Language of document : ECLI:EU:T:2013:299

Rechtssache T‑279/11

T&L Sugars Ltd

und

Sidul Açúcares, Unipessoal Lda

gegen

Europäische Kommission

„Landwirtschaft – Sondermaßnahmen für das Inverkehrbringen von Nichtquotenzucker auf dem Markt der Europäischen Union und zur Eröffnung eines Zollkontingents – Nichtigkeitsklage – Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht – Fehlende individuelle Betroffenheit – Unzulässigkeit – Schadensersatzklage“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Fünfte Kammer) vom 6. Juni 2013

1.      Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Begriff Rechtsakt mit Verordnungscharakter im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV – Rechtsakte von allgemeiner Geltung mit Ausnahme von Gesetzgebungsakten – Verordnungen der Kommission mit Sondermaßnahmen für das Inverkehrbringen von Nichtquotenzucker auf dem Markt der Union und zur Eröffnung eines Zollkontingents – Einbeziehung

(Art. 263 Abs. 4 AEUV; Verordnungen der Kommission Nrn. 222/2011, 293/2011 und 302/2011)

2.      Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV – Begriff – Entscheidung der Kommission, die eine sektorielle Beihilferegelung verbietet und nationale Durchführungsmaßnahmen erwähnt – Ausschluss

(Art. 263 Abs. 4 AEUV; Verordnungen der Kommission Nrn. 222/2011, 293/2011 und 302/2011)

3.      Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV – Umsetzung des Rechts auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz

(Art. 263 Abs. 4 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47)

4.      Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV – Grundsatz eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes – Verpflichtung des Unionsrichters, die Anwendung der Voraussetzung bezüglich des Fehlens von Durchführungsmaßnahmen vom Bestehen eines wirksamen Rechtsbehelfs in den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten abhängig zu machen – Fehlen

(Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 263 Abs. 4 AEUV)

5.      Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Möglichkeit, von einem Rechtsakt mit allgemeiner Geltung individuell betroffen zu sein – Voraussetzungen

(Art. 263 AEUV)

6.      Einrede der Rechtswidrigkeit – Inzidentcharakter – Unzulässige Klage – Unzulässigkeit der Einrede

(Art. 277 AEUV)

7.      Schadensersatzklage – Selbständigkeit gegenüber der Nichtigkeitsklage – Grenzen – Verfahrensmissbrauch

(Art. 263 AEUV, 268 AEUV und 340 Abs. 2 AEUV)

8.      Schadensersatzklage – Selbständigkeit gegenüber der Nichtigkeitsklage – Unzulässigkeit der Nichtigkeitsklage gegen eine Verordnung – Fehlende Auswirkung auf die Zulässigkeit einer Klage, die auf eine andere Rechtswidrigkeit gestützt und auf Ersatz des durch den Erlass derselben Verordnung verursachten Schaden gerichtet ist

(Art. 263 AEUV, 268 AEUV und 340 Abs. 2 AEUV)

1.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnr. 36)

2.      Wenn die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer zunächst einen Antrag bei den nationalen Behörden einreichen müssen, um das Recht zu erhalten, Zucker im Rahmen der von bestimmten Verordnungen vorgesehenen Sonderregelungen in den Verkehr zu bringen oder zu importieren, wenn diese Verordnungen ihre Rechtswirkungen gegenüber den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern nur über die von den Mitgliedstaaten zuvor getroffenen Maßnahmen entfalten können und diese Maßnahmen ihrer Natur nach Entscheidungen sind, dann setzen diese Verordnungen individuelle Entscheidungen, die auf nationaler Ebene getroffen werden, voraus, ohne die sie die Rechtsstellung der betroffenen natürlichen und juristischen Personen nicht berühren können. Folglich können diese Verordnungen nicht als Rechtsakte qualifiziert werden, die keine Durchführungsmaßnahmen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV nach sich ziehen. Außerdem ist die Frage, ob der angefochtene Rechtsakt mit Verordnungscharakter den mit den Durchführungsmaßnahmen betrauten Behörden einen Ermessensspielraum lässt, nicht relevant, um zu bestimmen, ob er Durchführungsmaßnahmen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV nach sich zieht oder nicht.

(vgl. Randnrn. 46, 48, 50, 51, 53)

3.      Mit dem von Art. 263 Abs. 4 AEUV verfolgten Ziel soll einer natürlichen oder juristischen Person ermöglicht werden, gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage zu erheben und dadurch Fälle zu vermeiden, in denen eine solche Person das Recht verletzen müsste, um Zugang zu den Gerichten zu erhalten. Diese Bestimmung setzt so das von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierte Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz um.

(vgl. Randnrn. 58, 59)

4.      Obwohl die Mitgliedstaaten nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV die erforderlichen Rechtsbehelfe schaffen müssen, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist, kann die Anwendung der in Art. 263 Abs. 4 AEUV enthaltenen Bedingung durch das Gericht, die das Fehlen von Durchführungsmaßnahmen betrifft, nicht davon abhängig gemacht werden, dass in den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten ein wirksamer Rechtsbehelf besteht, mit dem die Gültigkeit des Unionsrechtsakts in Frage gestellt werden kann. Eine solche Regelung würde es nämlich in jedem Einzelfall erforderlich machen, dass der Unionsrichter das nationale Verfahrensrecht prüft und auslegt, was seine Zuständigkeit im Rahmen der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Unionshandlungen überschreiten würde. Diese Schlussfolgerung kann nicht durch die Tatsache in Frage gestellt werden, dass ein Rechtsbehelf auf nationaler Ebene offensichtlich nicht wirksam ist, da die Gerichte der Mitgliedstaaten nicht dafür zuständig seien, den Unionsrechtsakt für ungültig zu erklären. Die Unionsgerichte können nämlich die Voraussetzungen, unter denen ein Einzelner Klage gegen eine Verordnung erheben kann, nicht so auslegen, dass es zu einer Abweichung von diesen Voraussetzungen, die im Vertrag ausdrücklich vorgesehen sind, kommt, ohne damit ihre Befugnisse zu überschreiten; dies gilt auch im Licht des Grundsatzes eines wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes.

(vgl. Randnrn. 68-72)

5.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnrn. 76, 82-84)

6.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnrn. 96, 97)

7.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnrn. 103, 104)

8.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnr. 112)