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Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PRIIT PIKAMÄE

vom 13. Juni 2024(1)

Rechtssache C379/23

Guldbrev AB

gegen

Konsumentombudsmannen

(Vorabentscheidungsersuchen des Svea hovrätt, Patent- och marknadsöverdomstolen [Berufungsgericht für Svealand als Patent- und Marktobergericht, Stockholm, Schweden])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – Unlautere Geschäftspraktiken – Richtlinie 2005/29/EG – Art. 2 Buchst. c, d und i sowie Art. 3 Abs. 1 – Kopplungsangebot, das in der Wertermittlung und dem Ankauf von Gold besteht – Begriffe ‚Produkt‘ und ‚unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern‘“






1.        Ist die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern(2) auf eine Situation anwendbar, in der ein Gewerbetreibender ein Produkt (im vorliegenden Fall Gold) von einem Verbraucher kauft, wobei dieser Kauf zuvor eine Dienstleistung zur Wertermittlung dieses Produkts erfordert, die vom Gewerbetreibenden selbst erbracht wird, der auf diese Weise den Kaufpreis festlegt?

2.        Dies ist im Wesentlichen die Frage, mit der sich der Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache befassen muss, die ein Vorabentscheidungsersuchen des Svea hovrätt, Patent- och marknadsöverdomstolen (Berufungsgericht für Svealand als Patent- und Marktobergericht, Stockholm, Schweden) zur Auslegung von Art. 2 Buchst. c, d und i sowie Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29 zum Gegenstand hat.

3.        Dieses Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Guldbrev AB, einer Aktiengesellschaft nach schwedischem Recht, und dem Konsumentombudsman (Verbraucherbeauftragter, Schweden, im Folgenden: KO) über eine Klage des KO, die darauf gerichtet ist, Guldbrev bestimmte unlautere Geschäftspraktiken im Zusammenhang mit der Wertermittlung von Gold und dessen Ankauf von Verbrauchern zu untersagen.

4.        Die vorliegende Rechtssache gibt dem Gerichtshof die Gelegenheit, seine Rechtsprechung zu den Begriffen „Produkt“ und „unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern“ im Sinne der Richtlinie 2005/29 zu präzisieren, insbesondere in einer neuartigen Situation, in der der Gewerbetreibende ein Produkt vom Verbraucher erwirbt und nicht umgekehrt, wie es normalerweise der Fall ist.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

5.        In Art. 2 („Definitionen“) der Richtlinie 2005/29 heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

c)      ‚Produkt‘ jede Ware oder Dienstleistung, einschließlich Immobilien, Rechte und Verpflichtungen;

d)      ‚Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern‘ (nachstehend auch ‚Geschäftspraktiken‘ genannt) jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Gewerbetreibenden, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt;

i)      ‚Aufforderung zum Kauf‘ jede kommerzielle Kommunikation, die die Merkmale des Produkts und den Preis in einer Weise angibt, die den Mitteln der verwendeten kommerziellen Kommunikation angemessen ist und den Verbraucher dadurch in die Lage versetzt, einen Kauf zu tätigen;

…“

6.        Art. 3 („Anwendungsbereich“) Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„Diese Richtlinie gilt für unlautere Geschäftspraktiken im Sinne des Artikels 5 von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts.“

B.      Schwedisches Recht

7.        In der schwedischen Rechtsordnung wurde die Richtlinie 2005/29 durch das Marknadsföringslag (2008:486) (Gesetz über Absatzförderung [2008:486], im Folgenden: Gesetz über Absatzförderung) umgesetzt.

II.    Ausgangsverfahren, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

8.        Guldbrev ist ein Unternehmen, das Gold online ankauft und dessen Geschäftstätigkeit in der Wertermittlung von Gold und dessen Ankauf von Verbrauchern besteht. Guldbrev besitzt keine physischen Verkaufsräume, sondern betreibt ihre Kauftätigkeit und ihren Preisvergleichsdienst auf verschiedenen Websites. Die Behauptungen und sonstigen Handlungen, um die es vor dem vorlegenden Gericht geht, erfolgten auf Guldbrevs Websites, in sozialen Medien oder in Schreiben, die Guldbrev an Verbraucher versandte.

9.        Der KO beantragte, bestimmte Maßnahmen der Absatzförderung zu untersagen und Guldbrev zu verpflichten, den Verbrauchern bestimmte Informationen zur Verfügung zu stellen.

10.      Der KO macht geltend, dass das von Guldbrev beworbene Produkt als Kopplungsangebot anzusehen sei, das in der Wertermittlung und dem Ankauf von Gold bestehe. In dieser Hinsicht unterliege die Absatzförderungsmaßnahme von Guldbrev, die über Google-Anzeigen und auf Websites mit dem Vergleichstool stattgefunden habe, dem Gesetz über Absatzförderung und sei nach der Richtlinie 2005/29(3) sowie diesem Gesetz(4) irreführend und unlauter.

11.      Nach Auffassung des KO stellt das Bewerben der Goldpreise ein Lockangebot dar und zielt darauf ab, stattdessen ein anderes Produkt abzusetzen („Bait-and-switch“-Technik), was gegen mehrere Bestimmungen von Anhang I der Richtlinie 2005/29 verstößt(5). Guldbrev habe die Websites nicht hinreichend deutlich als Werbung gekennzeichnet und nicht angegeben, dass sie die Urheberin der Werbung sei. Die von Guldbrev beworbenen Höchstpreise seien unangemessen und wegen der Anforderungen, die Guldbrev stelle, unvorhersehbar oder unmöglich zu erzielen. Außerdem werden Guldbrev irreführende Preisangaben vorgeworfen, die die Fähigkeit der Verbraucher beeinträchtigten, eine informierte Geschäftsentscheidung zu treffen.

12.      Guldbrev trat den Anträgen des KO entgegen und machte im Wesentlichen geltend, dass sich aus dem Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache keine Umstände ergäben, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29 oder des Gesetzes über Absatzförderung fielen, da die in Rede stehenden Handlungen Ankaufsdienstleistungen beträfen. Jedenfalls sei die Absatzförderung weder irreführend noch unlauter gewesen.

13.      Das erstinstanzliche Gericht, der Patent- och marknadsdomstol (Patent- und Marktgericht), befand, dass die Handlungen von Guldbrev im Rahmen ihrer Tätigkeit Geschäftspraktiken darstellten, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29 fielen. Es war der Ansicht, dass die vom Antrag des KO umfassten Handlungen als solche nicht als vom Anwendungsbereich des Gesetzes über Absatzförderung ausgeschlossen angesehen werden könnten. Es untersagte daher bestimmte Absatzförderungsmaßnahmen und gab Guldbrev auf, in ihrer Werbung bestimmte Informationen anzugeben.

14.      Guldbrev focht Teile des Urteils des erstinstanzlichen Gerichts beim vorlegenden Gericht an und beantragte, die Klage des KO abzuweisen.

15.      Das vorlegende Gericht hat u. a. dazu Stellung zu beziehen, ob die Handlungen von Guldbrev unlautere Geschäftspraktiken darstellen. Um über diese materielle Frage zu befinden, muss dieses Gericht zunächst klären, ob die Richtlinie 2005/29 und das Gesetz über Absatzförderung im vorliegenden Fall überhaupt anwendbar sind. Es hat daher über die Frage zu entscheiden, inwieweit die Wertermittlung und der Kauf von Gold von Verbrauchern sowie Handlungen wie die im vorliegenden Fall in Rede stehenden nach Art. 2 Buchst. c, d und i sowie Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29 als Geschäftspraktiken im Sinne dieser Richtlinie angesehen werden können.

16.      Hierzu vertritt das vorlegende Gericht die Auffassung, aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs gehe hervor, dass die in Rede stehende Absatzförderungsmaßnahme als solche – unter der Voraussetzung, dass sie ein Produkt im Sinne der Richtlinie 2005/29 betreffe – eine Geschäftspraxis im Sinne dieser Richtlinie darstellen könne. Soweit ersichtlich, habe sich der Gerichtshof aber noch nicht zu der Frage geäußert, ob das im vorliegenden Fall in Rede stehende Angebot des Gewerbetreibenden ein „Produkt“ im Sinne der Richtlinie 2005/29 betreffe, eine Beurteilung, die von Bedeutung für die Frage sei, ob die Bestimmungen des nationalen Rechts, d. h. des Gesetzes über Absatzförderung, im Licht der materiellen Vorschriften der Richtlinie 2005/29 auszulegen seien.

17.      Unter diesen Umständen hat das Svea hovrätt, Patent- och marknadsöverdomstolen (Berufungsgericht für Svealand als Patent- und Marktobergericht, Stockholm) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Stellt die Wertermittlung von Gold und dessen Ankauf von Verbrauchern in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens ein Produkt (Kopplungsprodukt) im Sinne von Art. 2 Buchst. c, d und i sowie Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29 dar?

2.      Falls die Frage 1 verneint wird, stellt die Wertermittlung von Gold in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens ein Produkt im Sinne der Richtlinie dar?

18.      Guldbrev, der KO und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

III. Würdigung

A.      Erste Vorlagefrage

19.      Mit seiner ersten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 2 Buchst. c, d und i sowie Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29 dahin auszulegen sind, dass die geschäftliche Handlung, die in dem gekoppelten Angebot der Wertermittlung einer Ware, im vorliegenden Fall Gold, durch einen Gewerbetreibenden an einen Verbraucher und des Ankaufs dieser Ware durch diesen Gewerbetreibenden von demselben Verbraucher besteht, ein „Produkt“ im Sinne dieser Bestimmungen darstellt.

20.      Das vorlegende Gericht stellt diese Frage, um zu klären, ob die Richtlinie 2005/29 in der bei ihm anhängigen Rechtssache anwendbar ist, so dass die einschlägigen Bestimmungen des nationalen Gesetzes über Absatzförderung im Licht der materiellen Vorschriften dieser Richtlinie auszulegen sind. Diese Vorlagefrage betrifft somit ausschließlich den Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29 und nicht den möglicherweise unlauteren Charakter von geschäftlichen Handlungen, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen. Meine Würdigung wird sich daher auf diesen Aspekt konzentrieren.

21.      Die Beteiligten, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind sich uneins, wie diese Frage zu beantworten ist. Während der KO und die Kommission die Auffassung vertreten, dass diese Frage zu bejahen sei, macht Guldbrev demgegenüber geltend, dass im vorliegenden Fall die geschäftliche Handlung, die in der Kombination der Wertermittlung von Gold und dessen Ankauf bestehe, kein „Produkt“ im Sinne der Richtlinie 2005/29 darstellen könne.

22.      Zur Beantwortung der ersten Vorlagefrage des vorlegenden Gerichts ist zunächst darauf hinzuweisen, dass, wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, u. a. aus Art. 1 und dem 23. Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/29 hervorgeht, dass diese durch eine vollständige Harmonisierung der Regeln über unlautere Geschäftspraktiken ein hohes gemeinsames Verbraucherschutzniveau gewährleisten soll(6).

23.      Außerdem hat der Gerichtshof auch entschieden, dass sich die Richtlinie 2005/29 durch einen besonders weiten sachlichen Anwendungsbereich auszeichnet, da der Unionsgesetzgeber den Begriff „Geschäftspraxis“ im Sinne dieser Richtlinie sehr weit konzipiert hat, indem ihn deren Art. 2 Buchst. d als „jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Gewerbetreibenden“ definiert(7).

24.      Hierzu hat der Gerichtshof festgestellt, dass das einzige in Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2005/29 genannte Kriterium darin besteht, dass die Praxis des Gewerbetreibenden mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung einer Ware oder einer Dienstleistung an Verbraucher in unmittelbarem Zusammenhang stehen muss(8).

25.      Im Kontext der vorliegenden Rechtssache ist ferner darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof auch entschieden hat, dass Kopplungsangebote, die auf der Verbindung von mindestens zwei verschiedenen Waren oder Dienstleistungen zu einem einzigen Angebot beruhen, geschäftliche Handlungen sind, die eindeutig in den Rahmen der Geschäftsstrategie eines Gewerbetreibenden gehören und unmittelbar mit der Absatzförderung und dem Verkauf zusammenhängen. Sie stellen daher Geschäftspraktiken im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2005/29 dar und fallen damit in deren Geltungsbereich(9).

26.      Auf der Grundlage dieser Hinweise aus der Rechtsprechung ist zu prüfen, ob geschäftliche Handlungen wie diejenigen, um die es in der beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtssache geht, in den Geltungsbereich der Richtlinie 2005/29 fallen.

27.      Im vorliegenden Fall bestehen diese geschäftlichen Handlungen zum einen in der Dienstleistung der Wertermittlung von Gold, die der Gewerbetreibende dem Verbraucher erbringt, und zum anderen – auf der Grundlage dieser Wertermittlung – im Ankauf von Gold durch diesen Gewerbetreibenden von demselben Verbraucher.

28.      Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass diese beiden Handlungen im Geschäftsangebot des betreffenden Gewerbetreibenden in dem Sinne miteinander gekoppelt und untrennbar sind, dass die eine von der anderen abhängig ist. Aus dieser Entscheidung geht nämlich hervor, dass der Gewerbetreibende nur dann bereit ist, Gold vom Verbraucher zu kaufen, wenn dieser den Wertermittlungsdienst akzeptiert, den der Gewerbetreibende erbringt, um die Qualität und den Kaufpreis des betreffenden Goldes zu bestimmen. Der Goldpreis wird zum Zeitpunkt der Wertermittlung bestimmt und der Verbraucher muss diesen Preis akzeptieren, damit der Kauf des Goldes stattfindet.

29.      Wie die Kommission zu Recht geltend macht, besteht in diesem Rahmen kein Zweifel daran, dass die Dienstleistung der Wertermittlung des Goldes, die der Gewerbetreibende dem Verbraucher erbringt, ein „Produkt“ im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2005/29 darstellt, das nach dieser Definition „jede … Dienstleistung“ einschließt. Folglich fallen ein solches Produkt betreffende Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern nach Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2005/29 eindeutig in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie.

30.      Zweifel könnten hingegen hinsichtlich der geschäftlichen Handlung des Gewerbetreibenden bestehen, die im Ankauf von Gold vom Verbraucher besteht. Im Fall des Ankaufs eines Produkts durch einen Gewerbetreibenden von einem Verbraucher könnte nämlich davon ausgegangen werden, dass kein „unmittelbarer Zusammenhang“ mit der „Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher“ besteht, wie er von der in Nr. 24 der vorliegenden Schlussanträge erwähnten Rechtsprechung gefordert wird. Eine solche geschäftliche Handlung besteht vielmehr umgekehrt in der Lieferung eines Produkts durch den Verbraucher an den Gewerbetreibenden.

31.      Aufgrund des oben in Nr. 28 erwähnten gekoppelten und untrennbaren Charakters der beiden in Rede stehenden geschäftlichen Handlungen ist jedoch meines Erachtens davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall ein „unmittelbarer Zusammenhang“ zwischen der geschäftlichen Handlung, die im Ankauf von Gold durch den Gewerbetreibenden vom Verbraucher besteht, einerseits und dem in Rede stehenden „Produkt“ im Sinne der Definition in Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2005/29, nämlich der Dienstleistung der Goldwertermittlung, die der Gewerbetreibende dem Verbraucher erbringt, andererseits besteht.

32.      Da der Gewerbetreibende seine Bereitschaft, Gold vom Verbraucher zu kaufen, davon abhängig macht, dass dieser die Wertermittlungsdienstleistung akzeptiert, die der Gewerbetreibende erbringt, um die Qualität und den Preis des betreffenden Goldes zu bestimmen, ist davon auszugehen, dass die beiden untrennbaren geschäftlichen Handlungen ein einziges Produkt darstellen, das, wie aus der oben in Nr. 25 der vorliegenden Schlussanträge erwähnten Rechtsprechung hervorgeht, eindeutig in den Rahmen der Geschäftsstrategie eines Gewerbetreibenden gehört, die unmittelbar auf die Absatzförderung und den Verkauf dieses Produkts abzielt. Daraus folgt, dass das an die Annahme der Dienstleistung der Wertermittlung des Goldes gekoppelte Angebot des Ankaufs von Gold sehr wohl eine Geschäftspraxis im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2005/29 darstellt und folglich in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen muss.

33.      In diesem Zusammenhang stelle ich erstens fest, dass allein die vorstehende Auslegung geeignet ist, die volle Wirkung der Richtlinie 2005/29 zu gewährleisten, indem sie dafür sorgt, dass unlautere Geschäftspraktiken im Einklang mit dem Erfordernis eines hohen Verbraucherschutzniveaus wirksam bekämpft werden(10). Die gegenteilige Auslegung, die darauf abzielt, die Anwendbarkeit der Richtlinie 2005/29 auszuschließen, würde nämlich die wirtschaftlichen Interessen der betroffenen Verbraucher ungeschützt lassen, indem Geschäftspraktiken, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beeinflussung der Entscheidungen des Verbrauchers stehen, aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie herausgehalten würden, was den Zielen dieser Richtlinie eindeutig zuwiderlaufen würde(11).

34.      Zweitens steht die von mir vorgeschlagene Auslegung der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2005/29 auch im Einklang mit dem sehr weiten sachlichen Anwendungsbereich, den die Rechtsprechung, wie ich in Nr. 22 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt habe, dieser Richtlinie zuerkannt hat(12).

35.      Drittens steht die von mir vorgeschlagene Auslegung im Einklang mit dem Standpunkt, den die Kommission in ihrer Bekanntmachung „Leitlinien zur Auslegung und Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt“(13) zum Ausdruck gebracht hat.

36.      In Abschnitt 2.3.2 dieser Leitlinien berücksichtigt die Kommission zum einen, dass es Situationen geben kann, die mit dem vorliegenden Fall vergleichbar sind und in denen „eine Verbindung herzustellen [ist], wenn einerseits ein Verbraucher ein Produkt an einen Gewerbetreibenden verkauft und andererseits der Gewerbetreibende ein (anderes) Produkt bei diesem Verbraucher bewirbt bzw. an diesen Verbraucher verkauft oder liefert“. Nach Ansicht der Kommission fallen solche Situationen unter die Richtlinie 2005/29.

37.      Zum anderen weist die Kommission im selben Abschnitt dieser Leitlinien ausdrücklich darauf hin, dass unter bestimmten Umständen eine hinreichend unmittelbare Beziehung zwischen dem Verkauf von Gold durch den Verbraucher und dem Verkauf oder der Erbringung einer Dienstleistung zur Wertermittlung von Gold durch einen Gewerbetreibenden an den Verbraucher hergestellt werden kann.

38.      Dokumente wie diese Leitlinien sind zwar nicht verbindlich und binden den Gerichtshof in keiner Weise, können aber nach der Rechtsprechung eine Hilfe bei der Auslegung des abgeleiteten Unionsrechts wie der Richtlinie 2005/29 darstellen(14).

39.      Im Ergebnis folgt aus den vorstehenden Erwägungen, dass auf die erste Frage des vorlegenden Gerichts meines Erachtens zu antworten ist, dass Art. 2 Buchst. c, d und i sowie Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29 dahin auszulegen sind, dass die von einem Gewerbetreibenden gegenüber einem Verbraucher erbrachte Dienstleistung der Wertermittlung einer Ware einerseits und der von der Annahme des aufgrund dieser Wertermittlung festgestellten Preises abhängige Ankauf dieser Ware durch diesen Gewerbetreibenden von demselben Verbraucher andererseits ein „Produkt“ im Sinne dieser Bestimmungen darstellen.

B.      Zweite Vorlagefrage

40.      Da diese Frage für den Fall gestellt worden ist, dass die erste Frage verneint wird, ist sie nicht zu beantworten, wenn der Gerichtshof Art. 2 Buchst. c, d und i sowie Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29 in dem Sinne auslegt, wie ich es in Nr. 39 der vorliegenden Schlussanträge vorgeschlagen habe.

41.      Jedenfalls ergibt sich aus meinen Erwägungen in Nr. 29 der vorliegenden Schlussanträge, dass die zweite Vorlagefrage meines Erachtens ebenfalls bejaht werden muss.

IV.    Ergebnis

42.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorabentscheidungsfragen des Svea hovrätt, Patent- och marknadsöverdomstolen (Berufungsgericht für Svealand als Patent- und Marktobergericht, Stockholm, Schweden) wie folgt zu beantworten:

Art. 2 Buchst. c, d und i sowie Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates

sind dahin auszulegen, dass

die von einem Gewerbetreibenden gegenüber einem Verbraucher erbrachte Dienstleistung der Wertermittlung einer Ware einerseits und der von der Annahme des aufgrund dieser Wertermittlung festgestellten Preises abhängige Ankauf dieser Ware durch diesen Gewerbetreibenden von demselben Verbraucher andererseits ein „Produkt“ im Sinne dieser Bestimmungen darstellen.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2005, L 149, S. 22, berichtigt in ABl. 2009, L 253, S. 18).


3      Insbesondere Anhang I Nr. 22 dieser Richtlinie.


4      Insbesondere §§ 8 und 9 dieses Gesetzes.


5      Vgl. Nr. 5 bzw. Nr. 6 Buchst. c des Anhangs I der Richtlinie 2005/29.


6      Urteile vom 3. Oktober 2013, Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (C‑59/12, EU:C:2013:634, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie vom 19. September 2018, Bankia (C‑109/17, EU:C:2018:735, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).


7      Urteile vom 9. November 2010, Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag (C‑540/08, EU:C:2010:660, Rn. 21), und vom 16. April 2015, UPC Magyarország (C‑388/13, EU:C:2015:225, Rn. 34).


8      Urteil UPC Magyarország (C‑388/13, EU:C:2015:225, Rn. 35).


9      Urteile vom 23. April 2009, VTB-VAB und Galatea (C‑261/07 und C‑299/07, EU:C:2009:244, Rn. 50), und vom 7. September 2016, Deroo-Blanquart (C‑310/15, EU:C:2016:633, Rn. 28).


10      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2013, Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (C‑59/12, EU:C:2013:634, Rn. 39).


11      Vgl. Erwägungsgründe 7 und 8 der Richtlinie 2005/29.


12      Vgl. hierzu Urteil vom 3. Oktober 2013, Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (C‑59/12, EU:C:2013:634, Rn. 40).


13      ABl. 2021, C 526, S. 1.


14      Vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 12. März 2020, Kommission/Italien (Rechtswidrige Beihilfen zugunsten des Hotelgewerbes in Sardinien) (C‑576/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:202, Rn. 136 und die dort angeführte Rechtsprechung).