Language of document : ECLI:EU:T:2014:1096

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

17. Dezember 2014(*)

„Wettbewerb – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Slowenischer Mobilfunkmarkt – Entscheidung über die Zurückweisung einer Beschwerde – Bearbeitung des Falles durch eine Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats – Fehlendes Unionsinteresse“

In der Rechtssache T‑201/11,

Si.mobil telekomunikacijske storitve d.d. mit Sitz in Ljubljana (Slowenien), Prozessbevollmächtigte: zunächst P. Alexiadis und E. Sependa, Solicitors, dann P. Alexiadis und Rechtsanwälte P. Figueroa Regueiro und A. Melihen,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch C. Giolito, B. Gencarelli und A. Biolan, dann durch C. Giolito und A. Biolan als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Republik Slowenien, vertreten durch T. Mihelič Žitko und V. Klemenc als Bevollmächtigte,

und durch

Telekom Slovenije d.d. (vormals Mobitel, telekomunikacijske storitve d.d.) mit Sitz in Ljubljana (Slowenien), vertreten durch Rechtsanwälte J. Sladič und P. Sladič,

Streithelferinnen,

wegen Nichtigerklärung des Beschlusses C(2011) 355 final der Kommission vom 24. Januar 2011, mit dem die von der Klägerin eingelegte Beschwerde betreffend angeblich von Mobitel im Großhandels- und im Endkundenmarkt auf einer Reihe von Mobilfunkmärkten begangener Zuwiderhandlungen nach Art. 102 AEUV zurückgewiesen wurde (Sache COMP/39.707 – Si.mobil/Mobitel),

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Papasavvas sowie der Richter N. J. Forwood und E. Bieliūnas (Berichterstatter),

Kanzler: C. Kristensen, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 2014

folgendes

Urteil(1)

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

[Nicht wiedergegeben]

 Verfahren und Anträge der Parteien

11      Mit Klageschrift, die am 4. April 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

12      Mit Schriftsatz, der am 24. Juni 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Mobitel beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

13      Mit Schriftsatz, der am 8. September 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Republik Slowenien beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

14      Mit Beschlüssen vom 8. November 2011 hat der Präsident der Fünften Kammer des Gerichts diesen Streithilfeanträgen stattgegeben.

15      Mit Schriftsatz, der am 24. Februar 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Tušmobil d.o.o. beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerin zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 16. November 2012 hat der Präsident der Fünften Kammer des Gerichts diesen Antrag zurückgewiesen.

16      Wegen der teilweisen Neubesetzung des Gerichts ist die vorliegende Rechtssache einem neuen Berichterstatter zugewiesen worden, der der Dritten Kammer angehört.

17      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

18      In der Sitzung vom 9. Juli 2014 haben die Beteiligten mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

19      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

20      Die Kommission und die Streithelferinnen beantragen,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 1. Zulässigkeit

[Nicht wiedergegeben]

 2. Begründetheit

[Nicht wiedergegeben]

 Erster Klagegrund: offensichtlicher Fehler der Kommission bei der Anwendung der in der Verordnung Nr. 1/2003 und in der Bekanntmachung über das Netz aufgeführten Bestimmungen über die Verteilung der Zuständigkeiten

28      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Kommission Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 im Licht der Bekanntmachung über das Netz offensichtlich falsch angewandt habe, als sie ihre Beschwerde zurückgewiesen habe.

29      Mit diesem Vorbringen macht die Klägerin im Wesentlichen zwei Rügen geltend, nämlich erstens eine falsche Auslegung der in Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 aufgestellten Voraussetzungen und zweitens eine falsche Anwendung dieser Voraussetzungen.

 Zu den in Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 aufgestellten Voraussetzungen

30      Die Klägerin beanstandet, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung festgestellt habe, dass es nicht notwendig sei, „eine Abwägungsprüfung vorzunehmen, um zu beurteilen, ob ein ausreichendes Interesse der Union an einer Untersuchung des Falles im Hinblick auf die Einzelhandelspraktiken besteht“. Außerdem macht sie geltend, dass die Kommission im Sinne von Ziff. 15 der Bekanntmachung über das Netz besonders gut geeignet sei, sich des Falles anzunehmen, während die UVK (slowenische Wettbewerbsbehörde) im Sinne von Ziff. 8 dieser Bekanntmachung nicht geeignet sei, sich dieses Falles anzunehmen.

31      Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der 18. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 betont, dass „[u]m eine optimale Verteilung der Fälle innerhalb des Netzwerks sicherzustellen, … eine allgemeine Bestimmung eingeführt werden [sollte], wonach eine Wettbewerbsbehörde ein Verfahren mit der Begründung aussetzen oder einstellen kann, dass sich eine andere Behörde mit demselben Fall befasst hat oder noch befasst“ und dass „[d]iese Bestimmung … nicht der der Kommission durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs zuerkannten Möglichkeit entgegenstehen [sollte], eine Beschwerde wegen fehlenden Gemeinschaftsinteresses abzuweisen, selbst wenn keine andere Wettbewerbsbehörde die Absicht bekundet hat, sich des Falles anzunehmen.“

32      Ferner bestimmt Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003, dass, wenn „die Wettbewerbsbehörden mehrerer Mitgliedstaaten aufgrund einer Beschwerde oder von Amts wegen mit einem Verfahren gemäß Artikel 81 [EG] oder Artikel 82 [EG] gegen dieselbe Vereinbarung, denselben Beschluss oder dieselbe Verhaltensweise befasst [sind], so stellt der Umstand, dass eine Behörde den Fall bereits bearbeitet, für die übrigen Behörden einen hinreichenden Grund dar, ihr Verfahren auszusetzen oder die Beschwerde zurückzuweisen“ und weiter, dass „[a]uch die Kommission … eine Beschwerde mit der Begründung zurückweisen [kann], dass sich bereits eine Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats mit dieser Beschwerde befasst.“

33      Aus dem eindeutigen Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 geht hervor, dass die Kommission eine Beschwerde auf der Grundlage dieser Bestimmung zurückweisen kann, wenn sie einerseits feststellt, dass sich bereits eine Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats mit dieser Beschwerde „befasst“ hat und andererseits, dass dieser Fall „dieselbe Vereinbarung“, „denselben Beschluss“ oder „dieselbe Verhaltensweise“ betrifft. Mit anderen Worten stellt das Vorliegen dieser beiden Voraussetzungen für die Kommission einen „hinreichenden Grund“ dar, um die Beschwerde, mit der sie befasst ist, zurückzuweisen.

34      Die Anwendung von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 kann daher von keinen anderen als den oben in Rn. 33 genannten Kriterien abhängig gemacht werden.

35      Die Klägerin kann sich daher nicht auf die Missachtung einer Bestimmung über die Zuständigkeitsverteilung zwischen der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten berufen. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Kommission verpflichtet gewesen sei, eine Abwägung vorzunehmen und das Interesse der Union an der Prüfung ihrer Beschwerde zu beurteilen.

36      Jedenfalls ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Kommission und die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten nach den Art. 4 und 5 der Verordnung Nr. 1/2003 über parallele Zuständigkeiten bei der Anwendung von Art. 81 [EG] und 82 [EG] verfügen und dass die Systematik der Verordnung Nr. 1/2003 auf einer engen Zusammenarbeit zwischen diesen beruht (Urteil vom 16. Oktober 2013, Vivendi/Kommission, T‑432/10, EU:T:2013:538, Rn. 26, vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 13. Juli 2011, ThyssenKrupp Liften Ascenseurs u. a./Kommission, T‑144/07, T‑147/07 bis T‑150/07 und T‑154/07, Slg, EU:T:2011:364, Rn. 75 und vom 6. Februar 2014, CEEES und Asociacíon de Gestores de Estaciones de Servicio/Kommission, T‑342/11, Slg, EU:T:2014:60, Rn. 68).

37      Dagegen sehen weder die Verordnung Nr. 1/2003 noch die Bekanntmachung über das Netz eine Bestimmung über die Zuständigkeitsverteilung zwischen der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten vor.

38      Zum einen kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass der 18. Erwägungsgrund und Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 ein Kriterium für die Zuweisung oder die Aufteilung der Fälle oder der Zuständigkeiten zwischen der Kommission und der bzw. den eventuell von demselben Fall betroffenen nationalen Behörde oder Behörden aufstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. März 2007, France Télécom, T‑340/04, Slg, EU:T:2007:81, Rn. 130).

39      Zum anderen heißt es in Ziff. 4 der Bekanntmachung über das Netz, dass Konsultationen und Informationsaustausch innerhalb des Netzes eine Angelegenheit zwischen den Wettbewerbsbehörden sind, und nach Ziff. 31 begründet die Bekanntmachung für Unternehmen keinerlei Rechte dahin gehend, dass sich eine bestimmte Behörde mit einem Fall zu befassen hat (Urteil vom 8. März 2007, France Télécom, T‑339/04, Slg, EU:T:2007:80, Rn. 83). Im Allgemeinen begründet weder die Verordnung Nr. 1/2003 noch diese Bekanntmachung Rechte oder Erwartungen für ein Unternehmen dahin gehend, dass sein Fall von einer bestimmten Wettbewerbsbehörde behandelt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil ThyssenKrupp Liften Ascenseurs u. a./Kommission, oben in Rn. 36 angeführt, EU:T:2011:364, Rn. 78).

40      Selbst wenn man also davon ausgeht, dass die Kommission besonders gut geeignet gewesen wäre, sich des Falles anzunehmen und die UVK dafür nicht gut geeignet gewesen wäre, hatte die Klägerin kein Recht dahin gehend, dass sich die Kommission mit dem Fall zu befassen hat.

41      Zweitens ergibt sich aus dem 18. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003, dass der Rat den Wettbewerbsbehörden, die Mitglieder des Europäischen Wettbewerbsnetzes sind, ermöglichen wollte, einen neuen Grund für die Zurückweisung einer Beschwerde geltend zu machen, der sich vom Grund des fehlenden Unionsinteresses unterscheidet, der eine Zurückweisung der Beschwerde durch die Kommission rechtfertigen kann. Diese war daher im Rahmen der Durchführung von Art. 13 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht verpflichtet, eine Abwägung vorzunehmen und das Interesse der Union an der Prüfung der Beschwerde der Klägerin zu beurteilen, soweit sich diese Beschwerde auf den Endkundenmarkt bezog.

 Zur Erfüllung der in Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 aufgestellten Voraussetzungen

42      Die Klägerin wirft der Kommission im Wesentlichen vor, dass sie im angefochtenen Beschluss die in Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 aufgestellten Voraussetzungen verkannt habe. Die UVK habe den Fall nämlich nicht effizient bearbeitet und die Kommission sei zu Unrecht der Ansicht gewesen, dass der von der UVK geprüfte Fall „dieselben angeblichen Zuwiderhandlungen, die zum selben Zeitpunkt auf demselben Markt begangen wurden“ betreffe.

43      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Art. 13 und der 18. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 das weite Ermessen zum Ausdruck bringen, über das die in diesem Netzwerk der Wettbewerbsbehörden zusammengeschlossenen nationalen Behörden verfügen, um eine optimale Verteilung der Fälle innerhalb des Netzwerks sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Februar 2012, Toshiba Corporation u. a., C‑17/10, Slg, EU:C:2012:72, Rn. 90). Angesichts der Rolle, die ihr der Vertrag und die Verordnung Nr. 1/2003 zuerkennt, verfügt auch die Kommission erst recht über ein weites Ermessen bei der Anwendung von Art. 13 der Verordnung Nr. 1/2003.

44      Da die Kommission daher über ein weites Ermessen zur Durchführung von Art. 13 der Verordnung Nr. 1/2003 verfügt, ist die unionsgerichtliche Kontrolle auf die Prüfung der Fragen zu beschränken, ob die Verfahrens- und Begründungsvorschriften eingehalten wurden, sowie ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde und keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung und kein Ermessensmissbrauch vorliegen (vgl. entsprechend Urteil vom 11. Juni 2014, Communicaid Group/Kommission, T‑4/13, EU:T:2014:437, Rn. 95).

45      Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist zu prüfen, ob die Kommission die beiden in Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 aufgestellten und oben in Rn. 33 wiedergegebenen Voraussetzungen beachtet hat.

 – Zur Bearbeitung des Falles durch die UVK

46      Die Klägerin wirft der Kommission vor, sie habe die Anhaltspunkte außer Acht gelassen, die den Schluss zugelassen hätten, dass die UVK ihre Untersuchung nicht hätte fortsetzen dürfen, und die daher dazu geführt hätten, keine Zuständigkeit dieser Wettbewerbsbehörde anzunehmen. Diese Anhaltspunkte hätten die institutionellen Mängel der UVK betroffen. Diese Mängel bestünden erstens in einer fehlenden funktionellen Unabhängigkeit dieser Wettbewerbsbehörde gegenüber dem als Aufsichtsorgan der Streithelferin zuständigen Ministerium, zweitens in einer Überschreitung der vom slowenischen Recht vorgeschriebenen Frist von zwei Jahren für den Erlass einer Entscheidung, drittens in der unzureichenden Ausstattung der UVK mit finanziellen Mitteln und viertens in festgestellten Mängeln betreffend die Agencija za pošto in elektronske komunikacije (Slowenische Regulierungsbehörde für Post und elektronische Kommunikation, im Folgenden: APEK). Mit ihrem Vorbringen, dass die UVK ihre Untersuchung nicht hätte fortsetzen dürfen, erklärt die Klägerin daher im Wesentlichen, dass es der UVK unmöglich sei, den Fall effizient zu bearbeiten.

47      Als Erstes ist zu erläutern, welche Bedeutung dem Begriff „bearbeiten“ bzw. „sich befassen“ in Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2013 beizumessen ist und muss geprüft werden, wie die Kommission diesen Artikel im vorliegenden Fall angewandt hat.

48      Der Begriff „bearbeiten“ bzw. „sich befassen“ kann nicht einfach bedeuten, dass bei einer anderen Behörde Beschwerde erhoben wurde oder dass sie von Amts wegen mit einem Fall befasst ist. Die Anrufung der Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats durch einen Beschwerdeführer oder deren Befassung von Amts wegen ist nämlich eine Handlung, die für sich betrachtet weder Ausweis dessen ist, dass die Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats ihre Befugnisse ausgeübt, noch erst recht dessen, dass eine Prüfung der mit dem fraglichen Fall verbundenen tatsächlichen und rechtlichen Umstände stattgefunden hätte. Die Kommission würde daher ihre allgemeine Aufgabe zur Überwachung, die sich aus Art. 105 Abs. 1 AEUV ergibt, nicht erfüllen, wenn sie dazu befugt wäre, eine Beschwerde allein deshalb zurückzuweisen, weil eine Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats mit einer Beschwerde befasst worden oder von sich aus tätig geworden sei, ohne dass diese Handlungen zu irgendeiner Bearbeitung des fraglichen Falles Anlass geben.

49      Wenn die Kommission Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 im Einzelfall anwendet, erlegt ihr diese Bestimmung allerdings keineswegs auf, die Richtigkeit der Leitlinien zu beurteilen, die die Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats, die den Fall bearbeitet, festgelegt hat.

50      Daher muss die Kommission, wenn sie eine Beschwerde in Anwendung von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 zurückweist, auf der Grundlage der Informationen, die ihr zum Zeitpunkt des Erlasses ihres Beschlusses vorliegen, sich insbesondere vergewissern, dass die Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats den Fall untersucht.

51      Im vorliegenden Fall gründet der angefochtene Beschluss auf einem an die Kommission gerichteten Schreiben der UVK vom 18. November 2009, in dem diese bestätigte, dass sie eine Untersuchung eingeleitet habe und sich aktiv mit dem Fall befasse.

52      Zudem hat die Kommission im angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass sie wegen des fraglichen Falles mit der UVK regelmäßig in Verbindung gestanden habe und dass diese Kontakte erkennen ließen, dass sich diese Wettbewerbsbehörde mit diesem Fall aktiv befasst habe.

53      Die Bearbeitung des Falles durch die UVK wird zudem durch den übrigen Akteninhalt bestätigt, insbesondere durch ein Schreiben der Klägerin an die Kommission vom 18. Februar 2010, in dem die Klägerin im Rahmen einer Darstellung des von der UVK auf dem Endkundenmarkt geführten Verfahrens selbst anerkennt, dass ihr diese nationale Wettbewerbsbehörde am 10. Februar 2010 einen Fragebogen vorgelegt hat.

54      Im vorliegenden Fall hat die Kommission daher zu Recht die Auffassung vertreten, dass sich die UVK im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 mit dem Fall befasst habe.

55      Als Zweites ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, dass die Kommission ihre Verpflichtung verkannt habe, für eine wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union zu sorgen, als sie die Beschwerde der Klägerin, soweit diese den Endkundenmarkt betraf, mit der Begründung zurückwies, dass sich die UVK mit dem Fall befasst habe.

56      Aus der Begründung der Verordnung Nr. 1/2003 und insbesondere aus ihren Erwägungsgründen 1, 6, 8 und 35 ergibt sich nämlich, dass die engere Beteiligung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten bei der Durchführung der Art. 81 EG und 82 EG und die diesen auferlegte Verpflichtung, diese Bestimmungen anzuwenden, wenn der Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt werden könnte, gerade das von dieser Verordnung angestrebte Ziel der Wirksamkeit gewährleisten sollen.

57      Das Erfordernis der Wirksamkeit kann jedoch nicht – mit dem Risiko, die Tragweite von Art. 13 der Verordnung Nr. 1/2003 in Frage zu stellen – zur Verpflichtung der Kommission führen, im Rahmen der Durchführung dieser besonderen Bestimmung zu prüfen, ob die betreffende Wettbewerbsbehörde über institutionelle, finanzielle und technische Mittel verfügt, um die ihr durch die Verordnung Nr. 1/2003 übertragene Aufgabe zu erfüllen.

58      Die von der Klägerin der Kommission vorgelegten Beweismittel belegen jedenfalls nicht hinreichend das Vorliegen institutioneller Mängel innerhalb der UVK und insbesondere einen Mangel an Unabhängigkeit, an Mitteln oder an Sorgfalt dieser Wettbewerbsbehörde, der sie daran hinderte, ihre Aufgabe zu erfüllen.

59      In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Unabhängigkeit der UVK gesetzlich vorgesehen ist, dass aus den Akten und insbesondere aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen hervorgeht, dass diese Wettbewerbsbehörde tatsächlich funktionelle Unabhängigkeit genießt und sie bereits angeblich wettbewerbswidrige Verhaltensweisen mehrerer etablierter Betreiber untersucht hat, deren Kapital überwiegend vom Staat gehalten wird.

60      Darüber hinaus ergibt sich aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen nicht offensichtlich, dass der UVK Mittel fehlen, was sie daran hinderte, eine Untersuchung durchzuführen und den fraglichen Fall zu bearbeiten.

61      Außerdem ist zum Vorbringen der Klägerin, dass die UVK die ihr für den Erlass einer Entscheidung eingeräumte Frist von zwei Jahren überschritten habe, festzustellen, dass der angefochtene Beschluss vor Ablauf dieser Frist erlassen wurde. Jedenfalls ergibt sich aus den dem Gericht von der Klägerin vorgelegten Akten und den Erklärungen der Slowenischen Republik in der mündlichen Verhandlung, dass diese Frist nicht zwingend ist und ihre Überschreitung dem Erlass einer gegebenenfalls mit Abhilfemaßnahmen verbundenen Entscheidung der UVK nicht entgegensteht. Daher kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, der UVK nicht in Anwendung von Art. 11 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 die Zuständigkeit mit der Begründung entzogen zu haben, dass diese Wettbewerbsbehörde ein Verfahren unangemessen in die Länge ziehe.

62      Andere von der Klägerin vorgelegte Unterlagen sind nicht relevant, da sie nicht die UVK, sondern die APEK betreffen.

63      Zum Vorbringen, die UVK habe nach Erlass des angefochtenen Beschlusses Art. 102 AEUV nicht wirksam angewendet, genügt die Feststellung, dass dies im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht relevant ist, da es sich auf Umstände aus der Zeit nach dem angefochtenen Beschluss bezieht.

64      Nach ständiger Rechtsprechung ist nämlich die Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts der Union anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen. Folglich können Umstände, die nach dem Erlass des Rechtsakts der Union eingetreten sind, bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieses Aktes nicht berücksichtigt werden (vgl. Urteil vom 9. September 2011, Frankreich/Kommission, T‑257/07, Slg, EU:T:2011:444, Rn. 172 und die dort angeführte Rechtsprechung).

65      Schließlich kann die in einem Presseartikel vom 22. Juni 2011 wiedergegebene Erklärung des ehemaligen Präsidenten der UVK, wonach diese Wettbewerbsbehörde damals die Idee unterstützt habe, dass die Kommission den Fall prüfe, keinen Nachweis für das Unvermögen der UVK darstellen, den Fall zu bearbeiten. Wie sich aus dieser Erklärung ergibt und die Kommission in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, hat im Übrigen ein Briefwechsel zwischen der UVK und der Kommission tatsächlich in den Monaten Juni und Juli 2009 stattgefunden, d. h. vor der Einlegung der Beschwerde der Klägerin bei der Kommission im Stadium der ursprünglichen Arbeitsaufteilung zwischen diesen beiden Mitgliedern des Europäischen Wettbewerbsnetzes.

66      Als Drittes ist, was den von der Klägerin geltend gemachten Verlust der Verfahrensrechte im Rahmen des nationalen Verfahrens angeht, dieses Vorbringen als ins Leere gehend zurückzuweisen, da es die Feststellung nicht in Frage stellen kann, wonach die Kommission zur Annahme berechtigt war, dass die UVK den Fall bearbeitete. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, hat sie sich insoweit ferner dazu entschieden, die Zulassung als Streithelferin vor der UVK nicht zu beantragen, da sie dachte, dass die Kommission ernsthaft beabsichtige, sich mit dem Fall zu befassen. Es geht jedoch weder aus ihren Schriftsätzen vor dem Gericht noch aus den zu deren Untermauerung eingereichten Unterlagen hervor, dass die Klägerin behauptet oder gar nachgewiesen hat, dass die Kommission ihr konkrete Zusicherungen gegeben habe, dass sie den Fall bearbeiten werde.

67      Nach alledem hat die Kommission keinen offensichtlichen Fehler begangen, als sie die Beschwerde der Klägerin, soweit sich diese auf den Endkundenmarkt bezieht, in der Erwägung, dass die UVK den Fall bearbeite, zurückgewiesen hat.

 – Zur Identität der Verhaltensweisen, mit denen sich die UVK befasst hat

68      Die Klägerin macht geltend, dass die Kommission einen offensichtlichen Fehler begangen habe, als sie im angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen habe, dass die bei ihr gestellten Anträge und der von der UVK geprüfte Fall „dieselben angeblichen Zuwiderhandlungen, die zum selben Zeitpunkt auf demselben Markt begangen wurden“, beträfen. Sie macht auch geltend, dass die Kommission zwischen den Umständen des Falles, die den Endkundenmarkt und denen, die den Großhandel beträfen, künstlich und fehlerhaft unterschieden habe.

69      Erstens geht aus Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 hervor, dass die Kommission eine Beschwerde mit der Begründung zurückweisen kann, dass sie mit „derselben Verhaltensweise“ befasst ist, wie jener, mit der eine Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats gerade befasst ist.

70      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin in ihrer Beschwerde insbesondere die Umsetzung einer Strategie der Verdrängung auf dem Endkundenmarkt für Mobilfunk durch die Streithelferin mit Hilfe der Einführung ihres Produkts „Džabest“ im Jahr 2008 gerügt hat, die zu einer Margenbeschneidung geführt habe. Sie hat auch geltend gemacht, dass das Verhalten der Streithelferin auf dem Endkundenmarkt eine Praxis der Verdrängungspreise darstelle (siehe oben, Rn. 4 und 6).

71      Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission hervorgehoben, dass die UVK sie in einem Schreiben vom 18. November 2009 informiert habe, dass sie eine Untersuchung über einen möglichen Missbrauch einer beherrschenden Stellung der Streithelferin insbesondere auf dem Endkundenmarkt für Mobilfunk ab dem Jahr 2008 durchführe, und hinzugefügt habe, dass diese Untersuchung u. a. das von der Streithelferin eingeführte Endkundenprodukt „Džabest“ und die Frage betreffe, ob diese eine Praxis der Margenbeschneidung und/oder der Verdrängungspreise anwende.

72      Daher und wie das Schreiben der UVK vom 18. November 2009 bestätigt, betrafen die von der Klägerin bei der Kommission eingereichte Beschwerde und der von der UVK bearbeitete Fall das Verhalten der Streithelferin ab dem Jahr 2008. Diese Beschwerde betraf daher das Verhalten desselben Unternehmens im selben Zeitraum. Im Übrigen betrafen die von der Klägerin beanstandeten Verhaltensweisen und der von der UVK bearbeitete Fall auch denselben geografischen Markt, nämlich den slowenischen Markt. Schließlich ist unbestritten, dass die Kommission mit Praktiken der Margenbeschneidung und/oder der Verdrängungspreise befasst wurde, die auf dem Endkundenmarkt für Mobilfunkdienstleistungen angewandt wurden und die Gegenstand eines Verfahrens vor der UVK waren, die daraufhin mit diesem Schreiben bestätigte, dass sie diese Verhaltensweise untersuche.

73      Daraus folgt, dass die Kommission, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, im angefochtenen Beschluss festgestellt hat, dass das von der UVK geführte Verfahren „dieselben angeblichen Zuwiderhandlungen, die zum selben Zeitpunkt auf demselben Markt begangen wurden“, betraf, wie jene, mit denen sie auf dem Endkundenmarkt befasst war.

74      Zweitens kann dem Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe die Umstände des Falles, die den Endkundenmarkt und die, die den Großhandel betreffen, künstlich und fehlerhaft unterteilt, nicht gefolgt werden.

75      Wenn nämlich die Kommission beabsichtigt, eine Beschwerde auf der Grundlage von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 zurückzuweisen, hat sie sich insbesondere zu vergewissern, dass sich der von der Wettbewerbsbehörde des Mitgliedstaats bearbeitete Fall auf dieselben Tatsachen bezieht, wie sie in der Beschwerde beanstandet werden.

76      Die Kommission ist hingegen weder an den Gegenstand oder an den Grund für die von den Beschwerdeführern gestellten Anträge noch daran gebunden, wie diese den von ihnen beanstandeten Sachverhalt einstufen.

77      Da sich die Kommission im vorliegenden Fall vergewissert hat, dass der von der UVK bearbeitete Fall sich auf dieselben Tatsachen bezieht, wie die, die in einem Teil der Beschwerde der Klägerin beanstandet wurden, hat sie daher zu Recht Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 auf diesen Teil der Beschwerde angewandt und beurteilt, ob ein Interesse der Union bestand, eine Prüfung des anderen Teils dieser Beschwerde vorzunehmen.

78      Nach alledem ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

 Zweiter Klagegrund: offensichtlicher Fehler der Kommission bei der von der Rechtsprechung vorgesehenen Abwägung

[Nicht wiedergegeben]

 Kosten

[Nicht wiedergegeben]

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Si.mobil telekomunikacijske storitve d.d. trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Europäischen Kommission und der Telekom Slovenije d.d.

3.      Die Republik Slowenien trägt ihre eigenen Kosten.

Papasavvas

Forwood

Bieliūnas

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. Dezember 2014.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.


1 Es werden nur die Randnummern des Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.