Language of document : ECLI:EU:C:2024:251

Rechtssache C61/22

Herr Detlev Sieber

gegen

Landeshauptstadt Wiesbaden

(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Wiesbaden)

 Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 21. März 2024

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verordnung (EU) 2019/1157 – Erhöhung der Sicherheit von Personalausweisen der Bürger der Europäischen Union – Gültigkeit – Rechtsgrundlage – Art. 21 Abs. 2 AEUV – Art. 77 Abs. 3 AEUV – Verordnung (EU) 2019/1157 – Art. 3 Abs. 5 – Verpflichtung der Mitgliedstaaten, in das Speichermedium von Personalausweisen zwei Fingerabdrücke in interoperablen digitalen Formaten aufzunehmen – Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Achtung des Privat- und Familienlebens – Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Schutz personenbezogener Daten – Verordnung (EU) 2016/679 – Art. 35 – Verpflichtung zur Durchführung einer Datenschutz-Folgenabschätzung – Aufrechterhaltung der zeitlichen Wirkungen einer für ungültig erklärten Verordnung“

1.        Handlungen der Organe – Wahl der Rechtsgrundlage – Kriterien – Bestehen einer spezifischen Rechtsgrundlage – Verordnung zur Erhöhung der Sicherheit der Ausweisdokumente von Unionsbürgern und der Aufenthaltsdokumente, die Unionsbürgern und deren Familienangehörigen ausgestellt werden, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben – Erlass auf der Grundlage der spezifischen Bestimmungen von Art. 77 Abs. 3 AEUV und nicht auf der Grundlage von Art. 21 Abs. 2 AEUV

(Art. 21 Abs. 2 und Art. 77 Abs. 3 AEUV; Verordnung 2019/1157 des Europäischen Parlaments und des Rates)

(vgl. Rn. 46, 49-56, 61)

2.        Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten – Verordnung 2016/679 – Pflicht des Verantwortlichen, bei einer Verarbeitung personenbezogener Daten, die voraussichtlich ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen zur Folge hat, vorab eine Folgenabschätzung durchzuführen – Pflicht, die nicht für den Erlass einer Verordnung gilt, mit der selbst keine Verarbeitung personenbezogener Daten vorgenommen wird – Verstoß – Fehlen

(Verordnung 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 35 Abs. 1 und 10, und Verordnung 2019/1157)

(vgl. Rn. 66, 67)

3.        Grundrechte – Charta der Grundrechte – Achtung des Privatlebens – Schutz personenbezogener Daten – Erfassung und Speicherung von Fingerabdrücken in Personalausweisen von Unionsbürgern – Einbeziehung – Eingriff in die in den Art. 7 und 8 der Charta anerkannten Rechte

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 7 und 8; Verordnung 2019/1157 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 3 Abs. 5)

(vgl. Rn. 70, 72, 73)

4.        Grundrechte – Charta der Grundrechte – Achtung des Privatlebens – Schutz personenbezogener Daten – Verordnung zur Erhöhung der Sicherheit der Ausweisdokumente von Unionsbürgern und der Aufenthaltsdokumente, die Unionsbürgern und deren Familienangehörigen ausgestellt werden, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben – Erfassung und Speicherung von Fingerabdrücken in Personalausweisen von Unionsbürgern – Eingriff in diese Grundrechte – Einschränkungen der Ausübung dieser Rechte – Zulässigkeit – Voraussetzungen

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 7, 8 und 52 Abs. 1; Verordnung 2019/1157 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 3 Abs. 5)

(vgl. Rn. 75, 76, 79, 81, 84, 90-92, 98-101, 104, 108-110, 119, 120, 123, 124)

5.        Zur Vorabentscheidung vorgelegte Fragen – Gültigkeitsprüfung – Feststellung der Ungültigkeit einer Verordnung – Feststellung der Ungültigkeit der Verordnung zur Erhöhung der Sicherheit der Ausweisdokumente von Unionsbürgern und der Aufenthaltsdokumente, die Unionsbürgern und deren Familienangehörigen ausgestellt werden, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben – Wirkungen – Zeitliche Begrenzung

(Verordnung 2019/1157 des Europäischen Parlaments und des Rates)

(vgl. Rn. 126-128, Tenor 1 und 2)

Zusammenfassung

Auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Wiesbaden (Deutschland) hin erklärt der Gerichtshof (Große Kammer) die Verordnung 2019/1157 zur Erhöhung der Sicherheit von Personalausweisen von Unionsbürgern(1), soweit sie auf einer falschen Rechtsgrundlage erlassen wurde, für ungültig. Er stellt jedoch fest, dass die in dieser Verordnung vorgesehene Verpflichtung zur Aufnahme zweier Fingerabdrücke in die Personalausweise insbesondere mit den Grundrechten auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten vereinbar ist. Der Gerichtshof erhält daher die Wirkungen dieser Verordnung bis zum Inkrafttreten einer neuen, auf die geeignete spezifische Rechtsgrundlage gestützten Verordnung, die sie ersetzt, aufrecht.

Im November 2021 beantragte der Kläger des Ausgangsverfahrens bei der Stadt Wiesbaden(2) die Ausstellung eines neuen Personalausweises, ohne dass seine Fingerabdrücke in diesen Ausweis aufgenommen würden. Die Stadt Wiesbaden lehnte diesen Antrag u. a. mit der Begründung ab, dass nach der nationalen Rechtsvorschrift, die Art. 3 Abs. 5 der Verordnung 2019/1157 umsetze, seit dem 2. August 2021 die Aufnahme von zwei Fingerabdrücken in das Speichermedium von Personalausweisen verpflichtend sei.

Am 21. Dezember 2021 erhob der Kläger des Ausgangsverfahrens beim vorlegenden Gericht Klage gegen den Bescheid der Stadt Wiesbaden mit dem Ziel, diese zu verpflichten, ihm einen Personalausweis ohne Erfassung seiner Fingerabdrücke auszustellen.

Das vorlegende Gericht hat insbesondere aufgrund von Bedenken im Hinblick auf die Gültigkeit der Verordnung 2019/1157 Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Gründe des angefochtenen Bescheids. Es hat daher das Verfahren ausgesetzt, um dem Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob diese Verordnung ungültig ist, weil sie erstens zu Unrecht auf der Grundlage von Art. 21 Abs. 2 AEUV statt auf der Grundlage von Art. 77 Abs. 3 AEUV erlassen worden sei, zweitens die Datenschutz-Grundverordnung(3) verletze und drittens gegen die Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union(4) verstoße.

Würdigung durch den Gerichtshof

Zum ersten Ungültigkeitsgrund: Wahl einer falschen Rechtsgrundlage

Zu den jeweiligen Anwendungsbereichen von Art. 21 Abs. 2 AEUV und Art. 77 Abs. 3 AEUV stellt der Gerichtshof fest, dass die der Union durch die erste dieser beiden Bestimmungen verliehene Zuständigkeit zum Erlass der Bestimmungen, die erforderlich sind, um die Ausübung des Rechts der Unionsbürger zu erleichtern, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten(5), vorbehaltlich der hierfür in den Verträgen vorgesehenen Befugnisse gilt. Art. 77 Abs. 3 AEUV(6) sieht solche Befugnisse jedoch ausdrücklich für den Erlass von Bestimmungen betreffend Pässe, Personalausweise, Aufenthaltstitel oder diesen gleichgestellte Dokumente vor, die den Unionsbürgern ausgestellt werden, um ihnen die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt zu erleichtern.

Zwar befindet sich die zweitgenannte Bestimmung in dem Titel des AEUV, der dem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts gewidmet ist, und zwar im Kapitel „Politik im Bereich Grenzkontrollen, Asyl und Einwanderung“. Aus Art. 77 Abs. 1 AEUV geht jedoch hervor, dass die Union eine Politik entwickelt, mit der sichergestellt werden soll, dass Personen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit beim Überschreiten der Binnengrenzen nicht kontrolliert werden, mit der die Personenkontrolle und die wirksame Überwachung des Grenzübertritts an den Außengrenzen sichergestellt werden soll und mit der schrittweise ein integriertes Grenzschutzsystem an diesen Grenzen eingeführt werden soll. Die in Art. 77 Abs. 3 AEUV genannten Bestimmungen(7) sind integraler Bestandteil einer solchen Unionspolitik. Den Unionsbürgern ermöglichen diese Dokumente nämlich u. a., nachzuweisen, dass sie das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt genießen, und somit dieses Recht auszuüben. Daher kann Art. 77 Abs. 3 AEUV Grundlage für den Erlass von Maßnahmen betreffend diese Dokumente sein, wenn ein solches Tätigwerden erforderlich erscheint, um die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt zu erleichtern.

Diese Auslegung der Tragweite von Art. 77 Abs. 3 AEUV wird weder durch die historische Entwicklung, die die Verträge mit Blick auf die Zuständigkeit der Union für den Erlass von Maßnahmen betreffend u. a. Pässe und Personalausweise erfahren haben, noch durch den Umstand entkräftet, dass diese Bestimmung vorsieht, das sie anwendbar ist, „sofern die Verträge hierfür anderweitig keine Befugnisse vorsehen“.

Insoweit stellt der Gerichtshof zum einen fest, dass mit dem Vertrag von Lissabon zwar die Bestimmung(8) gestrichen wurde, die ausdrücklich die Möglichkeit des Unionsgesetzgebers ausschloss, auf Art. 18 Abs. 2 EG (jetzt Art. 21 Abs. 2 AEUV) als Rechtsgrundlage für den Erlass von u. a. „Vorschriften betreffend Pässe [und] Personalausweise“ zurückzugreifen. Zugleich hat dieser Vertrag der Union in Art. 77 Abs. 3 AEUV jedoch ausdrücklich eine Befugnis in diesem Bereich eingeräumt und den Erlass von Maßnahmen in diesem Bereich einem besonderen Gesetzgebungsverfahren sowie insbesondere der Einstimmigkeit im Rat unterworfen.

Unter diesen Umständen kann diese Streichung nicht bedeuten, dass es nunmehr möglich wäre, Bestimmungen betreffend Pässe und Personalausweise auf der Grundlage von Art. 21 Abs. 2 AEUV zu erlassen. Vielmehr ergibt sich nach Auffassung des Gerichtshofs aus der historischen Entwicklung, dass die Verfasser der Verträge mit Art. 77 Abs. 3 AEUV der Union eine spezifischere Zuständigkeit für den Erlass solcher Bestimmungen zur Erleichterung der Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt verleihen wollten als die in Art. 21 Abs. 2 AEUV vorgesehene allgemeinere Zuständigkeit.

Zum anderen ist der Hinweis, dass Art. 77 Abs. 3 AEUV anwendbar ist, „sofern die Verträge hierfür anderweitig keine Befugnisse vorsehen“, dahin auszulegen, dass es sich bei diesen Befugnissen um solche handelt, die nicht durch eine allgemeinere Bestimmung wie Art. 21 Abs. 2 AEUV, sondern durch eine noch spezifischere Bestimmung verliehen werden.

Der Gerichtshof leitet daraus ab, dass die Verordnung 2019/1157 nur unter der Voraussetzung auf Art. 21 Abs. 2 AEUV gestützt werden konnte, dass die hauptsächliche oder überwiegende Zielsetzung oder Komponente dieser Verordnung außerhalb des spezifischen Anwendungsbereichs von Art. 77 Abs. 3 AEUV liegt, der die Ausstellung von Pässen, Personalausweisen, Aufenthaltstiteln oder diesen gleichgestellten Dokumente zum Gegenstand hat, um die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt zu erleichtern.

Aus der hauptsächlichen Zielsetzung und den hauptsächlichen Komponenten der Verordnung 2019/1157 ergibt sich jedoch, dass die Verordnung in den spezifischen Anwendungsbereich von Art. 77 Abs. 3 AEUV fällt. Folglich hat der Unionsgesetzgeber, als er diese Verordnung auf der Grundlage von Art. 21 Abs. 2 AEUV und in Anwendung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens erlassen hat, eine falsche Rechtsgrundlage angewandt, was geeignet ist, zur Ungültigkeit dieser Verordnung zu führen.

Zum zweiten Ungültigkeitsgrund: Verstoß gegen Art. 35 Abs. 10 DSGVO

Unter Hinweis darauf, dass die Verordnung 2019/1157 keinen Vorgang im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten durchführt, sondern lediglich vorsieht, dass die Mitgliedstaaten im Fall der Beantragung eines Personalausweises bestimmte Verarbeitungen vornehmen, stellt der Gerichtshof fest, dass Art. 35 Abs. 1 DSGVO(9) beim Erlass der Verordnung 2019/1157 nicht anzuwenden war. Da Art. 35 Abs. 10 DSGVO eine Ausnahme von Art. 35 Abs. 1 DSGVO einführt, konnte der Erlass der Verordnung 2019/1157 folglich nicht gegen Art. 35 Abs. 10 DSGVO verstoßen.

Zum dritten Ungültigkeitsgrund: Verstoß gegen die Art. 7 und 8 der Charta

Als Erstes weist der Gerichtshof darauf hin, dass die in Art. 3 Abs. 5 der Verordnung 2019/1157 vorgesehene Verpflichtung, zwei vollständige Fingerabdrücke in das Speichermedium der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Personalausweise aufzunehmen, eine Einschränkung sowohl des Rechts auf Achtung des Privatlebens als auch des Rechts auf Schutz personenbezogener Daten darstellt, die in Art. 7 bzw. Art. 8 der Charta verankert sind(10). Darüber hinaus geht diese Verpflichtung mit der vorherigen Durchführung zweier aufeinanderfolgender Vorgänge der Verarbeitung personenbezogener Daten einher, nämlich der Erfassung dieser Fingerabdrücke bei der betroffenen Person sowie ihrer vorläufigen Speicherung für die Zwecke der Personalisierung von Personalausweisen, die ebenfalls Einschränkungen der in den Art. 7 und 8 der Charta verankerten Rechte darstellen.

Als Zweites prüft der Gerichtshof, ob die in Rede stehenden Einschränkungen gerechtfertigt und verhältnismäßig sind.

Hierzu stellt er fest, dass zum einen die in Rede stehenden Einschränkungen dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit genügen und nicht den Wesensgehalt der in den Art. 7 und 8 der Charta verankerten Grundrechte berühren.

Zum anderen führt der Gerichtshof in Bezug auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erstens aus, dass mit der in Rede stehenden Maßnahme mehrere von der Union anerkannte, dem Gemeinwohl dienende Zielsetzungen, nämlich die Bekämpfung der Herstellung gefälschter Personalausweise und des Identitätsdiebstahls sowie die Interoperabilität der Überprüfungssysteme, verfolgt werden und dass sie zur Erreichung dieser Zielsetzungen geeignet ist. Die Aufnahme von Fingerabdrücken in Personalausweise erschwert nämlich die Herstellung gefälschter Personalausweise. Sie ermöglicht es auch, die Echtheit des Personalausweises und die Identität des Ausweisinhabers zuverlässig zu überprüfen und so das Betrugsrisiko zu verringern. Was das Ziel der Interoperabilität der Systeme zur Überprüfung von Personalausweisen anbelangt, so kann durch den Rückgriff auf vollständige Fingerabdrücke die Kompatibilität mit allen von den Mitgliedstaaten verwendeten automatisierten Systemen zur Identifizierung von Fingerabdrücken gewährleistet werden, auch wenn diese Systeme nicht notwendigerweise denselben Identifizierungsmechanismus anwenden.

Zweitens stellt der Gerichtshof fest, dass sich die in Rede stehenden Einschränkungen auf das absolut Notwendige beschränken, um die verfolgten Zielsetzungen zu erreichen.

Was den Grundsatz der Aufnahme von Fingerabdrücken in das Speichermedium von Personalausweisen betrifft, handelt es sich nämlich um ein zuverlässiges und wirksames Mittel, um die Identität einer Person mit Sicherheit festzustellen. Insbesondere wäre die Aufnahme allein eines Gesichtsbilds ein weniger wirksames Identifizierungsmittel als die zusätzlich zu diesem Bild erfolgende Aufnahme von zwei Fingerabdrücken, da verschiedene Faktoren die anatomischen Merkmale des Gesichts verändern können. Außerdem ist das Verfahren zur Erfassung dieser Fingerabdrücke einfach durchzuführen.

Was die Aufnahme zweier vollständiger Fingerabdrücke statt bestimmter charakteristischer Punkte dieser Abdrücke betrifft, bietet diese zweite Option nicht dieselben Garantien wie ein vollständiger Abdruck, und die Aufnahme eines vollständigen Abdrucks ist auch für die Interoperabilität der Systeme zur Überprüfung von Identitätsdokumenten erforderlich. Die Mitgliedstaaten verwenden nämlich unterschiedliche Technologien zur Fingerabdruck‑Identifizierung. Würden nur bestimmte Merkmale eines Fingerabdrucks in das Speichermedium des Personalausweises aufgenommen, würde folglich die Verwirklichung des Ziels der Interoperabilität gefährdet.

Drittens ist der Gerichtshof der Auffassung, dass angesichts der Art der in Rede stehenden Daten, der Art und der Modalitäten der Verarbeitungsvorgänge sowie der vorgesehenen Schutzmechanismen die auf diese Weise vorgenommenen Einschränkungen der in den Art. 7 und 8 der Charta verankerten Grundrechte nicht so schwerwiegend sind, dass sie außer Verhältnis zur Bedeutung der verfolgten Zielsetzungen stünden, sondern dass die in Rede stehende Maßnahme vielmehr auf einer ausgewogenen Gewichtung zwischen den von ihr verfolgten Zielsetzungen und den betroffenen Grundrechten beruht.


1      Verordnung (EU) 2019/1157 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Erhöhung der Sicherheit der Personalausweise von Unionsbürgern und der Aufenthaltsdokumente, die Unionsbürgern und deren Familienangehörigen ausgestellt werden, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben (ABl. 2019, L 188, S. 67).


2      Landeshauptstadt Wiesbaden (Deutschland).


3      Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1, im Folgenden: DSGVO).


4      Im Folgenden: Charta. Diese Bestimmungen betreffen die Achtung des Privat- und Familienlebens bzw. den Schutz personenbezogener Daten.


5      Recht aus Art. 20 Abs. 2 Buchst. a AEUV. Im Folgenden: Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt.


6      Diese Bestimmung lautet: „Erscheint zur Erleichterung der Ausübung des in Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe a genannten Rechts ein Tätigwerden der Union erforderlich, so kann der Rat gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren Bestimmungen betreffend Pässe, Personalausweise, Aufenthaltstitel oder diesen gleichgestellte Dokumente erlassen, sofern die Verträge hierfür anderweitig keine Befugnisse vorsehen. Der Rat beschließt einstimmig nach Anhörung des Europäischen Parlaments.“


7      Das heißt die Bestimmungen betreffend Pässe, Personalausweise, Aufenthaltstitel oder diesen gleichgestellte Dokumente (im Folgenden: Bestimmungen betreffend Pässe und Personalausweise).


8      Diese Bestimmung war zuvor in Art. 18 Abs. 3 EG enthalten.


9      Diese Bestimmung sieht vor, dass der Verantwortliche bei einer Verarbeitung personenbezogener Daten, die voraussichtlich ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen zur Folge hat, vorab eine Abschätzung der Folgen der vorgesehenen Verarbeitungsvorgänge für den Schutz personenbezogener Daten durchführt.


10      Diese Einschränkungen der Ausübung der in den Art. 7 und 8 der Charta garantierten Grundrechte und die Verpflichtung, zwei vollständige Fingerabdrücke in das Speichermedium der Personalausweise aufzunehmen, werden im Folgenden als „die in Rede stehenden Einschränkungen“ bzw. „die in Rede stehende Maßnahme“ bezeichnet.