Language of document : ECLI:EU:T:2010:255

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

25. Juni 2010(*)

„Wettbewerb – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Sodamarkt im Vereinigten Königreich – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 82 EG festgestellt wird – Verjährung der Befugnis der Kommission zur Festsetzung von Geldbußen oder Sanktionen – Angemessene Frist – Wesentliche Formvorschriften – Rechtskraft – Vorliegen der beherrschenden Stellung – Missbräuchliche Ausnutzung der beherrschenden Stellung – Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten – Geldbuße – Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung – Mildernde Umstände“

In der Rechtssache T‑66/01

Imperial Chemical Industries Ltd, vormals Imperial Chemical Industries plc, mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigte: zunächst D. Vaughan, D. Anderson, QC, S. Lee, Barrister, S. Turner, S. Berwick und R. Coles, Solicitors, dann D. Vaughan, S. Lee, S. Berwick und S. Ford, Barrister,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch J. Currall und P. Oliver als Bevollmächtigte im Beistand von J. Flynn, QC, und C. West, Barrister,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/7/EG der Kommission vom 13. Dezember 2000 in einem Verfahren nach Artikel 82 [EG] (COMP/33.133 – D: Natriumkarbonat – ICI) (ABl. 2003, L 10, S. 33) und, hilfsweise, Nichtigerklärung oder Herabsetzung der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. W. H. Meij sowie der Richter V. Vadapalas (Berichterstatter) und A. Dittrich,

Kanzler: K. Pocheć, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juni 2008

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1        Die Klägerin, die Imperial Chemical Industries Ltd, vormals Imperial Chemical Industries plc, eine Gesellschaft nach dem Recht des Vereinigten Königreichs, ist auf dem Chemiesektor tätig. Zum Zeitpunkt des Sachverhalts stellte sie u. a. Natriumkarbonat her.

2        Natriumkarbonat kommt in der Natur als Trona vor (Natursoda) oder wird durch ein chemisches Verfahren hergestellt (synthetische Soda). Zur Gewinnung von Natursoda wird Mineral Trona zermahlen, gereinigt und kalziniert. Synthetische Soda entsteht aus der Reaktion von gewöhnlichem Salz mit Kalk in dem 1863 von den Brüdern Solvay entwickelten „Ammoniak-Soda“-Verfahren.

3        Im April 1989 führte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften bei den verschiedenen Gemeinschaftsherstellern von Natriumkarbonat Nachprüfungen gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] des Vertrags (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), in der im maßgeblichen Zeitraum geltenden Fassung, durch.

4        Am 19. Juni 1989 richtete die Kommission ein Auskunftsverlangen gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 17 an die Klägerin, das diese am 14. September 1989 beantwortete.

5        Am 19. Februar 1990 beschloss die Kommission, nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 17 von Amts wegen ein Verfahren gegen die Klägerin, Solvay und die Chemische Fabrik Kalk (im Folgenden: CFK) einzuleiten.

6        Am 13. März 1990 richtete die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Klägerin, an Solvay und an CFK. Jede dieser Gesellschaften erhielt nur den sie betreffenden Teil oder die sie betreffenden Teile der Mitteilung der Beschwerdepunkte, denen die dazugehörigen belastenden Beweise beigefügt waren.

7        Die Kommission erstellte eine einzige Akte für alle in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannten Zuwiderhandlungen.

8        Was die vorliegende Rechtssache betrifft, kam die Kommission im Abschnitt V der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu dem Ergebnis, dass die Klägerin ihre beherrschende Stellung auf dem Natriumkarbonatmarkt des Vereinigten Königreichs missbraucht habe.

9        Am 31. Mai 1990 nahm die Klägerin zu den Beschwerdepunkten der Kommission schriftlich Stellung. Am 26. und 27. Juni 1990 wurde sie von der Kommission angehört.

10      Am 19. Dezember 1990 erließ die Kommission die Entscheidung 91/300/EWG in einem Verfahren nach Artikel [82 EG] (IV/33.133 –D: Soda – ICI) (IV/33.133 – C: Soda – Solvay) (ABl. 1991, L 152, S. 40). In dieser Entscheidung, die der Klägerin mit Schreiben vom 1. März 1991 zugestellt wurde, stellte sie fest, dass „[die Klägerin] von etwa 1983 bis zum jetzigen Zeitpunkt gegen Artikel [82 EG] durch ein Verhalten verstoßen [hat], das darauf abzielte, den Wettbewerb auszuschalten oder weitgehend einzuschränken, und das darin bestand, … erhebliche Rabatte und sonstige finanzielle Anreize für Spitzenmengen zu gewähren, um sicherzustellen, dass die Abnehmer ihren gesamten Bedarf oder den größten Teil ihres Bedarfs von [ihr] beziehen; … die Einwilligung von Abnehmern zu erwirken, ihren gesamten Bedarf oder den größten Teil ihres Bedarfs von ihr zu beziehen und/oder ihre Bezüge von konkurrierender Ware auf eine bestimmte Menge zu begrenzen; … zumindest in einem Fall die Gewährung von Rabatten und sonstigen finanziellen Vorteilen davon abhängig zu machen, dass der Abnehmer einwilligt, seinen gesamten Bedarf von [ihr] zu beziehen“.

11      Mit Art. 3 der Entscheidung 91/300 „[wird w]egen des [festgestellten] Verstoßes … gegen [die Klägerin] eine Geldbuße in Höhe von [zehn] Millionen ECU festgesetzt“.

12      Am selben Tag erließ die Kommission zudem die Entscheidung 91/297/EWG in einem Verfahren nach Artikel [81 EG] (IV/33.133 – A: Soda – Solvay, ICI) (ABl. 1991, L 152, S. 1), in der sie feststellte, dass „[Solvay] und [die Klägerin] gegen Artikel [81 EG] verstoßen [haben], indem sie seit 1. Januar 1973 [und] zumindest bis zur Einleitung dieses Verfahrens an einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise teilgenommen haben, mit der sie ihre Sodaverkäufe in der Gemeinschaft auf ihren jeweiligen Heimatmarkt, d. h. den westeuropäischen Kontinent im Fall von Solvay und das Vereinigte Königreich und Irland im Fall [der Klägerin], beschränkten“. Gegen Solvay und die Klägerin wurde jeweils eine Geldbuße von sieben Millionen ECU verhängt.

13      Am selben Tag erließ die Kommission ferner die Entscheidung 91/298/EWG in einem Verfahren nach Artikel [81 EG] (IV/33.133 – B: Soda – Solvay und CFK) (ABl. 1991, L 152, S. 16), in der sie feststellte, dass „[Solvay] und [CFK] … dadurch gegen Artikel [81 EG] verstoßen [haben], dass sie seit etwa 1987 [und] bis zum jetzigen Zeitpunkt an einer Marktaufteilungsvereinbarung teilgenommen haben, aufgrund der Solvay CFK eine jährliche Mindestabsatzmenge an kalzinierter Soda auf dem deutschen Markt, die auf der Grundlage des Jahresabsatzes von CFK im Jahr 1986 berechnet war, garantierte und CFK einen Ausgleich durch Aufkauf etwaiger Fehlmengen bis zur garantierten Mindestabsatzmenge gewährte“. Gegen Solvay und CFK wurde eine Geldbuße in Höhe von drei Millionen ECU bzw. einer Million ECU verhängt.

14      Am selben Tag erließ die Kommission außerdem die Entscheidung 91/299/EWG in einem Verfahren nach Artikel [82 EG] (IV/33.133 – C: Soda – Solvay) (ABl. 1991, L 152, S. 21), in der sie feststellte, dass „[Solvay] von etwa 1983 bis zum jetzigen Zeitpunkt gegen Artikel [82 EG] durch ein Verhalten verstoßen [hat], das darauf abzielte, den Wettbewerb auszuschalten oder weitgehend einzuschränken, und das darin bestand, … mit Abnehmern Vereinbarungen zu schließen, in denen ihnen zur Auflage gemacht wurde, für eine unbestimmte oder unvertretbar lange Zeit ihren gesamten Bedarf oder einen sehr großen Teil ihres Bedarfs an kalzinierter Soda von Solvay zu beziehen; … erhebliche Rabatte und sonstige finanzielle Anreize für Spitzenmengen über die vertraglich vereinbarte Grundmenge der Abnehmer hinaus zu gewähren, um sicherzustellen, dass diese ihren gesamten Bedarf oder den größten Teil ihres Bedarfs von Solvay beziehen; [und] die Gewährung von Rabatten davon abhängig zu machen, dass der Abnehmer einwilligt, seinen gesamten Bedarf von Solvay zu beziehen“. Gegen Solvay wurde eine Geldbuße in Höhe von 20 Millionen ECU festgesetzt.

15      Am 2. Mai 1991 beantragte Solvay die Nichtigerklärung der Entscheidungen 91/297, 91/298 und 91/299. Am 14. Mai 1991 erhob die Klägerin beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidungen 91/297 und 91/300.

16      Mit Urteil vom 29. Juni 1995, ICI/Kommission (T‑37/91, Slg. 1995, II‑1901, im Folgenden: Urteil ICI II), befand das Gericht, dass das Angriffsmittel einer Verletzung der Verteidigungsrechte in Bezug auf die Akteneinsicht insgesamt nicht durchgreift, und erklärte dann die Entscheidung 91/300 für nichtig, weil sie nach ihrer Zustellung festgestellt worden war, was eine Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift im Sinne des Art. 230 EG darstellte.

17      Am selben Tag erklärte das Gericht außerdem die Entscheidung 91/297 für nichtig (Urteile Solvay/Kommission, T‑30/91, Slg. 1995, II‑1775, im Folgenden: Urteil Solvay I, und ICI/Kommission, T‑36/91, Slg. 1995, II‑1847, im Folgenden: Urteil ICI I), soweit sie die Klägerinnen dieser beiden Rechtssachen betrifft, wegen Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht. Ferner erklärte das Gericht die Entscheidung 91/298 für nichtig (Urteil Solvay/Kommission, T‑31/91, Slg. 1995, II‑1821, im Folgenden: Urteil Solvay II), soweit sie Solvay betrifft, sowie die Entscheidung 91/299 (Urteil Solvay/Kommission, T‑32/91, Slg. 1995, II‑1825, im Folgenden: Urteil Solvay III) wegen nicht ordnungsgemäßer Feststellung der angefochtenen Entscheidungen.

18      Mit am 30. August 1995 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingereichten Rechtsmittelschriften legte die Kommission Rechtsmittel gegen die Urteile ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt), Solvay II und Solvay III (oben in Randnr. 17 angeführt) ein.

19      Mit Urteilen vom 6. April 2000, Kommission/ICI (C‑286/95 P, Slg. 2000, I‑2341) und Kommission/Solvay (C‑287/95 P und C‑288/95 P, Slg. 2000, I‑2391), wies der Gerichtshof die Rechtsmittel gegen die Urteile ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt), Solvay II und Solvay III (oben in Randnr. 17 angeführt) zurück.

20      Am Dienstag, 12. Dezember 2000, veröffentlichte eine Presseagentur folgende Pressemitteilung:

„Die Europäische Kommission wird am Mittwoch gegen die Chemieunternehmen Solvay SA und Imperial Chemical Industries plc … eine Geldbuße wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht der Europäischen Union verhängen, wie eine Sprecherin am heutigen Dienstag mitteilte.

Die Geldbußen wegen des Vorwurfs des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung auf dem Sodamarkt waren ursprünglich vor zehn Jahren verhängt worden, das höchste europäische Gericht hatte sie jedoch aus Verfahrensgründen für nichtig erklärt.

Die Sprecherin erklärte, die Kommission werde am Mittwoch dieselbe Entscheidung, jedoch in korrekter Form, neu erlassen.

In der Sache ist die Entscheidung von den Unternehmen nie bestritten worden. Wir erlassen dieselbe Entscheidung neu, sagte sie.“

21      Am 13. Dezember 2000 erließ die Kommission die Entscheidung 2003/7/EG in einem Verfahren nach Artikel 82 [EG] (COMP/33.133 – D: Natriumkarbonat – ICI) (ABl. 2003, L 10, S. 33, im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

22      Am selben Tag erließ die Kommission außerdem die Entscheidungen 2003/5/EG in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] (COMP/33.133 – B: Natriumkarbonat – Solvay, CFK) (ABl. 2003, L 10, S. 1) und 2003/6/EG in einem Verfahren nach Artikel 82 [EG] (COMP/33.133 – C: Natriumkarbonat – Solvay) (ABl. 2003, L 10, S. 10).

23      Die angefochtene Entscheidung enthält folgenden verfügenden Teil:

Artikel 1

[Die Klägerin] hat von etwa 1983 bis mindestens Ende 1989 durch ein Verhalten gegen Artikel 86 EWG-Vertrag (nunmehr Artikel 82 EG-Vertrag) verstoßen, das darauf abzielte, den Wettbewerb auszuschalten oder weitgehend einzuschränken, indem

a)      erhebliche Rabatte und sonstige finanzielle Anreize für Spitzenmengen gewährt wurden, um sicherzustellen, dass die Kunden ihren gesamten Bedarf oder den größten Teil ihres Bedarfs von [der Klägerin] beziehen;

b)      von Abnehmern die Zusage erwirkt wurde, ihren gesamten Bedarf oder den größten Teil ihres Bedarfs von [der Klägerin] zu beziehen und/oder ihre Bezüge von konkurrierender Ware auf eine bestimmte Menge zu begrenzen;

c)      zumindest in einem Fall die Gewährung von Rabatten und sonstigen finanziellen Vorteilen von der Einwilligung des Abnehmers abhängig gemacht wurde, seinen gesamten Bedarf von [der Klägerin] zu beziehen.

Artikel 2

Wegen des in Artikel 1 genannten Verstoßes wird [der Klägerin] eine Geldbuße in Höhe von [zehn] Mio. EUR auferlegt.

…“

24      Die angefochtene Entscheidung ist praktisch wortgleich mit der Entscheidung 91/300. Die Kommission nahm lediglich einige redaktionelle Änderungen vor und fügte einen neuen Abschnitt („Verfahren vor dem Gericht erster Instanz und dem Gerichtshof“) hinzu.

25      In diesem neuen Abschnitt der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission (T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Slg. 1999, II‑931, im Folgenden: Urteil PVC II des Gerichts), aus, sie sei „berechtigt …, eine Entscheidung neu zu erlassen, wenn diese allein aufgrund von Formfehlern für nichtig erklärt wurde[,] … ohne dass ein neues Verwaltungsverfahren eingeleitet werden muss“, und sie brauche „keine erneute mündliche Anhörung zu veranstalten, wenn der Wortlaut der neuen Entscheidung gegenüber der ersten Entscheidung keine neuen Beschwerdepunkte enthält“ (164. Erwägungsgrund).

26      Die Kommission führt in der angefochtenen Entscheidung ferner aus, die Verjährungsfrist sei gemäß Art. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2988/74 des Rates vom 26. November 1974 über die Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung im Verkehrs- und Wettbewerbsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. L 319, S. 1) um den Zeitraum zu verlängern, in dem das Verfahren gegen die Entscheidung 91/300 vor dem Gericht und dem Gerichtshof anhängig gewesen sei (Erwägungsgründe 169 und 170). Sie habe somit angesichts der Umstände des vorliegenden Falles bis Ende 2003 Zeit gehabt, eine neue Entscheidung zu erlassen (172. Erwägungsgrund). Überdies würden die Verteidigungsrechte nicht verletzt, wenn die neue Entscheidung innerhalb eines angemessenen Zeitraums erlassen werde (164. Erwägungsgrund).

27      Zur eigentlichen Zuwiderhandlung erläutert die Kommission in der angefochtenen Entscheidung, „der sachlich und räumlich relevante Markt, auf dem die wirtschaftliche Machtstellung [der Klägerin] zu beurteilen ist, ist … der Markt für kalzinierte Soda im Vereinigten Königreich“ (125. Erwägungsgrund).

28      Bei der Beurteilung der Marktposition der Klägerin in Bezug auf die vorliegende Rechtssache hebt die Kommission hervor, dass der angestammte Marktanteil der Klägerin von mehr als 90 % während des gesamten Untersuchungszeitraums an sich schon Ausdruck einer starken Marktposition sei (127. Erwägungsgrund). Sie untersucht sodann die relevanten wirtschaftlichen Gegebenheiten und kommt in der angefochtenen Entscheidung zu dem Schluss, dass die Klägerin in dem fraglichen Zeitraum durchweg eine beherrschende Stellung im Sinne von Art. 82 EG-Vertrag innegehabt habe.

29      Zum Missbrauch einer beherrschenden Stellung weist die Kommission in der angefochtenen Entscheidung auf die „Praxis der Bindung“ von Abnehmern an die Klägerin durch verschiedene Mechanismen hin, die alle dem gleichen wettbewerbsausschließenden Zweck gedient hätten (138. Erwägungsgrund). Im 139. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung führt sie hierzu aus, dass mit den Rabatten für Spitzenmengen ein tatsächlicher Wettbewerb habe ausgeschaltet werden sollen, indem

–        für die Abnehmer Anreize geschaffen worden seien, ihre Spitzenmengen, die ansonsten möglicherweise von einem Zweitlieferanten bezogen worden wären, von der Klägerin zu beziehen;

–        die Bedeutung von General Chemical als Konkurrent dadurch auf ein Mindestmaß beschränkt oder neutralisiert worden sei, dass ihre Marktpräsenz in punkto Preise, Mengen und Abnehmer innerhalb von Grenzen gehalten worden seien, die den Fortbestand des De-facto-Monopols der Klägerin gewährleistet hätten;

–        Brenntag vom Markt verdrängt oder zumindest ihre Bedeutung als Wettbewerber auf ein Mindestmaß beschränkt worden sei;

–        der Gefahr weitgehend vorgebeugt worden sei, dass sich die Abnehmer alternativen Versorgungsquellen zugewandt hätten;

–        das faktische Monopol der Klägerin auf dem Sodamarkt des Vereinigten Königreichs erhalten und verstärkt worden sei.

30      Weiter führt die Kommission in der angefochtenen Entscheidung aus, „[d]ie Vereinbarungen [der Klägerin] mit den Großkunden bedeuteten deren Bindung an [sie] für nahezu ihren gesamten Bedarf (und zumindest in einem Fall für den gesamten Bedarf), während der Wettbewerb durch andere Lieferanten auf ein Minimum beschränkt wurde“ (147. Erwägungsgrund).

31      Durch weitere finanzielle Anreize sei die beherrschende Stellung der Klägerin in einer Weise gefestigt worden, die mit der Wettbewerbsidee des Art. 82 EG unvereinbar sei (149. Erwägungsgrund).

32      Zu den Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten weist die Kommission in der angefochtenen Entscheidung darauf hin, dass die von der Klägerin getroffenen Maßnahmen zur Sicherung des Fortbestands ihrer beherrschenden Stellung und ihres De-facto-Monopols im Vereinigten Königreich zwar in erster Linie auf den direkten Wettbewerb aus Drittländern (USA und Polen) und nicht so sehr auf den Wettbewerb anderer Gemeinschaftshersteller abgestellt gewesen seien, doch müssten die Rabatte für Spitzenmengen und sonstigen wettbewerbsausschließenden Praktiken vor dem Hintergrund des Phänomens einer strikten Trennung der nationalen Märkte in der Gemeinschaft gesehen werden. Der Klägerin sei besonders daran gelegen gewesen, dass General Chemical auf dem fraglichen Markt als „Alternativlieferant“ erhalten geblieben sei: Hätte sich General Chemical gänzlich vom Markt zurückgezogen, so hätten sich die Abnehmer möglicherweise nach anderen, eventuell sogar billigeren Versorgungsquellen auf dem westeuropäischen Kontinent umgesehen. Die Aufrechterhaltung und Absicherung der beherrschenden Stellung der Klägerin im Vereinigten Königreich habe die gesamte Wettbewerbsstruktur im Gemeinsamen Markt berührt und sichergestellt, dass der auf der Trennung der Märkte basierende Status quo aufrechterhalten worden sei (Erwägungsgründe 151 bis 154).

33      Es handele sich vorliegend um besonders schwere Verstöße, da sie „Teil einer überlegten Politik mit dem Ziel [waren], die Kontrolle [der Klägerin] über den Sodamarkt des Vereinigten Königreichs in einer Weise zu konsolidieren, die in krassem Widerspruch zu den grundlegenden Zielen des EG-Vertrags steht“, und „konkret darauf ab[zielten], das Geschäft bestimmter Wettbewerber einzuschränken oder zu schädigen“ (156. Erwägungsgrund).

34      Die Zuwiderhandlung habe etwa 1983 begonnen und sei bis mindestens Ende 1989 fortgesetzt worden. Die Kommission habe den Umstand, das die Klägerin das Spitzen-Rabattsystem mit Wirkung vom 1. Januar 1990 aufgegeben habe, berücksichtigt (Erwägungsgründe 160 und 161).

35      Mit Schreiben vom 18. Januar, 26. Januar und 8. Februar 2001 beantragte die Klägerin bei der Kommission Akteneinsicht. Mit Schreiben vom 14. Februar 2001 lehnte die Kommission diesen Antrag ab.

 Verfahren

36      Mit Klageschrift, die am 20. März 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

37      In der Klageschrift hat die Klägerin u. a. beantragt, der Kommission aufzugeben, die Unterlagen vorzulegen, die sich in ihrer Akte in der Sache COMP/33.133 befinden.

38      Am 4. Mai 2001 ist die Rechtssache der Vierten Kammer des Gerichts zugewiesen und ein Berichterstatter bestimmt worden.

39      Mit Zustimmung des Gerichts haben die Klägerin und die Kommission am 18. bzw. 23. Dezember 2002 dazu Stellung genommen, welche Folgen in der vorliegenden Rechtssache aus dem Urteil des Gerichtshofs vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission (C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, Slg. 2002, I‑8375, im Folgenden: Urteil PVC II des Gerichtshofs), zu ziehen sind. Die Klägerin hat dem Gericht in ihrer Stellungnahme mitgeteilt, dass sie die Rüge einer Verletzung des Grundsatzes ne bis in idem zurücknehme.

40      Im Zusammenhang mit der Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts ab 1. Oktober 2003 wurde der Berichterstatter der Ersten Kammer zugeteilt, der die vorliegende Rechtssache daraufhin am 8. Oktober 2003 zugewiesen worden ist.

41      Im Zusammenhang mit der Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts ab 13. September 2004 wurde der Berichterstatter der Vierten Kammer in ihrer neuen Zusammensetzung zugeteilt, der die vorliegende Rechtssache daraufhin am 19. Oktober 2004 zugewiesen worden ist.

42      Am 11. Januar 2005 hat das Gericht die Kommission aufgefordert, bei der Kanzlei ein detailliertes Verzeichnis aller zu der Verwaltungsakte gehörenden Schriftstücke einzureichen. Dieses Verzeichnis sollte einen kurzen Hinweis auf den Autor, die Art und den Inhalt jedes Schriftstücks enthalten. Ferner sollte die Kommission angeben, welche dieser Schriftstücke der Klägerin zugänglich waren und, gegebenenfalls, welche Gründe nach ihrer Auffassung ihrer Offenlegung entgegenstanden.

43      Mit Schreiben vom 28. Januar 2005 hat die Kommission bei der Kanzlei das vom Gericht verlangte Verzeichnis eingereicht und angegeben, dass der Klägerin im Verwaltungsverfahren die Schriftstücke zugänglich gewesen seien, auf die sie ihre Beschwerdepunkte gestützt habe und die somit der Mitteilung der Beschwerdepunkte beigelegen hätten. Außerdem hat die Kommission ausgeführt, dass sie „bedauert, dem Gericht mitteilen zu müssen, dass sich nun herausgestellt hat, dass – zweifellos infolge mehrerer Umzüge im vergangenen Jahrzehnt – bestimmte Schriftstücke nicht mehr auffindbar sind“, und sie sich für verpflichtet halte, das Gericht und die Klägerin unverzüglich davon in Kenntnis zu setzen, dass „zwar in dem der Stellungnahme beigefügten Verzeichnis sämtliche in ihrem Besitz befindlichen Aktenschriftstücke erfasst sind, jedoch die fehlenden Schriftstücke nicht darin aufgeführt sind“. Das 1990 angewandte Verfahren habe der damals bestehenden Rechtsprechung zum Recht auf Akteneinsicht entsprochen. In diesem Stadium deute nichts darauf hin, dass es in der Akte Schriftstücke gegeben habe, die sich auf das Ergebnis der Entscheidung 91/300 tatsächlich hätten auswirken können, auch nicht, wenn man die Entwicklung der Rechtsprechung seit 1990 berücksichtige.

44      Mit Schreiben vom 13. April 2005 hat das Gericht die Klägerin aufgefordert, anzugeben, welche der in dem Verzeichnis aufgeführten Unterlagen, von denen sie im Verwaltungsverfahren keine Kenntnis erhalten habe, ihres Erachtens möglicherweise einen für ihre Verteidigung potenziell nützlichen Inhalt hätten haben können.

45      Mit Schreiben vom 9. Mai 2005 hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass einige der fehlenden Unterlagen für ihre Verteidigung nützlich gewesen wären. Ferner hat sie angegeben, welche der in dem Verzeichnis aufgeführten Unterlagen sie für ihre Verteidigung für nützlich halte und gern einsehen würde. Diese Unterlagen hätten ihr nähere Ausführungen zur Definition des räumlich relevanten Marktes, zum Vorliegen der beherrschenden Stellung, zur missbräuchlichen Ausnutzung dieser beherrschenden Stellung und zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten ermöglichen können.

46      Mit Schreiben vom 7. Juni 2005 hat das Gericht die Kommission aufgefordert, bei der Kanzlei des Gerichts die Unterlagen der Teilakten 2 bis 38, 50 bis 59 und 60 bis 65 der Verwaltungsakte mit Ausnahme interner Unterlagen einzureichen. Ferner sollte die Kommission anstelle von Unterlagen, die Geschäftsgeheimnisse enthielten, nicht vertrauliche Fassungen oder nicht vertrauliche Zusammenfassungen einreichen sowie ihr im Verwaltungsverfahren übermittelte Informationen vorbehaltlich der Wahrung ihrer Vertraulichkeit oder sonstiger vertraulicher Informationen. Zudem sollte die Kommission die vollständige Fassung der oben genannten Unterlagen einschließlich der vertraulichen Teile vorlegen, um die Überprüfung ihrer Vertraulichkeit zu ermöglichen.

47      Am 21. Juni 2005 hat die Kommission beantragt, angesichts des Umfangs der Unterlagen jeweils nur ein Original mit CD-ROM einreichen zu dürfen. Diesem Antrag ist am 4. Juli 2005 stattgegeben worden.

48      Mit Schreiben vom 20. Juli 2005 hat die Kommission bei der Kanzlei die vom Gericht angeforderten Unterlagen eingereicht. Die Kanzlei hat sodann die von der Kommission eingereichten CD-ROM an die Klägerin übermittelt.

49      Am 13. Oktober 2005 hat die Klägerin zur Nützlichkeit der Unterlagen der Verwaltungsakte für ihre Verteidigung Stellung genommen. Am 26. Oktober 2007 hat die Kommission auf die Stellungnahme der Klägerin geantwortet.

50      Nach der Beendigung der Amtstätigkeit des zunächst benannten Berichterstatters hat der Präsident des Gerichts mit Entscheidung vom 22. Juni 2006 einen neuen Berichterstatter ernannt.

51      Im Zusammenhang mit der Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts ab 25. September 2007 wurde der Berichterstatter der Sechsten Kammer zugeteilt, der die vorliegende Rechtssache daraufhin am 8. November 2007 zugewiesen worden ist.

52      Da der Richter T. Tchipev an der Mitwirkung am Verfahren gehindert war, hat der Präsident des Gerichts am 13. Februar 2008 gemäß Art. 32 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichts den Richter A. Dittrich dazu bestimmt, die Kammer zu ergänzen.

53      Das Gericht (Sechste Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und hat im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung schriftliche Fragen an die Klägerin und an die Kommission gerichtet. Die Klägerin und die Kommission haben darauf innerhalb der gesetzten Frist geantwortet.

54      Die Parteien haben in der Sitzung vom 26. und 27. Juni 2008 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

55      In der Sitzung hat das Gericht der Klägerin gestattet, zu der schriftlichen Antwort der Kommission vom 16. Juni 2008 Stellung zu nehmen. Die Klägerin hat am 9. Juli 2008 Stellung genommen, und die Kommission hat darauf am 3. September 2008 geantwortet.

 Anträge der Parteien

56      Die Klägerin beantragt,

–        die Klage für zulässig zu erklären;

–        festzustellen, dass die Kommission wegen Zeitablaufs nicht zum Erlass der angefochtenen Entscheidung oder, hilfsweise, nicht zur Festsetzung einer Geldbuße befugt war;

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        die in Art. 2 der angefochtenen Entscheidung festgesetzte Geldbuße für nichtig zu erklären oder herabzusetzen;

–        der Kommission die Vorlage sämtlicher interner Schriftstücke in Bezug auf den Erlass der angefochtenen Entscheidung aufzugeben, insbesondere des Protokolls der Sitzung des Kommissionskollegiums mit sämtlichen beigefügten Schriftstücken, sowie sämtlicher Schriftstücke, die dem Kommissionskollegium bei dieser Gelegenheit vorgelegt wurden,

–        der Kommission die Vorlage der in der Akte der Sache COMP/33.133 enthaltenen Schriftstücke aufzugeben;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen einschließlich der Kosten nebst Zinsen für etwa von der Klägerin gestellte Garantien im Zusammenhang mit der in der angefochtenen Entscheidung festgesetzten Geldbuße.

57      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen,

–        den Antrag der Klägerin auf Akteneinsicht zurückzuweisen;

–        den Antrag auf Erlass einer spezifischen Anordnung, mit der ihr die Kosten der Klägerin einschließlich der Kosten nebst Zinsen für die Stellung einer Garantie für die Geldbuße auferlegt werden, für unzulässig zu erklären oder jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

58      Die Klägerin beantragt in erster Linie die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung und hilfsweise die Nichtigerklärung oder Herabsetzung der in dieser Entscheidung gegen sie festgesetzten Geldbuße.

 1. Zum Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung

59      Die Klägerin macht im Wesentlichen sechs Klagegründe geltend, die auf die Nichtigerklärung der Entscheidung zielen: erstens Unzuständigkeit der Kommission für den Erlass der angefochtenen Entscheidung, zweitens Verletzung wesentlicher Formvorschriften, drittens fehlerhafte Beurteilung des relevanten Marktes, viertens Fehlen einer beherrschenden Stellung, fünftens fehlender Missbrauch einer beherrschenden Stellung und sechstens fehlende Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten.

 Zum ersten Klagegrund: Unzuständigkeit der Kommission für den Erlass der angefochtenen Entscheidung

60      Der erste Klagegrund gliedert sich in zwei Teile: fehlerhafte Anwendung der Verjährungsvorschriften und Verletzung des Grundsatzes der angemessenen Verfahrensdauer.

 Zum ersten Teil: fehlerhafte Anwendung der Verjährungsvorschriften

–       Vorbringen der Parteien

61      Die Klägerin trägt vor, die Verjährungsfrist nach der Verordnung Nr. 2988/74 gelte zwar nur für den Teil der betreffenden Entscheidung, mit dem die Geldbuße festgesetzt werde, doch sei dies ein sehr wesentlicher Teil dieser Entscheidung.

62      Art. 3 der Verordnung Nr. 2988/74 führe nicht zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist bei einem gerichtlichen Verfahren wegen einer endgültigen Entscheidung der Kommission. Die Verjährung ruhe nämlich nur bei Rechtsbehelfen gegen im Laufe des Verwaltungsverfahrens erlassene Entscheidungen, d. h. Ermittlungsmaßnahmen, einschließlich einer Mitteilung der Beschwerdepunkte oder Maßnahmen aufgrund der allgemeinen Untersuchungsbefugnisse nach der Verordnung Nr. 17. Die Auslegung der Kommission in der angefochtenen Entscheidung widerspreche dem Wortlaut von Art. 3 der Verordnung Nr. 2988/74. Die Kommission habe den Ausdruck „Verfolgung“ in den Art. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 2988/74 falsch verstanden und übersehen, dass ihre endgültige Entscheidung vor Ablauf der Verjährungsfrist ergehen müsse. Zudem nehme die Auslegung der Kommission dem Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2988/74 seinen Sinn und zeige ein falsches Verständnis der Struktur dieser Verordnung, da die Auswirkungen einer Entscheidung auf die Verjährung in den Art. 4 bis 6 und nicht in den Art. 1 bis 3 behandelt würden. Schließlich widerspreche eine solche Auslegung dem Grundsatz, dass die Kommission zur Wahrung der Rechtssicherheit ihre Verfolgungsmaßnahmen innerhalb einer bestimmten Frist zu Ende führen und ihre endgültige Entscheidung innerhalb einer Ausschlussfrist von zehn Jahren ab dem Ende der Zuwiderhandlung erlassen müsse, sofern sie nicht durch gerichtliche Rechtsbehelfe, die gegen diese vorläufigen Entscheidungen anhängig gemacht worden seien, daran gehindert gewesen sei, ihre Untersuchungen und Verfahren zu Ende zu führen. Im vorliegenden Fall sei die Kommission jedoch nicht daran gehindert gewesen, ihre Verfolgungsmaßnahmen zu Ende zu führen.

63      Die Klägerin hält den im Urteil PVC II des Gerichts (oben in Randnr. 25 angeführt) gewählten Ansatz für unvereinbar mit der Feststellung in Randnr. 1098 dieses Urteils, dass Art. 3 der Verordnung Nr. 2988/74 darauf gerichtet sei, die Verjährungsfrist ruhen zu lassen, wenn die Kommission aus einem objektiven, von ihr nicht zu vertretenden Grund an einem Tätigwerden gehindert sei. Eine Klage gegen eine endgültige Entscheidung, mit der eine Geldbuße festgesetzt werde, hindere nämlich die Kommission nicht an einem Tätigwerden, da diese endgültige Entscheidung in vollem Umfang vollstreckbar sei, bis sie vom Gericht für nichtig oder inexistent erklärt werde.

64      Jedenfalls könne die Erwägung, die Kommission sei an einem Tätigwerden gehindert gewesen, vorliegend nicht für das Rechtsmittel gegen das Urteil ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt) gelten. Der Kommission habe es nämlich völlig frei gestanden, die Entscheidung 91/300 sogleich nach Verkündung des Urteils ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt) neu zu erlassen. Die zusätzliche Zeitspanne aufgrund des Rechtsmittels sei daher ganz und gar der Kommission „zuzuschreiben“. Zudem sei dieses Rechtsmittel im Licht des Urteils des Gerichtshofs vom 15. Juni 1994, Kommission/BASF u. a., C‑137/92 P, Slg. 1994, I‑2555), und angesichts der Absicht der Kommission, die Entscheidung 91/300 neu zu erlassen, gegenstandslos. Die Kommission könne daher nicht aus ihrem „eigenen Verfahrensfehler“ und der darauf beruhenden Verzögerung von fünf Jahren Nutzen ziehen.

65      Im Übrigen stehe die Auslegung der Kommission im Widerspruch zu Art. 60 der Satzung des Gerichtshofs, wonach Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hätten. Die Dauer des Verfahrens vor dem Gericht sei zwar zu berücksichtigen, doch habe die Verjährung nur während eines Zeitraums von etwa vier Jahren, einem Monat und fünfzehn Tagen geruht. Die Kommission hätte folglich die Entscheidung 91/300 bis April 1999 neu erlassen müssen.

66      Zudem gehe aus Art. 3 der Verordnung Nr. 2988/74 hervor, dass bei einem Rechtsmittel nicht die Entscheidung der Kommission, sondern das Urteil des Gerichts Verfahrensgegenstand sei.

67      Außerdem sei im Urteil PVC II des Gerichts (oben in Randnr. 25 angeführt) nicht spezifisch die Frage behandelt worden, ob das Rechtsmittel in Bezug auf das Ruhen der Verjährungsfrist zu berücksichtigen sei, da die Kommission in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen sei, lediglich habe klären müssen, ob die Dauer des Verfahrens vor dem Gericht die Verjährung habe ruhen lassen. Die Ausführungen des Gerichts zur Auswirkung des Rechtsmittels auf das Ruhen der Verjährung stellten somit nur ein obiter dictum dar.

68      Eine von der Kommission unter Verstoß gegen ihre eigene Geschäftsordnung erlassene Entscheidung könne keine Verlängerung der Verjährungsfrist bewirken. Die Kommission habe nämlich die Entscheidung 91/300 nicht ordnungsgemäß festgestellt. Diese Entscheidung könne daher nicht zu einer Ausdehnung der Befugnis der Kommission zur Festsetzung von Geldbußen über die gewöhnliche Verjährungsfrist nach der Verordnung Nr. 2988/74 hinaus führen. Einem solchen Ergebnis stehe nämlich der Grundsatz, dass eine Partei aus ihrem eigenen Fehler keinen Vorteil ziehen dürfe, sowie das natürliche Recht entgegen. Die Verzögerung sei allein auf das Handeln der Kommission zurückzuführen, und diese könne jedenfalls nicht Art. 3 der Verordnung Nr. 2988/74 für sich in Anspruch nehmen.

69      Schließlich könne die Kommission nach der Auslegung der Art. 2 und 3 der Verordnung Nr. 2988/74 gemäß dem Urteil PVC II des Gerichts (oben in Randnr. 25 angeführt) eine Reihe von Folgeentscheidungen bis in die Mitte des 21. Jahrhunderts hinein erlassen. Eine solche Auslegung sei daher rechtswidrig, da sie gegen das Recht auf Entscheidung binnen angemessener Frist verstoße.

70      Die Kommission tritt den Argumenten der Klägerin entgegen.

–       Würdigung durch das Gericht

71      Vorab ist festzustellen, dass durch die Verordnung Nr. 2988/74 eine vollständige Regelung eingeführt worden ist, die im Einzelnen die Fristen festgelegt hat, innerhalb deren die Kommission ohne einen Verstoß gegen das grundlegende Gebot der Rechtssicherheit Geldbußen gegen Unternehmen festsetzen kann, gegen die Verfahren nach den Wettbewerbsvorschriften anhängig sind (Urteile des Gerichts vom 19. März 2003, CMA CGM u. a./Kommission, T‑213/00, Slg. 2003, II‑913, Randnr. 324, und vom 18. Juni 2008, Hoechst/Kommission, T‑410/03, Slg. 2008, II‑881, Randnr. 223).

72      Somit tritt nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 sowie Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2988/74 die Verfolgungsverjährung ein, wenn die Kommission innerhalb von fünf Jahren nach dem Beginn der Verjährungsfrist keine Geldbuße oder Sanktion festgesetzt hat, ohne zwischenzeitlich eine Unterbrechungshandlung vorzunehmen, spätestens aber zehn Jahre nach Verjährungsbeginn, wenn Unterbrechungshandlungen vorgenommen wurden. Nach Art. 2 Abs. 3 der fraglichen Verordnung verlängert sich die Verjährungsfrist jedoch um den Zeitraum, in dem nach ihrem Art. 3 die Verjährung ruht (Urteil PVC II des Gerichtshofs, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnr. 140).

73      Nach Art. 3 der Verordnung Nr. 2988/74 ruht die Verfolgungsverjährung, solange wegen der Entscheidung der Kommission ein Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anhängig ist.

74      Die Bezugnahme in Art. 3 der Verordnung Nr. 2988/74 auf „ein Verfahren [, das] vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anhängig ist“, ist so zu verstehen, dass damit seit der Errichtung des Gerichts in erster Linie ein bei diesem anhängiges Verfahren gemeint ist, da Klagen gegen Sanktionen oder Geldbußen im Bereich des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft in seine Zuständigkeit fallen.

75      Im vorliegenden Fall bestreitet die Klägerin nicht, dass die fünfjährige Verjährungsfrist vorbehaltlich der Frage des Ruhens der Verjährung nach Art. 3 der Verordnung Nr. 2988/74 im Jahr 1995 abgelaufen wäre.

76      Somit ist lediglich zu prüfen, ob die Kommission nach Art. 3 der Verordnung Nr. 2988/74 die angefochtene Entscheidung am 13. Dezember 2000 erlassen durfte.

77      Insoweit ergibt sich aus Randnr. 157 des Urteils PVC II des Gerichtshofs (oben in Randnr. 39 angeführt), dass die Verjährung im Sinne von Art. 3 der Verordnung Nr. 2988/74 so lange ruht, wie die fragliche Entscheidung Gegenstand eines Verfahrens „vor dem Gericht und dem Gerichtshof“ ist. Somit ruhte im vorliegenden Fall die Verjährung während der gesamten Dauer des Verfahrens vor dem Gericht sowie während der gesamten Dauer des Verfahrens vor dem Gerichtshof, ohne dass es nötig ist, über den Zeitraum von der Verkündung des Urteils des Gerichts bis zur Anrufung des Gerichtshofs zu entscheiden.

78      Infolge der von der Klägerin am 14. Mai 1991 beim Gericht erhobenen Klage und des am 29. Juni 195 ergangenen Urteils sowie des von der Kommission am 30. August 1995 beim Gerichtshof eingelegten Rechtsmittels und des am 6. April 2000 ergangenen Urteils ruhte die Verjährung, wie die Kommission im 171. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausführt, mindestens acht Jahre acht Monate und 22 Tage.

79      Somit sind im vorliegenden Fall infolge dieses Ruhens der Verjährung ab dem Ende der Zuwiderhandlungen oder ab irgendeiner Verjährungsunterbrechung bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung am 13. Dezember 2000 nicht mehr als fünf Jahre vergangen.

80      Folglich wurde die angefochtene Entscheidung unter Beachtung der Verjährungsregeln der Verordnung Nr. 2988/74 erlassen.

81      Keines der von der Klägerin vorgetragenen Argumente kann dies in Frage stellen.

82      Erstens ergibt sich aus dem Wortlaut der Art. 2 und 3 der Verordnung Nr. 2988/74 nicht, dass die in Art. 3 angesprochene „Entscheidung der Kommission“, derentwegen ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, das zum Ruhen der Verfolgungsverjährung führt, nur eine der in Art. 2 – angeblich erschöpfend – aufgezählten Unterbrechungshandlungen sein kann (Urteil PVC II des Gerichtshofs, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnr. 141). Art. 3 schützt nämlich die Kommission vor dem Eintritt der Verjährung in Situationen, in denen sie im Rahmen von Verfahren, deren Ablauf sie nicht steuern kann, die Entscheidung des Richters abwarten muss, bevor sie erfährt, ob die angefochtene Handlung rechtswidrig ist. Solche Fälle gibt es aber sowohl bei Klagen gegen die in Art. 2 der Verordnung Nr. 2988/74 aufgezählten anfechtbaren Unterbrechungshandlungen als auch bei Klagen gegen eine Entscheidung, mit der eine Geldbuße oder eine Sanktion verhängt wird. Unter diesen Umständen erfassen sowohl der Wortlaut von Art. 3 als auch dessen Zielsetzung nicht nur Klagen gegen die in Art. 2 genannten anfechtbaren Handlungen, sondern auch Klagen gegen die abschließende Entscheidung der Kommission. Folglich ruht bei einer Klage gegen eine mit Sanktionen verbundene abschließende Entscheidung die Verfolgungsverjährung, bis der Richter endgültig über diese Klage entschieden hat (Urteil PVC II des Gerichtshofs, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnrn. 144 bis 147).

83      Zweitens trägt die Klägerin vor, die Erhebung einer Klage gegen eine Bußgeldentscheidung hindere die Kommission nicht am Erlass einer derartigen Entscheidung. Würde man dieser Auslegung folgen, so müsste die Kommission die angefochtene Entscheidung zurücknehmen und durch eine andere Entscheidung ersetzen, die dem Inhalt der Anfechtung Rechnung trägt. Damit würde der Kommission das Recht abgesprochen, vom Gemeinschaftsrichter gegebenenfalls die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung feststellen zu lassen (vgl. in diesem Sinne Urteil PVC II des Gerichtshofs, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnr. 149).

84      Drittens kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass eine Bußgeldentscheidung bis zu ihrer gerichtlichen Nichtigerklärung in vollem Umfang vollstreckbar sei. Definitionsgemäß können Handlungen zur Vollstreckung einer Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung geahndet wird, nicht als Handlungen zur Ermittlung oder Verfolgung der Zuwiderhandlung angesehen werden. Solche Handlungen, deren Rechtmäßigkeit im Übrigen davon abhängt, ob die Entscheidung rechtmäßig ist, gegen die Klage erhoben wurde, können daher im Fall der Nichtigerklärung der gerichtlich angefochtenen Entscheidung nicht zur Unterbrechung der Verfolgungsverjährung führen (vgl. in diesem Sinne Urteil PVC II des Gerichtshofs, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnr. 150).

85      Viertens haben Art. 60 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 3 der Verordnung Nr. 2988/74 einen unterschiedlichen Anwendungsbereich. Der Umstand, dass ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, kann Art. 3 der Verordnung Nr. 2988/74, der Situationen betrifft, in denen die Kommission die Entscheidung des Gemeinschaftsrichters abwarten muss, nicht jede Wirksamkeit nehmen. Der Ansicht der Klägerin, die Kommission dürfe den Zeitraum nicht berücksichtigen, in dem ein Rechtsmittel beim Gerichtshof anhängig ist, kann nicht gefolgt werden, da dadurch das Rechtsmittelurteil des Gerichtshofs seinen Sinn und Zweck sowie seine Wirkung verlieren würde.

86      Fünftens kann die Klägerin nicht behaupten, die Kommission könne nach Nichtigerklärung der Entscheidung 91/300 wegen fehlender Feststellung nicht aus ihrem eigenen Fehler einen Vorteil ziehen, indem sie nach Ablauf der in der Verordnung Nr. 2988/74 vorgesehenen fünfjährigen Verjährungsfrist eine Geldbuße festsetze. Die Nichtigerklärung eines von der Kommission erlassenen Rechtsakts ist ihr zwangsläufig in dem Sinne zuzurechnen, dass dadurch zum Ausdruck gebracht wird, dass sie einen Fehler begangen hat. Daher hätte bei einem Ausschluss des Ruhens der Verfolgungsverjährung, wenn die Klage zur Feststellung eines der Kommission zuzurechnenden Fehlers führt, Art. 3 der Verordnung keinen Sinn mehr. Allein die Anhängigkeit einer Klage vor dem Gericht oder dem Gerichtshof und nicht das Ergebnis, zu dem diese in ihrem Urteil kommen, rechtfertigt das Ruhen der Verjährung (vgl. in diesem Sinne Urteil PVC II des Gerichtshofs, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnr. 153).

87      Sechstens ist die Nichtigkeitsklage darauf gerichtet, dass das Gericht prüft, ob die angefochtene Handlung rechtswidrig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil PVC II des Gerichtshofs, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnr. 144).

88      Siebtens führt die von der Klägerin vorgeschlagene Auslegung von Art. 3 der Verordnung Nr. 2988/74 zu ernsthaften praktischen Schwierigkeiten. Muss die Kommission nämlich nach der Nichtigerklärung einer Entscheidung durch das Gericht eine neue Entscheidung erlassen, ohne das Urteil des Gerichtshofs abzuwarten, besteht die Gefahr, dass zwei Entscheidungen mit demselben Gegenstand nebeneinander bestehen, falls der Gerichtshof das Urteil des Gerichts aufheben sollte.

89      Achtens widerspricht es offensichtlich den Erfordernissen der Ökonomie des Verwaltungsverfahrens, die Kommission, nur um den Eintritt der Verjährung zu verhindern, zum Erlass einer neuen Entscheidung zu verpflichten, bevor sie weiß, ob die ursprüngliche Entscheidung rechtswidrig ist.

90      Nach alledem ist der erste Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil: Verletzung des Grundsatzes der angemessenen Verfahrensdauer

–       Vorbringen der Parteien

91      Die Klägerin trägt vor, die seit den angeblichen Zuwiderhandlungen vergangene Zeit beeinträchtige unabhängig von den Fragen der Verjährung die Befugnis der Kommission zum Erlass der angefochtenen Entscheidung insgesamt und nicht nur des Teils über die Geldbußen.

92      Sie hält es unter Hinweis auf Randnr. 121 des Urteils PVC II des Gerichts (oben in Randnr. 25 angeführt) und den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer für geboten, zu prüfen, ob die Kommission die angefochtene Entscheidung nach Abschluss der Verwaltungsverfahren auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik innerhalb einer angemessenen Frist erlassen hat.

93      Wenn in einer Sache von der Einleitung der Untersuchung bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung mehr als elfeinhalb Jahre vergangen seien, könne von einem Verstoß der Kommission gegen den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer ausgegangen werden.

94      Während das Verfahren vor dem Gericht und das vor dem Gerichtshof insgesamt 105 Monate gedauert hätten, habe die Kommission für den Erlass ihrer Entscheidung einschließlich der 9 Monate zwischen dem Urteil Kommission/ICI (oben in Randnr. 19 angeführt) und der angefochtenen Entscheidung 35 Monate aufgewandt. Die Berücksichtigung der Dauer des gerichtlichen Verfahrens sei zudem insbesondere dann gerechtfertigt, wenn dieses Verfahren sich auf eine andere Entscheidung beziehe und der angefochtenen Entscheidung vorausgegangen sei.

95      Besonders inakzeptabel sei die Berücksichtigung der Dauer des Verfahrens vor dem Gerichtshof. Nach den Urteilen ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt) und Kommission/BASF u. a. (oben in Randnr. 64 angeführt) sei der Kommission bekannt gewesen, dass die Entscheidung 91/300 aufgrund fehlender Feststellung mangelhaft gewesen sei. Wenn die Kommission beabsichtigt habe, ihre Entscheidung neu zu erlassen, hätte sie dies in dieser Phase tun müssen, statt beim Gerichtshof ein Rechtsmittel einzulegen, in dessen Folge sich der Erlass dieser Entscheidung um fünfeinhalb Jahre verzögert habe.

96      In Anbetracht des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 27. September 1997, Garyfallou AEBE/Griechenland (Report of Judgements and Decisions, 1997-V, S. 1821), müsse das gesamte Verfahren geprüft werden, um festzustellen, ob in der Sache innerhalb einer angemessenen Frist entschieden worden sei.

97      Im Übrigen sieht sich die Klägerin durch die seit den behaupteten Zuwiderhandlungen vergangene Zeit an der umfassenden Ausübung ihrer Verteidigungsrechte gehindert. Zum einen habe sie ihren „Soda“-Geschäftsbereich am 6. Oktober 1991 an einen unabhängigen Erwerber verkauft und sei auf dem Natriumkarbonatmarkt des Vereinigten Königreichs nicht mehr tätig. Zum anderen hätten die seinerzeit mit dem Vorgang befassten Mitarbeiter das Unternehmen verlassen und stünden nicht mehr zur Verfügung, um ihr die erforderliche Unterstützung zu gewähren. Überdies werde durch die seit den behaupteten Zuwiderhandlungen vergangene Zeit ihr finanzieller Schaden vergrößert, indem z. B. die Kosten für die Sicherstellung von Ausgaben stiegen und/oder die Auswirkungen der Verzugszinsen zunähmen. Jedenfalls stehe das Urteil PVC II des Gerichts (oben in Randnr. 25 angeführt) im Widerspruch zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wonach der Schutz von Art. 6 Abs. 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) nicht den Nachweis voraussetze, dass die Interessen eines Klägers durch die Dauer tatsächlich geschädigt worden seien. Der Verstoß gegen eine grundlegende Verpflichtung der EMRK könne nur zur Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung führen und nicht lediglich zur Zahlung von Schadensersatz.

98      Die Kommission tritt den Argumenten der Klägerin entgegen.

–       Würdigung durch das Gericht

99      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer im Bereich des Wettbewerbs im Rahmen der gemäß der Verordnung Nr. 17 eingeleiteten Verwaltungsverfahren, die die dort vorgesehenen Sanktionen auslösen können, und im gerichtlichen Verfahren zu beachten ist (Urteil PVC II des Gerichtshofs, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnr. 179).

100    Die Klägerin macht erstens geltend, dass die gesamte Dauer des Verwaltungsverfahrens, d. h. ab der Einleitung der Untersuchung bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung, nicht mehr angemessen gewesen sei.

101    Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen.

102    Im Rahmen der Prüfung der Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer ist nämlich zwischen Verwaltungsverfahren und gerichtlichem Verfahren zu unterscheiden. Somit kann der Zeitraum, in dem der Richter die Rechtmäßigkeit der Entscheidung 91/300 und die Gültigkeit des Urteils des Gerichts ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt) nachgeprüft hat, bei der Bestimmung der Dauer des Verfahrens vor der Kommission nicht berücksichtigt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil PVC II des Gerichts, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnr. 123).

103    Zweitens beanstandet die Klägerin die Dauer des Verwaltungsverfahrens zwischen der Verkündung des Urteils Kommission/ICI (oben in Randnr. 19 angeführt) und dem Erlass der angefochtenen Entscheidung.

104    Insoweit ist zu beachten, dass dieser Zeitraum am 6. April 2000, dem Tag der Verkündung des Urteils Kommission/ICI (oben in Randnr. 19 angeführt), begann und am 13. Dezember 2000 mit dem Erlass der angefochtenen Entscheidung endete. Dieser Abschnitt des Verwaltungsverfahrens dauerte somit acht Monate und sieben Tage.

105    In diesem Zeitraum hat die Kommission lediglich formale Änderungen der Entscheidung 91/300 vorgenommen, insbesondere hat sie einen neuen Abschnitt über die „Verfahren vor dem Gericht erster Instanz und dem Gerichtshof“ eingeführt, in dem die Einhaltung der Verjährungsfristen beurteilt wird. Darüber hinaus ging dem Erlass der angefochtenen Entscheidung keine zusätzliche Ermittlungshandlung voraus, da sich die Kommission auf die Ergebnisse der zehn Jahre zuvor durchgeführten Untersuchung gestützt hat. Es ist jedoch einzuräumen, dass sich selbst unter diesen Umständen bestimmte Nachprüfungen und eine gewisse Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltung als unerlässlich erweisen können, um zu einem solchen Ergebnis zu gelangen.

106    Unter diesem Gesichtspunkt ist der Zeitraum von acht Monaten und sieben Tagen zwischen der Verkündung des Urteils Kommission/ICI (oben in Randnr. 19 angeführt) und dem Erlass der angefochtenen Entscheidung nicht als unangemessen anzusehen.

107    Drittens beanstandet die Klägerin im Wesentlichen die Dauer des Verwaltungsverfahrens, das zum Erlass der Entscheidung 91/300 geführt hat (siehe oben, Randnr. 94).

108    Betrachtet man jedoch die Dauer des Verwaltungsverfahrens ab der Mitteilung der Beschwerdepunkte und die Dauer des Verfahrens davor (vgl. hierzu Urteil vom 21. September 2006, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, C‑105/04 P, Slg. 2006, I‑8725, Randnr. 51), so ist diese Verfahrensdauer im Licht der ab April 1989 durchgeführten Nachprüfungen, der anschließenden Auskunftsverlangen und der Verfahrenseinleitung von Amts wegen am 19. Februar 1990 nicht übermäßig lang. Unter diesen Umständen kann die Dauer des Verwaltungsverfahrens, das zum Erlass der Entscheidung 91/300 geführt hat, nicht als unangemessen angesehen werden.

109    Jedenfalls würde ein Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer die Nichtigerklärung einer nach Abschluss eines Verwaltungsverfahrens auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik erlassenen Entscheidung nur rechtfertigen, soweit damit auch die Verteidigungsrechte des betroffenen Unternehmens verletzt worden wären. Wenn nämlich nicht bewiesen ist, dass die übermäßig lange Verfahrensdauer die Möglichkeit für die betroffenen Unternehmen, sich wirksam zu verteidigen, beeinträchtigt hat, wirkt sich die Nichtbeachtung des Grundsatzes der angemessenen Verfahrensdauer nicht auf die Rechtsgültigkeit des Verwaltungsverfahrens aus (vgl. in diesem Sinne Urteil PVC II des Gerichts, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnr. 122).

110    Die Klägerin trägt insoweit vor, es sei für sie schwierig gewesen, ihre Verteidigungsrechte wahrzunehmen, da sie ihren „Soda“-Geschäftsbereich am 6. Oktober 1991 an einen unabhängigen Erwerber verkauft habe, auf dem Natriumkarbonatmarkt des Vereinigten Königreichs nicht mehr tätig sei und die seinerzeit mit dem Vorgang befassten Mitarbeiter nicht erreichen könne, um die erforderliche Unterstützung einzuholen, da diese das Unternehmen verlassen hätten.

111    Die Kommission hat jedoch zwischen der Verkündung des Urteils Kommission/ICI (oben in Randnr. 19 angeführt) und dem Erlass der angefochtenen Entscheidung keine Ermittlungshandlung vorgenommen.

112    Somit gab es gegenüber dem ersten Zeitraum, der zum Erlass der Entscheidung 91/300 geführt hatte, keinen Nachteil hinsichtlich der Ausübung der Verteidigungsrechte, und die Kommission berücksichtigte keinen neuen Punkt, der die Ausübung eines Verteidigungsrechts erfordert hätte.

113    Unter diesen Umständen sind die Verteidigungsrechte der Klägerin nicht verletzt worden.

114    Was viertens das gerichtliche Verfahren betrifft, gilt der auf Art. 6 Abs. 1 EMRK beruhende allgemeine Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, dass jedermann Anspruch auf ein faires Verfahren und insbesondere auf ein Verfahren innerhalb einer angemessenen Frist hat, im Rahmen einer Klage gegen eine Entscheidung der Kommission, mit der gegen ein Unternehmen wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht Geldbußen verhängt werden. Die Angemessenheit der Frist ist anhand der Umstände jeder einzelnen Rechtssache und insbesondere anhand der Interessen, die in dem Rechtsstreit für den Betroffenen auf dem Spiel stehen, der Komplexität der Rechtssache sowie des Verhaltens des Klägers und der zuständigen Behörden zu beurteilen. Die Liste dieser Kriterien ist nicht abschließend, und die Beurteilung der Angemessenheit der Frist erfordert keine systematische Prüfung der Umstände des Falles anhand jedes Kriteriums, wenn die Dauer des Verfahrens anhand eines von ihnen gerechtfertigt erscheint. So kann die Komplexität der Sache herangezogen werden, um eine auf den ersten Blick zu lange Dauer zu rechtfertigen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 25. Januar 2007, Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission, C‑403/04 P und C‑405/04 P, Slg. 2007, I‑729, Randnrn. 115 bis 117 und die dort angeführte Rechtsprechung).

115    Darüber hinaus hat der Gerichtshof im Urteil vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission (C‑185/95 P, Slg. 1998, I‑8417), nach der Feststellung, dass das Gericht eine angemessene Verfahrensdauer überschritten hatte, aus Gründen der Prozessökonomie und im Hinblick darauf, dass gegen einen solchen Verfahrensfehler ein unmittelbarer und effektiver Rechtsbehelf gegeben sein muss, auf den Rechtsmittelgrund der überlangen Verfahrensdauer hin das angefochtene Urteil insoweit aufgehoben, als darin die Höhe der gegen die Rechtsmittelführerin festgesetzten Geldbuße auf drei Millionen ECU festgesetzt wurde. Da jeder Anhaltspunkt dafür fehlte, dass die Verfahrensdauer Auswirkungen auf den Ausgang des Rechtsstreits gehabt hätte, hat der Gerichtshof entschieden, dass dieser Rechtsmittelgrund nicht zur vollständigen Aufhebung des angefochtenen Urteils führen kann, sondern dass ein Betrag von 50 000 ECU eine angemessene Entschädigung für die überlange Dauer des Verfahrens darstellt, und er hat folglich die Höhe der gegen das betroffene Unternehmen festgesetzten Geldbuße herabgesetzt.

116    Somit hätte, da kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass sich die Verfahrensdauer auf den Ausgang des Rechtsstreits ausgewirkt hätte, ein eventuelles Überschreiten der angemessenen Verfahrensdauer durch den Richter, selbst wenn man es als erwiesen ansähe, im vorliegenden Fall keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung (so Randnr. 140 des Urteils des Gerichts vom 17. Dezember 2009, Solvay/Kommission, T‑57/01, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).

117    Zu ergänzen ist, dass die Klägerin in der Klageschrift keinen Antrag auf Schadensersatz gestellt hat.

118    Folglich ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes und somit der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verletzung wesentlicher Formvorschriften

119    Der zweite Klagegrund gliedert sich im Wesentlichen in fünf Teile: erstens Rechtswidrigkeit der Vorbereitungsphasen der Entscheidung 91/300, zweitens überlange Dauer zwischen dem Verwaltungsverfahren und dem Erlass der angefochtenen Entscheidung, drittens Verpflichtung zu neuen Verfahrenschritten, viertens Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht und fünftens Verletzung von Art. 253 EG.

 Zum ersten Teil: Rechtswidrigkeit der Vorbereitungsphasen der Entscheidung 91/300

–       Vorbringen der Parteien

120    Die Klägerin macht geltend, die von der Kommission vor Erlass einer Entscheidung vorgenommenen Verfahrensschritte stellten nur Vorbereitungsphasen dar und könnten nicht selbst Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein. Aus der akzessorischen Natur der dem Erlass der Entscheidung vorausgegangenen Verfahrensphasen folge, dass entgegen Randnr. 189 des Urteils PVC II des Gerichts (oben in Randnr. 25 angeführt) die Nichtigerklärung der Entscheidung zwangsläufig auch die Nichtigkeit dieser vorausgegangenen Verfahrensphasen nach sich ziehe. Im vorliegenden Fall könne die Kommission daher diese der Entscheidung 91/300 vorausgegangenen Verfahrensphasen nicht als für den Erlass der angefochtenen Entscheidung notwendige Verfahrensabschnitte heranziehen.

121    Zudem habe die Kommission für die angeblichen Verstöße gegen die Art. 81 EG und 82 EG ein einziges Verwaltungsverfahren eingeleitet. Die beiden Sachen seien erst im Stadium des Erlasses der Entscheidungen 91/297 und 91/300 getrennt worden. Im Urteil ICI I (oben in Randnr. 17 angeführt) habe das Gericht entschieden, dass die Verteidigungsrechte im Stadium des Verwaltungsverfahrens verletzt worden seien. Diese Entscheidung wirke sich auf die Entscheidung 91/300 aus, da die Kommission genau dasselbe Verwaltungsverfahren angewandt habe. Das Gericht hätte somit in der Rechtssache, in der das Urteil ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt) ergangen sei, die Entscheidung 91/300 wegen Verletzung der Verteidigungsrechte für nichtig erklären müssen.

122    In der Erwiderung fügt die Klägerin hinzu, das Gericht habe sich im Urteil ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt) zu der von der Kommission vorgenommenen Analyse des relevanten Marktes sehr kritisch geäußert, die darin bestanden habe, die Beweise danach zu trennen, ob sie Behauptungen in Bezug auf Art. 81 EG einerseits oder Art. 82 EG andererseits betroffen hätten, und getrennte Verfahren durchzuführen.

123    Die Kommission tritt den Argumenten der Klägerin entgegen.

–       Würdigung durch das Gericht

124    Vorab ist festzustellen, dass die Entscheidung 91/300 wegen eines Formfehlers, nämlich fehlender Feststellung, für nichtig erklärt wurde, die nur die Modalitäten des endgültigen Erlasses dieser Entscheidung durch die Kommission betraf.

125    Nach ständiger Rechtsprechung berührt die Nichtigerklärung eines Rechtsakts der Gemeinschaft jedoch nicht notwendig die vorbereitenden Handlungen, da das Verfahren zur Ersetzung des für nichtig erklärten Aktes grundsätzlich genau an dem Punkt wieder aufgenommen werden kann, an dem die Rechtswidrigkeit eingetreten ist (Urteil des Gerichtshofs vom 12. November 1998, Spanien/Kommission, C‑415/96, Slg. 1998, I‑6993, Randnrn. 31 und 32, sowie Urteil PVC II des Gerichtshofs, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnr. 73).

126    Im vorliegenden Fall berührte die Nichtigerklärung, da der festgestellte Verfahrensfehler im letzten Abschnitt vor dem Erlass der Entscheidung 91/300 aufgetreten war, nicht die Gültigkeit der Maßnahmen, die zur Vorbereitung dieser Entscheidung vor dem Abschnitt getroffen worden waren, in dem dieser Fehler aufgetreten war (vgl. in diesem Sinne Urteil PVC II des Gerichtshofs, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnr. 75).

127    Im Übrigen ist zu dem Vortrag der Klägerin, das Gericht habe im Urteil ICI I (oben in Randnr. 17 angeführt) die Entscheidung 91/297 wegen Verletzung der Verteidigungsrechte für nichtig erklärt, daran zu erinnern, dass das Gericht im Urteil ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt), das der vorliegenden Rechtssache zugrunde liegt, auch das Angriffsmittel der Verletzung der Verteidigungsrechte eingehend geprüft und insgesamt zurückgewiesen hat (vgl. Randnr. 73). Der Gerichtshof hat das Rechtsmittel gegen dieses Urteil zurückgewiesen.

128    Zudem haben die Sachen COMP/33.133 zwar eine gemeinsame Verwaltungsakte, doch betreffen die Entscheidungen 91/297 und 91/300 Zuwiderhandlungen unterschiedlicher Art auf zwei unterschiedlichen Märkten. Ob eine Verletzung der Verteidigungsrechte vorliegt, ist jedoch anhand der besonderen Umstände jedes einzelnen Falles zu prüfen, da dies im Wesentlichen von den Rügen abhängt, die die Kommission bei der Feststellung der dem betroffenen Unternehmen zur Last gelegten Zuwiderhandlung erhoben hat (Urteile ICI I, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 70, und ICI II, oben in Randnr. 16 angeführt, Randnr. 50; vgl. auch Urteil des Gerichtshofs vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑123, Randnr. 127).

129    Somit ist der erste Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil: überlange Dauer zwischen dem Verwaltungsverfahren und dem Erlass der angefochtenen Entscheidung

–       Vorbringen der Parteien

130    Die Klägerin macht geltend, zwischen den Verfahrensphasen, die dem Erlass der Entscheidungen 91/297 und 91/300 vorausgegangen seien, und der angefochtenen Entscheidung seien zehn Jahre vergangen, was eine Verweigerung des Schutzes der Verteidigungsrechte darstelle. Die Unternehmen müssten sich äußern und ihre Interessen wirksam verteidigen können. Entscheidungen, insbesondere Bußgeldentscheidungen, dürften daher nur innerhalb einer angemessenen Frist, nachdem die Unternehmen Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hätten, erlassen werden, was vorliegend nicht der Fall sei.

131    Die Kommission tritt den Argumenten der Klägerin entgegen

–       Würdigung durch das Gericht

132    Erstens ruhte, wie bei der Prüfung des ersten Teils des ersten Klagegrundes festgestellt worden ist, die Verjährung gemäß Art. 3 der Verordnung Nr. 2988/74 während der gesamten Dauer des Verfahrens vor dem Gericht und, nach der Einlegung des Rechtsmittels gegen das Urteil ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt), vor dem Gerichtshof. Der Kommission kann daher nicht vorgeworfen werden, dass sie vor Erlass der angefochtenen Entscheidung die Entscheidung des Gerichts und des Gerichtshofs abgewartet hat. Insoweit ist der Nichterlass der angefochtenen Entscheidung während des Verfahrens vor dem Gericht und dem Gerichtshof durch den Respekt vor dem gerichtlichen Verfahren und zukünftigen Urteilen gerechtfertigt.

133    Zweitens hat die Kommission, wie aus der Prüfung des zweiten Teils des ersten Klagegrundes hervorgeht, mit dem Erlass der angefochtenen Entscheidung am 13. Dezember 2000 nicht gegen den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer verstoßen.

134    Drittens ergibt sich aus der nachfolgend (Randnrn. 151, 153 und 168) vorgenommenen Prüfung des dritten Teils des zweiten Klagegrundes, dass die Kommission im vorliegenden Fall nach der Nichtigerklärung der Entscheidung 91/300 wegen eines Formfehlers, der allein die Modalitäten ihres endgültigen Erlasses betraf, nicht zu neuen Verfahrensschritten verpflichtet war.

135    Somit kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, dass sie der Klägerin nach der Nichtigerklärung der Entscheidung 91/300 nicht Gelegenheit gab, ihre Argumente erneut vorzutragen.

136    Folglich ist der zweite Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum dritten Teil: Verletzung der Verpflichtung zu neuen Verfahrensschritten

–       Vorbringen der Parteien

137    Die Klägerin trägt vor, die Kommission hätte vor Erlass der angefochtenen Entscheidung neue Verfahrensschritte vornehmen müssen.

138    Erstens hätte die Kommission eine neue Mitteilung der Beschwerdepunkte an sie richten müssen. Die Behauptungen in der 1990 mitgeteilten Mitteilung der Beschwerdepunkte seien im Rahmen der Anschuldigung erhoben worden, „‚die Trennung der Märkte‘ zwischen dem Vereinigten Königreich und dem westeuropäischen Kontinent sowie der Grundsatz des ‚nationalen Marktes‘ [seien] die Folge einer Vereinbarung oder einer abgestimmten Verhaltensweise zwischen Solvay und [der Klägerin]“. Die Entscheidung der Kommission über dieses Kartell sei jedoch vom Gericht für nichtig erklärt worden, und es habe insoweit keine weiteren Verfolgungsmaßnahmen gegeben. Die Klägerin habe also ein Recht darauf gehabt, vor Erlass der angefochtenen Entscheidung eine Mitteilung der Beschwerdepunkte zu erhalten, in der die Behauptung einer Abstimmung nicht wiederholt werde. In dieser Mitteilung hätte die Kommission ihre Beschwerdepunkte außerdem im Licht der Entwicklung des Rechts zwischen 1990 und 2000 darlegen müssen, insbesondere was die Definition des relevanten Marktes angehe.

139    Zweitens hätte die Kommission sie erneut anhören und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. Das Gericht habe in seinem Urteil PVC II (oben in Randnr. 25 angeführt) nicht darauf abstellen dürfen, dass keine neue Rüge erhoben worden sei. Die Unternehmen müssten sich nämlich zu allen gegen sie erhobenen Rügen insbesondere im Licht neuer für ihre Verteidigung relevanter Fragen äußern können.

140    Das Anhörungsrecht betreffe nicht nur die Tatsachen, sondern auch die rechtlichen Gesichtspunkte, wie das Gericht in den Urteilen ICI I (oben in Randnr. 17 angeführt) und PVC II (oben in Randnr. 25 angeführt) anerkannt habe. Im Übrigen habe der Gerichtshof in seinen Urteilen vom 3. Oktober 1991, Italien/Kommission (C‑261/89, Slg. 1991, I‑4437), und vom 4. Februar 1992, British Aerospace und Rover/Kommission (C‑294/90, Slg. 1992, I‑493), anerkannt, dass vor Erlass einer zweiten Entscheidung, die mit der ersten im Wesentlichen übereinstimme, das Anhörungsrecht anzuwenden sei. Im vorliegenden Fall werde die Prüfung der Rügen durch mehrere Gesichtspunkte beeinflusst: ihr Ausscheiden im Jahr 1991 aus dem relevanten Markt, die Nichtigerklärung der Entscheidung 91/297 sowie die Ergebnisse der Antidumping-Entscheidungen der 90er Jahre.

141    Insbesondere ergebe sich das Recht auf erneute Anhörung aus den Verfahrensregeln des Gerichts. Werde eine Rechtssache vom Gerichtshof an das Gericht zurückverwiesen, seien die Beteiligten nämlich nach Art. 119 § 1 der Verfahrensordnung zur Einreichung von Schriftsätzen berechtigt, obwohl das schriftliche Verfahren eigentlich als abgeschlossen gelte. Ebenso bestimme Art. 4 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK, dass der Erlass einer neuen Entscheidung nach einer früheren endgültigen Entscheidung die Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des betreffenden Staates voraussetze.

142    Für die Klägerin folgt daraus, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen habe, indem es festgestellt habe, dass ihre Verteidigungsrechte durch die ihr im Verwaltungsverfahren gegebene Möglichkeit zur Äußerung angemessen geschützt worden seien.

143    Drittens weist die Klägerin auf die wesentliche Rolle des Anhörungsbeauftragten hin, der sicherstelle, dass die betroffenen Beteiligten vor Erlass einer Entscheidung ihre Verteidigungsrechte hätten wahrnehmen können und dass die von ihnen geltend gemachten wesentlichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände dem Generaldirektor für Wettbewerb, den Kommissionsmitgliedern und dem Beratenden Ausschuss mitgeteilt würden. Zudem hätte ihr, da ihre Verteidigungsrechte die Möglichkeit zur Äußerung vor Erlass der angefochtenen Entscheidung umfassten, auch das Recht zur Einschaltung des Anhörungsbeauftragten zugestanden werden müssen, das ihr vorenthalten worden sei.

144    Viertens hätte die Kommission aufgrund des Rechts der Klägerin auf erneute Anhörung vor Erlass der angefochtenen Entscheidung auch den Beratenden Ausschuss erneut anhören müssen. Das Gericht habe in seinem Urteil PVC II (oben in Randnr. 25 angeführt) zu Unrecht entschieden, dass die Anhörung des Beratenden Ausschusses nur in Situationen erforderlich sei, in denen die Unternehmen anzuhören seien. Zudem ergebe sich aus der Verordnung Nr. 17, dass für jede einzelne Entscheidung eine getrennte Anhörung erforderlich sei, unabhängig davon, ob die Unternehmen ebenfalls anzuhören seien und wie ähnlich die Entscheidungen seien. Folglich hätte die Kommission den Beratenden Ausschuss vor Erlass der angefochtenen Entscheidung selbst dann neu anhören müssen, wenn die angefochtene Entscheidung gegenüber der Entscheidung 91/300 nur Änderungen redaktioneller Art aufgewiesen hätte. Überdies habe sich die Zusammensetzung des Beratenden Ausschusses zweifellos wesentlich geändert, und seine Stellungnahme wäre im Jahr 2000 nicht zwangsläufig wie im Jahr 1990 ausgefallen.

145    Fünftens trägt die Klägerin vor, bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung hätte das Kollegium der Kommissionsmitglieder Gelegenheit erhalten müssen, den gesamten Sachverhalt, die Umstände und die rechtlichen Gesichtspunkte, die zu diesem Zeitpunkt erheblich gewesen seien, zu prüfen. Dies sei jedoch dadurch verhindert worden, dass die Kommission weder die betroffenen Unternehmen noch den Beratenden Ausschuss neu angehört habe. In Kenntnis des gesamten Sachverhalts hätte das Kollegium der Kommissionsmitglieder möglicherweise anders entschieden.

146    Sechstens habe die Sprecherin der Kommission, deren Erklärungen in der Pressemitteilung der Agentur Reuters vom 12. Dezember 2000 wiedergegeben seien, angekündigt, dass die angefochtene Entscheidung in der Sitzung des Kollegiums der Kommissionsmitglieder vom 13. Dezember 2000 erlassen werde. Aus diesen Erklärungen gehe hervor, dass die angefochtene Entscheidung bereits vor der genannten Sitzung erlassen worden sei, was gegen die Geschäftsordnung der Kommission und den Grundsatz der Kollegialität verstoße.

147    Schließlich beantragt die Klägerin, die Vorlage der dem Kollegium der Kommissionsmitglieder unterbreiteten Akte und des Sitzungsprotokolls nebst sämtlichen beigefügten Unterlagen anzuordnen.

148    Die Kommission tritt den Argumenten der Klägerin entgegen.

–       Würdigung durch das Gericht

149    Erstens ist festzustellen, dass die Klägerin im Wesentlichen geltend macht, sie hätte im Jahr 2000 eine neue Mitteilung der Beschwerdepunkte erhalten müssen, da den Ausführungen in der im Jahr 1990 an sie gerichteten Mitteilung der Beschwerdepunkte die Annahme zugrunde gelegen habe, dass eine Trennung der Märkte vorliege, die die Folge einer Vereinbarung oder einer abgestimmten Verhaltensweise zwischen Solvay und ihr sei; diese Vereinbarung sei durch die Entscheidung 91/297 geahndet worden, die dann durch das Urteil ICI I (oben in Randnr. 17 angeführt) für nichtig erklärt worden sei.

150    Die Nichtigerklärung der Entscheidung 91/300 hat jedoch, wie aus Randnr. 126 des vorliegenden Urteils hervorgeht, die Gültigkeit der vorausgegangenen Verfahrenshandlungen, insbesondere der Mitteilung der Beschwerdepunkte, nicht berührt.

151    Die Kommission musste daher nicht schon wegen dieser Nichtigerklärung eine neue Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Klägerin richten.

152    Zudem hatte die Kommission in der im Jahr 1990 an die Klägerin gerichteten Mitteilung der Beschwerdepunkte mehrere Vorwürfe erhoben, und die Rügen in Bezug auf Art. 81 EG einerseits und Art. 82 EG andererseits waren selbständig und auf unterschiedliche Beweise gestützt. Folglich kann der Umstand, dass das Gericht die Entscheidung 91/297 wegen Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht für nichtig erklärt hat, nicht die Vorwürfe entkräften, dass die Klägerin ihre beherrschende Stellung auf dem relevanten Markt missbraucht habe.

153    Zweitens ist zu dem Vorbringen der Klägerin, die Kommission hätte sie erneut anhören müssen, zu bemerken, dass die Kommission, wenn sie nach Nichtigerklärung einer Entscheidung, mit der Sanktionen gegen Unternehmen verhängt wurden, die gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßen haben, wegen eines Verfahrensfehlers, der ausschließlich die Modalitäten ihrer endgültigen Annahme durch das Kollegium der Mitglieder der Kommission betrifft, eine neue Entscheidung mit im Wesentlichen gleichem Inhalt und aufgrund der gleichen Beschwerdepunkte erlässt, nicht zu einer erneuten Anhörung der betroffenen Unternehmen verpflichtet ist (vgl. in diesem Sinne Urteil PVC II des Gerichts, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnrn. 246 bis 253, bestätigt durch Urteil PVC II des Gerichtshofs, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnrn. 83 bis 111).

154    Auch Rechtsfragen, die sich im Rahmen der Anwendung von Art. 233 EG stellen können – wie die nach dem Zeitablauf, der Möglichkeit weiterer Verfolgungsmaßnahmen, einer mit der Wiederaufnahme des Verfahrens verbundenen Akteneinsicht, dem Tätigwerden des Anhörungsbeauftragten und des Beratenden Ausschusses sowie etwaigen Auswirkungen von Art. 20 der Verordnung Nr. 17 –, machen keine erneuten Anhörungen erforderlich, da sie den Inhalt der Beschwerdepunkte nicht ändern, der allein gegebenenfalls Gegenstand einer späteren gerichtlichen Überprüfung sein kann (vgl. in diesem Sinne Urteil PVC II des Gerichtshofs, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnr. 93).

155    Im vorliegenden Fall hat die Kommission den Inhalt der Entscheidung 91/300 fast vollständig übernommen. Sie hat die angefochtene Entscheidung lediglich um einen Abschnitt ergänzt, der das Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof betrifft.

156    Die angefochtene Entscheidung und die Entscheidung 91/300 haben folglich einen im Wesentlichen gleichen Inhalt und beruhen auf den gleichen Gründen.

157    Infolgedessen musste die Kommission gemäß der oben in den Randnrn. 153 und 154 angeführten Rechtsprechung vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung im vorliegenden Fall die Klägerin nicht erneut anhören.

158    Drittens ist zum Vorbringen der Klägerin, ihr hätte vor Erlass der angefochtenen Entscheidung ermöglicht werden müssen, den Anhörungsbeauftragten einzuschalten, darauf hinzuweisen, dass die Kommission gemäß einer „Mitteilung betreffend die Verfahren zur Anwendung der Wettbewerbsregeln der Verträge (Artikel [81 EG] und [82 EG]; Artikel 65 [KS] und 66 [KS])“ (ABl. 1982, C 251, S. 2) das Amt des Anhörungsbeauftragten mit Wirkung vom 1. September 1982 geschaffen hat.

159    In der oben in Randnr. 158 genannten Mitteilung definierte die Kommission das Amt des Anhörungsbeauftragten wie folgt:

„Der Anhörungsbeauftragte hat die Aufgabe, für einen geregelten Ablauf der Anhörung zu sorgen und dadurch zur Objektivität sowohl der Anhörung als auch der späteren Entscheidung beizutragen. Er wacht insbesondere darüber, dass alle für die Beurteilung des Falles erheblichen Umstände tatsächlicher Art, gleichgültig, ob sie für die Beteiligten günstig oder ungünstig sind, bei der Ausarbeitung von Entwürfen zu kartellrechtlichen Entscheidungen der Kommission in angemessener Weise berücksichtigt werden.

Bei der Ausübung seiner Tätigkeit achtet der Anhörungsbeauftragte darauf, dass die Rechte der Verteidigung gewahrt bleiben; er berücksichtigt dabei zugleich die Notwendigkeit, die Wettbewerbsregeln in Übereinstimmung mit den geltenden Vorschriften und den vom Gerichtshof entwickelten Rechtsgrundsätzen in wirksamer Weise anzuwenden.“

160    Die Aufgaben des Anhörungsbeauftragten wurden später näher geregelt in einem Beschluss vom 24. November 1990, dessen Art. 2 den gleichen Wortlaut wie die ursprüngliche Definition hatte, und dann in dem Beschluss 94/810/EGKS, EG der Kommission vom 12. Dezember 1994 über das Mandat des Anhörungsbeauftragten in Wettbewerbsverfahren vor der Kommission (ABl. L 330, S. 67). Durch diesen Beschluss, der zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung galt, wurden die beiden vorausgegangenen Beschlüsse ersetzt und widerrufen. Sein Art. 2 lautete ähnlich wie die ursprüngliche Definition.

161    Folglich ergibt sich aus dem Inhalt der Aufgabe des Anhörungsbeauftragten, der im Verfahren vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung tätig geworden war, dass sein Tätigwerden zwingend mit der Anhörung der Unternehmen im Hinblick auf eine etwaige Entscheidung verbunden war.

162    Unter diesen Umständen war, da es im vorliegenden Fall nach der Nichtigerklärung der Entscheidung 91/300 keiner erneuten Anhörung bedurfte, auch ein erneutes Tätigwerden des Anhörungsbeauftragten unter den im zwischenzeitlich in Kraft getretenen Beschluss vom 24. November 1990 vorgesehenen Voraussetzungen nicht notwendig (vgl. in diesem Sinne Urteil PVC II des Gerichtshofs, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnr. 127).

163    Was viertens das Vorbringen der Klägerin angeht, der Beratende Ausschuss hätte vor Erlass der angefochtenen Entscheidung angehört werden müssen, ist darauf hinzuweisen, dass Art. 10 der Verordnung Nr. 17 in der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung Folgendes vorsieht:

„3.      Ein Beratender Ausschuss für Kartell- und Monopolfragen ist vor jeder Entscheidung, die ein Verfahren nach Absatz (1) abschließt, sowie vor jeder Entscheidung über Erneuerung, Änderung oder Widerruf einer nach Artikel [81] Absatz (3) [EG] abgegebenen Erklärung anzuhören.

5.      Die Anhörung erfolgt in einer gemeinsamen Sitzung, zu der die Kommission einlädt; diese Sitzung findet frühestens vierzehn Tage nach Absendung der Einladung statt. Der Einladung sind eine Darstellung des Sachverhalts unter Angabe der wichtigsten Schriftstücke sowie ein vorläufiger Entscheidungsvorschlag für jeden zu behandelnden Fall beizufügen.“

164    Außerdem bestimmt Art. 1 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze (1) und (2) der Verordnung Nr. 17 (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268):

„Bevor die Kommission den Beratenden Ausschuss für Kartell- und Monopolfragen anhört, nimmt sie eine Anhörung nach Artikel 19 Absatz (1) der Verordnung Nr. 17 vor.“

165    Nach ständiger Rechtsprechung folgt aus Art. 1 der Verordnung Nr. 99/63, dass die Anhörung der betroffenen Unternehmen und die des Beratenden Ausschusses in denselben Fällen erforderlich sind (Urteil des Gerichtshofs vom 21. September 1989, Hoechst/Kommission, 46/87 und 227/88, Slg. 1989, 2859, Randnr. 54, und Urteil PVC II des Gerichtshofs, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnr. 115).

166    Die Verordnung Nr. 99/63 wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 2842/98 der Kommission vom 22. Dezember 1998 über die Anhörung in bestimmten Verfahren nach Artikel [81 EG] und [82 EG] (ABl. L 354, S. 18) ersetzt, die zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung in Kraft war und deren Art. 2 Abs. 1 einen dem von Art. 1 der Verordnung Nr. 99/63 nahekommenden Wortlaut hat.

167    Nach der angefochtenen Entscheidung ist der Beratende Ausschuss für Kartell- und Monopolfragen im vorliegenden Fall vor der Entscheidung 91/300 angehört worden. Die Klägerin beanstandet weder die Durchführung noch die Rechtmäßigkeit dieser Anhörung.

168    Da die angefochtene Entscheidung gegenüber der Entscheidung 91/300 keine wesentlichen Änderungen enthält, musste die Kommission die Klägerin vor Erlass der angefochtenen Entscheidung nicht erneut anhören und sie hatte auch keine erneute Anhörung des Beratenden Ausschusses durchzuführen (vgl. in diese Sinne Urteil PVC II des Gerichtshofs, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnr. 118).

169    Im Übrigen lautet Art. 10 Abs. 4 der Verordnung Nr. 17 in der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung:

„Der Beratende Ausschuss setzt sich aus für Kartell- und Monopolfragen zuständigen Beamten zusammen. Jeder Mitgliedstaat bestimmt als seinen Vertreter einen Beamten, der im Falle der Verhinderung durch einen anderen Beamten ersetzt werden kann.“

170    Nach der Rechtsprechung lässt eine Änderung in der Zusammensetzung eines Organs die Kontinuität des Organs selbst unberührt, dessen endgültige oder vorbereitende Handlungen grundsätzlich alle ihre Wirkungen beibehalten (Urteil des Gerichtshofs vom 13. November 1990, Fedesa u. a., C‑331/88, Slg. 1990, I‑4023, Randnr. 36).

171    Außerdem gibt es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der die Kontinuität der Zusammensetzung des Verwaltungsorgans gebietet, das mit einer Sache befasst ist, die zur Verhängung einer Geldbuße führen kann (Urteil PVC II des Gerichts, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnrn. 322 und 323).

172    Was fünftens das Vorbringen der Klägerin betrifft, das Kollegium der Kommissionsmitglieder hätte bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung Gelegenheit erhalten müssen, den gesamten Sachverhalt, die Umstände und die rechtlichen Gesichtspunkte, die zu diesem Zeitpunkt erheblich gewesen seien, zu prüfen, ist daran zu erinnern, dass die Kommission keinen Rechtsfehler begangen hat, indem sie nach der Nichtigerklärung der Entscheidung 91/300 keine neue Anhörung der betroffenen Unternehmen durchführte, bevor sie die angefochtene Entscheidung erließ.

173    Überdies musste im vorliegenden Fall, wie oben in den Randnrn. 162 und 167 ausgeführt, der Anhörungsbeauftragte nicht erneut eingeschaltet und der Beratende Ausschuss nicht erneut angehört werden.

174    Unter diesen Umständen brauchten die dem Kollegium der Kommissionsmitglieder vorgelegten Akten entgegen dem Vorbringen der Klägerin insbesondere weder einen neuen Bericht des Anhörungsbeauftragten noch eine neue Niederschrift über die Anhörung des Beratenden Ausschusses zu enthalten. Folglich ist die Klägerin bei ihrem Vorbringen zur Zusammensetzung der Akten von einer falschen Prämisse ausgegangen, so dass dieses Vorbringen nicht begründet ist (vgl. in diesem Sinne Urteil PVC II des Gerichtshofs, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnrn. 130 bis 133).

175    Sechstens ist zum Vorbringen der Klägerin, die angefochtene Entscheidung sei vor der Sitzung des Kollegiums der Kommissionsmitglieder erlassen worden, darauf hinzuweisen, dass das Kollegialprinzip nach ständiger Rechtsprechung auf der Gleichheit der Mitglieder der Kommission bei der Mitwirkung an der Entscheidungsfindung beruht und insbesondere bedeutet, dass die Entscheidungen gemeinsam beraten werden und dass alle Mitglieder des Kollegiums für sämtliche erlassenen Entscheidungen politisch gemeinsam verantwortlich sind (Urteile des Gerichtshofs vom 29. September 1998, Kommission/Deutschland, C‑191/95, Slg.1998, I‑5449, Randnr. 39, und vom 13. Dezember 2001, Kommission/Frankreich, C‑1/00, Slg. 2001, I‑9989, Randnr. 79)

176    Die Beachtung des Kollegialprinzips und insbesondere das Erfordernis, dass die Entscheidungen gemeinsam beraten werden, ist für die von den Rechtswirkungen dieser Entscheidungen betroffenen Rechtssubjekte zwangsläufig insoweit von Interesse, als sie die Gewähr dafür haben müssen, dass die Entscheidungen tatsächlich vom Kollegium getroffen sind und dessen Willen genau entsprechen. Dies gilt insbesondere für die ausdrücklich als Entscheidungen gekennzeichneten Rechtsakte, die die Kommission gegenüber Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen im Interesse der Einhaltung der Wettbewerbsregeln erlässt und mit denen eine Zuwiderhandlung gegen diese Regeln festgestellt, Anordnungen gegenüber diesen Unternehmen erlassen und ihnen finanzielle Sanktionen auferlegt werden können (Urteil Kommission/BASF u. a., oben in Randnr. 64 angeführt, Randnrn. 64 und 65).

177    Im vorliegenden Fall beruft sich die Klägerin darauf, dass laut einer Pressemitteilung der Agentur Reuters vom 12. Dezember 2000 die Sprecherin der Kommission angekündigt habe, die Kommission werde am 13. Dezember 2000 dieselbe Entscheidung erneut erlassen.

178    Selbst wenn die Sprecherin der Kommission die Äußerungen gemacht haben sollte, auf die sich die Klägerin bezieht, kann die bloße Tatsache, dass eine Pressemitteilung einer privaten Gesellschaft eine Erklärung erwähnt, die keinerlei offiziellen Charakter hat, nicht genügen, um davon auszugehen, dass die Kommission gegen das Kollegialprinzip verstoßen hat. Das Kollegium der Mitglieder der Kommission war in keiner Weise durch diese Erklärung gebunden und hätte also in seiner Sitzung vom 13. Dezember 2000 nach einer gemeinsamen Beratung auch beschließen können, die angefochtene Entscheidung nicht zu erlassen.

179    Infolgedessen besteht kein Anlass, der Kommission die Vorlage sämtlicher interner Schriftstücke in Bezug auf den Erlass der angefochtenen Entscheidung aufzugeben, insbesondere des Protokolls der Sitzung des Kommissionskollegiums mit sämtlichen beigefügten Schriftstücken, sowie sämtlicher Schriftstücke, die dem Kommissionskollegium bei dieser Gelegenheit vorgelegt wurden.

180    Nach alledem ist der dritte Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen

 Zum vierten Teil: Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht

–       Vorbringen der Parteien

181    Die Klägerin macht geltend, sie habe nach Erhalt der angefochtenen Entscheidung Anfang des Jahres 2001 Akteneinsicht beantragt, was die Kommission abgelehnt habe. Die Akteneinsicht sei ihr auch 1990 verweigert worden.

182    Die Kommission hätte ihr Akteneinsicht gewähren müssen, obwohl die angefochtene Entscheidung bereits erlassen gewesen sei, und dies aus mehreren Gründen: Erstens habe die Kommission ihr eine weitere Möglichkeit, Akteneinsicht zu beantragen, genommen, indem sie die angefochtene Entscheidung erlassen habe, ohne das Verwaltungsverfahren wieder zu eröffnen und ohne ihr ihre Absicht mitzuteilen. Zweitens hätte die Kommission, die die Akteneinsicht 1990 verweigert habe, diesen Fehler beim Erlass der angefochtenen Entscheidung korrigieren können. Drittens seien durch die Mitteilung der Kommission über interne Verfahrensvorschriften für die Behandlung von Anträgen auf Akteneinsicht in Fällen einer Anwendung der Art. [81 EG] und [82 EG], der Art. 65 [CA] und 66 [CA] und der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (ABl. 1997, C 23, S. 3, im Folgenden: Mitteilung über Akteneinsicht) unternehmensfreundlichere Regeln über die Akteneinsicht eingeführt worden. Die Klägerin meint daher, diese neuen Regeln hätten auf sie wie auf jeden anderen Adressaten einer im Jahr 2000 erlassenen Entscheidung Anwendung finden müssen.

183    Ihre Argumente zur Akteneinsicht seien zwar im Urteil ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt) zurückgewiesen worden. Dies hindere das Gericht jedoch nicht daran, in der vorliegenden Rechtssache zu einer für sie günstigen Beurteilung zu gelangen.

184    Die Akte enthalte sicherlich Korrespondenz und Unterlagen ihrer Abnehmer im Vereinigten Königreich, insbesondere von Glasherstellern, ihren Wettbewerbern im Vereinigten Königreich und von amerikanischen Importeuren. Die schriftlichen Antworten und die Unterlagen von Glasherstellern und Abnehmern im Vereinigten Königreich hätten für ihre Verteidigung gegen Behauptungen bezüglich einer beherrschenden Stellung und deren missbräuchliche Ausnutzung hilfreich sein können. Ebenso wären Auskünfte ihrer Wettbewerber für sie in Bezug auf verschiedene Punkte der angefochtenen Entscheidung aufschlussreich gewesen. Unterlagen von Herstellern des westeuropäischen Kontinents hätten ihr möglicherweise bei der Analyse des relevanten Marktes und insbesondere bei der Frage der spürbaren Auswirkungen auf den Wettbewerb und den Handel zwischen Mitgliedstaaten genützt. Das Gericht habe folglich im Urteil ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt) einen Fehler begangen, indem es festgestellt habe, dass ihre Verteidigungsrechte nicht verletzt worden seien.

185    Sie sei berechtigt, die Frage der Akteneinsicht erneut aufzuwerfen. Zum einen habe das Gericht, als es im Urteil ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt) die Frage der Akteneinsicht geprüft habe, das von der Kommission eingereichte Verzeichnis zugrunde gelegt. In diesem Verzeichnis seien jedoch nicht alle in der Akte enthaltenen Unterlagen genannt gewesen. Zum anderen habe sie nach der Nichtigerklärung der Entscheidung 91/300 keine Veranlassung gehabt, Zeit und Geld für ein Anschlussrechtsmittel hinsichtlich der Frage der Akteneinsicht aufzuwenden, zumal sie es als wahrscheinlich angesehen habe, dass das Urteil ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt) im Rechtsmittelverfahren bestätigt werden würde. Die Klägerin trägt vor, sie hätte, „hätte die Kommission obsiegt, … nach erneuter Verhandlung zur Sache vor dem Gericht … hinsichtlich der Frage der Akteneinsicht Rechtsmittel einlegen können“.

186    In der Erwiderung fügt die Klägerin hinzu, die Frage der Akteneinsicht sei nicht rechtskräftig entschieden. Diese Frage sei nicht tatsächlich oder notwendigerweise Gegenstand des Urteils ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt) gewesen. Auch wenn sie die Möglichkeit gehabt habe, zu dieser Frage ein Anschlussrechtsmittel einzulegen, könne ihr nicht vorgeworfen werden, dies nicht getan zu haben, da dieses Anschlussrechtsmittel angesichts des Urteils Kommission/BASF u. a. (oben in Randnr. 64 angeführt) nicht erforderlich gewesen sei. Weiter trägt die Klägerin unter Berufung auf die Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache TWD Textilwerke Deggendorf (C‑188/92, Urteil des Gerichtshofs vom 9. März 1994, Slg. 1994, I‑833) vor, es habe nicht außer Zweifel gestanden bzw. sei nicht offensichtlich gewesen, dass ein Anschlussrechtsmittel notwendig oder von irgendwelchem Nutzen gewesen wäre. Sollte der Auffassung der Kommission zur Frage der Rechtskraft gefolgt werden, würde dadurch zur Einreichung zahlreicher Anschlussrechtsmittel angehalten und die Arbeitslast des Gerichtshofs unnötig erhöht.

187    Im Übrigen sei die Würdigung des Gerichts im Urteil ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt) in Bezug auf die Akteneinsicht fehlerhaft. Es bedürfe lediglich des Nachweises, dass nicht übermittelte Schriftstücke eine Bedeutung hätten haben können, die nicht hätte unberücksichtigt bleiben dürfen, wie das Gericht im Urteil ICI I (oben in Randnr. 17 angeführt) festgestellt habe. Zudem sei es angesichts der Rechtsentwicklung ganz und gar nicht offensichtlich, dass das Gericht, wenn es heute über die im Urteil ICI II gewürdigte Frage der Akteneinsicht zu befinden hätte, zu demselben Ergebnis wie in diesem Urteil gelangen würde. Die Klägerin verweist insoweit u. a. auf die Mitteilung über Aktensicht.

188    Außerdem macht die Klägerin geltend, sie habe nach dem Beweisbeschluss des Gerichts, mit dem ihr Akteneinsicht verschafft worden sei, feststellen können, dass die Dokumentenverwaltung der Kommission folgenschwere Unzulänglichkeiten aufweise.

189    Erstens könne es nicht sein, dass die Kommission die Entscheidung nach einer umfassenden und redlichen Prüfung der ihr zur Verfügung stehenden Beweise erlassen habe.

190    Zweitens seien der Kommission mindestens fünf Teilakten abhanden gekommen. Eineinhalb Teilakten müssten die gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 17 zwischen ihr und der Kommission geführte Korrespondenz enthalten haben und dreieinhalb Teilakten die zwischen ihren Abnehmern und Wettbewerbern im Vereinigten Königreich und der Kommission geführte Korrespondenz. Der Verlust dieser Akten habe eine sehr schwere Beeinträchtigung ihrer Verteidigung vor dem Gericht zur Folge gehabt. Wären ihr Informationen aus unabhängiger Quelle, die von ihren Abnehmern im Vereinigten Königreich stammten, zugänglich gewesen, hätte sie über zusätzliche Beweise für ihre Auffassung verfügt, so dass die Kommission wahrscheinlich zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre insbesondere in den Fragen des Vorliegens einer beherrschenden Stellung, der missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung, der Auswirkung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten und der Geldbuße.

191    Drittens hätten bestimmte vorhandene Schriftstücke, in die sie Einsicht genommen habe, es ihr ebenfalls ermöglicht, ihre Auffassung zu untermauern und mehrere Ergebnisse, zu denen die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gelangt sei, in Zweifel zu ziehen.

192    Die Kommission entgegnet, dass „über das Recht auf Akteneinsicht … rechtskräftig gegen [die Klägerin] entschieden“ sei. Ein nach Erlass einer Entscheidung gestellter Antrag auf Akteneinsicht sei stets gegenstandslos.

193    Zum Vortrag der Klägerin nach dem Beweisbeschluss des Gerichts führt die Kommission aus, aufgrund dieser Maßnahme habe bestätigt werden können, dass die Ausführungen der Klägerin im Verwaltungsverfahren und in ihren Verfahrenshandlungen zu den Verletzungen der Verteidigungsrechte jeder Grundlage entbehrten. Nach Einsichtnahme in eine Akte mit nahezu 25 000 Schriftstücken habe die Klägerin nur 60 Schriftstücke gefunden, die ihre Argumentation stützten. Keines von diesen habe für sie jedoch auch nur den geringsten Nutzen gehabt.

194    Zu dem nach dem Beweisbeschluss des Gerichts festgestellten Verlust von Teilakten meint die Kommission, dieser wirke sich nicht auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung aus und die Tatsache, dass 5 von 71 Teilakten fehlten, dürfe in ihrer Bedeutung nicht überbewertet werden. Die Klägerin führe keinen Grund für die Annahme an, dass diese Teilakten Beweise zu ihren Gunsten enthielten, die ihr nicht gezeigt worden seien, ihr aber geholfen hätten, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte erhobenen Behauptungen zu widerlegen. Selbst wenn die verloren gegangenen Teilakten, wie die Klägerin ausführe, Korrespondenz mit ihren Abnehmern und Wettbewerbern enthielten, wäre dies für die Klägerin nicht nützlich gewesen, da es sich in diesem Fall nur um Unterlagen handeln könne, die entweder unerheblich und daher nicht verwendet worden seien oder die vielleicht sogar denen ähnelten, in die sie Einsicht genommen habe, die aber für ihr Vorbringen irrelevant gewesen seien.

195    Was die von der Klägerin gerügte inkohärente Nummerierung und schlechte Dokumentenverwaltung angeht, trägt die Kommission vor, das Kriterium dafür, ob die Verteidigungsrechte gewahrt worden seien, sei, ob eine Partei das Dokument eingesehen habe und, wenn dies nicht der Fall sei, ob ihr das Dokument eine Argumentation ermöglicht hätte, auf die sie sich seinerzeit nicht habe stützen können. Dies hänge ausschließlich von der Einsichtnahme in das Dokument ab und nicht davon, in welcher Akte die Kommission es abgelegt habe, und auch nicht davon, wie die Kommission ihre Akten nummeriert habe.

–       Würdigung durch das Gericht

196    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof die Bedeutung anerkannt hat, die der Grundsatz der Rechtskraft sowohl in der Gemeinschaftsrechtsordnung als auch in den nationalen Rechtsordnungen hat. Zur Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen sowie einer geordneten Rechtspflege sollen nämlich nach Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der entsprechenden Rechtsmittelfristen unanfechtbar gewordene Gerichtsentscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden können (Urteile des Gerichtshofs vom 30. September 2003, Köbler, C‑224/01, Slg. 2003, I‑10239, Randnr. 38, und vom 16. März 2006, Kapferer, C‑234/04, Slg. 2006, I‑2585, Randnr. 20).

197    Nach ständiger Rechtsprechung steht die Rechtskraft eines Urteils der Zulässigkeit einer Klage entgegen, wenn die Klage, die zu dem fraglichen Urteil geführt hat, dieselben Parteien und denselben Gegenstand betraf und auf denselben Grund gestützt war (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofes vom 19. September 1985, Hoogovens Groep/Kommission, 172/83 und 226/83, Slg. 1985, 2831, Randnr. 9, und vom 22. September 1988, Frankreich/Parlament, 358/85 und 51/86, Slg. 1988, 4821, Randnr. 12; Urteil des Gerichts vom 8. März 1990, Maindiaux u. a./WSA, T‑28/89, Slg. 1990, II‑59, Randnr. 23), wobei diese Voraussetzungen nebeneinander vorliegen müssen (Urteil des Gerichts vom 5. Juni 1996, NMB France u. a./Kommission, T‑162/94, Slg. 1996, II‑427, Randnr. 37).

198    Die Rechtskraft erstreckt sich lediglich auf diejenigen Tatsachen- und Rechtsfragen, die tatsächlich oder notwendigerweise Gegenstand der betreffenden gerichtlichen Entscheidung waren (Urteil des Gerichtshofs vom 19. Februar 1991, Italien/Kommission, C‑281/89, Slg. 1991, I‑347, Randnr. 14, und Beschluss des Gerichtshofs vom 28. November 1996, Lenz/Kommission, C‑277/95 P, Slg. 1996, I‑6109, Randnr. 50).

199    Im Urteil ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt) hat das Gericht das Angriffsmittel einer Verletzung der Verteidigungsrechte geprüft, die sich aus der Weigerung der Kommission ergebe, der Klägerin Akteneinsicht zu gewähren.

200    Um über den Erfolg dieses Angriffsmittels entscheiden zu können, hat das Gericht im Urteil ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt) kurz die Sachrügen geprüft, die die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte und in der Entscheidung 91/300 geltend gemacht hatte.

201    Die erste Rüge in der Rechtssache ICI II (Urteil oben in Randnr. 16 angeführt) betraf die Nichtoffenlegung eventuell entlastender Schriftstücke gegenüber der Klägerin. Zunächst hat das Gericht bezüglich des Vorbringens, die Weigerung der Kommission, Einsicht in die Akten der Hersteller zu gewähren, habe ihre Verteidigung beeinträchtigen können, entschieden, dass die Feststellungen in der Entscheidung 91/300 zur beherrschenden Stellung, zum Missbrauch der beherrschenden Stellung und zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten durch die nicht übermittelten Schriftstücke nicht in Frage gestellt werden konnten. Sodann hat das Gericht bezüglich der verweigerten Akteneinsicht in die Ordner mit den von der Klägerin selbst verfassten Schriftstücken befunden, dass sie sich auf diese aus ihrer eigenen Einflusssphäre stammenden Schriftstücke berufen konnte. Das Gericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kommission es unter den Umständen des vorliegenden Falles zu Recht abgelehnt hatte, der Klägerin Einsicht in diese Akten zu gewähren und ihr ein Verzeichnis der darin enthaltenen Schriftstücke zu übermitteln.

202    Die zweite Rüge des Angriffsmittels in der Rechtssache ICI II (Urteil oben in Randnr. 16 angeführt) betraf die Nichtoffenlegung bestimmter belastender Schriftstücke gegenüber der Klägerin. Das Gericht hat in Bezug auf die Feststellungen der Kommission hinsichtlich des Sonderrabatts, den ein Unternehmen im Vereinigten Königreich angeboten habe, entschieden, dass diese Vorgehensweise mit dem Grundsatz der Wahrung des rechtlichen Gehörs kaum zu vereinbaren war, dass jedoch dieser Fehler im vorliegenden Fall die Klägerin bei der Ausübung ihrer Verteidigungsrechte nicht behinderte. Das übrige Vorbringen der Klägerin gehörte zur Begründetheit und hatte mit dem Angriffsmittel der Verletzung der Verteidigungsrechte nichts zu tun.

203    Folglich hat das Gericht das Angriffsmittel einer Verletzung der Verteidigungsrechte insgesamt zurückgewiesen.

204    Anschließend hat das Gericht das Angriffsmittel einer nicht ordnungsgemäßen Feststellung der Entscheidung 91/300 geprüft und diese für nichtig erklärt.

205    Mit Zurückweisung des Rechtsmittels durch das Urteil Kommission/ICI (oben in Randnr. 19 angeführt) ist das Urteil ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt) eine unanfechtbar gewordene Gerichtsentscheidung.

206    Nach der oben in Randnr. 197 angeführten Rechtsprechung ist somit zur Feststellung, ob die Frage der Akteneinsicht rechtskräftig entschieden ist, zu prüfen, ob die Klage, die zum Urteil ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt) geführt hat, und die vorliegende Klage dieselben Parteien und denselben Gegenstand betreffen und auf denselben Grund gestützt sind.

207    Die Voraussetzung, dass die beiden Klagen dieselben Parteien betreffen müssen, ist im vorliegenden Fall erfüllt. Wie bei der Klage, die zum Urteil ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt) geführt hat, stehen sich nämlich in der vorliegenden Klage die Klägerin und die Kommission gegenüber. Zu den Voraussetzungen der Identität des Gegenstands und des Grundes ist zunächst festzustellen, dass die Kommission formell zwei Entscheidungen erlassen hat, nämlich die Entscheidung 91/300 und die angefochtene Entscheidung. Aus den vorstehenden Ausführungen (siehe u. a. die vorstehenden Randnrn. 24, 111, 112 und 156) ergibt sich jedoch zum einen, dass der Inhalt der angefochtenen Entscheidung abgesehen von einem neuen Abschnitt („Verfahren vor dem Gericht erster Instanz und dem Gerichtshof“) mit dem der Entscheidung 91/300 übereinstimmt, und zum anderen, dass die angefochtene Entscheidung auf den gleichen Gründen beruht wie die Entscheidung 91/300. Die Kommission konnte nämlich die angefochtene Entscheidung mit dem gleichen Wortlaut wie die Entscheidung 91/300 erlassen, ohne nach deren Nichtigerklärung neue Verfahrensschritte vornehmen zu müssen, weil der Formfehler nur die Modalitäten des endgültigen Erlasses dieser Entscheidung betraf und die Nichtigerklärung nicht die Gültigkeit der Vorbereitungsmaßnahmen dieser Entscheidung berührte.

208    Da die Kommission zwischen der Verkündung des Urteils Kommission/ICI (oben in Randnr. 19 angeführt) und dem Erlass der angefochtenen Entscheidung keine Ermittlungshandlung vorgenommen hat, der Inhalt der angefochtenen Entscheidung abgesehen von der Passage betreffend das Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof mit dem der Entscheidung 91/300 übereinstimmt und die Klägerin erneut Akteneinsicht beantragt, ist festzustellen, dass der Rechtsstreit denselben Gegenstand betrifft und auf denselben Grund gestützt ist.

209    Da die Voraussetzungen der Identität der Parteien, des Gegenstands und des Grundes im vorliegenden Fall entsprechend der in Randnr. 197 angeführten Rechtsprechung kumulativ vorliegen, ist die Rechtsfrage der Akteneinsicht in der Sache COMP/33.133 – D: Natriumkarbonat – ICI tatsächlich Gegenstand der richterlichen Entscheidung gewesen und daher rechtskräftig entschieden.

210    Die Rechtskraft steht einer erneuten Befassung des Gerichts mit dieser Rechtsfrage und deren erneuter Prüfung durch dieses entgegen.

211    Nach alledem ist der vierte Teil des zweiten Klagegrundes als unzulässig zurückzuweisen.

212    Vorsorglich ist jedoch für den Fall, dass die Rechtsfrage der Akteneinsicht nicht rechtskräftig entschieden worden sein sollte, festzustellen, dass die von der Klägerin am 13. Oktober 2005 im Anschluss an die Akteneinsicht im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme abgegebene Stellungnahme nicht geeignet ist, die Feststellungen des Gerichts im Urteil ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt) zu erschüttern.

213    Zum Vorbringen der Klägerin, bestimmte Schriftstücke hätten es ihr ermöglicht, ihre Auffassung zu untermauern und mehrere Ergebnisse, zu denen die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gelangt sei, in Zweifel zu ziehen, ist festzustellen, dass die Klägerin nicht dargetan hat, dass das Unterbleiben der Offenlegung dieser Dokumente und Informationen den Ablauf des Verwaltungsverfahrens und den Inhalt der Entscheidung der Kommission zu ihren Ungunsten beeinflussen konnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juni 2008, Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 71 angeführt, Randnr. 146 und die dort angeführte Rechtsprechung).

214    Die Klägerin hat nämlich nicht dargetan, dass sie, wenn sie sich im Verwaltungsverfahren auf die Aktenschriftstücke hätte berufen können, Gesichtspunkte hätte geltend machen können, die nicht mit den in diesem Stadium von der Kommission gezogenen Schlüssen übereinstimmten und daher, in welcher Weise auch immer, die von der Kommission in ihrer etwaigen Entscheidung vorgenommenen Beurteilungen zumindest in Bezug auf Schwere und Dauer des dem Unternehmen zur Last gelegten Verhaltens und damit die Höhe der Geldbuße hätten beeinflussen können.

215    Hinsichtlich des Vorliegens einer beherrschenden Stellung trägt die Klägerin vor, sie hätte, wenn ihr im Verwaltungsverfahren bestimmte Schriftstücke zugänglich gewesen wären, von denen sie im Anschluss an die Akteneinsicht im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme Kenntnis erlangt habe, die Behauptung der Kommission widerlegen können, dass sie auf dem relevanten Markt eine beherrschende Stellung innegehabt habe. Insbesondere hätte sie sich auf die Unterlagen von Solvay, von deutschen Herstellern und von ihren Abnehmern im Vereinigten Königreich stützen können, um die Bedeutung von Substituten wie Ätznatron, Bruchglas oder Dolomit zu belegen und den Wettbewerbsdruck durch die Einfuhren aus den USA zu verdeutlichen.

216    Hierzu ist zunächst festzustellen, dass sich die Kommission zum Nachweis, dass die Klägerin auf dem betroffenen Markt eine beherrschende Stellung einnahm, im Wesentlichen auf den angestammten Marktanteil der Klägerin von 90 % stützte. Es spricht nichts für die Annahme, dass die Klägerin in den fehlenden „Teilakten“ Schriftstücke hätte finden können, die die Feststellung entkräftet hätten, sie habe auf dem Natriumkarbonatmarkt eine beherrschende Stellung innegehabt (vgl. in diesem Sinne Urteil ICI II, oben in Randnr. 16 angeführt, Randnr. 61). Zudem liefern nach der Rechtsprechung besonders hohe Marktanteile, soweit keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen, ohne Weiteres den Beweis für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung (Urteil des Gerichtshofs vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission, 85/76, Slg. 1979, 461, Randnr.41, und Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2003, Van den Bergh Foods/Kommission, T‑65/98, Slg. 2003. II‑4653, Randnr. 154). Die Klägerin führt jedoch keine Tatsachen an, die solche außergewöhnlichen Umstände darstellen könnten. Und selbst wenn solche Tatsachen vorgelegen und in den Unterlagen der fehlenden „Teilakten“ erwähnt gewesen wären, hätte die Klägerin sie unter den Umständen des vorliegenden Falles kennen müssen, so dass ihre Verteidigungsrechte insoweit nicht beeinträchtigt waren.

217    Sodann ist zum Vorbringen zu den Substituten festzustellen, dass die Kommission zu keiner Zeit bestritten hat, dass Natriumkarbonat durch Ätznatron und Bruchglas in gewissem Umfang substituierbar ist, wie aus den Erwägungsgründen 129 bis 134 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht. Sie war jedoch der Ansicht, dass diese begrenzte Substituierbarkeit die beherrschende Stellung der Klägerin auf dem fraglichen Markt nicht ausschloss. Zudem war die Klägerin, da sie im Zeitpunkt des Sachverhalts der einzige Hersteller von Natriumkarbonat im Vereinigten Königreich war, am ehesten in der Lage, die Situation auf dem fraglichen Markt zu kennen und der Kommission die notwendigen Gesichtspunkte für die Beurteilung der Frage der Substituierbarkeit von Natriumkarbonat durch Ätznatron oder Bruchglas zu liefern. Die Klägerin benötigte somit entgegen ihrem Vorbringen weder Unterlagen der Hersteller auf dem Kontinent, die andere Märkte betrafen, noch Unterlagen ihrer Abnehmer im Vereinigten Königreich, um den Beweis dafür antreten zu können, dass sie wegen der Teilsubstituierbarkeit von Natriumkarbonat durch Ätznatron oder Bruchglas keine dominante Stellung auf dem fraglichen Markt innegehabt habe. Zur Substituierbarkeit von Natriumkarbonat durch Dolomit ist festzustellen, dass sich die Klägerin auf eine Unterlage eines Wettbewerbers über einen Besuch im eigenen Werk bezieht. Die Klägerin musste also wissen, dass es eine solche Unterlage gab, oder zumindest die Informationen kennen, die sie enthalten konnte. Jedenfalls tut die Klägerin nicht dar, dass Informationen über die Substituierbarkeit durch Dolomit die Beurteilungen der Kommission hinsichtlich ihrer beherrschenden Stellung auf dem fraglichen Markt hätten beeinflussen können.

218    Schließlich ist in Bezug auf das Vorbringen, von ihren Abnehmern im Vereinigten Königreich oder von Herstellern auf dem Kontinent stammende Unterlagen verdeutlichten den Wettbewerbsdruck von amerikanischen Herstellern auf den fraglichen Markt, festzustellen, dass die Kommission den Einfluss der amerikanischen Wettbewerber in der angefochtenen Entscheidung eingehend untersucht und diese Einfuhren dabei berücksichtigt und darlegt, dass die amerikanische Konkurrenz durch Antidumpingmaßnahmen gedämpft gewesen sei (Erwägungsgründe 51 bis 54 und 128). Jedenfalls muss die Klägerin, da sie im Zeitpunkt des Sachverhalts der einzige Sodahersteller im Vereinigten Königreich war, den relevanten Markt und die Auswirkungen der Einfuhren aus den Vereinigten Staaten auf diesen Markt gekannt haben, um sich im Verwaltungsverfahren zu verteidigen.

219    Daher ist davon auszugehen, dass die Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 13. Oktober 2005 nichts vorträgt, was der Feststellung dienen könnte, dass das Unterbleiben der Offenlegung der eingesehenen Schriftstücke und der nach ihrem Vortrag in den fehlenden „Teilakten“ enthaltenen Schriftstücke im Verwaltungsverfahren dessen Ablauf und den Inhalt der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf das Vorliegen ihrer beherrschenden Stellung auf dem relevanten Markt zu ihren Ungunsten beeinflussen konnte.

220    Zur missbräuchlichen Ausnutzung der beherrschenden Stellung trägt die Klägerin vor, sie hätte, wenn ihr im Verwaltungsverfahren bestimmte Schriftstücke, von denen sie im Anschluss an die Akteneinsicht im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme Kenntnis erlangt habe, sowie die von Abnehmern und Wettbewerbern im Vereinigten Königreich stammenden, nach ihrem Vortrag in den fehlenden „Teilakten“ enthaltenen Informationen aus unabhängiger Quelle zugänglich gewesen wären, nachweisen können, dass ihre Rabatte nicht ihrem Wesen nach dazu bestimmt gewesen seien, Wettbewerber vom Markt auszuschließen, und in erster Linie eine rechtmäßige Form des Wettbewerbs darstellten. Mehrere Schriftstücke verdeutlichten, dass die Gewährung von Rabatten bei den Herstellern auf dem Kontinent übliche Praxis gewesen sei, was ein erheblicher Gesichtspunkt gewesen wäre, um zu zeigen, dass ihre Rabatte mit den in der Industrie anerkannten Praktiken völlig vereinbar gewesen seien. Zudem wären Schriftstücke, die u. a. von Akzo stammten und sich auf die Strategie der alternativen Versorgungsquelle bzw. des Zweitlieferanten bezögen, ihr bei der Untersuchung der Frage nützlich gewesen, ob diese Rabatte, wie von der Kommission behauptet, zu einem Ausschluss von Wettbewerbern geführt hätten.

221    Hierzu ist zunächst festzustellen, dass das Argument der Klägerin, Rabatte für Spitzenmengen seien übliche Praxis, nicht geeignet ist, darzutun, dass solche Rabatte, wenn sie von einem Unternehmen in beherrschender Stellung gewährt werden, mit Art. 82 EG im Einklang stehen. Die Einsichtnahme in Unterlagen, die eine solche Praxis beschreiben, wäre für die Klägerin somit nicht von Nutzen gewesen.

222    Sodann ergibt sich der treuefördernde Charakter des von der Klägerin eingeführten Rabattsystems aus unmittelbaren schriftlichen Beweisen. Im Abschnitt „Sachverhalt“ der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission in den Erwägungsgründen 61 bis 82 zahlreiche Dokumente über Rabatte für Spitzenmengen an, aus denen hervorgeht, dass sie keine Zugewinne an Effizienz und Größenvorteile widerspiegeln und dass sie, anders als ein Mengenrabatt, der allein an die Einkaufsmenge geknüpft ist, die Wettbewerber vom Markt ausschließen sollten. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem sich die Kommission für den Nachweis der verschiedenen Zuwiderhandlungen in der angefochtenen Entscheidung allein auf unmittelbare schriftliche Beweise gestützt hat, obliegt es der Klägerin, darzutun, inwiefern andere Beweise den treuefördernden Charakter des eingeführten Rabattsystems hätten in Frage stellen können, oder zumindest, inwiefern die unmittelbaren schriftlichen Beweise, denen nicht entgegengetreten wurde, in einem anderen Licht hätten gesehen werden können.

223    Was schließlich die Strategie des Zweitlieferanten angeht, so war diese der Kommission bekannt, und sie hat sie nie in Abrede gestellt, wie aus dem 23. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hervorgeht. Selbst wenn die Klägerin die diese Strategie beschreibenden Schriftstücke eingesehen hätte, hätte dies folglich an den Schlussfolgerungen der Kommission hinsichtlich der missbräuchlichen Ausnutzung der beherrschenden Stellung nichts geändert.

224    Daher ist festzustellen, dass die Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 13. Oktober 2005 nichts vorträgt, was der Feststellung dienen könnte, dass das Unterbleiben der Offenlegung der eingesehenen Schriftstücke und der nach ihrem Vortrag in den fehlenden „Teilakten“ enthaltenen Schriftstücke im Verwaltungsverfahren dessen Ablauf und den Inhalt der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die missbräuchliche Ausnutzung ihrer beherrschenden Stellung auf dem relevanten Markt zu ihren Ungunsten beeinflussen konnte.

225    Zu den Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten trägt die Klägerin vor, sie hätte, wenn ihr im Verwaltungsverfahren bestimmte Schriftstücke, von denen sie im Anschluss an die Akteneinsicht im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme Kenntnis erlangt habe, sowie die von Abnehmern und Wettbewerbern im Vereinigten Königreich stammenden Informationen aus unabhängiger Quelle zugänglich gewesen wären, die Beurteilung der Kommission in Bezug auf die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten widerlegen können. Mehrere Schriftstücke hätten es ihr ermöglicht, ihre Auffassung zu untermauern, dass die Trennung der nationalen Märkte nicht auf ihr angeblich auf Ausschluss der Wettbewerber gerichtetes Verhalten zurückzuführen sei, sondern auf Faktoren wie hohe Transportkosten, Wechselkursschwankungen und einseitige Entscheidungen von Herstellern, bestimmte Märkte nicht zu beliefern, um Vergeltungslieferungen zu vermeiden.

226    Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission ihre Beurteilung der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten u. a. auf Schriftstücke gestützt hat, die von der Klägerin selbst stammen, insbesondere auf ein im 66. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführtes Strategie-Papier vom 28. Juni 1985, aus dem hervorgeht, dass sie sämtliche Importe von schwerer Soda nach dem Vereinigten Königreich zu verhindern oder zu verdrängen suchte, mit Ausnahme der Lieferungen von General Chemical (Erwägungsgründe 66 bis 70 der angefochtenen Entscheidung). In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem sich die Kommission für den Nachweis der Zuwiderhandlung in der angefochtenen Entscheidung allein auf unmittelbare schriftliche Beweise gestützt hat, obliegt es der Klägerin, darzutun, inwiefern andere Beweise die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten hätten in Frage stellen können oder zumindest inwiefern die unmittelbaren schriftlichen Beweise, denen nicht entgegengetreten wurde, in einem anderen Licht hätten gesehen werden können.

227    In Bezug auf die Trennung der nationalen Märkte war die Klägerin zudem aufgrund ihrer eigenen Erfahrung auf dem Markt in der Lage, im Verwaltungsverfahren Argumente betreffend hohe Transportkosten, Wechselkursschwankungen und Vergeltungslieferungen vorzutragen, ohne auf Dokumente anderer Hersteller zurückgreifen zu müssen.

228    Daher ist davon auszugehen, dass die Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 13. Oktober 2005 nichts vorträgt, was der Feststellung dienen könnte, dass das Unterbleiben der Offenlegung der eingesehenen Schriftstücke und der nach ihrem Vortrag in den fehlenden „Teilakten“ enthaltenen Schriftstücke im Verwaltungsverfahren dessen Ablauf und den Inhalt der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die Auswirkungen ihres Verhaltens auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu ihren Ungunsten beeinflussen konnte.

229    Zur Höhe der Geldbuße führt die Klägerin aus, die Gesichtspunkte, die sie in ihrer Stellungnahme vorgetragen habe, hätten zwar nicht die Beurteilung der Kommission in Bezug auf die Verletzung von Art. 82 EG, wohl aber deren Beurteilung in Bezug auf die Geldbuße beeinflussen können. Wenn ihr im Verwaltungsverfahren bestimmte Schriftstücke, von denen sie im Anschluss an die Akteneinsicht im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme Kenntnis erlangt habe, sowie von Abnehmern im Vereinigten Königreich stammende, in den fehlenden „Teilakten“ enthaltene Informationen, zugänglich gewesen wären, hätte sie Gesichtspunkte geltend machen können, die „geeignet gewesen wären, zu zeigen, dass in der Praxis keinem Wettbewerber in erheblicher Weise Absatzmöglichkeiten genommen wurden und es keine negativen Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel gab“.

230    Hierzu genügt der Hinweis, dass sich die Klägerin auf von ihr vorgetragene Argumente zu Beurteilungen bezieht, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die missbräuchliche Ausnutzung ihrer beherrschenden Stellung und die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten vorgenommen hat und zu denen in den Randnrn. 218 bis 226 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, dass die Akteneinsicht die Klägerin nicht in die Lage versetzt hätte, Gesichtspunkte geltend zu machen, anhand deren sie diese Beurteilungen hätte erschüttern können.

231    Daher ist davon auszugehen, dass die Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 13. Oktober 2005 nichts vorträgt, was der Feststellung dienen könnte, dass das Unterbleiben der Offenlegung der eingesehenen Schriftstücke und der nach ihrem Vortrag in den fehlenden „Teilakten“ enthaltenen Schriftstücke im Verwaltungsverfahren dessen Ablauf und den Inhalt der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die Höhe der Geldbuße zu ihren Ungunsten beeinflussen konnte.

 Zum fünften Teil: Verletzung von Art. 253 EG

–       Vorbringen der Parteien

232    Die Klägerin macht geltend, für die Kommission habe keine Verpflichtung zum Erlass einer neuen Entscheidung nach Nichtigerklärung der Entscheidung 91/300 bestanden. Das angewandte Verfahren sei insofern sehr ungewöhnlich, als die Kommission an sie keine neue Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet, auch keine erneute Anhörung vorgenommen und den Beratenden Ausschuss nicht erneut angehört habe. Unter diesen Umständen stelle das Fehlen von Erläuterungen der Kommission zur Vorgehensweise eine Verletzung von Art. 253 EG dar.

233    Die Kommission habe ferner dadurch, dass sie „andere Entscheidungen, die aus ähnlichen Gründen für nichtig erklärt worden waren wie die in der … Sache von 1990, nicht neu erlassen habe“, gegen ihre Geschäftsordnung (ABl. 2000, L 308, S. 26) sowie gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen. Insoweit sei in dem dieser Geschäftsordnung als Anhang beigefügten Kodex für gute Verwaltungspraxis in den Beziehungen der Bediensteten der Kommission zur Öffentlichkeit vorgesehen, dass jedwede Ungleichbehandlung ähnlicher Fälle durch die Umstände des Einzelfalls sachlich begründet sein müsse und dass Abweichungen hiervon entsprechend sachlich zu begründen seien. Zudem zeige das Fehlen einer Begründung der Entscheidung zu wesentlichen Fragen, insbesondere in Bezug auf die rechtliche Würdigung und die Geldbuße, dass die Kommission Art. 253 EG verletzt habe.

234    Die Kommission tritt den Argumenten der Klägerin entgegen.

–       Würdigung durch das Gericht

235    Die Rüge der Klägerin ist in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend. Die Kommission hat nämlich in den Erwägungsgründen 162 bis 172 der angefochtenen Entscheidung begründet, warum sie nach Nichtigerklärung der Entscheidung 91/300 beschlossen habe, eine neue Entscheidung zu erlassen.

236    Dass die Kommission an die Klägerin keine neue Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet und weder sie noch den Beratenden Ausschuss erneut angehört hat, ist kein Begründungsmangel der angefochtenen Entscheidung. Diese Argumente der Klägerin sind vielmehr im Wesentlichen nur darauf gerichtet, die Würdigung dieser verschiedenen Fragen durch die Kommission anzuzweifeln, und sind daher zurückzuweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil PVC II des Gerichts, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnr. 389).

237    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die Kommission mit dem Beschluss, die von ihr ermittelten Zuwiderhandlungen nach der Nichtigerklärung der Entscheidung 91/300 in einer neuen Entscheidung festzustellen, nicht von einer ständigen Entscheidungspraxis abgewichen. Sie hat nur ihren ursprünglichen Beschluss bestätigt, diese Zuwiderhandlungen zu ahnden; dem stand Art. 233 EG nicht entgegen, der sie nur dazu verpflichtete, die sich aus dem Urteil Kommission/ICI (oben in Randnr. 19 angeführt) ergebenden Maßnahmen zu ergreifen, d. h., die darin festgestellten Rechtsfehler zu beseitigen (vgl. in diesem Sinne Urteil PVC II des Gerichtshofs, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnr. 451). Im Übrigen hat die Klägerin auf keine andere Sache verwiesen, die mit der vorliegenden vergleichbar wäre und von der Kommission anders behandelt worden wäre.

238    Folglich ist der fünfte Teil des zweiten Klagegrundes und somit der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen

 Zum dritten Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung des relevanten Marktes

 Vorbringen der Parteien

239    Unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichts vom 22. März 2000, Coca-Cola/Kommission (T‑125/97 und T‑127/97, Slg. 2000, II‑1733), führt die Klägerin aus, sie habe im Rahmen der Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung 91/300 nicht die Feststellung der Kommission beanstandet, dass der räumlich relevante Markt der des Vereinigten Königreichs und der sachlich relevante Markt der für schweres und leichtes Natriumkarbonat sei. Die Kommission habe sich jedoch in der angefochtenen Entscheidung nicht damit begnügen dürfen, Schlussfolgerungen hinsichtlich der relevanten Produkte und relevanten räumlichen Märkte wiederzugeben, die auf einer 10 Jahre zuvor durchgeführten Untersuchung beruht hätten. Die Kommission hätte prüfen müssen, ob diese Schlussfolgerungen im Licht der Entwicklung des Rechts und der Praxis in der Zeitspanne zwischen den beiden Entscheidungen noch gültig seien. Die angefochtene Entscheidung beruhe daher auf einer fehlerhaften Tatsachenfeststellung und sei mangelhaft begründet. Im Übrigen gehe aus der angefochtenen Entscheidung nicht hervor, dass die Kommission im Jahr 2000 eine der in der Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (ABl. 1997, C 372, S. 5) erwähnten Untersuchungen vorgenommen habe.

240    Die Kommission tritt den Argumenten der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

241    Erstens bestreitet die Klägerin nicht, dass die Kommission bei Erlass der Entscheidung 91/300 die Marktstruktur und den Wettbewerb untersucht hat. Sie macht auch nicht geltend, dass der Kommission im Rahmen dieser Entscheidung bei der Definition des räumlichen und des Produktmarkts ein Fehler unterlaufen sei.

242    Die Klägerin trägt lediglich vor, dass die Kommission hätte prüfen müssen, ob diese Schlussfolgerungen im Licht der Entwicklung des Rechts und der Praxis in der Zeitspanne zwischen den beiden Entscheidungen noch gültig seien. Sie verweist auf das Urteil Coca-Cola/Kommission (oben in Randnr. 239 angeführt), in dem das Gericht insbesondere entschieden habe, dass die Feststellung einer beherrschenden Stellung durch die Kommission das Ergebnis einer Untersuchung der Markt- und Wettbewerbsstruktur sei, wie sie beim Erlass der Entscheidung der Kommission bestehe (Randnr. 81).

243    Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung das Organ, das den für nichtig erklärten Rechtsakt erlassen hat, nur in den Grenzen dessen, was zur Durchführung des Nichtigkeitsurteils erforderlich ist, gebunden ist, so dass das Verfahren zur Ersetzung dieses Aktes genau an dem Punkt wieder aufgenommen werden kann, an dem die Rechtswidrigkeit eingetreten ist (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 29. November 2007, Italien/Kommission, C‑417/06 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall ist die Entscheidung 91/300 vom Gericht für nichtig erklärt worden, weil sie nach ihrer Zustellung festgestellt worden war, was eine Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift im Sinne des Art. 230 EG darstellte.

244    Die Kommission durfte daher ihre Untersuchung im Stadium der Feststellung wieder aufnehmen, ohne prüfen zu müssen, ob die Schlussfolgerungen, die sie hinsichtlich des relevanten Marktes bei dem Erlass der Entscheidung 91/300 gezogen hatte, im Licht der im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Umstände noch gültig waren.

245    Das auf Randnr. 81 des Urteils Coca-Cola/Kommission (oben in Randnr. 239 angeführt) gestützte Argument der Klägerin kann an diesem Ergebnis nichts ändern. Die Erwägung, dass die Feststellung einer beherrschenden Stellung das Ergebnis einer Untersuchung der Markt- und Wettbewerbsstruktur ist, wie sie beim Erlass der Entscheidung der Kommission besteht, bedeutet nicht, dass die Kommission stets verpflichtet wäre, den relevanten Markt beim Erlass der angefochtenen Entscheidung erneut zu untersuchen. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Kommission nicht zu einer solchen Untersuchung verpflichtet war, da dies zur Durchführung des Urteils ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt) nicht erforderlich war. Somit beruht das vorstehend in Randnr. 239 wiedergegebene Vorbringen der Klägerin, mit dem sie eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung und mangelhafte Begründung rügt, auf einer unzutreffenden Prämisse und ist ebenfalls zurückzuweisen.

246    Der dritte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund: Fehlen einer beherrschenden Stellung

 Vorbringen der Parteien

247    Die Klägerin trägt vor, es sei anerkannt, dass ein Unternehmen, das mehr als 90 % eines Produktmarkts halte, normalerweise als beherrschend im Sinne von Art. 82 EG gelte. Ein hoher Marktanteil reiche aber nicht aus, um die beherrschende Stellung zu begründen. Die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung bestimmte Faktoren nicht zutreffend gewürdigt, die die Klägerin daran gehindert hätten, sich gegenüber ihren Wettbewerbern, ihren Abnehmern und letztlich den Verbrauchern in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten im Sinne des Urteils Hoffmann-La Roche/Kommission (oben in Randnr. 216 angeführt). So seien ihre Abnehmer viele Jahre lang in der Lage gewesen, die von der Klägerin oder von Importeuren bezogene Menge Natriumkarbonat und den Umfang der Substitute zu bestimmen. Ihre Abnehmer hätten nämlich Beziehungen zu Lieferanten in Osteuropa und in den Vereinigten Staaten hergestellt, um über alternative Quellen zu verfügen und dafür zu sorgen, dass sie sich in Bezug auf Preise und Qualität trotz ihres hohen Marktanteils weiter dem Wettbewerb stellen müsse. Insoweit hätten ihre Abnehmer und insbesondere die Glashersteller über beträchtliche Nachfragemacht verfügt mit der Folge, dass ihre Stellung nicht beherrschend gewesen sei. Die Kommission habe in ihrer Entscheidung 1999/641/EG vom 25. November 1998, mit der ein Zusammenschluss für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt und der Funktionsweise des EWR-Abkommens erklärt wird (Sache IV/M.1225 – Enso/Stora) (ABl. 1999, L 254, S. 9), den Grundsatz einer ausgleichenden Nachfragemacht angewandt. Im vorliegenden Fall habe die Kommission nicht anerkannt, dass die ausgleichende Nachfragemacht eine Begrenzung der Marktmacht der Klägerin darstelle. Zudem habe die Kommission nicht berücksichtigt, dass Substitute verfügbar gewesen seien und dass diese seit 1979 zu einem Rückgang ihres Absatzvolumens geführt hätten.

248    So habe die Kommission nicht berücksichtigt, dass mindestens ein Glashersteller aus Westeuropa Natriumkarbonat durch Ätznatron ersetzt habe. Ebenfalls nicht gewürdigt habe die Kommission die Bedeutung von Bruchglas als die Marktmacht der Klägerin begrenzenden Faktor und die anderer Substitute wie Dolomit, das sie in der angefochtenen Entscheidung nicht einmal erwähne.

249    Die Klägerin räumt ein, dass ihre Abnehmer General Chemical und Brenntag als Zweitlieferanten angesehen hätten. Sie bestreitet jedoch, dass diese Einschätzung ein Faktor sein könne, der für ihre Marktmacht spreche. Für den Wegfall ihrer gesamten Gewinnspanne hätte es schon ausgereicht, wenn ein Großabnehmer einen Zweitlieferanten zu seinem Hauptlieferanten gemacht hätte oder mehrere Abnehmer ihre Abnahmemengen bei einem Zweitlieferanten erhöht hätte.

250    Im Übrigen treffe die Behauptung der Kommission, die Klägerin habe ein höheres Preisniveau als in anderen EG-Mitgliedstaaten aufrechterhalten, nicht zu und werde durch nichts gestützt. Dass ihre Preise in der Tendenz leicht höher gewesen seien, sei insbesondere Ausdruck der Wirkung, die der erhebliche Rückgang der Nachfrage nach Natriumkarbonat auf ihre Kosten gehabt habe, den es auf anderen Märkten nicht in diesem Umfang gegeben habe. Darin schlage sich auch der Einfluss von Faktoren wie Wechselkurse und Kraftstoffkosten nieder.

251    Die Klägerin räumt ein, dass sie zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit ihrer beiden Einheiten zur Herstellung von Natriumkarbonat auf die Strategie eines ausreichenden Absatzvolumens gesetzt habe, was bedeutet habe, dass eine Absatzsteigerung habe angestrebt und auf die Angebote der alternativen Lieferanten habe reagiert werden müssen. Sie bestreitet jedoch, dass sie versucht habe, die Präsenz und/oder den wirtschaftlichen Erfolg von General Chemical und Brenntag als Wettbewerber so gering wie möglich zu halten.

252    Schließlich hätten die verschiedenen von der Kommission im fraglichen Zeitraum erlassenen Antidumpingverordnungen und ‑entscheidungen aufgezeigt, dass es Dumping gegeben habe und dass der Schaden erheblich gewesen sei, so z. B. die Verordnung (EWG) Nr. 2253/84 der Kommission vom 31. Juli 1984 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf bestimmte Formen von Natriumkarbonat mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika sowie zur Annahme von Verpflichtungen betreffend andere Einfuhren desselben Produkts (ABl. L 206, S. 15). Eine solche Situation sei mit dem Vorliegen einer beherrschenden Stellung unvereinbar. Bei der Verhängung von Antidumping-Maßnahmen habe die Kommission zweifellos angenommen, dass diese nicht geeignet seien, den Wettbewerb erheblich zu verringern oder die Entstehung eines Monopols herbeizuführen, und dass sie im Gemeinschaftsinteresse lägen.

253    Die Kommission tritt den Argumenten der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

254    Nach ständiger Rechtsprechung ist eine beherrschende Stellung im Sinne von Art. 82 EG eine wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens, die es in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Konkurrenten, seinen Kunden und letztlich den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten (Urteil des Gerichtshofs vom 14. Februar 1978, United Brands und United Brands Continentaal/Kommission, 27/76, Slg. 1978, 207, Randnr. 65, und Urteil des Gerichts vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, Slg. 2007, II‑3601, Randnr. 229). Eine solche Stellung schließt im Gegensatz zu einem Monopol oder einem Quasi-Monopol einen gewissen Wettbewerb nicht aus, versetzt aber das begünstigte Unternehmen in die Lage, die Bedingungen, unter denen sich dieser Wettbewerb entwickeln kann, zu bestimmen oder wenigstens merklich zu beeinflussen, jedenfalls aber weitgehend in seinem Verhalten hierauf keine Rücksicht nehmen zu müssen, ohne dass ihm dies zum Schaden gereichte (Urteil Hoffmann-La Roche/Kommission, oben in Randnr. 216 angeführt, Randnr. 39).

255    Das Vorliegen einer beherrschenden Stellung ergibt sich im Allgemeinen aus dem Zusammentreffen mehrerer Faktoren, die jeweils für sich genommen nicht ausschlaggebend sein müssen (Urteil United Brands und United Brands Continentaal/Kommission, oben in Randnr. 254 angeführt, Randnr. 66). Um festzustellen, ob eine beherrschende Stellung auf dem relevanten Markt vorliegt, sind zunächst dessen Struktur und sodann die Wettbewerbssituation auf diesem Markt zu untersuchen (vgl. in diesem Sinne Urteil United Brands und United Brands Continentaal/Kommission, oben in Randnr. 254 angeführt, Randnr. 67).

256    Äußerst hohe Marktanteile liefern, von außergewöhnlichen Umständen abgesehen, ohne Weiteres den Beweis für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung. Ein Unternehmen, das längere Zeit einen äußerst hohen Marktanteil besitzt, befindet sich allein durch den Umfang seiner Produktion und seines Angebots – ohne dass die Inhaber erheblich geringerer Anteile imstande wären, die Nachfrage, die sich von dem Unternehmen mit dem größten Anteil abwenden will, rasch zu befriedigen – in einer Position der Stärke, die es zu einem nicht zu übergehenden Geschäftspartner macht und ihm bereits deswegen, jedenfalls während relativ langer Zeit, die Unabhängigkeit des Verhaltens sichert, die für eine beherrschende Stellung kennzeichnend ist (Urteil Hoffmann-La Roche/Kommission, oben in Randnr. 216 angeführt, Randnr. 41, und Urteil Van den Bergh Foods/Kommission, oben in Randnr. 216 angeführt, Randnr. 154). So liefert nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein Marktanteil von 50 %, von außergewöhnlichen Umständen abgesehen, ohne Weiteres den Beweis für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung (Urteil vom 3. Juli 1991, AKZO/Kommission, C‑62/86, Slg. 1991, I‑3359, Randnr. 60).

257    Ebenso ist ein Marktanteil zwischen 70 % und 80 % für sich schon ein klares Indiz für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung (Urteile des Gerichts vom 12. Dezember 1991, Hilti/Kommission, T‑30/89, Slg. 1991, II‑1439, Randnr. 92, und vom 30. September 2003, Atlantic Container Line u. a./Kommission, T‑191/98, T‑212/98 bis T‑214/98, Slg. 2003, II‑3275, Randnr. 907).

258    Im vorliegenden Fall hat die Kommission im 127. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, die Klägerin habe einen „angestammten Marktanteil von mehr als 90 % während des gesamten Untersuchungszeitraums“ gehalten. Die Klägerin hat in der Klageschrift nicht bestritten, einen solchen sehr hohen Marktanteil gehalten zu haben.

259    Aus solchen Marktanteilen ergibt sich somit, sofern im vorliegenden Fall keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen, dass die Klägerin auf dem relevanten Markt eine beherrschende Stellung einnahm.

260    Im 128. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung nennt die Kommission verschiedene Gegebenheiten, die sie bei ihrer Untersuchung der Marktanteile der Klägerin ergänzend berücksichtigte und die für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung der Klägerin sprechen.

261    Diese Gegebenheiten können naturgemäß keine außergewöhnlichen Umstände sein, die den Schluss zuließen, dass die Klägerin keine beherrschende Stellung einnimmt.

262    Außerdem trägt die Klägerin sechs Argumente vor, die zu prüfen sind, um festzustellen, ob im vorliegenden Fall solche außergewöhnlichen Umstände im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs vorlagen.

263    Erstens sei von anderen Herstellern von Natriumkarbonat hoher Wettbewerbsdruck ausgegangen.

264    Hierzu ist zunächst daran zu erinnern, dass es mit einer beherrschenden Stellung auf dem betreffenden Markt nicht unvereinbar ist, wenn ein gewisses Maß an Wettbewerb besteht.

265    Zudem führt die Klägerin keinerlei Tatsachen oder Beweise an, um das von der Kommission festgestellte „Fehlen jeglichen Wettbewerbs seitens Solvay und der anderen westeuropäischen Hersteller“ in Zweifel zu ziehen. Sie erkennt im Gegenteil an, dass diese Hersteller vom Kontinent im Vereinigten Königreich nicht in nennenswertem Umfang Natriumkarbonat absetzten. Ebenso räumt sie ein, „dass es unwahrscheinlich war, dass sich ein ‚neuer Hersteller von synthetischer Soda‘ auf dem Markt etabliert und Produktionsanlagen in der Gemeinschaft errichtet“ (128. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

266    Ferner erwähnt die Kommission in Randnr. 128 der angefochtenen Entscheidung, „dass die Kunden General Chemical und Brenntag nur als Zweitlieferanten sahen“, was die Klägerin einräumt. Die Klägerin meint jedoch, für den Wegfall ihrer gesamten Gewinnspanne hätte es schon ausgereicht, wenn ein Großabnehmer einen Zweitlieferanten zu seinem Hauptlieferanten gemacht hätte oder mehrere Abnehmer ihre Abnahmemengen bei einem Zweitlieferanten erhöht hätten. Eine solche Behauptung erscheint jedoch rein hypothetisch, da die Klägerin nichts vorträgt, um sie zu stützen. Jedenfalls geht diese Behauptung, selbst wenn sie zuträfe, ins Leere, da die bloße Tatsache, dass Abnehmer sich einer solchen Drohung bedienen, keinen außergewöhnlichen Umstand darstellen kann, der das Vorliegen einer beherrschenden Stellung auf dem betreffenden Markt ausschließt.

267    Ebenso wenig substantiiert die Klägerin ihren Vortrag, mit dem sie bestreitet, dass sie sich erfolgreich bemüht habe, „die Präsenz und/oder den wirtschaftlichen Erfolg von General Chemical und Brenntag als Wettbewerber so gering wie möglich zu halten und die eigene führende Marktposition im Vereinigten Königreich zu erhalten“.

268    Die Schriftstücke aus Quellen auf dem Kontinent über amerikanische Wettbewerber, von denen die Klägerin im Anschluss an die Akteneinsicht im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme Kenntnis erlangte, ändern nichts an der Beurteilung der Kommission hinsichtlich des Vorliegens einer beherrschenden Stellung der Klägerin auf dem relevanten Markt. Die Klägerin hat nämlich die amerikanischen Einfuhren im Verwaltungsverfahren erwähnt, und die Kommission hat dieses Vorbringen vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung berücksichtigt.

269    Folglich ist das Vorbringen der Klägerin, von anderen Herstellern von Natriumkarbonat sei ein hoher Wettbewerbsdruck ausgegangen, nicht substantiiert und kann keinen außergewöhnlichen Umstand darstellen, der das Vorliegen einer beherrschenden Stellung auf dem betreffenden Markt ausschließt.

270    Zweitens habe die Substituierbarkeit von Natriumkarbonat durch Ätznatron, Bruchglas und Dolomit in ihrem Verhältnis zu Abnehmern Wettbewerbsdruck erzeugt.

271    Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 129 bis 133 der angefochtenen Entscheidung die Substitution durch Ätznatron eingehend untersucht und festgestellt hat, dass diese Möglichkeit in der Praxis sehr beschränkt war. In der Klageschrift trägt die Klägerin nichts vor, was diese Analyse in Frage stellen könnte.

272    Was Bruchglas betrifft, hat die Kommission im 134. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass sich der Sodabedarf eines Hohlglasherstellers durch die Verwendung von Bruchglas um bis zu 15 % verringern lasse. Diese Zahl wird von der Klägerin nicht bestritten. Die Kommission hat auch eingeräumt, dass es möglich sei, dass die Verwendung von Bruchglas die Abhängigkeit von den Sodalieferanten generell verringern helfe, ohne jedoch die Fähigkeit eines starken Sodaherstellers zu verringern, kleinere Konkurrenten zu verdrängen. Folglich hat die Kommission entgegen der Behauptung der Klägerin diese Möglichkeit der Substitution von Natriumkarbonat durch Ätznatron berücksichtigt. Das Vorbringen der Klägerin ist somit sachlich unzutreffend.

273    Zu Dolomit erwähnt die Klägerin lediglich dessen Existenz; sie trägt nichts vor und liefert keinen Beweis dafür, in welchem Umfang Dolomit als Substitut für Natriumkarbonat verwendet wird.

274    Den Unterlagen, die die Klägerin in ihrer im Anschluss an die Akteneinsicht im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme abgegebenen Stellungnahme anführt, lässt sich lediglich entnehmen, dass Ätznatron und Bruchglas Teilsubstitute für Natriumkarbonat sind und dass dieses möglicherweise durch Dolomit ersetzt werden kann. Diese Unterlagen enthalten jedoch nichts, was Zweifel an den Schlussfolgerungen der Kommission begründen würde, dass die Teilsubstituierbarkeit von Natriumkarbonat durch andere Produkte die beherrschende Stellung der Klägerin auf dem betreffenden Markt nicht ausschließt. Zudem macht die Klägerin, wie die Kommission bemerkt, nicht geltend, dass Dolomit von Glasherstellern, den Hauptabnehmern von Natriumkarbonat, verwendet wird. Daher spricht nichts dafür, dass die Verwendung von Dolomit an der beherrschenden Stellung der Klägerin auf dem betreffenden Markt etwas hätte ändern können.

275    Die Klägerin hat somit nicht nachgewiesen, dass der Kommission ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlief, als sie zu dem Ergebnis gelangte, dass die Möglichkeiten einer Substitution keine nennenswerte Beschränkung der Marktmacht der Klägerin bedeuteten.

276    Drittens trägt die Klägerin vor, die Kommission hätte den von den Abnehmern ausgeübten Wettbewerbsdruck berücksichtigen müssen.

277    In der Klageschrift weist die Klägerin darauf hin, dass etwa 50 % ihres Absatzvolumens auf ihre vier Hauptabnehmer entfielen. Sie macht jedoch keine näheren Angaben zu dem jeweiligen Anteil dieser vier Abnehmer. Im Übrigen trägt sie lediglich vor, dass ihre Abnehmer, insbesondere die Glashersteller, über „beträchtliche Nachfragemacht“ verfügt hätten, ohne diese Behauptung zu belegen. Auch wenn man annimmt, dass die Kommission das Kriterium der Gegenmacht der Abnehmer hätte berücksichtigen müssen, hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass ihre Abnehmer in der Lage waren, ihre Marktmacht auszugleichen.

278    Viertens bestreitet die Klägerin das Vorbringen der Kommission, sie habe ein höheres Preisniveau als in anderen EG-Mitgliedstaaten aufrechterhalten. Die Klägerin räumt jedoch ein, dass ihre Preise „in der Tendenz leicht höher gewesen seien als die in anderen Mitgliedstaaten“. Sie verweist auf den Rückgang der Nachfrage nach Natriumkarbonat, den es auf anderen Märkten nicht in diesem Umfang gegeben habe, die Wechselkurse und die Kraftstoffkosten. Die Klägerin untermauert ihre Argumentation aber nicht mit konkreten Tatsachen, anhand deren das Gericht die Stichhaltigkeit ihres Vorbringens nachprüfen könnte.

279    Fünftens macht die Klägerin geltend, sie habe, damit ihre beiden Einheiten zur Herstellung von Natriumkarbonat wirtschaftlich blieben, auf die Strategie eines ausreichenden Absatzvolumens gesetzt, was bedeutet habe, dass eine Absatzsteigerung habe angestrebt und auf die Angebote der alternativen Lieferanten habe reagiert werden müssen. Ein solches Vorbringen ist nicht geeignet, das Vorliegen der beherrschenden Stellung der Klägerin auf dem betreffenden Markt in Zweifel zu ziehen.

280    Sechstens verweist die Klägerin auf die Antidumping-Maßnahmen der Kommission. Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die Antidumping-Maßnahmen gegen die amerikanischen Hersteller eingehend geprüft hat (Erwägungsgründe 51 bis 54) und in Bezug auf die Marktposition der Klägerin zu dem Ergebnis gelangt ist, dass dieser der Schutz vor der US-amerikanischen und osteuropäischen Konkurrenz durch die Antidumpingmaßnahmen sowie die General Chemical im Rahmen des Antidumping-Verfahrens auferlegten Preisverpflichtungen zugute kamen (128. Erwägungsgrund).

281    Auf diese Feststellungen erwidert die Klägerin zunächst, das nachgewiesene Vorliegen von Dumping bis 1984 lasse sich nicht mit der Schlussfolgerung vereinbaren, dass sie damals eine beherrschende Stellung eingenommen habe. Die Klägerin legt jedoch nicht dar, inwiefern das Vorliegen von Dumping seitens der amerikanischen Hersteller darauf schließen lasse, dass sie keine beherrschende Stellung eingenommen habe. Jedenfalls zeigt die Verordnung Nr. 2253/84, die in einem völlig anderen rechtlichen Rahmen als dem des Art. 82 EG erging, nicht, dass die Klägerin im Vereinigten Königreich keine beherrschende Stellung eingenommen hat.

282    Sodann macht die Klägerin geltend, der Erlass von Antidumping-Maßnahmen habe nach Ansicht der Kommission bedeutet, dass diese die Wettbewerbssituation in der Gemeinschaft nicht beeinträchtigen würden. Die Klägerin belegt diese Behauptung jedoch nicht, die rein hypothetisch erscheint, da die Verordnung Nr. 2253/84 keine Bezugnahme auf die Wettbewerbssituation in der Gemeinschaft enthält.

283    Somit kann aus dem Vorbringen der Klägerin nicht auf das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände geschlossen werden, die es rechtfertigten, die Feststellung einer beherrschenden Stellung der Klägerin auf dem relevanten Markt in Frage zu stellen.

284    Daher ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum fünften Klagegrund: kein Missbrauch einer beherrschenden Stellung

285    Der fünfte Klagegrund gliedert sich in drei Teile, die sich jeweils beziehen auf, erstens, die Rabatte für Spitzenmengen, zweitens, die Alleinbelieferungsklauseln und die Einschränkung der Abnahme von Wettbewerbern, sowie drittens, die sonstigen finanziellen Anreize.

 Zum ersten Teil: Rabatte für Spitzenmengen

–       Vorbringen der Parteien

286    Die Klägerin bestreitet, dass ihre Praktiken bei der Preisfestsetzung im fraglichen Zeitraum missbräuchlich gewesen seien. Ihre Praktiken seien in jedem Fall vor dem Hintergrund wirtschaftlicher und geschäftlicher Faktoren normale Wettbewerbshandlungen gewesen. Die von ihr geschlossenen Preisvereinbarungen hätten zu keiner Zeit die Wettbewerbstruktur des relevanten Marktes verfälscht oder die Verbraucher geschädigt.

287    Es sei kein Missbrauch, wenn ein beherrschender Lieferant einen niedrigeren Preis aushandele, sofern sein Abnehmer zur Abnahme zusätzlicher Mengen bereit sei. Die Rabatte für Spitzenmengen hätten weder den Zweck noch die Wirkung gehabt, Wettbewerber vom Markt auszuschließen. Mit ihnen sei den Wünschen von Abnehmern entsprochen worden, für zusätzlich bestellte Mengen einen niedrigeren Preis zu erhalten. Ziel der einzeln ausgehandelten Rabatte sei es gewesen, eine ausreichende Auslastung ihrer Produktionskapazitäten und eine gewisse Rentabilität zu erreichen, um weitere Werksschließungen zu vermeiden. Solche Rabatte schüfen für die Abnehmer Anreize zum Bezug von Mengen Natriumkarbonat, deren Erwerb sie nicht für möglich gehalten hätten. Dabei sei es besonders darum gegangen, Natriumkarbonat gegenüber Substituten wie Ätznatron, Bruchglas und Dolomit attraktiver zu machen.

288    Zudem seien ihre Nettopreise zu keiner Zeit von der wirtschaftlichen Realität abgewichen, und die Rabatte seien völlig transparent gewesen in dem Sinne, dass der Abnehmer – anders als im Sachverhalt der Rechtssache, in der das Urteil des Gerichtshofs vom 9. November 1983, Nederlandsche Banden-Industrie-Michelin/Kommission (322/81, Slg. 1983, 3461), ergangen sei – schriftlich unterrichtet worden sei, für welche Menge der Rabatt gelte und wie er genau berechnet werde. Der Abnehmer sei nicht unter Druck gesetzt worden, mehr bei ihr zu beziehen, und sei nicht durch die Sorge, einen Rabatt auf das Hauptvolumen zu verlieren, davon abgehalten worden, zusätzliche Mengen von Dritten zu beziehen. Überdies hätten die Rabatte für Spitzenmengen nur einen kleinen Anteil ihres Gesamtabsatzvolumens an Natriumkarbonat betroffen, nämlich 8 %.

289    Mit Ausnahme eines einzigen Falles seien die Rabatte nicht davon abhängig gewesen, dass der Abnehmer seinen gesamten Bedarf oder einen bestimmten Teil davon bei ihr decke. Derartige Rabatte seien für Mengen angeboten worden, die der Abnehmer zusätzlich zu der geschätzten Hauptmenge bei ihr oder einem oder mehreren Zweitlieferanten in vorher festgelegten Anteilen zu beziehen beabsichtigt habe. Die Abnehmer seien zu jeder Zeit frei gewesen, jegliche gewünschte Menge von anderen Lieferanten zu beziehen. Der Sachverhalt unterscheide sich somit von dem der Entscheidung 88/518/EWG der Kommission vom 18. Juli 1988 betreffend ein Verfahren nach Artikel [82 EG] (IV/30.178 – Napier Brown – British Sugar) (ABl. L 284, S. 41).

290    Die Klägerin weist ferner darauf hin, dass in der vorliegenden Rechtssache mit den von ihr eingeräumten Rabatten für Spitzenmengen nicht zwischen ihren Abnehmern habe diskriminiert werden sollen und dass sie nicht die Wettbewerbssituation zwischen ihnen berührt hätten. Angesichts der unterschiedlichen Abnehmer und der Substitute habe sie nämlich mit jedem Abnehmer individuell verhandeln müssen. Jedenfalls hätten die von ihr eingeräumten Rabatte für Spitzenmengen bei der Differenzierung der Kosten ihrer Abnehmer nur geringfügige Auswirkungen gehabt.

291    Im Übrigen seien die Vereinbarungen über Rabatte nicht für unbestimmte Zeit geschlossen worden, anders als in der Rechtssache Hoffmann-La Roche/Kommission (Urteil oben in Randnr. 216) angeführt). Diese Vereinbarungen seien nämlich bei gesonderten jährlichen Verhandlungen beschlossen worden. Zudem sei die Höhe eines Rabatts oder dessen Gewährung nicht davon abhängig gewesen, dass der Abnehmer eine bestimmte Zielmenge erreicht oder in einem früheren Jahr eine zusätzliche Menge bezogen habe.

292    Die Rabatte für Spitzenmengen seien für zusätzliche Bezugsmengen Natriumkarbonat eingeräumt worden und nicht dafür, dass der Abnehmer ein Sortiment beziehe. Die Klägerin meint daher, sie habe sich nicht missbräuchlich verhalten, indem sie ihren Abnehmern für zusätzliche Mengen einen niedrigeren Preis angeboten habe.

293    Die Kommission tritt den Argumenten der Klägerin entgegen.

–       Würdigung durch das Gericht

294    Nach ständiger Rechtsprechung ist der Begriff der missbräuchlichen Ausnutzung ein objektiver Begriff, der solche Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung erfasst, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Präsenz des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die zur Folge haben, dass die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindert wird, die sich von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistung der Wirtschaftsbeteiligten unterscheiden (Urteil Hoffmann-La Roche/Kommission, oben in Randnr. 216 angeführt, Randnr. 91, und Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2005, General Electric/Kommission, T‑210/01, Slg. 2005, II‑5575, Randnr. 549).

295    Die Feststellung, dass eine beherrschende Stellung gegeben ist, enthält zwar für sich allein keinen Vorwurf gegenüber dem betreffenden Unternehmen, jedoch trägt dieses Unternehmen unabhängig von den Ursachen dieser Stellung eine besondere Verantwortung dafür, dass es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt (Urteile Nederlandsche Banden-Industrie-Michelin/Kommission, oben in Randnr. 288 angeführt, Randnr. 57, und Urteil Microsoft/Kommission, oben in Randnr. 254 angeführt, Randnr. 229). Zwar nimmt der Umstand, dass ein Unternehmen eine beherrschende Stellung innehat, diesem nicht das Recht, seine eigenen geschäftlichen Interessen zu wahren, wenn sie bedroht sind, und es darf auch in angemessenem Umfang so vorgehen, wie es dies zum Schutz seiner Interessen für richtig hält, doch ist ein solches Verhalten nicht zulässig, wenn es auf eine Verstärkung dieser beherrschenden Stellung und ihren Missbrauch abzielt (Urteil United Brands und United Brands Continentaal/Kommission, oben in Randnr. 254 angeführt, Randnr. 189, und Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Michelin/Kommission, T‑203/01, Slg. 2003, II‑4071, Randnr. 55).

296    Was insbesondere die Gewährung von Rabatten durch ein Unternehmen in beherrschender Stellung anbelangt, verstößt nach ständiger Rechtsprechung ein Treuerabatt als Gegenleistung dafür, dass sich der Kunde verpflichtet, ausschließlich oder fast ausschließlich bei einem Unternehmen in beherrschender Stellung einzukaufen, gegen Art. 82 EG. Ein solcher Rabatt dient nämlich dazu, die Kunden durch die Gewährung finanzieller Vorteile vom Bezug bei konkurrierenden Herstellern abzuhalten (Urteil Michelin/Kommission, oben in Randnr. 295 angeführt, Randnr. 56; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichtshofs vom 16. Dezember 1975, Suiker Unie u. a./Kommission, 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 et 114/73, Slg. 1975, 1663, Randnr. 518).

297    In einem Rabattsystem, das die Abschottung des Marktes bewirkt, ist ein Verstoß gegen Art. 82 EG zu sehen, wenn es von einem Unternehmen in beherrschender Stellung angewandt wird. Aus diesem Grund hat der Gerichtshof entschieden, dass ein Rabatt, der an die Verwirklichung eines Abnahmeziels geknüpft ist, gegen Art. 82 EG verstößt (Urteil Michelin/Kommission, oben in Randnr. 295 angeführt, Randnr. 57).

298    Bei Mengenrabattsystemen, die ausschließlich an den Umfang der bei einem Unternehmen in beherrschender Stellung getätigten Käufe anknüpfen, wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass sie keine nach Art. 82 EG verbotene Abschottungswirkungen haben. Wenn die Erhöhung der Liefermenge zu einer Kostensenkung für den Lieferanten führt, darf dieser die Senkung nämlich durch einen günstigeren Preis an seinen Kunden weitergeben. Bei den Mengenrabatten wird also angenommen, dass sie den Zugewinn an Effizienz und Größenvorteile widerspiegeln, die vom Unternehmen in beherrschender Stellung erzielt werden (Urteil Michelin/Kommission, oben in Randnr. 295 angeführt, Randnr. 58).

299    Folglich verstößt ein Rabattsystem, bei dem sich die Höhe des Nachlasses nach Maßgabe der Abnahmemenge erhöht, nicht gegen Art. 82 EG, es sei denn, die Kriterien und Modalitäten, nach denen der Rabatt gewährt wird, lassen erkennen, dass das System nicht auf einer wirtschaftlich gerechtfertigten Gegenleistung beruht, sondern wie ein Treue- und Zielrabatt die Kunden vom Bezug bei konkurrierenden Herstellern abhalten soll (Urteile Hoffmann-La Roche/Kommission, oben in Randnr. 216 angeführt, Randnr. 90, und Michelin/Kommission, oben in Randnr. 295 angeführt, Randnr. 59).

300    Um zu bestimmen, ob ein Mengenrabattsystem missbräuchlich ist, müssen mithin sämtliche Umstände, insbesondere die Kriterien und Modalitäten der Rabattgewährung, berücksichtigt werden, und es ist zu prüfen, ob die Rabatte darauf abzielen, dem Abnehmer durch die Gewährung eines Vorteils, der nicht auf einer ihn rechtfertigenden wirtschaftlichen Leistung beruht, die Wahlmöglichkeit hinsichtlich seiner Bezugsquellen zu nehmen oder einzuschränken, den Konkurrenten den Zugang zum Markt zu verwehren, gegenüber Handelspartnern bei gleichwertigen Leistungen unterschiedliche Bedingungen anzuwenden oder die beherrschende Stellung durch einen verfälschten Wettbewerb zu stärken (Urteile Hoffmann-La Roche/Kommission, oben in Randnr. 216 angeführt, Randnr. 90, und Michelin/Kommission, oben in Randnr. 295 angeführt, Randnr. 60).

301    Im vorliegenden Fall hat die Kommission in den Erwägungsgründen 139 bis 141 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt:

„(139) Aus der Art des Systems wie auch aus dem Wortlaut interner Unterlagen [der Klägerin] geht eindeutig hervor, dass mit den ‚Top-slice‘-Rabatten ein tatsächlicher Wettbewerb ausgeschaltet werden sollte, indem

–        für die Abnehmer Anreize geschaffen wurden, ihre Restmengen, die ansonsten möglicherweise von einem Zweitlieferanten bezogen worden wären, von [der Klägerin] zu beziehen;

–        die Bedeutung von General Chemical als Konkurrent dadurch auf ein Mindestmaß beschränkt oder neutralisiert wurde, dass dessen Marktpräsenz in puncto Preise, Mengen und Abnehmer innerhalb von Grenzen gehalten wurde, die den Fortbestand des De-facto-Monopols [der Klägerin] gewährleisteten;

–        Brenntag vom Markt verdrängt wurde oder zumindest seine Bedeutung als Wettbewerber auf ein Mindestmaß beschränkt wurde;

–        der Gefahr weitgehend vorgebeugt wurde, dass sich die Abnehmer alternativen Versorgungsquellen (Schwesterunternehmen, Handelsunternehmen oder andere EG-Hersteller) zuwandten;

–        das faktische Monopol [der Klägerin] auf dem [relevanten Markt] erhalten und verstärkt wurde.

(140) Die Tatsache, dass die für die Einräumung eines Rabatts erforderliche Abnahmemenge von Kunde zu Kunde stark variierte, beweist, dass das Rabattsystem und die damit verbundenen Preisvorteile nicht darauf zurückzuführen waren, dass [der Klägerin] je nach Liefermenge unterschiedliche Kosten entstanden, sondern dass es davon abhing, ob der Abnehmer auch seinen Restbedarf von [der Klägerin] bezog.

(141) Solche Praktiken können auch dann unter das Verbot des Artikels 82 EG-Vertrag fallen, wenn keine vertragliche Verpflichtung oder ausdrückliche Klausel bestimmt, dass der Kunde seinen Bedarf nur von der marktbeherrschenden Firma beziehen darf. Es genügt, wenn die gebotenen Anreize eine Bindung der Abnehmer an den marktbeherrschenden Hersteller bezwecken oder bewirken.“

302    Darüber hinaus hat die Kommission in den Erwägungsgründen 61 bis 82 der angefochtenen Entscheidung noch auf zahlreiche Unterlagen über Rabatte für Spitzenmengen verwiesen, denen zufolge die Klägerin die Wettbewerber vom Markt auszuschließen trachtete.

303    Die Klägerin bestreitet nicht das Vorliegen und den Inhalt der von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung angeführten Unterlagen. Aus diesen Unterlagen geht hervor, dass die von der Klägerin eingeräumten Rabatte keinen Zugewinn an Effizienz und keine Größenvorteile widerspiegelten. Anders als ein Mengenrabatt, der ausschließlich an das Einkaufsvolumen anknüpft, sollten diese Rabatte die Abnehmer vom Bezug bei konkurrierenden Herstellern abhalten.

304    Im Übrigen ist keines der Argumente, mit denen die Klägerin dartun will, dass ihre Rabatte für Spitzenmengen nicht gegen Art. 82 EG verstießen, geeignet, die Schlussfolgerungen der Kommission zu erschüttern.

305    Erstens macht die Klägerin geltend, ihre Rabatte für Spitzenmengen seien auf Wunsch ihrer Abnehmer eingeführt worden. Dieses Argument greift jedoch nicht durch. Nach ständiger Rechtsprechung nützt ein Unternehmen, das auf einem Markt eine beherrschende Stellung einnimmt und Abnehmer, sei es auch auf deren Wunsch, durch die Verpflichtung oder Zusage, ihren gesamten Bedarf oder einen beträchtlichen Teil desselben ausschließlich bei ihm zu beziehen, an sich bindet, seine Stellung im Sinne des Art. 82 EG missbräuchlich aus, ohne dass es darauf ankäme, ob die fragliche Verpflichtung ohne Weiteres oder gegen eine Rabattgewährung eingegangen worden ist (Urteil Hoffmann-Laroche/Kommission, oben in Randnr. 216 angeführt, Randnr. 89).

306    Zweitens macht die Klägerin geltend, es sei ihr Ziel gewesen, eine ausreichende Auslastung ihrer Produktionskapazitäten zu erreichen, um weitere Werksschließungen zu vermeiden. Hierzu genügt die Feststellung, dass der Wille eines Unternehmens, seine Produktionskapazitäten aufrechtzuerhalten oder auszubauen, keine objektive Rechtfertigung darstellt, die es von der Anwendung von Art. 82 entbindet.

307    Drittens sei ihr System, anders als in der Rechtssache Nederlandsche Banden-Industrie-Michelin/Kommission (Urteil oben in Randnr. 288 angeführt) transparent gewesen. Die Kommission wirft der Klägerin jedoch nicht vor, dass ihre Rabatte für Spitzenmengen nicht transparent gewesen seien. Jedenfalls verstößt nach der Rechtsprechung ein Treuerabattsystem unabhängig davon gegen Art. 82 EG, ob es transparent ist oder nicht (Urteil Michelin/Kommission, oben in Randnr. 295 angeführt, Randnr. 111).

308    Viertens hätten ihre Rabatte für Spitzenmengen nur 8 % ihres Gesamtabsatzvolumens an Natriumkarbonat betroffen. Insoweit ist jedoch festzustellen, dass mit der Folge, von der in der in Randnr. 295 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung die Rede ist, nicht unbedingt die konkrete Folge des beanstandeten missbräuchlichen Verhaltens gemeint ist. Für die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 82 EG genügt der Nachweis, dass das missbräuchliche Verhalten des Unternehmens in beherrschender Stellung darauf gerichtet ist, den Wettbewerb zu beschränken, oder anders ausgedrückt, dass das Verhalten eine solche Wirkung haben kann (Urteil Michelin/Kommission, oben in Randnr. 295 angeführt, Randnr. 239). Jedenfalls können 8 % des Gesamtabsatzvolumens der Klägerin an Natriumkarbonat nicht als unerheblicher Teil dieses Absatzvolumens angesehen werden.

309    Fünftens seien, so die Klägerin, ihre Rabatte für Spitzenmengen nicht diskriminierend gewesen. Auch dieses Argument ist zurückzuweisen. Zum einen wirft nämlich die Kommission der Klägerin nicht vor, dass ihre Rabatte für Spitzenmengen diskriminierend gewesen seien, und zum anderen, selbst wenn diese Rabatte nicht diskriminierend sein sollten, bestreitet die Klägerin nicht das Vorliegen und den Inhalt der von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung angeführten Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass diese Rabatte nicht auf einer wirtschaftlich gerechtfertigten Gegenleistung beruhten und die Abnehmer vom Bezug bei konkurrierenden Herstellern abhalten sollten. Da solche Rabatte jedoch eine Abschottungswirkung haben, verstoßen sie gegen Art. 82 EG, wenn sie von einem Unternehmen in beherrschender Stellung angewandt werden (siehe oben, Randnr. 297).

310    Sechstens macht die Klägerin geltend, dass ihre Vereinbarungen über Rabatte nicht für unbestimmte Zeit geschlossen worden seien. Selbst wenn jedoch die Vereinbarungen nur für kurze Zeit geschlossen worden sein sollten, lässt dies nicht die Feststellung zu, dass diese Vereinbarungen keinen Ausschluss des Wettbewerbs bewirkten.

311    Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Klägerin nicht dargetan hat, dass die Schlussfolgerung der Kommission fehlerhaft ist, dass mit dem von ihr angewandten Rabattsystem ein tatsächlicher Wettbewerb ausgeschaltet werden sollte.

312    Nach alledem ist der erste Teil des fünften Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil: Alleinbelieferungsklauseln und Einschränkung der Abnahme von Wettbewerbern

–       Vorbringen der Parteien

313    Die Klägerin bestreitet, dass ihre Preisvereinbarungen gleichbedeutend mit einer Ausschließlichkeitsklausel seien. Diese Behauptung der Kommission laufe darauf hinaus, dass es ein missbräuchliches Verhalten darstelle, wenn ein beherrschender Lieferant danach trachte, sämtliche Bestellungen eines Abnehmers oder einen wesentlichen Teil davon zu gewinnen oder den Bedarf eines Abnehmers ganz oder teilweise zu decken. Dies zu behaupten hieße, dass sie aufgrund ihres Marktanteils nicht berechtigt sei, im Wettbewerb auf dem Markt Aufträge einzuholen. Es gebe keine Rechtsprechung in diesem Sinne, und diese Behauptung sei mit der „Philosophie der Wettbewerbsregeln“ unvereinbar.

314    Die Kommission tritt den Argumenten der Klägerin entgegen.

–       Würdigung durch das Gericht

315    Nach ständiger Rechtsprechung nützt ein Unternehmen, das auf einem Markt eine beherrschende Stellung einnimmt und Abnehmer, sei es auch auf deren Wunsch, durch die Verpflichtung oder Zusage, ihren gesamten Bedarf oder einen beträchtlichen Teil desselben ausschließlich bei ihm zu beziehen, an sich bindet, seine Stellung im Sinne des Art. 82 EG missbräuchlich aus, ohne dass es darauf ankäme, ob die fragliche Verpflichtung ohne Weiteres oder gegen eine Rabattgewährung eingegangen worden ist. Gleiches gilt, wenn ein solches Unternehmen die Abnehmer nicht durch eine förmliche Verpflichtung bindet, sondern kraft Vereinbarung mit den Abnehmern oder einseitig Treuerabatte gewährt, also Nachlässe, deren Gewährung voraussetzt, dass der Kunde – unabhängig von dem größeren oder geringeren Umfang seiner Käufe – seinen Gesamtbedarf oder einen wesentlichen Teil hiervon ausschließlich bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung deckt (Urteil Hoffmann-Laroche/Kommission, oben in Randnr. 216 angeführt, Randnr. 89). Sowohl ausschließliche Bezugsverpflichtungen dieser Art, unabhängig davon, ob sie gegen eine Rabattgewährung eingegangen wurden, als auch die Gewährung von Treuerabatten, die die Abnehmer zum ausschließlichen Bezug bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung veranlassen soll, sind mit dem Ziel eines unverfälschten Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, da sie nicht auf einer wirtschaftlichen Leistung beruhen, die die Belastung oder den Vorteil rechtfertigt, sondern darauf abzielen, dem Abnehmer die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen unmöglich zu machen oder zu erschweren und anderen Herstellern den Zugang zum Markt zu verwehren (Urteil Hoffmann-Laroche/Kommission, oben in Randnr. 216 angeführt, Randnr. 90).

316    Im vorliegenden Fall hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu den Alleinbelieferungsklauseln insbesondere ausgeführt:

„(144) Die möglichen wettbewerbsfeindlichen Auswirkungen der in den Lieferverträgen [der Klägerin] enthaltenen Mengenbestimmungen müssen im Zusammenhang mit der erklärten Politik [der Klägerin] gegenüber General Chemical und Brenntag bewertet werden. Wie die bei [der Klägerin] vorgefundenen Unterlagen deutlich machen, war [der Klägerin] daran gelegen, nicht alle Wettbewerber gänzlich auszuschließen. Es lag im Interesse [der Klägerin], dass zumindest General Chemical – bei strikter Preis- und Mengenkontrolle – als ‚Präsenz‘ auf dem Markt des Vereinigten Königreichs verblieb und so dem Wunsch der meisten Großabnehmer nach einem Zweitlieferanten entsprochen wurde, ohne dass dies eine echte Bedrohung für die Quasi-Monopolstellung [der Klägerin] bedeutete.

(145) Durch seine Strategie, den Gesamtbedarf jedes Großkunden in Erfahrung zu bringen, war [die Klägerin] in der Lage, das ‚Top-slice‘-Rabattsystem so zu modulieren, dass die Präsenz von Wettbewerbern ausgeschlossen oder auf ein Minimum beschränkt werden konnte. In vielen Fällen wurde vom Abnehmer die Zusage erwirkt, seine Käufe von der Konkurrenz zu reduzieren oder sie auf eine bestimmte Menge zu begrenzen. Im Fall von Beatson Clarke war ausdrücklich vereinbart worden, dass der Abnehmer seinen gesamten Bedarf von [der Klägerin] bezieht.

(146) Solche Abreden schränken die Vertragsfreiheit des Abnehmers wesentlich ein, verhindern einen Markteinstieg unter Wettbewerbsbedingungen und sind gleichbedeutend mit einer Ausschließlichkeitsklausel.

(147) Die Vereinbarungen mit den Großkunden bedeuteten deren Bindung an [die Klägerin] für nahezu ihren gesamten Bedarf (und zumindest in einem Fall für den gesamten Bedarf), während der Wettbewerb durch andere Lieferanten auf ein Minimum beschränkt wurde.“

317    In den Erwägungsgründen 83 bis 114 der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission zahlreiche Unterlagen angeführt, die die Unternehmen Pilkington, Rockware, CWS, Redfearn und Beatson Clarke betreffen.

318    Diese Unterlagen zeigen, dass die Klägerin die Bezüge ihrer Abnehmer von Wettbewerbern beschränken wollte.

319    Betreffend Beatson Clarke erwähnt die Kommission nämlich unmittelbare Beweise dafür, dass dieses Unternehmen mit der Klägerin, um den tatsächlichen Wettbewerb auszuschalten, eine Vereinbarung geschlossen hatte, nach der es verpflichtet war, jedes Jahr seinen Gesamtbedarf bei der Klägerin zu decken.

320    Die Klägerin bestreitet in der Klageschrift nicht, dass es diese Vereinbarung gab. Sie räumt sogar ein, dass „eine solche Bestimmung, wie sie in ihren Schreiben formuliert ist, als Treuerabatt eingestuft werden könnte“. Durch die Vereinbarung mit Beatson Clarke hätten unrentable Ausfuhren gestützt werden sollen. Ein solches Vorbringen ist jedoch nicht geeignet, die Feststellung der Kommission in Zweifel zu ziehen, dass eine Alleinbezugsverpflichtung vorlag.

321    Auch betreffend Redfearn stellt die Kommission u. a. fest: „Die Vereinbarung für 1987 sah vor, dass Redfearn von [der Klägerin] mindestens 45 000 Tonnen bei einem voraussichtlichen Gesamtbedarf von 47 500 Tonnen (also rund 95 % des Bedarfs) beziehen würde. Ein zusätzlicher Anreiz in Form eines Rabatts von 10 GBP sollte Redfearn veranlassen, auch etwaige Restmengen von [der Klägerin] zu beziehen.“ Die Klägerin bestreitet nicht, dass diese Verpflichtung von Redfearn, einen erheblichen Teil ihres Bedarfs ausschließlich bei der ihr zu decken, besteht.

322    Daher ist, ohne dass sämtliche Unterlagen, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gestützt hat, zu prüfen wären, festzustellen, dass die Kommission zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Klägerin gegen Art. 82 EG verstoßende Bezugsvereinbarungen geschlossen hatte.

323    Folglich ist der zweite Teil des fünften Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum dritten Teil: sonstige finanzielle Anreize

–       Vorbringen der Parteien

324    Die Klägerin trägt vor, die sonstigen finanziellen Anreize seien im Allgemeinen auf Wunsch des Abnehmers gewährt worden, um diesem zu ermöglichen, durch Ausfuhren, die sonst unrentabel gewesen wären, zu wachsen oder seinen Marktanteil zu behalten oder angesichts von Billigimporten zu überleben. Solche Vereinbarungen hätten eine Bindung der Abnehmer weder bezweckt noch bewirkt.

325    Die Kommission tritt den Argumenten der Klägerin entgegen.

–       Würdigung durch das Gericht

326    In den Erwägungsgründen 148 bis 150 der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission aus:

„(148) Bei den Verhandlungen mit Beatson Clarke gab [die Klägerin] außerdem zu verstehen, dass das ‚Unterstützungspaket (support package)‘ in Ergänzung zum ‚Top-slice‘-Rabatt an die Bedingung geknüpft war, dass Beatson Clarke einwilligt, seinen Bedarf zu 100 % bei [der Klägerin] zu decken; diese Bedingung wurde schriftlich bestätigt. Das ‚Unterstützungspaket‘ bezweckte und bewirkte eine Stärkung der Position [der Klägerin] beim Abnehmer und die Ausschaltung des Wettbewerbs.

(149) Sämtliche in den Randnummern 139 bis 147 erläuterten Maßnahmen dienten dazu, die Chancen anderer Sodahersteller oder -lieferanten, mit [der Klägerin] in Wettbewerb zu treten, zu verringern oder völlig zunichte zu machen. Sie sind im Zusammenhang mit der erklärten Strategie [der Klägerin] zu sehen, ein faktisches (jedoch nicht hundertprozentiges) Monopol auf dem Markt des Vereinigten Königreichs aufrechtzuerhalten. Dadurch wurde die beherrschende Stellung [der Klägerin] in einer Weise gefestigt, die mit der Wettbewerbsidee des Artikels 82 [EG] unvereinbar ist.

(150) Die Rabatte waren nicht Ausdruck möglicher Kostenunterschiede aufgrund der Liefermenge, sondern sollten [der Klägerin] die Belieferung der Abnehmer zu 100 % oder zum größtmöglichen Prozentsatz sichern. In dem ‚Top-slice‘-Rabattsystem gab es daher je nach Abnehmer beträchtliche Unterschiede in der ‚Schwellenmenge‘, ab der das Rabattsystem einsetzte. Außerdem bestanden Unterschiede in der Höhe des Rabatts pro Tonne, der von 6 bis 30 GBP/Tonne und darüber reichte.“

327    Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerin nicht bestreitet, dass sie ihren Abnehmern finanzielle Anreize geboten hat.

328    Wie vorstehend in Randnr. 305 ausgeführt, kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der finanziellen Anreize nach Art. 82 EG nicht darauf an, dass sie dem Abnehmer auf seinen Wunsch geboten wurden, dass sie ihn beim Export unterstützen sollen sowie dabei, seinen Marktanteil zu behalten oder angesichts von Billigimporten zu überleben, und dass sie transparent sind. Das Argument, die Vereinbarungen hätten eine Bindung der Abnehmer weder bezweckt noch bewirkt, greift nicht durch, da u. a. aus den angeführten Erwägungsgründen der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, dass die Klägerin zumindest in Bezug auf einen Abnehmer angegeben hat, dass das Unterstützungspaket in Ergänzung zum Spitzenmengenrabatt an die Bedingung geknüpft war, dass der Abnehmer sich verpflichtet, seinen Bedarf zu 100 % bei der Klägerin zu decken. Ebenso wie die Rabatte für Spitzenmengen sollten diese Vereinbarungen somit zumindest in einigen Fällen die Abnehmer vom Bezug bei konkurrierenden Herstellern abhalten.

329    Folglich ist der dritte Teil des fünften Klagegrundes und somit der fünfte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Zum sechsten Klagegrund: keine Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten

 Vorbringen der Parteien

330    Die Klägerin trägt vor, die Schwierigkeiten der Kommission beim Nachweis der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten beruhten auf ihrer kurzen und widersprüchlichen Analyse dieser Frage. Diese Analyse sei bereits vom Gericht in Randnr. 63 des Urteils ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt) beanstandet worden. Zudem habe die Kommission einen erheblichen Gesichtspunkt aus der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht in die angefochtene Entscheidung übernommen, nämlich dass sich die Preisfestsetzungspolitik der Klägerin auf den innergemeinschaftlichen Handel ausgewirkt habe.

331    Die Kommission erläutere nicht das im 152. Erwägungsgrund erwähnte Phänomen einer „strikten Trennung der nationalen Märkte in der Gemeinschaft“ und stelle keinen Zusammenhang zwischen dieser Trennung und dem behaupteten Missbrauch her. Nachdem die Kommission beim Erlass der Entscheidung 91/300 gemeint habe, dass die Trennung der Märkte auf den zwischen der Klägerin und Solvay abgestimmten Verhaltensweisen beruhe, habe sie ihre Behauptung der „strikten Trennung“ nicht in die angefochtene Entscheidung übernommen. Zudem widerlege die Kommission nicht die von der Klägerin vorgetragene Erklärung für die Trennung der Märkte, die auf eine detaillierte wirtschaftliche Analyse gestützt sei, der nicht widersprochen worden sei. Die vorgetragene Erklärung werde durch die eigenen Schlussfolgerungen der Kommission in den Antidumping-Verfahren bestätigt.

332    Die Behauptung der Kommission, der Klägerin sei daran gelegen gewesen, dass General Chemical auf dem betreffenden Markt präsent bleibe, sei „unlogisch“ und nicht durch Beweise „untermauert“. Die Kommission habe nämlich für diese Behauptung keine wirtschaftliche Analyse vorgelegt. Zudem stehe diese Behauptung im Widerspruch zu den eigenen Schlussfolgerungen der Kommission in ihrer Entscheidung 91/301/EWG vom 19. Dezember 1990 in einem Verfahren nach Artikel [81 Absatz 1 EG] (IV/33.016 – ANSAC) (ABl. 1991, L 152, S. 54, im Folgenden: Entscheidung ANSAC). Die Kommission versuche auch nicht, ihre Behauptung zu untermauern, dass sich die Abnehmer ohne General Chemical möglicherweise nach anderen, eventuell sogar billigeren Versorgungsquellen auf dem westeuropäischen Festland umgesehen hätten. Die Klägerin verweist insoweit auf die Verordnung (EG) Nr. 823/95 der Kommission vom 10. April 1995 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Dinatriumcarbonat mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika (ABl. 1995, L 83, S. 8), der zufolge die Handelsströme zwischen dem Vereinigten Königreich und Kontinentaleuropa nach Einstellung der missbräuchlichen Praktiken dreieinhalb Jahre lang nahezu gleich geblieben seien.

333    Die Kommission tritt den Argumenten der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

334    Nach ständiger Rechtsprechung müssen Auslegung und Anwendung des Tatbestandsmerkmals der Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten in den Art. 81 EG und 82 EG vom Zweck dieses Merkmals ausgehen, auf dem Gebiet der Wettbewerbsregeln den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts von dem des Rechts der Mitgliedstaaten abzugrenzen. In den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen dabei alle Kartelle und alle Verhaltensweisen, die geeignet sind, die Freiheit des Handels zwischen Mitgliedstaaten in einer Weise zu gefährden, die für die Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen Marktes zwischen den Mitgliedstaaten nachteilig sein kann, indem insbesondere die nationalen Märkte abgeschottet werden oder die Wettbewerbsstruktur im Gemeinsamen Markt verändert wird (Urteile vom 31. Mai 1979, Hugin/Kommission, 22/78, Slg. 1979, 1869, Randnr. 17, und vom 25. Januar 2007, Dalmine/Kommission, C‑407/04 P, Slg. 2007, I‑829, Randnr. 89).

335    Ein Beschluss, eine Vereinbarung oder eine Verhaltensweise kann den Handel zwischen Mitgliedstaaten nur dann beeinträchtigen, wenn sich anhand einer Gesamtheit tatsächlicher und rechtlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, dass sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell die Handelsströme zwischen Mitgliedstaaten in einer Weise beeinflussen können, die für die Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Marktes nachteilig sein kann. Außerdem darf diese Beeinträchtigung nicht nur geringfügig sein (Urteile vom 28. April 1998, Javico, C‑306/96, Slg. 1998, I‑1983, Randnr. 16, vom 21. Januar 1999, Bagnasco u. a., C‑215/96 und C‑216/96, Slg. 1999, I‑135, Randnr. 47, sowie Dalmine/Kommission, oben in Randnr. 334 angeführt, Randnr. 90). Wie oben in Randnr. 308 festgestellt, können 8 % des Gesamtabsatzvolumens der Klägerin an Natriumkarbonat nicht als unerheblicher Teil dieses Absatzvolumens angesehen werden.

336    Im vorliegenden Fall hat die Kommission rechtlich hinreichend dargelegt, dass die der Klägerin vorgeworfenen Praktiken den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen konnten.

337    Zum einen haben nämlich die Rabatte für Spitzenmengen eine Ausschlusswirkung, da ein Treuerabatt, der als Gegenleistung dafür eingeräumt wird, dass sich der Kunde verpflichtet, ausschließlich oder fast ausschließlich bei einem Unternehmen in beherrschender Stellung einzukaufen, dazu dient, die Kunden durch die Gewährung finanzieller Vorteile vom Bezug bei konkurrierenden Herstellern abzuhalten (Urteil Michelin/Kommission, oben in Randnr. 295 angeführt, Randnr. 56; vgl. in diesem Sinne auch Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, oben in Randnr. 296 angeführt, Randnr. 518). Da die Verhaltensweise der Klägerin Konkurrenten den Zugang zum Markt verwehrte, konnte sie Auswirkungen auf die Handelsströme und auf den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes haben (vgl. in diesem Sinne Urteil Nederlandsche Banden-Industrie-Michelin/Kommission, oben in Randnr. 288 angeführt, Randnr. 103).

338    Zum anderen bezieht sich die Kommission auf ein Strategie-Papier der Klägerin vom 28. Juni 1985, wonach diese sämtliche Importe von schwerer Soda nach dem Vereinigten Königreich zu verhindern oder zu verdrängen suchte, mit Ausnahme der Lieferungen von General Chemical [vormals Allied] (Erwägungsgründe 66 bis 70 der angefochtenen Entscheidung). In diesem im 70. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zitierten Papier der Klägerin heißt es:

„Unsere Strategie ist es nach wie vor, auf der Basis ‚Lieferung frei Abnehmer‘ in jeder Hinsicht preislich wettbewerbsfähig zu bleiben, um die … Kernmenge [der Klägerin] zu erreichen, und Spitzenrabatte von bis zu 15 GBP/Tonne zu bieten, um von Allied zusätzliche Mengen zu übernehmen. Ziel ist, die Position von Allied bei unter 30 kt/Jahr zu halten. Es ist nicht unsere Absicht, Allied aus dem Markt zu verdrängen, da dies die Glasindustrie zwingen würde, nach Alternativen auf dem westeuropäischen Festland oder in Osteuropa Ausschau zu halten.“

339    In ihren Schriftsätzen bestreitet die Klägerin weder die Existenz noch den Inhalt dieses Strategie-Papiers. Die Klägerin gibt somit selbst zu, dass ihre Praktiken zumindest potenziell zu anderen als den Handelsströmen führten, die sich auf einem dem Wettbewerb offenstehenden Markt ergeben würden. Insoweit ist festzustellen, dass das oben in Randnr. 335 genannte Kriterium, wonach die Beeinträchtigung der Handelsströme zwischen Mitgliedstaaten nicht nur geringfügig sein darf, im vorliegenden Fall erfüllt ist.

340    Keines der Argumente der Klägerin ist geeignet, die Schlussfolgerung, dass die ihr vorgeworfenen Praktiken den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen konnten, in Frage zu stellen.

341    Erstens macht die Klägerin geltend, das Gericht habe im Urteil ICI II (oben in Randnr. 16 angeführt) die Analyse der Kommission zur Frage der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten beanstandet. Wie jedoch aus Randnr. 63 dieses Urteils hervorgeht, betraf die Mehrdeutigkeit, auf die das Gericht hingewiesen hat, nur den Umstand, dass die Kommission festgestellt hatte, dass die Maßnahmen der Klägerin den zwischenstaatlichen Handel beeinträchtigen, statt festzustellen, dass sie zu einer Beeinträchtigung führen können. Im Übrigen hat das Gericht nicht in Frage gestellt, dass in dieser Rechtssache die von der Klägerin angewandten Maßnahmen den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen konnten.

342    Zweitens macht die Klägerin geltend, die Kommission habe einen erheblichen Gesichtspunkt aus der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht in die angefochtene Entscheidung übernommen, nämlich dass sich die Preisfestsetzungspolitik der Klägerin auf den innergemeinschaftlichen Handel ausgewirkt habe. Hierzu ist festzustellen, dass sich die Kontrolle des Gerichts nicht auf einen Teil der Mitteilung der Beschwerdepunkte erstreckt, der nicht in die angefochtene Entscheidung übernommen wurde. Das Gericht hat lediglich zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung in dem Teil, der der Beeinträchtigung des Handels gewidmet ist, Art. 82 EG, wie ihn die Rechtsprechung auslegt, entspricht.

343    Drittens wirft die Klägerin der Kommission vor, sie habe nicht das im 152. Erwägungsgrund erwähnte Phänomen einer „strikten Trennung der nationalen Märkte in der Gemeinschaft“ und den Zusammenhang zwischen dieser Trennung und dem behaupteten Missbrauch erläutert. Die Entscheidung 91/300 habe darauf beruht, dass die Kommission eine Trennung der Märkte festgestellt habe, die sich aus zwischen der Klägerin und Solvay abgestimmten Verhaltensweisen ergeben habe. Diese seien Gegenstand der Entscheidung 91/297 gewesen, die dann vom Gericht für nichtig erklärt worden sei. Jedoch ist unabhängig von der Frage, ob die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die Ursachen der Trennung der Märkte hätte angeben müssen, zum einen festzustellen, dass die Klägerin nicht bestreitet, dass diese Trennung existierte, und zum anderen, dass der Inhalt der angefochtenen Entscheidung die Annahme rechtfertigt, dass die von der Klägerin angewandten Rabatte für Spitzenmengen durch ihre Ausschlusswirkung den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen konnten.

344    Viertens bestreitet die Klägerin die Behauptung der Kommission, der Klägerin sei daran gelegen gewesen, dass General Chemical auf dem betreffenden Markt präsent bleibe. Sie stützt sich insoweit auf die Entscheidung ANSAC, die am selben Tag erlassen wurde wie die Entscheidung 91/300. Die Klägerin weist aber nicht nach, dass die Entscheidung ANSAC der Entscheidung 91/300 widerspricht. Die von der Klägerin in der Klageschrift zitierte Stelle steht im Abschnitt Vorbringen von ANSAC und gehört nicht zur Würdigung der Kommission, die diesem Vorbringen im Übrigen nicht gefolgt ist.

345    Fünftens beruft sich die Klägerin auf die Verordnung Nr. 823/95, in deren 45. Erwägungsgrund es heißt:

„Zwischen 1990 und dem Untersuchungszeitraum nahm der innergemeinschaftliche Handel mit in der EG hergestellter Soda nur geringfügig zu. Untereinander änderte sich die Position der Gemeinschaftshersteller auf den einzelnen nationalen Märkten kaum. So blieben insbesondere die Handelsströme zwischen dem Vereinigten Königreich und Kontinentaleuropa nahezu gleich.“

346    Dass der Handel zwischen dem Vereinigten Königreich und Kontinentaleuropa nach dem anerkannten Zeitpunkt der Einstellung der Zuwiderhandlungen unverändert blieb, genügt nicht für die Annahme, dass die der Klägerin vorgeworfenen Praktiken nicht den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen konnten.

347    Nach alledem ist der sechste Klagegrund und folglich der Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen.

 2. Zum Antrag auf Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße

348    Die Klägerin weist vorab darauf hin, ihr Antrag auf Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße sei nicht als irgendeine Anerkennung der Verletzung von Art. 82 EG zu verstehen und werde nur hilfsweise gestellt.

349    Die Klägerin stützt ihren Antrag auf Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße auf vier Klagegründe: erstens Zeitablauf, zweitens fehlerhafte Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung, drittens fehlerhafte Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung und viertens Vorliegen mildernder Umstände.

 Zum ersten Klagegrund: Zeitablauf

 Vorbringen der Parteien

350    Die Klägerin macht geltend, selbst wenn die Kommission befugt gewesen wäre, gegen sie eine Geldbuße festzusetzen, müsse das Gericht sie im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung aufheben.

351    Sie führt zunächst die Zeitspanne zwischen dem Erlass der Entscheidung 91/300 und dem Erlass der angefochtenen Entscheidung an.

352    Sodann weist sie darauf hin, dass die Kommission die Gründe für die Geldbuße nicht zutreffend „artikuliert“ habe und nicht die Änderungen relevanter Umstände berücksichtigt habe, die seit dem Erlass der Entscheidung 91/300 eingetreten seien. Es sei nicht sicher, dass sich das Kollegium der Kommissionsmitglieder in der Sitzung, in der die angefochtene Entscheidung angeblich behandelt worden sei, dieser Änderungen bewusst gewesen sei.

353    Die Kommission tritt den Argumenten der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

354    Die Prüfung des Vorbringens der Klägerin im Rahmen des ersten und des zweiten Klagegrundes zur Stützung des Antrags auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung insgesamt ergibt, dass die Kommission beim Erlass der angefochtenen Entscheidung die Verordnung Nr. 2988/74 sowie den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer beachtet hat. Der Kommission kann daher nicht vorgeworfen werden, die angefochtene Entscheidung verspätet erlassen zu haben. Zudem ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Kommission bei der Bemessung der Geldbußen wegen Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht nicht nur die Schwere der Zuwiderhandlung und die besonderen Umstände des Einzelfalls, sondern auch den Kontext der Zuwiderhandlung berücksichtigen und sicherstellen muss, dass ihr Vorgehen vor allem in Bezug auf solche Zuwiderhandlungen, die die Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft besonders beeinträchtigen, abschreckende Wirkung hat (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 106; und Urteil des Gerichts vom 5. April 2006, Degussa/Kommission, T‑279/02, Slg. 2006, II‑897, Randnr. 272).

355    Folglich ist die gegen die Klägerin festgesetzte Geldbuße nicht wegen der Zeitspanne zwischen dem Erlass der Entscheidung 91/300 und dem Erlass der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären.

356    Der erste Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung

 Vorbringen der Parteien

357    Die Klägerin trägt vor, die Geldbuße sei ganz offensichtlich zu hoch. Zudem sei ein Preisfestsetzungssystem wie das ihre noch nie Gegenstand einer „relevanten Entscheidung“ der Kommission oder eines Gemeinschaftsgerichts gewesen. Die Kommission habe somit einen grundsätzlichen Fehler begangen, als sie 1990 die angebliche Zuwiderhandlung als „besonders schwer“ angesehen habe. Außerdem hätte die Kommission bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße im Jahr 1990 die wegen einer Verletzung von Art. 81 EG festgesetzte Geldbuße mit berücksichtigen müssen. Die Kommission habe die Zuwiderhandlungen als völlig unterschiedlich angesehen, obwohl sich die Auswirkungen auf den Wettbewerb und den Handel in der Gemeinschaft überlagert hätten, was zu einer doppelten Berücksichtigung und zu überhöhten Geldbußen geführt habe.

358    Außerdem habe die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht auf die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien für die Festsetzung von Geldbußen), verwiesen. Die angefochtene Entscheidung enthalte jedoch Feststellungen, die mit den Leitlinien für die Festsetzung von Geldbußen unvereinbar seien, insbesondere in Bezug auf den Umstand, dass nur die Wiederholung gleichartiger Zuwiderhandlungen als erschwerender Umstand angesehen werde.

359    Im Übrigen habe die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigt, dass die Klägerin seit dem Erlass der Entscheidung 91/300 kein einziges Mal eine Sanktion gemäß Art. 81 EG oder 82 EG verhängt worden sei.

360    Schließlich habe die Klägerin für die in der Entscheidung 91/300 festgesetzte Geldbuße 171 729,93 GBP und für die in der Entscheidung 91/297 festgesetzte Geldbuße 120 200 GBP für Garantien aufgewandt; beide Entscheidungen seien vom Gericht für nichtig erklärt worden. Die Kommission hätte diese Beträge bei der Festsetzung der Geldbuße im vorliegenden Fall berücksichtigen müssen. Zudem seien der Klägerin aufgrund ihrer Klagen wegen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Entscheidung 91/300 und aufgrund eines überflüssigen und gegenstandslosen Rechtsmittels unwiederbringliche interne Kosten entstanden. Jedenfalls müsse die Geldbuße entsprechend dem Urteil Baustahlgewebe/Kommission (oben in Randnr. 115 angeführt) wegen der zu langen Dauer vom Beginn der Untersuchung im April 1989 bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung herabgesetzt werden.

361    Die Kommission entgegnet, die Bezugnahme auf die Entscheidung 91/297 liege neben der Sache, da diese Entscheidung für nichtig erklärt worden sei und sie insoweit keine neue Entscheidung erlassen habe. Die in der Entscheidung 91/300 festgesetzte Geldbuße entspreche zwar einem bestimmten Prozentsatz des Umsatzes der Klägerin mit Natriumkarbonat während eines bestimmten Geschäftsjahres, doch sei dies unerheblich, da die Geldbuße für eine Zuwiderhandlung festgesetzt worden sei, die mehrere Jahre lang begangen worden sei. Umsatz im Sinne der Verordnung Nr. 17 sei der weltweite Umsatz mit allen Produkten, und 10 Mio. ECU entsprächen einem sehr niedrigen Prozentsatz vom Gesamtumsatz der Klägerin.

362    Zu dem Argument der Klägerin, sie habe sich nicht an die Leitlinien für die Festsetzung von Geldbußen gehalten, weist die Kommission darauf hin, dass die Klägerin nicht behaupte, sie hätte diese Leitlinien anwenden müssen. Wären die in diesen Leitlinien vorgegebenen Richtwerte für die Festsetzung von Geldbußen angewandt worden, hätte dies bei einer so schweren Zuwiderhandlung wie der von der Klägerin begangenen zu einer höheren Geldbuße geführt. Jedenfalls gebe es keine Inkohärenz zwischen der angefochtenen Entscheidung und den Leitlinien für die Festsetzung von Geldbußen. Es sei nämlich klar, dass die Aufzählung in Abschnitt 2 der Leitlinien für die Festsetzung von Geldbußen „lediglich beispielhaft“ sei.

363    Dass der Klägerin seit 1990 keine Zuwiderhandlung vorgeworfen worden sei, könne bei der Bemessung der Geldbuße für eine vor diesem Zeitpunkt begangene Zuwiderhandlung nicht relevant sein. Ebenso wenig könnten nach dem Erlass der Entscheidung 91/300 entstandene Kosten für die Stellung von Garantien bei der Bemessung der Geldbuße in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigt werden.

 Würdigung durch das Gericht

364    Erstens beanstandet die Klägerin die Beurteilung der Kommission hinsichtlich der Höhe der gegen sie in der Entscheidung 91/300 festgesetzten Geldbuße. Da diese Entscheidung jedoch vom Gericht für nichtig erklärt wurde und der vorliegende Rechtsstreit lediglich einen Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung und, hilfsweise, einen Antrag auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der in der angefochtenen Entscheidung festgesetzten Geldbuße betrifft, sind die Argumente der Klägerin zu der in der Entscheidung 91/300 festgesetzten Geldbuße, die insbesondere in Randnr. 357 des vorliegenden Urteils angeführt sind, nicht zu prüfen.

365    Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission zwar bei der Festsetzung der einzelnen Geldbußen über ein Ermessen verfügt, ohne verpflichtet zu sein, eine genaue mathematische Formel anzuwenden; das Gericht hat jedoch gemäß Art. 17 der Verordnung Nr. 17 bei Klagen gegen Entscheidungen der Kommission, in denen eine Geldbuße festgesetzt ist, die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung im Sinne von Art. 229 EG und kann somit die verhängte Geldbuße aufheben, herabsetzen oder erhöhen (Urteile des Gerichts vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑236/01, T‑239/01, T‑244/01 bis T‑246/01, T‑251/01 und T‑252/01, Slg. 2004, II‑1181, Randnr. 165, und vom 13. Dezember 2006, FNCBV u. a./Kommission, T‑217/03 und T‑245/03, Slg. 2006, II‑4987, Randnr. 358).

366    Hinsichtlich der Anwendung, dass die Entscheidung 91/300 wegen eines Verfahrensfehlers für nichtig erklärt worden war und der Leitlinien für die Festsetzung von Geldbußen ist daran zu erinnern, dass die Kommission deshalb ohne Einleitung eines neuen Verwaltungsverfahrens zum Erlass einer neuen Entscheidung berechtigt war.

367    Da der Inhalt der angefochtenen Entscheidung nahezu identisch ist mit dem der Entscheidung 91/300 und diese beiden Entscheidungen auf die gleichen Gründe gestützt werden, unterliegt die angefochtene Entscheidung bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße den Regeln, die beim Erlass der Entscheidung 91/300 galten.

368    Die Kommission hat nämlich das Verfahren in dem Stadium wieder aufgenommen, in dem der Verfahrensfehler begangen wurde, und hat, ohne den Fall im Licht von Regeln, die beim erstmaligen Erlass nicht existierten, neu zu beurteilen, eine neue Entscheidung erlassen. Bei dem Erlass einer neuen Entscheidung ist naturgemäß die Anwendung von Leitlinien, die nach dem erstmaligen Erlass ergangen sind, ausgeschlossen.

369    Somit sind die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

370    Drittens war die Kommission der Ansicht, dass es sich bei den der Klägerin vorgeworfenen Zuwiderhandlungen um „besonders schwere Verstöße“ gehandelt habe (156. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

371    Nach der Rechtsprechung ist die Höhe der Geldbußen nach Maßgabe der Umstände des Verstoßes und seiner Schwere abzustufen, und die Schwere des Verstoßes ist für die Zwecke der Festsetzung des Betrags der Geldbuße namentlich unter Berücksichtigung der Art der erreichten Wettbewerbsbeschränkungen zu würdigen (vgl. Urteil des Gerichts vom 23. Februar 1994, CB und Europay/Kommission, T‑39/92 und T‑40/92, Slg. 1994, II‑49, Randnr. 143 und die dort angeführte Rechtsprechung).

372    Somit kann die Kommission bei der Beurteilung der Schwere eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln, der einem Unternehmen zuzurechnen ist, zur Bestimmung einer in einem angemessenen Verhältnis dazu stehenden Geldbuße folgende Gesichtspunkte berücksichtigen: die besonders lange Dauer bestimmter Zuwiderhandlungen, die Anzahl und die Vielfalt der Zuwiderhandlungen, die alle oder nahezu alle Produkte des in Rede stehenden Unternehmens betrafen und von denen einige alle Mitgliedstaaten berührten, die besondere Schwere der Zuwiderhandlungen, die außerdem Teil einer planmäßigen und zusammenhängenden Strategie waren, die darauf abzielte, durch verschiedene Verdrängungspraktiken gegenüber den Wettbewerbern und durch eine Politik der Bindung der Kunden die beherrschende Stellung des Unternehmens auf Märkten, auf denen der Wettbewerb bereits eingeschränkt war, künstlich aufrechtzuerhalten oder zu verstärken, und die besonders schädlichen Auswirkungen der Missbräuche im Bereich des Wettbewerbs und den Vorteil, den das Unternehmen aus seinen Zuwiderhandlungen gezogen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 6. Oktober 1994, Tetra Pak/Kommission, T‑83/91, Slg. 1994, II‑755, Randnrn. 240 und 241).

373    Im vorliegenden Fall rechtfertigten die der Klägerin vorgeworfenen Verhaltensweisen die von der Kommission vorgenommene Einstufung.

374    Durch die Gewährung von Rabatten für Spitzenmengen an ihre Abnehmer und durch den Abschluss von Anbindungsvereinbarungen mit diesen hat die Klägerin den Wettbewerb gravierend beeinträchtigt. Die Kommission führt zutreffend aus:

„Die Verstöße [der Klägerin] waren Teil einer überlegten Politik mit dem Ziel, [ihre] Kontrolle … über den [relevanten Markt] in einer Weise zu konsolidieren, die in krassem Widerspruch zu den grundlegenden Zielen des EG-Vertrags steht. Außerdem zielten sie konkret darauf ab, das Geschäft bestimmter Wettbewerber einzuschränken oder zu schädigen. Indem der Marktzugang für Wettbewerber auf lange Zeit erschwert wurde, hat [die Klägerin] die Marktstruktur zu Lasten der Verbraucher nachhaltig beeinträchtigt.“

375    Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass nach den Leitlinien für die Festsetzung von Geldbußen, auch wenn sie im vorliegenden Fall nicht anwendbar sind, Treuerabatte von einer beherrschenden Firma in der Absicht, Wettbewerber auszuschließen, einen schweren Verstoß darstellen, bei dem als Ausgangsbetrag für die Festsetzung der voraussichtlichen Geldbuße 1 bis 20 Mio. Euro vorgesehen sind.

376    Was viertens den Wiederholungsfall betrifft, hat die Kommission in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts bestätigt, dass der im 159. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erhobene Vorwurf, gegen die Klägerin seien wiederholt erhebliche Geldbußen wegen unzulässiger Absprachen in der chemischen Industrie (Peroxide, Polypropylen, PVC) festgesetzt worden, einen erschwerenden Umstand darstelle.

377    In dieser Hinsicht ist nach der Rechtsprechung bei der Prüfung der Schwere der Zuwiderhandlung auch ein etwaiger Wiederholungsfall zu berücksichtigen (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 128 angeführt, Randnr. 91; Urteil des Gerichts vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T‑38/02, Slg. 2005, II‑4407, Randnr. 348).

378    Der Begriff des Wiederholungsfalls wird in einigen nationalen Rechtsordnungen so verstanden, dass jemand neue Zuwiderhandlungen begeht, nachdem ähnliche von ihm begangene Zuwiderhandlungen geahndet worden waren (Urteil vom 11. März 1999, Thyssen Stahl/Kommission, T‑141/94, Slg. 1999, II‑347, Randnr. 617).

379     Die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gehen, auch wenn sie auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht anwendbar sind, in dieselbe Richtung, indem sie auf einen „gleichartigen Verstoß“ verweisen.

380    Die Zuwiderhandlungen, für die gegen die Klägerin wiederholt erhebliche Geldbußen wegen unzulässiger Absprachen in der chemischen Industrie festgesetzt worden sind, stehen alle mit Art. 81 EG in Zusammenhang. Wie die Kommission erläutert hat, geht es nämlich um ihre Entscheidungen 69/243/EWG vom 24. Juli 1969 über ein Verfahren nach Artikel [81 EG] (IV/26.267 – Farbstoffe) (ABl. L 195, S. 11), 86/398/EWG vom 23. April 1986 betreffend ein Verfahren nach Artikel [81 EG] (IV/31.149 – Polypropylen) (ABl. L 230, S. 1) und 89/190/EWG vom 21. Dezember 1988 betreffend ein Verfahren nach Artikel [81 EG] (IV/31.865 – PVC) (ABl. 1989, L 74, S. 1). Außerdem unterscheiden sich die Praktiken, die Gegenstand der in der vorstehenden Randnummer genannten Entscheidungen waren, erheblich von denjenigen, die im vorliegenden Fall in Rede stehen.

381    Da die Kommission somit zu Unrecht einen erschwerenden Umstand gegenüber der Klägerin berücksichtigt hat, ist die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Höhe der festgesetzten Geldbuße um 5 % herabzusetzen.

382    Fünftens greift das Argument der Klägerin, gegen sie sei seit dem Erlass der Entscheidung 91/300 kein einziges Mal eine Sanktion nach Art. 81 EG oder 82 EG verhängt worden, nicht durch, da sich die angefochtene Entscheidung allein auf vor 1990 liegende Sachverhalte bezieht.

383    Sechstens ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, die Kommission hätte zum einen die Kosten, die für die Stellung von Garantien für die in der Entscheidung 91/300 festgesetzte Geldbuße und für die in der Entscheidung 91/297 festgesetzte Geldbuße angefallen seien, berücksichtigen müssen, als sie die Höhe der Geldbuße im vorliegenden Fall festgesetzt habe, und zum anderen die unwiederbringlichen internen Kosten, die aufgrund der Klagen wegen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Entscheidung 91/300 und aufgrund eines überflüssigen und gegenstandslosen Rechtsmittels entstanden seien. Nach der Rechtsprechung muss die Kommission nämlich bei der Bemessung der Geldbuße die Schwere der Zuwiderhandlung und die besonderen Umstände des Einzelfalls, aber auch den Kontext der Zuwiderhandlung berücksichtigen und sicherstellen, dass ihr Vorgehen vor allem in Bezug auf solche Zuwiderhandlungen, die die Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft besonders beeinträchtigen, abschreckende Wirkung hat (Urteile Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 354 angeführt, Randnr. 106, und Degussa/Kommission, oben in Randnr. 354 angeführt, Randnr. 272). Im vorliegenden Fall kann jedoch – unterstellt, der Klägerin wären für die Stellung der Garantien für die Zahlung von Geldbußen, die in später für nichtig erklärten Entscheidungen festgesetzt wurden, und für die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer dieser Entscheidungen Kosten entstanden – der Kommission nicht vorgeworfen werden, diese Kosten nicht berücksichtigt zu haben, weil die Klägerin deren Erstattung im Rahmen einer Schadensersatzklage hätte verlangen können.

384    Siebtens hat das Gericht bei der Prüfung des ersten Klagegrundes die Rüge einer Verletzung des Grundsatzes der angemessenen Verfahrensdauer zurückgewiesen. Somit kann die Rechtsprechung im Urteil Baustahlgewebe/Kommission (oben in Randnr. 115 angeführt), die die Feststellung einer Verletzung des Grundsatzes der angemessenen Verfahrensdauer voraussetzt, im vorliegenden Fall nicht herangezogen werden.

385    Da die Kommission im Ergebnis zu Unrecht einen erschwerenden Umstand gegenüber der Klägerin berücksichtigt hat, ist die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Höhe der festgesetzten Geldbuße um 5 %, d. h. 500 000 Euro, herabzusetzen.

 Zum dritten Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung

 Vorbringen der Parteien

386    Zum Ende der Zuwiderhandlung macht die Klägerin geltend, die Schlussfolgerungen der Kommission seien widersprüchlich und nicht durch Beweise untermauert.

387    Im zweiten Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung heiße es nämlich, die Zuwiderhandlung sei „bis ungefähr Ende 1990“ fortgesetzt worden. Dagegen sei in den Erwägungsgründen 160 und 161 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die Zuwiderhandlung „bis mindestens Ende 1989“ fortgesetzt worden sei und dass die Klägerin die Rabatte für Spitzenmengen mit Wirkung vom „1. Januar 1990“ aufgegeben habe. Auch in Art. 1 der angefochtenen Entscheidung nenne die Kommission „mindestens Ende 1989“ als Endzeitpunkt der Zuwiderhandlung. Außerdem behauptet die Klägerin, die Kommission erbringe keinen Beweis dafür, dass es nach 1989 ein Fehlverhalten gegeben habe.

388    Zum Beginn der Zuwiderhandlung trägt die Klägerin vor, die Kommission verfüge über keinerlei Beweis dafür, dass die Zuwiderhandlung 1983 begonnen habe, oder über die Identität von Abnehmern, die Rabatte für Spitzenmengen erhalten hätten. So habe die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte als Zeitpunkt des Beginns der Zuwiderhandlung das Jahr 1984 angegeben. Jedenfalls datiere keines der Schriftstücke, auf die sich die Kommission stütze, von einem Zeitpunkt vor dem 1. Januar 1985.

389    Da die Höhe der Geldbuße offenbar auf der Grundlage von acht Jahren bestimmt worden sei, nämlich der Jahre 1983 bis 1990, die Kommission aber nur Beweise für eine Dauer von fünf Jahren vorlege, nämlich für die Jahre 1985 bis 1989, sei der Betrag unbeschadet anderer vorgetragener Erwägungen um 35 % bis 40 % herabzusetzen.

390    Die Kommission weist zum Ende der Zuwiderhandlung darauf hin, dass die von der Klägerin angesprochene Unstimmigkeit auf den zweiten Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung beschränkt sei, wo angegeben sei, dass die Rabatte für Spitzenmengen von der Klägerin Ende 1990 nicht mehr angeboten worden seien, während aus den übrigen Bestimmungen der angefochtenen Entscheidung klar hervorgehe, dass die Zuwiderhandlung Ende des Jahres 1989 eingestellt worden sei. Das Kollegium der Kommissionsmitglieder habe die angefochtene Entscheidung als Gesamtheit erlassen, und es bestehe keine Unklarheit.

391    Zum Beginn der Zuwiderhandlung räumt die Kommission ein, dass sie nicht genau wisse, wann die Vereinbarungen über die Rabatte für Spitzenmengen in den Jahren 1983 oder 1984 geschlossen worden seien, doch sei unbestreitbar, dass diese Praktiken länger als fünf Jahre gedauert hätten, dass sie vor 1985 begonnen hätten und dass sie erst Ende 1989 aufgegeben worden seien. Die gegen die Klägerin festgesetzte Geldbuße sei daher für eine Zuwiderhandlung von solcher Dauer nicht überhöht

 Würdigung durch das Gericht

392    Zunächst ist festzustellen, dass dieser Klagegrund, obwohl er formell auf Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße gerichtet ist, auch als Antrag auf teilweise Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung zu verstehen ist, da in deren Art. 1 festgestellt wird, dass die Klägerin im Jahr 1983 gegen Art. 82 EG verstoßen hat.

393    In der angefochtenen Entscheidung ist zur Dauer der Zuwiderhandlung ausgeführt:

„(2)      Von etwa 1983 bis ungefähr Ende 1990 hat [die Klägerin ihre] beherrschende Stellung auf dem Markt für Natriumkarbonat (Soda) im Vereinigten Königreich missbraucht, indem [sie] gegenüber [ihren] Hauptabnehmern ein System von Treuerabatten und Preisabschlägen für Spitzenmengen (‚top-slice rebates‘) praktizierte und vertragliche Vereinbarungen zur Sicherung der Alleinbelieferung durch [sie] sowie andere Vorkehrungen traf, mit denen die vollständige Bindung der Abnehmer an [sie] und die Ausschließung der Wettbewerber bezweckt und bewirkt wurde.

(160) Die Zuwiderhandlung begann etwa 1983 – kurz nach den Verhandlungen mit der Kommission und der Einstellung des Verfahrens durch die Kommission – und wurde bis mindestens Ende 1989 fortgesetzt.

(161) Die Kommission berücksichtigt den Umstand, dass [die Klägerin] das ‚Top-slice‘-Rabattsystem mit Wirkung vom 1. Januar 1990 aufgegeben hat.“

394    Sodann bestimmt Art. 1 der angefochtenen Entscheidung::

„[Die Klägerin] hat von etwa 1983 bis mindestens Ende 1989 durch ein Verhalten gegen Artikel [82 EG] verstoßen, das darauf abzielte, den Wettbewerb auszuschalten oder weitgehend einzuschränken …“

395    Folglich enthalten, was den Zeitpunkt des Beginns der Zuwiderhandlung angeht, die Bestimmungen der angefochtenen Entscheidung einen Widerspruch: Während es in der einen heißt „bis ungefähr Ende 1990“, sehen die anderen Ende des Jahres1989 vor.

396    Insoweit ist davon auszugehen, dass, wie in Art. 1 der angefochtenen Entscheidung angegeben, die Zuwiderhandlung bis „mindestens Ende 1989“ dauerte, was auch im 160. Erwägungsgrund zur Dauer der Zuwiderhandlung gesagt wird. Die Angabe „ungefähr Ende 1990“ im zweiten Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, der nur eine Zusammenfassung der von der Klägerin begangenen Zuwiderhandlung darstellt, ist folglich als Schreibfehler anzusehen.

397    Zum Zeitpunkt des Beginns der Zuwiderhandlung macht die Klägerin geltend, die Kommission verfüge über keinen Beweis für die Jahre 1983 und 1984, während die Kommission vorträgt, die Klägerin habe die Vereinbarungen über die Rabatte für Spitzenmengen vor 1985 geschlossen, aber einräumt, nicht zu wissen, wann genau diese Vereinbarungen in den Jahren 1983 bzw. 1984 geschlossen worden seien.

398    Auf eine schriftliche Frage des Gerichts hat die Kommission bestimmte Dokumente in der Akte angeführt, die nach ihrer Auffassung zeigen, dass die der Klägerin vorgeworfenen Praktiken 1983 und 1984 eingeführt wurden.

399    Hierzu ist zum einen festzustellen, dass die Klägerin in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte selbst auf das Jahr 1984 Bezug genommen hat und dass im 60. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausgeführt ist, nach Aussage der Klägerin seien die Rabatte von 1984 an in den meisten Fällen auf individueller Basis ausgehandelt worden.

400    Zum anderen stützen die von der Kommission auf eine schriftliche Frage des Gerichts angeführten Dokumente nicht die Ansicht, dass die der Klägerin vorgeworfene Zuwiderhandlung bereits 1983 stattfand. Die Kommission räumt im Übrigen ein, dass sie nicht genau wisse, wann die Vereinbarungen über die Rabatte für Spitzenmengen geschlossen worden seien (siehe oben, Randnr. 391).

401    Daher ist die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit darin festgestellt wird, dass die Klägerin im Jahr 1983 gegen Art. 82 EG verstoßen hat.

402    Infolgedessen ist die gegen die Klägerin festgesetzte Geldbuße um 15 %, d. h. 1 500 000 Euro, herabzusetzen.

 Zum vierten Klagegrund: Vorliegen mildernder Umstände

403    Die Klägerin macht geltend, die Kommission hätte bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung neun mildernde Umstände anerkennen müssen.

 Zum ersten Teil: Zusammenarbeit der Klägerin mit der Kommission

404    Die Klägerin trägt vor, sie habe ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit unter Beweis gestellt, indem sie die Kommission in allen Stadien der Untersuchung uneingeschränkt unterstützt habe und zur Anhörung mit den Zeugen erschienen sei, die am meisten zum Verständnis des Sachverhalts beigetragen hätten. Das Gericht habe in seinem Urteil vom 10. März 1992, ICI/Kommission (T‑13/89, Slg. 1992, II‑1021, Randnr. 35), aus diesem Grund die Geldbuße um eine Mio. ECU herabgesetzt.

405    In Art. 11 („Auskunftsverlangen“) der Verordnung Nr. 17 heißt es:

„4.      Zur Erteilung der Auskunft sind die Inhaber der Unternehmen oder deren Vertreter, bei juristischen Personen, Gesellschaften und nicht rechtsfähigen Vereinen die nach Gesetz oder Satzung zur Vertretung berufenen Personen, verpflichtet.

5.      Wird eine von Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen verlangte Auskunft innerhalb einer von der Kommission festgesetzten Frist nicht oder nicht vollständig erteilt, so fordert die Kommission die Auskunft durch Entscheidung an. Die Entscheidung bezeichnet die geforderten Auskünfte, bestimmt eine angemessene Frist zur Erteilung der Auskünfte und weist auf die in Artikel 15 Absatz (1) Buchstabe b) und Artikel 16 Absatz (1) Buchstabe c) vorgesehenen Zwangsmaßnahmen sowie auf das Recht hin, vor dem Gerichtshof gegen die Entscheidung Klage zu erheben.“

406    Nach ständiger Rechtsprechung rechtfertigt eine Mitwirkung an der Untersuchung, die nicht über das hinausgeht, wozu die Unternehmen nach Art. 11 Abs. 4 und 5 der Verordnung Nr. 17 verpflichtet sind, keine Herabsetzung der Geldbuße (Urteile des Gerichts vom 10. März 1992, Solvay/Kommission, T‑12/89, Slg. 1992, II‑907, Randnrn. 341 und 342, und vom 18. Juli 2005, Scandinavian Airlines System/Kommission, T‑241/01, Slg. 2005, II‑2917, Randnr. 218). Dagegen ist eine solche Herabsetzung gerechtfertigt, wenn das Unternehmen Auskünfte gegeben hat, die weit über das hinausgehen, was die Kommission gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 17 verlangen kann (Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Daesang und Sewon Europe/Kommission, T‑230/00, Slg. 2003, II‑2733, Randnr. 137).

407    Im Urteil vom 10. März 1992, ICI/Kommission (oben in Randnr. 404 angeführt, Randnr. 393), hatte das Gericht die besondere Ausführlichkeit der Antwort der Klägerin auf das Auskunftsverlangen hervorgehoben, die sich nicht nur auf die Handlungen der Klägerin, sondern auch auf die der gesamten betroffenen Unternehmen bezog und ohne die es für die Kommission wesentlich schwerer gewesen wäre, die Zuwiderhandlung, die Gegenstand der Entscheidung 91/300 ist, festzustellen und zu beenden.

408    Im vorliegenden Fall begnügt sich die Klägerin jedoch mit der Behauptung, ohne irgendeinen Beweis zu erbringen, dass sie die Kommission in allen Stadien der Untersuchung uneingeschränkt unterstützt habe und zur Anhörung mit den Zeugen erschienen sei, die am meisten zum Verständnis des Sachverhalts beigetragen hätten.

409    Jedenfalls kann das Verhalten der Klägerin nicht als Mitwirkung an der Untersuchung, die über das hinausgeht, wozu die Unternehmen nach Art. 11 Abs. 4 und 5 der Verordnung Nr. 17 verpflichtet sind, eingestuft werden. Ebenso wenig kann angenommen werden, dass das Unternehmen Auskünfte gegeben hat, die weit über das hinausgehen, was die Kommission gemäß diesem Art. 11 verlangen kann.

410    Da im Verhalten der Klägerin kein mildernder Umstand gesehen werden kann, ist der erste Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil: fehlender Vorsatz bei den Vereinbarungen über die Preisfestsetzung

411    Die Klägerin trägt vor, die Vereinbarungen über die Preisfestsetzung im Natriumkarbonatsektor seien seitens der Beteiligten keine planmäßige Politik gewesen, gegen die Wettbewerbsregeln zu verstoßen. Sie verweist auf einen internen Vermerk vom 29. November 1988 des Commercial Manager ihrer Soda Ash Products Division, der der Kommission im Verwaltungsverfahren übermittelt worden war. In diesem Vermerk heißt es: „Im Hinblick auf die Treffen von Soda Ash Products mit [der Generaldirektion Wettbewerb] vor einigen Jahren glaube ich nicht, dass wir in Bezug auf die Art unserer Verträge ein größeres Problem haben.“ In diesem Vermerk ist auch die Rede davon, dass die Abgrenzungsgrenzlinie häufig sehr dünn sei zwischen, z. B., Optimierung einer Marktposition und Missbrauch einer beherrschenden Stellung. Jedenfalls meint die Klägerin, ihr Verhalten sei in keinem früheren Urteil des Gerichtshofs bzw. des Gerichts als missbräuchlich eingestuft worden. Wenn daher eine Zuwiderhandlung vorliege, sei sie als „technische Zuwiderhandlung“ zu betrachten.

412    Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Einstufung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrags als vorsätzlich nicht voraus, dass sich das Unternehmen des Verstoßes gegen ein in diesen Regeln aufgestelltes Verbot bewusst gewesen ist; es genügt, dass es wissen musste, dass das beanstandete Verhalten eine Einschränkung des Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt bezweckte oder bewirkte (Urteile des Gerichts vom 1. April 1993, BPB Industries und British Gypsum/Kommission, T‑65/89, Slg. 1993, II‑389, Randnr. 165, und vom 27. Juli 2005, Brasserie nationale u. a./Kommission, T‑49/02 bis T‑51/02, Slg. 2005, II‑3033, Randnr. 155).

413    Wie die Kommission in Randnr. 137 der angefochtenen Entscheidung zutreffend bemerkt, hat der Gerichtshof bereits in mehreren Urteilen Praktiken verurteilt, durch die Wettbewerber von den Kunden dadurch ferngehalten werden, dass Letztere an den beherrschenden Lieferanten gebunden werden. In diesem Zusammenhang ist durch das Urteil Hoffmann-La Roche/Kommission (oben in Randnr. 216 angeführt) insbesondere anerkannt worden, dass ein Unternehmen, das auf einem Markt eine beherrschende Stellung einnimmt und Abnehmer, sei es auch auf deren Wunsch, durch die Verpflichtung oder Zusage, ihren gesamten Bedarf oder einen beträchtlichen Teil desselben ausschließlich bei ihm zu beziehen, an sich bindet, seine Stellung im Sinne des Art. 82 EG missbräuchlich ausnützt, ohne dass es darauf ankäme, ob die fragliche Verpflichtung ohne Weiteres oder gegen eine Rabattgewährung eingegangen worden ist.

414    Ferner geht aus dem 108. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hervor, dass es in einem von der Klägerin verfassten Vermerk mit dem Titel „Probleme und Ziele 1989“ heißt: „Frage der Legalität des Spitzenrabattsystems und Alternativen prüfen“.

415    Wie überdies die Kommission im 158. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung feststellt,

„… kannte [die Klägerin] aus den ausgedehnten Verhandlungen mit der Kommission zwischen 1980 und 1982 sehr wohl die Vorschriften des Artikels 82 [EG]. Die Einführung der ‚Top-slice‘-Rabatte um das Jahr 1983 erfolgte, kurz nachdem ICI der Kommission spezielle Zusicherungen gegeben hatte, dass den Abnehmern keine besonderen Anreize geboten würden, ihren gesamten oder nahezu gesamten Bedarf an kalzinierter Soda von ICI zu beziehen.“

416    Somit musste die Klägerin wissen, dass die in der angefochtenen Entscheidung beanstandeten Praktiken eine Einschränkung des Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt bezweckten oder bewirkten.

417    Der interne Vermerk des Commercial Manager der Soda Ash Products Division der Klägerin vom 29. November 1988 kann diese Schlussfolgerung nicht in Frage stellen, da in der Rechtsprechung bereits die Rechtswidrigkeit ähnlicher Praktiken wie der der Klägerin von der Kommission zur Last gelegten anerkannt war.

418    Folglich ist der zweite Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum dritten Teil: Präventivmaßnahmen

419    Die Klägerin trägt vor, sie habe weitgehende Maßnahmen ergriffen, um die Einhaltung der Wettbewerbsvorschriften zu überwachen. Zu diesen Maßnahmen gehöre ein umfassendes Ausbildungs- und Fortbildungsprogramm, das von internen und externen Rechtsanwälten durchgeführt werde. Eine professionell produzierte Videokassette, die an mehr als 170 andere Unternehmen verkauft worden sei, sowie eine Broschüre mit Erläuterungen seien verwendet worden. Diese Maßnahmen hätten gewirkt, wie das Fehlen jeglicher Beschwerde über wettbewerbsrechtliche Verstöße in den 10 Jahren seit dem Erlass der Entscheidung 91/300 zeige.

420    Insoweit ist es zwar sicher wichtig, dass ein Unternehmen Maßnahmen ergriffen hat, um künftige Zuwiderhandlungen seiner Mitarbeiter gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft zu verhindern, doch ändert dies nichts daran, dass die festgestellte Zuwiderhandlung tatsächlich begangen wurde. Die bloße Tatsache, dass die Kommission in ihrer Entscheidungspraxis in bestimmten Fällen die Einführung eines Befolgungsprogramms als mildernden Umstand berücksichtigt hat, bedeutet nicht, dass sie verpflichtet wäre, in jedem Einzelfall ebenso vorzugehen (vgl. Urteil des Gerichts vom 15. März 2006, BASF/Kommission, T‑15/02, Slg. 2006, II‑497, Randnr. 266 und die dort angeführte Rechtsprechung).

421    Daher kann der Kommission in der vorliegenden Rechtssache nicht vorgeworfen werden, dass sie die Präventivmaßnahmen, die die Klägerin ergriffen zu haben behauptet, im Rahmen der Prüfung der mildernden Umstände nicht berücksichtigt hat.

422    Folglich ist der dritte Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum vierten Teil: Aufgabe der Rabatte für Spitzenmengen

423    Die Klägerin macht geltend, bereits lange vor Übermittlung der Mitteilung der Beschwerdepunkte seien ihre Vereinbarungen über die Festsetzung der Preise für Natriumkarbonat freiwillig neu verhandelt worden, um die Rabatte für Spitzenmengen zu vermeiden und einen einzigen verhandelten Preis ohne jeglichen Rabatt festzulegen. Sie beruft sich auf die Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4). In dieser sei vorgesehen, dass die freiwillige Aufgabe der Praktiken in einem frühen Stadium ein Faktor sei, der zu einer wesentlichen Herabsetzung der Geldbuße führe. Auch nach Abschnitt 3 der Leitlinien für die Festsetzung von Geldbußen handele es sich um einen Faktor, der eine sehr wesentliche Herabsetzung der Geldbuße rechtfertige.

424    Nach Abschnitt 3 der Leitlinien für die Festsetzung von Geldbußen ist die Beendigung der Verstöße nach dem ersten Eingreifen der Kommission (insbesondere Nachprüfungen) ein mildernder Umstand.

425    Die Leitlinien für die Festsetzung von Geldbußen sind jedoch, wie sich aus den Randnrn. 366 bis 369 ergibt, im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

426    Selbst wenn die Leitlinien im vorliegenden Fall anwendbar wären, ist jedoch festzustellen, dass die Voraussetzungen des Abschnitts 3 der Leitlinien im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind. Es kann nämlich nicht angenommen werden, dass die Klägerin nach dem ersten Eingreifen der Kommission keine Verstöße mehr begangen hat, wie dies die Leitlinien verlangen, damit die Beendigung der Zuwiderhandlung einen mildernden Umstand darstellt. Insoweit ergibt sich aus Randnr. 3 des vorliegenden Urteils, dass die Kommission die ersten Nachprüfungen im April 1989 durchführte, während die Klägerin das Spitzenrabattsystem ab dem 1. Januar 1990 aufgab, wie aus dem 161. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hervorgeht.

427    Im Übrigen ist Abschnitt 3 der Leitlinien nicht dahin auszulegen, dass die bloße Beendigung einer Zuwiderhandlung nach dem ersten Eingreifen der Kommission allgemein und vorbehaltlos einen mildernden Umstand darstellt. Eine solche Auslegung von Art. 3 der Leitlinien würde aber die praktische Wirksamkeit der Vorschriften, die die Erhaltung eines effizienten Wettbewerbs ermöglichen, mindern, da sie sowohl die Sanktion, die wegen einer Zuwiderhandlung gegen Art. 82 EG verhängt werden kann, als auch ihre abschreckende Wirkung abschwächen würde. Daher ist diese Bestimmung dahin auszulegen, dass nur besondere Umstände des Einzelfalls, unter denen eine Beendigung des Verstoßes nach dem ersten Eingreifen der Kommission konkret verwirklicht wird, die Berücksichtigung dieser Beendigung als mildernden Umstand rechtfertigen können (Urteil des Gerichts vom 27.. September 2006, Archer Daniels Midland/Kommission, T‑59/02, Slg. 2006, II‑3627, Randnrn. 335 und 338).

428    Im vorliegenden Fall wirft die Kommission der Klägerin vor, ihre beherrschende Stellung auf dem Sodamarkt im Vereinigten Königreich missbraucht zu haben, indem sie gegenüber ihren Hauptabnehmern ein System von Treuerabatten und Preisabschlägen für Spitzenmengen praktiziert und vertragliche Vereinbarungen zur Sicherung der Alleinbelieferung durch sie sowie andere Vorkehrungen getroffen habe, mit denen die vollständige oder nahezu vollständige Bindung der Abnehmer an sie und die Ausschließung der Wettbewerber bezweckt und bewirkt worden sei. Es ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht das Vorliegen und den Inhalt der von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung angeführten Unterlagen bestreitet, aus denen hervorgeht, dass diese Rabatte nicht auf einer wirtschaftlich gerechtfertigten Gegenleistung beruhten und die Abnehmer vom Bezug bei konkurrierenden Herstellern abhalten sollten. Außerdem ist hervorzuheben, dass, wie oben in den Randnrn. 370, 373 und 374 festgestellt, der Klägerin besonders schwere Verstöße vorgeworfen werden.

429    Somit wäre, selbst wenn die Leitlinien anwendbar wären und die Klägerin nach dem ersten Eingreifen der Kommission aufgehört hätte, ihren Abnehmern Rabatte für Spitzenmengen anzubieten, eine solche Beendigung nicht als mildernder Umstand anzusehen.

430    Folglich ist der vierte Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum fünften Teil: begrenzte Auswirkung der Rabatte

431    Die Klägerin trägt vor, die von den Rabatten für Spitzenmengen betroffenen Mengen hätten nur 8 % ihres Gesamtabsatzes an Natriumkarbonat ausgemacht.

432    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung zahlreiche Faktoren berücksichtigen muss, die je nach der Art der fraglichen Zuwiderhandlung und nach den besonderen Umständen des Einzelfalls von unterschiedlicher Art und Bedeutung sind. Zu diesen Faktoren kann die Menge und der Wert der Waren, auf die sich die Zuwiderhandlung bezog, sowie die Größe und die Wirtschaftskraft des Unternehmens und damit der Einfluss gehören, den es auf den Markt ausüben konnte (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 354 angeführt, Randnr. 120).

433    Im vorliegenden Fall hat die Kommission zur Schwere der fraglichen Zuwiderhandlung ausgeführt:

„(156) Im vorliegenden Fall ist die Kommission der Auffassung, dass es sich um besonders schwere Verstöße gegen Artikel 82 [EG] handelt. Die Verstöße waren Teil einer überlegten Politik mit dem Ziel, die Kontrolle [der Klägerin] über den [relevanten Markt] in einer Weise zu konsolidieren, die in krassem Widerspruch zu den grundlegenden Zielen des EG-Vertrags steht. Außerdem zielten sie konkret darauf ab, das Geschäft bestimmter Wettbewerber einzuschränken oder zu schädigen.

(157) Indem der Marktzugang für Wettbewerber auf lange Zeit erschwert wurde, hat [die Klägerin] die Marktstruktur zu Lasten der Verbraucher nachhaltig beeinträchtigt.“

434    Die Kommission hat somit sehr wohl den Einfluss berücksichtigt, den die Zuwiderhandlung auf den Markt ausüben konnte; dieser Einfluss beschränkt sich unter den gegebenen Umständen nicht nur auf die von den Rabatten für Spitzenmengen betroffenen Mengen Natriumkarbonat.

435    Jedenfalls können nach ständiger Rechtsprechung Gesichtspunkte, die den Gegenstand eines Verhaltens betreffen, für die Festsetzung der Geldbuße größere Bedeutung haben als Gesichtspunkte, die die Wirkungen des Verhaltens betreffen (Urteile Thyssen Stahl/Kommission, oben in Randnr. 378 angeführt, Randnr. 636, und Michelin/Kommission, oben in Randnr. 295 angeführt, Randnr. 259).

436    Folglich ist der fünfte Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum sechsten Teil: Nichtbeanstandung anderer Gesichtspunkte der Lieferverträge

437    Die Klägerin macht geltend, die Kommission beanstande nicht die Laufzeit ihrer Verträge über die Lieferung von Natriumkarbonat, die Verwendung von Wettbewerbsklauseln, die Verträge über den jeweiligen Gesamtbedarf der Abnehmer, die Rabatte für die Kernmenge und auch nicht sonstige Nachlässe, die 92 % ihres Produktionsvolumens beträfen.

438    Insoweit genügt der Hinweis, dass solche Praktiken nicht von der angefochtenen Entscheidung erfasst werden.

439    Dass andere Gesichtspunkte betreffend Lieferverträge von der Kommission nicht beanstandet werden, stellt in Bezug auf die Zuwiderhandlung, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ist, keinen mildernden Umstand dar.

440    Folglich ist der sechste Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum siebten Teil: kein Vorteil aus der Zuwiderhandlung

441    Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass sie aus den ihr vorgeworfenen Praktiken einen Vorteil gezogen habe. Ihr Absatz sei Anfang der 80er Jahre zurückgegangen, und sie sei gezwungen gewesen, ihre Produktionskapazität durch Schließung ihres Werkes in Wallerscote (Vereinigtes Königreich) zu rationalisieren. Die Lage sei dann wieder besser geworden, aber ihre Gesamtgewinne seien in den 80er Jahren durchweg mäßig geblieben.

442    Die Klägerin führt jedoch keinerlei Tatsachen oder Beweise an, um ihr Vorbringen, dass sie keinen Vorteil gehabt habe, zu stützen.

443    Außerdem ist, unterstellt, die Klägerin hätte keinen Vorteil aus den ihr vorgeworfenen Praktiken gehabt, zu beachten, dass die Höhe der verhängten Geldbuße zwar in einem angemessenen Verhältnis stehen muss zur Dauer der festgestellten Zuwiderhandlung und zu den anderen Faktoren, die für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes eine Rolle spielen, darunter zu dem Gewinn, den das betreffende Unternehmen aus seinem Verhalten ziehen konnte, dass jedoch die Tatsache, dass ein Unternehmen aus der Zuwiderhandlung keinen Vorteil gezogen hat, der Verhängung einer Geldbuße nicht entgegensteht, soll diese ihren abschreckenden Charakter nicht verlieren. Somit muss die Kommission bei der Bemessung der Geldbußen das Fehlen eines aus der betreffenden Zuwiderhandlung gezogenen Vorteils nicht berücksichtigen. Überdies ist das Fehlen eines finanziellen Vorteils aus der Zuwiderhandlung nicht als mildernder Umstand anzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 29. November 2005, Heubach/Kommission, T‑64/02, Slg. 2005, II‑5137, Randnrn. 184 bis 186 und die dort angeführte Rechtsprechung).

444    Folglich ist der siebte Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum achten Teil: keine Geheimhaltung der Zuwiderhandlung

445    Die Klägerin trägt vor, vorliegend fehle es in Bezug auf die Rabatte für Spitzenmengen an dem erschwerenden Umstand der Geheimhaltung. Infolge der Antidumpingmaßnahmen der Kommission sei der Natriumkarbonatmarkt transparent und preissensibel gewesen, und die Verbraucher hätten für ihre jährlichen Verträge auf gemeinschaftsweiter oder globaler Grundlage agiert.

446    Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung den geheimen Charakter als erschwerenden Umstand berücksichtigen kann (vgl. in diesem Sinne in Bezug auf ein Kartell Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Mayr-Melnhof/Kommission, T‑347/94, Slg. 1998, II‑1751, Randnr. 213).

447    Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die fehlende Geheimhaltung einen mildernden Umstand darstellt.

448    Daher ist der achte Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum neunten Teil: Art der Wettbewerber

449    Die Klägerin trägt vor, die Rabatte für Spitzenmengen hätten nur ihre außerhalb der Gemeinschaft ansässigen Wettbewerber betroffen. Diese hätten in den 80er Jahren durchweg selbst untereinander unfaire Preisfestsetzungspolitiken verfolgt.

450    Hierzu genügt die Feststellung, dass die Klägerin, unterstellt, die Rabatte für Spitzenmengen hätten nur ihre außerhalb der Gemeinschaft ansässigen Wettbewerber betroffen, nicht darlegt, inwiefern die Tatsache, dass es sich um außerhalb der Gemeinschaft ansässige Unternehmen handelt, im vorliegenden Fall einen mildernden Umstand darstellen sollte.

451    Daher ist der neunte Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.

452    Im Ergebnis ist die angefochtene Entscheidung insoweit für nichtig zu erklären, als in ihr angegeben ist, dass die Zuwiderhandlungen in der Zeit von etwa 1983 bis Ende 1989 stattgefunden haben und nicht in der Zeit von 1984 bis Ende 1989, und insoweit abzuändern, als sie zu Unrecht zu Lasten der Klägerin den erschwerenden Umstand eines Wiederholungsfalls berücksichtigt.

453    Folglich wird der Betrag der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße auf 8 Mio. Euro festgesetzt.

 Kosten

454    Nach Art. 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt und teils unterliegt.

455    Im vorliegenden Fall sind die Anträge der Klägerin für teilweise begründet erklärt worden. Das Gericht ist der Ansicht, dass bei angemessener Würdigung der Umstände des Einzelfalls der Klägerin vier Fünftel ihrer eigenen Kosten sowie vier Fünftel der Kosten der Kommission und der Kommission ein Fünftel ihrer eigenen Kosten und ein Fünftel der Kosten der Klägerin aufzuerlegen sind.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Art. 1 der Entscheidung 2003/7/EG der Kommission vom 13. Dezember 2000 in einem Verfahren nach Artikel 82 [EG] (COMP/33.133 – D: Natriumkarbonat – ICI) wird für nichtig erklärt, soweit darin festgestellt wird, dass die Imperial Chemical Industries Ltd im Jahr 1983 gegen Art. 82 EG verstoßen hat.

2.      Der Betrag der gegen Imperial Chemical Industries in Art. 2 der Entscheidung 2003/7 festgesetzten Geldbuße wird auf 8 Mio. Euro festgesetzt.

3.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4.      Imperial Chemical Industries trägt vier Fünftel ihrer eigenen Kosten und vier Fünftel der Kosten der Europäischen Kommission.

5.      Die Kommission trägt ein Fünftel ihrer eigenen Kosten und ein Fünftel der Kosten von Imperial Chemical Industries.

Meij

Vadapalas

Dittrich

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 25. Juni 2010.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Sachverhalt

Verfahren

Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

1. Zum Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung

Zum ersten Klagegrund: Unzuständigkeit der Kommission für den Erlass der angefochtenen Entscheidung

Zum ersten Teil: fehlerhafte Anwendung der Verjährungsvorschriften

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Zum zweiten Teil: Verletzung des Grundsatzes der angemessenen Verfahrensdauer

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Zum zweiten Klagegrund: Verletzung wesentlicher Formvorschriften

Zum ersten Teil: Rechtswidrigkeit der Vorbereitungsphasen der Entscheidung 91/300

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Zum zweiten Teil: überlange Dauer zwischen dem Verwaltungsverfahren und dem Erlass der angefochtenen Entscheidung

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Zum dritten Teil: Verletzung der Verpflichtung zu neuen Verfahrensschritten

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Zum vierten Teil: Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Zum fünften Teil: Verletzung von Art. 253 EG

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Zum dritten Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung des relevanten Marktes

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum vierten Klagegrund: Fehlen einer beherrschenden Stellung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum fünften Klagegrund: kein Missbrauch einer beherrschenden Stellung

Zum ersten Teil: Rabatte für Spitzenmengen

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Zum zweiten Teil: Alleinbelieferungsklauseln und Einschränkung der Abnahme von Wettbewerbern

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Zum dritten Teil: sonstige finanzielle Anreize

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Zum sechsten Klagegrund: keine Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

2. Zum Antrag auf Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße

Zum ersten Klagegrund: Zeitablauf

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum zweiten Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum dritten Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum vierten Klagegrund: Vorliegen mildernder Umstände

Zum ersten Teil: Zusammenarbeit der Klägerin mit der Kommission

Zum zweiten Teil: fehlender Vorsatz bei den Vereinbarungen über die Preisfestsetzung

Zum dritten Teil: Präventivmaßnahmen

Zum vierten Teil: Aufgabe der Rabatte für Spitzenmengen

Zum fünften Teil: begrenzte Auswirkung der Rabatte

Zum sechsten Teil: Nichtbeanstandung anderer Gesichtspunkte der Lieferverträge

Zum siebten Teil: kein Vorteil aus der Zuwiderhandlung

Zum achten Teil: keine Geheimhaltung der Zuwiderhandlung

Zum neunten Teil: Art der Wettbewerber

Kosten


* Verfahrenssprache: Englisch.