Language of document : ECLI:EU:C:2024:111

BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)

8. Januar 2024(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Richtlinie 1999/70/EG – EGB-UNICE‑CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge – Paragraf 5 – Befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor – Aufeinanderfolgende Verträge – Verbot der Umwandlung von befristeten Arbeitsverträgen in einen unbefristeten Vertrag – Lehrtätigkeiten in nicht militärischen Fächern an Militärschulen“

In der Rechtssache C‑278/23 [Biltena](i)

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof, Italien) mit Entscheidung vom 27. April 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 28. April 2023, in dem Verfahren

M. M. als Rechtsnachfolger von M. R.,

gegen

Ministero della Difesa

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen (Berichterstatter) sowie der Richter N. Wahl und J. Passer,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999 (im Folgenden: Rahmenvereinbarung) im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE‑CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 43).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen M. M. als Rechtsnachfolger von M. R. und dem Ministero della Difesa (Verteidigungsministerium, Italien) (im Folgenden: Ministerium) über die Konsequenzen, die aus dem Abschluss aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge zwischen M. R. und diesem Ministerium im Zeitraum von 1987 bis 2007 zu ziehen sind.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        In Abs. 2 der Präambel der Rahmenvereinbarung heißt es:

„Die Unterzeichnerparteien dieser Vereinbarung erkennen an, dass unbefristete Verträge die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern darstellen und weiter darstellen werden. Sie erkennen auch an, dass befristete Beschäftigungsverträge unter bestimmten Umständen den Bedürfnissen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern entsprechen.“

4        In Abs. 3 der Präambel dieser Rahmenvereinbarung heißt es:

„Die Vereinbarung legt die allgemeinen Grundsätze und Mindestvorschriften für befristete Arbeitsverträge in der Erkenntnis nieder, dass bei ihrer genauen Anwendung die besonderen Gegebenheiten der jeweiligen nationalen, sektoralen und saisonalen Situation berücksichtigt werden müssen. Sie macht den Willen der Sozialpartner deutlich, einen allgemeinen Rahmen zu schaffen, der durch den Schutz vor Diskriminierung die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern in befristeten Arbeitsverhältnissen sichert und die Inanspruchnahme befristeter Arbeitsverträge auf einer für Arbeitgeber und Arbeitnehmer akzeptablen Grundlage ermöglicht.“

5        Die Nrn. 6, bis 8 und 10 der Allgemeinen Erwägungen der Rahmenvereinbarung lauten:

„6.      Unbefristete Arbeitsverträge sind die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses. Sie tragen zur Lebensqualität der betreffenden Arbeitnehmer und zur Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit bei.

7.      Die aus objektiven Gründen erfolgende Inanspruchnahme befristeter Arbeitsverträge hilft Missbrauch zu vermeiden.

8.      Befristete Arbeitsverträge sind für die Beschäftigung in bestimmten Branchen, Berufen und Tätigkeiten charakteristisch und können den Bedürfnissen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer entsprechen.

10.      Diese Vereinbarung überlässt es den Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern, die Anwendungsmodalitäten ihrer allgemeinen Grundsätze, Mindestvorschriften und Bestimmungen zu definieren, um so der jeweiligen Situation der einzelnen Mitgliedstaaten und den Umständen bestimmter Branchen und Berufe einschließlich saisonaler Tätigkeiten Rechnung zu tragen.“

6        Paragraf 2 („Anwendungsbereich“) Nr. 1 der Rahmenvereinbarung sieht vor:

„Diese Vereinbarung gilt für befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag oder ‑verhältnis gemäß der gesetzlich, tarifvertraglich oder nach den Gepflogenheiten in jedem Mitgliedstaat geltenden Definition.“

7        Paragraf 3 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung lautet:

„Im Sinne dieser Vereinbarung ist:

1.      ‚befristet beschäftigter Arbeitnehmer‘ eine Person mit einem direkt zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrag oder ‑verhältnis, dessen Ende durch objektive Bedingungen wie das Erreichen eines bestimmten Datums, die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe oder das Eintreten eines bestimmten Ereignisses bestimmt wird.“

8        Paragraf 5 („Maßnahmen zur Vermeidung von Missbrauch“) der Rahmenvereinbarung lautet:

„1.      Um Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse zu vermeiden, ergreifen die Mitgliedstaaten nach der gesetzlich oder tarifvertraglich vorgeschriebenen oder in dem Mitgliedstaat üblichen Anhörung der Sozialpartner und/oder die Sozialpartner, wenn keine gleichwertigen gesetzlichen Maßnahmen zur Missbrauchsverhinderung bestehen, unter Berücksichtigung der Anforderungen bestimmter Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen:

a)      sachliche Gründe, die die Verlängerung solcher Verträge oder Verhältnisse rechtfertigen;

b)      die insgesamt maximal zulässige Dauer aufeinanderfolgender Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse;

c)      die zulässige Zahl der Verlängerungen solcher Verträge oder Verhältnisse.

2.      Die Mitgliedstaaten, nach Anhörung der Sozialpartner, und/oder die Sozialpartner legen gegebenenfalls fest, unter welchen Bedingungen befristete Arbeitsverträge oder Beschäftigungsverhältnisse:

a)      als ‚aufeinanderfolgend‘ zu betrachten sind;

b)      als unbefristete Verträge oder Verhältnisse zu gelten haben.“

9        Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 1999/70 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens am 10. Juli 2001 nachzukommen, oder vergewissern sich spätestens zu diesem Zeitpunkt, dass die Sozialpartner im Wege einer Vereinbarung die erforderlichen Vorkehrungen getroffen haben; dabei haben die Mitgliedstaaten alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um jederzeit gewährleisten zu können, dass die durch die Richtlinie vorgeschriebenen Ergebnisse erzielt werden. Sie setzen die [Europäische] Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.“

 Italienisches Recht

10      Art. 2 Abs. 1 der Legge n. 1023 – Conferimento di incarichi a docenti civili per l’insegnamento di materie non militari presso scuole, Istituti ed enti della Marina e dell’Aeronautica (Gesetz Nr. 1023 – Erteilung von Aufträgen an zivile Lehrkräfte für den Unterricht in nicht militärischen Fächern an Schulen, Instituten und Einrichtungen der Marine und der Luftwaffe) vom 15. Dezember 1969 (GURI Nr. 6 vom 8. Januar 1970, S. 111) lautete in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz Nr. 1023/1969):

„Der Unterricht in nicht militärischen Fächern an den in Art. 1 Abs. 1 aufgeführten Schulen, Instituten und Einrichtungen kann durch Abschluss von Jahresverträgen mit Personal sichergestellt werden, das, sofern das Bildungsministerium keine Einwände erhebt, aus regulären oder nicht regulären Lehrern staatlicher Institute und Schulen sowie aus Richtern der ordentlichen Gerichte, der Verwaltungs- und Militärgerichte und aus im Dienst der staatlichen Verwaltung stehenden zivilen Angestellten besteht, oder mit Personal, das nicht zur staatlichen Verwaltung gehört. Reguläre Lehrkräfte, die den in Art. 1 genannten Unterricht in der gesamten Unterrichtszeit erteilen, können auch im Rahmen einer Abordnung beschäftigt werden.“

11      Art. 2 Abs. 2 dieses Gesetzes sah vor, dass die Kriterien und Verfahren für die Auswahl der Lehrkräfte und die Festlegung der Vergütung durch einen Ministerialerlass festgelegt werden sollten.

12      Das Gesetz Nr. 1023/1969 wurde durch Art. 2268 Abs. 1 Nr. 629 des Decreto legislativo n. 66 sul Codice dell’ordinamento militare (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 66 über das Militärrechtsgesetzbuch) vom 15. März 2010 (GURI Nr. 106 vom 8. Mai 2010, im Folgenden: Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 66/2010) aufgehoben.

13      Gemäß Art. 1531 Abs. 1 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 66/2010 über die Zuweisung von Aufgaben an zivile Lehrkräfte für den Unterricht in nicht militärischen Fächern an Schulen, Instituten und Einrichtungen der Streitkräfte ist es jedoch weiterhin möglich, Lehraufträge für nicht militärische Fächer durch Jahresverträge an nicht zur staatlichen Verwaltung gehörendes Personal zu vergeben.

14      Art. 1 des Decreto ministeriale – Conferimento di incarichi a docenti civili per l’insegnanmento di materie non militari presso scuole, istituti ed enti della Marina e dell’Aeronautica (Ministerialerlass über die Erteilung von Aufträgen an zivile Lehrkräfte für den Unterricht in nicht militärischen Fächern an Schulen, Instituten und Einrichtungen der Marine und der Luftwaffe) vom 20. Dezember 1971 (GURI Nr. 322 vom 15. Dezember 1973, S. 8211, im Folgenden: Ministerialerlass von 1971), der zur Durchführung des Gesetzes Nr. 1023/1969 erlassen wurde, bestimmt:

„Der Unterricht in nicht militärischen Fächern an den im Gesetz [Nr. 1023/1969] genannten Schulen, Instituten und Einrichtungen der Marine und der Luftwaffe kann durch Abschluss von Jahresverträgen mit Personal sichergestellt werden, das, sofern das Bildungsministerium keine Einwände erhebt, aus regulären oder nicht regulären Lehrern staatlicher Institute und Schulen sowie aus Richtern der ordentlichen Gerichte, der Verwaltungs- und Militärgerichte und aus im Dienst der staatlichen Verwaltung stehenden zivilen Angestellten besteht, oder mit Personal, das nicht zur staatlichen Verwaltung gehört. Reguläre Lehrkräfte, die den im Gesetz [Nr. 1023/1969] genannten Unterricht in der gesamten Unterrichtszeit erteilen, können auch im Rahmen einer Abordnung beschäftigt werden.“

15      Nach Art. 4 dieses Ministerialerlasses wird die vorgesehene Vergütung bei der zweiten Beauftragung einer Lehrkraft, die nicht zur staatlichen Verwaltung gehört, um ein Drittel gekürzt.


16      Art. 6 des Ministerialerlasses sah vor:

„Das von außerhalb der staatlichen Verwaltung beauftragte Personal, das für das gesamte Schuljahr und nur für den Zeitraum der tatsächlichen Leistung beschäftigt wird, hat Anspruch auf die Zulagen und Leistungen für die Altersversorgung, den Sozialversicherungs- und Versicherungsschutz, die für beauftragte Lehrer in den vom Bildungsministerium abhängigen Einrichtungen und Schulen vorgesehen sind.“

17      Art. 7 des Ministerialerlasses sah vor:

„Die entsprechenden Lehraufträge werden für die Dauer von höchstens einem Schuljahr erteilt.“

18      Der Ministerialerlass von 1971 wurde gemäß Art. 2269 Abs. 1 Nr. 204 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 66/2010 aufgehoben.

19      Art. 1 des Decreto legislativo n. 368 – Attuazione della direttiva 1999/70/CE relativa all’accordo quadro sul lavoro a tempo determinato concluso dall’UNICE, dal CEEP e dal CES (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 368 zur Umsetzung der Richtlinie 1999/70/EG zur EGB-UNICE‑CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge) vom 6. September 2001 (GURI Nr. 235 vom 9. Oktober 2001) sah in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 368/2001) allgemein die Möglichkeit vor, die Dauer eines abhängigen Arbeitsvertrags aus technischen, produktionsbedingten, organisatorischen oder Gründen der Vertretung zu befristen.

20      Art. 4 dieses Gesetzesvertretenden Dekrets sah vor:

„1.      Die Laufzeit des befristeten Vertrags kann mit Zustimmung des Arbeitnehmers verlängert werden, wenn die ursprüngliche Laufzeit des Vertrags weniger als drei Jahre beträgt. In diesen Fällen ist eine Verlängerung nur einmal zulässig, sofern sie aus sachlichen Gründen geboten ist und dieselbe Tätigkeit betrifft, für die der befristete Vertrag geschlossen wurde. In diesen konkreten Fällen darf die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses drei Jahre nicht überschreiten.

2.      Die Beweislast für das Vorliegen sachlicher Gründe, die eine etwaige Verlängerung der Laufzeit rechtfertigen, liegt beim Arbeitgeber.“


21      Art. 5 Abs. 4 des Gesetzesvertretenden Dekrets lautete:

„Bei zwei aufeinanderfolgenden befristeten Einstellungen, d. h. solchen, die ohne jede Unterbrechung zusammenhängen, gilt das Arbeitsverhältnis vom Zeitpunkt des Abschlusses des ersten Vertrags an als unbefristet.“

22      Art. 36 des Decreto legislativo n. 165 – Norme generali sull’ordinamento del lavoro alle dipendenze delle amministrazioni pubbliche (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 165 über allgemeine Vorschriften betreffend die Regelung der Arbeit in öffentlichen Verwaltungen) vom 30. März 2001 (Supplemento Ordinario zur GURI Nr. 106 vom 9. Mai 2001) bestimmt in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung:

„1.      Die öffentlichen Verwaltungen stellen für die Erfordernisse ihres gewöhnlichen Bedarfs ausschließlich mittels unbefristeter Beschäftigungsverträge … ein.

2.      Um zeitlich begrenzten und außergewöhnlichen Erfordernissen zu genügen, können sich die öffentlichen Verwaltungen … der im Codice civile und in den Gesetzen über die Arbeitsbeziehungen im Unternehmen vorgesehenen flexiblen vertraglichen Formen der Einstellung und der Beschäftigung von Personal bedienen.

5.      Jedenfalls kann die Verletzung zwingender Vorschriften über die Einstellung oder die Beschäftigung von Arbeitnehmern durch die öffentlichen Verwaltungen nicht zur Begründung unbefristeter Arbeitsverhältnisse mit diesen führen, unbeschadet ihrer Haftung oder der Sanktionen, die gegen sie verhängt werden können. Der betroffene Arbeitnehmer hat Anspruch auf Ersatz der Schäden, die sich aus der unter Verstoß gegen zwingende Vorschriften erbrachten Arbeitsleistung ergeben …

…“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

23      Von 1987 bis 2007 unterrichtete M. R. die nicht militärischen Fächer Elektronik und Telekommunikation bei der Aeronautica Militare (Luftstreitkräfte, Italien) im Rahmen von befristeten Verträgen, die zunächst von Jahr zu Jahr und seit 2004 von Semester zu Semester verlängert wurden.

24      Nach Ablauf seines letzten befristeten Vertrags erhob er vor dem Tribunale di Roma (Gericht Rom, Italien) Klage gegen das Ministerium, mit der er die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Abschlusses der befristeten Verträge sowie Schadensersatz beantragte.

25      Das Gericht gab der Klage statt und erklärte die nach Inkrafttreten des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 368/2001 geschlossenen befristeten Verträge für rechtswidrig, da in diesen Verträgen keine technischen bzw. organisatorischen Gründe oder solche der Vertretung oder der Produktion angegeben worden seien, die die Befristung dieser Verträge hätten rechtfertigen können. Darüber hinaus verurteilte es das Ministerium dazu, M. R. Schadensersatz in Höhe von fünfzehn Monatsgehältern zu zahlen.

26      Das Ministerium legte gegen das Urteil des Tribunale di Roma (Gericht Rom) bei der Corte d’appello di Roma (Berufungsgericht Rom, Italien) Berufung ein und machte geltend, dass zwischen den Parteien ein Verhältnis auf der Grundlage einer freiberuflichen Tätigkeit und kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestanden habe, so dass das Gesetzesvertretende Dekret Nr. 368/2001 nicht anwendbar sei. Das Ausgangsverfahren falle unter die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 1023/1969 und des Ministererlasses von 1971, nach denen Lehrkräfte, die nicht der staatlichen Verwaltung angehörten, mit jährlichen Lehraufträgen betraut werden könnten.

27      Die Corte d’appello di Roma (Berufungsgericht Rom) bestätigte das erstinstanzliche Urteil dahin gehend, dass zwischen M. R. und dem Ministerium ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestanden habe, insbesondere aufgrund der vertraglichen Bestimmungen bezüglich der Gewährung des dreizehnten Monatsgehalts, des bezahlten Urlaubs, der Abfindung, der Familienzulagen sowie der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen. Sie hob dieses Urteil jedoch im Übrigen auf und stellte fest, dass auf die Sachlage im Ausgangsverfahren spezielle Regeln anwendbar seien, die auf den Besonderheiten der Schulen der Marine und der Luftwaffe sowie den speziellen Kompetenzen der Lehrkräfte beruhten, die nicht der staatlichen Verwaltung angehörten und an diesen Schulen beschäftigt seien.

28      M. R. legte gegen das Urteil der Corte d’appello di Roma (Berufungsgericht Rom) eine Kassationsbeschwerde bei der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof, Italien), dem vorlegenden Gericht, ein.

29      Das letztgenannte Gericht weist darauf hin, dass nach seiner eigenen Rechtsprechung das Arbeitsverhältnis mit nicht zur Staatsverwaltung gehörendem Personal auf der Grundlage von Jahresverträgen grundsätzlich ein abhängiges Arbeitsverhältnis sei.

30      In Bezug auf den rechtswidrigen Abschluss aufeinanderfolgender befristeter Verträge weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass der Arbeitnehmer im Fall der missbräuchlichen Verwendung befristeter Verträge nur Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens nach Art. 36 Abs. 5 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 165 vom 30. März 2001 in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung habe, während die Umwandlung befristeter Arbeitsverträge in einen unbefristeten Arbeitsvertrag nach dieser Bestimmung verboten sei, die vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 7. März 2018, Santoro (C‑494/16, EU:C:2018:166), für mit dem Unionsrecht vereinbar befunden worden sei.

31      Obwohl der Gerichtshof bereits mehrere Urteile zum Abschluss von befristeten Verträgen in der öffentlichen Verwaltung erlassen hat, darunter insbesondere die Urteile vom 4. Juli 2006, Adeneler u. a. (C‑212/04, EU:C:2006:443), vom 7. September 2006, Marrosu und Sardino (C‑53/04, EU:C:2006:517), vom 8. September 2011, Rosado Santana (C‑177/10, EU:C:2011:557), vom 26. November 2014, Mascolo u. a. (C‑22/13, C‑61/13 bis C‑63/13 und C‑418/13, EU:C:2014:2401), sowie vom 25. Oktober 2018, Sciotto (C‑331/17, EU:C:2018:859), hält es das vorlegende Gericht für erforderlich, dem Gerichtshof eine Frage vorzulegen, da seiner Ansicht nach Zweifel an der Auslegung von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung in Bezug auf militärische Schulen, Institute und Einrichtungen bestehen.

32      Unter diesen Umständen hat der Kassationsgerichtshof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der italienischen in Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 1023/1969 und in Art. 1 des Ministerialerlasses von 1971 entgegensteht, die die Erteilung jährlicher Lehraufträge (im Sinne von Art. 7 des Ministerialerlasses von 1971 „für höchstens ein Schuljahr“) für nicht militärische Fächer an Schulen, Instituten und Einrichtungen der Marine und der Luftwaffe an nicht von der staatlichen Verwaltung beschäftigtes Zivilpersonal ohne die Angabe sachlicher Gründe, die ihre Verlängerung rechtfertigen (ausdrücklich vorgesehen in Art. 4 des Ministerialerlasses, der eine Kürzung des Gehalts für den zweiten Auftrag vorsieht), die maximale Gesamtdauer der befristeten Verträge und die Höchstzahl der Verlängerungen vorsieht, ohne diesen Lehrkräften die Möglichkeit einzuräumen, Ersatz für den infolge einer solchen Verlängerung eventuell erlittenen Schaden zu erhalten, wobei es im Übrigen keine Planstellen für Lehrkräfte an diesen Schulen gibt, in die sie eingewiesen werden könnten?

2.      Stellen die organisatorischen Erfordernisse des Systems der Institute, Schulen und Einrichtungen der Marine und der Luftwaffe sachliche Gründe im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung dar, die geeignet sind, eine Regelung wie die oben genannte italienische mit dem Unionsrecht in Einklang zu bringen, die für die Erteilung von Lehraufträgen an Personal, das nicht zu diesen Instituten, Schulen und militärischen Einrichtungen gehört, keine Bedingungen für den Rückgriff auf befristete Arbeitsverhältnisse gemäß der Richtlinie 1999/70 und der ihr beigefügten Rahmenvereinbarung festlegt und keinen Anspruch auf Schadensersatz vorsieht?

 Zu den Vorlagefragen

33      Nach Art. 99 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof, wenn die Antwort auf eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann oder wenn die Beantwortung einer solchen Frage keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt, auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden.

34      Diese Bestimmung ist in der vorliegenden Rechtssache anzuwenden.

35      Mit seinen beiden Fragen, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob einerseits Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die ziviles Personal, das an Militärschulen mit dem Unterricht in nicht militärischen Fächern betraut ist, von der Anwendung der Vorschriften ausschließt, mit denen die missbräuchliche Verwendung aufeinanderfolgender befristeter Verträge geahndet werden soll, und ob andererseits die organisatorischen Erfordernisse dieser Schulen als „sachliche Gründe“ angesehen werden können, die die Verlängerung solcher Verträge im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung rechtfertigen.

36      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass schon nach dem Wortlaut von Paragraf 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung deren Anwendungsbereich weit gefasst ist, da sie allgemein „befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag oder ‑verhältnis gemäß der gesetzlich, tarifvertraglich oder nach den Gepflogenheiten in jedem Mitgliedstaat geltenden Definition“ erfasst. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „befristet beschäftigte Arbeitnehmer“ im Sinne von Paragraf 3 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung alle Arbeitnehmer umfasst, ohne Unterscheidung danach, ob sie an einen öffentlichen oder an einen privaten Arbeitgeber gebunden sind (Urteil vom 13. Januar 2022, MIUR und Ufficio Scolastico Regionale per la Campania, C‑282/19, EU:C:2022:3, Rn. 69 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Da die Rahmenvereinbarung keine bestimmte Branche von ihrem Anwendungsbereich ausnimmt, ist sie auch auf das für den Unterricht an öffentlichen Lehranstalten eingestellte Personal anwendbar (Urteil vom 13. Januar 2022, MIUR und Ufficio Scolastico Regionale per la Campania, C‑282/19, EU:C:2022:3, Rn. 70 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

38      Im vorliegenden Fall hat das vorlegende Gericht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Rechtsbeziehungen mit dem zivilen Personal, das für den Unterricht in nicht militärischen Fächern an den Schulen, Instituten und Einrichtungen der Marine und der Luftwaffe eingestellt wurde, den Charakter einer abhängigen Beschäftigung haben. Daraus folgt, dass ein Arbeitnehmer wie M. R. in den Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarung fällt.

39      Hinsichtlich Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung ist darauf hinzuweisen, dass dieser zur Umsetzung eines ihrer Ziele dient, das darin besteht, den wiederholten Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse, in dem eine potenzielle Quelle des Missbrauchs zulasten der Arbeitnehmer gesehen wird, einzugrenzen, indem eine Reihe von Mindestschutzbestimmungen vorgesehen wird, die die Prekarisierung der Lage der Beschäftigten verhindern sollen (vgl. u. a. Urteile vom 25. Oktober 2018, Sciotto, C‑331/17, EU:C:2018:859, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 13. Januar 2022, MIUR und Ufficio Scolastico Regionale per la Campania, C‑282/19, EU:C:2022:3, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Wie nämlich aus dem zweiten Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung sowie aus den Nrn. 6 bis 8 ihrer Allgemeinen Erwägungen hervorgeht, stellen feste Beschäftigungsverhältnisse einen wichtigen Aspekt des Arbeitnehmerschutzes dar, während befristete Arbeitsverträge nur unter bestimmten Umständen den Bedürfnissen sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer entsprechen können (vgl. u. a. Urteile vom 25. Oktober 2018, Sciotto, C‑331/17, EU:C:2018:859, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 13. Januar 2022, MIUR und Ufficio Scolastico Regionale per la Campania, C‑282/19, EU:C:2022:3, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung verpflichtet die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Vermeidung des missbräuchlichen Einsatzes aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse dazu, effektiv und mit verbindlicher Wirkung mindestens eine der dort aufgeführten Maßnahmen zu ergreifen, wenn ihr innerstaatliches Recht keine gleichwertigen gesetzlichen Maßnahmen enthält. Die hierfür in Nr. 1 Buchst. a bis c dieses Paragrafen aufgeführten drei Maßnahmen betreffen sachliche Gründe, die die Verlängerung solcher Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse rechtfertigen, die maximal zulässige Gesamtdauer aufeinanderfolgender Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse und die zulässige Zahl ihrer Verlängerungen (vgl. u. a. Urteile vom 25. Oktober 2018, Sciotto, C‑331/17, EU:C:2018:859, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 13. Januar 2022, MIUR und Ufficio Scolastico Regionale per la Campania, C‑282/19, EU:C:2022:3, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Die Mitgliedstaaten verfügen insoweit über ein Ermessen, da sie die Wahl haben, auf eine oder mehrere der in Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a bis c der Rahmenvereinbarung genannten Maßnahmen oder auf bestehende gleichwertige gesetzliche Maßnahmen zurückzugreifen. Damit gibt Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung den Mitgliedstaaten ein allgemeines Ziel – Verhinderung solcher Missbräuche – vor, lässt ihnen jedoch zugleich die Wahl der Mittel zu seiner Erreichung, solange sie nicht das Ziel oder die praktische Wirksamkeit der Rahmenvereinbarung in Frage stellen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 25. Oktober 2018, Sciotto, C‑331/17, EU:C:2018:859, Rn. 33 und 34 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 13. Januar 2022, MIUR und Ufficio Scolastico Regionale per la Campania, C‑282/19, EU:C:2022:3, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Wie aus Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung hervorgeht, haben die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem dritten Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung sowie den Nrn. 8 und 10 ihrer Allgemeinen Erwägungen im Rahmen der Durchführung der Rahmenvereinbarung die Möglichkeit, die besonderen Anforderungen der in Rede stehenden Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien zu berücksichtigen, sofern dies objektiv gerechtfertigt ist (vgl. u. a. Urteile vom 25. Oktober 2018, Sciotto, C‑331/17, EU:C:2018:859, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 13. Januar 2022, MIUR und Ufficio Scolastico Regionale per la Campania, C‑282/19, EU:C:2022:3, Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung sieht im Übrigen keine spezifischen Sanktionen für den Fall vor, dass dennoch Missbräuche festgestellt worden sind. In einem solchen Fall obliegt es den nationalen Stellen, Maßnahmen zu ergreifen, die nicht nur verhältnismäßig, sondern auch hinreichend effektiv und abschreckend sein müssen, um die volle Wirksamkeit der zur Durchführung der Rahmenvereinbarung erlassenen Normen sicherzustellen (Urteil vom 13. Januar 2022, MIUR und Ufficio Scolastico Regionale per la Campania, C‑282/19, EU:C:2022:3, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Zwar ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Kern davon ausgegangen ist, dass eine nationale Regelung, die verbindlich anordnet, dass befristete Arbeitsverträge im Fall der missbräuchlichen Verwendung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt werden, eine Maßnahme beinhalten kann, die einen solchen missbräuchlichen Rückgriff wirksam ahndet (Urteil vom 8. Mai 2019, Rossato und Conservatorio di Musica F. A. Bonporti, C‑494/17, EU:C:2019:387, Rn. 40 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Indessen stellt Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung keine allgemeine Verpflichtung der Mitgliedstaaten auf, die Umwandlung befristeter in unbefristete Arbeitsverträge vorzusehen. Ihr Paragraf 5 Nr. 2 überlässt es nämlich grundsätzlich den Mitgliedstaaten, zu bestimmen, unter welchen Bedingungen befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse als unbefristet zu betrachten sind. Daraus ergibt sich, dass die Rahmenvereinbarung nicht vorschreibt, unter welchen Bedingungen unbefristete Verträge vorliegen können (vgl. u. a. Urteile vom 25. Oktober 2018, Sciotto, C‑331/17, EU:C:2018:859, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 13. Januar 2022, MIUR und Ufficio Scolastico Regionale per la Campania, C‑282/19, EU:C:2022:3, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Damit also eine nationale Regelung wie die des Ausgangsverfahrens, die die Umwandlung einer Reihe aufeinanderfolgender befristeter Verträge in einen unbefristeten Vertrag untersagt, als mit der Rahmenvereinbarung vereinbar angesehen werden kann, muss das innerstaatliche Recht des betreffenden Mitgliedstaats eine andere wirksame Maßnahme enthalten, um die missbräuchliche Inanspruchnahme aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge zu verhindern und gegebenenfalls zu ahnden (vgl. u. a. Urteile vom 25. Oktober 2018, Sciotto, C‑331/17, EU:C:2018:859, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 13. Januar 2022, MIUR und Ufficio Scolastico Regionale per la Campania, C‑282/19, EU:C:2022:3, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Zudem sind die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, im Fall eines missbräuchlichen Rückgriffs auf befristete Arbeitsverträge eine Kumulierung von Maßnahmen in dem Sinne vorzusehen, dass ein Anspruch auf Schadensersatz zur Umwandlung des befristeten Arbeitsverhältnisses in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis hinzukommt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2019, Rossato und Conservatorio di Musica F. A. Bonporti, C‑494/17, EU:C:2019:387, Rn. 41 und 45).

49      Was den Ersatz des erlittenen Schadens als Maßnahme betrifft, die den missbräuchlichen Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge wirksam ahndet, haben die Mitgliedstaaten nach dem Grundsatz eines solchen Schadensersatzes und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine angemessene Wiedergutmachung vorzusehen, die eine rein symbolische Entschädigung übersteigt, ohne jedoch über einen vollständigen Ausgleich hinauszugehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2019, Rossato und Conservatorio di Musica F. A. Bonporti, C‑494/17, EU:C:2019:387, Rn. 42 und 43).

50      Im Übrigen hat der Gerichtshof entschieden, dass Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die den Missbrauch aufeinanderfolgender befristeter Verträge durch einen Arbeitgeber des öffentlichen Sektors nicht durch die Zahlung einer Entschädigung an den betreffenden Arbeitnehmer zum Ausgleich der Nichtumwandlung des befristeten Arbeitsverhältnisses in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis ahndet, sondern vorsieht, dass dieser Arbeitnehmer eine Entschädigung zwischen dem 2,5‑Fachen und dem 12‑Fachen seiner letzten Monatsvergütung erhält und die Möglichkeit hat, die vollständige Wiedergutmachung des Schadens zu erlangen, wenn er nachweist, dass ihm andere Gelegenheiten zur Anstellung entgangen sind, sofern eine solche Regelung mit einem wirksamen und abschreckenden Sanktionsmechanismus einhergeht, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat (Urteil vom 7. März 2018, Santoro, C‑494/16, EU:C:2018:166, Rn. 54).

51      Wenn sich also im vorliegenden Fall herausstellt, dass es in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung keine andere wirksame Maßnahme gibt, um die eventuell festgestellten Missbräuche gegenüber dem betreffenden Lehrpersonal zu verhindern oder zu ahnden, wäre eine solche Situation geeignet, das Ziel und die praktische Wirksamkeit von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung zu beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Januar 2022, MIUR und Ufficio Scolastico Regionale per la Campania, C‑282/19, EU:C:2022:3, Rn. 85).

52      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass es nicht Sache des Gerichtshofs ist, sich zur Auslegung der Bestimmungen des nationalen Rechts zu äußern; diese Aufgabe kommt allein den zuständigen nationalen Gerichten zu. Jedoch kann der Gerichtshof, wenn er im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens entscheidet, Klarstellungen vornehmen, um dem vorlegenden Gericht eine Richtschnur für seine Beurteilung der Frage zu geben, ob die von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung aufgestellten Anforderungen durch die Bestimmungen der anwendbaren nationalen Regelung gewahrt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Juni 2021, Obras y Servicios Públicos und Acciona Agua, C‑550/19, EU:C:2021:514, Rn. 50 und 52).

53      Aus der Vorlageentscheidung geht zum einen hervor, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung die Einstellung von zivilem Lehrpersonal für nicht militärische Fächer an Schulen der Marine und der Luftwaffe durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zulässt, ohne eine der in Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. b und c der Rahmenvereinbarung genannten Beschränkungen hinsichtlich der maximalen Gesamtdauer dieser Verträge oder der Anzahl ihrer Verlängerungen vorzusehen, und zum anderen, dass die im Unterrichtssektor geschlossenen befristeten Arbeitsverträge vom Anwendungsbereich der nationalen Bestimmungen ausgenommen werden, die für solche Verträge, die über eine bestimmte Dauer hinaus aufeinanderfolgend geschlossen werden, ihre Umwandlung in einen unbefristeten Arbeitsvertrag sowie gegebenenfalls den Ersatz des Schadens eröffnen, der durch das Unterbleiben einer solchen Umwandlung entstanden ist.

54      Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob der Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im Bereich des Unterrichts von nicht militärischen Fächern durch ziviles Personal an Schulen der Marine und der Luftwaffe durch das Vorliegen von sachlichen Gründen im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung im nationalen Recht gerechtfertigt werden kann, und insbesondere, ob die Besonderheiten der Schulen der Marine und der Luftwaffe sowie die speziellen Kompetenzen der an diesen Schulen beschäftigten Lehrkräfte einen solchen sachlichen Grund darstellen können.

55      Wie es in Nr. 7 der Allgemeinen Erwägungen der Rahmenvereinbarung heißt, waren die Unterzeichnerparteien nämlich der Auffassung, dass die aus „sachlichen Gründen“ erfolgende Inanspruchnahme befristeter Arbeitsverträge dabei helfe, Missbrauch zu vermeiden (vgl. u. a. Urteile vom 25. Oktober 2018, Sciotto, C‑331/17, EU:C:2018:859, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 13. Januar 2022, MIUR und Ufficio Scolastico Regionale per la Campania, C‑282/19, EU:C:2022:3, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Der Begriff „sachliche Gründe“ im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung ist dahin zu verstehen, dass er genau bezeichnete, konkrete Umstände meint, die eine bestimmte Tätigkeit kennzeichnen und daher in einem speziellen Zusammenhang die Inanspruchnahme aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge rechtfertigen können. Diese Umstände können sich insbesondere aus der besonderen Art der Aufgaben, zu deren Erfüllung die Verträge geschlossen worden sind, und deren Wesensmerkmalen oder gegebenenfalls aus der Verfolgung eines legitimen sozialpolitischen Ziels durch einen Mitgliedstaat ergeben (vgl. u. a. Urteile vom 25. Oktober 2018, Sciotto, C‑331/17, EU:C:2018:859, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 13. Januar 2022, MIUR und Ufficio Scolastico Regionale per la Campania, C‑282/19, EU:C:2022:3, Rn. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57      Hingegen entspräche eine nationale Regelung, die sich darauf beschränkte, den Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge allgemein und abstrakt durch Gesetz oder Verordnung zuzulassen, nicht den in der vorstehenden Randnummer dargelegten Erfordernissen. Einer solchen Regelung lassen sich nämlich keine objektiven und transparenten Kriterien für die Prüfung entnehmen, ob die Verlängerung derartiger Verträge tatsächlich einem echten Bedarf entspricht und zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich ist. Diese Regelung birgt somit die konkrete Gefahr eines missbräuchlichen Rückgriffs auf derartige Verträge und ist daher mit dem Ziel und der praktischen Wirksamkeit der Rahmenvereinbarung unvereinbar (vgl. u. a. Urteile vom 25. Oktober 2018, Sciotto, C‑331/17, EU:C:2018:859, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 13. Januar 2022, MIUR und Ufficio Scolastico Regionale per la Campania, C‑282/19, EU:C:2022:3, Rn. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Insbesondere im Unterrichtssektor ist es möglich, dass die Erstellung eines jährlichen Kursprogramms zu einem vorübergehenden Bedarf an Einstellungen führt, so dass die zeitweilige Einstellung eines Arbeitnehmers, um einen vorübergehenden und spezifischen Arbeitskräftebedarf des Arbeitgebers zu decken, grundsätzlich einen „sachlichen Grund“ im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung darstellen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2018, Sciotto, C‑331/17, EU:C:2018:859, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Jedoch wäre es nicht zulässig, dass befristete Arbeitsverträge an den betreffenden Schulen zum Zweck der ständigen und dauerhaften Erfüllung von Aufgaben, die zur normalen Tätigkeit des fraglichen Sektors gehören, verlängert werden können.

60      In dieser Hinsicht ist es zur Beachtung von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung erforderlich, dass konkret geprüft wird, ob die Verlängerung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse zur Deckung eines zeitweiligen Bedarfs dient und ob eine nationale Bestimmung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht in Wirklichkeit herangezogen wird, um einen ständigen und dauerhaften Arbeitskräftebedarf des Arbeitgebers zu decken (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 25. Oktober 2018, Sciotto, C‑331/17, EU:C:2018:859, Rn. 50, sowie vom 24. Juni 2021, Obras y Servicios Públicos und Acciona Agua, C‑550/19, EU:C:2021:514, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61      Hinsichtlich des Arguments der Besonderheiten der Schulen der Marine und der Luftwaffe ist festzustellen, dass der Unterricht in Fächern, die sensible militärische Daten betreffen, zwar als ein verfassungsrechtlich schützenswertes Ziel angesehen werden kann, aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten jedoch nicht hervorgeht, inwiefern es die Verfolgung dieses Ziels erfordern würde, dass Arbeitgeber im Bereich des militärischen Unterrichts nur befristet beschäftigtes Personal einstellen. Denn zum einen handelt es sich um ziviles Personal, das nicht militärische Fächer unterrichten soll, und zum anderen scheint es im Hinblick auf den Schutz sensibler Daten in jedem Fall angemessener, das Personal durch unbefristete Arbeitsverträge an sich zu binden.

62      Hinsichtlich der Anforderungen an die Kompetenz des betreffenden Personals, dessen Einstellung von häufig wechselnden und vielfältigen Kenntnissen abhängen könnte, die aufgrund der Entwicklung der in dem spezifischen Bereich eingesetzten Technologien und militärischen Ausrüstung einer ständigen Aktualisierung unterliegen, geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten auch nicht hervor, dass die von M. R. unterrichteten Fächer spezifisch gewesen wären oder aus welchem Grund die geforderten Kenntnisse zu einem nur vorübergehenden Personalbedarf geführt hätten.

63      Im Gegenteil dienten offenbar die verschiedenen befristeten Arbeitsverträge, mit denen M. R. angestellt war, über viele Jahre hinweg der Erfüllung ähnlicher Aufgaben, so dass dieses Arbeitsverhältnis einen Bedarf gedeckt haben könnte, der nicht vorübergehend, sondern vielmehr dauerhaft war, was jedoch vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

64      Insoweit ist es auch Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob im Bereich des militärischen Unterrichts befristet beschäftigten Arbeitnehmern bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung gewährt wird, ob eine solche Abfindung gegebenenfalls geeignet ist, den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse zu verhindern und erforderlichenfalls zu ahnden, und ob sie als „gleichwertige gesetzliche Maßnahme“ im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung angesehen werden kann.

65      Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die ziviles Personal, das an Militärschulen mit dem Unterricht in nicht militärischen Fächern betraut ist, von der Anwendung der Vorschriften ausschließt, mit denen die missbräuchliche Verwendung aufeinanderfolgender befristeter Verträge geahndet werden soll, sofern diese Regelung keine andere wirksame Maßnahme enthält, um den missbräuchlichen Einsatz aufeinanderfolgender befristeter Verträge zu verhindern und gegebenenfalls zu ahnden. Gründe im Zusammenhang mit den organisatorischen Anforderungen dieser Schulen können keine „sachlichen Gründe“ im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung darstellen, die die Verlängerung solcher Verträge mit diesem Personal, das mit dem Unterricht in solchen Fächern betraut ist, rechtfertigen.

 Kosten

66      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:

Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999 im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICECEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge

ist dahin auszulegen, dass

er einer nationalen Regelung entgegensteht, die ziviles Personal, das an Militärschulen mit dem Unterricht in nicht militärischen Fächern betraut ist, von der Anwendung der Vorschriften ausschließt, mit denen die missbräuchliche Verwendung aufeinanderfolgender befristeter Verträge geahndet werden soll, sofern diese Regelung keine andere wirksame Maßnahme enthält, um den missbräuchlichen Einsatz aufeinanderfolgender befristeter Verträge zu verhindern und gegebenenfalls zu ahnden. Gründe im Zusammenhang mit den organisatorischen Anforderungen dieser Schulen können keine „sachlichen Gründe“ im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung darstellen, die die Verlängerung solcher Verträge mit diesem Personal, das mit dem Unterricht in solchen Fächern betraut ist, rechtfertigen.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Italienisch.


i      Die vorliegende Rechtssache ist mit einem fiktiven Namen bezeichnet, der nicht dem echten Namen eines Verfahrensbeteiligten entspricht.