dem Umstand, dass das Basler Übereinkommen keine Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung entsprechende Ausnahme enthält, folgt für sich genommen nicht, dass diese Verordnung zum Basler Übereinkommen im Widerspruch steht. Gleichzeitig kann jedoch aufgrund dieser Bestimmung keine Ausnahme von der Anwendung des Notifizierungs- und Zustimmungsverfahrens in Fällen gelten, in denen das Basler Übereinkommen eindeutig Anwendung findet.

124. Nach alledem ist Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung dahin auszulegen, dass die Verpflichtung zur Durchführung des in dieser Verordnung vorgesehenen Notifizierungs- und Zustimmungsverfahrens für durch eine Havarie an Bord eines Schiffs anfallende Abfälle bis zum Zeitpunkt seiner Ankunft in einem Hafen eines Mitgliedstaats ausgesetzt ist. Bei weiteren Verbringungen sollten solche Abfälle nicht länger als „Abfälle, die … an Bord von … Schiffen anfallen“, im Sinne von Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Abfallverbringungsverordnung angesehen werden.

125. Folglich ist das Land fehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass für die Reise vom Hafen Wilhelmshaven zum Hafen Mangalia das Notifizierungs- und Zustimmungsverfahren nach der Abfallverbringungsverordnung durchgeführt werden muss te.

IV.    Ergebnis

126. Ich schlage dem Gerichtshof vor, die vom Oberlandesgericht München (Deutschland) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.      Die Prüfung der ersten Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen beeinträchtigen könnte.

2.      Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 1013/2006

ist dahin auszulegen, dass

Rückstände in Form von Metallschrott und mit Schlämmen und Ladungsrückständen versetztem Löschwasser, die auf eine Havarie an Bord von Schiffen zurückzuführen sind, nicht mehr als „Abfälle, die … an Bord von … Schiffen anfallen“, im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sind, wenn ein Schiff, das solche Abfälle befördert, in einem Hafen eines Mitgliedstaats angekommen ist.

Ab diesem Zeitpunkt ist für jede Verbringung dieser Abfälle das in der Verordnung Nr. 1013/2006 vorgesehene Verfahren der vorherigen schriftlichen Notifizierung und Zustimmung durchzuführen.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen (ABl. 2006, L 190, S. 1, berichtigt u. a. in ABl. 2008, L 318, S. 15) (im Folgenden: Abfallverbringungsverordnung).


3      Urteil vom 16. Mai 2019, Conti 11. Container Schiffahrt (C‑689/17, EU:C:2019:420) (im Folgenden: Urteil Conti 11. Container Schiffahrt).


4      Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung von gefährlichen Abfällen und ihrer Entsorgung (ABl. 1993, L 39, S. 3), im Namen der Europäischen Union genehmigt durch den Beschluss 93/98/EWG des Rates vom 1. Februar 1993 zum Abschluss – im Namen der Gemeinschaft – des Übereinkommens über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung von gefährlichen Abfällen und ihrer Entsorgung (Basler Übereinkommen) (ABl. 1993, L 39, S. 1) (im Folgenden: Basler Übereinkommen).


5      Der US Court of Appeals for the Second Circuit (US-Bundesberufungsgericht für den zweiten Bezirk) erläutert, DVB sei „eine chemische Verbindung, die bei der Reinigung von Wasser verwendet wird. Werden sie hohen Temperaturen ausgesetzt, können DVB-80-Moleküle instabil werden, was dazu führt, dass sie miteinander reagieren, sich verbinden und eine Polymerkette bilden. Diese Verbindung von zwei oder mehr einfachen Molekülen zu größeren Molekülen mit wiederkehrenden strukturellen Einheiten wird als Polymerisation bezeichnet. Bei der Polymerisation von DVB-80 wird Hitze freigesetzt. Es kann so zu einem sich selbst erhaltenden Polymerisationsprozess kommen, der sich sogar beschleunigen kann, ohne dass weiter Hitze zugeführt wird. Dieses Phänomen wird als ‚Selbstpolymerisation‘ bezeichnet.“ Vgl. Beschluss des US Court of Appeals for the Second Circuit (US-Bundesberufungsgericht für den zweiten Bezirk) vom 30. Juni 2023 in der Rechtssache  M/V MSC Flaminia  (Nr. 18-2974), S. 12. Vgl. auch Urteil des US Court of Appeals for the Fifth Circuit (US-Bundesberufungsgericht für den fünften Bezirk) vom 29. Januar 2024 in der Rechtssache  Conti 11. Container Schiffa[h]rts-GmbH & Co KG M.S., MSC Flaminia v MSC Mediterranean Shipping Company S.A.  (Nr. 22/30808), S. 3 (wonach DVB bei Temperaturen bis höchstens 80° F [ca. 26,6° C] gelagert werden muss).


6      Zu betonen ist, dass das nationale Gericht zwar feststellt, dass die Gründe für den Brand und die Explosionen an Bord der Flaminia „bisher ungeklärt“ seien, von den Gerichten sowohl in England und Wales als auch in den Vereinigten Staaten jedoch die Auffassung vertreten wird, dass der Brand und die Explosionen durch die „Selbstpolymerisation“ des Inhalts eines oder mehrerer der drei mit DVB beladenen Container verursacht worden seien. Vgl. hierzu Beschluss des US District Court for the Eastern District of Louisiana (US-Bundesbezirksgericht für den östlichen Bezirk von Louisiana) vom 9. Juli 2022 in der Rechtssache Conti 11. Container Schiffa[h]rts-GmbH & Co KG M.S., „MSC Flaminia“ v MSC Mediterranean Shipping Company S.A. (Rechtssache 2:22-cv-01114-CJB-DMD), S. 2; Beschluss des US Court of Appeals for the Second Circuit (US-Bundesberufungsgericht für den zweiten Bezirk) vom 30. Juni 2023 in der Rechtssache  M/V MSC Flaminia  (Nr. 18-2974), S. 7, und Urteil des Court of Appeal (England & Wales) (Berufungsgericht [England & Wales]), MSC Mediterranean Shipping Company S.A. v Stolt Tank Containers BV & Others (Rechtssache „MSC Flaminia“ [Nr. 2])  [2023] EWCA Civ 1007, Rn. 4. Der US Court of Appeals for the Second Circuit (US-Bundesberufungsgericht für den zweiten Bezirk) erkannte in seinem Beschluss von Juni 2023 (S. 5) ferner auf eine (verschuldensunabhängige) Haftung des Herstellers des DVB und des Herstellers der Tanks, in denen dieser Stoff gelagert war, zu 55 % bzw. 45 %.


7      In einer detaillierten Zusammenfassung des unstreitigen Sachverhalts führt der High Court of Justice (England & Wales) (Hohes Gericht [England & Wales]) (Vereinigtes Königreich) aus, dass „der Brand auf dem Schiff über vier Tage unkontrolliert andauerte und so erheblichen Schaden verursachte, dass ernsthafte Bedenken bestanden, ob vom Schiff noch etwas Intaktes übrig geblieben war; durch die Hitze und den Rauch bestanden Explosionsgefahr und Gefahren durch giftigen Rauch auf dem Schiff, was die Arbeit [der Bergungskräfte] stark beeinträchtigte. Tatsächlich wurden selbst noch nach Ankunft des Schiffs in seinem Nothafen (nach mehr als einem Monat) wieder aufflammende Glutbrände entdeckt.“ Vgl. Urteil vom 2. November 2022, MSC Mediterranean Shipping Company SA v Stolt Tank Containers BV & Ors [2022] EWHC 2746 (Admlty), Anhang, A.8.


8      Vgl. „Neue Explosionen auf deutschem Frachter“, Rheinische Post, 18. Juli 2012, abrufbar unter: https://rp-online.de/panorama/ausland/neue-explosionen-auf-deutschem-frachter_aid-14108635.


9      Diese Angaben habe ich dem Urteil des Court of Appeal (England & Wales) (Berufungsgericht [England & Wales]), MSC Mediterranean Shipping Company S.A. v Stolt Tank Containers BV & Others (Rechtssache „MSC Flaminia“ [Nr. 2])  [2023] EWCA Civ 1007, Rn. 7, entnommen.


10      Vgl. Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) (Deutschland), „Untersuchungsbericht 255/12 – Sehr schwerer Seeunfall – Brand und Explosion an Bord der MSC Flaminia am 14. Juli 2012 auf dem Atlantik und die sich daran anschließenden Ereignisse“, 28. Februar 2012 (im Folgenden: Untersuchungsbericht der BSU), S. 122. Nach diesem Bericht befand sich die Flaminia etwa 740 sm vom Hafen von Bantry Bay (Irland), 890 sm vom Hafen von Vigo (Spanien), 900 sm vom Hafen von Falmouth (Vereinigtes Königreich), 930 sm vom Hafen von Brest (Frankreich), 970 sm vom Hafen von Gijon (Spanien) und 1 000 sm vom Hafen von St. Johns (Kanada) entfernt.


11      Wenngleich eine Reihe von Häfen in anderen Staaten geografisch näher gelegen hätten. Vgl. Untersuchungsbericht der BSU, S. 134 und 135, sowie Urteil vom 2. November 2022, MSC Mediterranean Shipping Company SA v Stolt Tank Containers BV & Ors  [2022] EWHC 2746 (Admlty), Anhang, A.9, A.11 und A.12 (wonach das Bergungsunternehmen mit Häfen und Behörden im Vereinigten Königreich, in Irland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Portugal und Spanien in Kontakt stand).


12      Vgl. Untersuchungsbericht der BSU, S. 12.


13      Der Court of Appeal (England & Wales) (Berufungsgericht [England & Wales]) führt aus, dass Conti für diese Passage Zahlungen in Höhe von insgesamt ca. 1,9 Mio. Euro an Behörden des Vereinigten Königreichs, Frankreichs, Belgiens und Deutschlands geleistet habe, um die Genehmigung für die Durchfahrt durch die Gewässer des Ärmelkanals und der südlichen Nordsee zu erhalten und Wilhelmshaven zu erreichen. Vgl. Urteil des Court of Appeal (England & Wales) (Berufungsgericht [England & Wales]), MSC Mediterranean Shipping Company S.A. v Stolt Tank Containers BV & Others (Rechtssache „MSC Flaminia“[Nr. 2])  [2023] EWCA Civ 1007, Rn. 5.


14      Nach den Ausführungen des Court of Appeal (England & Wales) (Berufungsgericht [England & Wales)] ging es hierbei um die „Dekontaminierung und Entfernung des Löschwassers aus dem Laderaum des Schiffs. Bis zum 28. Februar 2013 waren etwa 30 000 t auf kleinere Schiffe ausgeladen, dann nach Dänemark befördert und dort vernichtet worden.“ Vgl. Urteil des Court of Appeal (England & Wales) (Berufungsgericht [England & Wales)], MSC Mediterranean Shipping Company S.A. v Stolt Tank Containers BV & Others (Rechtssache „MSC Flaminia“ [Nr. 2])  [2023] EWCA Civ 1007, Rn. 6.


15      Dem vorlegenden Gericht zufolge wiesen die rumänischen Behörden das Schiff wegen der noch an Bord verbliebenen Abfälle (ca. 24 000 t) zunächst ab (vgl. Beschluss des vorlegenden Gerichts, S. 3). Diese Zahl weicht von derjenigen im Urteil des Court of Appeal (England & Wales) (Berufungsgericht [England & Wales)] leicht ab, wonach „nach Entladung des größten Teils des Löschwassers ca. 30 500 t Abfallmaterial an Bord des Schiffs verblieben, das aus ca. 14 800 t brandbeschädigter fester Ladung (d. h. Inhalt der Container), 7 800 t kontaminiertem Wasser und 5 400 t Metallschrott bestand. Der Metallschrott bestand überwiegend aus beschädigten Frachtcontainern, es war jedoch auch brandbeschädigter Baustahl vom Schiff vorhanden. Dieses gesamte Abfallmaterial war mit gefährlichen und giftigen Rückständen kontaminiert, die entfernt werden mussten, bevor Reparaturen am Schiff durchgeführt werden konnten. Conti ließ diesen Abfall in Einrichtungen in Rumänien entfernen.“ Urteil des Court of Appeal (England & Wales) (Berufungsgericht [England & Wales)], MSC Mediterranean Shipping Company S.A. v Stolt Tank Containers BV & Others (Rechtssache „MSC Flaminia“ [Nr. 2]) [2023] EWCA Civ 1007, Rn. 7.


16      Dies wird auch durch die Sachverhaltsdarstellung im Urteil des Court of Appeal (England & Wales) (Berufungsgericht [England & Wales]), MSC Mediterranean Shipping Company S.A. v Stolt Tank Containers BV & Others (Rechtssache „MSC Flaminia“ [Nr. 2])  [2023] EWCA Civ 1007, Rn. 7, bestätigt.


17      Vgl. Beschluss des US Court of Appeals for the Second Circuit (US-Bundesberufungsgericht für den zweiten Bezirk) vom 30. Juni 2023 in der Rechtssache  M/V MSC Flaminia (Nr. 18-2974), S. 48 (wonach „Stolt [Hersteller der Tanks] und Deltech [Hersteller des DVB] nach der ‚Failure-to-Warn‘-Lehre haftbar sind …, MSC im Hinblick auf das Laden und den Umgang mit der [DVB‑] Lieferung nicht fahrlässig gehandelt hat…, NSB und Conti bei der Einstellung oder Ausbildung der Besatzung der Flaminia nicht fahrlässig gehandelt haben und die Besatzung angemessen gehandelt hat, … der New Orleans Terminal im Hinblick auf seinen Umgang mit der Lieferung nicht fahrlässig gehandelt hat… und Stolt und Deltech nach den Seefrachtbriefen verpflichtet sind, MSC, Conti und NSB ihre Schäden zu ersetzen“).


18      Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, New York, 10. Juni 1958, United Nations Treaty Series, Bd. 330, S. 3.


19      Vgl. zum letzten Element dieses Verfahrens United States Court of Appeals for the Fifth Circuit (US-Bundesberufungsgericht für den fünften Bezirk), Conti 11. Container Schiffahrts-GmbH & Co KG MS – MSC FLAMINIA – v MSC Mediterranean Shipping Company SA (Nr. 22-30808, Urteil vom 29. Januar 2024) (mit dem die Entscheidung des United States District Court for the Eastern District of Louisiana [US-Bundesbezirksgericht für den östlichen Bezirk von Louisiana] aufgehoben wird).


20      Vgl. Urteil vom 2. November 2022, MSC Mediterranean Shipping Company SA v Stolt Tank Containers BV & Ors [2022] EWHC 2746 (Admlty) (mit hiervon gesonderter Entscheidung hat das vorgenannte Gericht ferner festgestellt, dass MSC keinen Anspruch auf eine „anti-suit injunction [(Unterlassungsanspruch gegen Klageerhebung)]“ habe, um Conti daran zu hindern, andernorts die Vollstreckung ihres Schiedsspruchs zu erwirken; vgl. Urteil vom 12. April 2022, MSC Mediterranean Shipping Company SA v Stolt Tank Containers BV & Ors [2022] EWHC 835 [Admlty], Rn. 104), und Urteil vom 1. September 2023, MSC Mediterranean Shipping Company SA v Stolt Tank Containers BV & Ors (Rechtssache „MSC Flaminia“ [Nr. 2]) [2023] EWCA Civ 1007.


21      Vgl. Supreme Court of the United Kingdom (Oberster Gerichtshof des Vereinigten Königreichs), „Permission to Appeal“, Dezember 2023, abrufbar unter https://www.supremecourt.uk/pta/permission-to-appeal-2023-12.html.


22      Vgl. Urteil Conti 11. Container Schiffahrt (Rn. 52, 53 und Tenor).


23      Vgl. Urteil Conti 11. Container Schiffahrt (Rn. 53 und Tenor).


24      Aus der Klageschrift von Conti im Verfahren vor dem nationalen Gericht vom 30. Dezember 2015, die Teil der nationalen Akten der vorliegenden Rechtssache ist, geht hervor, dass das Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg für den Metallschrott und das mit Schlämmen und Ladungsrückständen versetzte Löschwasser an Bord der Flaminia endgültig festgestellt hat, dass ein Genehmigungs- und Notifizierungsverfahren nach der Abfallverbringungsverordnung einzuleiten sei. Laut der Klageschrift von Conti ist dieser Bescheid als Anhang K.10 in den nationalen Akten enthalten. Dieses Dokument ist jedoch nicht Teil der dem Gerichtshof übermittelten Akten, so dass ich nicht überprüfen kann, ob diese Feststellung vor dem vorlegenden Gericht angegriffen wurde.


25      Vgl. Richtlinie 84/631/EWG des Rates vom 6. Dezember 1984 über die Überwachung und Kontrolle – in der Gemeinschaft – der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle (ABl. 1984, L 326, S. 31). Diese Richtlinie beruht zum Teil auf einer anderen Richtlinie von 1978, mit der die in den Mitgliedstaaten bereits anwendbaren oder in Vorbereitung befindlichen nationalen Bestimmungen über die Beseitigung giftiger und gefährlicher Abfälle angeglichen wurden; vgl. Richtlinie 78/319/EWG des Rates vom 20. März 1978 über giftige und gefährliche Abfälle (ABl. 1978, L 84, S. 43).


26      Das Basler Übereinkommen wurde jedoch erst 1993 abgeschlossen; vgl. Beschluss 93/98. Es wurde dann 1997 auch noch geändert; vgl. Beschluss 97/640/EG des Rates vom 22. September 1997 zur Genehmigung – im Namen der Gemeinschaft – der Änderung des Übereinkommens über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung (Basler Übereinkommen) gemäß der Entscheidung III/1 der Konferenz der Vertragsparteien (ABl. 1997, L 272, S. 45).


27      Verordnung des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft (ABl. 1993, L 30, S. 1), insbesondere Erwägungsgründe 1 und 4 sowie Art. 12 Buchst. b, Art. 14 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1 und 2 und Art. 19 Abs. 1. Vgl. auch dritter Erwägungsgrund des Vorschlags für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Gemeinschaft (KOM[90] 415 endg.) und vierter Erwägungsgrund des Beschlusses 93/98.


28      Vgl. Art. 61 Abs. 1 der Abfallverbringungsverordnung, wonach die Verordnung Nr. 259/93 mit Wirkung ab dem 12. Juli 2007 aufgehoben wird.


29      Vgl. hierzu auch den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verbringung von Abfällen (KOM[2003] 379 endg.), S. 6 (wonach „auch die Umsetzung der Bestimmungen und Grundsätze des Basler Übereinkommens eine Priorität des Vorschlages [ist]“).


30      Vgl. Erwägungsgründe 3, 4 und 5 der Abfallverbringungsverordnung.


31      Vgl. achter Erwägungsgrund der Abfallverbringungsverordnung.


32      Vgl. neunter Erwägungsgrund der Abfallverbringungsverordnung.


33      Vgl. auch siebter Erwägungsgrund der Abfallverbringungsverordnung (wonach „[d]ie Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen … so organisiert und geregelt werden [müssen], dass der Notwendigkeit, die Qualität der Umwelt und der menschlichen Gesundheit zu erhalten, zu schützen und zu verbessern, Rechnung getragen und eine gemeinschaftsweit einheitlichere Anwendung der Verordnung gefördert wird“). Vgl. auch Erwägungsgründe 18, 22 und 42 der Verordnung.


34      Vgl. auch zweiter Erwägungsgrund der Präambel des Basler Übereinkommens, in dem der Grund für den Abschluss dieses Übereinkommens ähnlich erläutert wird: „eingedenk der wachsenden Bedrohung, welche die zunehmende Erzeugung und Vielfalt gefährlicher Abfälle und anderer Abfälle und deren grenzüberschreitende Verbringung für die menschliche Gesundheit und die Umwelt darstellt“. Vgl. ebenso Erwägungsgründe 8 bis 10 sowie 23 und 24 des Basler Übereinkommens.


35      Vgl. Kuplewatzky, N., „Trade in dangerous substances (chemicals/waste)“, in Delimatsis, P., und Reins, L., Trade and Environmental Law, Edward Elgar, Cheltenham, 2021, S. 263.


36      Vgl. allgemein Müller, S. M., The Toxic Ship: The Voyage of the Khian Sea and the Global Waste Trade, University of Washington Press, Washington D.C., 2023, insbesondere S. 2 bis 3 und 34 ff. Die Reise der Khian Sea führte auch zu Rechtsstreitigkeiten vor den US-amerikanischen Gerichten, vgl. u. a. US Court of Appeals for the Third Circuit (US-Bundesberufungsgericht für den dritten Bezirk), United States of America v William P. Reilly and John Patrick Dowd, 33 F.3d 1396 (3rd Circuit, 1994).


37      Um das Problem zu lösen, sich auf eine einheitliche Definition des Begriffs „gefährliche Abfälle“ festlegen zu müssen, die sowohl für alle Unterzeichnerstaaten akzeptabel als auch für eine Erweiterung offen ist, verfolgt das Basler Übereinkommen bei der Bestimmung, welche Abfallarten in seinen sachlichen Anwendungsbereich fallen, einen zweigliedrigen Ansatz. Demnach fallen Abfälle in diese Kategorie, wenn sie entweder i) in Anlage I des Basler Übereinkommens aufgeführt sind und eine der in Anlage III des Übereinkommens aufgeführten Eigenschaften besitzen (vgl. Art. 1 Abs. 1 Buchst. a des Basler Übereinkommens) oder ii) „nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Vertragspartei, die Ausfuhr‑, Einfuhr- oder Durchfuhrstaat ist, als gefährliche Abfälle bezeichnet sind oder als solche gelten“ (vgl. Art. 1 Abs. 1 Buchst. b des Übereinkommens). Abfälle, die einer in Anlage II des Übereinkommens enthaltenen Gruppe angehören und Gegenstand grenzüberschreitender Verbringung sind, gelten als „andere Abfälle“ (vgl. Art. 1 Abs. 2 des Übereinkommens). Vgl. hierzu die Präambel des Basler Übereinkommens sowie Art. 1, Art. 4A und Art. 6.


38      Hervorhebung nur hier. Der Begriff „der Hoheitsgewalt eines Staates unterstehendes Gebiet“ wiederum ist definiert als „jedes Land- oder Meeresgebiet und jede[r] Luftraum, innerhalb dessen ein Staat nach dem Völkerrecht verwaltungsrechtliche Zuständigkeit in Bezug auf den Schutz der menschlichen Gesundheit oder der Umwelt ausübt“. Vgl. Art. 2 Nr. 9 des Basler Übereinkommens.


39      D. h. nach den Anforderungen von Art. 31 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (United Nations Treaty Series, Bd. 1155, S. 331).


40      Vgl. Art. 1 Abs. 3 bzw. Art. 1 Abs. 4 des Basler Übereinkommens.


41      Ich denke, dass die Bedeutung des Adjektivs „üblich“ nur in der Weise bestimmt werden kann, dass zwischen „üblichen“ und „unüblichen“ Verwendungen eines Schiffs unterschieden wird. Meines Erachtens ist ein unvorhergesehener und unbeabsichtigter Chemikalienbrand in Verbindung mit Schäden verursachenden Explosionen an Bord eines Containerschiffs kein „üblicher“ Vorgang in Bezug auf das betreffende Schiff. Das Sekretariat des Basler Übereinkommens scheint indessen den Standpunkt einzunehmen, dass die Unterscheidung zwischen „üblichen“ und „unüblichen“ Verwendungen eines Schiffs für die Zwecke der Anwendung des Basler Übereinkommens keine Rolle spielt, vgl. Sekretariat des Basler Übereinkommens, „Legal analysis of the application of the Basel Convention to hazardous and other wastes generated on board ships“ (Rechtsgutachten zur Anwendung des Basler Übereinkommens auf gefährliche und andere Abfälle, die an Bord von Schiffen entstehen) (UNEP/CHW.11/INF/22, 18. Februar 2023, Rn. 28 bis 29, 31 bis 32 und 40).


42      Wie von allen Beteiligten der vorliegenden Rechtssache vorgetragen, sind die Unionsverträge und die Abfallverbringungsverordnung nur zwei der Instrumente, die dem Sekretariat des Basler Übereinkommens nach Art. 11 dieses Übereinkommens notifiziert wurden.


43      Vgl. in diesem Sinne Art. 1 Abs. 2 der Abfallverbringungsverordnung.


44      Vgl. Art. 1 Abs. 1 der Abfallverbringungsverordnung.


45      Dieser Begriff ist in Art. 2 Nr. 15 der Abfallverbringungsverordnung definiert. Er bezeichnet „im Falle einer Verbringung, die in einem Mitgliedstaat beginnt, eine der Gerichtsbarkeit dieses Mitgliedstaates unterliegende natürliche oder juristische Person, die beabsichtigt, eine Verbringung von Abfällen durchzuführen oder durchführen zu lassen, und zur Notifizierung verpflichtet ist“, und „im Falle der Einfuhr in oder der Durchfuhr durch die Gemeinschaft von nicht aus einem Mitgliedstaat stammenden Abfällen jede der folgenden der Gerichtsbarkeit des Versandstaats unterliegenden natürlichen oder juristischen Personen, die eine Verbringung von Abfällen durchzuführen oder durchführen zu lassen beabsichtigen oder durchführen ließen, d. h. entweder i) die von den Rechtsvorschriften des Versandstaats bestimmte Person oder in Ermangelung einer solchen Bestimmung ii) die Person, die während der Ausfuhr Besitzer der Abfälle war“.


46      Nach Art. 2 Nr. 10 der Abfallverbringungsverordnung bezeichnet „Besitzer“ „den Erzeuger der Abfälle oder die natürliche oder juristische Person, in deren Besitz sich die Abfälle befinden (im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 2006/12/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2006 über Abfälle (ABl. 2006, L 114, S. 9)])“.


47      Vgl. Art. 7 Abs. 1 der Abfallverbringungsverordnung. Zur Definition der zuständigen Behörde vgl. Art. 2 Nr. 18 der Verordnung.


48      Vgl. Art. 9 Abs. 1 der Abfallverbringungsverordnung.


49      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Hubei Xinyegang Special Tube (C‑891/19 P, EU:C:2022:38, Rn. 31 und 32).


50      Die vorliegend in Rede stehende Situation weicht demnach von der ab, die dem Urteil vom 16. Juli 2015, Kommission/Rusal Armenal (C‑21/14 P, EU:C:2015:494, Rn. 48), zugrunde lag. Vgl. auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Changmao Biochemical Engineering/Kommission (C‑123/21 P, EU:C:2022:890, Nr. 101)


51      Vgl. Urteil vom 27. Februar 2024, EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann (C‑382/21 P, EU:C:2024:172, Rn. 70 und 74). Zum Begriff der völkerrechtskonformen Auslegung des Unionsrechts vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann (C‑382/21 P, EU:C:2023:576, Nrn. 48 bis 93).


52      Vgl. Urteil Conti 11. Container Schiffahrt (Rn. 53).


53      Vgl. insbesondere Rn. 48 bis 50 des Urteils Conti 11. Container Schiffahrt.


54      Urteil Conti 11. Container Schiffahrt (Rn. 49). Hervorhebung nur hier.


55      Urteil Conti 11. Container Schiffahrt (Rn. 50). Hervorhebung nur hier.


56      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe in der Rechtssache Conti 11. Container Schiffahrt  (C‑689/17, EU:C:2019:62, Nr. 30, Hervorhebung nur hier). In Nr. 75 der Schlussanträge führt der Generalanwalt weiter aus, dass „[w]as zum einen die Verbringung des abgepumpten Löschwassers nach Dänemark und zum anderen die der nicht in Deutschland abgeladenen Abfälle nach Rumänien betrifft, … das vorlegende Gericht wie bereits dargelegt diesen Teil der durch den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens aufgeworfenen Problematik vom Bereich des Vorabentscheidungsersuchens ausgenommen [hat]“. In Nr. 77 ergänzt er, dass „allerdings gefragt werden [darf], ob die Auslegung von Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der [Abfallverbringungsverordnung] durch den Gerichtshof zum Zweck der Feststellung, ob diese Bestimmung auf die an das Auslaufen aus dem deutschen Hafen anschließende Verbringung der in Rede stehenden Abfälle anwendbar ist, für das vorlegende Gericht wirklich sachdienlich wäre“.


57      Vgl. Erwägungsgründe 4 und 10 des Basler Übereinkommens. Vgl. in diesem Sinne auch Art. 11 des Basler Übereinkommens.


58      Die teleologische Auslegung der Abfallverbringungsverordnung, die der Gerichtshof im Urteil Conti 11. Container Schiffahrt mit Blick darauf vorgenommen hat, die Gefahr einer Verschmutzung der Meere zu mindern und hierzu die Verzögerung der Ankunft des in Rede stehenden Schiffs in einem sicheren Hafen auf ein Minimum zu begrenzen, hätte meines Erachtens nämlich in Anbetracht des primären und übergreifenden Umweltziels der Abfallverbringungsverordnung zum selben Ergebnis geführt, wenn der Gerichtshof über eine Reise zwischen zwei Häfen der Union zu entscheiden gehabt hätte.


59      Vgl. Nr. 75 der vorliegenden Schlussanträge.


60      Vgl. entsprechend Urteil vom 26. November 2015, Total Waste Recycling (C‑487/14, EU:C:2015:780, Rn. 35 und 36) (wonach für eine Änderung des Transportwegs einer Verbringung gefährlicher Abfälle während einer laufenden Fahrt ein neues Notifizierungsverfahren durchgeführt werden muss, da infolge dieser Änderung „[d]ie … Einzelheiten der Verbringung … nicht mehr der Wirklichkeit [entsprechen] und … daher nicht mehr als genehmigt angesehen werden [können]“).


61      Urteil Conti 11. Container Schiffahrt (Rn. 40 und 43).


62      Hervorhebung nur hier.


63      Vgl. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verbringung von Abfällen (KOM[2003] 379 endg.), S. 54. Hervorhebung nur hier.


64      Empfehlung für die zweite Lesung betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verbringung von Abfällen (A6-0287/2005), Änderungsantrag 6, schließlich angenommen als Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verbringung von Abfällen (P6_TA[2005]0393). Hervorhebung nur hier.


65      Empfehlung für die zweite Lesung betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verbringung von Abfällen (A6-0287/2005), Änderungsantrag 6, schließlich angenommen als Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verbringung von Abfällen (P6_TA[2005]0393), Begründung zu Änderungsantrag 6.


66      Stellungnahme der Kommission gemäß Artikel 251 Absatz 2 Unterabsatz 3 Buchstabe c) EG-Vertrag zu den Abänderungen des Europäischen Parlaments am Gemeinsamen Standpunkt des Rates zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verbringung von Abfällen zur Änderung des Vorschlags der Kommission gemäß Artikel 250, Absatz 2 des EG-Vertrages (KOM[2005] 0641 endgültig), S. 3.


67      Vgl. in diesem Sinne Urteil Conti 11. Container Schiffahrt (Rn. 49).


68      Vgl. hierzu Nr. 74 der vorliegenden Schlussanträge.


69      Vgl. entsprechend zur engen Auslegung von Ausnahmen von einer allgemeinen Regel Urteil vom 28. Mai 2020, Interseroh (C‑654/18, EU:C:2020:398, Rn. 69).


70      Vgl. hierzu Nr. 57 der vorliegenden Schlussanträge.


71      Diese Art der Auslegung ist auch der einzige Weg, die volle Wirksamkeit des in der Abfallverbringungsverordnung festgelegten Rahmens für die Notifizierung und Zustimmung sicherzustellen, da es absolut vorstellbar erscheint, dass eine Verknüpfung der Aussetzung des Notifizierungsverfahrens mit der physischen Handlung des Abladens zu weiteren langen Rechtsstreitigkeiten um den genauen Anwendungsbereich dieses Begriffs führen und somit zu einem Verhalten Anlass geben könnte, das auf eine Umgehung des hohen Schutzniveaus für die Umwelt und die menschliche Gesundheit angelegt wäre, das erforderlich ist, wenn eine Verbringung gefährlicher Abfälle über die Gewässer der Europäischen Union erfolgt.