URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)
17. Februar 1998 (1)
„Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 Aufnahme von Somatosalm in das
Verzeichnis der Stoffe, für deren Rückstände keine Höchstmengen gelten
Untätigkeitsklage Schadensersatzklage“
In der Rechtssache T-105/96
Pharos SA, Gesellschaft belgischen Rechts mit Sitz in Seraing (Belgien), vertreten
durch Rechtsanwalt Alexandre Vandencasteele, Brüssel, Zustellungsanschrift:
Kanzlei des Rechtsanwalts Ernest Arendt, 8-10, rue Mathias Hardt,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Fernando Castillo
de la Torre und Michel Nolin, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre
Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
wegen Feststellung gemäß Artikel 175 EG-Vertrag, daß die Kommission
rechtswidrig nicht das Verfahren fortgesetzt hat, durch das das von der Klägerin
hergestellte Somatosalm in das Verzeichnis der Stoffe, für die keine Höchstmengen
für Rückstände gelten, nach Anhang II der Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 des
Rates vom 26. Juni 1990 zur Schaffung eines Gemeinschaftsverfahrens für die
Festsetzung von Höchstmengen für Tierarzneimittelrückstände in Nahrungsmitteln
tierischen Ursprungs (ABl. L 224, S. 1) aufgenommen werden sollte, und wegen
Verurteilung der Kommission gemäß den Artikeln 178 und 215 Absatz 2 EG-Vertrag, den der Klägerin durch diese Unterlassung entstandenen Schaden zu
ersetzen,
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten B. Vesterdorf sowie der Richter C. P. Briët und
A. Potocki,
Kanzler: B. Pastor, Hauptverwaltungsrätin
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14.
Oktober 1997,
folgendes
Urteil
Rechtlicher Rahmen
- 1.
- Der Rat erließ am 26. Juni 1990 die Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 zur Schaffung
eines Gemeinschaftsverfahrens für die Festsetzung von Höchstmengen für
Tierarzneimittelrückstände in Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs (ABl. L 224,
S. 1).
- 2.
- Nach dieser Verordnung legt die Kommission für die Rückstände Höchstmengen
fest. Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung definiert „Höchstmengen von
Rückständen“ als die Höchstkonzentration von Rückständen aus der Verwendung
von Tierarzneimitteln, bei der die Gemeinschaft akzeptieren kann, daß sie legal
zugelassen wird, oder die als eine „in oder auf einem Nahrungsmittel“ annehmbare
Konzentration anerkannt wird.
- 3.
- Die Verordnung sieht die Schaffung von vier Anhängen vor, in die ein
pharmakologisch wirksamer Stoff aufgenommen werden kann, der in
Tierarzneimitteln verwendet werden soll, die für die Verabreichung an „zur
Nahrungsmittelerzeugung genutzte Tiere“ bestimmt sind:
In Anhang I sind die Stoffe aufzuführen, für die nach einer Beurteilung
ihrer Risiken für die menschliche Gesundheit eine Höchstmenge von
Rückständen festgelegt werden kann.
In Anhang II sind die Stoffe aufzuführen, für die keine Höchstmenge von
Rückständen gilt.
In Anhang III sind die Stoffe aufzuführen, für die die endgültige Festlegung
einer Höchstmenge von Rückständen nicht möglich ist, für die jedoch für
einen bestimmten Zeitraum ohne Gefährdung der menschlichen Gesundheit
eine vorläufige Höchstmenge von Rückständen festgelegt werden kann; der
genannte Zeitraum richtet sich danach, wieviel Zeit für die Durchführung
der geeigneten wissenschaftlichen Untersuchungen erforderlich ist, und kann
nur einmal verlängert werden.
In Anhang IV sind die Stoffe aufzuführen, für die keine Höchstmenge von
Rückständen festgelegt werden kann, da diese Stoffe ohne Rücksicht auf
ihre Konzentration eine Gefahr für die Gesundheit des Verbrauchers
darstellen.
- 4.
- Nach Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung muß der für die Vermarktung eines
neuen pharmakologisch wirksamen Stoffes Verantwortliche,der die Aufnahme
dieses Stoffes in Anhang I, II oder III begehrt, bei der Kommission einen
entsprechenden Antrag stellen, der bestimmte Angaben und Einzelheiten enthalten
muß.
- 5.
- Nach Artikel 6 Absatz 2 leitet die Kommission den Antrag nach der innerhalb von
30 Tagen vorzunehmenden Formalprüfung unverzüglich zur sachlichen Prüfung an
den Ausschuß für Tierarzneimittel weiter.
- 6.
- Artikel 6 Absatz 3 bestimmt:
„Die Kommission erstellt innerhalb von 120 Tagen nach der Weiterleitung des
Antrags an den Ausschuß für Tierarzneimittel und unter Berücksichtigung der
Stellungnahmen der Mitglieder des Ausschusses einen Entwurf der zu ergreifenden
Maßnahmen. Reichen die von dem für die Vermarktung Verantwortlichen
übermittelten Angaben zur Ausarbeitung eines solchen Entwurfs nicht aus, so wird
der Antragsteller aufgefordert, zusätzliche Angaben zwecks Prüfung durch den
Ausschuß beizubringen ...“
- 7.
- Nach Artikel 6 Absatz 5 legt die Kommission den Entwurf der Maßnahmen
innerhalb einer weiteren Frist von 60 Tagen dem Ausschuß für die Anpassung der
Richtlinien über Tierarzneimittel an den technischen Fortschritt (im folgenden:
Regelungsausschuß) vor.
- 8.
- Nach Artikel 8 Absatz 2 nimmt der Regelungsauschuß zu dem Maßnahmenentwurf
binnen einer Frist Stellung, die sein Vorsitzender entsprechend der Dringlichkeit
der Angelegenheit festsetzen kann. Die Stellungnahme kommt mit qualifizierter
Mehrheit zustande, wobei die Stimmen der Mitgliedstaaten nach Artikel 148 Absatz
2 des Vertrages gewogen werden.
- 9.
- Artikel 8 Absatz 3 lautet:
„a) Die Kommission erläßt die geplanten Maßnahmen, wenn sie der
Stellungnahme des [Regelungs-]Ausschusses entsprechen.
b) Entsprechen die geplanten Maßnahmen der Stellungnahme des Ausschusses
nicht oder ist keine Stellungnahme ergangen, so schlägt die Kommission
dem Rat unverzüglich die zu treffenden Maßnahmen vor. Der Rat
beschließt mit qualifizierter Mehrheit.
c) Hat der Rat nach Ablauf einer Frist von drei Monaten nach seiner
Befassung keinen Beschluß gefaßt, so werden die vorgeschlagenen
Maßnahmen von der Kommission erlassen, es sei denn, daß sich der Rat
mit einfacher Mehrheit gegen diese Maßnahmen ausgesprochen hat.“
Sachverhalt
- 10.
- Die Klägerin ist eine auf Biotechnologie spezialisierte Gesellschaft. Sie ist
insbesondere auf dem pharmazeutischen Sektor tätig.
- 11.
- Ihre pharmazeutische Forschungstätigkeit führte 1994 zur Entwicklung eines
Tierarzneimittels namens „Smoltine“, das bei Lachsen den Wechsel aus dem
Süßwasser ins Salzwasser erleichtern soll. Der pharmakologisch wirksame Stoff von
Smoltine ist Somatosalm, der zur Gattung der Somatotropine gehört.
- 12.
- Am 17. Oktober 1994 reichte die Klägerin einen Antrag auf Aufnahme von
Somatosalm in Anhang II der Verordnung Nr. 2377/90 (im folgenden: Anhang II)
ein.
- 13.
- Nach Formalprüfung des Antrags leitete die Kommission diesen gemäß Artikel 6
Absatz 2 der Verordnung Nr. 2377/90 zur sachlichen Prüfung an den Ausschuß für
Tierarzneimittel weiter.
- 14.
- Mit Schreiben vom 13. April 1995 teilte die Kommission der Klägerin mit, daß der
Ausschuß für Tierarzneimittel ihr empfohlen habe, Somatosalm in Anhang II
aufzunehmen. Außerdem werde dem Regelungsausschuß gemäß Artikel 8 der
Verordnung Nr. 2377/90 ein auf dem Vorschlag des Ausschusses für
Tierarzneimittel beruhender Entwurf der zu treffenden Maßnahme übersandt.
- 15.
- Mit Schreiben vom 31. August 1995 teilte die Kommission der Klägerin mit, daß
sie dem Regelungsausschuß den Entwurf einer Verordnung vorgelegt habe, nach
dem Somatosalm in Anhang II aufgenommen werde; auf der Sitzung dieses
Ausschusses habe sie jedoch Somatosalm in diesem Entwurf wieder gestrichen.
- 16.
- Am 16. Oktober 1995 unterbreitete die Kommission dem Regelungsausschuß einen
neuen Verordnungsentwurf, wonach Somatosalm in Anhang II aufgenommen
werden sollte. Den in diesem Entwurf vorgeschlagenen Maßnahmen stimmte der
Regelungsausschuß jedoch nicht mit qualifizierter Mehrheit zu.
- 17.
- Vier Mitgliedstaaten lehnten nämlich die vorgeschlagenen Maßnahmen ab, da sie
der Auffassung waren, daß die mit der Entscheidung 90/218/EWG des Rates vom
25. April 1990 über die Verabreichung von Rindersomatotropin (BST) (ABl. L 116,
S. 27), zuletzt geändert durch die Entscheidung 94/936/EG des Rates vom 20.
Dezember 1994 (ABl. L 366, S. 19), getroffene Stillhaltevereinbarung bezüglich
Rindersomatotropin mittelbar in Frage gestellt würde, wenn Somatosalm, das
ebenfalls ein Somatotropin sei, in einen der Anhänge der Verordnung Nr. 2377/90
eingereiht würde. Im übrigen enthielten sich bei der fraglichen Abstimmung sechs
Mitgliedstaaten der Stimme.
- 18.
- Mit Einschreiben vom 6. März 1996 forderte die Klägerin die Kommission
ausdrücklich auf, tätig zu werden und „im Einklang mit Artikel 175 des Vertrages
die notwendigen Maßnahmen zu treffen, damit das Verfahren zur Aufnahme von
Somatosalm in ... Anhang II ... unverzüglich fortgesetzt wird“.
- 19.
- Mit Schreiben vom 23. April 1996 unterrichtete die Kommission den Ausschuß für
Tierarzneimittel über ihre Entscheidung, die Einreihung von Somatosalm in
Anhang II bis zum Vorliegen weiterer wissenschaftlicher Erkenntnisse auszusetzen.
Sie legte dar, Somatosalm sei im Regelungsausschuß auf Widerstand gestoßen, da
dieser Stoff als Wachstumsförderungsmittel eingesetzt werden könnte. Sie habe den
Ausschuß für Tierarzneimittel daher um eine zusätzliche Stellungnahme zu der
Frage ersucht, ob eine mißbräuchliche Verwendung dieses Erzeugnisses möglich sei.
- 20.
- Mit Schreiben vom 14. Mai 1996 teilte die Kommission der Klägerin mit, daß sie
beschlossen habe, vor einer Fortsetzung des Verfahrens zur Einreihung von
Somatosalm in einen der Anhänge der Verordnung Nr. 2377/90 diese zusätzliche
Stellungnahme des Ausschusses für Tierarzneimittel einzuholen.
- 21.
- Mit Schreiben vom 27. Juni 1996 antwortete der Ausschuß für Tierarzneimittel auf
das Ersuchen um eine zusätzliche Stellungnahme, er sei aufgrund einer spezifischen
Untersuchung zu dem Ergebnis gelangt, daß die Gefahr einer betrügerischen
Verwendung von Somatosalm als Wachstumsförderungsmittel als inexistent
angesehen werden könne.
- 22.
- Auf diese Antwort hin übermittelte die Kommission dem Rat am 25. September
1996 einen neuen Vorschlag für eine Verordnung, mit der Somatosalm in den
Anhang II aufgenommen werden sollte.
- 23.
- Der Rat entschied über diesen Vorschlag nicht innerhalb der in Artikel 8 Absatz
3 Buchstabe c der Verordnung Nr. 2377/90 vorgesehenen Dreimonatsfrist.
Verfahren und Anträge der Parteien
- 24.
- Die Klägerin hat mit am 8. Juli 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener
Klageschrift die vorliegende Klage erhoben.
- 25.
- Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte Kammer) beschlossen, die
mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.
- 26.
- Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 14. Oktober 1997 mündlich
verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet.
- 27.
- Die Klägerin beantragt,
festzustellen, daß die Kommission pflichtwidrig nicht das Verfahren
fortgesetzt hat, durch das das von ihr hergestellte Somatosalm in das
Verzeichnis der Stoffe, für die keine Höchstmengen für Rückstände gelten,
nach Anhang II aufgenommen werden sollte;
die Kommission zu verurteilen, ihr Schadensersatz zu zahlen, der vorläufig
auf 512 Millionen BFR, mindestens aber 353 Millionen BFR beziffert wird;
der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.
- 28.
- Die Kommission beantragt,
festzustellen, daß sich der Antrag nach Artikel 175 des Vertrages erledigt
hat;
die Anhörung der kreditgebenden Aktionäre der Klägerin anzuordnen;
den Antrag der Klägerin nach den Artikeln 178 und 215 Absatz 2 des
Vertrages abzuweisen;
der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Zum Antrag auf Feststellung einer Untätigkeit
Klagegründe und Vorbringen der Parteien
- 29.
- Die Klägerin erinnert daran, daß sie am 17. Oktober 1994 bei der Kommission die
Aufnahme von Somatosalm in Anhang II beantragt habe. Zu dem am 16. Oktober
1995 von der Kommission vorgelegten Maßnahmenentwurf, wonach Somatosalm
in Anhang II habe aufgenommen werden sollen, habe der Regelungsausschuß keine
zustimmende Stellungnahme abgegeben.
- 30.
- Die Klägerin beruft sich auf Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung Nr.
2377/90, wonach die Kommission dem Rat unverzüglich die zu treffenden
Maßnahmen vorschlagen müsse, wenn die geplanten Maßnahmen der
Stellungnahme des Ausschusses nicht entsprächen oder keine Stellungnahme
ergangen sei.
- 31.
- Bis zum Tag der Einreichung der Klage am 8. Juli 1996 habe die Kommission
jedoch dem Rat einen solchen Vorschlag noch nicht vorgelegt. Sie habe es daher
rechtswidrig unterlassen, das Verfahren zur Aufnahme von Somatosalm in Anhang
II fortzusetzen. Auch wenn die Kommission dem Rat schließlich am 25. September
1996 einen Verordnungsvorschlag vorgelegt habe, sei sie doch elf Monate lang
untätig geblieben.
- 32.
- Die Klägerin übersehe nicht, daß die Kommission den Ausschuß für
Tierarzneimittel mit Schreiben vom 23. April 1996 um eine zusätzliche
Stellungnahme über die Möglichkeit der Verwendung von Somatosalm als
Wachstumsförderungsmittel ersucht habe. Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe b der
Verordnung Nr. 2377/90 sehe jedoch keinesfalls vor, daß die Kommission beim
Ausschuß für Tierarzneimittel eine zusätzliche Stellungnahme anfordern dürfe.
- 33.
- Jedenfalls sei die Kommission bei ihren weiteren Schritten nicht sorgfältig
vorgegangen. Das Fehlen einer Stellungnahme des Regelungsausschusses sei am 16.
Oktober 1995 festgestellt worden, während die zusätzliche Stellungnahme des
Ausschusses für Tierarzneimittel erst am 23. April 1996, also nach sechsmonatiger
Untätigkeit, angefordert worden sei. Dieser Untätigkeitszeitraum sei jedenfalls nicht
mit der Verpflichtung zum „unverzüglichen“ Tätigwerden nach Artikel 8 Absatz 3
Buchstabe b der Verordnung Nr. 2377/90 vereinbar.
- 34.
- Die Kommission habe somit pflichtwidrig nicht das Verfahren fortgesetzt, durch das
das von der Klägerin hergestellte Somatosalm in das Verzeichnis der Stoffe, für die
keine Höchstmengen für Rückstände gälten, nach Anhang II habe aufgenommen
werden sollen. Der Antrag auf Feststellung einer Untätigkeit sei daher begründet.
- 35.
- Die Kommission sieht den Antrag auf Feststellung einer Untätigkeit als erledigt an.
- 36.
- Sie führt aus, sie habe dem Rat am 25. September 1996 einen
Verordnungsvorschlag zur Aufnahme von Somatosalm in Anhang II übermittelt.
Damit habe sie die von der Klägerin begehrten Maßnahmen vor Erlaß des Urteils
getroffen. Dementsprechend sei der Antrag auf Feststellung einer Untätigkeit
gegenstandslos geworden, d. h. er habe sich erledigt (Urteil des Gerichtshofes vom
12. Juli 1988 in der Rechtssache 377/87, Parlament/Rat, Slg. 1988, 4017,
Randnr. 10).
- 37.
- Hilfsweise trägt die Kommission vor, der Antrag auf Feststellung einer Untätigkeit
sei unbegründet.
- 38.
- Zwar sei sie nach Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2377/90
verpflichtet, eine gewisse Sorgfalt walten zu lassen. Diese Verpflichtung sei jedoch
auf die übrigen Verpflichtungen aus der Verordnung abzustimmen, insbesondere
mit derjenigen aus Artikel 15, wonach „[d]iese Verordnung ... der Anwendung
gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften über das Verbot bestimmter Stoffe mit
hormonaler Wirkung in der Tierhaltung in keiner Weise entgegen[steht]“.
- 39.
- Somatosalm sei ein Somatotropin der gleichen Gattung wie Rindersomatotropin,
für dessen Inverkehrbringen und Vermarktung eine Stillhaltevereinbarung gelte.
Aufgrund dieser Stillhaltevereinbarung und deren stillschweigender Infragestellung
für den Fall, daß ein weiteres Somatotropin auf dem Markt der Gemeinschaft in
Erscheinung trete, hätten sich mehrere Mitgliedstaaten im Regelungsausschuß
grundsätzlich der Einreihung von Somatosalm in einen der Anhänge der
Verordnung Nr. 2377/90 widersetzt.
- 40.
- Mit Rücksicht auf dieses von den Mitgliedstaaten angesprochene Risiko und auf
Artikel 15 der Verordnung Nr. 2377/90 habe sie sich auch ohne ein in dieser
Verordnung ausdrücklich vorgesehenes Verfahren dazu entschlossen, erneut den
Ausschuß für Tierarzneimittel anzurufen. Aufgrund von dessen zweiter
Stellungnahme habe sie alle Zweifel über die streitige Frage ausräumen und damit
die Arbeiten des Rates in bezug auf die Einreihung von Somatosalm in Anhang II
erheblich erleichtern können.
Würdigung durch das Gericht
- 41.
- Nach ständiger Rechtsprechung beruht die in Artikel 175 eröffnete
Klagemöglichkeit auf der Vorstellung, daß die rechtswidrige Untätigkeit des
Europäischen Parlaments, des Rates oder der Kommission es den übrigen Organen
und den Mitgliedstaaten sowie in einem Fall wie dem vorliegenden einzelnen
ermöglicht, den Gerichtshof oder das Gericht anzurufen, um deren Feststellung zu
erwirken, daß die Unterlassung, soweit das betroffene Organ sie nicht abgestellt
hat, gegen den Vertrag verstößt. Diese Feststellung hat nach Artikel 176 EG-Vertrag zur Folge, daß das beklagte Organ die sich aus dem Urteil des
Gerichtshofes oder des Gerichts ergebenden Maßnahmen treffen muß; daneben
kann sie zu Klagen aus außervertraglicher Haftung Anlaß geben (Urteil des
Gerichtshofes vom 24. November 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-15/91
und C-108/91, Buckl u. a./Kommission, Slg. 1992, I-6061, Randnr. 14, und Urteil des
Gerichts vom 18. September 1992 in der Rechtssache T-28/90, Asia Motor France
u. a./Kommission, Slg. 1992, II-2285, Randnr. 36).
- 42.
- Ist die Handlung, deren Unterlassung Gegenstand des Rechtsstreits ist, nach Ablauf
der Frist von zwei Monaten nach der Aufforderung zum Tätigwerden, aber vor
Verkündung des Urteils vorgenommen worden, so kann eine die Rechtwidrigkeit
der ursprünglichen Unterlassung feststellende Entscheidung des Gerichtshofes oder
des Gerichts die in Artikel 176 bezeichneten Rechtsfolgen nicht mehr auslösen. In
einem solchen Fall ist der Rechtsstreit daher ebenso gegenstandslos geworden wie
wenn das beklagte Organ der Aufforderung, tätig zu werden, innerhalb der
Zweimonatsfrist entsprochen hat (siehe in diesem Sinne die genannten Urteile,
Randnrn. 15 bzw. 37).
- 43.
- Außerdem kann eine Handlung, die nicht mit der Nichtigkeitsklage angefochten
werden kann, unter bestimmten Umständen doch eine die Untätigkeit beendende
Stellungnahme darstellen, wenn sie notwendige Voraussetzung für die
Durchführung eines Verfahrens ist, das grundsätzlich zu einer ihrerseits mit der
Nichtigkeitsklage anfechtbaren Rechtshandlung führen soll (Urteile des
Gerichtshofes vom 27. September 1988 in der Rechtssache 302/87, Parlament/Rat,
Slg. 1988, 5615, Randnr. 16, und des Gerichts vom 27. Juni 1995 in der Rechtssache
T-186/94, Guérin automobiles/Kommission, Slg. 1995, II-1753, Randnr. 25).
- 44.
- Im vorliegenden Fall ist festzustellen, daß die Kommission dem Rat am 25.
September 1996 einen Verordnungsvorschlag zur Aufnahme von Somatosalm in
Anhang II übermittelt hat. Damit hat sie vor Verkündung des Urteils zu der
Aufforderung, tätig zu werden, Stellung genommen.
- 45.
- Unter diesen Umständen hat sich der Antrag auf Feststellung einer Untätigkeit
erledigt.
Zum Schadensersatzantrag
Vorbemerkungen
- 46.
- Nach Artikel 215 Absatz 2 des Vertrages ersetzt die Gemeinschaft im Bereich der
außervertraglichen Haftung den durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung
ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen,
die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind.
- 47.
- Nach ständiger Rechtsprechung ist Voraussetzung für die außervertragliche
Haftung der Gemeinschaft, daß ein Tatbestand erfüllt ist, dessen Merkmale die
Rechtswidrigkeit des dem Gemeinschaftsorgan vorgeworfenen Verhaltens, das
Vorliegen eines Schadens und das Bestehen eines ursächlichen Zusammenhangs
zwischen diesem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden sind (vgl. z. B.
Urteil des Gerichtshofes vom 7. Mai 1992 in den verbundenen Rechtssachen
C-258/90 und C-259/90, Pesquerias de Bermeo und Naviera Laida/Kommission, Slg.
1992, I-2901, Randnr. 42, und Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 1995 in den
verbundenen Rechtssachen T-481/93 und T-484/93, Exporteurs in Levende Varkens
u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2941, Randnr. 80).
- 48.
- Im vorliegenden Fall ist vor allem die Voraussetzung des Vorliegens eines
rechtswidrigen Verhaltens zu prüfen.
Zum Vorliegen eines rechtswidrigen Verhaltens der Kommission
Argumente der Parteien
Zur Haftungsregelung
- 49.
- Die Kommission beruft sich auf zwei Urteile des Gerichts vom 14. September 1995
in der Rechtssache T-571/93 (Lefebvre u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2379) und
vom 18. September 1995 in der Rechtssache T-167/94 (Nölle/Rat und Kommission,
Slg. 1995, II-2589, Randnr. 52) und macht geltend, soweit sich die angebliche
Untätigkeit, die den Schaden verursacht haben solle, auf die Vorlage eines
Verordnungsentwurfs beziehe, müsse die Klägerin das Vorliegen eines hinreichend
qualifizierten Verstoßes gegen eine höherrangige, den einzelnen schützende
Rechtsnorm nachweisen.
- 50.
- Die Klägerin stellt nicht in Frage, daß sie das Vorliegen eines solchen Verstoßes
nachzuweisen hat.
Zum Vorliegen eines Verstoßes gegen eine höherrangige, den einzelnen
schützende Rechtsnorm
- 51.
- Nach Ansicht der Klägerin hat die Kommission gegen zwei höherrangige, den
einzelnen schützende Rechtsnormen verstoßen, und zwar zum einen gegen die
Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und zum anderen
gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung.
- 52.
- Sie weist darauf hin, daß nach den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des
Vertrauensschutzes die Anwendung einer Rechtsvorschrift auf einen bestimmten
Sachverhalt vorhersehbar sein müsse (Urteile des Gerichtshofes vom 6. April 1962
in der Rechtssache 13/61, Kledingverkoopbedrijf de Geus en Uitdenbogerd, Slg.
1962, 99, und vom 5. Juni 1973 in der Rechtssache 81/72, Kommission/Rat, Slg.
1973, 575). Im vorliegenden Fall habe sie von der Kommission erwarten können,
daß sie das in der Verordnung Nr. 2377/90 vorgesehene Verfahren ordnungsgemäß
durch „unverzügliche“ Vorlage eines Vorschlags über die zu treffenden
Maßnahmen an den Rat anwende, da der Regelungsausschuß am 16. Oktober 1995
keine den von der Kommission geplanten Maßnahmen entsprechende
Stellungnahme abgegeben habe.
- 53.
- Nach dem 16. Oktober 1995 habe die Kommission jedoch sechs Monate lang,
nämlich bis zum 23. April 1996, an dem sie vom Ausschuß für Tierarzneimittel
zusätzliche Informationen angefordert habe, nichts für den Fortgang des Verfahrens
unternommen. Unter diesen Umständen habe sie gegen die Grundsätze der
Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verstoßen.
- 54.
- Die Kommission habe auch den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung
verletzt, denn sie hätte sich schon bei der Vorlage ihres ersten Entwurfs über zu
treffende Maßnahmen an den Regelungsausschuß alle ihrer Ansicht nach
erforderlichen Informationen verschaffen müssen, da die Stillhaltevereinbarung
bezüglich Rindersomatotropin zu diesem Zeitpunkt bereits bestanden habe.
- 55.
- Gegen diesen Grundsatz, der von einem Gemeinschaftsorgan ein sorgfältiges und
wirksames Handeln verlange, verstoße auch die grundlose Untätigkeit der
Kommission während der sechs Monate vom 16. Oktober 1995 bis zum 23. April
1996.
- 56.
- Die Kommission vertritt die Auffassung, sie habe das Verfahren der Verordnung
Nr. 2377/90 ordnungsgemäß angewandt. Demgemäß habe sie nicht gegen den
Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen. Schlösse man sich den Argumenten
der Klägerin an, so würde jeder Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung den
Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzen, weil ein einzelner stets erwarten
könne, daß die Gemeinschaftsorgane das Gemeinschaftsrecht befolgten.
- 57.
- Nach der Rechtsprechung könne sich auf den Schutz berechtigten Vertrauens jeder
einzelne berufen, der sich in einer Situation befinde, aus der sich ergebe, daß die
Gemeinschaftsverwaltung ihm bestimmte Zusicherungen gegeben und dadurch bei
ihm begründete Erwartungen geweckt habe (Urteil des Gerichts vom 16. Oktober
1996 in der Rechtssache T-336/94, Efisol/Kommission, Slg. 1996, II-1343, Randnr.
31). Die Klägerin habe jedoch nicht dargelegt, worin diese „bestimmten
Zusicherungen“ im vorliegenden Fall bestünden.
- 58.
- Zum angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung
führt die Kommission aus, sie habe den Ausschuß für Tierarzneimittel um einezusätzliche Stellungnahme ersucht, als Zweifel daran aufgekommen seien, ob die
Aufnahme von Somatosalm in Anhang II die Stillhaltevereinbarung bezüglich
Rindersomatotropin in Frage stellen könnte. Diese zweite Anforderung einer
Stellungnahme des Ausschusses für Tierarzneimittel sei gerade nach dem Grundsatz
der ordnungsgemäßen Verwaltung geboten gewesen. Wenn nämlich im Laufe des
in der Verordnung Nr. 2377/90 vorgesehenen Verfahrens gewisse Zweifel an der
Rechtmäßigkeit der fraglichen Handlung entstünden, sei sie verpflichtet, diesen
Zweifeln Rechnung zu tragen. Im übrigen könne die im Grundsatz der
ordnungsgemäßen Verwaltung verankerte Sorgfaltspflicht nicht so weit gehen, daß
danach ein Organ deshalb haftbar sein könne, weil es nicht von Beginn eines
Verfahrens an den gesamten Akteninhalt berücksichtigt habe.
- 59.
- Die Kommission bezieht sich auf das Urteil des Gerichtshofes vom 5. Dezember
1978 in der Rechtssache 14/78 (Denkavit/Kommission, Slg. 1978, 2497), in der die
Klägerin ihr vorgeworfen habe, unter Umständen, die mit denen des vorliegenden
Falles vergleichbar seien, bis zum Ergreifen von Maßnahmen 21 Monate
zugewartet zu haben. In diesem Urteil (Randnr. 20) habe der Gerichtshof
ausgeführt, daß ihr kein Vorwurf daraus gemacht werden könne, daß sie eine
Entscheidung in einem so komplexen Bereich wie dem der Stoffe in Futtermitteln,
die sich unter dem Gesichtspunkt der menschlichen oder tierischen Gesundheit als
unerwünscht erweisen könnten, so lange aufgeschoben habe, bis sie vollständig
unterrichtet gewesen sei.
- 60.
- Das Gericht müsse sich ein Bild von sämtlichen Vor- und Nachteilen machen, die
sich für die Wirtschaftsteilnehmer aus den Handlungen oder Unterlassungen der
Gemeinschaftsorgane ergäben. Im vorliegenden Fall habe sie dadurch, daß sie den
Ausschuß für Tierarzneimittel ein zweites Mal konsultiert habe, den Erlaß der
Verordnung, mit der Somatosalm in Anhang II aufgenommen worden sei,
tatsächlich erheblich erleichtert.
- 61.
- Unter diesen Umständen habe sie weder gegen die Grundsätze der
Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes noch gegen den Grundsatz der
ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen.
Würdigung durch das Gericht
- 62.
- Die Parteien sind sich darin einig, daß die Haftung der Gemeinschaft im
vorliegenden Fall nur ausgelöst sein kann, wenn der Beweis für einen hinreichend
qualifizierten Verstoß der Kommission gegen eine den einzelnen schützende
Rechtsnorm erbracht ist, da sich die angebliche Untätigkeit auf einen
Rechtsetzungsakt bezieht.
Zum Vorliegen eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und
des Vertrauensschutzes
- 63.
- Der Grundsatz der Rechtssicherheit soll u. a. gewährleisten, daß die unter das
Gemeinschaftsrecht fallenden Tatbestände und Rechtsbeziehungen vorhersehbar
sind (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Februar 1996 in der Rechtssache C-63/93,
Duff u. a., Slg. 1996, I-569, Randnr. 20, und Urteil des Gerichts vom 21. Oktober
1997 in der Rechtssache T-229/94, Deutsche Bahn/Kommission, Slg. 1997, II-0000,
Randnr. 113).
- 64.
- Jeder einzelne, bei dem ein Gemeinschaftsorgan begründete Erwartungen geweckt
hat, kann sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen (Urteil des
Gerichts vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache T-489/93, Unifruit
Hellas/Kommission, Slg. 1994, II-1201, Randnr. 51). Dagegen kann niemand einen
Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes geltend machen, wenn die
Verwaltung keine bestimmten Zusicherungen gemacht hat (Urteil des Gerichts vom
11. Dezember 1996 in der Rechtssache T-521/93, Atlanta u. a./EWG, Slg. 1996,
II-1707, Randnr. 57).
- 65.
- Im vorliegenden Fall ist festzustellen, daß Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe b der
Verordnung Nr. 2377/90 nicht genau festlegt, innerhalb welcher Frist die
Kommission dem Rat die zu treffenden Maßnahmen vorschlagen muß. Vielmehr
gebietet der Gemeinschaftsgesetzgeber der Kommission mit der Verwendung des
Ausdrucks „unverzüglich“ zwar ein zügiges Handeln, läßt ihr jedoch einen gewissen
Spielraum.
- 66.
- Daher ist der anwendbaren Regelung nicht zu entnehmen, daß die Frist, innerhalb
deren die Kommission handeln mußte, genau vorhersehbar gewesen wäre und daß
der Klägerin in bezug auf diese Frist bestimmte Zusicherungen gemacht worden
wären.
- 67.
- Im übrigen hat die Kommission zwar elf Monate gebraucht, bis sie dem Rat am 25.
September 1996 einen Vorschlag über die zu treffenden Maßnahmen vorgelegt hat;
richtig ist jedoch auch, daß sie am 23. April 1996 den Ausschuß für Tierarzneimittel
um eine zusätzliche Stellungnahme ersucht hat.
- 68.
- Da sich einige Mitgliedstaaten der Aufnahme von Somatosalm in Anhang II
widersetzt hatten, da sie befürchteten, daß dieser Stoff als
Wachstumsförderungsmittel verwendet werden könnte, kann der Kommission kein
Vorwurf daraus gemacht werden, daß sie die Angelegenheit eine bestimmte Zeit
lang überprüft und anschließend den Ausschuß für Tierarzneimittel um eine
zusätzliche Stellungnahme ersucht hat.
- 69.
- Der Kommission ist nämlich bei der Befassung mit einer wissenschaftlich und
politisch sehr komplexen und delikaten Angelegenheit das Recht, eine solche
Stellungnahme einzuholen, auch dann zuzugestehen, wenn die Verordnung Nr.
2377/90 zu diesem Punkt schweigt.
- 70.
- Im übrigen war es der Kommission, wie sie zu Recht ausgeführt hat, aufgrund der
eingeholten zusätzlichen Stellungnahme möglich, jeden Zweifel über die Frage
auszuräumen, ob Somatosalm als Wachstumsförderungsmittel verwendet werden
könnte. Damit hat sie die Arbeiten des Rates erheblich erleichtert, der sich nach
Kenntnisnahme von der zusätzlichen Stellungnahme des Ausschusses für
Tierarzneimittel der Einreihung von Somatosalm in Anhang II nicht widersetzt hat.
- 71.
- Letztlich hat die Kommission durch die Anforderung einer zusätzlichen
Stellungnahme am 23. April 1996, gerechnet ab dem 16. Oktober 1995, an dem der
Regelungsausschuß eine den von ihr geplanten Maßnahmen nicht entsprechende
Stellungnahme abgab, nur sechs Monate lang keine Entscheidung getroffen.
- 72.
- Unter diesen Umständen hat die Kommission weder gegen den Grundsatz der
Rechtssicherheit noch gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, und zwar erst
recht nicht in qualifizierter Art und Weise, verstoßen.
Zum Vorliegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen
Verwaltung
- 73.
- Fraglich ist, ob ein Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen
Verwaltung vorliegt, soweit die Kommission nicht schon bei der Vorlage ihres
ersten Entwurfs über zu treffende Maßnahmen an den Regelungsausschuß
zusätzliche Informationen beim Ausschuß für Tierarzneimittel angefordert hat.
Außerdem stellt sich die Frage, ob die Kommission dadurch gegen den Grundsatz
der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen hat, daß sie eine zusätzliche
Stellungnahme sechs Monate nach dem 16. Oktober 1995, an dem der
Regelungsausschuß eine den geplanten Maßnahmen nicht entsprechende
Stellungnahme abgab, angefordert hat.
- 74.
- Insoweit ergibt sich aus den Akten, daß die Kommission den Ausschuß für
Tierarzneimittel deshalb zunächst nicht um zusätzliche Informationen ersucht hat,
weil sie noch nicht vorhersah, daß sich Vertreter der Mitgliedstaaten unter Hinweis
auf die Stillhaltevereinbarung bezüglich Rindersomatotropin der Aufnahme von
Somatosalm in Anhang II widersetzen würden.
- 75.
- Sie konnte nämlich ursprünglich davon ausgehen, daß diese Aufnahme von
Somatosalm nicht auf ernsten Widerstand treffen würde, da die
Stillhaltevereinbarung bezüglich Rindersomatotropin nur Rindersomatotropin und
nicht andere Somatotropine betraf.
- 76.
- Als im weiteren Verfahrensverlauf zutage trat, daß Vertreter der Mitgliedstaaten
eine Verbindung zwischen der Stillhaltevereinbarung und Somatosalm herstellten,
hat die Kommission nach angemessener Überlegungsfrist den Ausschuß für
Tierarzneimittel um eine zusätzliche Stellungnahme ersucht.
- 77.
- Unter diesen Umständen zeugen die Argumentation der Kommission und die von
ihr unternommenen Schritte keineswegs von einer unangemessenen Behandlung der
Angelegenheit durch sie.
- 78.
- Demnach liegt kein Verstoß der Kommission gegen den Grundsatz der
ordnungsgemäßen Verwaltung vor, durch den die Haftung der Gemeinschaft
ausgelöst sein könnte.
Ergebnis
- 79.
- Nach alledem hat die Klägerin die Erfüllung der Voraussetzung, daß sich die
Kommission rechtswidrig verhalten hat, nicht nachgewiesen.
- 80.
- Demgemäß ist der Schadensersatzantrag als unbegründet zurückzuweisen, ohne daß
geprüft werden muß, ob die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Schadens und
eines Kausalzusammenhangs erfüllt sind.
- 81.
- Infolgedessen ist dem Antrag der Kommission, die Anhörung der kreditgebenden
Aktionäre der Klägerin anzuordnen, nicht stattzugeben.
Kosten
Hinsichtlich des Antrags auf Feststellung einer Untätigkeit
- 82.
- Nach Artikel 87 § 6 der Verfahrensordnung entscheidet das Gericht, wenn es die
Hauptsache für erledigt erklärt, über die Kosten nach freiem Ermessen.
- 83.
- Im vorliegenden Fall ist die Art und Weise, in der die Kommission die
Angelegenheit bearbeitet hat, nicht zu beanstanden. Die Kosten sind daher der
Klägerin aufzuerlegen.
Hinsichtlich des Schadensersatzantrags
- 84.
- Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag
zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem
Schadensersatzbegehren unterlegen ist, sind ihr auf den entsprechenden Antrag der
Kommission die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Dritte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Dem Antrag der Kommission auf Anhörung wird nicht stattgegeben.
2. Der Antrag auf Feststellung einer Untätigkeit hat sich erledigt.
3. Der Schadensersatzantrag wird als unbegründet zurückgewiesen.
4. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. Februar 1998.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
B. Vesterdorf