Language of document : ECLI:EU:T:2011:113

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

24. März 2011(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Sektor der Rohrverbindungen aus Kupfer und Kupferlegierungen – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Dauer der Beteiligung an der Zuwiderhandlung – Geldbußen – Erschwerende Umstände“

In der Rechtssache T‑384/06

IBP Ltd mit Sitz in Tipton (Vereinigtes Königreich),

International Building Products France SA mit Sitz in Sartrouville (Frankreich),

Prozessbevollmächtigte: M. Clough, QC, und A. Aldred, Solicitor,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch F. Castillo de la Torre und V. Bottka als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung K(2006) 4180 endg. der Kommission vom 20. September 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/F-1/38.121 – Rohrverbindungen), hilfsweise wegen Herabsetzung der gegen die Klägerinnen mit dieser Entscheidung verhängten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro sowie der Richter N. Wahl (Berichterstatter) und A. Dittrich,

Kanzler: T. Weiler, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 2010

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Mit der Entscheidung K(2006) 4180 endg. vom 20. September 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/F-1/38.121 – Rohrverbindungen) (Zusammenfassung in ABl. 2007, L 283, S. 63, im Folgenden: angefochtene Entscheidung) stellte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften fest, dass mehrere Unternehmen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verstoßen hätten, indem sie sich während unterschiedlicher Zeiträume zwischen dem 31. Dezember 1988 und dem 1. April 2004 an einer einzigen, komplexen und fortdauernden Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft in Form eines Bündels wettbewerbswidriger Vereinbarungen und abgestimmter Verhaltensweisen auf dem Markt für Rohrverbindungen (Fittings) aus Kupfer und Kupferlegierungen, die das gesamte EWR-Gebiet abdeckten, beteiligt hätten. Die Zuwiderhandlung habe in der Festsetzung der Preise, der Vereinbarung von Preislisten, Preisnachlässen und Rückvergütungen sowie von Mechanismen zur Durchführung von Preiserhöhungen, in der Aufteilung der nationalen Märkte und der Kunden, im Austausch anderer geschäftlicher Informationen sowie in der Teilnahme an regelmäßigen Treffen und anderen Kontakten, um die Zuwiderhandlung zu erleichtern, bestanden.

2        Die Klägerinnen, die IBP Ltd und die International Building Products France SA (im Folgenden: IBP France), gehören zu den Adressaten der angefochtenen Entscheidung.

3        IBP France ist ein hundertprozentiges Tochterunternehmen von IBP. Diese war 2001 von der Oystertec plc gegründet worden, um von der Delta plc am 23. November 2001 die Vermögenswerte der früheren Holdinggesellschaft IBP (die zunächst ebenfalls als IBP Ltd, dann als Aldway Nine Ltd firmierte) und die Anteile an deren Tochtergesellschaften zu erwerben. Am 1. Juni 2005 wurde Oystertec in Advanced Fluid Connections plc (im Folgenden: AFC) umbenannt. Am 24. März 2006 wurde diese der Zwangsvollstreckung unterstellt. Am 25. März 2006 veräußerten die Konkursverwalter alle Vermögenswerte von AFC, darunter auch die Klägerinnen und die International Building Products GmbH (im Folgenden: IBP Deutschland) an die Celestial Wing Ltd, damals eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des Investmentfonds Endless LLP. Aus dieser wurde am 15. September 2006 die Pearl Fittings Ltd (35. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Mit zwei Beschlüssen vom 2. März 2007 eröffnete Richter Richards vom High Court of Justice (England & Wales) über die Klägerinnen das Insolvenzverfahren und bestellte für dessen Dauer zwei Verwalter.

4        Am 9. Januar 2001 informierte die Mueller Industries Inc., eine andere Herstellerin von Kupferfittings, die Kommission über das Bestehen eines Kartells in der Fittingbranche und in anderen verwandten Branchen auf dem Kupferrohrmarkt und erklärte ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit gemäß der Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996) (114. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

5        Am 22. und 23. März 2001 führte die Kommission im Zuge ihrer Ermittlungen zu Kupferrohren und ‑fittings in den Betriebsstätten mehrerer Unternehmen unangekündigte Nachprüfungen nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), durch (119. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

6        Im Anschluss an diese ersten Nachprüfungen teilte die Kommission im April 2001 ihre Ermittlungen zu Kupferrohren in drei verschiedene Verfahren auf, nämlich das Verfahren in der Sache COMP/E-1/38.069 (Kupfer-Installationsrohre), das Verfahren in der Sache COMP/F‑1/38.121 (Fittings) und das Verfahren in der Sache COMP/E‑1/38.240 (Industrierohre) (120. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

7        Am 24. und 25. April 2001 führte die Kommission weitere unangekündigte Nachprüfungen in den Betriebsstätten der Delta plc durch, einer Gesellschaft an der Spitze eines internationalen Maschinenbaukonzerns, zu dessen Engineering-Bereich mehrere Fittinghersteller gehörten. Diese Nachprüfungen betrafen ausschließlich Fittings (121. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

8        Ab Februar/März 2002 sandte die Kommission an die betroffenen Parteien mehrere Auskunftsverlangen zunächst nach Art. 11 der Verordnung Nr. 17 und später nach Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) (122. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

9        Im September 2003 beantragte die IMI plc die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996. Diesem Antrag folgten die Anträge der Delta-Gruppe (März 2004) und der FRA.BO SpA (Juli 2004). Der letzte Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung wurde im Mai 2005 von AFC gestellt (Erwägungsgründe 115 bis 118 der angefochtenen Entscheidung).

10      Am 22. September 2005 leitete die Kommission in der Sache COMP/F‑1/38.121 (Rohrverbindungen) ein Verfahren wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln ein und nahm eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an, die sie u. a. den Klägerinnen zusandte (Erwägungsgründe 123 und 124 der angefochtenen Entscheidung).

11      Am 20. September 2006 erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung.

12      In Art. 1 der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission fest, dass die Klägerinnen gegen die Art. 81 EG und 53 EWR-Abkommen verstoßen hätten, und zwar im Fall von IBP vom 23. November 2001 bis zum 1. April 2004 und im Fall von IBP France vom 4. April 1998 bis zum 23. November 2001 (im Unternehmen Delta) und vom 23. November 2001 bis zum 1. April 2004 (im Unternehmen AFC).

13      Für diese Zuwiderhandlung setzte die Kommission gegen AFC eine Geldbuße in Höhe von 18,08 Millionen Euro fest, davon 11,26 Millionen Euro gesamtschuldnerisch mit IBP (Art. 2 Buchst. c Ziff. i der angefochtenen Entscheidung) und 5,63 Millionen Euro gesamtschuldnerisch mit IBP France (Art. 2 Buchst. c Ziff. ii der angefochtenen Entscheidung). Außerdem setzte die Kommission für diese Zuwiderhandlung gegen Delta eine Geldbuße in Höhe von 28,31 Millionen Euro fest, davon 5,63 Millionen Euro gesamtschuldnerisch mit IBP France (Art. 2 Buchst. d Ziff. iii der angefochtenen Entscheidung).

14      Bei der Festsetzung der Höhe der dem jeweiligen Unternehmen auferlegten Geldbuße wandte die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die Methode an, die die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Art. 65 Abs. 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3; im Folgenden: Leitlinien von 1998), vorsehen.

15      Was zunächst die Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße nach Maßgabe der Schwere der Zuwiderhandlung anbelangt, stufte die Kommission diese aufgrund ihrer Art und ihrer räumlichen Reichweite als besonders schwerwiegend ein (755. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

16      Da die Kommission ferner davon ausging, dass zwischen den betroffenen Unternehmen erhebliche Unterschiede bestünden, wandte sie eine differenzierte Behandlung an und stellte insoweit auf ihre – anhand ihrer Marktanteile bestimmte – relative Bedeutung auf dem fraglichen Markt ab. Auf dieser Grundlage teilte sie die betroffenen Unternehmen in sechs Kategorien ein (758. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

17      Das Unternehmen Delta wurde der zweiten Kategorie zugeordnet, für die der Ausgangsbetrag auf 46 Millionen Euro festgesetzt wurde, während AFC der dritten Kategorie zugeordnet wurde, für die der Ausgangsbetrag auf 36 Millionen Euro festgesetzt wurde (765. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

18      In Anbetracht der Dauer der Zuwiderhandlung der Klägerinnen wurde der erste Teil des Ausgangsbetrags der Geldbuße gegen IBP France betreffend deren Teilnahme an der Zuwiderhandlung im Unternehmen Delta um 35 % und der zweite Teil betreffend die Teilnahme an der Zuwiderhandlung im Unternehmen AFC um 20 % erhöht. Der Ausgangsbetrag der Geldbuße gegen IBP wurde um 20 % erhöht.

19      Sodann wurde in der weiteren Beteiligung an der Zuwiderhandlung nach den Nachprüfungen der Kommission ein die Erhöhung des Grundbetrags der Geldbußen gegen die beiden Unternehmen Delta und AFC um 60 % rechtfertigender erschwerender Umstand gesehen (785. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Ebenso wurde der Grundbetrag von AFC wegen irreführender Angaben dieses Unternehmens gegenüber der Kommission um 50 % erhöht (790. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

20      Bei IBP wurde die in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehene Obergrenze von 10 %, d. h. 11,26 Millionen Euro, anhand des weltweiten Gesamtumsatzes ermittelt. Im Fall von IBP France wurde diese Obergrenze von 10 % auf beide Teile des Betrags der gegen sie jeweils gesamtschuldnerisch mit ihren aufeinanderfolgenden Muttergesellschaften festgesetzten Geldbuße angewandt. Da diese beiden Teile die Obergrenze von 10 % überschritten, wurde die von IBP France gesamtschuldnerisch zu zahlende Geldbuße auf die Hälfte des Betrags der Geldbuße festgesetzt, der jeweils der auf ihre Muttergesellschaften entfallenden Obergrenze von 10 % entsprach.

21      Bei AFC und ihren Tochtergesellschaften wurde der Betrag der Geldbuße nicht gemäß den Bestimmungen des Abschnitts D Abs. 2, erster und zweiter Gedankenstrich, der Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996 herabgesetzt (Erwägungsgründe 861 und 865 der angefochtenen Entscheidung).

 Verfahren und Anträge der Parteien

22      Mit Klageschrift, die am 13. Dezember 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben.

23      Mit Beschluss vom 28. März 2007 hat der Präsident des Gerichts den Antrag der Klägerinnen auf Aussetzung des Vollzugs von Art. 2 Buchst. c und d der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen.

24      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Achte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

25      Mit Schreiben, das am 20. Januar 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen dem Gericht mitgeteilt, dass sie aufgrund ihrer kritischen Finanzlage nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen könnten. In der Folge erschien eine mündliche Verhandlung sinnvoll, um der Kommission die Beantwortung verschiedener durch die Akten aufgeworfener Fragen zu ermöglichen, die sich schriftlich nicht vollständig klären ließen, und die Kommission hat in der Sitzung vom 4. Februar 2010 mündlich verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet.

26      Die Klägerinnen beantragen,

–        die Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie sie in Bezug auf den Zeitraum vom 23. November 2001 bis 1. April 2004 betrifft;

–        die gegen sie festgesetzte Geldbuße für nichtig zu erklären oder um einen vom Gericht für angemessen erachteten Betrag herabzusetzen;

–        die prozessleitenden Maßnahmen oder Beweiserhebungen zu beschließen, die erforderlich sind, um die zwischen den Klägerinnen und der Kommission und FRA.BO streitigen Punkte hinsichtlich der Beweise bezüglich der Sitzungen der Fédération française des négociants en appareils sanitaires, chauffage, climatisation et canalisations (FNAS) und der Telefonanrufe von Frau B. (FRA.BO) zu klären, insbesondere die betreffenden Zeugen einschließlich Frau I. und Frau B., der Herren T., H., R. und D. sowie jeden anderen Zeugen, dessen Anhörung es für sinnvoll hält, zu vernehmen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

27      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes aufzuerlegen.

 Entscheidungsgründe

28      Die Klägerinnen machen zwei Klagegründe geltend, nämlich einen Verstoß gegen Art. 81 EG und fehlerhafte Berechnung der Geldbuße.

 Zum Antrag auf prozessleitende Maßnahmen bzw. Beweisaufnahme

29      Nach Art. 68 § 1 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag der Parteien nach Anhörung der Parteien die Vernehmung von Zeugen über bestimmte Tatsachen anordnen. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung hat die Partei in ihrem Antrag die Tatsachen zu bezeichnen, über die die Vernehmung stattfinden soll, und die Gründe anzugeben, die die Vernehmung rechtfertigen.

30      Was die Würdigung von Anträgen einer Partei auf prozessleitende Maßnahmen oder Maßnahmen der Beweisaufnahme betrifft, ist es allein Sache des Gerichts, zu entscheiden, ob die ihm in einer Rechtssache vorliegenden Informationen möglicherweise der Ergänzung bedürfen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 22. November 2007, Sniace/Kommission, C‑260/05 P, Slg. 2007, I‑10005, Randnr. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      So hat der Gerichtshof entschieden, dass selbst dann, wenn ein Antrag in der Klageschrift auf Vernehmung von Zeugen genau bezeichnet, zu welchen Tatsachen der oder die Zeugen vernommen werden sollen, und die Gründe angibt, die ihre Vernehmung rechtfertigen, es Sache des Gerichts ist, die Sachdienlichkeit des Antrags im Hinblick auf den Streitgegenstand und die Erforderlichkeit einer Vernehmung der genannten Zeugen zu beurteilen (Urteile des Gerichtshofs vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C‑185/95 P, Slg. 1998, I‑8417, Randnr. 70, vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnr. 68, sowie Beschluss des Gerichtshofs vom 15. September 2005, Marlines/Kommission, C‑112/04 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 38).

32      Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen außer im dritten Antrag keine Begründung oder Rechtfertigung vorgetragen. Daher ist dieser Antrag zurückzuweisen.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 81 EG

 Vorbringen der Parteien

33      Die Klägerinnen rügen, die Kommission habe insofern gegen Art. 81 EG verstoßen, als es sich bei ihren Feststellungen zum Vorliegen einer einzigen und fortdauernden Zuwiderhandlung um offensichtliche Beurteilungsfehler handele. Zudem habe die Kommission ihre Entscheidung nicht hinreichend begründet und das Anhörungsrecht der Klägerinnen verletzt.

34      Die Kommission habe drei maßgebliche Vorkommnisse, auf die sie ihre Feststellung des Vorliegens einer einzigen und fortdauernden Zuwiderhandlung gestützt habe, falsch beurteilt: die Teilnahme der Klägerinnen an den FNAS-Sitzungen von Juni 2003 bis April 2004, das Treffen am 18. März 2004 in Essen (Deutschland) mit mehreren Wettbewerbern und verschiedene Telefonkontakte zwischen Vertretern von FRA.BO und der IBP Banninger Italia Srl von 2001 bis April 2004.

35      Zu den FNAS-Sitzungen tragen die Klägerinnen zunächst vor, ihnen sei in der Mitteilung der Beschwerdepunkte insoweit keine Zuwiderhandlung vorgeworfen worden. Im Übrigen sei die Mitteilung der Beschwerdepunkte an die FNAS gerichtet worden, obwohl diese keiner Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG für schuldig befunden worden sei.

36      Die Kommission habe sich auf die Protokolle der FNAS-Sitzungen gestützt, die mit Ausnahme eines einzigen von den Teilnehmern nicht bestätigt worden seien. Die Teilnehmer hätten lediglich eine Anwesenheitsliste unterzeichnet.

37      Die FNAS-Sitzungen hätten keinen wettbewerbswidrigen Zweck gehabt. Die Klägerinnen stützen diese Auffassung auf die Erklärung von Frau I. sowie auf eine förmliche Einladung zu der FNAS-Sitzung vom 25. Juni 2003, die einen technischen Punkt zur Tagesordnung gehabt habe, nämlich die von den Kunden unter den FNAS-Mitgliedern gewünschte Verpackung. Frau I. habe die Erklärung von Oystertec über ihre Politik in Bezug auf wettbewerbswidrige Praktiken unterzeichnet. Zudem seien die FNAS-Sitzungen nicht geheim gewesen, die Kunden hätten an ihnen teilnehmen können.

38      IBP France sei bestrebt gewesen, sich von den Versuchen der Comap SA, Preise zu erörtern, zu distanzieren. Die Klägerinnen verweisen hierzu auf die Erklärung von Frau I., die bestätige, dass sie auf den FNAS-Sitzungen stets dafür eingetreten sei, die Erörterung von zukünftigen Preisen oder den Austausch vertraulicher Informationen zu vermeiden oder zu unterbinden.

39      Die Erhöhung der Preise von IBP France ab dem 1. Januar 2004 sei zwar in der Sitzung vom 3. November 2003 von einem Wiederverkäufer erwähnt worden, doch seien die Kunden darüber seit dem 28. Oktober 2003 informiert gewesen und die Information sei daher auf dem Markt nicht mehr geheim gewesen. Im Übrigen sei es angesichts der unter den Teilnehmern herrschenden Atmosphäre des Misstrauens wenig wahrscheinlich, dass in der Sitzung vom 20. Januar 2004 ein Konsens erreicht worden sei.

40      Jedenfalls hätten die Preiserhöhungen des Jahres 2004 nichts mit den FNAS-Sitzungen zu tun. Die von IBP France in ihrem Schreiben vom 28. Oktober 2003 angekündigte Preiserhöhung sei den Klägerinnen von Oystertec aufgezwungen worden. Ferner gebe es für die im Jahr 2004 von Comap und der Raccord Orléanais SAS vorgenommenen Preiserhöhungen plausible Erklärungen, insbesondere die gestiegenen Rohstoffpreise.

41      Folglich gehörten die FNAS-Sitzungen nicht zu der vorausgegangenen einzigen und fortdauernden Zuwiderhandlung, da ihr Zweck legitim und völlig verschieden von dem der sogenannten „Super-EFMA“-Treffen gewesen sei, die vor oder im Anschluss an die Sitzungen der European Fittings Manufacturers Association (EFMA, Vereinigung der europäischen Fittinghersteller) stattgefunden hätten.

42      Schließlich sei der Kommission ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen mit der Annahme, dass der geografische Raum, auf den sich die FNAS-Sitzungen bezogen hätten, ganz Europa gewesen sei. Die FNAS sei auf Frankreich beschränkt gewesen, und es sei nur auf die auf anderen nationalen Märkten gebräuchlichen Verpackungseinheiten hingewiesen worden. Es habe sich um legitime Erörterungen über die Anforderungen auf anderen Märkten gehandelt.

43      Zu dem Treffen von IBP Deutschland, der R. Woeste & Co. Yorkshire GmbH und Comap in Essen am 18. März 2004 tragen die Klägerinnen vor, die Kommission habe die Tatsachen falsch beurteilt. Herr H. von IBP Deutschland habe lediglich Fragen zu den Preisen seines Unternehmens beantwortet, es habe aber keine Erörterung über genaue Prozentsätze oder das genaue Datum von Erhöhungen gegeben. Im Übrigen seien diese Informationen bereits öffentlich und daher nicht mehr geheim gewesen.

44      Außerdem sei das Treffen in Essen eine einmalige Gelegenheit zur Diskussion gewesen, die überhaupt nicht geplant gewesen sei. Es gebe keinen Beleg dafür, dass die Klägerinnen einen Zweck verfolgt hätten, der mit dem vor den Nachprüfungen identisch gewesen sei. Folglich könne die Kommission, da es keinen „Gesamtplan“ gebe, nicht annehmen, dass dieses Treffen zu der einzigen und fortdauernden Zuwiderhandlung gehöre.

45      Überdies sei die auf das Treffen in Essen bezogene Rüge nicht in der Mitteilung der Beschwerdepunkte gegen sie erhoben worden. Auch in der angefochtenen Entscheidung werde insoweit nichts über einen etwaigen Verstoß gegen Art. 81 EG durch IBP Deutschland oder IBP France gesagt.

46      Zu den Telefonkontakten zwischen den Klägerinnen und einigen ihrer Wettbewerber tragen die Klägerinnen vor, aus der angefochtenen Entscheidung gehe hervor, dass die Kommission lediglich für die Zeit vom 10. April 2002 bis 17. Juli 2003 über Beweise, insbesondere Telefonabrechnungen, verfüge. Folglich habe die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem sie diese Beweise als Grundlage für ihre Feststellungen für die Zeit vom März 2001 bis April 2004 angesehen habe.

47      Um die Auffassung der Kommission zu widerlegen, machen die Klägerinnen zunächst geltend, dass Frau B. (FRA.BO) viel öfter Herrn R. (IBP Banninger Italia) angerufen habe als umgekehrt. Anders als von der Kommission behauptet, hätten diese Gespräche insgesamt nur etwa eine Stunde gedauert.

48      Sodann gebe es eine andere plausible Erklärung für diese Telefonkontakte, nämlich dass FRA.BO, obwohl die letzte Rechnung von IBP Banninger Italia an sie vom September 2002 datiere, versucht habe, diese weiter zu kontaktieren, um von ihr Produkte zu beziehen.

49      Zudem decke sich der Zeitraum, für den die genannten Telefonabrechnungen vorlägen, nicht mit den Preiserhöhungen von IBP Banninger Italia. Diese Telefonabrechnungen zeigten zwar, dass die Anrufe stattgefunden hätten, bewiesen aber nicht ihren Inhalt. FRA.BO habe lediglich Behauptungen aufgestellt, ohne sie zu belegen oder zu substantiieren.

50      Schließlich tragen die Klägerinnen vor, die Dauer ihrer Teilnahme an der Zuwiderhandlung dürfe wie bei IMI und der Aalberts Industries NV höchstens den Zeitraum der FNAS-Sitzungen umfassen.

51      Die Kommission habe zu Unrecht das Vorliegen einer einzigen und fortdauernden Zuwiderhandlung festgestellt. Zunächst fehle es an einem „Gesamtplan“ oder einem „identischen Zweck“. Die Kommission habe zum Beleg für das Funktionieren eines Kontrollsystems keine statistischen Daten gleicher Qualität wie die für die Zeit vor 2001 ermittelt. Zudem sei durch die Einführung eines Programms zur Beachtung des Wettbewerbsrechts bei Oystertec die „Kontinuitätskette unterbrochen“ worden, was die Feststellung einer einzigen und fortdauernden Zuwiderhandlung ausschließe.

52      Zu den Formmängeln machen die Klägerinnen erstens geltend, die Kommission habe keinen angemessenen Grund dafür angeführt, dass sie sich auf nicht detaillierte, nicht von FRA.BO bestätigte Beweise gestützt habe, und nicht angegeben, warum sie sie gegen die Klägerinnen, nicht aber gegen Aalberts Industries herangezogen habe.

53      Zweitens sei im Verwaltungsverfahren ihr Anhörungsrecht verletzt worden. Insbesondere habe die Kommission in ihrer Entscheidung die FNAS-Sitzungen in Bezug auf die Klägerinnen herangezogen, während sie dies in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht getan habe, ebenso wenig, wie sie diese Sitzungen in Bezug auf die AFC herangezogen habe, denn die Kommission habe sie allein in Bezug auf die FNAS angeführt. Ferner habe sich die Kommission auf das Verhalten von Herrn R. gestützt, obwohl IBP Banninger Italia nicht Adressat der Mitteilung der Beschwerdepunkte gewesen sei und zu keiner Zeit angehört worden sei, und die Kommission habe nicht angegeben, dass die Behauptungen von Frau B. einen Verstoß gegen Art. 81 EG darstellten.

54      Nach Auffassung der Kommission ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

 Würdigung durch das Gericht

55      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich ein Verstoß gegen Art. 81 EG nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem fortgesetzten Verhalten ergeben kann. Fügen sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes in einen „Gesamtplan“ ein, so ist die Kommission berechtigt, die Verantwortung für diese Handlungen anhand der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑123, Randnr. 258).

56      Ferner kann ein Unternehmen auch dann, wenn feststeht, dass es nur an einem oder mehreren Bestandteilen eines Gesamtkartells unmittelbar mitgewirkt hat, für dieses Kartell zur Verantwortung gezogen werden, sofern es wusste oder zwangsläufig wissen musste, dass die Absprache, an der es sich beteiligte, Teil eines Gesamtplans war und dass sich dieser Gesamtplan auf sämtliche Bestandteile des Kartells erstreckte. Ebenso kann ein Unternehmen, das sich durch eigene Handlungen, die zur Mitwirkung an der Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit bestimmt waren, an einer komplexen einheitlichen Zuwiderhandlung beteiligt hat, für die ganze Zeit seiner Beteiligung an der genannten Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich sein, das andere Unternehmen im Rahmen dieser Zuwiderhandlung an den Tag legten. Dies ist dann der Fall, wenn das betreffende Unternehmen nachweislich von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Beteiligten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, Slg. 1999, I‑4125, Randnr. 203).

57      Für den Nachweis einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG muss die Kommission genaue und übereinstimmende Beweismittel beibringen, um die feste Überzeugung zu begründen, dass der behauptete Verstoß begangen wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 28. März 1984, CRAM und Rheinzink/Kommission, 29/83 und 30/83, Slg. 1984, 1679, Randnr. 20). Hat das Gericht Zweifel, muss dies dem Unternehmen zugutekommen, an das sich die Entscheidung richtet, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird. Das Gericht kann daher nicht davon ausgehen, dass die Kommission das Vorliegen der betreffenden Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn bei ihm noch Zweifel in dieser Hinsicht bestehen; dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um eine Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung zur Verhängung einer Geldbuße handelt (Urteil des Gerichts vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T‑38/02, Slg. 2005, II‑4407, Randnr. 215).

58      Außerdem muss nach ständiger Rechtsprechung nicht jeder der von der Kommission vorgelegten Beweise diesen Kriterien notwendig hinsichtlich jedes Merkmals der Zuwiderhandlung genügen; es reicht aus, dass das von der Kommission angeführte Indizienbündel bei einer Gesamtwürdigung dieser Anforderung genügt (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, Slg. 2004, II‑2501, Randnr. 180 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Im Übrigen ist es üblich, dass die Tätigkeiten, mit denen wettbewerbswidrige Verhaltensweisen und Vereinbarungen verbunden sind, insgeheim ablaufen, dass die Zusammenkünfte heimlich stattfinden und dass die Unterlagen darüber auf ein Minimum reduziert werden. Selbst wenn die Kommission Schriftstücke findet, die – wie z. B. die Protokolle einer Zusammenkunft – eine unzulässige Kontaktaufnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen, handelt es sich folglich normalerweise nur um lückenhafte und vereinzelte Belege, so dass es häufig erforderlich ist, bestimmte Einzelheiten durch Schlussfolgerungen zu rekonstruieren. In den meisten Fällen muss daher das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (Urteile Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 55 angeführt, Randnrn. 55 bis 57, und vom 25. Januar 2007, Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission, C‑403/04 P und C‑405/04 P, Slg. 2007, I‑729, Randnr. 51).

60      Auch die Dauer der Zuwiderhandlung muss von der Kommission bewiesen werden, da die Dauer ein Tatbestandsmerkmal der Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG darstellt. Insoweit gelten die vorstehend genannten Grundsätze (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 21. September 2006, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, C‑105/04 P, Slg. 2006, I‑8725, Randnrn. 94 bis 96).

61      Schließlich kann die Kommission, wenn keine offene Distanzierung erfolgt ist, nach ständiger Rechtsprechung davon ausgehen, dass die Zuwiderhandlung nicht beendet worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 19. März 2009, Archer Daniels Midland/Kommission, C‑510/06 P, Slg. 2009, I‑1843, Randnrn. 119 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Im vorliegenden Fall bestreitet IBP France nicht, dass sie vor den Nachprüfungen der Kommission im März 2001 an dem Kartell beteiligt war.

63      Ferner werden die Vorkommnisse, die die Kommission den Klägerinnen vorwirft, nämlich die Teilnahme an den FNAS-Sitzungen, die Kontakte zwischen den Klägerinnen und FRA.BO sowie die Kontakte bei der Messe in Essen, als solche von den Klägerinnen nicht bestritten. Dagegen bestreiten die Klägerinnen die Wettbewerbswidrigkeit dieser Vorkommnisse und stellen in Abrede, dass sie sich in eine für die Zeit bis März 2001 festgestellte einheitliche, komplexe und fortgesetzte Zuwiderhandlung einfügten.

64      Folglich ist zu bestimmen, ob die nach den Nachprüfungen der Kommission im März 2001 festgestellten Verhaltensweisen als wettbewerbswidrige Kontakte einzustufen sind und den Schluss zulassen, dass es sich um die Verlängerung ein- und derselben Zuwiderhandlung handelt.

65      Was erstens die Teilnahme der Klägerinnen an den FNAS-Sitzungen angeht, ergibt sich insbesondere aus den Protokollen dieser Sitzungen, dass bei den Sitzungen des Logistikausschusses der FNAS Fragen betreffend Preise, wie z. B. die Gewinnspannen und Erhöhungen der Fittingpreise, erörtert wurden.

66      Im Protokoll vom 25. Juni 2003 wird nämlich auf einen Beschluss der Wettbewerber verwiesen, wonach „zumindest erreicht werden sollte, dass die Preise stabil bleiben“. Aus dem Protokoll vom 15. Oktober 2003 geht hervor, dass Aquatis France, IBP und Comap anderen Herstellern Informationen über die Aufteilung ihres Absatzes auf bestimmte Produktkategorien und über ihre Gewinnspannen lieferten. In der Sitzung vom 3. November 2003 wurden Informationen über zukünftige Preiserhöhungen ausgetauscht. Weiter ergibt sich aus dem Protokoll vom 20. Januar 2004, dass Herr L. (Comap) nach einem Austausch von Standpunkten vorschlug, dass „die Hersteller ihre Kunden über die Möglichkeit einer Erhöhung von 6 % informieren, die mit den gestiegenen Materialkosten zusammenhängt, um die Reaktion des Marktes zu testen und gleichzeitig die Verpackungskosten zu senken. Die gestiegenen Materialkosten dürften sich auf die gesamte Palette auswirken. Der Preis pro Einheit für die neuen Verpackungen wird aus diesem Grund 5,3 % oder 5,4 % höher sein.“ Schließlich fand nach dieser Sitzung am 16. Februar 2004 eine Telefonkonferenz statt, in der jeder Hersteller zu der vorgeschlagenen Preiserhöhung Stellung nahm.

67      Auch wenn die Diskussionen mit den Lieferanten über die von diesen gewünschte Anpassung der Verpackungen wettbewerbsrechtlich irrelevant waren und ein solcher Wunsch zusätzliche Produktionskosten zur Folge hat, bleibt jedoch eine Abstimmung über den auf die Lieferanten abzuwälzenden Prozentsatz bzw. über den von den Herstellern zu tragenden Kostenanteil als solche nicht ohne Auswirkungen auf den Markt. Diese Frage muss ein Unternehmen selbständig regeln. Gleiches gilt für die Gewinnspannen und Erhöhungen der Fittingpreise.

68      Zweitens ergibt sich hinsichtlich der bilateralen Kontakte aus der von FRA.BO in ihrem Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung abgegebenen Erklärung und mehreren von ihr im Verwaltungsverfahren gelieferten Beweisdokumenten, dass nach den Nachprüfungen der Kommission weiter sensible Informationen zwischen den Wettbewerbern ausgetauscht wurden. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass der Inhalt der Telefonkontakte durch handschriftliche Notizen nachgewiesen wird, die bei Gesprächen zwischen einem Vertreter von Comap und einem Vertreter von FRA.BO angefertigt wurden (Erwägungsgründe 508 bis 510 der angefochtenen Entscheidung), sowie durch einen Vermerk betreffend eine Unterhaltung zwischen einem Vertreter von Aalberts Industries und einem Vertreter von FRA.BO (511. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Es ist jedoch festzustellen, dass für die Klägerinnen kein solches Beweismittel vorliegt. Die Telefonabrechnungen von FRA.BO zeigen zwar, dass zwischen einem Vertreter von FRA.BO und einem Vertreter der Klägerinnen Kontakte stattfanden, geben aber keinen Aufschluss über den Gegenstand dieser Gespräche. Daher ist festzustellen, dass die Kommission sich in Bezug auf die Klägerinnen nur auf die Erklärung von FRA.BO gestützt hat.

69      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Erklärungen, die im Rahmen der Kronzeugenregelung abgegeben werden, besondere Bedeutung zukommt. Diese im Namen von Unternehmen abgegebenen Erklärungen haben einen nicht unwesentlichen Beweiswert, da sie mit erheblichen rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken verbunden sind (vgl. in diesem Sinne Urteile JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 58 angeführt, Randnrn. 205 und 211, und Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission, oben in Randnr. 59 angeführt, Randnr. 103). Allerdings kann eine Erklärung, die ein der Beteiligung an einem Kartell beschuldigtes Unternehmen abgibt und deren Richtigkeit von mehreren anderen beschuldigten Unternehmen bestritten wird, nicht als hinreichender Beweis für die Begehung einer Zuwiderhandlung durch diese anderen Unternehmen angesehen werden, wenn sie nicht durch andere Beweise untermauert wird (vgl. Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 58 angeführt, Randnr. 219 und die dort angeführte Rechtsprechung). Auch wenn aus der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, dass sich diese Telefonkontakte mit Ausnahme derjenigen vom Juli 2002 nicht durch Querlieferungen erklären lassen (788. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) und dass die Kommission über Beweismittel dafür verfügt, dass FRA.BO mit anderen Wettbewerbern wettbewerbswidrige Kontakte hatte, ist mangels weiterer Indizien davon auszugehen, dass der behauptete wettbewerbswidrige Inhalt der Kontakte zwischen FRA.BO und den Klägerinnen nicht rechtlich hinreichend bewiesen ist. Im Übrigen ist in der angefochtenen Entscheidung auch nicht erwähnt, dass es zwischen den Klägerinnen und anderen Wettbewerbern wettbewerbswidrige bilaterale Kontakte gegeben habe.

70      Drittens ergibt sich hinsichtlich des Treffens zwischen Herrn H. (IBP Deutschland) und dem Vertreter von Comap bei der Messe in Essen am 18. März 2004 aus der Erklärung von Herrn H., dass dieser eine Frage betreffend Preise beantwortete und dass IBP für Ende des Monats März 2004 eine Preiserhöhung vorgesehen hatte. Da die Klägerinnen nicht bewiesen haben, dass diese Information bereits öffentlich war, und das offizielle Schreiben von IBP zu dieser Preiserhöhung erst am 30. März 2004 übermittelt wurde, ist festzustellen, dass es sich um einen Kontakt – gleich ob einmalig oder nicht – in Bezug auf die Preispolitik auf dem deutschen Markt handelte.

71      Das Vorbringen, dieser Informationsaustausch sei mangels Gegenseitigkeit nicht wettbewerbswidrig, ist unerheblich. Nach der Rechtsprechung muss ein Informationsaustausch nicht gegenseitig sein, um gegen den Grundsatz des selbständigen Marktverhaltens zu verstoßen. Insoweit geht aus der Rechtsprechung hervor, dass die Offenlegung sensibler Informationen die Ungewissheit über das zukünftige Verhalten eines Wettbewerbers beseitigt und die Strategie des Empfängers der Informationen unmittelbar oder mittelbar beeinflusst (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 23. November 2006, Asnef-Equifax und Administración del Estado, C‑238/05, Slg. 2006, I‑11125, Randnr. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      In diesem Stadium ist somit zu folgern, dass die meisten der zur Last gelegten Vorkommnisse, die nach den Nachprüfungen der Kommission im März 2001 stattfanden, nämlich die Kontakte im Rahmen der FNAS-Sitzungen und das Treffen bei der Messe in Essen, wettbewerbswidrig waren.

73      Zur Frage, ob es sich dabei um die Fortsetzung der bis März 2001 festgestellten Zuwiderhandlung handelte, ist festzustellen, dass diese Zuwiderhandlung in über mehrere Jahre regelmäßig stattfindenden bilateralen und multilateralen Kontakten zwischen konkurrierenden Herstellern mit dem Ziel der Festlegung unzulässiger Praktiken zur künstlichen Regulierung des Markts für Fittings, insbesondere auf der Ebene der Preise, bestand.

74      Diese Kontakte fanden in Sitzungen statt, die im Rahmen von Berufsverbänden abgehalten wurden, insbesondere im Rahmen der EFMA (den sogenannten „Super-EFMA“-Treffen), bei Handelsmessen, Ad-hoc-Sitzungen oder dem bilateralen Austausch von Standpunkten. Im Allgemeinen wurde die Diskussion von Preiserhöhungen häufig auf europäischer Ebene initiiert und das Ergebnis auf nationaler Ebene umgesetzt, da die Hersteller in jedem Land ein eigenes Verfahren zur Koordinierung der Preise und lokale Vereinbarungen hatten, die die auf europäischer Ebene getroffenen Vereinbarungen ergänzten.

75      Die gerügten Verhaltensweisen, die nach März 2001 stattfanden, bestanden ebenfalls in Kontakten im Rahmen von Berufsverbänden (FNAS-Sitzungen), in bilateralen Kontakten zwischen Wettbewerbern über Wettbewerbsparameter, wie z. B. Preise, Preiserhöhungen und Geschäftsbedingungen für Kunden, sowie in Kontakten bei Handelsmessen (Messe in Essen).

76      Da das Ziel der wettbewerbswidrigen Praktiken, nämlich die Abstimmung der Preise, unverändert blieb, ist der Umstand, dass sich bestimmte Merkmale oder die Intensität dieser Praktiken geändert hatten, für die Frage der Fortsetzung des in Rede stehenden Kartells unerheblich. Insoweit ist es plausibel, dass das Kartell nach den Nachprüfungen der Kommission in seiner Form weniger strukturiert und die Intensität seiner Tätigkeit unterschiedlicher war. Daraus, dass sich ein Kartell etwa in Zeiten unterschiedlicher Tätigkeitsintensität befindet, kann jedoch noch nicht geschlossen werden, dass es dieses Kartell nicht mehr gibt.

77      Insoweit ist festzustellen, dass, auch wenn nach den Nachprüfungen vom März 2001 die Zahl der Kartellteilnehmer von neun auf vier zurückging, diejenigen, die vorher die Hauptteilnehmer des Kartells waren (nämlich Comap, IBP und die früheren Tochtergesellschaften von IMI), nachher – wie aus der angefochtenen Entscheidung hervorgeht – immer noch an den zur Last gelegten Verhaltensweisen beteiligt waren. Ebenso waren einige der Personen, die bereits vor März 2001 an dem Kartell mitgewirkt hatten, auch nach diesem Zeitpunkt an den zur Last gelegten Verhaltensweisen beteiligt.

78      Was die räumliche Reichweite der Zuwiderhandlung angeht, bezogen sich die FNAS-Sitzungen zwar allein auf den französischen Markt, doch waren von den wettbewerbswidrigen Kontakten zwischen Wettbewerbern nach März 2001 offensichtlich auch andere nationale Märkte, wie z. B. der deutsche, der griechische und der italienische, betroffen. Selbst wenn die Klägerinnen an dem Kartell nur in Bezug auf den deutschen und den französischen Markt beteiligt gewesen wären, hätten sie wissen müssen, dass das Kartell eine größere Ausdehnung hatte und durch ihre Wettbewerber auch andere nationale Märkte betroffen waren.

79      Da das Verhalten jedes Teilnehmers, auch das der Klägerinnen, dem gleichen wettbewerbswidrigen Zweck diente, nämlich den Wettbewerb auf dem Fittingmarkt durch die Koordinierung der Preise und Preiserhöhungen und den Austausch sensibler Informationen einzuschränken, war die Kommission zu der Annahme berechtigt, dass es sich um die Fortsetzung einer früheren Zuwiderhandlung handelte.

80      Schließlich wird diese Feststellung nicht durch das weitere Vorbringen der Klägerinnen im Rahmen dieses Klagegrundes in Frage gestellt, nämlich dass die Sitzungsprotokolle nicht bestätigt worden seien, dass die angefochtene Entscheidung nicht an die FNAS selbst gerichtet sei, oder dass das Programm zur Verhinderung wettbewerbswidriger Praktiken anwendbar gewesen sei.

81      Erstens ist das Vorbringen, die Protokolle der FNAS-Sitzungen seien nicht bestätigt worden, unerheblich. Es steht nämlich fest, dass die Klägerinnen an diesen Sitzungen teilgenommen haben. Da die genannten Protokolle an sie verteilt wurden, hatten sie die Möglichkeit, sie schriftlich oder in der folgenden Sitzung zu berichtigen oder mitzuteilen, mit welchen Punkten sie nicht einverstanden waren.

82      Zweitens ist auch das Vorbringen, dass die angefochtene Entscheidung nicht an die FNAS selbst gerichtet sei, unerheblich. Insoweit ging die Kommission, wie aus dem 606. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, davon aus, dass „[o]bgleich Beweise dafür vorliegen, dass die Hersteller eine Vereinbarung erzielten und diese [AFC] zufolge auch umsetzten, … nichts darauf hin[deutet], dass [die] FNAS die [ihr] von den Herstellern anvertraute Aufgabe aktiv annahm und/oder die Umsetzung der Vereinbarung tatsächlich erleichterte“. Die Kommission konnte daher im 607. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zu Recht befinden, dass die FNAS nicht an der fraglichen Vereinbarung beteiligt und die angefochtene Entscheidung daher nicht an sie zu richten war.

83      Drittens ist zu dem Vorbringen, dass das Programm zur Verhinderung wettbewerbswidriger Praktiken anwendbar gewesen sei, festzustellen, dass die Teilnahme der Klägerinnen an den wettbewerbswidrigen Sitzungen nicht durch den Umstand, dass sie ein „Compliance Programme“ eingeführt hatten, in Frage gestellt wird. Zudem wird in keinem Dokument belegt, dass sie sich von dem Kartell offen distanziert hätten.

84      Schließlich ist viertens zu dem Vorbringen, den Klägerinnen sei in der Mitteilung der Beschwerdepunkte in Bezug auf die FNAS-Sitzungen keine Zuwiderhandlung vorgeworfen worden, so dass ihr Anhörungsrecht verletzt worden sei, festzustellen, dass die Klägerinnen die Protokolle der FNAS-Sitzungen mit ihrem Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung selbst vorgelegt haben und dass die Kommission später in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ihre Auffassung kundtat, dass die wettbewerbswidrigen Kontakte, einschließlich derjenigen in den FNAS-Sitzungen, zu der einzigen und fortdauernden Zuwiderhandlung gehörten.

85      Nach alledem ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: fehlerhafte Berechnung der Geldbuße

 Vorbringen der Parteien

86      Die Klägerinnen tragen zunächst vor, die gegen IBP France festgesetzte Geldbuße übersteige 10 % ihres Umsatzes, der 2005 lediglich 4 896 000 Euro betragen habe. Folglich hätte die Obergrenze für die gegen IBP France festgesetzte Geldbuße bei 489 600 Euro angesetzt werden müssen.

87      Außerdem sei IBP France die Geldbuße von 5,63 Millionen Euro zweimal für dasselbe Verhalten auferlegt worden: ein erstes Mal für die Zeit, in der sie zu Delta gehört habe, und ein zweites Mal für die Zeit, in der sie zu AFC gehört habe.

88      Was die Anwendung der Leitlinien von 1998 angeht, erheben die Klägerinnen mehrere Einwände gegen den Ansatz der Kommission. Erstens hätte die Zuwiderhandlung als „minder schwer“ und nicht als „besonders schwer“ eingestuft werden müssen. Sie stützen ihren Standpunkt auf die Änderung der Politik von Oystertec, darauf, dass sie sich von dem Kartell distanziert hätten, sowie auf den Umstand, dass die Kommission sie zu keiner Zeit einer Teilnahme an einem „besonders schweren“ Verstoß beschuldigt habe.

89      Zweitens sei ihnen gegenüber nur eine Zuwiderhandlungsdauer von sieben Monaten nachgewiesen, während nach der Berechnung der Kommission ihre Teilnahme zwei Jahre und vier Monate gedauert habe. Zudem seien sie Opfer einer Ungleichbehandlung gegenüber Aalberts Industries, die einer Teilnahme an einer Zuwiderhandlung von 2001 bis Juni 2003 schuldig gesprochen worden sei, obwohl die Kommission gegen diese über keine anderen Beweise als die gegen die Klägerinnen verfügt habe.

90      Drittens habe die Kommission, indem sie die Geldbußen entsprechend den Marktanteilen der betreffenden Unternehmen angepasst habe, nicht berücksichtigt, dass AFC ein „Wirtschaftsteilnehmer von geringer Bedeutung“ sei. Die Klägerinnen beanstanden ferner die Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße um 60 % wegen Nichtbeendigung der Zuwiderhandlung nach den Nachprüfungen der Kommission und machen geltend, dass ihre Übernahme durch AFC erst am 23. November 2001, d. h. acht Monate nach diesen Nachprüfungen, erfolgt sei.

91      Viertens habe die Kommission mit der Erhöhung um 50 % wegen Übermittlung irreführender Angaben durch AFC gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Denn Herrn R. sei zwar ein Fehler unterlaufen, doch habe die Kommission nicht nachweisen können, dass er versucht habe, sie zu täuschen. Zudem könne die Kommission nach der Verordnung Nr. 1/2003 gegen ein Unternehmen, das auf ein Auskunftsverlangen unrichtige oder irreführende Angaben gemacht habe, nur eine Geldbuße von bis zu 1 % des Umsatzes festsetzen.

92      Weiter bestreiten die Klägerinnen die Glaubwürdigkeit der Erklärungen von FRA.BO. Die von dieser gelieferten Beweise würden nicht durch andere Beweismittel bestätigt, und FRA.BO habe ein Interesse daran, die Schuld auf ihre Wettbewerber zu schieben, um zu erreichen, dass gegen sie eine niedrigere Geldbuße festgesetzt werde.

93      Fünftens werfen die Klägerinnen der Kommission vor, in der angefochtenen Entscheidung nur auf das „betreffende Produkt“ abgestellt zu haben, ohne die wirkliche Größe des Produktmarkts zu kennen, der auch Produkte wie z. B. Kunststofffittings umfasse.

94      Sechstens tragen die Klägerinnen vor, sie hätten, wenn sie einer als „besonders schwer“ eingestuften Zuwiderhandlung beschuldigt worden wären, mehrere Argumente zu den finanziellen Schwierigkeiten von AFC vorgetragen. Ferner habe die Kommission ihre Rechte verletzt, indem sie nicht ermittelt habe, ob die Tochtergesellschaften von AFC die finanziellen Kapazitäten hätten, um die festgesetzte Geldbuße zu zahlen.

95      Schließlich habe die Kommission die Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996 nicht ordnungsgemäß angewandt. Insbesondere hätten die Klägerinnen berechtigterweise darauf vertraut, dass ihnen eine Herabsetzung zugesprochen werde, weil die Kommission ihren Kronzeugenantrag entgegengenommen habe. Folglich hätte die Kommission, wenn sie hinsichtlich ihres Kronzeugenantrags Vorbehalte gehabt hätte, diese äußern müssen.

96      Anders als von der Kommission behauptet, habe die Zusammenarbeit der Klägerinnen durch die gelieferten Beweise betreffend die FNAS-Sitzungen und das Treffen bei der Messe in Essen einen zusätzlichen Nutzen erbracht. Zudem hätten die Klägerinnen Informationen geliefert, die jene in dem Kronzeugenantrag von FRA.BO bestätigten.

97      Überdies habe die Kommission dem – angeblich zu späten – Zeitpunkt der Einreichung des Kronzeugenantrags der Klägerinnen zu hohe Bedeutung beigelegt. Sie hätten, nachdem sie die etwaigen wettbewerbswidrigen Tätigkeiten entdeckt hätten, sofort Maßnahmen ergriffen, um den Kronzeugenantrag zu stellen.

98      Hinsichtlich eines etwaigen Bestreitens des Sachverhalts gehe aus ihrem Kronzeugenantrag eindeutig hervor, dass sie den Sachverhalt in Bezug auf die FNAS und die Sitzung bei der Messe in Essen nicht bestritten. Sie wiesen lediglich dessen Auslegung durch die Kommission zurück, mit der diese das Vorliegen einer einzigen und fortdauernden Zuwiderhandlung untermauere. Zu den Telefonanrufen tragen die Klägerinnen vor, sie könnten nichts eingestehen, da diese Behauptungen nicht belegt seien.

99      Die Klägerinnen leiten daraus ab, dass ihnen nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996 eine zumindest ebenso hohe Reduzierung der Geldbuße wie Delta hätte gewährt werden müssen, nämlich um 20 %, wenn nicht gar annähernd 50 %, um ihrem Beweisbeitrag Rechnung zu tragen.

100    Die Kommission beantragt die Zurückweisung dieses Klagegrundes.

 Würdigung durch das Gericht

101    Zur Rüge einer Überschreitung der in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes ist darauf hinzuweisen, dass, wenn der Adressat einer Entscheidung, in der ihm von der Kommission eine Geldbuße auferlegt wird, an der Spitze eines Konzerns steht, der eine wirtschaftliche Einheit bildet, für die Anwendung dieser Obergrenze der Umsatz des gesamten Konzerns zu berücksichtigen ist. Beim Erlass der angefochtenen Entscheidung war IBP France ein hundertprozentiges Tochterunternehmen von IBP, und die beiden Gesellschaften bildeten eine wirtschaftliche Einheit. Die Kommission hat daher die genannte Obergrenze zu Recht anhand des Gesamtumsatzes von IBP berechnet.

102    Die Rüge, IBP France sei die Geldbuße von 5,63 Millionen Euro zweimal für dasselbe Verhalten auferlegt worden, ein erstes Mal für die Zeit, in der sie zu Delta gehört habe, und ein zweites Mal für die Zeit, in der sie zu AFC gehört habe, ist zurückzuweisen. Die einzige gegen IBP France – nach Anwendung der Obergrenze von 10 % auf der Grundlage des Umsatzes von IBP – festgesetzte Geldbuße wurde nämlich entsprechend ihrer gesamtschuldnerischen Verantwortung in zwei Teile aufgeteilt: der erste mit der alten und der zweite mit der derzeitigen Muttergesellschaft.

103    Zur Rüge einer fehlerhaften Anwendung der Leitlinien von 1998 ist, was erstens die Schwere der Zuwiderhandlung angeht, zunächst zu beachten, dass das Vorbringen der Klägerinnen, die Vorkommnisse nach 2001 hätten mit einer früheren Zuwiderhandlung nichts zu tun, bereits zurückgewiesen worden ist. Das Vorbringen, die Vorkommnisse nach 2001 könnten nicht als besonders schwere Zuwiderhandlung eingestuft werden, ist daher unerheblich. Horizontale Vereinbarungen über Preise sind nämlich von vornherein besonders schwere Zuwiderhandlungen. Sodann ist dem Begriff „einheitliche, komplexe und fortgesetzte Zuwiderhandlung“ immanent, dass die Einstufung der Zuwiderhandlung als „besonders schwer“ für alle ihre Bestandteile und für ihre gesamte Dauer gilt. Dass die Zuwiderhandlung im Lauf der Zeit unterschiedlich intensiv war, ändert an dieser Feststellung nichts. Ferner gilt die Einstufung einer Zuwiderhandlung als besonders schwer gegenüber allen Teilnehmern. Bei der Würdigung erschwerender und mildernder Umstände kann der Grad der individuellen Beteiligung der einzelnen Unternehmen berücksichtigt werden. Schließlich enthielt bereits die Mitteilung der Beschwerdepunkte den Hinweis, dass die Kommission die Zuwiderhandlung als besonders schwerwiegend ansah. Die Klägerinnen können daher nicht mit Erfolg geltend machen, dass sich diese Einstufung nur auf IBP France bezogen habe.

104    Zweitens kann auch das Vorbringen, die Klägerinnen seien hinsichtlich der Dauer ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung gegenüber Aalberts Industries ungleich behandelt worden, keinen Erfolg haben. Die Kommission befand nämlich nach einer umfassenden Würdigung der Beweismittel, dass sie nicht über ausreichende Beweise verfüge, um die Beteiligung von Aalberts Industries für die Zeit unmittelbar nach den Nachprüfungen festzustellen. Zudem stellte IMI, die Vorgängerin von Aalberts Industries, ihre Beteiligung gleich nach den Nachprüfungen ein. Dies war jedoch bei Delta und den Klägerinnen nicht der Fall, die sich nicht offen von dem streitigen Kartell distanzierten. Überdies muss, selbst wenn die Kommission im Rahmen ihrer Würdigung der Beweismittel gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen haben sollte, die Beachtung dieses Grundsatzes mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns, wonach sich niemand zu seinem Vorteil auf einen zugunsten eines anderen begangenen Rechtsverstoß berufen kann, in Einklang gebracht werden.

105    Drittens ist zu dem Vorbringen betreffend die Erhöhung der Geldbuße um 60 % wegen Fortsetzung der Zuwiderhandlung durch die Klägerinnen nach den Nachprüfungen der Kommission darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen lediglich geltend machen, eine solche Erhöhung sei „irrational“, da die Übernahme durch AFC erst am 23. November 2001 erfolgt sei und sich ihre neue Geschäftsleitung sofort durch Einführung von Konformitätsverfahren von dem Kartell distanziert habe. Somit ist zunächst festzustellen, dass die Klägerinnen der Kommission nicht das Recht absprechen, es als erschwerenden Umstand zu berücksichtigen, dass ein Unternehmen eine Zuwiderhandlung nach Beginn der insoweit eingeleiteten Untersuchung fortgesetzt hat. Sodann ist hervorzuheben, dass sich die Klägerinnen, wie oben bereits festgestellt, an dem Kartell nach März 2001 trotz der Einführung eines Programms zur Beachtung des Gemeinschaftsrechts weiter beteiligten. Das Vorbringen der Klägerinnen kann daher keinen Erfolg haben.

106    Viertens ergibt sich hinsichtlich der Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße um 50 % wegen Übermittlung irreführender Angaben durch AFC aus dem 789. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, dass die Kommission der Auffassung war, sie sei durch die übermittelten Angaben irregeführt worden, was als erschwerender Umstand zu werten sei.

107    Insoweit ist daran zu erinnern, dass die genannten Angaben in einer der Antwort von AFC auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte beigefügten Erklärung bestanden, in der Herr R. (IBP Banninger Italia) aussagt, er habe in der fraglichen Zeit keine Kontakte mit FRA.BO gehabt. Auf Vorhalt verschiedener Telefonrechnungen von FRA.BO nuancierte Herr R. seine Antwort und sagte zum einen aus, dass er sich nicht an diese Kontakte erinnere, und zum anderen, dass diese Kontakte wettbewerbsrechtlich völlig irrelevant seien.

108    Gleich, ob nach Abs. 1 oder nach Abs. 2 von Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003, kann die Geldbuße festgesetzt werden, wenn der zu ahndende Akt „vorsätzlich oder fahrlässig“ begangen wurde. Zudem kann die jeweilige Schwere des Beitrags der einzelnen betroffenen Unternehmen zu dem Verstoß anhand erschwerender Umstände berücksichtigt werden, wobei die Erhöhung der Geldbuße wegen eines erschwerenden Umstands in angemessenem Verhältnis zur Schwere des vorgeworfenen Verhaltens stehen muss.

109    Im Übrigen wird dadurch, dass die Kommission nach der Verordnung Nr. 1/2003 die Nichterteilung von Angaben bzw. die Erteilung unrichtiger oder irreführender Angaben auf ein Auskunftsverlangen als selbständige Zuwiderhandlung mit einer Geldbuße von bis zu einem Höchstbetrag von 1 % des Umsatzes ahnden kann, nicht die Möglichkeit in Frage gestellt, dieses Verhalten als erschwerenden Umstand zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 29. Juni 2006, SGL Carbon/Kommission, C‑308/04 P, Slg. 2006, I‑5977, Randnr. 64). Es ist jedoch klarzustellen, dass mit der Entscheidung für eine dieser beiden Möglichkeiten die andere Möglichkeit für ein- und dasselbe Verhalten ausgeschlossen ist.

110    Überdies ist dem Vortrag der Klägerinnen, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei verletzt worden, weil bei Abs. 1 und Abs. 2 von Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 unterschiedliche Obergrenzen gälten, nicht zu folgen. Die beiden Bestimmungen betreffen nämlich unterschiedliche Zuwiderhandlungen.

111    Jedenfalls ist Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da es sich nicht um einen Antrag oder eine Frage nach Art. 18 bzw. Art. 20 dieser Verordnung handelt, sondern um eine im Rahmen der Ausübung der Verteidigungsrechte gegebene Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte. Es steht den Unternehmen zwar frei, ein nach Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 gestelltes Auskunftsverlangen zu beantworten oder nicht, doch ergibt sich aus Art. 23 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung, dass Unternehmen, die sich zur Beantwortung bereit erklärt haben, zutreffende Auskünfte geben müssen. Insoweit ist angesichts der Systematik der Verordnung Nr. 1/2003 davon auszugehen, dass die Verpflichtung zur Erteilung zutreffender Auskünfte auch für eine Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte gilt. Es besteht zwar keine Verpflichtung, eine Mitteilung der Beschwerdepunkte zu beantworten. Zudem schließt die Ausübung der Verteidigungsrechte auch das Recht ein, den Beweiswert der Unterlagen, auf die sich die Kommission stützt, zu bestreiten. Wenn jedoch ein Unternehmen Angaben macht, wie z. B. eine Aussage, um nachzuweisen, dass die von der Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angeführten Beweismittel falsch sind, müssen diese Angaben zutreffen.

112    Im vorliegenden Fall besteht der von der Kommission berücksichtigte erschwerende Umstand darin, dass irreführende Angaben gemacht worden seien. Die Kommission wirft AFC nämlich vor, sie habe zum einen verneint, dass es Telefonanrufe gegeben habe, und zum anderen, dass diese Anrufe nach ihrer Ansicht wettbewerbswidrig gewesen seien. Wie jedoch die Kommission in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat, hätten die fraglichen Telefonanrufe ohne dieses letztgenannte Merkmal in der vorliegenden Rechtssache keine Bedeutung haben und damit keinen erschwerenden Umstand darstellen können.

113    Was das erstgenannte Merkmal angeht, verneinte Herr R. in seiner ersten Erklärung vom 29. November 2005, wie oben in Randnr. 107 bereits ausgeführt, das Bestehen dieser Kontakte. Er erklärte insoweit, er wisse, „dass [Frau B.] behauptet, sie habe in der Zeit von 2001 bis 2005, wahrscheinlich nur von 2002 bis April 2004, mit mir in telefonischem Kontakt gestanden. Das ist falsch.“ In seiner auf Vorhalt der Telefonabrechnungen geänderten Aussage vom 17. März 2006 gab er an, sich an diese Anrufe nicht zu erinnern. Er habe nach diesen Anrufen in den Verzeichnissen seines Mobiltelefons für die Zeit ab September 2002 bis Dezember 2003 gesucht; diese hätten bestätigt, dass er die Telefonnummern von Frau B. nicht angerufen habe.

114    Hierzu ist festzustellen, dass es in der Verantwortung der Klägerinnen lag, die Plausibilität einer Erklärung zu überprüfen, bevor sie sie ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte hinzufügten, oder zumindest die fraglichen Telefonverzeichnisse zu überprüfen, wie dies im Übrigen für die geänderte Erklärung von Herrn R. geschah. In diesem Sinne könnte Fahrlässigkeit vorliegen. Dass die Klägerinnen später interne Maßnahmen trafen, ändert daran nichts.

115    Dagegen wird hinsichtlich des zweiten Merkmals die Erklärung von FRA.BO, dass mit Herrn R. (IBP Banninger Italia) regelmäßige Telefonkontakte zu einem wettbewerbswidrigen Zweck stattgefunden hätten, durch kein Beweismittel bestätigt (vgl. auch oben, Randnr. 69). Aus der Antwort von FRA.BO auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte geht nämlich hervor, dass sich Frau P. und Frau B. ihren Angaben zufolge nicht an den Inhalt jedes einzelnen Telefonanrufs erinnerten. Sie hätten lediglich angegeben, dass sie sich erinnerten, dass es im Allgemeinen viele Telefonkontakte gegeben habe, auch betreffend Erörterungen mit Wettbewerbern über Preise und die den Kunden eingeräumten Bedingungen. Frau B. hat in ihrer Erklärung lediglich angegeben, sie erinnere sich, mit Herrn R. Kontakte gehabt zu haben.

116    Folglich ist zwar nachgewiesen worden, dass die genannten Telefonkontakte stattgefunden haben, nicht aber, dass es sich um wettbewerbswidrige Kontakte handelte. Die Kommission hat somit in den fraglichen Angaben zu Unrecht einen erschwerenden Umstand gesehen.

117    Aus alledem ergibt sich, dass die Kommission, unabhängig von der Frage, ob der Erhöhungssatz unter den Umständen des vorliegenden Falles verhältnismäßig war, den Grundbetrag der Geldbuße zu Unrecht um 50 % erhöht hat. Auf die Höhe der Geldbuße hat dies jedoch angesichts der Anwendung der Obergrenze von 10 % nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 keinen Einfluss.

118    Fünftens ist zu dem Vorbringen, die Kommission habe den fraglichen Markt nicht definiert und nur auf das „betreffende Produkt“ abgestellt, darauf hinzuweisen, dass der Markt, auf den sich eine Entscheidung der Kommission bezieht, mit der ein Verstoß gegen Art. 81 EG festgestellt wird, durch die Kartellvereinbarungen und ‑aktivitäten bestimmt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑71/03, T‑74/03, T‑87/03 und T‑91/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 90). Dem 634. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zufolge haben die Untersuchungen der Kommission ergeben, dass die wettbewerbswidrigen Gespräche zu verschiedenen Zeitpunkten des Zeitraums, in dem das Kartell durchgeführt wurde, sämtliche Fittingarten und ‑größen, einschließlich Pressfittings zum Gegenstand hatten. Im Übrigen lässt sich, unterstellt man, wie von den Klägerinnen geltend gemacht, dass Kunststofffittings zum Fittingmarkt gehören, den Akten nicht entnehmen, dass sie Gegenstand wettbewerbswidriger Maßnahmen gewesen wären.

119    Sechstens kann dem Vorbringen der Klägerinnen zu den finanziellen Schwierigkeiten von AFC und ihrem Vorwurf, die Kommission habe ihre Kapazitäten, die Geldbuße zu zahlen, nicht berücksichtigt, nicht gefolgt werden.

120    Zum einen ist die Kommission nicht verpflichtet, bei der Bemessung der Geldbuße die schlechte Finanzlage eines Unternehmens zu berücksichtigen, da die Anerkennung einer solchen Verpflichtung darauf hinauslaufen würde, den am wenigsten den Marktbedingungen angepassten Unternehmen einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu verschaffen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 8. November 1983, IAZ International Belgium u. a./Kommission, 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, Slg. 1983, 3369, Randnrn. 54 und 55, und Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 31 angeführt, Randnr. 327).

121    Zum anderen wird diese Rechtsprechung nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Zahlungsfähigkeit in Nr. 5 Buchst. b der Leitlinien von 1998 besonders erwähnt wird. Diese ist nämlich nur im „gegebenen sozialen Umfeld“ relevant, d. h. im Licht der Folgen, die die Zahlung der Geldbuße u. a. in Form einer Zunahme der Arbeitslosigkeit oder einer Beeinträchtigung der dem betreffenden Unternehmen vor- und nachgelagerten Wirtschaftssektoren haben könnte (Urteil SGL Carbon/Kommission, oben in Randnr. 109 angeführt, Randnr. 106).

122    Die Klägerinnen haben keinen Anhaltspunkt für die Existenz eines solchen Umfelds vorgetragen. Überdies haben sie im Verwaltungsverfahren als Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte, in der die Zuwiderhandlung eingestuft wurde, bei der Kommission nicht beantragt, ihre Unfähigkeit zur Zahlung der Geldbuße zu berücksichtigen.

123    Schließlich ist auch das Vorbringen zurückzuweisen, die Kommission habe die Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996 nicht ordnungsgemäß angewandt, indem sie den Klägerinnen eine Herabsetzung der Geldbuße nach den Bestimmungen des Abschnitts D Abs. 2, erster und zweiter Gedankenstrich, dieser Mitteilung verweigert habe. Insoweit ist nach der Rechtsprechung eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund einer Zusammenarbeit während des Verwaltungsverfahrens nur dann gerechtfertigt, wenn das Verhalten des fraglichen Unternehmens es der Kommission ermöglicht hat, das Vorliegen einer Zuwiderhandlung leichter festzustellen und diese gegebenenfalls zu beenden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, SCA Holding/Kommission, C‑297/98 P, Slg. 2000, I‑10101, Randnr. 36). Weiter kann nach der Rechtsprechung eine Herabsetzung auf der Grundlage der Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996 nur dann gerechtfertigt sein, wenn die gelieferten Informationen und allgemeiner das Verhalten des betreffenden Unternehmens insoweit als Zeichen einer echten Zusammenarbeit des Unternehmens angesehen werden können (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 31 angeführt, Randnrn. 388 bis 403, insbesondere Randnr. 395). Aus den Akten geht jedoch hervor, dass die Zusammenarbeit der Klägerinnen sehr begrenzt war.

124    Insoweit ist zunächst festzustellen, dass AFC einen Kronzeugenantrag im Namen des Konzerns in einem sehr fortgeschrittenen Verfahrensstadium nach dem Kronzeugenantrag von FRA.BO, die bereits unmittelbare Beweise für die Zuwiderhandlung geliefert hatte, gestellt hatte. Zwar halfen die von AFC gemachten Angaben der Kommission, das Vorliegen der Zuwiderhandlung für den Zeitraum Juni 2003 bis April 2004 nachzuweisen, weil sie die Angaben von FRA.BO bestätigten. Doch räumte AFC für die Zeit nach den Nachprüfungen der Kommission nur eine begrenzte Anzahl von Tatsachen ein und bestritt, dass IBP in dieser Zeit an der Zuwiderhandlung beteiligt war.

125    Sodann stellten die Klägerinnen, auch wenn die Information über die Sitzung bei der Messe in Essen von AFC stammte, dieses Vorkommnis als von sehr geringer Bedeutung dar. Gleiches gilt für die im Rahmen der FNAS abgehaltenen Sitzungen.

126    Schließlich können die Klägerinnen in diesem Zusammenhang keinen Vertrauensschutz hinsichtlich des Ergebnisses ihres Kronzeugenantrags geltend machen. Nach Abschnitt E Abs. 2 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996 wird die Entscheidung darüber, ob die in den Abschnitten B, C oder D dieser Mitteilung genannten Voraussetzungen erfüllt sind, zusammen mit der endgültigen Entscheidung der Kommission in dem jeweiligen Kartellfall getroffen.

127    Nach alledem ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen, und die Klage ist somit insgesamt abzuweisen, ohne dass dem Antrag der Klägerinnen auf Erlass prozessleitender Maßnahmen bzw. Beweisaufnahme stattzugeben wäre.

 Kosten

128    Nach Art. 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt oder wenn ein außergewöhnlicher Grund gegeben ist. Unter den Umständen des vorliegenden Falles (siehe oben, Randnr. 117) ist zu beschließen, dass den Klägerinnen ihre eigenen Kosten sowie 80 % der Kosten der Kommission und der Kommission 20 % ihrer eigenen Kosten aufzuerlegen sind.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die IBP Ltd und die International Building Products France SA tragen ihre eigenen Kosten und 80 % der Kosten der Europäischen Kommission. Ferner tragen sie ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission hinsichtlich des Verfahrens der einstweiligen Anordnung.

3.      Die Kommission trägt 20 % ihrer eigenen Kosten.

Martins Ribeiro

Wahl

Dittrich

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 24. März 2011.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.