Language of document : ECLI:EU:C:2020:1044

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

17. Dezember 2020(*)

[Text berichtigt mit Beschluss vom 21. Januar 2021]

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Unionsmarken – Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Art. 51 Abs. 1 Buchst. a – Art. 55 Abs. 1 – Erklärung des Verfalls einer Unionsmarke – Unionsmarke, die während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nicht ernsthaft benutzt worden ist – Ablauf des Zeitraums von fünf Jahren – Zeitpunkt der Beurteilung“

In der Rechtssache C‑607/19

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 6. Juni 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 12. August 2019, in dem Verfahren

Husqvarna AB

gegen

Lidl Digital International GmbH & Co. KG, vormals Lidl ECommerce International GmbH & Co. KG,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter M. Ilešič, E. Juhász (Berichterstatter), C. Lycourgos und I. Jarukaitis,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: A. Calot Escobar,


aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        [Text berichtigt mit Beschluss vom 21. Januar 2021] der Husqvarna AB, vertreten durch die Rechtsanwälte A. von Mühlendahl, C. Eckhartt und P. Böhner,

–        der Lidl Digital International GmbH & Co. KG, vormals Lidl E‑Commerce International GmbH & Co. KG, vertreten durch die Rechtsanwälte M. Wolter und A. Berger,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von A. Peluso, avvocato dello Stato,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch É. Gippini Fournier und T. Scharf als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die [Unionsmarke] (ABl. 2009, L 78, S. 1) und Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABI. 2017, L 154, S. 1).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Husqvarna AB und der Lidl Digital International GmbH & Co. KG, vormals Lidl E‑Commerce International GmbH & Co. KG (im Folgenden: Lidl), über eine von Husqvarna gegen Lidl erhobene Klage wegen Verletzung einer Unionsmarke.

 Rechtlicher Rahmen

 Verordnung Nr. 207/2009

3        Im dritten Erwägungsgrund der Verordnung 207/2009 heißt es:

„Für die Verwirklichung der oben erwähnten Ziele der [Union] ist ein Markensystem der [Union] erforderlich, das den Unternehmen ermöglicht, in einem einzigen Verfahren [Union]smarken zu erwerben, die einen einheitlichen Schutz genießen und im gesamten Gebiet der [Union] wirksam sind. Der hier aufgestellte Grundsatz der Einheitlichkeit der [Union]smarke sollte gelten, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist.“

4        Art. 1 („[Union]smarke“) dieser Verordnung bestimmt in Abs. 2:

„Die [Union]smarke ist einheitlich. Sie hat einheitliche Wirkung für die gesamte [Union]: sie kann nur für dieses gesamte Gebiet eingetragen oder übertragen werden oder Gegenstand eines Verzichts oder einer Entscheidung über den Verfall der Rechte des Inhabers oder die Nichtigkeit sein, und ihre Benutzung kann nur für die gesamte [Union] untersagt werden. Dieser Grundsatz gilt, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist.“

5        In Art. 14 („Ergänzende Anwendung des nationalen Rechts bei Verletzung“) Abs. 3 dieser Verordnung heißt es:

„Das anzuwendende Verfahrensrecht bestimmt sich nach den Vorschriften des Titels X.“

6        Titel VI („Verzicht, Verfall und Nichtigkeit“) der Verordnung Nr. 207/2009 enthält einen Abschnitt 2 über „Verfallsgründe“, dessen Art. 51, der ebenfalls mit „Verfallsgründe“ überschrieben ist, in Abs. 1 vorsieht:

„Die [Union]smarke wird auf Antrag beim Amt [der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO)] oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren für verfallen erklärt,

a)      wenn die Marke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der [Union] für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, nicht ernsthaft benutzt worden ist und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen; der Verfall der Rechte des Inhabers kann jedoch nicht geltend gemacht werden, wenn nach Ende dieses Zeitraums und vor Antragstellung oder vor Erhebung der Widerklage die Benutzung der Marke ernsthaft begonnen oder wieder aufgenommen worden ist; wird die Benutzung jedoch innerhalb eines nicht vor Ablauf des ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren der Nichtbenutzung beginnenden Zeitraums von drei Monaten vor Antragstellung oder vor Erhebung der Widerklage begonnen oder wieder aufgenommen, so bleibt sie unberücksichtigt, sofern die Vorbereitungen für die erstmalige oder die erneute Benutzung erst stattgefunden haben, nachdem der Inhaber Kenntnis davon erhalten hat, dass der Antrag gestellt oder die Widerklage erhoben werden könnte;

b)      wenn die Marke infolge des Verhaltens oder der Untätigkeit ihres Inhabers im geschäftlichen Verkehr zur gebräuchlichen Bezeichnung einer Ware oder einer Dienstleistung, für die sie eingetragen ist, geworden ist;


c)      wenn die Marke infolge ihrer Benutzung durch den Inhaber oder mit seiner Zustimmung für Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, geeignet ist, das Publikum insbesondere über die Art, die Beschaffenheit oder die geografische Herkunft dieser Waren oder Dienstleistungen irrezuführen.“

7        Dieser Titel VI enthält auch einen Abschnitt 4 („Wirkungen des Verfalls und der Nichtigkeit“), der Art. 55 dieser Verordnung umfasst, der ebenfalls mit „Wirkungen des Verfalls und der Nichtigkeit“ überschrieben ist und in seinem Abs. 1 bestimmt:

„Die in dieser Verordnung vorgesehenen Wirkungen der [Union]smarke gelten in dem Umfang, in dem die Marke für verfallen erklärt wird, als von dem Zeitpunkt der Antragstellung oder der Erhebung der Widerklage an nicht eingetreten. In der Entscheidung kann auf Antrag einer Partei ein früherer Zeitpunkt, zu dem einer der Verfallsgründe eingetreten ist, festgesetzt werden.“

8        Titel X („Zuständigkeit und Verfahren für Klagen, die [Union]smarken betreffen“) dieser Verordnung enthält einen Abschnitt 2 („Streitigkeiten über die Verletzung und Rechtsgültigkeit der [Union]smarken“).

9        Dieser Abschnitt enthält u. a. Art. 101 („Anwendbares Recht“) dieser Verordnung, der lautet:

„(1)      Die [Union]smarkengerichte wenden die Vorschriften dieser Verordnung an.

(2)      In allen Fragen, die nicht durch diese Verordnung erfasst werden, wenden die [Union]smarkengerichte ihr nationales Recht einschließlich ihres internationalen Privatrechts an.

(3)      Soweit in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, wendet das [Union]smarkengericht die Verfahrensvorschriften an, die in dem Mitgliedstaat, in dem es seinen Sitz hat, auf gleichartige Verfahren betreffend nationale Marken anwendbar sind.“

 Verordnung 2017/1001

10      Im 24. Erwägungsgrund der Verordnung 2017/1001 heißt es:

„Der Schutz der Unionsmarke sowie jeder eingetragenen älteren Marke, die ihr entgegensteht, ist nur insoweit berechtigt, als diese Marken tatsächlich benutzt werden.“

11      Art. 17 („Ergänzende Anwendung des einzelstaatlichen Rechts bei Verletzung“) dieser Verordnung bestimmt in Abs. 3:


„Das anzuwendende Verfahrensrecht bestimmt sich nach den Vorschriften des Kapitels X.“

12      Kapitel VI („Verzicht, Verfall und Nichtigkeit“) dieser Verordnung enthält einen Abschnitt 2 über „Verfallsgründe“, dessen Art. 58, der ebenfalls mit „Verfallsgründe“ überschrieben ist, in Abs. 1 vorsieht:

„Die Unionsmarke wird auf Antrag beim [EUIPO] oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren für verfallen erklärt,

a)      wenn die Marke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der Union für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, nicht ernsthaft benutzt worden ist und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen; der Verfall der Rechte des Inhabers kann jedoch nicht geltend gemacht werden, wenn nach Ende dieses Zeitraums und vor Antragstellung oder vor Erhebung der Widerklage die Benutzung der Marke ernsthaft begonnen oder wieder aufgenommen worden ist; wird die Benutzung jedoch innerhalb eines nicht vor Ablauf des ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren der Nichtbenutzung beginnenden Zeitraums von drei Monaten vor Antragstellung oder vor Erhebung der Widerklage begonnen oder wieder aufgenommen, so bleibt sie unberücksichtigt, sofern die Vorbereitungen für die erstmalige oder die erneute Benutzung erst stattgefunden haben, nachdem der Inhaber Kenntnis davon erhalten hat, dass der Antrag gestellt oder die Widerklage erhoben werden könnte;

b)      wenn die Marke infolge des Verhaltens oder der Untätigkeit ihres Inhabers im geschäftlichen Verkehr zur gebräuchlichen Bezeichnung einer Ware oder einer Dienstleistung, für die sie eingetragen ist, geworden ist;

c)      wenn die Marke infolge ihrer Benutzung durch den Inhaber oder mit seiner Zustimmung für Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, geeignet ist, das Publikum insbesondere über die Art, die Beschaffenheit oder die geografische Herkunft dieser Waren oder Dienstleistungen irrezuführen.“

13      Kapitel X („Zuständigkeit und Verfahren für Klagen, die Unionsmarken betreffen“) dieser Verordnung enthält einen Abschnitt 2 („Streitigkeiten über die Verletzung und Rechtsgültigkeit der Unionsmarken“).

14      Dieser Abschnitt beinhaltet u. a. Art. 129 („Anwendbares Recht“) der Verordnung 2017/1001, der lautet:

„(1)      Die Unionsmarkengerichte wenden die Vorschriften dieser Verordnung an.

(2)      In allen Markenfragen, die nicht durch diese Verordnung erfasst werden, wendet das betreffende Unionsmarkengericht das geltende nationale Recht an.

(3)      Soweit in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, wendet das Unionsmarkengericht die Verfahrensvorschriften an, die in dem Mitgliedstaat, in dem es seinen Sitz hat, auf gleichartige Verfahren betreffend nationale Marken anwendbar sind.“

15      Die Art. 211 („Aufhebung“) und 212 („Inkrafttreten“) dieser Verordnung sehen vor, dass die Verordnung Nr. 207/2009 aufgehoben wird und die Verordnung 2017/1001 am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft tritt, d. h. am 6. Juli 2017, und dass sie ab dem 1. Oktober 2017 gilt.

 Deutsches Recht

16      § 25 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen vom 25. Oktober 1994 (BGBl. 1994 I S. 3082, im Folgenden: MarkenG) sieht vor, dass bei einer Einrede des Verfalls in einem Klageverfahren für die Berechnung der fünfjährigen Benutzungsfrist auf die Klageerhebung abzustellen ist. Sofern der Zeitraum der fünfjährigen Nichtbenutzung allerdings erst nach Klageerhebung endet, ist nach § 25 Abs. 2 Satz 2 MarkenG auf den Schluss der mündlichen Verhandlung abzustellen.

17      § 55 Abs. 3 Satz 2 MarkenG sieht für den Fall der Klageerhebung durch den Inhaber einer eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang vor, dass auf Einrede des Beklagten für die Frage der Nichtbenutzung der Zeitraum von fünf Jahren ausgehend vom Schluss der mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen ist.

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

18      Husqvarna stellt Geräte für die Garten- und Landschaftspflege her. Sie ist Inhaberin der am 26. Januar 2000 unter der Nummer 456244 für die Ware „Bewässerungsspritze“ eingetragenen dreidimensionalen Unionsmarke.

19      Lidl bot ab Juli 2014 bis Januar 2015 ein Spiralschlauch-Set, das aus einem Spiralschlauch, einer Bewässerungsspritze und einer Kupplungshülse für eine Schlauch-Schnellkupplung bestand, zum Verkauf an.

20      Da Husqvarna der Auffassung war, dass das von Lidl vertriebene Produkt eine Verletzung der Marke, deren Inhaberin sie sei, darstelle, erhob sie beim Landgericht Düsseldorf (Deutschland) gegen Lidl eine Verletzungsklage u. a. auf Unterlassung und die Zahlung von Schadensersatz.

21      Lidl beantragte widerklagend die Erklärung des Verfalls der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Marke von Husqvarna wegen Nichtbenutzung.


22      Das Landgericht Düsseldorf gab den in Rn. 20 des vorliegenden Urteils genannten Anträgen von Husqvarna statt und wies die von Lidl erhobene Widerklage ab.

23      Lidl legte gegen das Urteil dieses Gerichts beim Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) Berufung ein. Dieses hob nach der letzten mündlichen Verhandlung, die vor ihm am 24. Oktober 2017 stattfand, das Urteil auf und erklärte die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Marke von Husqvarna ab dem 31. Mai 2017 für verfallen.

24      Insoweit vertrat das Oberlandesgericht Düsseldorf die Auffassung, dass für die Berechnung des ununterbrochenen Zeitraums der Nichtbenutzung nicht der Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage im September 2015, sondern der Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung am 24. Oktober 2017 vor ihm maßgeblich sei. Die von der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Marke geschützten Waren seien ab Mai 2012 nicht mehr vertrieben worden, woraus zu schließen sei, dass der in Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehene ununterbrochene Zeitraum von fünf Jahren zwar noch nicht zum Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage auf Erklärung des Verfalls abgelaufen gewesen sei, wohl aber zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.

25      Husqvarna legte Revision beim vorlegenden Gericht, dem Bundesgerichtshof (Deutschland), ein.

26      Dieser ist der Auffassung, dass die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zunächst von der Antwort auf die Frage abhänge, ob die Festlegung des für die Berechnung des Zeitraums von fünf Jahren im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 und des Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 maßgeblichen Zeitpunkts von diesen beiden Verordnungen erfasst werde, und sodann, wenn ja, von der Festlegung dieses Zeitpunkts.

27      Weder Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 noch Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 enthielten einen Hinweis auf den Zeitpunkt, auf den für die Berechnung des in diesen Bestimmungen vorgesehenen Zeitraums von fünf Jahren der Nichtbenutzung abzustellen sei, wenn der Antrag auf Erklärung des Verfalls der betreffenden Unionsmarke im Wege einer Widerklage gestellt werde.

28      Diese Frage sei eine verfahrensrechtliche, und mangels einer Klarstellung in der Verordnung Nr. 207/2009 und der Verordnung 2017/1001 falle sie unter das nationale Recht. Diese Beurteilung ergebe sich aus Art. 14 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 101 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 sowie Art. 17 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 129 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001, wie aus dem Urteil vom 22. Juni 2016, Nikolajeva (C‑280/15, EU:C:2016:467, Rn. 28), hervorgehe.


29      Nach dem deutschen Zivilprozessrecht habe das Gericht seiner Entscheidung das bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung Vorgetragene zugrunde zu legen. Für den Fall der Einrede des Verfalls im Rahmen einer Verletzungsklage sehe das deutsche Markenrecht in § 25 Abs. 2 Satz 1 MarkenG vor, dass bei der Berechnung der fünfjährigen Benutzungsfrist auf die Klageerhebung abzustellen sei. Sofern der Zeitraum der Nichtbenutzung allerdings erst nach Klageerhebung ende, sei nach § 25 Abs. 2 Satz 2 MarkenG auf den Schluss der mündlichen Verhandlung abzustellen. Außerdem sehe § 55 Abs. 3 Satz 2 MarkenG vor, dass bei einer Klage auf Nichtigerklärung einer Marke wegen des Bestehens einer älteren Marke der Inhaber der Marke auf Einrede des Beklagten nachweisen müsse, dass diese Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung benutzt worden sei.

30      Falls die Frage dahin beantwortet werden sollte, dass sowohl die Verordnung Nr. 207/2009 als auch die Verordnung 2017/1001 den Zeitpunkt festlegten, zu dem der Ablauf der Frist von fünf Jahren zu beurteilen sei, ist das vorlegende Gericht der Auffassung, dass auf die letzte mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht abzustellen sei.

31      Diese Lösung werde durch den 24. Erwägungsgrund der Verordnung 2017/1001 bestätigt, dem zufolge der Schutz der Unionsmarke nur insoweit berechtigt sei, als die Marken tatsächlich benutzt würden. Das Abstellen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung für die Berechnung des fünfjährigen Zeitraums der Nichtbenutzung der Unionsmarke entspreche auch der Prozessökonomie, da der Widerkläger nicht verpflichtet werde, eine neue Klage zu erheben, falls der Ablauf dieses Zeitraums während des Verfahrens eintrete.

32      Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist im Falle einer Widerklage auf Erklärung des Verfalls einer Unionsmarke, die vor Ablauf des Zeitraums der fünfjährigen Nichtbenutzung erhoben worden ist, die Festlegung des Zeitpunkts, der im Rahmen der Anwendung von Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 und Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 für die Berechnung des Nichtbenutzungszeitraums maßgeblich ist, von diesen Verordnungen erfasst?

2.      Falls Frage 1 zu bejahen ist: Ist bei der Berechnung des Zeitraums der fünfjährigen Nichtbenutzung gemäß Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 und Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 im Falle einer vor Ablauf des Zeitraums der fünfjährigen Nichtbenutzung erhobenen Widerklage auf Erklärung des Verfalls einer Unionsmarke auf den Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage oder den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz abzustellen?

 Zu den Vorlagefragen

33      Mit seinen beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob im Fall einer Widerklage auf Erklärung des Verfalls, wie sie in Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 und in Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 vorgesehen ist, der Zeitpunkt, auf den für die Feststellung, ob der in diesen Bestimmungen genannte ununterbrochene Zeitraum von fünf Jahren abgelaufen ist, abzustellen ist, von diesen Verordnungen festgelegt wird und, wenn ja, welcher dieser Zeitpunkt ist.

34      Eingangs ist zu bemerken, dass Art. 101 („Anwendbares Recht“) der Verordnung Nr. 207/2009 in seinem Abs. 1 vorsieht, dass die Unionsmarkengerichte die Vorschriften dieser Verordnung anwenden. Nach Abs. 2 dieses Artikels wenden die Unionsmarkengerichte in allen Markenfragen, die nicht durch diese Verordnung erfasst werden, ihr nationales Recht einschließlich ihres internationalen Privatrechts an. Gemäß Abs. 3 dieses Artikels wendet das Unionsmarkengericht, soweit in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, die Verfahrensvorschriften an, die in dem Mitgliedstaat, in dem es seinen Sitz hat, auf gleichartige Verfahren betreffend nationale Marken anwendbar sind.

35      Im Bereich des Verfalls bestimmt Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009, dass die Unionsmarke u. a. auf Widerklage im Verletzungsverfahren für verfallen erklärt wird, wenn die Marke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der Union für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, nicht ernsthaft benutzt worden ist und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.

36      Wie das vorlegende Gericht ausführt, ist allerdings festzustellen, dass in der Verordnung Nr. 207/2009 der für die Berechnung dieses ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren maßgebliche Zeitpunkt nicht ausdrücklich angegeben wird.

37      Aus den Bestimmungen der Verordnung Nr. 207/2009, die den Rahmen für die anwendbare Regelung bilden, geht jedoch hervor, dass der Zeitpunkt, zu dem festgestellt werden muss, ob der ununterbrochene Zeitraum von fünf Jahren der Nichtbenutzung abgelaufen ist, der Zeitpunkt der Erhebung der betreffenden Klage ist.

38      Nach Art. 55 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 gelten die in dieser Verordnung vorgesehenen Wirkungen der Unionsmarke in dem Umfang, in dem die Marke für verfallen erklärt wird, als von dem Zeitpunkt der Antragstellung oder der Erhebung der Widerklage im Verletzungsverfahren an nicht eingetreten, und Satz 2 dieser Bestimmung sieht vor, dass in der Entscheidung auf Antrag einer Partei ein früherer Zeitpunkt, zu dem einer der Verfallsgründe eingetreten ist, festgesetzt werden kann.


39      Aus Art. 55 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 ergibt sich, dass eine Auslegung dieser Verordnung, wonach im Fall einer Widerklage auf Erklärung des Verfalls für die Beurteilung des ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren der Nichtbenutzung im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist, den in dieser Verordnung vorgesehenen Wirkungen des Verfalls zuwiderliefe.

40      Zum einen würde nämlich eine Beurteilung zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, wie das Oberlandesgericht Düsseldorf im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits entschieden hat, dazu führen, dass der Verfall ab dem Zeitpunkt während des Verfahrens wirksam wird, zu dem die in Art. 51 Abs. 1 Buchst. a genannten Voraussetzungen erfüllt werden, obwohl diese Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage nicht erfüllt waren.

41      In diesem Zusammenhang ist jedoch festzustellen, dass Art. 55 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 zwar vorsieht, dass die Wirkungen des Verfalls ausnahmsweise auf einen Zeitpunkt vor der Widerklage verlegt werden können, er eine solche Möglichkeit aber nicht für einen Zeitpunkt nach der Erhebung der Widerklage eröffnet.

42      Zum anderen könnte erwogen werden, dass die Anerkennung der Begründetheit der Widerklage ab einem Zeitpunkt nach ihrer Erhebung nicht die Tatsache berührt, dass die in den Unionsmarkenverordnungen vorgesehenen Wirkungen der Unionsmarke als von dem Zeitpunkt dieser Erhebung an nicht eingetreten gelten.

43      Allerdings kann nicht einer Auslegung der Verordnung Nr. 207/2009 gefolgt werden, nach der, wenn die Widerklage erhoben wurde, bevor der Zeitraum der Nichtbenutzung eine Dauer von fünf Jahren erreicht hat, der Verfall Auswirkungen auf einen Zeitraum haben könnte, während dessen die Voraussetzungen für die Feststellung des in Art. 51 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung genannten Grundes für diesen Verfall noch nicht erfüllt waren.

44      Folglich geht aus den Wirkungen des Verfalls, wie sie in Art. 55 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehen sind, hervor, dass zum Zeitpunkt der Widerklage zu prüfen ist, ob der ununterbrochene Zeitraum von fünf Jahren der Nichtbenutzung – der einen der Umstände darstellt, anhand deren der Verfall im Sinne von Art. 51 Abs. 1 dieser Verordnung festgestellt werden kann – zu Ende ist. Die Klage kann nur Erfolg haben, wenn dieser Umstand zu diesem Zeitpunkt festgestellt worden ist.

45      Außerdem kann nicht dem Vorbringen gefolgt werden, es sei für die Beurteilung, ob der in Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehene ununterbrochene Zeitraum von fünf Jahren der Nichtbenutzung abgelaufen ist, auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz abzustellen, da diese Wahl dem Ziel, Marken nur dann zu schützen, wenn sie tatsächlich benutzt würden, und dem Ziel der Prozessökonomie entspreche.

46      Eine solche Argumentation, die ein Kriterium aufstellt, das von dem abwiche, das sich aus den einschlägigen Vorschriften dieser Verordnung ergibt, könnte nämlich das vom Unionsgesetzgeber verfolgte Ziel beeinträchtigen, das gemäß dem dritten Erwägungsgrund und Art. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 darin besteht, die Einheitlichkeit der Unionsmarke zu gewährleisten.

47      Diese Einheitlichkeit könnte somit in Frage gestellt werden, wenn der Umfang des Markenschutzes, den der Inhaber der Marke aus dem Unionsrecht zieht, im Rahmen von Widerklagen auf Erklärung des Verfalls je nach den Verfahrensvorschriften der Mitgliedstaaten, in denen diese Klagen erhoben werden, variieren könnte.

48      Insbesondere darf, wie die italienische Regierung und die Europäische Kommission in ihren Erklärungen vorgetragen haben, die Begründetheit einer Widerklage auf Erklärung des Verfalls wegen Nichtbenutzung einer Unionsmarke über einen Zeitraum von fünf Jahren nicht von der Dauer eines nationalen Verfahrens abhängen.

49      Soweit die Vorlagefragen auch die Auslegung der Verordnung 2017/1001 betreffen, ist darauf hinzuweisen, dass, wie aus Rn. 44 des vorliegenden Urteils hervorgeht, zum Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage im Rahmen einer Verletzungsklage zu prüfen ist, ob der ununterbrochene Zeitraum von fünf Jahren der Nichtbenutzung der Unionsmarke abgelaufen ist. Da jedoch im Ausgangsverfahren die Widerklage zu einem Zeitpunkt erhoben wurde, zu dem die Verordnung Nr. 207/2009 noch anwendbar war, sind die Vorlagefragen nur in Bezug auf diese Verordnung zu beantworten.

50      Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 dahin auszulegen ist, dass im Fall einer Widerklage auf Erklärung des Verfalls einer Unionsmarke der Zeitpunkt, auf den für die Feststellung, ob der in dieser Bestimmung genannte ununterbrochene Zeitraum von fünf Jahren abgelaufen ist, abzustellen ist, der Zeitpunkt der Erhebung dieser Klage ist.

 Kosten

51      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.


Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 vom 26. Februar 2009 über die [Unionsmarke] ist dahin auszulegen, dass im Fall einer Widerklage auf Erklärung des Verfalls einer Unionsmarke der Zeitpunkt, auf den für die Feststellung, ob der in dieser Bestimmung genannte ununterbrochene Zeitraum von fünf Jahren abgelaufen ist, abzustellen ist, der Zeitpunkt der Erhebung dieser Klage ist.

Regan

Ilešič

Juhász

Lycourgos

 

Jarukaitis

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. Dezember 2020.

Der Kanzler

 

Der Präsident der Fünften Kammer

A. Calot Escobar

 

E. Regan


*      Verfahrenssprache: Deutsch.