Language of document : ECLI:EU:C:2020:110

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

26. Februar 2020(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Freier Dienstleistungsverkehr – Art. 56 AEUV – Glücksspiel – Steuerrecht – Diskriminierungsverbot – Einheitliche Steuer auf Wetten“

In der Rechtssache C‑788/18

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Commissione tributaria provinciale di Parma (Finanzgericht der Provinz Parma, Italien) mit Entscheidung vom 15. Oktober 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Dezember 2018, in dem Verfahren

Stanleyparma Sas di Cantarelli Pietro & C.,

Stanleybet Malta Ltd

gegen

Agenzia delle Dogane e dei Monopoli UM Emilia Romagna – SOT Parma

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot sowie der Richter M. Safjan und L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters N. Jääskinen,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Stanleyparma Sas di Cantarelli Pietro & C., vertreten durch D. Agnello, V. Varzi und M. Mura, avvocati,

–        der Stanleybet Malta Ltd, vertreten durch R. A. Jacchia, F. Ferraro, A. Terranova und D. Agnello, avvocati,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. G. Marrone und S. Fiorentino, avvocati dello Stato,

–        der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck und M. Jacobs als Bevollmächtigte im Beistand von P. Vlaemminck und R. Verbeke, advocaten,

–        der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, O. Serdula und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Rossi und N. Gossement als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 52, 56 und 57 AEUV, des Diskriminierungsverbots in Steuerangelegenheiten und des Grundsatzes der Gleichbehandlung.

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Stanleyparma Sas di Cantarelli Pietro & C. und der Stanleybet Malta Ltd einerseits und der Agenzia delle Dogane e dei Monopoli UM Emilia Romagna – SOT Parma (Zoll- und Monopolbehörde, Monopolabteilung Emilia Romagna, Außenstelle Parma, Italien, im Folgenden: Zoll- und Monopolbehörde) andererseits betreffend die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Zoll- und Monopolbehörde über die Verpflichtung von Centri Trasmissione Dati (Datenübertragungszentren) wie Stanleyparma sowie subsidiär Stanleybet Malta als Gesamtschuldnerin zur Zahlung einer einheitlichen Steuer auf Wetten (im Folgenden: einheitliche Steuer) in Italien.

 Rechtlicher Rahmen

3        Gemäß Art. 1 des Decreto legislativo n. 504 – Riordino dell’imposta unica sui concorsi pronostici e sulle scommesse, a norma dell’articolo 1, comma 2, della legge 3 agosto 1998, n. 288 (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 504 zur Neuordnung der einheitlichen Steuer auf Prognosewettbewerbe und Wetten gemäß Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 288 vom 3. August 1998) vom 23. Dezember 1998 (GURI Nr. 27 vom 3. Februar 1999, im Folgenden: Decreto legislativo Nr. 504/1998) wird die einheitliche Steuer für Prognosewettbewerbe und Wetten gleich welcher Art, unabhängig von dem betreffenden Ereignis, auch wenn sie im Ausland stattfinden, geschuldet.

4        Art. 3 („Steuerpflichtige“) dieses Decreto legislativo lautet:

„Der einheitlichen Steuer unterliegen Personen, die – auch mit einer Konzession – Prognosewettbewerbe und Wetten verwalten.“

5        Art. 1 Abs. 66 der Legge n. 220 – Disposizioni per la formazione del bilancio annuale e pluriennale dello Stato (legge di stabilità 2011) (Gesetz Nr. 220 mit Bestimmungen für die Aufstellung des jährlichen und mehrjährigen Staatshaushalts [Stabilitätsgesetz 2011]) vom 13. Dezember 2010 (GURI Nr. 297 vom 21. Dezember 2010, im Folgenden: Stabilitätsgesetz 2011) bestimmt:

„…

a)      … [D]ie einheitliche Steuer … wird auch dann geschuldet, wenn für die Annahme von Wetten, auch auf Distanz, keine Konzession des Ministers für Wirtschaft und Finanzen – Autonome Staatsmonopolverwaltung vorliegt oder diese unwirksam ist;

b)      Art. 3 des Decreto legislativo [Nr. 504/1998] ist dahin zu verstehen, dass Steuerpflichtiger jede Person ist, die, auch wenn keine Konzession des Ministers für Wirtschaft und Finanzen – Autonome Staatsmonopolverwaltung vorliegt oder diese unwirksam ist, Prognosewettbewerbe oder Wetten gleich welcher Art, mit beliebigen Mitteln, auch telematisch, für eigene Rechnung oder für Dritte, auch solche mit Sitz im Ausland, verwaltet. Wird die Tätigkeit für Dritte ausgeübt, ist derjenige, für den die Tätigkeit ausgeübt wird, gesamtschuldnerisch zur Zahlung der Steuer sowie damit verbundener Sanktionen verpflichtet.“

6        Art. 16 des Decreto del Ministero dell’Economia e delle Finanze n. 111 – Norme concernenti la disciplina delle scommesse a quota fissa su eventi sportivi diversi dalle corse dei cavalli e su eventi non sportivi da adottare ai sensi dell’articolo 1, comma 286, della legge 30 dicembre 2004, n. 311 (Dekret des Ministers für Wirtschaft und Finanzen Nr. 111 mit Vorschriften über die auf Wetten mit Festquoten auf andere Sportereignisse als Pferderennen und auf nicht sportliche Ereignisse anzuwendende Regelung im Sinne von Art. 1 Abs. 286 des Gesetzes Nr. 311 vom 30. Dezember 2004) vom 1. März 2006 (GURI Nr. 67 vom 21. März 2006) sieht vor, dass der Konzessionsinhaber die aufgrund der einheitlichen Steuer geschuldeten Beträge zahlt.

7        Gemäß Art. 1 Abs. 644 Buchst. g der Legge no 190 – Disposizioni per la formazione del bilancio annuale e pluriennale dello Stato (legge di stabilità 2015) (Gesetz Nr. 190 mit Bestimmungen für die Aufstellung des jährlichen und mehrjährigen Staatshaushalts [Stabilitätsgesetz 2015]) vom 23. Dezember 2014 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 300 vom 29. Dezember 2014) findet für die einheitliche Steuer „eine Steuerbemessungsgrundlage Anwendung, die pauschal dem Dreifachen des durchschnittlichen Aufkommens entspricht, das durch die Annahme in der Provinz oder dort, wo die Tätigkeit der Annahmestelle angesiedelt ist, erzielt und aus den dem Referenzzeitraum vorausgehenden Steuerzeitraum beim nationalen Totalisator registrierten Daten abgeleitet wird“.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

8        Stanleybet Malta ist in Italien im Wettannahmebereich mit Hilfe von Datenübertragungszentren wie Stanleyparma auf der Grundlage eines Auftragsvertrags tätig. Die Datenübertragungszentren befinden sich in öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten, stellen den Spielern eine Datenübertragungsverbindung zur Verfügung und übermitteln die Daten jedes Einsatzes an ihre Auftraggeberin. Stanleybet Malta, die ihre Tätigkeit in Italien seit rund 20 Jahren ausübt, verfügt weder über eine Konzession noch über eine behördliche Genehmigung.

9        Mit Steuernacherhebungsbescheid vom 21. September 2016 verpflichtete die Zoll- und Monopolbehörde Stanleyparma und subsidiär Stanleybet Malta als Gesamtschuldnerin gemäß Art. 3 des Decreto legislativo Nr. 504/1998 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 66 des Stabilitätsgesetzes 2011 zur Zahlung der einheitlichen Steuer auf im Steuerjahr 2011 in Italien angenommene Wetten in Höhe von 8 422,60 Euro. Die Steuerschuld bestehe, weil Stanleyparma eine Wettverwaltungstätigkeit „für Dritte“ ausgeübt habe.

10      Stanleyparma und Stanleybet Malta erhoben Klage beim vorlegenden Gericht, der Commissione tributaria provinciale di Parma (Finanzgericht der Provinz Parma, Italien), auf Nichtigerklärung dieses Bescheids und machten dazu geltend, die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung beschränke ihnen gegenüber die Dienstleistungsfreiheit.

11      Für das vorlegende Gericht, das die Zweifel der Klägerinnen teilt, stellt sich im Besonderen die Frage nach der Vereinbarkeit der nationalen Regelung mit dem Unionsrecht, konkret mit den Art. 52, 56 und 57 AEUV sowie mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Diskriminierungsverbot.

12      Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts stellt der Umstand, dass die Datenübertragungszentren die einheitliche Steuer schulden, in zweifacher Hinsicht eine rechtswidrige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV dar. Zum einen sei die Heranziehung von für nationale Konzessionäre tätigen Datenübertragungszentren zu dieser Steuer nicht vorgesehen, obwohl ihre Tätigkeit mit jener von Stanleyparma vergleichbar sei. Zum anderen werde Stanleyparma zur Entrichtung dieser Steuer herangezogen und folglich mit diesen Konzessionären gleichgestellt, obwohl ihre Tätigkeit unterschiedlich sei.

13      Es bestehe keine Rechtfertigung für eine etwaige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, da die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung ein rein wirtschaftliches Ziel verfolge. Zur Stützung seines Standpunkts verweist das vorlegende Gericht auf ein Urteil der Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof, Italien) vom 23. Januar 2018, in dem diese nationale Regelung für die Steuerjahre vor 2011 insoweit für verfassungswidrig erklärt wurde, als sie vorsah, dass Datenübertragungszentren die einheitliche Steuer schuldeten, die für Dritte tätig waren, die, wie Stanleybet Malta, über keine Konzession verfügten.

14      Unter diesen Umständen hat die Commissione tributaria provinciale di Parma (Finanzgericht der Provinz Parma) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Sind die Art. 56, 57 und 52 AEUV, die Rechtsprechung des Gerichtshofs auf dem Gebiet der Spiel- und Wettdienstleistungen, wie sie sich insbesondere aus den Urteilen vom 6. November 2003, Gambelli u. a. (C‑243/01, EU:C:2003:597), vom 6. März 2007, Placanica u. a. (C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, EU:C:2007:133), vom 16. Februar 2012, Costa und Cifone (C‑72/10 und C‑77/10, EU:C:2012:80), sowie vom 28. Januar 2016, Laezza (C‑375/14, EU:C:2016:60), ergibt, und auf dem Gebiet der steuerlichen Diskriminierung, wie sie sich insbesondere aus den Urteilen vom 13. November 2003, Lindman (C‑42/02, EU:C:2003:613), vom 6. Oktober 2009, Kommission/Spanien (C‑153/08, EU:C:2009:618), sowie vom 22. Oktober 2014, Blanco und Fabretti (C‑344/13 und C‑367/13, EU:C:2014:2311), ergibt, sowie der unionsrechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung und das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot, auch im Licht des Urteils der Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof) vom 23. Januar 2018, dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in Rede stehenden italienischen entgegenstehen, wonach nationale Vermittler, die Spieledaten für in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässige Wettanbieter, insbesondere solche, die Eigenschaften wie Stanleybet Malta aufweisen, weiterleiten, und subsidiär diese Wettanbieter selbst gesamtschuldnerisch mit ihren nationalen Vermittlern der einheitlichen Steuer unterliegen?

2.      Sind die Art. 56, 57 und 52 AEUV, die Rechtsprechung des Gerichtshofs auf dem Gebiet der Spiel- und Wettdienstleistungen, wie sie sich insbesondere aus den Urteilen vom 6. November 2003, Gambelli u. a. (C‑243/01, EU:C:2003:597), vom 6. März 2007, Placanica u. a. (C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, EU:C:2007:133), vom 16. Februar 2012, Costa und Cifone (C‑72/10 und C‑77/10, EU:C:2012:80), sowie vom 28. Januar 2016, Laezza (C‑375/14, EU:C:2016:60), ergibt, und auf dem Gebiet der steuerlichen Diskriminierung, wie sie sich insbesondere aus den Urteilen vom 13. November 2003, Lindman (C‑42/02, EU:C:2003:613), vom 6. Oktober 2009, Kommission/Spanien (C‑153/08, EU:C:2009:618), sowie vom 22. Oktober 2014, Blanco und Fabretti (C‑344/13 und C‑367/13, EU:C:2014:2311), ergibt, sowie der unionsrechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung und das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot, auch im Licht des Urteils der Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof) vom 23. Januar 2018, dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in Rede stehenden italienischen entgegenstehen, wonach nur nationale Vermittler, die Spieledaten für in einem anderen Mitgliedstaat der Union ansässige Wettanbieter, insbesondere solche, die Eigenschaften wie Stanleybet Malta aufweisen, weiterleiten, und nicht auch nationale Vermittler, die Spieledaten für staatlich konzessionierte Wettanbieter, die die gleiche Tätigkeit ausüben, weiterleiten, der einheitlichen Steuer unterliegen?

3.      Stehen die Art. 52 und 56 ff. AEUV, die Rechtsprechung des Gerichtshofs auf dem Gebiet der Spiel- und Wettdienstleistungen sowie der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot, auch im Licht des Urteils der Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof) vom 23. Januar 2018, einer nationalen Regelung wie der in Rede stehenden italienischen in Art. 1 Abs. 644 Buchst. g des Gesetzes Nr. 190/2014 entgegen, wonach nationale Vermittler, die Spieledaten für in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässige Wettanbieter, insbesondere solche, die Eigenschaften wie Stanleybet Malta aufweisen, weiterleiten, und subsidiär diese Wettanbieter selbst gesamtschuldnerisch mit ihren nationalen Vermittlern zur Entrichtung der einheitlichen Steuer verpflichtet sind, wobei die Steuerbemessungsgrundlage pauschal dem Dreifachen des durchschnittlichen Aufkommens entspricht, das durch die Annahme in der Provinz oder dort, wo die Tätigkeit der Annahmestelle angesiedelt ist, erzielt und aus den im dem Referenzzeitraum vorausgehenden Steuerzeitraum beim nationalen Totalisator registrierten Daten abgeleitet wird?

 Zu den Vorlagefragen

 Zu den ersten beiden Fragen

15      Mit seinen ersten beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 56 AEUV einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die in diesem Mitgliedstaat ansässige Datenübertragungszentren und – gesamtschuldnerisch und subsidiär – die in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Wettanbieter, die Auftraggeber der Datenübertragungszentren, einer Steuer auf Wetten unterwirft.

16      Zunächst ist festzuhalten, dass Glücksspiele nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs den Regelungen über den Dienstleistungsverkehr unterliegen und folglich in den Anwendungsbereich des Art. 56 AEUV fallen, wenn zumindest einer der Dienstleistenden in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ansässig ist, in dem die Dienstleistung angeboten wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. November 2003, Lindman, C‑42/02, EU:C:2003:613, Rn. 19, sowie vom 22. Oktober 2014, Blanco und Fabretti, C‑344/13 und C‑367/13, EU:C:2014:2311, Rn. 27). Die vorliegende Rechtssache ist somit im Hinblick auf den freien Dienstleistungsverkehr zu prüfen.

17      Der freie Dienstleistungsverkehr verlangt nach Art. 56 AEUV nicht nur die Beseitigung jeder Diskriminierung des in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistenden aufgrund seiner Staatsangehörigkeit, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen – selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistende wie für solche aus anderen Mitgliedstaaten gelten –, sofern sie geeignet sind, die Tätigkeiten des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen (Urteil vom 22. Oktober 2014, Blanco und Fabretti, C‑344/13 und C‑367/13, EU:C:2014:2311, Rn. 26).

18      Des Weiteren hat der Gerichtshof im Glücksspielsektor den Rückgriff auf ein Konzessionssystem gebilligt, weil ein solches System ein wirksamer Mechanismus sein kann, um die in diesem Sektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer mit dem Ziel zu kontrollieren, der Ausnutzung dieser Tätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen (Urteil vom 19. Dezember 2018, Stanley International Betting und Stanleybet Malta, C‑375/17, EU:C:2018:1026, Rn. 66).

19      Für die Beurteilung des Vorliegens einer Diskriminierung ist festzuhalten, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine Differenzierung objektiv gerechtfertigt ist (Urteil vom 6. Juni 2019, P. M. u. a., C‑264/18, EU:C:2019:472, Rn. 28).

20      Im vorliegenden Fall knüpft nach den dem Gerichtshof vorliegenden Akten die einheitliche Steuer an die Tätigkeit der Annahme von Wetten in Italien an. Gemäß Art. 1 Abs. 66 Buchst. a und b des Stabilitätsgesetzes 2011 sind Steuerpflichtige dieser Steuer alle Anbieter, die Wetten verwalten, unabhängig davon, ob sie auf eigene Rechnung oder für einen Dritten tätig sind, ob sie über eine Konzession verfügen und wo sie ansässig sind, auch wenn es im Ausland ist.

21      Angesichts dieser Angaben des vorlegenden Gerichts ist die einheitliche Steuer offenbar auf sämtliche Anbieter anwendbar, die auf italienischem Hoheitsgebiet angenommene Wetten verwalten, ohne dass nach dem Ort der Ansässigkeit dieser Betreiber differenziert würde, so dass die Anwendung dieser Steuer auf Stanleybet Malta nicht als diskriminierend angesehen werden kann.

22      Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Rechtsvorschrift sieht nämlich nicht vor, dass die Steuerregelung davon abhängen würde, ob die Dienstleistung in Italien oder in anderen Mitgliedstaaten erbracht wird.

23      Soweit darüber hinaus Stanleybet Malta vorbringt, durch die im Ausgangsverfahren in Rede stehende italienische Regelung einer Doppelbesteuerung in Malta und Italien unterworfen zu sein, ist festzustellen, dass die Mitgliedstaaten beim gegenwärtigen Entwicklungsstand des Unionsrechts vorbehaltlich dessen Beachtung über eine gewisse Autonomie in diesem Bereich verfügen und deshalb nicht verpflichtet sind, ihr eigenes Steuersystem den verschiedenen Steuersystemen der anderen Mitgliedstaaten anzupassen, um namentlich die aus der parallelen Ausübung ihrer steuerlichen Zuständigkeiten durch diese Staaten folgende Doppelbesteuerung zu beseitigen (vgl. entsprechend Urteil vom 1. Dezember 2011, Kommission/Ungarn, C‑253/09, EU:C:2011:795, Rn. 83).

24      Folglich trifft Stanleybet Malta im Vergleich zu einem nationalen Anbieter, der seine Tätigkeit unter den gleichen Bedingungen wie dieses Unternehmen ausübt, keine diskriminierende Beschränkung aufgrund der Anwendung einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden auf sie. Ebenso wenig scheint diese Regelung geeignet zu sein, die Tätigkeiten eines Unternehmens wie Stanleybet Malta im betreffenden Mitgliedstaat zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen.

25      Was Stanleyparma betrifft, so betreibt diese als Vermittlerin für Stanleybet Malta gegen Entgelt eine Tätigkeit des Anbietens und der Annahme von Wetten.

26      Im Besonderen übt dieses Unternehmen ebenso wie nationale Wettanbieter die Tätigkeit der Wettverwaltung aus, die eine Voraussetzung für die Pflicht zur Entrichtung der einheitlichen Steuer darstellt. Aufgrund dieses Umstands ist Stanleyparma gemäß Art. 1 Abs. 66 Buchst. b des Stabilitätsgesetzes 2011 gesamtschuldnerisch mit Stanleybet Malta zur Zahlung dieser Steuer verpflichtet.

27      Ferner geht aus Art. 16 des Dekrets Nr. 111 des Ministers für Wirtschaft und Finanzen vom 1. März 2006 hervor, dass auch die Anbieter, die über eine Konzession für die Organisation von Wetten in Italien verfügen, die einheitliche Steuer entrichten. Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts werden ihre Datenübertragungszentren allerdings – anders als Stanleyparma – nicht gesamtschuldnerisch zur Zahlung dieser Steuer herangezogen.

28      Insoweit ist jedoch festzustellen, dass Stanleyparma im Unterschied zu den Datenübertragungszentren, die Spieldaten für nationale Wettanbieter übermitteln, Wetten für Stanleybet Malta entgegennimmt, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist. Somit befindet sie sich im Hinblick auf die Ziele des Stabilitätsgesetzes 2011 nicht in einer mit den nationalen Anbietern vergleichbaren Lage.

29      Folglich bringt die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung keine diskriminierende Beschränkung gegenüber Stanleybet Malta und Stanleyparma mit sich und beeinträchtigt für sie auch den freien Dienstleistungsverkehr nicht.

30      Nach alledem ist auf die ersten beiden Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die in diesem Mitgliedstaat ansässige Datenübertragungszentren und – gesamtschuldnerisch und subsidiär – die in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Wettanbieter, die Auftraggeber der Datenübertragungszentren, einer Steuer auf Wetten unterwirft, und zwar unabhängig vom Sitzort dieser Anbieter und vom Fehlen einer Konzession für die Organisation der Wetten.

 Zur dritten Frage

31      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 56 AEUV einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Erhöhung einer Steuer auf Wetten in Form einer pauschalen Steuerbemessungsgrundlage in Höhe des Dreifachen des durchschnittlichen Aufkommens, das durch die Annahme in Annahmestellen, die in einem Mitgliedstaat angesiedelt sind, erzielt wird, für Datenübertragungszentren, die für in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Wettanbieter ohne Konzession tätig sind, sowie für die Wettanbieter selbst vorsieht.

32      Die italienische Regierung und die Kommission ziehen die Zulässigkeit der dritten Frage in Zweifel, da ihre Beantwortung für die Lösung des Ausgangsrechtsstreits nicht erforderlich sei.

33      Nach ständiger Rechtsprechung kann der Gerichtshof die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. Oktober 1997, Grado und Bashir, C‑291/96, EU:C:1997:479, Rn. 12, sowie vom 19. November 2019, A. K. u. a. [Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichtshofs], C‑585/18, C‑624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:982, Rn. 98).

34      Vorliegend ist festzustellen, dass die aus dem Gesetz Nr. 190 vom 23. Dezember 2014 folgende nationale Regelung keine Anwendung auf den Ausgangsrechtsstreit findet, da sich der im Ausgangsverfahren angefochtene Steuernacherhebungsbescheid auf das Steuerjahr 2011 bezieht. Folglich ist die dritte Frage unzulässig, weil sie für die Lösung des beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreits unerheblich ist.

 Kosten

35      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die in diesem Mitgliedstaat ansässige Datenübertragungszentren und – gesamtschuldnerisch und subsidiär – die in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Wettanbieter, die Auftraggeber der Datenübertragungszentren, einer Steuer auf Wetten unterwirft, und zwar unabhängig vom Sitzort dieser Anbieter und vom Fehlen einer Konzession für die Organisation der Wetten.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Italienisch.