Language of document :

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 19. September 2024(1)

Rechtssache C253/23

ASG 2 Ausgleichsgesellschaft für die Sägeindustrie Nordrhein-Westfalen GmbH

gegen

Land Nordrhein-Westfalen

Beteiligte:

Otto Fuchs Beteiligungen KG,

Bundeskartellamt

(Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Dortmund)

„ Vorlage zur Vorabentscheidung – Wettbewerb – Schadensersatzklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen Wettbewerbsregeln – Richtlinie 2014/104/EU – Gebündelte Einziehung von Schadensersatzansprüchen – Wirksamkeit von Abtretungen an einen Rechtsdienstleister – Unanwendbarkeit des nationalen Rechts, das der Wirksamkeit solcher Abtretungen entgegensteht “






I.      Einleitung

1.        Das Auftreten gerichtlicher Akteure, deren Zweck es ist, Vermögenswerte zusammenzufassen, die auf Entschädigungsansprüche wegen Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Union gestützt werden, stellt kein gänzlich neues Phänomen dar(2). Die vorliegende Rechtssache bietet dem Gerichtshof jedoch die erstmalige Gelegenheit, über die Unionsrechtskonformität eines Verbots der Einziehung von Kartellschadensersatzforderungen durch solche gerichtlichen Akteure mittels eines Abtretungsmodells zu entscheiden. Im Einzelnen geht es um die Vereinbarkeit eines solchen Verbots mit Art. 101 AEUV, der Richtlinie 2014/104/EU(3) und Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

2.        Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104 sieht vor:

„In dieser Richtlinie sind bestimmte Vorschriften festgelegt, die erforderlich sind, um zu gewährleisten, dass jeder, der einen durch eine Zuwiderhandlung eines Unternehmens oder einer Unternehmensvereinigung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schaden erlitten hat, das Recht, den vollständigen Ersatz dieses Schadens von diesem Unternehmen oder dieser Unternehmensvereinigung zu verlangen, wirksam geltend machen kann. In dieser Richtlinie sind Vorschriften festgelegt, mit denen der unverfälschte Wettbewerb im Binnenmarkt gefördert und Hindernisse für sein reibungsloses Funktionieren beseitigt werden, indem in der ganzen Union ein gleichwertiger Schutz für jeden gewährleistet wird, der einen solchen Schaden erlitten hat.“

3.        In Art. 2 dieser Richtlinie heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

4.      ‚Schadensersatzklage‘ eine Klage nach nationalem Recht, mit der ein Schadensersatzanspruch vor einem nationalen Gericht von einem mutmaßlich Geschädigten, von jemandem im Namen eines mutmaßlich Geschädigten oder mehrerer mutmaßlich Geschädigter – sofern diese Möglichkeit im Unionsrecht oder im nationalen Recht vorgesehen ist – oder von einer natürlichen oder juristischen Person, die in die Rechte und Pflichten des mutmaßlich Geschädigten eingetreten ist, einschließlich der Person, die den Anspruch erworben hat, geltend gemacht wird;

…“

4.        Art. 3 („Recht auf vollständigen Schadensersatz“) Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass jede natürliche oder juristische Person, die einen durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schaden erlitten hat, den vollständigen Ersatz dieses Schadens verlangen und erwirken kann.“

5.        Art. 4 („Effektivitäts- und Äquivalenzgrundsatz“) derselben Richtlinie lautet:

„Im Einklang mit dem Effektivitätsgrundsatz gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass alle nationalen Vorschriften und Verfahren für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen so gestaltet sind und so angewandt werden, dass sie die Ausübung des Unionsrechts auf vollständigen Ersatz des durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schadens nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Im Einklang mit dem Äquivalenzgrundsatz dürfen nationale Vorschriften und Verfahren für Klagen auf Ersatz des Schadens, der aus Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 AEUV entsteht, für mutmaßlich Geschädigte nicht weniger günstig sein als die Vorschriften und Verfahren für ähnliche Klagen auf Ersatz des Schadens, der aus Zuwiderhandlungen gegen nationales Recht entsteht.“

6.        Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass eine in einer bestandskräftigen Entscheidung einer nationalen Wettbewerbsbehörde oder einer Rechtsmittelinstanz festgestellte Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht für die Zwecke eines Verfahrens über eine Klage auf Schadensersatz nach Artikel 101 oder 102 AEUV oder nach nationalem Wettbewerbsrecht vor einem ihrer nationalen Gerichte als unwiderlegbar festgestellt gilt.“

B.      Deutsches Recht

7.        In § 1 Abs. 1 des Gesetzes über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen vom 12. Dezember 2007(4) in der Fassung des Gesetzes vom 10. März 2023(5) (im Folgenden: RDG) heißt es:

„Dieses Gesetz regelt die Befugnis, in der Bundesrepublik Deutschland außergerichtliche Rechtsdienstleistungen zu erbringen. Es dient dazu, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen.“

8.        § 2 RDG („Begriff der Rechtsdienstleistung“) bestimmt:

„(1)      Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.

(2)      Rechtsdienstleistung ist, unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1, die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird, einschließlich der auf die Einziehung bezogenen rechtlichen Prüfung und Beratung (Inkassodienstleistung). Abgetretene Forderungen gelten für den bisherigen Gläubiger nicht als fremd.

…“

9.        § 3 RDG („Befugnis zur Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen“) lautet:

„Die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen ist nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird.“

10.      § 10 RDG sieht insbesondere vor:

„(1)      Natürliche und juristische Personen sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die bei der zuständigen Behörde registriert sind (registrierte Personen), dürfen aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen in folgenden Bereichen erbringen:

1.      Inkassodienstleistungen …“

11.      § 11 RDG („Besondere Sachkunde, Berufsbezeichnungen“) Abs. 1 sieht vor:

„Inkassodienstleistungen erfordern besondere Sachkunde in den für die beantragte Inkassotätigkeit bedeutsamen Gebieten des Rechts, insbesondere des Bürgerlichen Rechts, des Handels‑, Wertpapier- und Gesellschaftsrechts, des Zivilprozessrechts einschließlich des Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrechts sowie des Kostenrechts.“

12.      § 12 RDG legt die Voraussetzungen für die Registrierung und die Verordnungsermächtigung fest. Darin wird die theoretische und praktische Sachkunde für den Bereich des § 10 Abs. 1 erwähnt.

13.      Gemäß den §§ 2 und 4 der Rechtsdienstleistungsverordnung(6) kann der Nachweis der nach § 12 RDG erforderlichen theoretischen Sachkunde unter anderem aus einem Zeugnis über einen erfolgreich abgeschlossenen Sachkundelehrgang von mindestens 120 Zeitstunden bestehen, der geeignet ist, alle für die Registrierung gem. § 10 RDG erforderlichen Kenntnisse zu vermitteln.

III. Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits, Verfahren vor dem Gerichtshof und Vorlagefragen

14.      Am 31. März 2020 machte die ASG 2 Ausgleichsgesellschaft für die Sägeindustrie Nordrhein-Westfalen GmbH (im Folgenden: ASG 2) beim vorlegenden Gericht, dem Landgericht Dortmund, im Klagewege Ansprüche geltend, die ihr 32 Sägewerke mit Sitz in Deutschland, Belgien und Luxemburg abgetreten hatten. ASG 2 begehrt Kartellschadensersatz. In diesem Verfahren wird dem Land Nordrhein-Westfalen (Deutschland) vorgeworfen, unter Verstoß gegen Art. 101 AEUV mindestens im Zeitraum vom 28. Juni 2005 bis zum 30. Juni 2019 die Preise für Nadelstammholz (im Folgenden: Rundholz) für sich und andere Waldbesitzer in diesem Bundesland vereinheitlicht zu haben.

15.      Das vorlegende Gericht erläutert, dass das Bundeskartellamt wegen dieser Vorgehensweise vor Erhebung der Klage im Ausgangsverfahren ermittelt habe. Im Jahr 2009 erließ das Bundeskartellamt auf der Grundlage von § 32b des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (im Folgenden: GWB) eine auf deutsches Recht und Art. 101 AEUV gestützte Verpflichtungszusagenentscheidung gegen das Land Nordrhein-Westfalen sowie gegen andere Bundesländer, die in ähnlicher Weise am Vertrieb von Rundholz beteiligt waren (im Folgenden: Verpflichtungszusagenentscheidung von 2009).

16.      Im Jahr 2012 leitete das Bundeskartellamt gegen das Land Baden-Württemberg (Deutschland) eine weitere Untersuchung über die Verhältnisse auf dem betreffenden Markt ein. Auf der Grundlage der hieraus resultierenden Erkenntnisse erließ das Bundeskartellamt eine Aufhebung der Verpflichtungszusagenentscheidung von 2009 und erließ eine Abstellungsverfügung nach § 32 GWB, die dann allerdings im weiteren Verlauf durch den Bundesgerichtshof aufgehoben wurde. Gegenüber dem Land Nordrhein-Westfalen existiert keine weitere Entscheidung außer der Verpflichtungszusagenentscheidung von 2009.

17.      Die betroffenen Sägewerke fordern nun vom Land Nordrhein-Westfalen den Ersatz des Schadens, der ihnen seit dem 28. Juni 2005 durch die kartellbedingt vermeintlich überhöhten Preise entstanden sei, zu denen sie Rundholz aus Nordrhein-Westfalen gekauft hätten.

18.      Jedes der betroffenen Sägewerke beauftragte die ASG 2 mit der Durchsetzung seines Schadensersatzanspruchs, welchen es zu diesem Zweck an die ASG 2 abtrat. Die ASG 2 verfügt als sogenannte Rechtsdienstleisterin im Sinne des RDG über eine Zulassung nach diesem Gesetz.

19.      Die ASG 2 machte die Ansprüche der Zedenten im eigenen Namen und auf eigene Kosten, aber für Rechnung der Zedenten gebündelt geltend, und zwar zunächst außergerichtlich und anschließend anwaltlich vertreten vor dem vorlegenden Gericht.

20.      Die Kartellschadensersatzforderung soll auf mehreren hunderttausend einzelnen Rundholzbezügen der betroffenen Sägewerke beruhen. Für jeden einzelnen Zedenten seien Rundholzbezüge in vier- bis fünfstelliger Anzahl zu verzeichnen. Im Gegenzug versprachen die Zedenten der ASG 2 für den Erfolgsfall ein Honorar.

21.      Das Land Nordrhein-Westfalen wendet sich gegen die Klage und stellt sowohl die Begründetheit als auch die Aktivlegitimation der ASG 2 in Abrede. Denn die Abtretungen an die ASG 2 seien unter Verstoß gegen das RDG erfolgt und daher nach deutschem Recht nichtig.

22.      Das vorlegende Gericht scheint sich der Auffassung des Landes Nordrhein-Westfalen anzuschließen und die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Abtretungen nach deutschem Recht für nichtig zu halten.

23.      Das Gericht erläutert nämlich, dass nach deutschem Recht die Ansprüche von Einzelpersonen durch sogenannte Abtretungsmodelle – auch als Sammelklage‑Inkasso bezeichnet – gebündelt und dann im Klagewege geltend gemacht werden könnten. Bei diesem Modell träten vermeintlich Geschädigte ihre mutmaßlichen Forderungen an einen nach dem RDG zugelassenen Rechtsdienstleister ab, der diese gebündelt im eigenen Namen und auf eigene Kosten für Rechnung der Zedenten gegen eine Erfolgsprovision geltend mache.

24.      Das Sammelklage‑Inkasso werde durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in verschiedenen Rechtsbereichen, nämlich im Mietrecht, bei der Geltendmachung von Fluggastrechten sowie bei Schadensersatzklagen im Rahmen des sogenannte Diesel‑/Abgasskandals akzeptiert.

25.      Der Bundesgerichtshof habe noch nicht die Gelegenheit gehabt, sich zur Problematik der Zulässigkeit eines Sammelklage‑Inkassos im speziellen Kontext des Kartellschadensersatzes zu äußern. Hingegen werde eine solche Klage von der Instanzrechtsprechung in diesem speziellen Zusammenhang für unzulässig gehalten, insbesondere wenn es sich um Stand-alone-Fälle handele, die unabhängig von etwaigen Feststellungen der Wettbewerbsbehörden seien.

26.      Denn nach Ansicht dieser Instanzgerichte sei der Kartellschadensersatz besonders komplex und berge die Gefahr von Interessenkonflikten. Zudem seien die Inkassoanbieter, die in den Anwendungsbereich des RDG fielen, trotz der gesetzlichen Verpflichtung, ihre Sachkunde nachzuweisen, nur selten Experten auf diesem Gebiet.

27.      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts sind diese Merkmale des Kartellschadensersatzes im Rahmen einer Stand-alone-Klage besonders wichtig. Denn ohne die Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht erfordere eine solche Klage die Prüfung zahlreicher, nicht in erster Linie dem Zivilrecht zuzuordnender Aspekte, die „nicht mühelos und direkt in einem ersten Anlauf zu bewältigen“ seien.

28.      Ohne die Feststellung einer Zuwiderhandlung überschreite die Inanspruchnahme eines Sammelklage‑Inkassos für Kartellschadensersatz somit deutlich die Grenze der außergerichtlichen Tätigkeiten, die unter den Begriff der „Inkassodienstleistungen“ des § 2 Abs. 2 RDG fallen könnten, nämlich die auf eine Einziehung von Forderungen bezogene rechtliche Prüfung und Beratung durch einen Sachkundigen im Sinne der §§ 2 und 11 RDG in Verbindung mit den §§ 2 und 4 der Rechtsdienstleistungsverordnung.

29.      Das vorlegende Gericht stellt fest, dass unter diesen Umständen die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Abtretungen nichtig seien und dass daher die darauf gestützte Inkasso-Sammelklage ohne weitere Prüfung in der Sache wegen fehlender Aktivlegitimation abzuweisen sei. Zudem habe die Klage auch keine verjährungshemmende Wirkung zugunsten der Zedenten, weshalb sie ihre Ansprüche nicht mehr durch eine im eigenen Recht erhobene Klage durchsetzen könnten.

30.      Im Übrigen existierten im deutschen Recht keine gleichwertigen alternativen Möglichkeiten zur effektiven Durchsetzung von „Massenschäden“ bzw. „Streuschäden“ in Kartellfällen.

31.      Hierzu stellt das vorlegende Gericht zunächst fest, dass ein erheblicher Teil der im deutschen Recht vorgesehenen Mechanismen nicht auf Schadensersatzklagen von Unternehmen anwendbar sei.

32.      Sodann gebe es im deutschen Recht zwar eine Forderungsabtretung im Wege eines „echten“ Factoring, d. h. keine bloß fiduziarische Übertragung, sondern eine vollständige Forderungsübertragung an einen Dritten. Allerdings stelle dieses Instrument angesichts der Besonderheiten des Kartellschadensersatzes keine taugliche Option dar. Die Ermittlung des Kaufpreises sowie die bilanzielle Bewertung brächten erhebliche Probleme mit sich, da die Schadenshöhe nicht bekannt sei. Daher könnten die Forderungen nur zu einem Bruchteil ihres Nennwerts verkauft werden, so dass die geschädigten Parteien wahrscheinlich ihre Aussicht auf Kompensation aufgeben würden. Eine solche Forderungsabtretung sei daher keine effektive Möglichkeit der Durchsetzung von Schadensersatzforderungen.

33.      Schließlich weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass auch eine Bündelung von Forderungen im Wege einer Streitgenossenschaft, d. h. einer gemeinschaftlichen Klage einer Vielzahl von Zedenten, keine taugliche Option darstelle. Denn zum einen sei eine solche Klage schwer vorstellbar, wenn nicht ein Dienstleister als Organisator auftrete. Zum anderen führe eine streitgenossenschaftliche Klage nur zu einer rein äußeren Verbindung der Klagen, da diese weiterhin abgetrennt werden könnten.

34.      Das vorlegende Gericht führt jedoch aus, dass es aus den in Nr. 26 bis 28 dieser Schlussanträge genannten Gründen und trotz fehlender anderer tauglicher Optionen die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Abtretungen als nichtig ansehen und die bei ihm erhobene Klage abweisen müsse.

35.      Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, ob das Unionsrecht der vom vorlegenden Gericht vorgenommenen Auslegung des RDG entgegenstehe, die zu einem Verbot der Einziehung von Kartellschäden im Wege eines Abtretungsmodells führe (im Folgenden: Inkassoverbot). Wenn nämlich das Unionsrecht einer Auslegung des RDG mit einer solchen Wirkung entgegenstehe, müsste das vorlegende Gericht dieses Gesetz unangewendet lassen, so dass die Abtretungen als wirksam anzusehen wären. Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass eine unionsrechtskonforme Auslegung des RDG als contra legem ausscheide.

36.      Nach seiner Auffassung könnte die Auslegung des RDG, die zu einem Inkassoverbot führe, zur Richtlinie 2014/104 sowie zu den Grundsätzen der Effektivität des Unionsrechts und des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes in Widerspruch stehen.

37.      Im Einzelnen betreffen die Zweifel des vorlegenden Gerichts erstens die Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Nr. 4 Variante 3 der Richtlinie 2014/104. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts bekräftigen diese Vorschriften das Recht von Geschädigten auf vollständigen Ersatz von Kartellschäden und erstrecken dieses Recht auf Personen, „die in die Rechte und Pflichten von mutmaßlich Geschädigten eingetreten [sind], einschließlich der Person, die den Anspruch erworben hat“. Zudem beziehe sich Art. 2 Nr. 4 Variante 3 der genannten Richtlinie genau auf das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Abtretungsmodell, und die Richtlinie lasse den Mitgliedstaaten keinen Umsetzungsspielraum. Zwar verweise Art. 2 Nr. 4 Variante 2 der Richtlinie 2014/104 auf das innerstaatliche Recht eines Mitgliedstaats („von jemandem im Namen eines mutmaßlich Geschädigten oder mehrerer mutmaßlich Geschädigter – sofern diese Möglichkeit im Unionsrecht oder im nationalen Recht vorgesehen ist“(7)), Variante 3 enthalte aber keinen vergleichbaren Verweis in Bezug auf die Abtretung.

38.      Zweitens hat das vorlegende Gericht Zweifel daran, dass das Inkassoverbot mit Art. 101 AEUV und Art. 4 Abs. 3 EUV vereinbar ist. Wenn, wie es die Rechtsprechung vorsehe(8), „jedermann“ vollständigen Ersatz des Schadens verlangen könne, der ihm durch einen Kartellverstoß entstanden sei, müssten die Mitgliedstaaten die Effektivität dieses Rechts gewährleisten und dürften insbesondere seine Ausübung nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Der Gerichtshof habe bereits für das Urheberrecht herausgearbeitet, dass den Geschädigten die „in verschiedenen Bereichen des Rechts verbreitet[e]“ Möglichkeit, ihre Schadensersatzansprüche an spezialisierte Unternehmen abzutreten, nicht genommen werden dürfe, insbesondere wegen der Schwierigkeiten, auf die diese Personen bei der eigenen Beitreibung dieser Forderungen stoßen könnten(9).

39.      Drittens schließlich äußert das vorlegende Gericht Zweifel an der Vereinbarkeit des Inkassoverbots mit dem in Art. 47 Abs. 1 der Charta verankerten Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes. Dieser Grundsatz verleihe jeder Person das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, der tatsächlich geeignet sei, die unionsrechtlich geschützte Rechtsposition durchzusetzen. Jede Person könne sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

40.      Das vorlegende Gericht räumt ein, dass nach dem Urteil Alassini u. a.(10) ein Eingriff in das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz ausnahmsweise in Betracht komme, „sofern [der Eingriff] tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entspr[icht] und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstell[t], der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet.“ Allerdings erfüllt das Inkassoverbot nach Ansicht des vorlegenden Gerichts diese Voraussetzungen nicht. Denn zum einen seien weniger einschneidende Maßnahmen als das vollständige Inkassoverbot denkbar. Zum anderen berühre das Inkassoverbot das Recht auf effektiven Rechtsschutz in seinem Wesensgehalt, da möglichen durch ein Kartell Geschädigten jeder effektive Rechtsschutz verwehrt bleibe.

41.      Daher hat das Landgericht Dortmund beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 101 AEUV, Art. 4 Abs. 3 EUV, Art. 47 der Charta der Grundrechte sowie Art. 2 Nr. 4 und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104/EU, dahin auszulegen, dass es einer Auslegung und Anwendung des Rechts eines Mitgliedstaats entgegensteht, durch welches einem möglicherweise durch einen – aufgrund des Art. 9 der Richtlinie 2014/104 bzw. der diesen umsetzenden nationalen Vorschriften mit Bindungswirkung feststehenden – Verstoß gegen Art. 101 AEUV Geschädigten verwehrt wird, seine Ansprüche – insbesondere in Fällen von Massen- oder Streuschäden – an einen zugelassenen Rechtsdienstleister treuhänderisch abzutreten, damit dieser sie gebündelt mit Ansprüchen anderer vermeintlich Geschädigter im Wege einer Follow‑on-Klage durchsetzt, wenn andere gleichwertige gesetzliche oder vertragliche Möglichkeiten der Bündelung von Schadensersatzforderungen nicht bestehen, insbesondere weil sie nicht zu Leistungsurteilen führen oder aus sonstigen prozessualen Gründen nicht praktikabel bzw. aus wirtschaftlichen Gründen objektiv nicht zumutbar sind, und somit insbesondere die Verfolgung geringfügiger Schäden praktisch unmöglich oder jedenfalls übermäßig erschwert würde?

2.      Ist das Unionsrecht jedenfalls dann in dieser Weise auszulegen, wenn die fraglichen Schadensersatzansprüche ohne eine vorangehende und mit Bindungswirkung im Sinne nationaler, auf Art. 9 der Richtlinie 2014/104 beruhender Vorschriften versehenen Entscheidung der Europäischen Kommission oder nationaler Behörden im Hinblick auf die vermeintliche Zuwiderhandlung verfolgt werden müssen (sogenannte „Stand-alone-Klage“), wenn andere gleichwertige gesetzliche oder vertragliche Möglichkeiten der Bündelung von Schadensersatzforderungen zur zivilrechtlichen Verfolgung aus den in Frage 1 bereits genannten Gründen nicht bestehen und insbesondere wenn ansonsten eine Verletzung des Art. 101 AEUV überhaupt nicht, also weder im Wege des „public enforcement“ noch des „private enforcement“, verfolgt werden würde?

3.      Wenn mindestens eine dieser beiden Fragen zu bejahen ist, müssen dann die entsprechenden Normen des deutschen Rechts, wenn eine europarechtskonforme Auslegung ausscheidet, unangewendet bleiben, was zur Folge hätte, dass die Abtretungen jedenfalls unter diesem Gesichtspunkt wirksam sind und eine effektive Rechtsdurchsetzung möglich wird?

42.      Schriftliche Erklärungen sind von den Parteien des Ausgangsverfahrens, der deutschen Regierung und der Kommission eingereicht worden. Mit Ausnahme der Otto Fuchs Beteiligungen KG (im Folgenden: Otto Fuchs) haben alle Beteiligten an der mündlichen Verhandlung am 7. Mai 2024 teilgenommen.

IV.    Würdigung

43.      Das vorlegende Gericht hat in der vorliegenden Rechtssache drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

44.      In den ersten beiden Fragen geht es darum, ob die Auslegung des nationalen Rechts, die zu einem Verbot der Einziehung von Schadensersatzforderungen für Kartellschäden im Wege eines Abtretungsmodells führt, mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Die dritte Frage betrifft das Problem, ob das vorlegende Gericht nationale Bestimmungen, die nicht mit dem Unionsrecht vereinbar sind, unangewendet lassen kann. Diese letzte Frage wird nur für den Fall gestellt, dass das Gericht mindestens eine der ersten beiden Fragen bejaht.

45.      Bevor ich mich inhaltlich mit diesen ersten beiden Fragen auseinandersetze, sind einige kurze Vorbemerkungen zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens angezeigt.

A.      Erste und zweite Vorlagefrage – das Abtretungsmodell

1.      Zur Zulässigkeit

a)      Zur ersten Vorlagefrage

46.      Otto Fuchs, das Land Nordrhein-Westfalen und die Kommission machen geltend, dass – da das vorlegende Gericht nicht mit einer Follow‑on-Klage, sondern mit einer Stand-alone-Klage befasst sei – die erste Frage unzulässig sei, da sie offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits stehe.

47.      Dem stimme ich zu.

48.      Nach ständiger Rechtsprechung gilt für Vorlagefragen, die das Unionsrecht betreffen, eine Vermutung der Entscheidungserheblichkeit. Der Gerichtshof kann das Ersuchen eines nationalen Gerichts nur zurückweisen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind(11).

49.      Anhand dieser gefestigten Rechtsprechung sind die Argumente bezüglich der Unzulässigkeit von Vorlagefragen zu prüfen.

50.      Im vorliegenden Fall unterscheidet das vorlegende Gericht die erste Frage von der zweiten, indem es auf Art. 9 der Richtlinie 2014/104 verweist. Denn während die erste Frage die Situation betrifft, in der eine Schadensersatzklage erhoben wird, nachdem eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht durch eine bestandskräftige Entscheidung einer nationalen Wettbewerbsbehörde oder einer Rechtsmittelinstanz im Sinne dieser Bestimmung „mit Bindungswirkung“ festgestellt wurde (Follow‑on-Klage), betrifft die zweite Frage die Situation, in der eine Schadensersatzklage erhoben wird, ohne dass eine solche Entscheidung vorliegt (Stand-alone-Klage).

51.      Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der Tatsache, dass die ASG 2 beim vorlegenden Gericht eine einzige Klage mit Bezug auf dieselbe Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht erhoben hat, steht eine der beiden ersten Fragen weder mit den Gegebenheiten noch dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits in Zusammenhang.

52.      In dieser Hinsicht bestimmt Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104, dass die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass eine in einer bestandskräftigen Entscheidung einer nationalen Wettbewerbsbehörde oder einer Rechtsmittelinstanz festgestellte Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht für die Zwecke eines Verfahrens über eine Klage auf Schadensersatz nach Art. 101 oder 102 AEUV oder nach nationalem Wettbewerbsrecht vor einem ihrer nationalen Gerichte als unwiderlegbar festgestellt gilt. Gemäß Art. 2 Nr. 11 dieser Richtlinie ist eine „Zuwiderhandlungsentscheidung“ eine Entscheidung einer Wettbewerbsbehörde oder einer Rechtsmittelinstanz, mit der eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht festgestellt wird. Nach Art. 2 Nr. 12 der genannten Richtlinie ist eine solche Entscheidung bestandskräftig, wenn gegen sie ein ordentliches Rechtsmittel nicht oder nicht mehr eingelegt werden kann.

53.      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass gegenüber dem Land Nordrhein-Westfalen kein weiterer Bescheid außer der Verpflichtungszusagenentscheidung von 2009 existiere(12). Es ist daher zu prüfen, ob diese Entscheidung das Vorliegen einer Zuwiderhandlung feststellt und damit die in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104 beschriebenen Rechtswirkungen entfaltet.

54.      Dem Vorlagebeschluss zufolge legte das Bundeskartellamt in der Verpflichtungszusagenentscheidung von 2009 für das Land Nordrhein-Westfalen konkrete Schwellenwerte für Holzvermarktungskooperationen sowie Maßnahmen zur Verringerung seiner Marktposition fest. Ferner erklärt das vorlegende Gericht, dass die genannte Entscheidung auf der Grundlage von § 32b GWB getroffen worden sei.

55.      Zwar wird § 32b GWB im Vorabentscheidungsersuchen nicht wiedergegeben; es ist jedoch festzustellen, dass sein Wortlaut, wie vom Bundeskartellamt bestätigt, dem Wortlaut von Art. 9 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 entspricht(13). Diese Bestimmung des deutschen Rechts sieht nämlich wie Art. 9 Abs. 1 Satz 1 der genannten Verordnung vor, dass, wenn Unternehmen im Rahmen eines von der Kartellbehörde durchgeführten Verfahrens anbieten, Verpflichtungen einzugehen, die geeignet sind, die ihnen von der Kartellbehörde nach vorläufiger Beurteilung mitgeteilten Bedenken auszuräumen, dieselbe Behörde für diese Unternehmen die Verpflichtungszusagen durch Verfügung für bindend erklären kann(14). Zudem können, wie in Art. 9 Abs. 1 Satz 2 der genannten Verordnung vorgesehen, die Wirkungen einer solchen Entscheidung zeitlich begrenzt sein(15), doch in jedem Fall muss sie besagen, dass für ein Tätigwerden der betroffenen Behörde kein Anlass mehr besteht(16). Schließlich kann das Bundeskartellamt seine Verfügung in nahezu denselben Situationen wie nach Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 aufheben und das Verfahren wieder aufnehmen(17).

56.      Eine auf der Grundlage von Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 erlassene Verpflichtungszusagenentscheidung enthält keine bestandskräftige Feststellung eines Verstoßes gegen die Art. 101 und 102 AEUV. Denn die Beendigung des gegen Unternehmen eingeleiteten Verfahrens infolge einer Verpflichtungszusagenentscheidung erlaubt es diesen, die Feststellung eines Wettbewerbsverstoßes und gegebenenfalls die Verhängung einer Geldbuße zu verhindern(18). In diesem Sinne sollte in solchen Entscheidungen, wie es auch der 13. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 klarstellt, festgestellt werden, dass für ein Tätigwerden der Kommission kein Anlass mehr besteht, „[o]hne die Frage zu beantworten, ob eine Zuwiderhandlung vorgelegen hat oder noch vorliegt“. Daher ist die Kommission im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 9 dieser Verordnung von der Verpflichtung freigestellt, eine Zuwiderhandlung zu benennen und festzustellen, da sich ihre Aufgabe darauf beschränkt, die von den beteiligten Unternehmen vorgeschlagenen Verpflichtungszusagen gemäß den in ihrer vorläufigen Beurteilung festgestellten Bedenken und im Hinblick auf die von ihr verfolgten Ziele zu prüfen und gegebenenfalls zu akzeptieren(19).

57.      Zwar hat der Gerichtshof klargestellt, dass die nationalen Gerichte die Verpflichtungszusagenentscheidungen der Kommission nicht ignorieren dürfen und dass es „das Ziel einer wirksamen und einheitlichen Anwendung des Wettbewerbsrechts der Union [gebietet], dass das nationale Gericht die vorläufige Beurteilung der Kommission berücksichtigt und als Indiz oder als Anfangsbeweis für die Wettbewerbswidrigkeit der in Rede stehenden Vereinbarung im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 AEUV betrachtet“(20). Dennoch kann dieser Abschnitt nicht so verstanden werden, dass eine Verpflichtungszusagenentscheidung irgendeine Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht beinhalten würde.

58.      Denn der genannte Abschnitt bezieht sich nicht auf eine wie auch immer geartete Verpflichtungszusagenentscheidung, sondern auf die „vorläufige Beurteilung“ der Kommission, die gegebenenfalls Tatsachen von einem gewissen Beweiswert für eine vor einem nationalen Gericht erhobene Schadensersatzklage aufzeigen kann. Wie der Gerichtshof selbst erläutert hat, ist dieser Beweiswert mit dem eines Indizes oder Anscheinsbeweises vergleichbar, ohne jedoch einen Beweis darzustellen, der für sich genommen auf eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht schließen ließe.

59.      Nichts deutet darauf hin, dass nach deutschem Recht eine auf der Grundlage von § 32b GWB erlassene Verpflichtungszusagenentscheidung Wirkungen entfalten würde, die über die einer Entscheidung der Kommission auf der Grundlage von Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 hinausgehen. Vorbehaltlich der Überprüfungen, die in die Zuständigkeit des nationalen Gerichts fallen, kann die Verpflichtungszusagenentscheidung von 2009 – da sie nicht das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht feststellt – somit nicht die in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104 genannten Wirkungen entfalten. Daher steht die erste Frage weder mit den Gegebenheiten noch mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits in Zusammenhang und ist daher unzulässig.

60.      Diese Feststellung wird durch das Vorbringen des Bundeskartellamts nicht in Frage gestellt, wonach es sich bei dem Ausgangsverfahren aufgrund der Verpflichtungszusagenentscheidung von 2009 sowie der im Zusammenhang mit dieser Entscheidung vor den deutschen Gerichten geführten Verfahren um eine hybride Follow‑on-Klage handele. Nach Ansicht des Bundeskartellamts bewegt sich diese Klage zwischen einer Follow‑on-Klage und einer Stand-alone-Klage. Die Behörde räumt ein, dass der Schadensnachweis bei einer solchen hybriden Follow‑on-Klage durch eine vorangegangene Entscheidung einer nationalen Behörde zu einem in Bezug auf das Ausgangsverfahren ganz oder in Teilen vergleichbaren Sachverhalt erleichtert werde. Allerdings könnten sich die Parteien des Ausgangsrechtsstreits nicht auf die Bindungswirkung einer Entscheidung einer nationalen Behörde im Sinne von Art. 9 der Richtlinie 2014/104 stützen.

61.      Daher ist die erste Vorlagefrage als unzulässig anzusehen. Abgesehen von dem soeben erörterten Vorbringen zum Stand-alone-Charakter der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Schadensersatzklage führen die übrigen von Otto Fuchs und dem Land Nordrhein-Westfalen vorgebrachten Argumente nicht dazu, dass eine Unzulässigkeit der ersten Frage zu bejahen wäre. Dennoch werde ich diese Argumente deswegen prüfen, weil sich dies zum einen für den Fall als nützlich erweisen könnte, dass der Gerichtshof meine Einschätzung zur Unzulässigkeit der ersten Frage nicht teilt, und zum anderen weil sie zur Untermauerung der These vorgebracht werden, auch die zweite Frage sei unzulässig.

b)      Zur zweiten Vorlagefrage

62.      Otto Fuchs und das Land Nordrhein-Westfalen machen eine Reihe von Argumenten geltend, um die These zu untermauern, auch die zweite Vorlagefrage sei unzulässig.

63.      Erstens tragen diese Parteien vor, dass das vorlegende Gericht insofern keine Zweifel an der Auslegung des Unionsrechts äußere, als es keine offene Frage mit verschiedenen erwägbaren Antworten formuliere. Denn das vorlegende Gericht stütze sich auf eine Auslegung des Unionsrechts, mit der es die nationale Regelung als mit diesem unvereinbar betrachten könne.

64.      Dieses Argument ist zurückzuweisen. Die zweite Vorlagefrage betrifft die Auslegung des Unionsrechts und steht im Zusammenhang mit dem Ausgangsverfahren. Es ist allein Sache des vorlegenden Gerichts, zu entscheiden, ob es eine Klärung dieser Frage durch den Gerichtshof benötigt. Dass bestimmte Einschätzungen dieses Gerichts kategorisch formuliert sind, stellt auch nicht die Zulässigkeit seiner Vorlagefrage in Zweifel. Ein nationales Gericht kann vielmehr in seiner Vorlageentscheidung auch knapp darlegen, wie die zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen seines Erachtens beantwortet werden sollten(21), ohne dabei Gefahr zu laufen, dass seine Entscheidung als unzulässig zurückgewiesen wird. Genau dies hat das vorlegende Gericht hier getan.

65.      Zweitens ist auch dem Argument nicht zu folgen, dass die zweite Frage insofern hypothetisch sei, als sie sich auf sogenannte Streuschäden beziehe und auf der Annahme beruhe, dass „die Verfolgung geringfügiger Schäden praktisch unmöglich oder jedenfalls übermäßig erschwert würde“, wenn kartellrechtliche Schadensersatzansprüche nicht gebündelt im Wege eines Sammelklage‑Inkassos geltend gemacht werden könnten, während das Ausgangsverfahren weder Streuschäden noch geringfügige Schäden zum Gegenstand habe.

66.      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Begriffe „Streuschaden“ und „geringfügiger Schaden“ keine Begriffe des Unionsrechts sind. Im Vorlagebeschluss haben diese Begriffe nur beschreibenden Charakter, und das nationale Gericht allein ist dafür zuständig, den Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits festzustellen und zu beurteilen. Der Begriff „Streuschäden“ wird vom vorlegenden Gericht dahin gehend definiert, dass er Schäden bezeichnet, die dadurch gekennzeichnet sind, dass der beim einzelnen Geschädigten eintretende Schaden nur geringfügig ist, wobei allerdings in der Addition sämtlicher Geschädigter eine große Schadenssumme entsteht. Der ebenfalls in den Vorlagefragen verwendete Begriff „Massenschäden“ wird von diesem Gericht nicht definiert, scheint sich aber auf die Situation zu beziehen, in der mehrere Personen behaupten, aufgrund desselben schadensstiftenden Ereignisses einen Schaden in Form eines Verlustes erlitten zu haben. Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, dass sich Massenschäden von Streuschäden auch durch das Ausmaß des Schadens unterschieden, den jede einzelne Person erleide. Massenschäden seien so groß, dass jeder Einzelne ein Interesse daran habe, eine Entschädigung für den erlittenen Schaden zu fordern. Deren Geltendmachung sei jedoch komplex und für jede geschädigte Person kostspielig(22).

67.      Drittens rügen Otto Fuchs und das Land Nordrhein-Westfalen, dass das vorlegende Gericht seinen Vorlagebeschluss auf die Annahme gestützt habe, dass es zum einen keine andere Option als ein Sammelklage‑Inkasso gebe und dass zum anderen, wenn kartellrechtliche Schadensersatzansprüche nicht gebündelt im Wege eines solchen Sammelklage‑Inkassos geltend gemacht werden könnten, es praktisch unmöglich wäre oder jedenfalls übermäßig erschwert würde, eine Klage wegen geringfügiger Schäden zu erheben, und eine Verletzung des Art. 101 AEUV überhaupt nicht, also weder im Wege des public enforcement noch des private enforcement, verfolgt werden würde.

68.      In dieser Hinsicht sind die Feststellungen zum tatsächlichen und rechtlichen Rahmen zwar Prämissen, auf die sich die Vorlagefragen stützen. Auch haben einige der Parteien Anmerkungen gemacht, um den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen des Ausgangsrechtsstreits zu ergänzen bzw. zu bestreiten. Im Wesentlichen kritisieren diese Parteien die Feststellung des vorlegenden Gerichts, dass es im deutschen Recht außer dem Abtretungsmodell keine andere Option als wirksamen Rechtsbehelf gebe, um den Schutz der Rechte geschädigter Personen zu gewährleisten.

69.      Allerdings ist die Beurteilung, ob es andere Modelle gibt, mit denen Geschädigte ihre Rechte gegenüber dem Urheber einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht geltend machen können, eine Frage der Auslegung des nationalen Rechts. Wenn das vorlegende Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen der von ihm gestellten Fragen festgelegt hat, ist es insoweit im Rahmen der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Unionsgerichten und den nationalen Gerichten nicht Sache des Gerichtshofs, dessen Richtigkeit zu überprüfen(23). Was die Beanstandungen des sachlichen und rechtlichen Rahmens des hier in Rede stehenden Vorlagebeschlusses betrifft, so darf der Gerichtshof ebenso wenig anstelle des nationalen Gerichts darauf eingehen.

70.      Soweit die Feststellungen zum tatsächlichen und rechtlichen Rahmen im Vorlagebeschluss jedoch Prämissen darstellen, auf die sich die Vorlagefragen stützen, bin ich der Ansicht, dass der Gerichtshof das vorlegende Gericht auf diese Beanstandungen hinweisen sollte, damit es entscheiden kann, wie es das Unionsrecht in der Auslegung durch den Gerichtshof anwendet. Denn dass der Gerichtshof über die Vorlageentscheidung zu befinden hat, lässt die Möglichkeit des vorlegenden Gerichts unberührt, gegebenenfalls die Prämissen zu überprüfen, auf die sich seine Vorlagefragen stützen(24).

71.      Unbeschadet des Vorstehenden ist die zweite Frage als zulässig zu erachten.

2.      Zur Begründetheit

72.      Mit seiner zweiten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 101 AEUV, Art. 2 Nr. 4, Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 der Richtlinie 2014/104 sowie Art. 47 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer Auslegung des nationalen Rechts entgegenstehen, durch welches in Ermangelung einer bestandskräftigen Entscheidung, die das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht feststellt, den mutmaßlich Geschädigten verwehrt wird, die Ansprüche auf Ersatz von Kartellschäden an einen zugelassenen Rechtsdienstleister treuhänderisch abzutreten, damit dieser die Ansprüche gebündelt geltend macht, wenn andere gleichwertige gesetzliche oder vertragliche Möglichkeiten der Bündelung von Schadensersatzforderungen nicht bestehen, womit einerseits die Verfolgung geringfügiger Schäden praktisch unmöglich oder jedenfalls übermäßig erschwert würde und andererseits eine Verletzung des Art. 101 AEUV überhaupt nicht, also weder im Wege des public enforcement noch des private enforcement, verfolgt werden würde.

a)      Zu den maßgeblichen Bestimmungen

73.      Die zweite Frage betrifft die Auslegung von Art. 101 AEUV, Art. 47 der Charta sowie der Bestimmungen der Richtlinie 2014/104. Soweit die Frage die Auslegung dieser Richtlinie betrifft, ist der zeitliche Anwendungsbereich der Richtlinie zu untersuchen. Anschließend werde ich kurz prüfen, ob Art. 4 Abs. 3 EUV einschlägig ist.

74.      Das vorlegende Gericht geht von der Prämisse aus, dass Art. 2 Nr. 4 und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104, um deren Auslegung ersucht wird, im vorliegenden Fall unabhängig von der Frage anwendbar seien, ob diese Bestimmungen als verfahrensrechtliche oder materiell-rechtliche Regelungen anzusehen seien. Denn die maßgeblichen Bestimmungen dieser Richtlinie seien ausweislich ihres Art. 22 Abs. 2 auf alle Schadensersatzklagen anwendbar, die nach dem 26. Dezember 2014 erhoben worden seien. Im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass sich die Klage im Ausgangsverfahren auf Praktiken beziehe, die sich angeblich bis zum 30. Juni 2019, also weit nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der genannten Richtlinie, erstreckt hätten. Damit seien bei Zugrundelegung des Urteils Volvo und DAF Trucks(25) die materiell-rechtlichen Vorschriften dieser Richtlinie nicht nur auf den Teil des nach Ablauf der Umsetzungsfrist liegenden Kartellzeitraums, sondern auf den gesamten Kartellzeitraum anzuwenden.

75.      Obwohl ich die Bestimmungen, auf die sich die zweite Vorlagefrage bezieht, im Ausgangsverfahren für anwendbar halte, bin ich von der Argumentation des vorlegenden Gerichts nicht überzeugt.

76.      Es ist daran zu erinnern, dass die Klage am 31. März 2020 erhoben wurde und dass sie den Ersatz von Schäden betrifft, die durch Praktiken zwischen dem 28. Juni 2005 und dem 30. Juni 2019 entstanden sein sollen.

77.      Die Richtlinie 2014/104 war bis zum 27. Dezember 2016 umzusetzen (Art. 21 Abs. 1). Zudem dürfen nationale Maßnahmen zur Umsetzung der wesentlichen Bestimmungen dieser Richtlinie nicht rückwirkend gelten (Art. 22 Abs. 1), während nationale Vorschriften zur Umsetzung anderer Bestimmungen dieser Richtlinie, d. h. der Verfahrensvorschriften, nicht auf Schadensersatzklagen angewendet werden dürfen, die vor dem 26. Dezember 2014 bei einem nationalen Gericht erhoben wurden (Art. 22 Abs. 2)(26).

78.      Um die Frage der zeitlichen Anwendbarkeit der Vorschriften der Richtlinie 2014/104 zu klären, ist daher zunächst zu prüfen, ob die betreffende Vorschrift eine materiell-rechtliche Vorschrift darstellt. Hinsichtlich der zeitlichen Anwendbarkeit der Vorschriften dieser Richtlinie ist allerdings danach zu unterscheiden, ob sich diese Vorschriften im Licht der Rechtsprechung aus Art. 101 AEUV selbst oder allein aus dieser Richtlinie, so dass ihre zeitliche Anwendbarkeit anhand von Art. 22 dieser Richtlinie zu prüfen ist, ergeben(27).

79.      Das Recht auf vollständigen Ersatz eines durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schadens wurde nicht durch die Richtlinie 2014/104 begründet, sondern ergibt sich unmittelbar aus den Bestimmungen des Primärrechts in seiner Auslegung durch die vor dem Erlass dieser Richtlinie ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs. Mehrere Erwägungsgründe der genannten Richtlinie bestätigen diese Auffassung(28). Folglich müssen dem Gerichtshof zufolge die nationalen Maßnahmen zur Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 der genannten Richtlinie „zwingend mit sofortiger Wirkung für alle Schadensersatzklagen gelten …, die in den Anwendungsbereich [der Richtlinie 2014/104] fallen, wie durch deren Art. 22 Abs. 2 bestätigt wird“(29). Insoweit fällt die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Klage angesichts des Zeitpunkts ihrer Erhebung, des 31. März 2020 – deutlich nach Ablauf der Frist für die Umsetzung dieser Richtlinie –, unzweifelhaft in deren zeitlichen Anwendungsbereich. Folglich ist Art. 3 der genannten Richtlinie im Ausgangsverfahren anwendbar.

80.      Die Frage der zeitlichen Anwendbarkeit von Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie 2014/104 im Ausgangsverfahren ist problematischer. Denn Art. 2 enthält, wie aus der Überschrift hervorgeht, die Begriffsbestimmungen der in dieser Richtlinie verwendeten Begriffe. Auf den ersten Blick ist eine Begriffsbestimmung eines Rechtsbegriffs, der in einem Unionsrechtsakt verwendet wird, ihrer Art nach weder materiell-rechtlich noch verfahrensrechtlich. Vielmehr wird durch die konkrete Vorschrift, an die dieser Begriff anknüpft, die Rechtsnatur der Begriffsbestimmung determiniert.

81.      Die zweite Frage beruht jedoch auf einer Lesart von Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie 2014/104, wonach diese Richtlinie festlegt, wer einen Anspruch auf vollständigen Ersatz eines durch Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Union verursachten Schadens geltend machen kann bzw. auf welche Art ein solcher Anspruch gegebenenfalls geltend gemacht werden kann. Darüber hinaus scheint das vorlegende Gericht der Ansicht zu sein, dass sich die dieser Bestimmung beigemessene Wirkung aus Art. 101 AEUV ergebe, wie er vom Gerichtshof in seiner Rechtsprechung ausgelegt werde. Meines Erachtens sollte daher Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie 2014/104 im Ausgangsrechtsstreit als anwendbar angesehen werden, was der vom Gerichtshof entwickelten Rechtsprechung zur zeitlichen Anwendbarkeit derjenigen Bestimmungen dieser Richtlinie entspricht, mit denen Lösungen bestätigt werden, die sich aus dem Primärrecht ergeben(30). Anders ausgedrückt, bedeutet dies, dass die Auslegung, die ich im Folgenden vorstellen werde, sowohl Art. 101 AEUV als auch die Bestimmungen der Richtlinie 2014/104 betrifft.

82.      In seiner zweiten Frage bezieht sich das vorlegende Gericht auch auf Art. 4 Abs. 3 EUV. Der Vorlagebeschluss erweckt den Eindruck, dass das Gericht diese Bestimmung mit dem Effektivitätsgrundsatz oder der praktischen Wirksamkeit des Art. 101 AEUV gleichsetzt. Es genügt jedoch, die letztgenannte Bestimmung auszulegen, um sich sowohl zum Effektivitätsgrundsatz als auch zur praktischen Wirksamkeit dieser Bestimmung äußern zu können(31). Innerhalb der Richtlinie 2014/104 bringt zudem deren Art. 4 den Effektivitätsgrundsatz zum Ausdruck, weshalb auch diese Bestimmung auszulegen wäre. Daher schlage ich vor, davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht in seiner zweiten Frage auf Art. 101 AEUV, Art. 47 der Charta sowie auf Art. 2 Nr. 4, Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 der Richtlinie 2014/104 Bezug nimmt.

b)      Zum Verbot des Abtretungsmodells

1)      Allgemeine Bemerkungen

83.      Zur Beantwortung der zweiten Vorlagefrage ist zunächst zu klären, ob die Auslegung des nationalen Rechts, die bewirkt, dass in Ermangelung einer bestandskräftigen Entscheidung, die das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht feststellt, den mutmaßlich Geschädigten verwehrt wird, die Ansprüche auf Ersatz von Kartellschäden an einen zugelassenen Rechtsdienstleister treuhänderisch abzutreten, einen unmittelbar durch das Unionsrecht geregelten Aspekt oder eine Frage betrifft, die der Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten zuzuordnen ist.

84.      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Inkassoverbot der Person, die einen Kartellschaden erlitten hat, nicht ihre Eigenschaft als durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht Geschädigter nimmt. Vielmehr leitet sich dieses Verbot daraus ab, dass die Abtretung des Anspruchs einer solchen Person an einen zugelassenen Rechtsdienstleister nichtig ist, der im eigenen Namen und auf eigene Kosten, aber für Rechnung der Zedenten deren Ansprüche gebündelt geltend macht. Zur Beantwortung der Vorlagefrage ist zu klären, ob die Voraussetzungen für die Gültigkeit der Übertragung des Schadensersatzanspruchs sich nach Unionsrecht oder nach dem anwendbaren nationalen Recht bestimmen.

2)      Unterscheidung zwischen den Voraussetzungen für den Schadensersatzanspruch und den Modalitäten der Geltendmachung dieses Anspruchs

85.      Ich halte es für angebracht, auf die von Generalanwältin Kokott und Generalanwalt Wahl vorgenommene Unterscheidung zwischen den Voraussetzungen der Haftung für eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Union – oder gar den Voraussetzungen für den Schadensersatzanspruch – einerseits und den Modalitäten der Geltendmachung des Anspruchs auf Ersatz des durch die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schadens andererseits hinzuweisen. Im Wesentlichen werden Generalanwältin Kokott und Generalanwalt Wahl zufolge die erstgenannten Voraussetzungen unmittelbar durch das Unionsrecht geregelt, so dass eine nationale Maßnahme, die der unmittelbaren Wirkung des Unionsrechts entgegensteht, unberücksichtigt bleiben muss, während die zweitgenannten Modalitäten vom nationalen Recht geregelt werden und den klassischen Beschränkungen unterliegen, die für die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten gelten(32).

86.      Dieser Auslegung schließe ich mich aus den folgenden Gründen an.

87.      Erstens ergibt sich diese Zweiteilung aus der Zuständigkeitsverteilung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten. Zum einen kommt nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b AEUV der Union die ausschließliche Zuständigkeit in Bezug auf die für das Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Wettbewerbsregeln zu. Zum anderen sind, wenn es keine unionsrechtlichen Vorschriften gibt, die Mitgliedstaaten für andere Wettbewerbsregeln zuständig, die nicht in den Bereich dieser ausschließlichen Zuständigkeit fallen.

88.      Art. 101 AEUV gehört zu den Wettbewerbsregeln im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b AEUV, die für das Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich sind(33).

89.      Der Anspruch auf Ersatz eines durch einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV verursachten Schadens geht jedoch über den bloßen Ersatz des den Geschädigten entstandenen Schadens hinaus, da ein solcher Anspruch allgemein die Durchsetzungskraft der Wettbewerbsregeln der Union erhöht und geeignet ist, Unternehmen von – oft verschleierten – Vereinbarungen oder Verhaltensweisen abzuhalten, die den Wettbewerb beschränken oder verfälschen können; damit trägt er zur Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs in der Union bei(34). Auch die private Durchsetzung des Wettbewerbsrechts ist für das Funktionieren des Binnenmarkts notwendig. Daher muss die Festlegung der Voraussetzungen für das Bestehen und den wesentlichen Inhalt des Rechts auf Schadensersatz infolge eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV in die ausschließliche Zuständigkeit der Union fallen. Dagegen ist es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten der Rechtsbehelfe zu regeln, die den Schutz der dem Rechtssuchenden aus der unmittelbaren Wirkung des Unionsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten sollen(35).

90.      Zweitens hat der Gerichtshof die von Generalanwältin Kokott und Generalanwalt Wahl vorgenommene Unterscheidung zwar nicht ausdrücklich anerkannt, doch findet sie in seiner Rechtsprechung Widerhall. Insbesondere hat er darauf hingewiesen, dass im Gegensatz zu den Regeln über die Beweiswürdigung und das erforderliche Beweismaß, die mangels einschlägiger Unionsregeln in den Bereich der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten fallen, die Tatbestandsmerkmale eines Verstoßes erfüllt sein müssen, damit festgestellt werden kann, dass ein Unternehmen für eine abgestimmte Verhaltensweise verantwortlich ist(36). Ebenfalls hat der Gerichtshof die Frage, wer sich auf das Recht auf Ersatz eines durch einen solchen Verstoß verursachten Schadens berufen kann, regelmäßig unter dem Gesichtspunkt der praktischen Wirksamkeit von Art. 101 AEUV geprüft(37).

91.      Drittens untermauert die Richtlinie 2014/104 diese Lesart. Denn Art. 4 dieser Richtlinie („Effektivitäts- und Äquivalenzgrundsatz“) stellt klar, dass die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Effektivitätsgrundsatz gewährleisten, dass alle nationalen Vorschriften und Verfahren für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen so gestaltet sind und so angewandt werden, dass sie die Ausübung des Unionsrechts auf vollständigen Ersatz des durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schadens nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

92.      Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass das Unionsrecht die Voraussetzungen für den Anspruch auf Ersatz des durch eine solche Zuwiderhandlung verursachten Schadens bestimmt.

93.      Vorbehaltlich der Fälle, in denen eine besondere Bestimmung den Kreis der Personen begrenzt, die als durch den Verstoß gegen eine Rechtsnorm Geschädigte angesehen werden können, ergibt sich im Allgemeinen im Privatrecht die Antwort auf die Frage, wer Anspruch auf Schadensersatz hat, aus den haftungsbegründenden Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen, nämlich dem tatsächlichen Vorliegen eines Schadens, einem Kausalzusammenhang zwischen Schaden und vorgeworfenen Verhalten sowie der Rechtswidrigkeit dieses Verhaltens. Auf der Grundlage dieser Voraussetzungen kann festgestellt werden, wer als Geschädigter Anspruch auf Schadensersatz hat. Dementsprechend bestimmt das Unionsrecht, wer sich – anhand der Voraussetzungen für die Haftung für einen Wettbewerbsverstoß – darauf berufen kann, einen Anspruch auf Ersatz des durch einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV verursachten Schadens zu haben.

94.      Wenn das Unionsrecht bestimmt, wer ein Recht auf vollständigen Ersatz des durch einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schadens geltend machen kann, bleibt zu klären, ob es auch die Übertragbarkeit eines solchen Schadensersatzanspruchs und die Voraussetzungen für eine wirksame Abtretung dieses Anspruchs festlegt.

3)      Die Voraussetzungen für eine wirksame Abtretung

95.      Die Übertragbarkeit einer Forderung(38) oder gar eines Rechts ist eines der Merkmale, die darüber entscheiden, ob dieses Recht Gegenstand einer Abtretung sein kann. Im Wesentlichen können im Bereich des Privatrechts die meisten allgemeinen geldwerten Rechte Gegenstand einer Abtretung sein(39).

96.      Zu der Frage, ob die Abtretung einer Schadensersatzforderung gegen die Union wirksam ist, hat der Gerichtshof entschieden, dass eine solche Forderung Gegenstand einer Abtretung sein kann, dass aber nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, der den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam und in der Rechtsordnung der Union anwendbar ist, eine rechtsmissbräuchliche Abtretung gegenüber den betroffenen Behörden unwirksam ist(40). Aus dieser Feststellung lässt sich jedoch nicht ableiten, dass das Unionsrecht die Voraussetzungen für die Wirksamkeit jedes aus dem Unionsrecht abgeleiteten Schadensersatzanspruchs bestimmen würde. Denn gemäß Art. 340 Abs. 2 AEUV unterliegt die außervertragliche Haftung der Union den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind. Daher stellt sich die Frage der Zuständigkeitsverteilung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten im Kontext dieser Haftung nicht auf die gleiche Weise wie in Fällen, in denen das Unionsrecht wie im vorliegenden Fall nur die die betreffende Forderung begründenden Voraussetzungen festlegt.

97.      Jüngst hat der Gerichtshof im Zusammenhang mit dem durch die Verordnung (EG) Nr. 261/2004(41) garantierten Ausgleichsanspruch von Fluggästen die Abtretung dieses Anspruchs an einen Dritten, die erfolgt, um sich Schwierigkeiten und Kosten zu ersparen, die den Fluggast davon abhalten könnten, selbst tätig zu werden, als eine Modalität der Geltendmachung dieses Ausgleichsanspruchs beschrieben(42). Gleichzeitig wies der Gerichtshof darauf hin, dass der Fluggast seine Forderung an einen Dritten abtreten kann, „wenn dies nach dem einschlägigen nationalen Recht vorgesehen ist“(43). Diese Betrachtung ist auf den vorliegenden Fall insofern übertragbar, als daraus hervorgeht, dass die Abtretung eines Schadensersatzanspruchs eine Modalität der Geltendmachung dieses Anspruchs darstellen kann und dass Beschränkungen einer solchen Abtretung durch das nationale Recht bestimmt werden.

98.      Denn man kann zwar davon ausgehen, dass sich die Übertragbarkeit des Schadensersatzanspruchs als solche aus der Natur dieses Anspruchs selbst und damit unmittelbar aus dem Unionsrecht ergibt. Indessen geht es im vorliegenden Fall um die Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Abtretung des Schadensersatzanspruchs, den die mutmaßlich Geschädigten ähnlich wie Fluggäste direkt aus dem Unionsrecht ableiten. Daher ist auch die Abtretung eines Rechts auf vollständigen Ersatz des durch einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schadens eine Modalität der Geltendmachung dieses Anspruchs durch die anspruchsberechtigte Person. Die Voraussetzungen, unter denen eine solche Abtretung erfolgen kann, werden daher durch das nationale Recht bestimmt.

99.      Entgegen den Ausführungen des vorlegenden Gerichts in seinem Vorabentscheidungsersuchen(44) wird diese Auslegung auch nicht durch die Schlussfolgerungen, die sich aus Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie 2014/104 ziehen lassen, in Frage gestellt.

4)      Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie 2014/104

100. Dass Art. 2 Nr. 4 Variante 3 der Richtlinie 2014/104 auf Klagen Bezug nimmt, die von „einer natürlichen oder juristischen Person, die in die Rechte und Pflichten des mutmaßlich Geschädigten eingetreten ist, einschließlich der Person, die den Anspruch erworben hat“, erhoben werden, bedeutet nicht, dass das Unionsrecht den Mitgliedstaaten eine Form des Abtretungsmodells oder die besonderen Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer solchen Abtretung vorschreibt.

101. Denn diese Bezugnahme ist in einer Bestimmung enthalten, die den Begriff „Schadensersatzklage“ für die Zwecke der Richtlinie 2014/104 definiert. Sie schafft somit Klarheit über die Frage, ob die Bestimmungen dieser Richtlinie auch für Verfahren gelten, die von Personen angestrengt werden, die in die Rechte der geschädigten Personen eingetreten sind(45). Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen vorträgt, beinhaltet diese gesetzliche Definition eines Begriffs hingegen keine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten, das Abtretungsmodell auf Ebene des materiellen Rechts einzuführen. Diese Definition bestimmt daher auch nicht, ob und unter welchen Voraussetzungen das Recht auf vollständigen Ersatz des durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schadens von einer Person abgetreten werden kann, die einen solchen Schaden erlitten hat.

102. Im Übrigen lässt sich die Verpflichtung, das Abtretungsmodell anzuerkennen, auch nicht aus dem Verweis auf das nationale Recht in Art. 2 Nr. 4 Variante 2 der Richtlinie 2014/104 ableiten. Zwar enthält diese Variante einen Verweis auf das nationale Recht („jemandem im Namen eines mutmaßlich Geschädigten oder mehrerer mutmaßlich Geschädigter – sofern diese Möglichkeit im Unionsrecht oder im nationalen Recht vorgesehen ist“(46)), während ein solcher Verweis in Variante 3, die sich auf die Nachfolge in die Rechte des mutmaßlich Geschädigten bezieht, nicht enthalten ist.

103. Einerseits jedoch hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung den fehlenden Verweis auf das nationale Recht in Art. 2 Nr. 4 Variante 3 der Richtlinie 2014/104 damit erklärt, dass bei Einführung dieser Richtlinie alle Mitgliedstaaten die Möglichkeit der Abtretung einer Schadensersatzforderung anerkannt hätten. Wie ich bereits angemerkt habe(47), ist die Übertragung einer Forderung aus unerlaubter Handlung in der Rechtsordnung der Union zulässig, da sie einen allgemeinen Grundsatz widerspiegelt, der den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam ist.

104. Andererseits ist die Tatsache, dass Art. 2 Nr. 4 Variante 2 der Richtlinie 2014/104 im Gegensatz zu Variante 3 auf das Unionsrecht und das nationale Recht verweist, im Licht des 13. Erwägungsgrunds der Richtlinie auszulegen. In diesem Erwägungsgrund heißt es nämlich, dass das Recht auf Schadensersatz für jede natürliche oder juristische Person anerkannt ist, wobei in diesem Zusammenhang „Verbraucher, Unternehmen und Behörden“ erwähnt werden, dass die Richtlinie die Mitgliedstaaten jedoch nicht dazu verpflichten sollte, Verfahren des kollektiven Rechtsschutzes für die Durchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV einzuführen.

105. Derzeit fallen Verfahren des kollektiven Rechtsschutzes allerdings in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2020/1828(48). Diese Richtlinie beschreibt den kollektiven Rechtsschutz als eine Klage, die von einer qualifizierten Einrichtung im Interesse von Verbrauchern erhoben wird(49). Die Frage der Einbeziehung von Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht in den Anwendungsbereich der genannten Richtlinie war bei den Vorarbeiten zu dieser Richtlinie Gegenstand von Diskussionen. Aufgrund von Bedenken über den zu beschreitenden Weg wurde diese Einbeziehung schließlich aufgegeben(50).

106. Dass bei den Vorarbeiten gegensätzliche Auffassungen über die unionsrechtliche Regelung von Verfahren des kollektiven Rechtsschutzes, die sich auf Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht beziehen, zu Tage traten, verdeutlicht, dass im Gegensatz zur Übertragung einer Forderung aus unerlaubter Handlung, die in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten allgemein zugelassen ist(51), eine besondere Form eines solchen Rechtsbehelfs innerhalb der Union nicht einhellig anerkannt war. Dieser Umstand erklärt meines Erachtens, warum der Gesetzgeber in Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie 2014/104 hinsichtlich der Verfügbarkeit von Verfahren des kollektiven Rechtsschutzes auf das nationale Recht und das Unionsrecht verwiesen hat.

107. Nach alledem ist davon auszugehen, dass die Abtretung des Anspruchs auf Ersatz des durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schadens an einen zugelassenen Rechtsdienstleister, der im eigenen Namen und auf eigene Kosten, aber für Rechnung der Zedenten deren Rechte gebündelt geltend macht, eine Modalität der Geltendmachung dieses Rechts darstellt.

c)      Zur Vereinbarkeit des Verbots des Abtretungsmodells mit dem Unionsrecht

108. Die Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Abtretung des Anspruchs auf Ersatz des durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schadens an einen zugelassenen Rechtsdienstleister richten sich nicht nach dem Unionsrecht, sondern nach dem anwendbaren nationalen Recht. Allerdings dürfen diese Voraussetzungen gemäß dem Grundsatz der Verfahrensautonomie nicht weniger günstig sein als bei ähnlichen Rechtsbehelfen, die nur nationales Recht betreffen (Äquivalenzgrundsatz) und nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Erlangung der Entschädigung praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz)(52). Da sich der Vorlagebeschluss ausschließlich auf den Effektivitätsgrundsatz bezieht, werde ich mich auf diesen konzentrieren. Bevor dieser Grundsatz geprüft wird, ist darauf hinzuweisen, dass sich die zweite Frage sowohl auf den Effektivitätsgrundsatz als auch auf Art. 47 der Charta bezieht. Es stellt sich daher die Frage, ob das Inkassoverbot aus Sicht des Effektivitätsgrundsatzes oder aus Sicht der Charta untersucht werden sollte.

1)      Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes

109. Die Kommission führt aus, dass das Inkassoverbot eine der Modalitäten des Zugangs zu den Gerichten beschränke, indem es die Abtretung von kartellrechtlichen Schadensersatzansprüchen Schranken unterwerfe. Sie untersucht dieses Verbot aus Sicht des Effektivitätsgrundsatzes und des Art. 47 der Charta.

110. Insoweit ist zwar in Art. 47 Abs. 1 der Charta, aus der Perspektive des durch einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV Geschädigten betrachtet, ein Recht prozessualer Art verankert(53), doch das Inkassoverbot ergibt sich aus der materiell-rechtlichen Nichtigkeit der Abtretung und betrifft somit das Abtretungsmodell, das einem gerichtlichen Verfahren vorgelagert ist. Zunächst könnte man argumentieren, dass es sich hierbei nicht um eine Beschränkung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz des durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht Geschädigten handelt. Infolgedessen wären die verfahrensrechtlichen Auswirkungen dieser Nichtigkeit, nämlich die fehlende Aktivlegitimation, bei einem Zessionar nur die Folgen der Nichtigkeit der Abtretungsverträge.

111. Art. 47 der Charta geht jedoch von dem Gedanken aus, dass es eine Verbindung zwischen dem Verfahrensrecht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und dem aus dem Unionsrecht abgeleiteten Recht gibt. Denn schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmung betrifft das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf die Situation, in der die durch das Unionsrecht garantierten Rechte und Freiheiten verletzt worden sind. Es besteht kein Zweifel daran, dass diese ihrer Art nach materiell-rechtlich sein können. Denn es steht fest, dass sich die mutmaßlich durch einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV Geschädigten auf das in Art. 47 der Charta garantierte Recht auf ein faires Verfahren berufen können(54).

112. Im Übrigen hat der Gerichtshof anerkannt, dass eine nationale Regelung, nach der ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer, dessen Arbeitsvertrag ordentlich gekündigt wird, nicht von vornherein schriftlich über den oder die Gründe für diese Kündigung unterrichtet wird, den Zugang dieses befristet beschäftigten Arbeitnehmers zu einem namentlich durch Art. 47 der Charta gewährleisteten Rechtsbehelf beschränkt. Dem Arbeitnehmer wird dem Gerichtshof zufolge auf diese Weise nämlich eine Information vorenthalten, die für die Beurteilung, ob die Kündigung ungerechtfertigt ist, sowie gegebenenfalls für die Vorbereitung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen diese Kündigung von Bedeutung ist(55). Es handelte sich also um eine nationale Regelung materiell-rechtlicher Art mit Auswirkungen auf verfahrensrechtlicher Ebene, wobei diese als Einschränkung des in Art. 47 der Charta garantierten Rechts angesehen werden können.

113. Unter diesen Umständen ist auch das Inkassoverbot als eine Einschränkung des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes anzusehen.

114. Wenn es um den Effektivitätsgrundsatz und den in Art. 47 der Charta verankerten Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes geht, versucht der Gerichtshof zu ermitteln, ob die Verfahrensmodalitäten ein nicht unerhebliches Risiko mit sich bringen, dass die Inhaber von durch die Rechtsordnung der Union garantierten Rechten diese nicht ausüben(56). Anders ausgedrückt wird die aus dem Effektivitätsgrundsatz resultierende Anforderung, die Ausübung des Rechts nicht praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, in einem solchen Fall dahin gehend ausgelegt, dass die Gefahr besteht, dass die Rechtsuchenden untätig bleiben.

115. Darüber hinaus wird, wie das vorlegende Gericht ausführt(57), der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes zwar nicht schrankenlos gewährleistet. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes muss jedoch Art. 52 Abs. 1 der Charta genügen, wonach jede Einschränkung der Ausübung eines Grundrechts „gesetzlich vorgesehen“ sein und den Wesensgehalt dieses Rechts achten muss, aber auch unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nur vorgenommen werden darf, wenn sie erforderlich ist und tatsächlich den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entspricht.

116. Wie ich im Folgenden zeigen werde, kann aber auch das Erfordernis des Effektivitätsgrundsatzes Beschränkungen unterliegen.

117. Ich schlage daher vor, das Inkassoverbot im Hinblick auf seine Vereinbarkeit mit dem Effektivitätsgrundsatz und mit dem Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes gemeinsam zu untersuchen.

2)      Gemeinsame Anwendung des Effektivitätsgrundsatzes und des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes

118. Mangels unionsrechtlicher Vorschriften ist es gemäß dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache des innerstaatlichen Rechts, die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Rechtssuchenden aus der unmittelbaren Wirkung des Unionsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Der Effektivitätsgrundsatz erfordert, dass der Schutz der Rechte, die die Einzelnen aus dem Unionsrecht ableiten, nicht Modalitäten unterliegt, die die Ausübung dieser Rechte praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren(58).

119. Ich muss klarstellen, dass die nationalen Maßnahmen, die materiell-rechtlich die Wirksamkeit der Forderungsabtretung regeln, „Verfahrensmodalitäten“ im Sinne des Begriffs der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten darstellen(59). Daher steht der Effektivitätsgrundsatz dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verbot des Abtretungsmodells nur entgegen, soweit dieses die Geltendmachung des Rechts auf vollständigen Ersatz eines Kartellschadens praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert. Darüber hinaus impliziert, wie bereits erwähnt(60), Art. 47 der Charta, dass solche Modalitäten kein nicht unerhebliches Risiko dahin gehend mit sich bringen dürfen, dass die Inhaber von durch die Rechtsordnung der Union garantierten Rechten diese nicht ausüben.

120. Die zweite Vorlagefrage beruht auf der Prämisse, dass das Inkassoverbot eine solche Wirkung hat und es praktisch unmöglich macht oder jedenfalls übermäßig erschwert, bei geringfügigen Schäden Klage zu erheben. Obwohl es diskutabel ist, ob sich die Klage im Ausgangsverfahren auf solch geringen Beträge bezieht, scheint das vorlegende Gericht davon auszugehen.

121. Jedenfalls reicht es bei der Überprüfung einer nationalen Maßnahme unter dem Blickwinkel des Effektivitätsgrundsatzes nicht aus, diese Maßnahme isoliert zu betrachten. Stattdessen sind die Bestandteile der betreffenden nationalen Regelung in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen.

122. In dieser Hinsicht weist das vorlegende Gericht zum einen darauf hin, dass es im deutschen Recht keine andere taugliche Option als das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Abtretungsmodell gebe, und zum anderen, dass das nationale Recht einem solchen Modell entgegenstehe und die Nichtigkeit einer Abtretung zur Folge habe. Diese beiden Prämissen werden von den Parteien nachdrücklich in Frage gestellt. Es erscheint mir unnötig, die in diesem Zusammenhang geäußerte Kritik zu wiederholen(61). Jedenfalls darf der Gerichtshof den vom vorlegenden Gericht festgelegten rechtlichen und tatsächlichen Rahmen nicht in Frage stellen. Indessen wäre es Sache des vorlegenden Gerichts, die Richtigkeit dieser Prämissen zu überprüfen. Diese können auch von den höheren Instanzen nachgeprüft werden.

123. Darüber hinaus steht fest, dass die mutmaßlich durch ein Kartell Geschädigten ihre Rechte individuell vor deutschen Gerichten geltend machen können. Allerdings ist dem vorlegenden Gericht zufolge die Geltendmachung von Kartellschadensersatzansprüchen tatsächlich, ökonomisch und rechtlich komplex und deshalb langwierig, teuer und risikoreich. Dieser hohe Zeit- und Kostenaufwand sowie das Prozessrisiko wirken für kleine und mittelständische Unternehmen prohibitiv, weshalb sie die Ansprüche im Allgemeinen, weil sie es für rational halten, untätig zu bleiben, nicht verfolgt werden.

124. Unter diesen Umständen könnte man sich fragen, ob die für Individualklagen geltenden Verfahrensmodalitäten nicht selbst gegen den Effektivitätsgrundsatz und den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes verstoßen. Denn Modalitäten, die geeignet sind, von der Geltendmachung des durch die Unionsrechtsordnung garantierten Rechts vor nationalen Gerichten abzuschrecken, stehen nicht im Einklang mit diesen Grundsätzen(62). Zwar betrifft der Vorlagebeschluss keine Schadensersatzklagen, die von Geschädigten eines Wettbewerbsverstoßes individuell erhoben worden wären. Es obliegt jedoch dem vorlegenden Gericht, sich zu vergewissern, ob eine Individualklage nicht ein wirksames Mittel zum Schutz des Einzelnen ist, bevor es davon ausgehen kann, dass das Abtretungsmodell die einzig taugliche Option für die Geltendmachung des Rechts auf vollständigen Schadensersatz ist.

125. Ebenfalls in diesem Zusammenhang weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Zedenten aufgrund des Inkassoverbots und unter Berücksichtigung der geltenden Verjährungsfristen jedenfalls nicht mehr in der Lage seien, ihre Ansprüche individuell geltend zu machen(63). In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof klargestellt, dass eine nationale Regelung, die den Rechtsuchenden dazu zwingt, zur Festlegung der für den Verstoß gegen das Unionsrecht angemessenen Sanktion eine neue Klage – gegebenenfalls bei einem anderen Gericht – zu erheben, im Ergebnis nicht mit dem Effektivitätsgrundsatz in Einklang steht, soweit sich für diesen Rechtsuchenden daraus zwangsläufig prozedurale Unannehmlichkeiten, u. a. im Hinblick auf die Kosten, die Dauer und die Vertretungsregeln, ergeben(64).

126. Nach alledem und unterstellt, dass die Prämissen, auf die sich das vorlegende Gericht stützt, zutreffen, wäre davon auszugehen, dass das Inkassoverbot die Geltendmachung des Rechts auf vollständigen Kartellschadensersatz übermäßig erschwert und daher ein nicht unerhebliches Risiko mit sich bringt, dass die Rechteinhaber ihre Rechte nicht ausüben. Dieses Verbot verstößt daher gegen den Effektivitätsgrundsatz und den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes.

127. Es bleibt zu prüfen, ob dieses Verbot angesichts der Ziele, auf denen es beruht, dennoch mit dem Effektivitätsgrundsatz in Einklang gebracht werden kann.

3)      Dem Rechtschutzsystem zugrunde liegendes Prinzip

128. Im Rahmen der Prüfung der nationalen Regelungen unter dem Gesichtspunkt des Effektivitätsgrundsatzes sind die Prinzipien zu berücksichtigen, die dem betreffenden nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z. B. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens(65). Doch die Wahrung eines Prinzips, das dem Rechtsschutzsystem eines Mitgliedstaats zugrunde liegt, erlaubt es diesem nicht, den Effektivitätsgrundsatz gänzlich außer Acht zu lassen. Vielmehr ist zu prüfen, ob eine nationale Regelung, die dem Effektivitätsgrundsatz entgegensteht, im Hinblick auf die Wahrung eines solchen Grundprinzips des Rechtsschutzsystems gerechtfertigt sein kann(66). Darüber hinaus hat der Gerichtshof auch klargestellt, dass unter bestimmten Umständen bei einer solchen Prüfung die Besonderheiten der in Rede stehenden Situationen und Interessen zu berücksichtigen sind, um ein Gleichgewicht zwischen dem Erfordernis des dem betreffenden Rechtsschutzsystem zugrunde liegenden Prinzips und den Konsequenzen zu finden, die sich aus der Beachtung dieses Prinzips für die Anwendung des Unionsrechts ergeben(67).

129. Die Zugeständnisse, die der Effektivitätsgrundsatz zugunsten eines Prinzips zulässt, das dem betreffenden Rechtsschutzsystem zugrunde liegt, müssen daher ähnliche Voraussetzungen erfüllen wie die Einschränkungen von Grundrechten. Denn wie bereits erwähnt(68) muss eine Einschränkung eines Grundrechts dessen Wesensgehalt achten und darf unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich ist und tatsächlich den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entspricht.

130. Im vorliegenden Fall ist daher zu prüfen, ob das Inkassoverbot im Hinblick auf den Schutz der Empfänger solcher Dienstleistungen gerechtfertigt werden kann, wobei die sich daraus ergebenden Folgen für die Anwendung des Unionsrechts und für die durch Wettbewerbsverstöße Geschädigten zu berücksichtigen sind(69).

131. Das Inkassoverbot scheint auf der Erwägung zu beruhen, die mit dem Schutz der durch einen Wettbewerbsverstoß möglicherweise Geschädigten in Zusammenhang stehen. Denn zum einen ergibt sich dieses Verbot daraus, dass der Anforderung an die erforderliche Sachkenntnis des Rechtsdienstleisters, die eingeführt wurde, um den Dienstleistungsempfänger vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen, nicht Genüge getan werde. Zum anderen soll mit dem Verbot die Gefahr von Interessenkonflikten vermieden werden, die der Lage der Empfänger solcher Dienstleistungen schaden könnten(70).

132. Obwohl sich das vorlegende Gericht zu diesem Punkt nicht äußert, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Schutz der Empfänger von Rechtsdienstleistungen ein Prinzip ist, das dem betreffenden nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegt. Wie das Erfordernis der Vertretung durch eine Person, die berechtigt ist, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats aufzutreten(71), scheint ein solcher Schutz nämlich dazu zu dienen, die Wahrung des Rechts auf ein faires Verfahren und einen effektiven Rechtsschutz der Einzelnen zu gewährleisten.

133. Der Vorlagebeschluss lässt vermuten, dass das Inkassoverbot automatisch für jeden Rückgriff auf ein Abtretungsmodell gilt, mit dem ein Sammelklage‑Inkasso im Bereich des Wettbewerbsrechts angestrebt wird. Auch wenn einige der Parteien darauf hinweisen, dass dieser Ansatz nicht mit der einschlägigen nationalen Rechtsprechung übereinstimme, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dieses Verbot tatsächlich automatisch gilt oder ob es vielmehr nur zum Tragen kommt, wenn eine Prüfung unter Berücksichtigung des Gegenstands und der Besonderheiten der betreffenden Klage einen möglichen Interessenkonflikt oder unzureichende Fachkenntnisse des Zessionars erkennen lässt. Ich setze meine Analyse unter der Annahme fort, dass dieses Verbot automatisch gilt. Denn der Vorlagebeschluss beschränkt sich auf allgemeine Ausführungen, ohne zu erörtern, ob ein solcher Interessenkonflikt oder unzureichende Fachkenntnisse des betroffenen Zessionars wahrscheinlich sind. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass der Zessionar zusätzliche Beweise vorlegen und die Nichtigkeit der Abtretung beanstanden könnte.

134. Somit deutet der Vorlagebeschluss darauf hin, dass das Inkassoverbot es in allen Fällen für Kartellgeschädigte illusorisch macht, ihre durch die Unionsrechtsordnung garantierten Rechte mit Hilfe des Abtretungsmodells geltend zu machen.

135. Unter diesen Umständen kann das Inkassoverbot angesichts der sich daraus ergebenden Folgen für die Anwendung des Unionsrechts und für die durch Wettbewerbsverstöße Geschädigten sowie im Hinblick auf die zentrale Rolle des „private enforcement“ des Wettbewerbsrechts in der Rechtsordnung der Union(72) nicht durch das Erfordernis der Wahrung des Rechts auf ein faires Verfahren und auf effektiven Rechtsschutz der Einzelnen gerechtfertigt werden.

136. Daher sind Art. 101 AEUV, Art. 2 Nr. 4, Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 der Richtlinie 2014/104 sowie Art. 47 der Charta dahin auszulegen, dass sie einer Auslegung des nationalen Rechts entgegenstehen, die bewirkt, dass in Ermangelung einer bestandskräftigen Entscheidung, die das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht feststellt, den mutmaßlich Geschädigten automatisch verwehrt wird, die Ansprüche auf Ersatz von Kartellschäden an einen zugelassenen Rechtsdienstleister treuhänderisch abzutreten, damit dieser die Ansprüche gebündelt geltend macht, wenn keine andere gleichwertige gesetzliche oder vertragliche Möglichkeit der Bündelung von Schadensersatzforderungen besteht und somit die Verfolgung geringfügiger Schäden praktisch unmöglich gemacht oder jedenfalls übermäßig erschwert würde. Dieses Verbot kann nicht durch das Erfordernis der Wahrung des Rechts auf ein faires Verfahren und auf effektiven Rechtsschutz der Einzelnen gerechtfertigt werden.

B.      Dritte Vorlagefrage

137. Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 101 AEUV, die Richtlinie 2014/104 und Art. 47 der Charta dahin auszulegen sind, dass das vorlegende Gericht die nationalen Bestimmungen unangewendet lassen muss, die die Grundlage für das Verbot des Abtretungsmodells bilden, welches gegen den Effektivitätsgrundsatz und den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes verstößt.

1.      Zur Zulässigkeit

138. Otto Fuchs und das Land Nordrhein-Westfalen stellen die Zulässigkeit der dritten Vorlagefrage in Abrede. Im Wesentlichen machen diese Parteien geltend, dass die Frage nicht, wie in Art. 267 AEUV vorgesehen, die Auslegung des Unionsrechts betreffe, sondern die Anwendung des Unionsrechts auf nationaler Ebene in einem bestimmten Fall sowie die Schlussfolgerungen, die das vorlegende Gericht in Bezug auf die zu erlassende Entscheidung zu ziehen habe.

139. Die Formulierung dieser Frage könnte in der Tat darauf hindeuten, dass sie die Anwendung des Unionsrechts betrifft. Jedoch möchte das vorlegende Gericht mit dieser Frage wissen, ob Art. 101 AEUV, die Richtlinie 2014/104 und Art. 47 der Charta angesichts des Grundsatzes des Vorrangs des Unionsrechts die Möglichkeit einräumen, eine nationale Bestimmung, die nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist, unangewendet zu lassen. Diese Frage ist nicht ohne Bedeutung, wenn man berücksichtigt, dass die ersten beiden Vorlagefragen insbesondere die Auslegung des Sekundärrechts betreffen und dass sich im Ausgangsverfahren Privatpersonen gegenüberstehen. Wichtiger noch ist, dass die besagte Frage die Auslegung des Unionsrechts betrifft.

2.      Zur Begründetheit

140. Wie ich in der Antwort auf die zweite Vorlagefrage ausgeführt habe, verstößt das Inkassoverbot unter Berücksichtigung des vom vorlegenden Gericht beschriebenen tatsächlichen und rechtlichen Rahmens gegen den Effektivitätsgrundsatz und den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes.

141. Die dritte Vorlagefrage geht zwar von der Prämisse aus, dass eine unionsrechtskonforme Auslegung der nationalen Bestimmungen ausgeschlossen ist, das vorlegende Gericht erklärt jedoch nicht, warum eine differenzierte Auslegung des RDG im vorliegenden Fall nicht möglich sein soll. Es ist darauf hinzuweisen, dass die nationalen Gerichte das nationale Recht bei seiner Anwendung unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der in Rede stehenden unionsrechtlichen Bestimmung auslegen müssen, um die volle Wirksamkeit dieser Bestimmung zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das im Einklang mit dem mit ihr verfolgten Zweck steht(73).

142. Im Übrigen betrifft die zweite Frage zwar insbesondere die Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie 2014/104, und im Ausgangsverfahren stehen sich Privatpersonen gegenüber. Diese Richtlinie bekräftigt jedoch nur das in Art. 101 AEUV garantierte Recht auf vollständigen Ersatz des durch einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schadens. Das Inkassoverbot stellt somit eine Modalität der Geltendmachung eines Rechts dar, das sich aus einer Bestimmung mit unmittelbarer Wirkung ergibt(74).

143. Sollte sich das vorlegende Gericht also nicht in der Lage sehen, eine Auslegung der dem Inkassoverbot zugrunde liegenden Bestimmungen vorzunehmen, die mit den Grundsätzen der Effektivität und des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes im Einklang steht, wäre es seine Aufgabe, diese nationalen Bestimmungen unangewendet zu lassen und die Forderungsabtretungen als wirksam anzusehen(75).

144. Ich schlage daher vor, auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 101 AEUV, die Richtlinie 2014/104 und Art. 47 der Charta dahin auszulegen sind, dass das vorlegende Gericht die nationalen Bestimmungen unangewendet lassen muss, die die Grundlage für das Inkassoverbot bilden, welches gegen den Effektivitätsgrundsatz und den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes verstößt.

V.      Ergebnis

145. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen des Landgerichts Dortmund (Deutschland) wie folgt zu antworten:

1.      Art. 101 AEUV, Art. 2 Nr. 4, Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 der Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union sowie Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

sind dahin auszulegen, dass

sie einer Auslegung des nationalen Rechts entgegenstehen, die bewirkt, das in Ermangelung einer bestandskräftigen Entscheidung, die das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht feststellt, den mutmaßlich Geschädigten automatisch verwehrt wird, die Ansprüche auf Ersatz von Kartellschäden an einen zugelassenen Rechtsdienstleister treuhänderisch abzutreten, damit dieser die Ansprüche gebündelt geltend macht, wenn keine andere gleichwertige gesetzliche oder vertragliche Möglichkeit der Bündelung von Schadensersatzforderungen besteht und somit die Verfolgung geringfügiger Schäden praktisch unmöglich gemacht oder jedenfalls übermäßig erschwert würde. Dieses Verbot kann nicht durch das Erfordernis der Wahrung des Rechts auf ein faires Verfahren und auf effektiven Rechtsschutz der Einzelnen gerechtfertigt werden.

2.      Art. 101 AEUV, die Richtlinie 2014/104 und Art. 47 der Charta der Grundrechte

sind dahin auszulegen, dass

das vorlegende Gericht die nationalen Bestimmungen unangewendet lassen muss, die die Grundlage für das Verbot des Abtretungsmodells bilden, welches gegen den Effektivitätsgrundsatz und den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes verstößt.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Vgl. zu diesem Phänomen die Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen in der Rechtssache CDC Hydrogen Peroxide (C‑352/13, EU:C:2014:2443, Rn. 29).


3      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (ABl. 2014, L 349, S. 1).


4      BGBl. 2007 I S. 2840.


5      BGBl. 2023 I S. 1.


6      BGBl. 2008 I S. 1069.


7      Hervorhebung nur hier.


8      Das vorlegende Gericht bezieht sich insoweit auf die Urteile vom 20. September 2001, Courage und Crehan (C‑453/99, EU:C:2001:465, Rn. 26); vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a. (C‑295/04 bis C‑298/04, EU:C:2006:461, Rn. 90 und 95); vom 12. Dezember 2019, Otis Gesellschaft u. a. (C‑435/18, EU:C:2019:1069, Rn. 22), sowie vom 6. Oktober 2021, Sumal (C‑882/19, EU:C:2021:800, Rn. 33).


9      Vgl. Urteil vom 17. Juni 2021, M.I.C.M. (C‑597/19, EU:C:2021:492, Rn. 77), sowie meine Schlussanträge in dieser Rechtssache (C‑597/19, EU:C:2020:1063, Nr. 88).


10      Urteil vom 18. März 2010 (C‑317/08 bis C‑320/08, EU:C:2010:146, Rn. 63).


11      Vgl. zuletzt Urteil vom 27. Juni 2024, Peigli (C‑41/23, EU:C:2024:554, Rn. 32).


12      Siehe Nr. 16 der vorliegenden Schlussanträge.


13      Verordnung des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1).


14      Vgl. § 32b Abs. 1 Satz 1 GWB.


15      Vgl. § 32b Abs. 1 Satz 3 GWB.


16      Vgl. § 32b Abs. 1 Satz 2 GWB.


17      Vgl. § 32b Abs. 2 GWB.


18      Vgl. Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Alrosa (C‑441/07 P, EU:C:2010:377, Rn. 48).


19      Vgl. Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Alrosa (C‑441/07 P, EU:C:2010:377, Rn. 40).


20      Vgl. Urteil vom 23. November 2017, Gasorba u. a. (C‑547/16, EU:C:2017:891, Rn. 29).


21      Vgl. „Empfehlungen an die nationalen Gerichte bezüglich der Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen“ (ABl. 2019, C 380, S. 1), Nr. 18.


22      Vgl. Wrbka, S., „European Consumer Protection Law: Quo Vadis? Thoughts on the Compensatory Collective Redress Debate“, in Wrbka, S., Uytsel, S., und Siems, M., (Dir.), Collective Actions. Enhancing Access to Justice and Reconciling Multilayer Interests?, Cambridge University Press, Cambridge, 2012, S. 43.


23      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2023, International Protection Appeals Tribunal u. a. (Anschlag in Pakistan) (C‑756/21, EU:C:2023:523, Rn. 37 und 38).


24      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Juni 2018, Altiner et Ravn (C‑230/17, EU:C:2018:497, Rn. 23).


25      Urteil vom 22. Juni 2022 (C‑267/20, EU:C:2022:494).


26      Daher gelten die nationalen Maßnahmen zur Umsetzung der Verfahrensvorschriften der Richtlinie 2014/104 für Klagen, die nach dem Datum der Umsetzung erhoben wurden. Die Mitgliedstaaten verfügten also bei der Umsetzung dieser Richtlinie über ein Ermessen, um zu entscheiden, ob die nationalen Maßnahmen zur Umsetzung der verfahrensrechtlichen Vorschriften der Richtlinie auch für Schadensersatzklagen gelten, die nach dem 26. Dezember 2014, aber vor dem Zeitpunkt der Umsetzung der Richtlinie erhoben wurden. Vgl. Urteil vom 12. Januar 2023, RegioJet (C‑57/21, EU:C:2023:6, Rn. 45).


27      Vgl. Urteil vom 16. Februar 2023, Tráficos Manuel Ferrer (C‑312/21, EU:C:2023:99, Rn. 33).


28      Denn wie sich aus dem vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/104 ergibt, ist das Recht auf Ersatz von Schäden infolge von Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Union im Unionsrecht verankert. In diesem Sinne heißt es in den Erwägungsgründen 11 und 12 der Richtlinie, dass dieses Recht durch den AEUV garantiert wird bzw. dass die genannte Richtlinie den unionsrechtlichen Besitzstand in Bezug auf das durch das Unionsrecht verliehene Recht auf Ersatz des durch Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Union verursachten Schadens erneut bestätigt.


29      Vgl. Urteil vom 16. Februar 2023, Tráficos Manuel Ferrer (C‑312/21, EU:C:2023:99, Rn. 35).


30      Siehe Nr. 78 der vorliegenden Schlussanträge.


31      Zur Veranschaulichung vgl. Urteil vom 22. September 2022, Vicente (Verfahren zur Vollstreckung von Anwaltshonoraren) (C‑335/21, EU:C:2022:720, Rn. 54 und 75).


32      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in den Rechtssachen Kone u. a. (C‑557/12, EU:C:2014:45, Nr. 23) und Otis Gesellschaft u. a. (C‑435/18, EU:C:2019:651, Nr. 44) sowie Schlussanträge von Generalanwalt Wahl in der Rechtssache Skanska Industrial Solutions u. a. (C‑724/17, EU:C:2019:100, Nr. 40 und 41).


33      Vgl. entsprechend Urteil vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige AB (C‑52/09, EU:C:2011:83, Rn. 21).


34      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. September 2001, Courage und Crehan (C‑453/99, EU:C:2001:465, Rn. 27), und vom 6. November 2012, Otis u. a. (C‑199/11, EU:C:2012:684, Rn. 42).


35      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2001, Courage und Crehan (C‑453/99, ECLI:EU:C:2001:465, Rn. 29).


36      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Juli 2016, VM Remonts u. a. (C‑542/14, EU:C:2016:578, Rn. 21), sowie vom 14. März 2019, Skanska Industrial Solutions u. a. (C‑724/17, EU:C:2019:204, Rn. 26 bis 28).


37      Siehe Rechtsprechung in Fn. 8.


38      Im deutschen Recht sah Art. 33 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche in seiner bis zum Inkrafttreten von Art. 1 des Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (Rom I) vom 25. Juni 2009 (BGBl. 2009 I S. 1574) am 17. Dezember 2009 geltenden Fassung vor, dass „[d]as Recht, dem die übertragene Forderung unterliegt, … ihre Übertragbarkeit, das Verhältnis zwischen neuem Gläubiger und Schuldner, die Voraussetzungen, unter denen die Übertragung dem Schuldner entgegengehalten werden kann, und die befreiende Wirkung einer Leistung durch den Schuldner [bestimmt]“. Hervorhebung nur hier.


39      Vgl. Art. 11:302 der Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts („Principles of European Contract Law“) und Art. III:5:109 des Entwurfs eines Gemeinsamen Referenzrahmens („Draft Common Frame of Reference“). Vgl. auch von Bar, C., Clive, E., Schulte-Nölke, H., u. a. (Dir.), Principles, Definitions and Model Rules of European Private Law: Draft Common Frame of Reference (DCFR), Outline Edition, Sellier European Law Publishers, München, 2009, S. 260. Im Wesentlichen regeln diese Bestimmungen des Musterregelwerks des europäischen Privatrechts die Forderungen und Rechte, die grundsätzlich nicht Gegenstand einer Abtretung sein können.


40      Vgl. Urteile vom 4. Oktober 1979, Ireks-Arkady/CEE (238/78, EU:C:1979:226, Rn. 5), und vom 1. März 1983, DEKA Getreideprodukte/CEE (250/78, EU:C:1983:49, Rn. 15). Vgl. auch Schlussanträge von Generalanwalt Mancini in der Rechtssache DEKA Getreideprodukte/CEE (250/78, EU:C:1983:5, Nr. 6).


41      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).


42      Vgl. Urteil vom 29. Februar 2024, Eventmedia Soluciones (C‑11/23, EU:C:2024:194, Rn. 43).


43      Vgl. Urteil vom 29. Februar 2024, Eventmedia Soluciones (C‑11/23, EU:C:2024:194, Rn. 44).


44      Siehe Nr. 37 der vorliegenden Schlussanträge.


45      Die in Rede stehende Bezugnahme betrifft daher eine ähnliche Frage, wie sie der Gerichtshof im Urteil vom 17. Juni 2021, M.I.C.M. (C‑597/19, EU:C:2021:492, Rn. 77), in Bezug auf eine andere Richtlinie untersucht hat. In diesem Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass ein Zessionar die in der betreffenden Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe für sich in Anspruch nehmen kann.


46      Hervorhebung nur hier.


47      Siehe Nr. 96 der vorliegenden Schlussanträge.


48      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG (ABl. 2020, L 409, S. 1).


49      Vgl. Art. 3 Nr. 5 der Richtlinie 2020/1828.


50      Vgl. in diesem Sinne Rodger, B. J., Sousa Ferro, M., und Marcos, F., „A Panacea for Competition Law Damages Actions in the EU? A Comparative View of the Implementation of the EU Antitrust Damages Directive in Sixteen Member States“, Maastricht Journal of European and Comparative Law, 2019, Bd. 26, Nr. 4, S. 502 und 503. Letztlich betrifft die Richtlinie 2020/1828 gemäß ihrem Art. 2 Abs. 1 nur Verbandsklagen, die aufgrund von Verstößen erhoben werden, die die Kollektivinteressen der Verbraucher beeinträchtigen oder zu beinträchtigen drohen. Zudem gilt diese Richtlinie nur für Verstöße gegen die in ihrem Anhang I aufgeführten Bestimmungen des Unionsrechts, und Art. 101 AEUV ist darin nicht enthalten.


51      Siehe Nr. 96 der vorliegenden Schlussanträge.


52      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juni 2022, Kommission/Spanien (Verstoß des Gesetzgebers gegen das Unionsrecht) (C‑278/20, EU:C:2022:503, Rn. 33).


53      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Dezember 2010, DEB (C‑279/09, EU:C:2010:811, Rn. 40), in dem der Gerichtshof festgestellt hat, dass das in Art. 47 der Charta normierte Recht, bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen, in deren Kapitel VI („Justizielle Rechte“) enthalten ist, in dem weitere Verfahrensgrundsätze verankert sind.


54      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2024, Volvo (Klageerhebung am Sitz einer Tochtergesellschaft der Beklagten) (C‑632/22, EU:C:2024:601, Rn. 54).


55      Vgl. Urteil vom 20. Februar 2024, X (Keine Angaben von Kündigungsgründen) (C‑715/20, EU:C:2024:139, Rn. 78).


56      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. September 2018, Profi Credit Polska (C‑176/17, EU:C:2018:711, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).


57      Siehe Nr. 40 der vorliegenden Schlussanträge.


58      Vgl. Urteil vom 20. September 2001, Courage und Crehan (C‑453/99, EU:C:2001:465, Rn. 29).


59      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. September 2020, Delfly (C‑356/19, EU:C:2020:633, Rn. 33), in dem der Gerichtshof entschieden hat, dass die Modalitäten der Umrechnung des Euro in eine nationale Währung in den Bereich der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten fallen und den Äquivalenz- und den Effektivitätsgrundsatz beachten müssen.


60      Siehe Nr. 114 der vorliegenden Schlussanträge.


61      Siehe Nrn. 68 bis 70 der vorliegenden Schlussanträge.


62      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. September 2018, Profi Credit Polska (C‑176/17, EU:C:2018:711, Rn. 68).


63      Siehe Nr. 29 der vorliegenden Schlussanträge.


64      Urteil vom 14. September 2016, Martínez Andrés und Castrejana López (C‑184/15 und C‑197/15, EU:C:2016:680; Rn. 63).


65      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Juni 2013, Agrokonsulting-04 (C‑93/12, EU:C:2013:432, Rn. 48).


66      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. September 2009, Fallimento Olimpiclub (C‑2/08, EU:C:2009:506, Rn. 28).


67      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Mai 2021, X (LPG-Tankfahrzeuge) (C‑120/19, EU:C:2021:398, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).


68      Siehe Nr. 115 der vorliegenden Schlussanträge.


69      Vgl. entsprechend Urteil vom 4. Oktober 2012, Byankov (C‑249/11, EU:C:2012:608, Rn. 78).


70      Siehe Nr. 29 der vorliegenden Schlussanträge.


71      Vgl. in Bezug auf das Erfordernis der Vertretung und seine Ziele die Schlussanträge von Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer in der Rechtssache Lancôme/HABM (C‑408/08 P, EU:C:2009:634, Rn. 48).


72      Siehe Nr. 89 der vorliegenden Schlussanträge.


73      Vgl. zuletzt Urteil vom 11. Juli 2024, Plamaro (C‑196/23, EU:C:2024:596, Rn. 42).


74      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Januar 2024, Em akaunt BG (C‑438/22, EU:C:2024:71, Rn. 37).


75      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2021, Sumal (C‑882/19, EU:C:2021:800, Rn. 70 bis 72).