Language of document : ECLI:EU:C:2023:1027

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

21. Dezember 2023(*)

„Rechtsmittel – Schadensersatzklage – Unternehmenszusammenschlüsse – Beschluss der Europäischen Kommission zur Feststellung der Unvereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen – Nichtigerklärung des Beschlusses wegen eines Verfahrensfehlers – Außervertragliche Haftung der Europäischen Union – Kausalzusammenhang“

In der Rechtssache C‑297/22 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 3. Mai 2022,

United Parcel Service Inc. mit Sitz in Atlanta, Georgia (Vereinigte Staaten), vertreten durch F. Hoseinian, Advokat, W. Knibbeler, A. Pliego Selie, F. Roscam Abbing und T. van Helfteren, Advocaten, sowie A. Ryan, Solicitor,

Rechtsmittelführerin,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch P. Berghe, M. Farley und N. Khan als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Fünften Kammer sowie der Richter Z. Csehi (Berichterstatter), M. Ilešič und I. Jarukaitis,

Generalanwalt: A. M. Collins,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die United Parcel Service Inc. (im Folgenden: UPS) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 23. Februar 2022, United Parcel Service/Kommission (T‑834/17, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2022:84), mit dem dieses ihre Klage nach Art. 268 AEUV auf Ersatz des Schadens, der ihr durch die Rechtswidrigkeit des Beschlusses C(2013) 431 der Kommission vom 30. Januar 2013 zur Feststellung der Unvereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache COMP/M.6570 – UPS/TNT Express) (im Folgenden: streitiger Beschluss) entstanden sein soll, abgewiesen hat.

 Rechtlicher Rahmen

2        Art. 7 („Aufschub des Vollzugs von Zusammenschlüssen“) Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 2004, L 24, S. 1) lautet:

„Ein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung im Sinne des Artikels 1 oder ein Zusammenschluss, der von der [Europäischen] Kommission gemäß Artikel 4 Absatz 5 geprüft werden soll, darf weder vor der Anmeldung noch so lange vollzogen werden, bis er aufgrund einer Entscheidung gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b) oder Artikel 8 Absätze 1 oder 2 oder einer Vermutung gemäß Artikel 10 Absatz 6 für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt worden ist.“

3        Art. 10 („Fristen für die Einleitung des Verfahrens und für Entscheidungen“) Abs. 5 der Verordnung sieht vor:

„Wird eine Entscheidung der Kommission, die einer in diesem Artikel festgesetzten Frist unterliegt, durch Urteil des Gerichtshofs ganz oder teilweise für nichtig erklärt, so wird der Zusammenschluss erneut von der Kommission geprüft; die Prüfung wird mit einer Entscheidung nach Artikel 6 Absatz 1 abgeschlossen.

Der Zusammenschluss wird unter Berücksichtigung der aktuellen Marktverhältnisse erneut geprüft.

Ist die ursprüngliche Anmeldung nicht mehr vollständig, weil sich die Marktverhältnisse oder die in der Anmeldung enthaltenen Angaben geändert haben, so legen die Anmelder unverzüglich eine neue Anmeldung vor oder ergänzen ihre ursprüngliche Anmeldung. Sind keine Änderungen eingetreten, so bestätigen die Anmelder dies unverzüglich.

Die in Absatz 1 festgelegten Fristen beginnen mit dem Arbeitstag, der auf den Tag des Eingangs der vollständigen neuen Anmeldung, der Anmeldungsergänzung oder der Bestätigung im Sinne von Unterabsatz 3 folgt.

Die Unterabsätze 2 und 3 finden auch in den in Artikel 6 Absatz 4 und Artikel 8 Absatz 7 bezeichneten Fällen Anwendung.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

4        Die Vorgeschichte des Rechtsstreits, wie sie sich aus den Rn. 1 bis 13 des angefochtenen Urteils ergibt, ist folgende:

„1      Die Klägerin, [UPS], und die TNT Express NV (im Folgenden: TNT) sind zwei im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) auf den Märkten für internationale Expressbeförderung von Kleinpaketen tätige Gesellschaften.

2      Am 26. Juni 2012 veröffentlichte die Europäische Kommission … eine Bekanntmachung der vorherigen Anmeldung eines Zusammenschlusses (Sache COMP/M.6570 – UPS/TNT Express) (ABl. 2012, C 186, S. 9).

3      Am 11. Januar 2013 teilte die Kommission UPS mit, dass sie beabsichtige, deren geplanten Zusammenschluss mit TNT zu untersagen.

4      Am 14. Januar 2013 gab UPS diese Information im Wege einer Pressemitteilung bekannt.

5      …

6      Am 30. Januar 2013 erließ die Kommission den [streitigen Beschluss]. Die Kommission war der Ansicht, dass der Zusammenschluss von UPS und TNT eine erhebliche Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs auf den betreffenden Dienstleistungsmärkten in 15 Mitgliedstaaten darstelle, nämlich in Bulgarien, der Tschechischen Republik, Dänemark, Estland, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta, den Niederlanden, Polen, Rumänien, Slowenien, der Slowakei, Finnland sowie Schweden.

7      Im Wege einer Pressemitteilung gab UPS am selben Tag bekannt, auf den geplanten Zusammenschluss zu verzichten.

8      Am 5. April 2013 erhob UPS beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses, die unter dem Aktenzeichen T‑194/13 in das Register eingetragen wurde, und stellte einen Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren, den das Gericht zurückgewiesen hat.

9      Am 7. April 2015 gab die FedEx Corp. ein Angebot für den Kauf von TNT bekannt.

10      Am 4. Juli 2015 veröffentlichte die Kommission eine Bekanntmachung der vorherigen Anmeldung eines Zusammenschlusses (Sache M.7630 – FedEx/TNT Express) (ABl. 2015, C 220, S. 15) betreffend den Zusammenschluss, mit dem TNT von FedEx übernommen werden sollte.

11      Am 8. Januar 2016 erließ die Kommission den Beschluss zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache M.7630 – FedEx/TNT Express), von dem eine Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2016, C 450, S. 12) veröffentlicht wurde.

12      Mit Urteil vom 7. März 2017, United Parcel Service/Kommission (T‑194/13, EU:T:2017:144), erklärte das Gericht den streitigen Beschluss für nichtig.

13      Am 16. Mai 2017 legte die Kommission gegen das Urteil vom 7. März 2017, United Parcel Service/Kommission (T‑194/13, EU:T:2017:144), ein Rechtsmittel ein, das der Gerichtshof mit Urteil vom 16. Januar 2019, Kommission/United Parcel Service (C‑265/17 P, EU:C:2019:23), zurückwies.“

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

5        Mit Klageschrift, die am 29. Dezember 2017 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob UPS Klage auf erstens den Ersatz des ihr aufgrund der Rechtswidrigkeit des streitigen Beschlusses angeblich entstandenen Schadens in Höhe von 1,742 Mrd. Euro und zweitens den Ersatz der auf den erhaltenen Schadensersatz zu erhebenden Steuern.

6        Nach den Angaben in der Klageschrift setzte sich der behauptete Schaden von 1,742 Mrd. Euro wie folgt zusammen:

–        131 Mio. Euro als Nettobetrag des Verlusts, den UPS durch die Zahlung eines Reugelds (200 Mio. Euro brutto) an TNT wegen Nichtdurchführung des Zusammenschlusses gemäß dem Fusionsvertrag erlitten habe;

–        zuzüglich 1,638 Mrd. Euro entsprechend dem Nettowert nach Steuern der infolge des Verbots des Zusammenschlusses entgangen Kostensynergien;

–        zuzüglich 2,4 Mio. Euro entsprechend den UPS für ihre Beteiligung am Zusammenschluss FedEx/TNT entstandenen Rechtskosten (3,7 Mio. Euro brutto);

–        abzüglich 29 Mio. Euro als vermiedene Transaktionskosten (44,2 Mio. Euro brutto).

7        Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht die Klage von UPS abgewiesen.

8        Was als Erstes die Rechtswidrigkeit aufgrund der Verletzung von Verfahrensrechten betrifft, hat das Gericht erstens in den Rn. 94 und 123 des angefochtenen Urteils entschieden, dass die Verletzung der Verteidigungsrechte von UPS durch die fehlende Mitteilung der endgültigen Fassung des ökonometrischen Modells bereits mit Urteil vom 7. März 2017, United Parcel Service/Kommission, T‑194/13, EU:T:2017:144, Rn. 221 und 222), das nach der Zurückweisung des Rechtsmittels der Kommission mit Urteil vom 16. Januar 2019, Kommission/United Parcel Service (C‑265/17 P, EU:C:2019:23), rechtskräftig geworden sei, endgültig festgestellt worden sei. Die Verletzung der Verteidigungsrechte von UPS stellt nach Auffassung des Gerichts einen hinreichend qualifizierten Verstoß der Kommission gegen eine Unionsrechtsnorm dar, die bezweckt, den Einzelnen Rechte zu verleihen.

9        Zweitens hat das Gericht in Rn. 143 des angefochtenen Urteils das Vorbringen von UPS, die Kommission habe die Verfahrensrechte von UPS auch im Rahmen ihrer Analyse der Effizienzvorteile verletzt, weil sie die Kriterien für die Bewertung dieser Vorteile nicht mitgeteilt habe, als unbegründet zurückgewiesen.

10      Drittens hat das Gericht zur behaupteten Verletzung von Verfahrensrechten wegen der fehlenden Übermittlung bestimmter vertraulicher Dokumente von FedEx in den Rn. 172 und 182 des angefochtenen Urteils befunden, dass diese Verletzung nicht nachgewiesen sei.

11      Was als Zweites die behaupteten Rechtsverstöße aufgrund angeblicher Fehler bei der inhaltlichen Beurteilung des Zusammenschlusses betrifft, hat das Gericht erstens in Rn. 228 des angefochtenen Urteils nach einer Abwägung der bestehenden Interessen festgestellt, dass die von UPS behaupteten Unregelmäßigkeiten in Bezug auf das ökonometrische Modell der Kommission nicht hinreichend qualifiziert seien, um die außervertragliche Haftung der Union auslösen zu können.

12      Zweitens hat das Gericht in Rn. 289 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass UPS das Vorliegen von Fehlern bei der Beurteilung der Nachweisbarkeit der behaupteten Effizienzvorteile, die die außervertragliche Haftung der Union auslösen könnten, nicht nachgewiesen habe.

13      Als Drittes hat das Gericht zum Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen der fehlenden Mitteilung des ökonometrischen Modells und den drei behaupteten Schäden, deren Ersatz UPS wegen der Unmöglichkeit der Durchführung des geplanten Zusammenschlusses beantragt hatte, zunächst in Rn. 343 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass der Antrag auf Ersatz des Schadens betreffend die Kosten der Beteiligung von UPS am Verfahren zur Kontrolle des Zusammenschlusses von FedEx und TNT zurückzuweisen sei.

14      Sodann hat das Gericht in Rn. 350 des angefochtenen Urteils entschieden, dass, da sich die Zahlung eines Reugelds in Höhe von 200 Mio. Euro durch UPS zugunsten von TNT unmittelbar aus dem Vertrag zwischen diesen beiden Unternehmen ergebe, nicht erwiesen sei, dass die Verletzung der Verfahrensrechte von UPS oder die anderen von ihr behaupteten Verstöße deren entscheidende Ursache seien.

15      Was schließlich den Schaden aufgrund des entgangenen Gewinns betrifft, den UPS infolge der Unmöglichkeit der Durchführung des geplanten Zusammenschlusses erlitten haben soll, hat das Gericht erstens in Rn. 353 des angefochtenen Urteils angenommen, dass der Antrag von UPS dahin auszulegen sei, dass er nicht auf die Entschädigung für den Verlust der Chance abziele, den Zusammenschluss abzuschließen, sondern auf die Entschädigung für den sicheren Verlust der Kostensynergien. Da UPS erst in Beantwortung von Fragen des Gerichts erklärt habe, dass der Schadensersatzantrag in gewisser Weise einen Verlust einer Chance einschließe, sei der neue Schadensersatzanspruch verspätet geltend gemacht worden und daher unzulässig.

16      Zweitens hat das Gericht in den Rn. 355 und 358 festgestellt, dass UPS weder nachgewiesen noch Beweise vorgelegt habe, die mit der erforderlichen Sicherheit den Schluss erlaubten, dass die behaupteten Fehler bei der Gestaltung des gewählten ökonometrischen Modells ausreichten, um die wirtschaftliche Analyse des geplanten Zusammenschlusses insgesamt und die Feststellung einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs zu entkräften. Das Gericht hat in den genannten Randnummern des angefochtenen Urteils auch ausgeführt, dass nicht festgestellt werden könne, dass sich die Verletzung der Verteidigungsrechte entscheidend auf den Ausgang des Verfahrens zur Prüfung des geplanten Zusammenschlusses ausgewirkt habe.

17      Drittens hat das Gericht in Rn. 365 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass angesichts dessen, dass UPS bereits am 14. Januar 2013 auf den Erwerb von TNT verzichtet habe, selbst wenn man unterstelle, dass die von der Kommission beim Erlass des streitigen Beschlusses begangene Unregelmäßigkeit UPS einen entgangenen Gewinn verursacht habe, der Umstand, dass dieses Unternehmen bereits bei der Bekanntgabe des streitigen Beschlusses auf den geplanten Zusammenschluss verzichtet habe, dazu geführt hätte, dass jeder unmittelbare Kausalzusammenhang zwischen dieser Unregelmäßigkeit und dem geltend gemachten Schaden unterbrochen worden sei.

18      In Rn. 371 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ausgeführt, dass nicht nachgewiesen sei, dass die Verletzung der Verfahrensrechte von UPS oder die anderen von ihr behaupteten Verstöße die entscheidende Ursache für ihren behaupteten entgangenen Gewinn seien, und dass ihr Antrag auf Ersatz dieses Schadens daher zurückzuweisen sei.

 Anträge der Parteien vor dem Gerichtshof

19      UPS beantragt,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben;

–        ihr den erlittenen Schaden sowie die anwendbaren Zinsen zu ersetzen, wie im ersten Rechtszug im Rahmen des Verfahrens nach Art. 340 AEUV beantragt;

–        hilfsweise, die Sache an das Gericht zurückzuverweisen;

–        der Kommission die Kosten dieses Verfahrens und des Verfahrens vor dem Gericht aufzuerlegen.

20      Die Kommission beantragt,

–        das Rechtsmittel zurückzuweisen;

–        UPS die Kosten aufzuerlegen.

 Zum Rechtsmittel

21      UPS macht zur Stützung ihres Rechtsmittels sechs Gründe geltend. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund wird gerügt, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es zum einen angenommen habe, dass die schweren Fehler, die der Kommission im Zusammenhang mit dem von ihr verwendeten ökonometrischen Modell anzulasten seien, nicht geeignet seien, die außervertragliche Haftung der Union auszulösen, und zum anderen festgestellt habe, dass kein Kausalzusammenhang mit dem behaupteten Schaden bestehe. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund wird gerügt, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es angenommen habe, dass das Reugeld nicht ersetzt verlangt werden könne, da es willentlich vereinbart worden sei. Mit dem dritten Rechtsmittelgrund wird geltend gemacht, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen habe, indem es entschieden habe, dass der Kausalzusammenhang zwischen dem schweren Verstoß der Kommission und dem Schaden wegen entgangenen Gewinns durch Handlungen unterbrochen worden sei, die UPS im Anschluss an den streitigen Beschluss vorgenommen habe. Mit dem vierten Rechtsmittelgrund werden Rechtsfehler gerügt, die das Gericht begangen habe, indem es zu dem Schluss gelangt sei, dass die Kommission über ein Ermessen bei der Anerkennung von Effizienzgewinnen verfüge und somit keinen hinreichend schwerwiegenden Fehler bei der Effizienzbewertung begangen habe. Mit dem fünften Rechtsmittelgrund wird ein Rechtsfehler gerügt, den das Gericht begangen habe, indem es entschieden habe, dass UPS beim Anhörungsbeauftragten nicht die erforderlichen Anträge zu den Dokumenten von FedEx gestellt habe. Mit dem sechsten Rechtsmittelgrund wird gerügt, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es festgestellt habe, dass mit dem sich aus dem Verlust einer Chance ergebenden Schaden ein neuer Schadensersatzanspruch geltend gemacht werde, der daher unzulässig sei.

 Zum dritten Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

22      Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund, der zuerst zu prüfen ist, wirft UPS dem Gericht im Wesentlichen vor, in den Rn. 364 und 365 des angefochtenen Urteils Rechtsfehler begangen zu haben, indem es festgestellt habe, dass die Handlungen, die UPS im Anschluss an den streitigen Beschluss vorgenommen habe, den unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen dem schweren Verstoß der Kommission und dem Schaden im Zusammenhang mit dem entgangenen Gewinn, der UPS aufgrund der Unmöglichkeit, den geplanten Zusammenschluss durchzuführen, entstanden sein soll, unterbrochen hätten. Die von ihr vorgenommenen Handlungen seien die unmittelbare Folge des streitigen Beschlusses gewesen.

23      UPS führt als Erstes aus, das Gericht habe mit seiner Schlussfolgerung, UPS habe beschlossen, den geplanten Zusammenschluss „aufzugeben“, einen Rechtsfehler begangen, da es zu einer rechtsfehlerhaften Schlussfolgerung gelangt sei, die auf einer offensichtlich verzerrenden Auslegung der verfügbaren Beweise beruhe. UPS habe nämlich nicht auf ihren beabsichtigten Erwerb verzichtet, da sie beim Gericht die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses und die Durchführung des beschleunigten Verfahrens beantragt habe. Außerdem habe sich UPS vertraglich verpflichtet, ihr Angebot aufrechtzuerhalten, solange die Kommission dies nicht untersage. Mit Pressemitteilung vom 14. Januar 2013 habe sie die Kapitalmärkte darüber informiert, dass UPS, falls die Kommission tatsächlich einen Verbotsbeschluss erlassen sollte, rechtlich nicht in der Lage sei, das Angebot, das gemäß ihren Vertragsbedingungen auslaufe, zu realisieren. In der Folge habe UPS am 30. Januar 2013, dem Datum des streitigen Beschlusses, eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der die nach diesem Beschluss erforderlichen vertraglichen Schritte erläutert worden seien. Was diese vertraglichen Schritte angehe, könne das Gericht UPS nicht vorwerfen, die Handlungen vorgenommen zu haben, die nach Art. 7 der Verordnung Nr. 139/2004 erforderlich seien, der vorsehe, dass untersagte Zusammenschlüsse nicht vollzogen werden dürften.

24      Als Zweites macht UPS geltend, die Schlussfolgerung des Gerichts, wonach der Kausalzusammenhang zwischen dem schwerwiegenden Fehler der Kommission und dem Schaden im Zusammenhang mit dem Gewinn, der UPS durch die Unmöglichkeit der Durchführung des geplanten Zusammenschlusses entgangen sei, unterbrochen worden sei, weil UPS als Reaktion auf das Angebot von FedEx kein zweites Angebot für den Erwerb von TNT oder Konkurrenzangebot abgegeben habe, sei falsch und spiegele nicht die wirtschaftliche Realität wider.

25      Erstens habe UPS nämlich keinen Grund gehabt, mit einem anderen Ausgang zu rechnen, da zum einen das Verfahren zur Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses noch anhängig gewesen sei und die Kommission die Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses nachdrücklich verteidigt habe. Zum anderen könne von keiner Partei verlangt werden, den Zusammenschluss weiterhin in der Hoffnung anzumelden, letztlich die Genehmigung zu erhalten, unabhängig davon, ob dies nach den Vorschriften über öffentliche Übernahmeangebote aus wirtschaftlicher oder sonstiger Sicht möglich sei.

26      Zweitens sei es, abgesehen davon, dass dieses neue Angebot von der niederländischen Finanzregulierungsbehörde nach den niederländischen Vorschriften über öffentliche Übernahmeangebote, die verlangten, dass diese Behörde eine Mitteilung in Bezug auf das öffentliche Übernahmeangebot genehmige, bevor eine Partei diesen Erwerb durchführen könne, nicht genehmigt worden wäre oder es sehr wenig wahrscheinlich gewesen sei, dass es genehmigt worden wäre, unzutreffend und unrealistisch, anzunehmen, dass UPS ein überarbeitetes Angebot abgeben könne, bevor das Gericht den streitigen Beschluss für nichtig erkläre.

27      Drittens sei TNT als das Gericht den streitigen Beschluss für nichtig erklärt habe, bereits von FedEx erworben worden, und UPS habe kein Angebot für den Erwerb von TNT mehr abgeben können. Unter diesen Umständen sei UPS auch daran gehindert gewesen, die Kommission aufzufordern, ihre Beurteilung eines Angebots von UPS für TNT fortzusetzen. Das Gericht habe zugestimmt, das Verfahren vorrangig zu behandeln, aber die Nichtigerklärung sei mehr als ein Jahr nach dem Erwerb von TNT durch FedEx erfolgt.

28      Die Kommission hält den dritten Rechtsmittelgrund für teilweise unzulässig und teilweise unbegründet.

 Würdigung durch den Gerichtshof

29      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshof, wenn das Gericht die Tatsachen festgestellt oder gewürdigt hat, gemäß Art. 256 AEUV lediglich zur Kontrolle ihrer rechtlichen Qualifizierung und der daraus gezogenen rechtlichen Konsequenzen befugt ist (Urteil vom 14. Oktober 2021, NRW. Bank/SRB, C‑662/19 P, EU:C:2021:846, Rn. 35). Die Würdigung der Tatsachen ist, sofern die dem Gericht vorgelegten Beweise nicht verfälscht wurden, daher keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt (Urteil vom 25. März 2021, Deutsche Telekom/Kommission, C‑152/19 P, EU:C:2021:238, Rn. 68).

30      Behauptet ein Rechtsmittelführer eine Verfälschung von Beweisen durch das Gericht, muss er nach Art. 256 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 168 Abs. 1 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichtshofs genau angeben, welche Beweise das Gericht verfälscht haben soll, und die Beurteilungsfehler darlegen, die das Gericht seines Erachtens zu dieser Verfälschung veranlasst haben. Ferner muss sich nach ständiger Rechtsprechung eine solche Verfälschung in offensichtlicher Weise aus den Akten ergeben, ohne dass es einer neuen Tatsachen- und Beweiswürdigung bedarf (Urteil vom 10. November 2022, Kommission/Valencia Club de Fútbol, C‑211/20 P, EU:C:2022:862, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Eine solche Verfälschung setzt voraus, dass das Gericht die Grenzen einer vernünftigen Beurteilung der Beweise offensichtlich überschritten hat. Insoweit genügt es nicht, darzutun, dass ein Dokument anders ausgelegt werden könnte, als das Gericht es getan hat (Urteile vom 28. Januar 2021, Qualcomm und Qualcomm Europe/Kommission, C‑466/19 P, EU:C:2021:76, Rn. 44, sowie vom 16. Februar 2023, Kommission/Italien, C‑623/20 P, EU:C:2023:97, Rn. 128).

32      Hier wirft UPS dem Gericht mit dem vorliegenden Rechtsmittelgrund nicht vor, es habe den Sachverhalt rechtlich falsch eingestuft, als es in Rn. 365 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass der Umstand, dass UPS bereits bei der Bekanntgabe des streitigen Beschlusses und damit lange, bevor FedEx ihr Kaufangebot für TNT bekannt gegeben habe, auf den mit dem Ziel des Erwerbs von TNT geplanten Zusammenschluss verzichtet habe, eine Handlung darstelle, die jeden unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen dem Rechtsverstoß der Kommission und dem geltend gemachten Schaden unterbrochen habe. UPS wirft dem Gericht vielmehr vor, die Beweise verfälscht zu haben, indem es in den Rn. 364 und 365 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass UPS auf diesen Zusammenschluss verzichtet habe.

33      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in den Rn. 364 und 365 des angefochtenen Urteils im Rahmen seiner freien Würdigung des Sachverhalts festgestellt hat, dass UPS in ihrer ersten Pressemitteilung vom 14. Januar 2013 eindeutig darauf hingewiesen habe, dass sie beschlossen habe, den geplanten Zusammenschluss mit TNT aufzugeben, und mit einer zweiten Pressemitteilung vom 30. Januar 2013 die Rücknahme ihres Angebots für TNT und die Entscheidung dieser beiden Unternehmen, ihren Fusionsvertrag zu beenden, angekündigt habe. Das Gericht hat somit in freier Würdigung festgestellt, dass UPS ab dem 14. Januar 2013 auf den Erwerb von TNT verzichtet und diesen Verzicht nie zurückgenommen habe, was auch dadurch belegt werde, dass UPS nach dem streitigen Beschluss weder ein neues Angebot für TNT eingereicht noch mit der Abgabe eines Konkurrenzangebots auf das Angebot von FedEx reagiert habe.

34      UPS macht mit ihrem Vorbringen zur Stützung des vorliegenden Rechtsmittelgrundes jedoch lediglich eine Auslegung der Dokumente, im vorliegenden Fall der Pressemitteilungen vom 14. und 30. Januar 2013, und der diese umgebenden tatsächlichen Umstände geltend, die sich von der im angefochtenen Urteil zugrunde gelegten unterscheidet, ohne darzutun, dass das Gericht insoweit die Akten offensichtlich verfälscht und die Grenzen einer vernünftigen Beweiswürdigung überschritten hätte, als es zu dem Ergebnis gelangt sei, UPS habe beschlossen, auf den in Rede stehenden Zusammenschluss zu verzichten. Hierzu ist im Übrigen festzustellen, dass UPS dem Gericht nicht vorwirft, eine Verfälschung begangen zu haben, als es in Rn. 363 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass der Fusionsvertrag vom 19. März 2012 UPS die Möglichkeit gegeben habe, ihr Angebot an TNT im Fall einer Unvereinbarkeitserklärung zu verlängern, und zwar allein nach ihrem Ermessen.

35      Auch mit der in diesem Zusammenhang von UPS vorgebrachten Argumentation zur Relevanz des Umstands, dass kein zweites Angebot für den Erwerb von TNT oder Konkurrenzangebot als Reaktion auf das Angebot von FedEx abgegeben wurde, kann das Vorliegen einer Verfälschung nicht dargetan werden. Mit diesem Vorbringen stellt UPS nämlich keineswegs die Tatsachenwürdigung des Gerichts in Rn. 365 des angefochtenen Urteils in Frage, wonach UPS weder ein zweites Angebot für den Erwerb von TNT noch ein Konkurrenzangebot als Reaktion auf das Angebot von FedEx abgegeben habe, sondern erkennt die Richtigkeit dieser Tatsachenwürdigung an, indem sie sich darauf beschränkt, Umstände anzuführen, die diese Tatsachen ihrer Ansicht nach rechtfertigen.

36      Der dritte Rechtsmittelgrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

 Zweiter Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

37      Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund wirft UPS dem Gericht im Wesentlichen vor, in den Rn. 346, 347 und 350 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen zu haben, indem es das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem der Kommission zuzurechnenden hinreichend qualifizierten Fehler und dem Reugeld allein deshalb verneint habe, weil dieses Reugeld freiwillig vereinbart worden sei.

38      UPS macht zunächst geltend, dass, wenn der einem Einzelnen entstandene Schaden unmittelbar durch einen hinreichend qualifizierten Fehler eines Unionsorgans verursacht werde, die außervertragliche Haftung der Union unabhängig davon ausgelöst werde, ob die schadensbegründende Handlung ein Vertrag zwischen Privatpersonen sei, dessen zugrunde liegende Verpflichtung vor der Begehung dieses hinreichend qualifizierten Fehlers geschlossen worden sei. UPS führt hierzu aus, dass die Union, wenn man der Argumentation des Gerichts folgte, niemals für den Schaden hafte, der Einzelnen infolge eines einem Organ zuzurechnenden hinreichend qualifizierten Fehlers entstanden sei, wenn die beteiligten Privatpersonen eine zugrunde liegende Vertragsbeziehung freiwillig eingegangen seien oder ihr zugestimmt hätten. Das Gericht erhebe den angeblichen Willen und die freie Zustimmung der von einer Handlung eines Unionsorgans betroffenen Einzelnen zu entscheidenden Gesichtspunkten für das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs. Art. 340 AEUV schließe jedoch den Ersatz von Schäden im Zusammenhang mit vertraglichen Vereinbarungen zwischen Privatpersonen, die bewusst und freiwillig eingegangen worden seien, von seinem Anwendungsbereich keineswegs aus.

39      Zwar gehe die Existenz eines Reugelds auf den Fusionsvertrag vom 19. März 2012 zurück, doch gelte dies nicht für die Zahlung des Reugelds, die ihrerseits durch den streitigen Beschluss ausgelöst worden sei. Insoweit unterscheide sich die vorliegende Rechtssache von derjenigen, in der das Urteil vom 16. Juli 2009, Kommission/Schneider Electric (C‑440/07 P, EU:C:2009:459), ergangen sei. In jener Rechtssache hätte Schneider nämlich den geltend gemachten Schaden vermeiden können, wenn sie das Fusionskontrollverfahren fortgesetzt hätte, um nach der Nichtigerklärung des Verbots des bereits vollzogenen Zusammenschlusses durch das Gericht die Genehmigung für den Erwerb von Legrand zu erhalten, habe sich aber dafür entschieden, das Verfahren abzubrechen. Im vorliegenden Fall habe UPS aber angesichts der Tatsache, dass das Reugeld in der Praxis zwingend gewesen sei, die Zahlung des Reugelds nicht vermeiden können.

40      Schließlich macht UPS geltend, das Gericht sei nicht auf ihr Vorbringen eingegangen, wonach die Aufnahme des Reugelds in den Fusionsvertrag vom 19. März 2012 in der Praxis zwingend gewesen sei. Hierzu führt UPS aus, dass das Argument, wonach das Reugeld bereits aus dem Grund nicht zurückgefordert werden könne, weil es frei vereinbart worden sei, nicht zutreffe. Die von einem öffentlichen Übernahmeangebot betroffenen Unternehmen bestünden nämlich in der Praxis auf der Vereinbarung eines Reugelds.

41      Nach Auffassung der Kommission ist dieser Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

42      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in den Rn. 344 und 345 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass die Zahlung des Reugelds auf eine vertragliche Verpflichtung zurückgehe, die sich aus dem Fusionsvertrag vom 19. März 2012 ergebe. Dieser Vertrag habe vorgesehen, dass das öffentliche Angebot von UPS zum Kauf der Anteile an TNT unter der aufschiebenden Bedingung eines positiven Beschlusses der Kommission abgegeben worden sei und dass die Nichterfüllung dieser Bedingung einen Grund für die Beendigung des Fusionsvertrags dargestellt habe, die es TNT ermöglicht habe, auf erste Anforderung die Zahlung eines Reugelds von 200 Mio. Euro von UPS zu erhalten.

43      In den Rn. 346 und 347 des angefochtenen Urteils hat das Gericht klargestellt, dass diese vertragliche Verpflichtung auf dem Willen der Parteien beruhe, nach ihrer freien Einschätzung das Risiko, dass der geplante Zusammenschluss nicht die vorherige Zustimmung der Kommission erhalte, untereinander aufzuteilen, wobei dieses Risiko, wie der Gerichtshof in Rn. 203 des Urteils vom 16. Juli 2009, Kommission/Schneider Electric (C‑440/07 P, EU:C:2009:459), festgestellt habe, jedem Verfahren zur Kontrolle eines Zusammenschlusses innewohne. Das Gericht hat unter Bezugnahme auf Rn. 205 des letztgenannten Urteils ausgeführt, dass die nachteiligen Folgen vertraglicher Verpflichtungen, die der Adressat eines Beschlusses der Kommission freiwillig eingegangen sei, nicht die entscheidende Ursache für den Schaden darstellen könnten, der durch Rechtsverstöße entstanden sei, mit denen dieser Beschluss behaftet sei.

44      Erstens ist zu der in Rn. 38 des vorliegenden Urteils zusammengefassten Rüge von UPS festzustellen, dass das angefochtene Urteil nicht dahin ausgelegt werden kann, dass die Haftung eines Unionsorgans in allen Fällen ausgeschlossen sein soll, in denen der behauptete Schaden seine Grundlage in vertraglichen Beziehungen hat. Zwar könnte für sich genommen die Feststellung des Gerichts in Rn. 347 des angefochtenen Urteils, wonach die nachteiligen Folgen vertraglicher Verpflichtungen, die der Adressat einer Entscheidung der Kommission freiwillig eingegangen sei, nicht die entscheidende Ursache für den Schaden sein könnten, der durch Rechtsverstöße entstanden sei, mit denen dieser Beschluss behaftet sei, für eine solche Auslegung sprechen. Wie sich jedoch aus einer Gesamtbetrachtung der Rn. 344 bis 347 des angefochtenen Urteils ergibt, beziehen sich die Erwägungen des Gerichts speziell auf die im vorliegenden Fall in Rede stehende Vertragsklausel, mit der die Parteien nach ihrer freien Einschätzung das Risiko, dass der geplante Zusammenschluss nicht die vorherige Zustimmung der Kommission erhält, untereinander aufgeteilt haben, indem sie einen Pauschalbetrag von 200 Mio. Euro festgesetzt haben.

45      Was zweitens das Vorbringen von UPS in Bezug auf den angeblich in der Praxis zwingenden Charakter eines Reugelds betrifft, genügt die Feststellung, dass damit die vom Gericht in den Rn. 346 und 347 des angefochtenen Urteils in freier Beweiswürdigung getroffene Feststellung, wonach das Reugeld im vorliegenden Fall freiwillig vereinbart worden sei, in Frage gestellt werden soll, ohne die geringste Verfälschung geltend zu machen oder nachzuweisen.

46      Folglich ist dieses Vorbringen gemäß der in Rn. 29 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung im Stadium des Rechtsmittels unzulässig.

47      Was drittens die Rüge betrifft, dass ein Begründungsmangel vorliege, weil das Gericht nicht auf das Vorbringen von UPS eingegangen sei, wonach die Entschädigung nicht freiwillig vereinbart worden, sondern in der Praxis zwingend sei, ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht aufgrund der ihm nach Art. 296 Abs. 2 AEUV und Art. 36 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union obliegenden Begründungspflicht seine Überlegungen so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen die Gründe für die getroffene Entscheidung erkennen können und der Gerichtshof seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Diese Pflicht verlangt nicht, dass das Gericht bei seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend behandelt. Die Begründung kann daher implizit erfolgen, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe zu erfahren, auf die sich das Gericht gestützt hat, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrollaufgabe im Rahmen der Prüfung eines Rechtsmittels wahrnehmen kann (Urteil vom 2. Februar 2023, Spanien u. a./Kommission, C‑649/20 P, C‑658/20 P und C‑662/20 P, EU:C:2023:60, Rn. 113 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Im vorliegenden Fall genügt der Hinweis, dass das Gericht auf das Argument von UPS, wonach die Entschädigung in der Praxis zwingend sei, gerade eingegangen ist, indem es in Rn. 346 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, dass die vertragliche Verpflichtung, das Risiko, dass der geplante Zusammenschluss nicht die vorherige Genehmigung der Kommission erhalte, das, wie der Gerichtshof festgestellt habe, jedem Verfahren zur Kontrolle eines Zusammenschlusses innewohne, zwischen UPS und TNT aufzuteilen, freiwillig eingegangen worden sei.

49      Somit ist der zweite Rechtsmittelgrund als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zurückzuweisen.

 Zum ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes

 Vorbringen der Parteien

50      Mit dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes wirft UPS dem Gericht im Wesentlichen vor, insbesondere in den Rn. 356 bis 358 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen und den streitigen Beschluss verfälscht zu haben, indem es entschieden habe, dass das von der Kommission verwendete ökonometrische Modell nur einer der Gesichtspunkte sei, die das Verbot rechtfertigten, und dass UPS nicht nachgewiesen habe, dass sich der festgestellte schwere Rechtsfehler entscheidend auf den Ausgang des streitigen Beschlusses ausgewirkt habe.

51      Nach Ansicht der Kommission ist dieser Teil teils unzulässig und teils unbegründet.

 Würdigung durch den Gerichtshof

52      Es ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in den Rn. 354 bis 358 des angefochtenen Urteils die Auffassung vertreten hat, dass der hinreichend qualifizierte Verstoß gegen die Verfahrensrechte von UPS, wie er in Rn. 123 dieses Urteils festgestellt worden sei, oder die behaupteten Fehler bei der Gestaltung des ökonometrischen Modells der Kommission nicht als Ursache für den materiellen Schaden im Zusammenhang mit dem Gewinn, der UPS aufgrund der Unmöglichkeit der Durchführung des geplanten Zusammenschlusses entgangen sei, angesehen werden könnten.

53      In Rn. 365 des angefochtenen Urteils ist das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass selbst wenn man unterstelle, dass die Unregelmäßigkeit, die die Kommission beim Erlass des streitigen Beschlusses begangen habe, der Klägerin einen entgangenen Gewinn verursacht haben sollte, der Umstand, dass dieses Unternehmen bereits bei der Bekanntgabe des streitigen Beschlusses auf den geplanten Zusammenschluss verzichtet hat, dazu geführt hätte, dass jeder unmittelbare Kausalzusammenhang zwischen dieser Unregelmäßigkeit und dem geltend gemachten Schaden unterbrochen worden sei.

54      Da, wie aus den in den Rn. 32 bis 36 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen hervorgeht, das Vorbringen, mit dem UPS diese in Rn. 365 des angefochtenen Urteils getroffene Feststellung des Gerichts beanstandet hat, zurückgewiesen wurde, ist festzustellen, dass die Rn. 355 bis 358 des angefochtenen Urteils in Bezug auf die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen der Verletzung der Verfahrensrechte von UPS oder den anderen behaupteten Verstößen der Kommission und dem behaupteten materiellen Schaden im Zusammenhang mit dem entgangenen Gewinn, der UPS aufgrund der Unmöglichkeit, den geplanten Zusammenschluss durchzuführen, entstanden sein soll, nicht tragenden Charakter haben.

55      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann nämlich Vorbringen, das gegen nicht tragende Gründe einer Entscheidung des Gerichts gerichtet ist, nicht zur Aufhebung dieser Entscheidung führen und geht daher ins Leere (Beschluss vom 17. Januar 2023, Theodorakis und Theodoraki/Rat, C‑137/22 P, EU:C:2023:41, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Daraus folgt, dass der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als ins Leere gehend zurückzuweisen ist.

 Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes sowie zum vierten und zum fünften Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

57      Mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht UPS geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es in den Rn. 216 und 226 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass der bloße Umstand, dass die Kommission ein mit Unregelmäßigkeiten behaftetes ökonometrisches Modell verwendet habe, nämlich eine unkonventionelle Methode, die auf nicht getesteten und nicht geprüften Hypothesen beruhe, ohne die Belastbarkeit ihrer Ergebnisse und die Sensitivität des Modells zu prüfen, nicht ausreiche, um diese Unregelmäßigkeiten als hinreichend qualifiziert anzusehen, um die außervertragliche Haftung der Union auszulösen.

58      Mit dem vierten Rechtsmittelgrund, der aus drei Teilen besteht, macht UPS geltend, das Gericht habe u. a. in den Rn. 124 bis 143 sowie in den Rn. 229 bis 289 des angefochtenen Urteils Rechtsfehler bei der Bewertung der Effizienzvorteile begangen.

59      Mit dem fünften Rechtsmittelgrund wirft UPS dem Gericht im Wesentlichen vor, in den Rn. 172, 182 und 183 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen zu haben, indem es festgestellt habe, dass UPS in ihren Anträgen auf Zugang zu Dokumenten betreffend die Wettbewerbsfähigkeit von FedEx ungenau gewesen sei und damit ihr Recht auf Zugang zu bestimmten Dokumenten von FedEx verloren habe.

60      Die Kommission tritt dem gesamten im Rahmen dieses Teils und dieser Rechtsmittelgründe geltend gemachten Vorbringen entgegen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

61      Wie das Gericht in Rn. 82 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, hängt nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die außervertragliche Haftung der Europäischen Union nach Art. 340 Abs. 2 AEUV vom Vorliegen mehrerer Voraussetzungen ab, nämlich der Rechtswidrigkeit des dem Unionsorgan vorgeworfenen Verhaltens, dem tatsächlichen Bestehen des Schadens und dem Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten des Organs und dem geltend gemachten Schaden. Wie der Gerichtshof entschieden hat, ist die Klage, wenn eine dieser Voraussetzungen nicht vorliegt, insgesamt abzuweisen, ohne dass die übrigen Voraussetzungen der außervertraglichen Haftung der Union geprüft zu werden brauchten (Urteil vom 25. Februar 2021, Dalli/Kommission, C‑615/19 P, EU:C:2021:133, Rn. 41 und 42 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Außerdem ist der Unionsrichter nicht gehalten, diese Voraussetzungen in einer bestimmten Reihenfolge zu prüfen (Urteil vom 5. September 2019, Europäische Union/Guardian Europe und Guardian Europe/Europäische Union, C‑447/17 P und C‑479/17 P, EU:C:2019:672, Rn. 148 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Da der zweite und der dritte Rechtsmittelgrund des vorliegenden Rechtsmittels zurückgewiesen worden sind, ist davon auszugehen, dass die Feststellungen des Gerichts in den Rn. 350 und 365 des angefochtenen Urteils, wonach der Kausalzusammenhang sowohl in Bezug auf den behaupteten Schaden, der in der Zahlung des Reugelds besteht, als auch in Bezug auf den Gewinn, der UPS aufgrund der Unmöglichkeit der Durchführung des geplanten Zusammenschlusses entgangen sein soll, nicht nachgewiesen sei, von UPS nicht mit Erfolg angefochten werden. Außerdem wurden die Schlussfolgerungen des Gerichts in Rn. 343 des angefochtenen Urteils zum Fehlen eines Kausalzusammenhangs in Bezug auf den mit den Kosten im Zusammenhang mit der Beteiligung von UPS am Verfahren zur Kontrolle des Zusammenschlusses von FedEx und TNT verbundenen Schaden von UPS nicht in Frage gestellt.

63      Daraus folgt, dass das Gericht im angefochtenen Urteil zu Recht das Fehlen eines Kausalzusammenhangs in Bezug auf die drei verschiedenen behaupteten Schäden festgestellt hat.

64      Nach ständiger Rechtsprechung sind im Rahmen eines Rechtsmittels, wenn einer der vom Gericht genannten Gründe den Tenor des Urteils trägt, mögliche Fehler eines weiteren Grundes des betreffenden Urteils für diesen Tenor jedenfalls ohne Wirkung, so dass der diesbezüglich geltend gemachte Rechtsmittelgrund nicht durchgreift und damit zurückzuweisen ist (Urteil vom 14. Oktober 2014, Buono u. a./Kommission, C‑12/13 P und C‑13/13 P, EU:C:2014:2284, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Oktober 2021, Vialto Consulting/Kommission, C‑650/19 P, EU:C:2021:879, Rn. 86).

65      Unter diesen Umständen kann das Vorbringen, mit dem UPS im Rahmen des zweiten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes sowie des vierten und des fünften Rechtsmittelgrundes das Vorliegen hinreichend qualifizierter Verstöße gegen Rechtsvorschriften dartun will, die zu der mit dem Urteil vom 7. März 2017, United Parcel Service/Kommission (T‑194/13, EU:T:2017:144, Rn. 221 und 222), endgültig festgestellten Verletzung der Verteidigungsrechte hinzukämen, selbst wenn es begründet wäre, nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen. Dieses Vorbringen ist daher als ins Leere gehend zurückzuweisen.

 Zum sechsten Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

66      Mit ihrem sechsten Rechtsmittelgrund wirft UPS dem Gericht vor, in Rn. 353 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen zu haben, indem es festgestellt habe, dass der als entgangener Gewinn geltend gemachte Schaden nur den geschätzten vollständigen Verlust der Synergien betreffe und dass jede beim Gericht erhobene Schadensersatzforderung, die unter diesem geschätzten Gesamtverlust der Gewinne liege, eine neue Schadensersatzforderung darstelle, die unzulässig sei, da sie verspätet geltend gemacht worden sei. Insbesondere sei es, falls UPS nach Auffassung des Gerichts keinen Anspruch auf vollständigen Ersatz des geltend gemachten, sich aus verlorenen Synergien ergebenden Verlusts habe, naturgemäß Sache des Gerichts, in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu bestimmen, inwieweit der zu gewährende Schadensersatz niedriger sein sollte als der geforderte Gesamtbetrag.

67      Nach Auffassung der Kommission ist dieser Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

68      Das Vorbringen von UPS beruht auf der Prämisse, dass entgegen den Feststellungen des Gerichts in Rn. 353 des angefochtenen Urteils der materielle Schaden im Zusammenhang mit dem entgangenen Gewinn den durch den Verlust einer Chance entstandenen Schaden einschließt, so dass dieser gegenüber dem ursprünglich geltend gemachten Schaden ein Weniger darstellt, d. h. einen geringeren als den geltend gemachten Gesamtbetrag.

69      Aus den Rn. 5 und 6 des vorliegenden Urteils geht jedoch hervor, dass das Gericht in Rn. 353 des angefochtenen Urteils zu Recht entschieden hat, dass der Schadensersatzantrag wegen des Verlusts einer Chance eine neue Schadensersatzforderung darstelle, die in der Klageschrift nicht geltend gemacht worden sei. Da sich der Schaden im Zusammenhang mit dem Verlust einer Chance, den geplanten Zusammenschluss durchzuführen, grundlegend von dem Schaden unterscheidet, der mit dem aufgrund des Verbots dieses Zusammenschlusses entgangenen Gewinn zusammenhängt, kann die erste Schadensersatzforderung nicht als ein Weniger gegenüber der zweiten angesehen werden. Das Gericht hat daher rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Schadensersatzanspruch wegen des Verlusts einer Chance, der im Verfahren vor dem Gericht erst in Beantwortung von Fragen des Gerichts vorgebracht wurde, verspätet geltend gemacht wurde und daher unzulässig ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. Januar 2000, Mulder u. a./Rat und Kommission, C‑104/89 und C‑37/90, EU:C:2000:38, Rn. 47, und vom 7. November 2019, Rose Vision/Kommission, C‑346/18 P, EU:C:2019:939, Rn. 43).

70      Folglich ist der sechste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

71      Da keinem der Gründe, auf die UPS ihr Rechtsmittel stützt, stattgegeben wird, ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

 Kosten

72      Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist.

73      Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

74      Da UPS mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr dem Antrag der Kommission entsprechend die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2.      Die United Parcel Service Inc. trägt die Kosten.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.