Language of document : ECLI:EU:T:2011:318

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

30. Juni 2011(*)

„Gemeinschaftsmarke – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke DYNAMIC HD – Absolute Eintragungshindernisse – Fehlende Unterscheidungskraft – Keine durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 der Verordnung [EG] Nr. 207/2009)“

In der Rechtssache T‑463/08

Imagion AG mit Sitz in Trierweiler (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt H. Blatzheim,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch S. Schäffner als Bevollmächtigten,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 13. August 2008 (Sache R 488/2008‑4) über die Anmeldung des Wortzeichens DYNAMIC HD als Gemeinschaftsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Papasavvas sowie der Richter V. Vadapalas (Berichterstatter) und K. O’Higgins,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 19. Oktober 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 23. Januar 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund der am 22. April 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Erwiderung,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien binnen der Frist von einem Monat nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher auf Bericht des Berichterstatters gemäß Art. 135a der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

nach Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 11. Juli 2007 meldete die Klägerin, die Imagion AG, nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelte es sich um das Wortzeichen DYNAMIC HD.

3        Die Marke wurde u. a. für folgende Dienstleistungen in den Klassen 35, 38, 41 und 42 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 35: „Speicherung von Tests, Kritiken, Meinungsäußerungen, Beschreibungen, Inhaltsangaben, Ton- und Bilddateien aller Art; Vermarktung von Tests, Kritiken, Meinungsäußerungen, Beschreibungen, Inhaltsangaben, Spielfilmen, Unterhaltungsfilmen, Musikproduktionen, Ton- und Bilddateien aller Art; Herstellung, nämlich Systematisierung und Zusammenstellung von Tests, Kritiken, Meinungsäußerungen, Beschreibungen, Inhaltsangaben, Ton- und Bilddateien aller Art; Datenverarbeitung für andere“;

–        Klasse 38: „Telekommunikation“;

–        Klasse 41: „Herstellung und Speicherung von Spielfilmen, Unterhaltungsfilmen, Musikproduktionen; Erstellung und Bearbeitung multimedialer und audiovisueller Inhalte und Medien“;

–        Klasse 42: „Erstellen von Funktionen für digitale Datenträger aller Art, insbesondere DVD, HD DVD und Blu-ray Disc, zum Zwecke des Zugriffs auf Serviceleistungen und Inhalte aller Art über Computernetzwerke; Bereitstellung von Funktionen für digitale Datenträger aller Art, insbesondere DVD, HD DVD und Blu-ray Disc, zum Zwecke des Zugriffs auf Serviceleistungen und Inhalte aller Art über Computernetzwerke; technische Beratung auf dem Gebiet der Bereitstellung von geistigem Eigentum über Computernetzwerke; technische Bereitstellung von geistigem Eigentum über Computernetzwerke; technische Beratung bei der Speicherung, Herstellung und Vermarktung von Tests, Kritiken, Meinungsäußerungen, Beschreibungen, Inhaltsangaben, Spielfilmen, Unterhaltungsfilmen, Musikproduktionen, Ton- und Bilddateien aller Art; Beratung bei der technischen Ausführung von Werbung über elektronische Datennetze, insbesondere Internet; Computer-Software (Aktualisieren von); Computer-Software (Vermietung von); Computersoftwareberatung; Design von Computer-Software; Gestaltung und Unterhalt von Websites für Dritte; Programme (Erstellen von) für die Datenverarbeitung; Vermietung und Wartung von Speicherplätzen zur Benutzung als Websites für Dritte (hosting); Vermietung von Webservern; Wartung von Computersoftware; Websites (Gestaltung und Unterhalt von) für Dritte; Bereitstellung, Vermietung und Betrieb von Serviceeinheiten für die Aufstellung von Webservern für Dritte (Computerdienstleistung)“.

4        Mit Entscheidung vom 22. Januar 2008 wies der Prüfer die Anmeldung nach Art. 38 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 37 der Verordnung Nr. 207/2009) für die oben in Randnr. 3 aufgeführten Dienstleistungen nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 207/2009) mit der Begründung zurück, dass die Marke beschreibend sei und keine Unterscheidungskraft habe.

5        Am 17. März 2008 legte die Klägerin gegen die Entscheidung des Prüfers nach den Art. 57 bis 62 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009) beim HABM Beschwerde ein.

6        Mit Entscheidung vom 13. August 2008 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück. Insbesondere ging sie davon aus, dass die Anmeldemarke mit der Anmeldung beanspruchte Dienstleistungen im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 beschreibe und dass ihr jede Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 fehle. Ferner habe die Anmeldemarke keine Unterscheidungskraft durch ihre Benutzung im Sinne von Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009) erlangt.

 Anträge der Parteien

7        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

8        Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        die Klägerin zur Kostentragung zu verurteilen.

 Rechtliche Würdigung

 Zu den erstmals vor dem Gericht eingereichten Unterlagen

9        Die Klägerin hat als Anlage zu ihrer Klageschrift ein Verzeichnis von Titeln von DVDs, das die Benutzung der Marke DYNAMIC HD belege, und eine von der Website Wikipedia stammende Aufstellung von Abkürzungen, die das Zeichen HD enthalten, eingereicht.

10      Diese erstmals vor dem Gericht eingereichten Unterlagen können nicht berücksichtigt werden. Die Klage beim Gericht ist nämlich auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von den Beschwerdekammern des HABM erlassenen Entscheidungen im Sinne von Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 65 der Verordnung Nr. 207/2009) gerichtet, so dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, im Licht erstmals bei ihm eingereichter Unterlagen den Sachverhalt zu überprüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 24. November 2005, Sadas/HABM – LTJ Diffusion [ARTHUR ET FELICIE], T‑364/04, Slg. 2005, II‑489, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung). Demnach kann die Rüge, dass die Entscheidung einer Beschwerdekammer rechtswidrig sei, auf die Geltendmachung neuer Tatsachen vor dem Gericht nur gestützt werden, wenn nachgewiesen wird, dass die Beschwerdekammer diese Tatsachen im Verwaltungsverfahren von Amts wegen hätte berücksichtigen müssen, bevor sie eine Entscheidung erließ (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache T‑247/01, eCopy/HABM [ECOPY], Slg. 2002, II‑5301, Randnr. 46), was im vorliegenden Fall nicht gegeben ist. Daher sind die erwähnten Schriftstücke außer Betracht zu lassen, ohne dass ihre Beweiskraft geprüft zu werden braucht.

 Zur Begründetheit

11      Die Klägerin stützt ihre Klage auf fünf Gründe, nämlich erstens einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94, zweitens einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94, drittens einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94, viertens eine unzureichende Begründung der teilweisen oder vollständigen Zurückweisung der Anmeldung für die in Frage stehenden Dienstleistungen sowie fünftens die Nichtbeachtung der Praxis des HABM und des Grundsatzes der Gleichbehandlung.

12      Es ist zunächst der zweite Klagegrund zu prüfen.

 Zum zweiten Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94

–       Vorbringen der Parteien

13      Die Klägerin macht geltend, dass das Zeichen DYNAMIC HD es ihr erlaube, eine Art Standard für die von ihr exklusiv entwickelte Technik zu etablieren. Da es den Mitbewerbern in jedem Fall unbenommen bleibe, eigene technische Innovationen mit kreativen Wortgestaltungen für sich schützen zu lassen, könne sie den markenrechtlichen Schutz für das Zeichen DYNAMIC HD für die von ihr entwickelte innovative Dienstleistung beanspruchen.

14      Das Zeichen DYNAMIC HD habe jedenfalls ein Minimum an Unterscheidungskraft erlangt, das es erlaube, für das Zeichen Schutz zu beanspruchen, da eine erkennbare Abweichung oder Abwandlung vom üblichen Sprachgebrauch für die Bezeichnung der fraglichen Dienstleistungen oder ihrer wesentlichen Merkmale vorliege.

15      Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

–       Würdigung durch das Gericht

16      Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 sind „Marken, die keine Unterscheidungskraft haben“, von der Eintragung ausgeschlossen. Außerdem bestimmt Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009), dass „[d]ie Vorschriften des Absatzes 1 … auch dann Anwendung [finden], wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Gemeinschaft vorliegen“.

17      Die Beschwerdekammer führt in den Randnrn. 30 und 31 der angefochtenen Entscheidung aus, dass dem Zeichen DYNAMIC HD die Unterscheidungskraft fehle, weil es „als technischer Industriestandard“ verstanden werde und „in lobender Weise positive Eigenschaften der Dienstleistungen bzw. der damit vermarkteten Waren hervorhebt“.

18      Der Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 zugrunde liegende Begriff des Allgemeininteresses und die Hauptfunktion der Marke, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung dadurch zu garantieren, dass sie ihm die Unterscheidung dieser Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft ermöglicht, gehen ineinander über (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 8. Mai 2008, Eurohypo/HABM, C‑304/06 P, Slg. 2008, I‑3297, Randnr. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19      Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf ihre Wahrnehmung durch die relevanten Verkehrskreise zu beurteilen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 29. April 2004, Procter & Gamble/HABM, C‑473/01 P und C‑474/01 P, Slg. 2004, I‑5173, Randnr. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Es ist daher – im Wege einer Prognose und ohne Berücksichtigung der etwaigen Benutzung des Zeichens im Sinne von Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 – zu prüfen, ob die angemeldete Marke es den angesprochenen Verkehrskreisen zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung ermöglicht, die fraglichen Waren von denjenigen anderer betrieblicher Herkunft zu unterscheiden. (Urteil des Gerichts vom 19. September 2001, Henkel/HABM [RUNDE, ROT‑WEISSE TABLETTE], T‑337/99, Slg. 2001, II‑2597, Randnr. 44).

21      Im vorliegenden Fall stellt die Klägerin nicht infrage, dass sich die angesprochenen Verkehrskreise aus dem englischsprachigen und dem deutschsprachigem Publikum zusammensetzen. Dagegen bestreitet sie offenbar, dass sich die fraglichen Dienstleistungen an ein Fachpublikum wenden.

22      Zwar sind die Dienstleistungen in den Klassen 35 und 38 für den allgemeinen Verbrauch bestimmt. Jedoch richten sich die Dienstleistungen in Klasse 41 sowohl an den Endverbraucher als auch an Fachkreise des elektronischen und des audiovisuellen Bereichs, und die Dienstleistungen in Klasse 42 wenden sich an ein Fachpublikum im Bereich der audiovisuellen Techniken (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 2. Juli 2002, SAT.1/HABM [SAT.2], T‑323/00, Slg. 2002, II‑2839, Randnr. 38). Daher ist in Übereinstimmung mit der Beschwerdekammer (Randnr. 16 der angefochtenen Entscheidung) festzustellen, dass sich die angesprochenen Verkehrskreise sowohl aus dem Endverbraucher, der als durchschnittlich informiert und angemessen aufmerksam und verständig anzusehen ist, als auch aus Fachkreisen des elektronischen und audiovisuellen Sektors zusammensetzen. Die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke ist daher unter Berücksichtigung der mutmaßlichen Wahrnehmung dieser Verkehrskreise zu beurteilen.

23      Nach Ansicht der Beschwerdekammer wird der Verbraucher das Zeichen „ebenso wie die Begriffe VHS, CD, DVD, HD-DVD und Blu-Ray in generischer Weise als Hinweis auf eine bestimmte Technologie verstehen“.

24      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der Begriff „dynamic“ (auf Deutsch „dynamisch“) auf die Begriffe Kraft, Wirksamkeit und Aktion hinweist, aber auch auf die Begriffe Entwicklung und Fortschritt. Die Buchstabenkombination HD wird im Allgemeinen sowohl vom Endverbraucher als auch von den Fachkreisen des elektronischen und des audiovisuellen Sektors als Hinweis auf die Beschaffenheit der „hohen Auflösung“ („High Definition“) im Bereich der audiovisuellen Techniken verstanden.

25      Daher dürfte sich die Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise bei dem angemeldeten Zeichen DYNAMIC HD in erster Linie auf die Buchstabenkombination HD konzentrieren, da es sich um eine dem Publikum wohlbekannte Norm handelt, die unmittelbar auf den Bereich der audiovisuellen Techniken hinweist. Das Publikum wird daher dazu neigen, einen Zusammenhang zwischen der angemeldeten Marke und einer besonderen Funktion des digitalen Trägers herzustellen, auf dem sie angebracht sein wird.

26      Ferner steht der Begriff „dynamic“ im Bereich der audiovisuellen Techniken und im weiteren Sinn im elektronischen Sektor, auf den die Buchstabenkombination HD unmittelbar hinweist, im Zusammenhang mit dem Begriff der Handlung in dem Sinn, dass die angesprochenen Verkehrskreise verstehen werden, dass sie auf dem digitalen Träger, der mit der Funktion ausgestattet ist, auf die das Zeichen DYNAMIC HD hinweist, eine Handlung vornehmen sollen.

27      Somit setzt sich das Zeichen DYNAMIC HD aus der Buchstabenkombination HD, die auf eine Norm des audiovisuellen Bereichs verweist, und dem Eigenschaftswort „dynamic“ zusammen, das eine Interaktionsmöglichkeit für den Benutzer unterstellt. Die angesprochenen Verkehrskreise können daher das Zeichen DYNAMIC HD als Hinweis auf eine neue Norm des audiovisuellen Bereichs verstehen.

28      Diese Sichtweise wird im Übrigen offenbar auch von der Klägerin geteilt, denn sie führt in der Klageschrift aus, dass sie „mit ihrer exklusiv entwickelten Technik … beabsichtigt, eine Art Standard unter der individuellen Bezeichnung ‚DynamicHD‘ zu etablieren“.

29      Wird aber mit dem Zeichen DYNAMIC HD eine neue Norm im audiovisuellen Bereich bezeichnet, so fehlt ihm jede Unterscheidungskraft. Mit einer Norm soll nämlich ein Bündel von Kriterien festgelegt werden, anhand deren die Merkmale der Dienstleistungen, die von jedem Unternehmen erbracht werden, das dieser Norm nachkommen möchte, beurteilt werden können.

30      Deshalb kann es das Zeichen DYNAMIC HD, das als eine neue Norm des audiovisuellen Bereichs gedacht ist, nicht ermöglichen, die Dienstleistungen der Klägerin in den Klassen 35, 38, 41 und 42 zu unterscheiden, die gerade dem Bereich der audiovisuellen Techniken und der Elektronik angehören.

31      Daher werden die angesprochenen Verkehrskreise das Zeichen DYNAMIC HD nicht als Marke auffassen, sondern als Norm, und nicht in der Lage sein, die Klägerin als Herkunftsbetrieb der von der angemeldeten Marke erfassten Dienstleistungen zu erkennen.

32      In jedem Fall sind die Bestandteile „DYNAMIC“ und „HD“ als solche ohne Unterscheidungscharakter. Die Buchstabenkombination HD weist nämlich auf eine Norm hin, während im elektronischen Bereich der dynamische Charakter der von den Trägern gebotenen Funktionen häufig gefragt ist.

33      Ferner sind die Bestandteile „DYNAMIC“ und „HD“ nach den Regeln der englischen Grammatik aneinandergereiht. Daher weist die angemeldete Marke keinerlei zusätzliches Merkmal auf, das das Zeichen in seiner Gesamtheit geeignet erscheinen ließe, die Dienstleistungen der Klägerin von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 26. Oktober 2000, Harbinger/HABM [TRUSTEDLINK], T‑345/99, Slg. 2000, II‑3525, Randnr. 37).

34      Daher ist das Zeichen DYNAMIC HD im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr.40/94 für sämtliche mit der angemeldeten Marke beanspruchten Dienstleistungen ohne Unterscheidungskraft.

35      Nach alledem hat die Beschwerdekammer bei der Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 keinen Fehler begangen, und der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94

–       Vorbringen der Parteien

36      Die Klägerin macht geltend, sie habe zum Zeitpunkt der Anmeldung einen Marktanteil von 100 % gehabt und sich innerhalb des ersten Jahres zwischen der Anmeldung und der Entscheidung durch die Beschwerdekammer mit einem Marktanteil von 80 bis 90 % im europäischen Markt durchsetzen können

37      Ferner sei entgegen der Rechtsprechung des Gerichts der Grad der Verkehrsdurchsetzung zu berücksichtigen, den die angemeldete Marke bis zur Entscheidung der Beschwerdekammer erlangt habe. Andernfalls hätten die Entscheidungen der Beschwerdekammern und der erstinstanzlichen Gerichte mit der Realität und dem Marktgeschehen nichts gemein.

38      Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

–       Würdigung durch das Gericht

39      Nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke finden „[d]ie Vorschriften des Absatzes 1 Buchstaben b), c) und d) … keine Anwendung, wenn die Marke für die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat“.

40      Nach ständiger Rechtsprechung muss im Hinblick auf die Eintragungsfähigkeit einer Marke nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 die durch Benutzung der Marke erlangte Unterscheidungskraft in dem wesentlichen Teil der Gemeinschaft nachgewiesen werden, in dem die Marke gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchstaben b bis d der Verordnung nicht unterscheidungskräftig wäre (vgl. Urteil des Gerichts vom 15. November 2007, Enercon/HABM [Windenergiekonverter], T‑71/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Nach der Rechtsprechung können die Umstände, unter denen die Voraussetzung des Erwerbs von Unterscheidungskraft durch Benutzung als erfüllt anzusehen ist, nicht nur anhand von generellen und abstrakten Angaben, wie z. B. bestimmten Prozentsätzen, festgestellt werden (vgl. Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, Glaverbel/HABM [Maserung einer Glasoberfläche], T‑141/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Im vorliegenden Fall hat sich die Klägerin damit begnügt, Prozentsätze für Marktanteile anzugeben, ohne einen weiteren konkreten und ausreichenden Beweis für die Benutzung der Marke DYNAMIC HD beizubringen.

43      Jedenfalls ist Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 dahin auszulegen, dass die Unterscheidungskraft einer Marke durch die Benutzung vor ihrem Anmeldetag erlangt sein muss. Es ist deshalb unerheblich, dass eine Marke zwischen dem Anmeldetag und dem Zeitpunkt, zu dem das HABM, d. h. der Prüfer oder gegebenenfalls die Beschwerdekammer, über die Frage entscheidet, ob ihrer Eintragung absolute Eintragungshindernisse entgegenstehen, Unterscheidungskraft erlangt hat. Beweismittel, die sich auf die Benutzung nach dem Anmeldetag beziehen, können daher vom HABM nicht berücksichtigt werden. (Urteil ECOPY, Randnr. 36).

44      Daher kann nicht nur das Vorbringen der Klägerin, dass die Entscheidungen der Beschwerdekammern mit der Realität des Marktgeschehens nichts gemein hätten, da sie dem Grad der Verkehrsdurchsetzung, die die Marke zum Zeitpunkt der Entscheidung erlangt habe, nicht Rechnung trügen, keinen Erfolg haben, sondern es können auch die Angaben zum etwaigen Marktanteil der Klägerin in der Zeit zwischen der Anmeldung der Marke und der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigt werden.

45      Nach alledem ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund einer mangelhaften Begründung für die teilweise oder vollständige Zurückweisung der Anmeldung für die in Frage stehenden Dienstleistungen

–       Vorbringen der Parteien

46      Die Klägerin hält die Begründung der Beschwerdekammer für unzureichend und rechtlich unzutreffend in Bezug auf die Zurückweisung der Anmeldung für die Dienstleistungen in den Klassen 35, 38, 41 und 42, insbesondere in den Klassen 38 und 42.

47      Da die Klägerin in aller Regel für die Dienstleistungen in Klasse 42 keine geschäftlichen Kontakte zu Durchschnittsverbrauchern habe, gingen sämtliche pauschalen Behauptungen des HABM zu vermeintlichen Assoziationen des maßgeblichen Durchschnittsverbrauchers am Sachverhalt vorbei. In diesem Zusammenhang habe das HABM keine tragfähige Begründung dafür geliefert, dass die Anmeldemarke für die innovativen Dienstleistungen beschreibend sein solle, und seine Begründungspflicht nicht erfüllt. Im Übrigen liege die vermeintliche Begründung neben der Sache, da sie sich erkennbar an Produktmaßstäben, nicht jedoch an Dienstleistungstatbeständen orientiere.

48      Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

–       Würdigung durch das Gericht

49      Vorab ist in Bezug auf das Vorbringen der Klägerin, mit dem die Begründetheit der angefochtenen Entscheidung angegriffen werden soll, auf die Würdigung dieses Vorbringens im Rahmen der Prüfung des zweiten und des dritten Klagegrundes zu verweisen.

50      Nach Art. 73 Satz 1 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 75 Satz 1 der Verordnung Nr. 207/2009) sind die Entscheidungen des HABM mit Gründen zu versehen. Mit dieser Verpflichtung wird das zweifache Ziel verfolgt, den Betroffenen die Kenntnisnahme von den Gründen für die Maßnahme zur Verteidigung ihrer Rechte und dem Unionsrichter die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu ermöglichen (Urteil des Gerichts vom 16. Dezember 2010, Rubinstein/HABM – Allergan [BOTOLIST], T‑345/08 und T‑357/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 92).

51      Die Frage, ob die Begründung einer Entscheidung diesen Erfordernissen genügt, ist nicht nur im Hinblick auf ihren Wortlaut zu beurteilen, sondern auch anhand ihres Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften, die das betreffende Gebiet regeln (Urteil des Gerichts vom 27. Oktober 2010, Michalakopoulou Ktimatiki Touristiki/HABM – Free [FREE], T‑365/09, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 23).

52      Wenn das HABM die Eintragung eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke ablehnt, muss es zur Begründung seiner Entscheidung den dieser Eintragung entgegenstehenden absoluten oder relativen Hinderungsgrund sowie die Bestimmung, aus der er abgeleitet wird, angeben und darlegen, welchen Sachverhalt es als erwiesen zugrunde gelegt hat, der seiner Auffassung nach die Anwendung der herangezogenen Bestimmung rechtfertigt. Eine solche Begründung ist grundsätzlich ausreichend, um den oben in den Randnrn. 50 und 51 genannten Anforderungen gerecht zu werden (Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2008, Reber/HABM – Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli [Mozart], T‑304/06, Slg. 2008, II‑1927, Randnr. 46).

53      Im vorliegenden Fall hat das HABM die Markenanmeldung wegen der absoluten Eintragungshindernisse im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c zurückgewiesen und nicht Art. 7 Abs. 3 dieser Verordnung angewandt. In den Randnrn. 10 bis 15, 29, 30 und 32 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer die Rechtsprechung zu den angewandten Bestimmungen angeführt und sich für die Prüfung der Anmeldung der Klägerin darauf gestützt.

54      So hat die Beschwerdekammer, was erstens die Beurteilung des beschreibenden Charakters des angemeldeten Zeichens angeht, ausgeführt, welches ihres Erachtens die Bedeutung ist, die die maßgeblichen Verkehrskreise dem Zeichen DYNAMIC HD beimessen (Randnrn. 17 bis 19 der angefochtenen Entscheidung), und diese anschließend jeder mit der Anmeldung beanspruchten Dienstleistungsklasse gegenübergestellt (Randnrn. 24 bis 28 der angefochtenen Entscheidung). Zweitens hat sie in den Randnrn. 30 und 31 der angefochtenen Entscheidung die Gründe angegeben, aus denen das angemeldete Zeichen keine Unterscheidungskraft habe. Drittens hat sie in Randnr. 32 der angefochtenen Entscheidung die Anwendbarkeit von Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 verneint, da die Klägerin den Umfang der Benutzung der angemeldeten Marke vor dem Anmeldetag nicht dargetan habe.

55      Damit hat die Beschwerdekammer ihre Zurückweisung der Anmeldung rechtlich hinreichend begründet, so dass die Klägerin den in der angefochtenen Entscheidung angestellten Erwägungen entgegentreten konnte und das Gericht in der Lage war, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung zu überprüfen.

56      Somit hat das HABM entgegen der Ansicht der Klägerin seine Entscheidung, die Anmeldung des Zeichens DYNAMIC HD für die Dienstleistungen in den Klassen 35, 38, 41 und 42 zurückzuweisen, hinreichend begründet.

57      Der vierte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Zum fünften Klagegrund der Nichtbeachtung der Praxis des HABM und des Grundsatzes der Gleichbehandlung

–       Vorbringen der Parteien

58      Nach Ansicht der Klägerin ist die angefochtene Entscheidung mit der Praxis des HABM unvereinbar. Gemäß einer Online-Recherche seien beim HABM bereits 80 Wortmarken mit dem Wortbestandteil „Dynamic“ eingetragen.

59      Die Kontinuität der Eintragungspraxis und die Gleichbehandlung der Antragsteller gebiete es dem HABM, wesentlich gleiche Sachverhalte von Amts wegen auch gleich zu behandeln.

60      An die Klägerin dürften daher keine wesentlich höheren oder anderen Anforderungen in gleich gelagerten Fällen gestellt werden, als dies bisher der Fall gewesen sei. Das HABM habe infolgedessen gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen.

61      Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

–       Würdigung durch das Gericht

62      Das HABM ist verpflichtet, seine Befugnisse im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, wie dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, auszuüben (Urteil des Gerichtshofs vom 10. März 2011, Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 73).

63      Nach diesen beiden letztgenannten Grundsätzen muss das HABM im Rahmen der Prüfung der Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke die zu ähnlichen Anmeldungen ergangenen Entscheidungen berücksichtigen und besonderes Augenmerk auf die Frage richten, ob im gleichen Sinne zu entscheiden ist oder nicht (vgl. Urteil Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, Randnr. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64      Demnach müssen der Grundsatz der Gleichbehandlung und der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden. Deshalb muss aus Gründen der Rechtssicherheit und gerade auch der ordnungsgemäßen Verwaltung die Prüfung jeder Anmeldung streng und umfassend sein, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu verhindern Diese Prüfung muss in jedem Einzelfall erfolgen. Die Eintragung eines Zeichens als Marke hängt von besonderen, im Rahmen der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls anwendbaren Kriterien ab, anhand deren ermittelt werden soll, ob das fragliche Zeichen nicht unter ein Eintragungshindernis fällt (vgl. Urteil Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, Randnrn. 75 und 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

65      Im vorliegenden Fall hat sich ergeben, dass anders als möglicherweise im Fall bestimmter früherer Anmeldungen von den Wortbestandteil „Dynamic“ enthaltenden Marken der Anmeldung des Zeichens DYNAMIC HD unter Berücksichtigung der für diese beanspruchten Dienstleistungen und der Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise das in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 aufgeführte Eintragungshindernis entgegenstand.

66      Der fünfte Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

67      Unter diesen Umständen ist der erste Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 nicht zu prüfen. Nach der Rechtsprechung ist ein Zeichen bereits dann von der Eintragung als Gemeinschaftsmarke ausgeschlossen, wenn eines der in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 genannten absoluten Eintragungshindernisse vorliegt (Urteil des Gerichtshofs vom 19. September 2002, DKV/HABM, C‑104/00 P, Slg. 2002, I‑7561, Randnr. 29, und Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2009, Biotronik/HABM [BioMonitor], T‑257/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 36).

68      Nach alledem ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

 Kosten

69      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Imagion AG trägt die Kosten.

Papasavvas

Vadapalas

O’Higgins

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 30. Juni 2011.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.