Language of document : ECLI:EU:T:2005:31

Rechtssache T-19/01

Chiquita Brands International Inc. u. a.

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Gemeinsame Marktorganisation – Bananen – Klage auf Schadensersatz – Verordnung EG Nr. 2362/98 – Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation und die Übereinkünfte in seinen Anhängen – Empfehlungen und Entscheidungen des Streitbeilegungsgremiums der Welthandelsorganisation“

Leitsätze des Urteils

1.      Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Ermittlung des Streitgegenstands – Kurze Darstellung der Klagegründe – Klage auf Ersatz der von einem Gemeinschaftsorgan verursachten Schäden – Mindestanforderungen

(Verfahrensordnung des Gerichts, Artikel 44 § 1 Buchstabe c)

2.      Außervertragliche Haftung – Voraussetzungen – Rechtswidrigkeit – Schaden – Kausalzusammenhang – Keine Möglichkeit der Berufung auf die WTO‑Übereinkünfte, um die Rechtswidrigkeit einer Gemeinschaftshandlung geltend zu machen – Ausnahmen – Gemeinschaftshandlung, die der Umsetzung der WTO‑Übereinkünfte dient oder ausdrücklich und speziell auf sie Bezug nimmt – Fehlen einer solchen Handlung – Haftung der Gemeinschaft – Ausschluss

(Artikel 288 Absatz 2 EG; Verordnungen Nrn. 404/93 und 1637/98 des Rates; Verordnung Nr. 2362/98 der Kommission)

3.      Landwirtschaft – Gemeinsame Marktorganisation – Bananen – Einfuhrregelung – Zollkontingent – Einführung und Aufteilung – Übertragung der Durchführungsbefugnis auf die Kommission unter Einräumung eines weiten Ermessens

(Artikel 211 EG; Verordnungen Nrn. 404/93, Artikel 19 Buchstabe 1, und 1637/98 des Rates)

4.      Landwirtschaft – Gemeinsame Marktorganisation – Bananen – Einfuhrregelung – Zollkontingent – Einführung und Aufteilung – Diskriminierungsverbot – Verstoß – Fehlen

(Verordnungen Nrn. 404/93 und 1637/98 des Rates; Verordnungen Nrn. 1442/93 und 2362/98 der Kommission)

5.      Landwirtschaft – Gemeinsame Marktorganisation – Bananen – Einfuhrregelung – Zollkontingent – Einführung und Aufteilung – Freie Berufsausübung – Verstoß – Fehlen

(Verordnungen Nrn. 404/93 und 1637/98 des Rates; Verordnung Nr. 2362/98 der Kommission)

6.      Landwirtschaft – Gemeinsame Marktorganisation – Bananen – Einfuhrregelung – Zollkontingent – Einführung und Aufteilung – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Verstoß – Fehlen

(Verordnungen Nrn. 404/93 und 1637/98 des Rates; Verordnung Nr. 2362/98 der Kommission)

7.      Landwirtschaft – Gemeinsame Marktorganisation – Bananen – Einfuhrregelung – Zollkontingent – Einführung und Aufteilung – Grundsatz des Vertrauensschutzes – Verstoß – Fehlen

(Verordnungen Nrn. 404/93 und 1637/98 des Rates; Verordnungen Nrn. 1442/93 und 2362/98 der Kommission)

1.      Nach Artikel 44 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichts muss die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Diese Darstellung muss aus sich selbst heraus hinreichend klar und deutlich sein, damit der Beklagte seine Verteidigung vorbereiten und das Gericht, gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen, über die Klage entscheiden kann. Um die Rechtssicherheit und eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu gewährleisten, ist es für die Zulässigkeit einer Klage daher erforderlich, dass sich die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sich die Klage stützt, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben.

Eine Klage auf Ersatz der von einem Gemeinschaftsorgan verursachten Schäden genügt diesen Erfordernissen nur, wenn sie Angaben enthält, anhand deren sich das dem Organ vom Kläger vorgeworfene Verhalten bestimmen lässt, die Gründe angibt, aus denen nach Auffassung des Klägers ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten und dem angeblich erlittenen Schaden besteht, sowie Art und Umfang dieses Schadens bezeichnet.

(vgl. Randnrn. 64-65, 191)

2.      Die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft nach Artikel 288 Absatz 2 EG setzt voraus, dass mehrere Bedingungen erfüllt sind, nämlich die Rechtswidrigkeit des dem betreffenden Organ vorgeworfenen Verhaltens, das Vorliegen eines Schadens und das Bestehen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen diesem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden. Jedoch gehören die Übereinkünfte der Welthandelsorganisation (WTO) wegen ihrer Natur und ihrer Struktur grundsätzlich nicht zu den Vorschriften, an denen der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane misst.

Nur wenn die Gemeinschaft eine bestimmte, im Rahmen der WTO übernommene Verpflichtung umsetzt oder wenn der gemeinschaftliche Rechtsakt ausdrücklich auf spezielle Bestimmungen der WTO-Übereinkünfte verweist, ist es Sache des Gerichtshofes und des Gerichts, die Rechtmäßigkeit des fraglichen gemeinschaftlichen Rechtsakts anhand der Vorschriften der WTO zu prüfen.

Mit dem Erlass der Regelung von 1999, insbesondere der Verordnung Nr. 2362/98 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung Nr. 404/93 betreffend die Einfuhrregelung für Bananen in die Gemeinschaft, wollte diese nicht eine bestimmte, im Rahmen der WTO‑Übereinkünfte übernommene Verpflichtung umsetzen; folglich kann die Klägerin einen Verstoß der Gemeinschaft gegen ihre Verpflichtungen aus diesen Übereinkünften nicht geltend machen.

(vgl. Randnrn. 76, 114-115, 170)

3.      Laut Artikel 211 vierter Gedankenstrich EG übt die Kommission, um das ordnungsgemäße Funktionieren und die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes zu gewährleisten, die Befugnisse aus, die ihr der Rat zur Durchführung der von ihm erlassenen Vorschriften überträgt. Dabei ergibt sich aus dem gesamten Zusammenhang des EG‑Vertrags, in den Artikel 211 EG gestellt werden muss, und aus den Anforderungen der Praxis, dass der Begriff Durchführung weit auszulegen ist. Da nur die Kommission in der Lage ist, die Entwicklung der Agrarmärkte ständig und aufmerksam zu verfolgen, um mit der gebotenen Schnelligkeit zu handeln, kann sich der Rat veranlasst sehen, ihr auf diesem Gebiet weitgehende Befugnisse zu übertragen. Daher sind die Grenzen dieser Befugnisse namentlich nach den allgemeinen Hauptzielen der Marktorganisation zu beurteilen; dabei ist die Kommission befugt, alle für die Durchführung der Grundverordnung erforderlichen oder zweckmäßigen Maßnahmen zu ergreifen, soweit diese nicht gegen die Grundverordnung oder gegen die Anwendungsregeln des Rates verstoßen.

Da der Rat im vorliegenden Fall der Kommission aufgab, gemäß Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung Nr. 404/93 über die gemeinsame Marktorganisation für Bananen in der Fassung der Verordnung Nr. 1637/98 Vorschriften für die Verwaltung der Zollkontingente nach der Methode der traditionellen Handelsströme und außerdem die notwendigen Maßnahmen zur Einhaltung der Verpflichtungen, die sich aus den von der Gemeinschaft in Übereinstimmung mit Artikel 300 EG geschlossenen Abkommen ergeben, zu erlassen, hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Kommission die Grenzen des ihr vom Rat eingeräumten Ermessens offenkundig überschritten hat, als sie diese Ziele durch den Erlass von Vorschriften über die Erteilung der Einfuhrlizenzen und die Aufteilung der nationalen Kontingente im Rahmen der Verordnung Nr. 2362/98 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung Nr. 404/93 betreffend die Einfuhrregelung für Bananen in die Gemeinschaft miteinander in Einklang zu bringen versuchte.

(vgl. Randnrn. 183-185)

4.      Obgleich die Marktbeteiligten, die auf den Handel mit Bananen lateinamerikanischer Herkunft spezialisiert sind, einerseits und die Marktbeteiligten, die auf den Handel mit aus der Gemeinschaft oder den AKP‑Staaten stammenden Bananen spezialisiert sind, andererseits durch die Regelung von 1993 in unterschiedlicher Weise betroffen wurden, war diese unterschiedliche Behandlung naturgemäß mit den Zielen verbunden, bisher abgeschottete Märkte zu integrieren und den Absatz der Bananen aus der Gemeinschaft oder den AKP‑Staaten zu sichern.

Auch wenn sich der Gemeinschaftsmarkt für Bananen infolge der Schaffung der gemeinsamen Marktorganisation für Bananen und der fünfjährigen Geltung der Regelung von 1993 tiefgreifend veränderte, haben doch die Vorschriften der Verordnung Nr. 1637/98 zur Änderung der Verordnung Nr. 404/93 über die gemeinsame Marktorganisation für Bananen an den Zielen einer Integration der nationalen Märkte und der Sicherung des Absatzes der Gemeinschafts- und AKP‑Bananen nichts geändert, sondern lediglich die Regelung für den Handel mit Drittländern durch eine Umgestaltung ihrer Funktionsweise modifiziert. Folglich bleibt auch nach der Regelung von 1999 eine unterschiedliche Behandlung der Marktbeteiligten naturgemäß mit den Zielen der gemeinsamen Marktorganisation für Bananen verbunden und kann damit keine Verletzung des Diskriminierungsverbots darstellen, die eine Haftung der Gemeinschaft auslösen könnte.

(vgl. Randnrn. 207, 209, 211-212)

5.      Die freie Berufsausübung darf namentlich im Rahmen einer gemeinsamen Marktorganisation Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese Beschränkungen tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet.

Da mit der Regelung von 1999 unverändert die bereits der Verordnung Nr. 404/93 zugrunde liegenden Ziele des Gemeinwohls verfolgt werden, also die Integration der nationalen Märkte und der Absatz von Gemeinschafts‑ und AKP‑Bananen, lässt die seit dem Inkrafttreten der gemeinsamen Marktorganisation für Bananen zu verzeichnende Entwicklung der wirtschaftlichen Bedingungen, auf die sich die Klägerin beruft, nicht den Schluss zu, dass eine nicht tragbare Beeinträchtigung ihrer Rechte vorläge, die mit diesen Zielen des Gemeinwohls nicht in Einklang stünde.

(vgl. Randnrn. 220-221)

6.      Angesichts des weiten Ermessens, über das der Gemeinschaftsgesetzgeber auf dem Gebiet der gemeinsamen Agrarpolitik verfügt, kann die Rechtmäßigkeit einer in diesem Bereich erlassenen Maßnahme nur dann beeinträchtigt sein, wenn diese Maßnahme zur Erreichung des Zieles, das das zuständige Organ verfolgt, offensichtlich ungeeignet ist. Diese Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle ist insbesondere dann geboten, wenn sich der Rat und die Kommission veranlasst sehen, bei der Verwirklichung einer gemeinsamen Marktorganisation einen Ausgleich zwischen divergierenden Interessen herbeizuführen und auf diese Weise im Rahmen der in ihre eigene Verantwortung fallenden politischen Entscheidungen eine Auswahl zu treffen.

Da die Kommission im vorliegenden Fall bei dem Erlass der Verordnung Nr. 2362/98 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung Nr. 404/93 über die gemeinsame Marktorganisation für Bananen bestrebt war, die naturgemäß mit der gemeinsamen Marktorganisation für Bananen verbundenen Ziele mit der Einhaltung der internationalen Verpflichtungen der Gemeinschaft aus den WTO‑Übereinkünften und dem Abkommen von Lomé in Einklang zu bringen und dabei zugleich dem Willen des Rates Rechnung zu tragen, wonach die Zollkontingente gemäß der Methode der traditionellen Handelsströme verwaltet werden sollten, oblag es der Klägerin, den – von ihr jedoch nicht geführten – Beweis zu erbringen, dass die Vorschriften der Verordnung Nr. 2362/98 über die Einfuhrlizenzvergabe und die Aufteilung der nationalen Zollunterkontingente offensichtlich ungeeignet sind, um den angestrebten Zweck zu erreichen, und über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist.

(vgl. Randnrn. 228-230)

7.      Auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes kann sich jeder Wirtschaftsteilnehmer berufen, bei dem ein Gemeinschaftsorgan begründete Erwartungen geweckt hat.

Insoweit konnte aber, da die Klägerin an den Streitbeilegungsverfahren zwischen der Gemeinschaft und ihren Handelspartnern wegen der Regelungen von 1993 und 1999 nicht als Partei beteiligt war, der Meinungsaustausch zwischen Letzteren solche begründeten Erwartungen nicht erwecken.

Überdies ist angesichts der Komplexität der Vorschriften der Übereinkünfte und der Ungenauigkeit einiger Begriffe, auf die sie Bezug nehmen, davon auszugehen, dass der in Artikel 26 des Wiener Übereinkommens niedergelegte Grundsatz, dem zufolge internationale Verträge nach Treu und Glauben zu erfüllen sind, zwar von der Gemeinschaft angemessene Bemühungen verlangt, um den Erlass von Maßnahmen zu erreichen, die mit den WTO‑Übereinkünften in Einklang stehen, er ihr aber die Bestimmung der Form und der Mittel überlässt, mit denen dieses Ziel verwirklicht werden soll. Angesichts des Ermessens, über das die Gemeinschaftsorgane bei der Wahl der erforderlichen Mittel für die Durchführung ihrer Politik und die Erfüllung ihrer internationalen Verpflichtungen verfügten, kann die Klägerin nicht geltend machen, dass sie berechtigtes Vertrauen in eine ihren Interessen entsprechende Änderung der Regelung von 1993 gesetzt habe.

(vgl. Randnrn. 255-256)